Geschichts- und Erinnerungstafel Bülten VOLKSBUND DEUTSCHE KRIEGSGRÄBERFÜRSORGE e.V. Am 1. September 1939 begann mit dem deutschen Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg. Er endete in Europa am 8. Mai 1945 mit der deutschen Kapitulation. Mehr als 55 Millionen Menschen verloren ihr Leben. Postkarte, ca. 1947. Unten rechts die Baracken des Ledigenheimes, in denen während des Zweiten Weltkrieges Zivilarbeiter und Kriegsgefangene aus der Sowjetunion untergebracht waren (Heimat- und Bergbauverein Bülten e.V.) Gräber sowjetischer Kriegsgefangener auf dem Friedhof Klein Bülten Während des Zweiten Weltkrieges setzte das nationalsozialistische Deutschland bis zu 20 Millionen ausländische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter im „Großdeutschen Reich“ und in den besetzten Gebieten ein. Darunter waren auch bis zu sechs Millionen sowjetische Kriegsgefangene. Sie wurden aus rassistischen Gründen besonders schlecht behandelt. Etwa die Hälfte von ihnen hat die Gefangenschaft nicht überlebt. Zwangsarbeit in Peine Schacht Emilie, Luftaufnahme aus dem Jahr 1958 (Heimat- und Bergbauverein Bülten e.V.) Auch im Landkreis Peine prägte die Anwesenheit zahlreicher ausländischer Zwangsarbeiter den Alltag im Krieg. Zu den größten Arbeitgebern gehörte die Ilseder Hütte mit ihren Betrieben in Peine, Groß Ilsede, Klein Bülten, Groß Bülten und Lengede. Allein das Walzwerk in Peine beschäftigte über 1000 zivile Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene. Die meisten von ihnen stammten aus der Sowjetunion und Polen. Französische Kriegsgefangene waren dagegen meist in der Landwirtschaft auf den Dörfern eingesetzt. Auf diese Weise kam fast jeder Deutsche während des Krieges in Kontakt mit Ausländern, die zur Arbeit nach Deutschland gebracht worden waren. Auch ein Außenlager des KZ Neuengamme gab es im Kreis Peine. In Vechelde mussten seit September 1944 meist jüdische Häftlinge aus Polen in einem Ausweichbetrieb der Firma Büssing LKW-Ersatzteile herstellen. Zwangsarbeiter in Klein Bülten In Klein Bülten wurden ausländische Zwangsarbeiter im Eisenerzbergbau der Ilseder Hütte eingesetzt. Im Jahr 1944 handelte es sich um 64 „Ostarbeiter“, wie zivile Zwangsarbeiter aus der Sowjetunion bezeichnet wurden, 30 Arbeiter aus Polen und Tschechien, 63 sowjetische Kriegsgefangene und 491 italienische „Militärinternierte“. Für die „Militärinternierten“ hatte die Ilseder Hütte ein Barackenlager in unmittelbarer Nähe des Emilieschachtes errichtet. Die „Ostarbeiter“ waren in den Gebäuden des Ledigenheims untergebracht. Dort war eine Baracke mit Stacheldraht zur Aufnahme der sowjetischen Kriegsgefangenen abgetrennt, die besonders unter den harten Arbeitsbedingungen zu leiden hatten. Einwohner aus Klein Bülten berichten, dass die sowjetischen Gefangenen trotz ihrer schlechten körperlichen Verfassung die gleiche Leistung erbringen mussten wie die deutschen Bergleute. Wenn sie diese Vorgaben nicht erfüllen konnten, wurden sie von den Reviersteigern gezwungen, eine weitere Schicht unter Tage zu bleiben, ohne dass sie in dieser Zeit Verpflegung erhielten. Mindestens zwölf italienische „Militärinternierte“ und sechs sowjetische Kriegsgefangene sind in Klein Bülten gestorben. Sie wurden auf dem Gemeindefriedhof beigesetzt. Außerdem ist eine unbekannte Zahl von Erkrankten in verschiedene Krankenhäuser, etwa in Wolfenbüttel, transportiert worden und kurz darauf dort verstorben. Diese Geschichts- und Erinnerungstafel ist das Ergebnis eines gemeinsamen Projektes der IGS Peine, des Heimat- und Bergbauvereins Klein Bülten von 1997 e.V., des Kreisheimatbundes Peine e.V. und des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. Text: Dr. Jens Binner Diese Tafel wurde finanziell ermöglicht durch: Die genaue Zahl der Opfer des Zwangsarbeitereinsatzes in Klein Bülten ist daher unbekannt. Die zwölf in Klein Bülten beigesetzten Italiener wurden in den 1950er Jahren auf den Friedhof Hamburg-Öjendorf umgebettet. Für die sechs sowjetischen Kriegsgefangenen errichtete die Gemeinde einen Gedenkstein. Michail W. Kusnezow (1918-1945) Michail Kusnezow wurde 1918 im Gebiet Woronesh im heutigen Russland geboren, lebte aber bis zum Krieg mit seiner Frau in einem Dorf im Gebiet Penza südöstlich von Moskau. Als Beruf hat er Bauer angegeben. Am 24. Juni 1942 geriet er in deutsche Gefangenschaft. Er wurde zunächst im Kriegsgefangenenstammlager (Stalag) 333 in Benjaminowo registriert und kam Anfang Juli 1942 über das Stalag 319 Deblin in das Stalag XI B in Fallingbostel. Ab 28. Juli 1942 war er im Arbeitskommando Nr. 3137 in Schulenberg (Harz) an der Okertalsperre zu Bauarbeiten eingesetzt. Im Oktober 1942 befand er sich zunächst wieder für knapp zwei Wochen im Stalag XI B, bevor er ab 19. Oktober 1942 in Klein Bülten im Kommando Nr. 3122 der Ilseder Hütte im Bergbau arbeiten musste. Nach mehr als anderthalb Jahren Arbeit in Klein Bülten erkrankte Kusnezow an einem Magenkatarrh, der zwei Wochen lang im Lazarett BergenBelsen behandelt wurde. Anschließend musste er wieder in Klein Bülten arbeiten. Am 21. Januar 1945 wurde Kusnezow in Klein Bülten „auf der Flucht erschossen“, wie es hieß. Ob er wirklich fliehen wollte oder aus einem anderen Grund erschossen wurde, ist unbekannt. Personalkarte von Michail Kusnezow. Die Wehrmacht erstellte für jeden Kriegsgefangenen eine Personalkarte mit den wichtigsten Informationen (Dokumentationsstelle Dresden der Stiftung Sächsische Gedenkstätten) Bülten, November 2013 Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. ist eine humanitäre Organisation und widmet sich der Aufgabe, die Gräber der deutschen Kriegstoten im Ausland zu erfassen, zu erhalten und zu pflegen. Unter dem Motto „Versöhnung über den Gräbern – Arbeit für den Frieden“ betreibt der Volksbund als einziger Kriegsgräberdienst der Welt eine eigenständige Jugend- und Schularbeit. Ausgehend von den Gräbern der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft erfahren junge Menschen in den Projekten des Volksbundes, dass Meinungsfreiheit, die Wahrung der Menschenrechte, Demokratie und Frieden keine Selbstverständlichkeit sind, sondern das Engagement jedes Einzelnen erfordern. Der Volksbund hat auch eine beratende Funktion bei Kriegsgräbern im Inland. Weitere Informationen erhalten Sie unter www.volksbund-niedersachsen.de