Depression Diagnostik und Therapie Priv.-Doz. Dr. med. Michael Landgrebe Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik der kbo Lech-Mangfall-Klinik Agatharied Akademisches Lehrkrankenhaus der technischen Universität München Epidemiologie • „Global Burden of Disease“ 2000 Punktprävalenz weltweit: ca. 5% • Bundesgesundheitssurvey 1998 aktuelle Prävalenz: ca. 6% • Frauen : Männer = 2 : 1, alle Altersgruppen • 10% der Hausarztpatienten • 25% aller stationären Behandlungen in Fachkliniken Ca. jede 4. Frau und jeder 8. Mann erkranken im Laufe des Lebens an einer Depression Aus: Deutsches Bündnis gegen Depression e.V. Das Biopsychosoziale Entstehungsmodell der Depression Endogener Faktor • Konstitutionelle Prädisposition • Dysbalance der Neurotransmittersysteme • Neuroendokrinologische/ Chronobiologische Dysregulation Genetische Prädisposition Typus melancholicus (vor allem bei bipolaren Erkrankungen) Circadiane Rhythmusstörungen Depression Somatischer Faktor • Aktuelle oder chronische Erkrankung • Depression auslösende Medikamente • Physikalische Einwirkungen (z.B. Lichtentzug) Persönlichkeitsfaktoren • Affektives Morgentief • Schlafstörungen • Störungen der circadianen Hormonsekretion (z.B. Melatonin, Cortison, etc.) Reaktiver Faktor Entwicklungsfaktor • Ängstlich-fürsorglicher Erziehungsstil • Unzureichend verarbeitete Verlusterlebnisse/Traumata • Gelernte Hilflosigkeit • Akute Verluste • Lebenszyklische Krisen • Chronische Konflikte Symptome der Depression Suizidgedanken Suizidale Handlungen Verlust von Interesse und Freude Negative und pessimistische Zukunftsperspektiven Depressive Stimmung Schuldgefühle Schmerzen Vermindertes Selbstvertrauen Appetitminderung Erhöhte Ermüdbarkeit, Antriebslosigkeit Schlafstörungen Vermindertes Selbstwertgefühl Verminderte Aufmerksamkeit und Konzentration Denkhemmung Körperliche Symptome bei Depressionen Kopfschmerzen, Schwindel Rückenschmerzen v. a. bei Frauen Atembeschwerden u. a. Engegefühl Herzbeschwerden u. a. Herzrasen Unterleibsbeschwerden u.a. Zyklusstörungen, Schmerzen Magen-DarmBeschwerden u.a. Übelkeit, Völlegefühl, Schmerzen Möller HJ et al.; Thieme-Verlag, Stuttgart 2001 2. Hatten Sie im letzten Monat deutlich weniger Lust und Freude an Dingen, die Sie sonst gerne tun? Werden beide Fragen mit „Ja“ beantwortet, ist die klinische Erfassung der formalen Diagnosekriterien erforderlich, Beispielfragen da nur durch die explizite Erhebung aller relevanten Haupt- und Nebensymptome eine adäquate Diagnosestellung nach ICD-10 möglich ist. Dies geschieht in aller Regel über eine fundierte Exploration des Patienten im Gespräch, wobei die Beispielfragen in Tabelle 8 hierbei leitend sein können. Tabelle 8: Beispielfragen zur Symptomerfassung (n. [249]) Hauptsymptome Depressive Stimmung „Haben Sie sich in den letzten zwei Wochen niedergeschlagen oder traurig gefühlt?“ „Gab es Zeiten, an denen Ihre Stimmung besser oder schlechter war?“ Interessenverlust und Freudlosigkeit „Haben Sie in der letzten Zeit das Interesse oder die Freude an wichtigen Aktivitäten (Beruf, Hobby, Familie) verloren?“ „Hatten Sie in den letzten zwei Wochen fast ständig das Gefühl, zu nichts mehr Lust zu haben?“ Erhöhte Ermüdbarkeit und Antriebsmangel „Haben Sie Ihre Energie verloren?“ „Fühlen Sie sich ständig müde und abgeschlagen?“ „Fällt es Ihnen schwer, die Aufgaben des Alltags wie gewohnt zu bewerkstelligen?“ Zusatzsymptome Verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit „Haben Sie Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren?“ „Haben Sie Mühe, die Zeitung zu lesen, fernzusehen oder einem Gespräch zu folgen?“ Vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen „Leiden Sie an fehlendem Selbstvertrauen und/oder Selbstwertgefühl?“ „Fühlen Sie sich so selbstsicher wie sonst?“ Gefühle von Schuld und Wertlosigkeit „Machen Sie sich häufig Selbstvorwürfe?“ „Fühlen Sie sich häufig schuldig für alles, was geschieht?“ Aus: S3-Leitlinie/Nationale Versorgungsleitlinie Unipolare Depression, Version 2, Stand 2015 sigkeit Beispielfragen Erhöhte Ermüdbarkeit und Antriebsmangel „Hatten Sie in den letzten zwei Wochen fast ständig das Gefühl, zu nichts mehr Lust zu haben?“ „Haben Sie Ihre Energie verloren?“ „Fühlen Sie sich ständig müde und abgeschlagen?“ „Fällt es Ihnen schwer, die Aufgaben des Alltags wie gewohnt zu bewerkstelligen?“ Zusatzsymptome Verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit „Haben Sie Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren?“ „Haben Sie Mühe, die Zeitung zu lesen, fernzusehen oder einem Gespräch zu folgen?“ Vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen „Leiden Sie an fehlendem Selbstvertrauen und/oder Selbstwertgefühl?“ „Fühlen Sie sich so selbstsicher wie sonst?“ Gefühle von Schuld und Wertlosigkeit „Machen Sie sich häufig Selbstvorwürfe?“ „Fühlen Sie sich häufig schuldig für alles, was geschieht?“ Negative und pessimistische Zukunftsperspektiven „Sehen Sie die Zukunft schwärzer als sonst?“ „Haben Sie Pläne für die Zukunft?“ Suizidgedanken/ SuizidgedanSuizidhandlungen ken/Suizidhandlungen „Geht es Ihnen so schlecht, dass Sie über den Tod nachdenken oder daran, dass es besser wäre, tot zu sein?“ „Hatten oder haben Sie konkrete Pläne, sich etwas anzutun?“ „Haben Sie versucht, sich etwas anzutun?“ „Gibt es etwas, was Sie am Leben hält?“ Schlafstörungen „Hat sich an Ihrem Schlaf etwas geändert?“ „Schlafen Sie mehr/weniger als sonst?“ Verminderter Appetit „Hatten Sie mehr/weniger Appetit in der letzten Zeit?“ „Haben Sie ungewollt abgenommen?“ Aus: S3-Leitlinie/Nationale Versorgungsleitlinie Unipolare Depression, Version 2, Stand 2015 Patienten mit psychiatrischer Störung Somatische Symptome – ein Warnzeichen der Depression 70 69% 60 50 40 30 18% 20 10 4% 0 0 1– 4 5 Anzahl unerklärbarer körperlicher Symptome Je mehr unerklärbare körperliche Symptome vorliegen, desto wahrscheinlicher ist das Vorliegen einer psychiatrischen Störung wie z.B. eine Depression als zugrundeliegende Ursache Modifiziert nach Kisely et al., Psychol Med 1997; 27:1011-9 Diagnose der Depression nach ICD-10 Hauptsymptome Gedrückte, depressive Stimmung Interessenverlust, Freudlosigkeit Antriebsmangel, erhöhte Ermüdbarkeit Depressive Episode Zusatzsymptome Verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit Vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen Gefühle von Schuld und Wertlosigkeit Negative und pessimistische Zukunftsperspektiven Suizidgedanken / -handlungen Schlafstörungen Verminderter Appetit S3-Leitlinie Unipolare Depression S3-Leitlinie/Nationale Versorgungsleitlinie Unipolare Depression, Version 2, Stand 2015 Diagnostisches Vorgehen Bei Ersterkrankung obligat: fakultativ: Körperliche und neurologische Untersuchung Differentialblutbild BSG Leberenzyme Nierenwerte TSH CRP T3, T4 Vitamin B12 Lues-Serologie, HIV-Test Drogenscreening Liquoruntersuchung CCT cMRT EEG EKG Wichtig: Medikamentenanamnese (z.B. ACE-Hemmer, ß-Blocker, Ibuprofen, Ca2+-Antagonisten, Sulfonamide, Gyrasehemmer sowie Interferone können eine Depression auslösen oder verstärken) DGPPN-Leitlinien, Kurzversion (www.dgppn.de) Beispiele somatischer Ursachen der Depression • Neurologische Erkrankungen Entzündungen, Tumoren, Intoxikationen, Blutungen, degenerative Erkrankungen des Gehirns • Endokrinologische Erkrankungen Hypo-/Hyperthyreose, Hypophysenvorderlappeninsuffizienz, Nebennierenrinden-Über-/Unterfunktion, Dysregulation der Sexualhormone • Stoffwechsel-Erkrankungen Anämie, Porphyrie, Hämochromatose, Diabetes mellitus • Sonstige internistische Erkrankungen Leber-, Nieren-, Herz-Kreislauf-Insuffizienz, Tumoren, gastrointestinale Erkrankungen, Infektionserkrankungen Säulen der Depressionstherapie Psychotherapie Biologische Therapieverfahren/ Spezialtherapien Depression Psychopharmaka Soziales Netz: Familie und Freunde Therapie depressiver Störungen Leichte Depression (≤ 14 Tage) Aktiv abwartende Begleitung („Watchful Waiting“) für die Dauer von maximal 14 Tagen, wenn anzunehmen ist, dass die Symptomatik ohne spezifische Behandlung wieder abklingt Leichte Depression (> 14 Tage) Bevorzugt Psychotherapie Antidepressiva nicht generell zur Erstbehandlung sondern nur unter bestimmten Voraussetzungen und kritischer Abwägung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses Mittelgradige Depression Psychotherapie oder Pharmakotherapie Schwere Depression Kombinationsbehandlung mit Psychotherapie und Pharmakotherapie Dysthymie, chronische Depression Kombinationsbehandlung mit Psychotherapie und Pharmakotherapie ist wirksamer als Monotherapie Modifiziert nach S3-Leitlinie/Nationale Versorgungsleitlinie unipolare Depression, Langfassung, Version 1.3, Januar 2012 Nicht-pharmakologische Behandlungsoptionen • Lichttherapie Spezialtherapien • Wachtherapie • Elektrokonvulsionstherapie • Interpersonelle Psychotherapie • Repetitive transkranielle Magnetstimulation • Kognitive Verhaltenstherapie • Vagusnervstimulation • web-basierte Psychotherapien • Tiefenhirnstimulation • ... Nicht-pharmakologische Behandlungsoptionen Lichttherapie ist auch bei nicht-saisonaler Depression wirksam! aus: Tuunainen et al.; Cochrane Database Syst Rev. 2004;(2):CD004050. Klassische Psychotherapie-Verfahren Ambulant Stationär GKV-Erstattung Verhaltenstherapie (KVT) Verhaltenstherapie (KVT) Psychodynamische Psychotherapie Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie Psychodynamische Psychotherapie Modifizierte analytische und systemische Verfahren Ohne GKV-Erstattung Interpersonelle Psychotherapie Systemische Psychotherapie Ergänzung durch: Psychoedukation, Ergotherapie, Angehörigengruppen, Kunsttherapie, Entspannungstechniken, körper- und bewegungsbezogene Therapien Interpersonelle Psychotherapie Gesprächs-Psychotherapie Neuere Verfahren • • • Niederschwellige Angebote (evidenzbasiert) Angeleitete Selbsthilfe (Manuale) Telefon- oder online-gestützte Therapieprogramme (z.B. deprexis®24) Technologiegestützte psychosoziale Interventionen (cCVT) DGPPN, BÄK, KBV, et al (Hrsg.) für die Leitliniengruppe Unipolare Depression*. S3-Leitlinie/Nationale Versorgungsleitlinie Unipolare Depression – Langfassung, 2. Auflage. 2015. Version 3. Available from: www.depression.versorgungsleitlinien.de; [cited: 20.04.2016]; DOI: 10.6101/AZQ/000277 Internet-basierte Psychotherapie bei Depressionen Internet-basierte Psychotherapie ist wirksam und kann eine Alternative zur konventionellen „face-to-face“-Psychotherapie darstellen Aus: Andersson & Cuijpers 2009, Cognitive Behaviour Therapy 38 (4), 196–205 Wirkstoffklassen bei Antidepressiva NARI Selektive NA-Wiederaufnahmehemmung Reboxetin SSRI Selektive 5-HT-Wiederaufnahmehemmung Citalopram, Escitalopram, Fluoxetin, Fluvoxamin, Paroxetin, Sertralin SNRI Selektive 5-HT- und NA-Wiederaufnahmehemmung Venlafaxin, Duloxetin NaSSA α2- und 5-HT2- und 5-HT3-Rezeptorblockade Mirtazapin Trizyklika NA- und 5-HT-Wiederaufnahmehemmung sowie Effekte auf verschiedene andere Rezeptoren („Dirty Drugs“) z.B. Imipramin, Trimipramin, Clomipramin, Opipramol, Amitriptylin, Doxepin MonoaminoxidaseHemmung • • Tranylcypromin Moclobemid NDRI Selektive NA- und DA-Wiederaufnahmehemmung Bupropion Melatonerge Antidepressiva Melatonin-MT1- und MT2-Agonismus 5-HT2c-Rezeptorblockade Agomelatin Multimodale Antidepressiva 5-HT3-/5-HT1D-Rezeptorantagonist, 5HT1ARezeptoragonist, 5-HT1B-Rezeptorpartialagonist, Inhibition des SERT-Transporter Vortioxetin Nicht selektiv und irreversibel Selektiv (MAO-A) und reversibel (RIMA) Modifiziert nach Laux & Dietmaier 2012 Wirksamkeit S3- Leitlinie / Nationale Versorgungsleitlinie „Sichere Nachweise zur Überlegenheit eines Wirkstoffes oder einer Wirkstoffgruppe im ambulanten Bereich können jedoch aus den zahlreichen Vergleichsstudien zwischen Prüf- und Standardsubstanz, die meist nur die Nichtunterlegenheit prüfen, kaum abgeleitet werden.“ Alle zugelassenen Antidepressiva sind (gleich) wirksam Verträglichkeit und Interaktionsprofil Überdosierungssicherheit Ko-Morbidität Handbarkeit Anwendungserfahrung und Patientenpräferenzen Ansprechen in einer früheren Krankheitsperiode Aus: S3-Leitlinie/Nationale Versorgungsleitlinie Unipolare Depression, Version 2, Stand 2015 Kriterien für die Auswahl eines Antidepressivums Dauer der Therapie Bei der 1. Episode 4 bis 9 Monate Bei 2 oder mehr depressiven Episoden mit bedeutsamen funktionellen Einschränkungen (z.B. schwere Krankheitsepisoden) in der jüngeren Vergangenheit Mindestens 2 Jahre Aus: S3-Leitlinie/Nationale Versorgungsleitlinie Unipolare Depression, Version 2, Stand 2015 Johanniskraut Hyperikum (Johanniskraut) ist für die Therapie von leichten bis mittelschweren Depressionen zugelassen NW: Magen-Darm-Beschwerden, Kopfschmerzen, Erregung, Photosensibilisierung und Müdigkeit (gering) Cave: Interaktionspotenzial (z.B blutverdünnende Substanzen, orale Kontrazeptiva, Digoxin und Cyclosporin) Bsp.: Hyperikum perforatum Nicht selektive serotonerge und noradrenerge trizyklische Antidepressiva (TZA) Serotonerg, noradrenerg und dual wirksam Gute Wirksamkeit (teils aktivierend, teils sedierend) Sicherheit und Verträglichkeit im Vergleich zu SSRI/SNRI schlechter (v.a. bei Überdosierungen) NW: anticholinerge NW, Kreislaufstörungen, Herzrhythmusstörungen, delirante Zustandsbilder Cave: Interaktionspotenzial (z.B. Clonidin, Amiodaron, AntiparkinsonMedikamente, Sympathomimetika, Muskelrelaxantien) Bsp.: Amitriptylin-,oxid, Clomipramin, Doxepin, Imipramin, Desipramin, Nortriptylin, Maprotolin, etc. Selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI) Häufig Therapie der ersten Wahl Im Vergleich zu TZA und dual wirksamen Antidepressiva (SNRI, NaSSA) gleich gut wirksam Besseres Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil (vs. TZA) Häufigste NW: Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, sexuelle Funktionsstörungen, Schlafstörungen Cave: - Kombination mit Clodipogrel, ASS, NSAR Risiko (4,7-fach erhöht) für obere GI-Blutung - Hyponatriämie (v.a. bei älteren Patienten) Absetzphänomene bei SSRI mit kurzer HWZ möglich Bsp.: Citalopram, Escitalopram, Fluoxetin, Fluvoxamin, Paroxetin, Sertralin Selektive Serotoni- und Noradrenalinwiederaufnahmehemmer (SNRI) SNRI sind im Vergleich zu TZA vergleichbar wirksam Schmerzmodulierende Effekte (Duloxetin Zulassung für Schmerzen bei diabetischer Polyneuropathie) Im Vergleich zu TZA besseres, im Vergleich zu SSRI schlechteres Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil Häufigste NW: GI-Störungen, sexuelle Funktionsstörungen, innere Unruhe, Blutdurckerhöhung, Mundtrockenheit, Kopfschmerzen Absetzphänomene sind möglich Bsp.: Venlafaxin, Duloxetin Noradrenerges und spezifisch serotonerges Antidepressivum (NaSSA) Im Vergleich zu TZA gleich gut wirksam Durch Sedierung positive Effekte bei agitierten Patienten Im Vergleich zu TZA besseres Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil NW: Schläfrigkeit, Kopfschmerzen, Gewichtszunahme, Restless-Legs, Appetitsteigerung, Mundtrockenheit Seltene UAW: Leukopenie bis hin zur Agranulozytose Bsp.: Mirtazapin Noradrenalin-Dopamin-Wiederaufnahmehemmer (NDRI) Im Vergleich zu SSRI und SNRI gleich gut wirksam Häufigste NW: Mundtrockenheit, Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen, innere Unruhe, Blutdurckerhöhung Memo: Senkung der Krampfschwelle epileptischer Anfall Bsp.: Bupropion MT1-/MT2-Agonist und 5HT2c-Antagonist • Im Vergleich zu SSRI und SNRI gleich gut wirksam • Wiederherstellung der gestörten zirkadianen Rhythmik (z.B. Schlaf-WachRhythmus) • I.d.R. keine Sedierung am Tage • I.d.R. Gewichtsneutral, Erhalt der sexuellen Funktion, kein Einfluss auf Blutdruck, Herzfrequenz + QTc-Zeit • Keine Absetzsymptomatik • Häufigste NW: Kopfschmerz, Übelkeit, Schwindel • Memo: Kontrolle Lebertransaminasen (GOT/GPT) entsprechend der Fachinformation • Bsp.: Agomelatin Warum ist es wichtig, auf mögliche Nebenwirkungen und Interaktionen von Antidepressiva zu achten? Subjektive Gründe für Therapieabbruch Frühe Abbrecher (1 Monat;N=41) Späte Abbrecher (4 Monate;N=25) Unerwünschte Nebenwirkungen Braucht keine Medikation Modifiziert nach Lin E et al. (1995) Med Care Vol 33, 1: 67-74 Besserung der Symptome Gefühl Medikation wirkt nicht Nebenwirkungsprofil von Antidepressiva Psychomotorische Aktivierung Psychose Sexuelle Dysfunktion Sedierung/ Müdigkeit Aktivierende Nebenwirkungen DA-Wiederaufnahmehemmung Gewichtszunahme 5-HT2Agonismus H1Antagonismus VerschwommenSehen Trockener Mund Sinustachykardie Obstipation Harnverhalt Übelkeit AchAntagonismus Gedächtnisstörungen Antidepressiva α 1Antagonismus Störungen Aktivierende Effekte α2-Antagonismus NAWiederaufnahmehemmung Harnverhalt Priapismus Aktivierende Effekte Tremor Orthostatische Hypotonie Schwindel Modifiziert nach Richelson 1993 5-HTWiederaufnahmeGastrointestinale hemmung Kardiovaskuläre Störungen Antidepressiva und Schlaf/Wachheit am Tag Schlafkontinuität Sedierung tagsüber • Amitriptylin ++ ++++ • Doxepin ++ +++ • Imipramin +, +/- ++ • Clomipramin +, +/- +/- • Desipramin +/- + • Fluoxetin - +/- • Paroxetin -- n/a +/- +/- - ++ +++ - • Bupropion - +/- • Trazodon +++ ++++ TZA SSRI • Sertralin Obstipation SNRI • Venlafaxin Melantonerge Antidepressiva • Agomelatin Sonstige +: Zunahme; -: Abnahme; +/- : keine Veränderung; n/a: keine Daten verfügbar Wiederholte Symbole geben die Stärke eines Effekts an, bzw. auf inkonsistente Ergebnisse zwischen Studien hin Modifiziert und erweitert nach Lader, Eur Neuropsychopharmacol 2007; 17: 743-55 Antidepressiva und sexuelle Dysfunktion Obstipation Moc Moclobemid Esc Escitalopram Ago Agemelatin Dul Duloxetin Ami Amineptin Phen Phenelzin Nef Nefazodon Imi Imipramin Bup Bupropion Flu Fluoxetin Pla Placebo Par Paroxetin Mir Mirtazapin Cit Citalopram Fluv Fluvoxamin Ven Venlafaxin Ser Sertralin Serretti et al. 2009, J Clin Psychopharmacol 29(3):259-266 Effekte von Antidepressiva auf das QTc-Intervall Substanzklasse/Substanz Citalopram, Escitalopram, Maprotilin, TZA (insbesondere Amitriptylin) Risiko QTc-Zeit-Verlängerung Vorhanden Fluoxetin, Mianserin, Moclobemid, Obstipation Trazodon, Venlafaxin Gering oder nur bei Überdosierung/Intoxikation Agomelatin, Bupropion, Duloxetin, Mirtazapin, Sertralin, Paroxetin, Reboxetin, Tranylcypromin Sehr gering, nicht vorhanden in therapeutischen Konzentrationen Modifiziert nach Benkert O., Hippius H., Kompendium der Psychiatrischen Pharmakotherapie, Springer, 9. Auflage,2013 Wichtigste Interaktionen bei neueren AD* Wechselwirkung mit Klinische Effekte Empfehlungen Analgetika, zentrale Opioide, Buspiron, Antibiotika (Linezolid), AD (SSRI, SNRI, Clomipramin, MAOHemmer) Verstärkte serotonerge Effekte bei Tramadol, Fentanyl und Pethidin Agomelatin, Bupropion und Mirtazapin in der Regel möglich ASS/NSAR (Diclofenac, Ibuprofen) Verminderte Thrombozytenaggregation verstärkte Blutungsneigung Interaktion bei SSRI/SNRI relevant Alternativen: Agomelatin, Bupropion oder Mirtazapin Betablocker Verstärkte Betablockerwirkung durch Enzyminhibition; Hypotonie; Bradykardie Interaktion v.a. bei Fluoxetin, Paroxetin, Duloxetin und Bupropion Alternativen: Agomelatin, Citalopram, Escitalopram oder Sertralin Migränemittel vom Tryptan-Typ Potenzierung serotonerger Effekte Vorsicht bei Kombination mit SSRI/SNRI, MAO-Hemmer Carbamazepin Diuretika vom Thiazid-Typ Erhöhtes Risiko eines SIADHSyndroms -> Elektrolytverschiebung (Hyponatriämie) -> Delirgefahr Vorsicht bei Kombination mit SSRI/SNRI Alternativen: Agomelatin Bupropion oder Mirtazapin Obstipation *) = SSRI, Duloxetin, Venlafaxin, Mirtazapin, Bupropion, Agomelatin) Modifiziert nach Laux G, Dietmaier O, Praktische Psychopharmakotherapie, Urban&Fischer, 6.Auflage 2012 Übersicht Nebenwirkungen von Antidepressiva Wirksubstanz Sedierung Agitation, Insomnie Anticholinerg Orthostase Übelkeit/ Emesis Gewichtszunahme Sexuelle Dysfunktion Agomelatin - - - - + - - Amitriptylin +++ - +++ +++ - +++ + Bupropion - + + - + - - Duloxetin - + - - ++ - + Escitalopram - + - - ++ - ++ + - ++ Fluoxetin ++ Mirtazapin Obstipation ++ - - + - ++ - Paroxetin - ++ + - ++ - ++ Reboxetin - ++ + ++ + - + Sertralin - ++ - - ++ - ++ Venlafaxin - ++ - ++ ++ - ++ - = keine NW oder selten auftretend, + = gering auftretend, ++ = mäßig auftretend, +++ = häufig Modifiziert nach Bauer M et al.,2013 ; The World Journal of Biological Psychiatry, 14: 334-385 Fazit • Die Depression ist eine häufige und gesundheitsökonomisch hoch relevante Erkrankung • eine rechtzeitige Diagnose und Einleitung einer spezifischen Therapie (Psychotherapie und / oder Psychopharmakotherapie) ist wichtig • Web-basierte Psychotherapieangebote stellen eine sinnvolle und wirksame Alternative bei Wartezeiten auf einen regulären Therapieplatz dar • Eine Psychopharmakotherapie sollte unter den Aspekten des Wirkspektrums und der Verträglichkeit individuell ausgewählt werden