Das neue Gesicht der Influenza

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Tiergesundheit
Husten
Das neue Gesicht
der Influenza
Aborte
Akute Influenza-Schübe mit hohem Fieber treten immer seltener auf. Die Infektion verläuft
heute eher schleichend. Wie man sie erkennt
und behandelt, erläutert Diplom-Veterinär
Jürgen Grohme aus Marne.
D
Lungenschäden
ie Probleme begannen damit,
dass einzelne Sauen verferkelten, quer durch alle Trächtigkeitsstadien. Die Tiere hatten
zwar erhöhte Temperatur, aber kein
starkes Fieber. Hin und wieder hörte Ferkelerzeuger Kai Petersen*
auch mal die eine oder andere Sau
husten. Und im Abferkelstall wurden vermehrt lebensschwache Ferkel geboren.
Für das Verferkeln könnten Leptospiren oder Chlamydien verantwortlich sein. Darin waren sich
Petersen und sein Hoftierarzt einig.
PRRS hingegen schlossen sie als
Ursache aus, da die Herde seit Jahren regelmäßig geimpft wird. Außerdem lösen PRRS-Viren vermehrt Spätaborte aus. Bei Petersen
traten die Aborte aber in allen
Trächtigkeitsstadien auf.
Um die Ursache der Fruchtbarkeitsprobleme abzuklären, zog der
Tierarzt Blutproben und ließ sie im
Labor untersuchen, zweimal bei jeweils den gleichen Tieren im Abstand von drei Wochen. Ergebnis:
Weder Chlamydien noch Leptospiren bereiteten im Bestand Probleme, sondern eine Infektion mit Influenzaviren vom Typ H1 N2. Sie
waren Auslöser der für eine Influenza-Infektion nicht gerade typischen
Symptome.
Tatsache ist, dass sich das früher
für Influenza-Infektionen typische
Krankheitsbild heute immer seltener
in Schweinebeständen beobachten
*) Name geändert
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lässt. Plötzlich auftretende akute
Hustenschübe, verbunden mit hohem Fieber von 41 bis 42 °C,
­schmerzhaftem Husten und Atemnot sind heute eher die Ausnahme
als die Regel.
Typisch untypischer
Krankheitsverlauf
In den meisten Fällen erkranken
die betroffenen Bestände nicht
mehr schlagartig. Es sind vielmehr
einzelne Tier- und Altersgruppen
betroffen. Und der Krankheitsverlauf ist insgesamt milder. Husten
und Fieber kann man oft nur bei bestimmten Gruppen oder bei Einzeltieren feststellen, die über den gesamten Bestand verteilt sind. Die
Erkrankung breitet sich später dann
schleppend von Tiergruppe zu Tiergruppe aus.
In der Mast kommt es infolge der
Infektion zu erhöhten Verlusten
durch Erkrankungen, die bislang im
Bestand keine größere Rolle spielten z. B. Colienterotoxämie, APP,
Gelenkerkrankungen und Streptokokken. Die beschriebenen Symptome können dabei einzeln aber auch
in Kombination auftreten.
In Sauenherden gibt es als Folge
der Influenza-Infektion vermehrt
MMA-Probleme, verbunden mit anschließenden Saugferkeldurchfällen. Häufig klagen die Sauenhalter
über erhöhte Umrauschquoten bei
den Sauen. Es werden kleine Würfe
bzw. mehr lebensschwache Ferkel
geboren, und die lebend geborenen
Saugferkel kümmern oftmals.
Der Antikörper-Nachweis über
gepaarte Serumproben liefert die
sichersten Ergebnisse.
Bestände durchseuchen unvollständig
Auslöser für das neue Erscheinungsbild der Influenza ist ein
nahezu chronischer Krankheitsverlauf. Die Bestände durchseuchen oftmals nur noch verzögert.
Und deshalb kann sich auch die
Immunität nur lückenhaft ausbilden. Im Gegensatz zum klassischen Krankheitsverlauf kommt
es nicht mehr zu einer „Selbstheilung“ des Bestandes.
Eine nicht zu unterschätzende
Rolle spielt dabei die Remontierung des Sauenbestandes. Denn
durch das laufende Nachstallen
bisher nicht infizierter Jungsauen
trifft das Virus immer wieder auf
empfängliche Tiergruppen, wenn
keine ausreichend lange (sechs
Wochen) Quarantäne vorgeschaltet wird. So wird der Infektionsdruck im Bestand mal mehr und mal weniger stark, aber stetig aufrechterhalten.
Eine ähnliche Rolle im Infektionsgeschehen kann auch das Flatdeck spielen.
Denn nach dem Absetzen und dem Umstallen in den Aufzuchtstall bauen sich
bei den Ferkeln die maternalen Antikörper im Blut allmählich ab. Dadurch werden sie für eine Influenza-Infektion wieder voll empfänglich.
Unter ungünstigen Voraussetzungen
besteht so ständig die Gefahr einer Viruseinschleppung in die Sauenherde. Deshalb ist es wichtig, den Abferkelbereich
und die Ferkelaufzucht räumlich zu tren-
nen und beim Stallwechsel zumindest die
Kleidung zu wechseln!
Serum-Paarproben
untersuchen lassen!
Die genaue Ursache der Produktionsstörung lässt sich meist erst durch eine
gezielte Diagnostik klären. In manchen
Fällen gelingt es, das Virus mithilfe der
PCR (Polymerase-Ketten-Reaktion) in
Nasentupfer- oder Lungenspülproben
nachzuweisen. Bei diesem Verfahren werden bestimmte Genabschnitte des Influenza A-Virus molekularbiologisch nach-
So sieht der klassische Verlauf aus
Die Schweineinfluenza ist eine hoch
ansteckende Erkrankung der Atmungsorgane. Das Virus wird durch Husten,
Niesen und Nasenausfluss von den erkrankten Tiere ausgeschieden und über
Tierkontakt, die Luft oder über Zwischenträger wie Personal und Geräte
von Tier zu Tier bzw. von Bestand zu
Bestand übertragen. Die seuchenhafte
Ausbreitung wird durch starke Temperaturschwankungen, saisonbedingte Erkältungen sowie eine hohe Tierdichte
zusätzlich begünstigt.
Das Virus befällt, nachdem es die
schützende Schleimschicht überwunden
hat, im Atmungstrakt das Epithel der
Luftröhre und der Bronchien. Hier
kommt es zu einer massiven Virusvermehrung, verbunden mit einer Zerstörung der obersten Zellschicht und einer
Schädigung des lokalen Abwehrsystems
der Lunge. Die sich dabei bildenden
Zelltrümmer bilden einen hervorragenden Nährboden für bakterielle Begleitkeime, der sehr zähflüssig ist und die
kleinen Bronchien verstopft.
Aus der anfänglichen Infektion der
Bronchien entwickelt sich innerhalb weniger Stunden mit der Ausbreitung des
Virus im Lungenstützgewebe eine
schwere Bronchitis mit einer so genanten interstitiellen Pneumonie.
gewiesen. Oder aber das Virus wird aus
Zellproben angezüchtet, die aus der Lunge toter Schweine gewonnen wurden.
Eine höhere diagnostische Trefferquote hat man allerdings beim Antikörpernachweis im Blut. Die zuverlässigsten Ergebnisse bekommt man dabei, wenn man
Serumpaare untersuchen lässt. Dazu ist
es erforderlich, die gleichen akut erkrankten Sauen zweimal im Abstand von drei
Wochen zu beproben. Ein Anstieg des
Serumtiters um das Vierfache oder mehr
gilt dabei als sicherer Nachweis einer Influenza-Infektion.
Bei beiden Untersuchungsmethoden
lässt sich genau differenzieren, welche Subtypen des Influenza A-Virus an der Infektion beteiligt sind. Das ist notwendig, um
sich im Fall einer Impfung für den passenden Impfstoff entscheiden zu können, der
auch die jeweiligen Subtypen abdeckt.
Unsere Erfahrung dazu: In Betrieben
mit atypischem Influenza-Verlauf lässt
sich fast immer auch der Subtyp H1 N2
nachweisen. Mal ist der neue Subtyp
H1 N2 allein der Auslöser, oftmals lässt er
sich aber auch in Kombination mit H1 N1
und/oder H3 N2 nachweisen.
Schnelle Behandlung
notwendig
Als Sofortmaßnahme sollte bei einer
Influenza-Infektion die Stalltemperatur
angehoben, ausreichend Wasser angeboten und die Frischluftzufuhr erhöht werden, ohne dass dadurch Zugluft entsteht.
Zudem empfiehlt es sich, den Tieren un-
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Tiergesundheit
nötigen Stress zu ersparen, z. B.
durch Umtreiben oder Umgruppieren.
Hochgradig erkrankte Tiere
sollten darüber hinaus per Injektion mit Fieber senkenden
Entzündungshemmern behandelt werden. Dafür eignen sich
z. B. Metamizol-Natrium oder
Flunixin-Meglumin. Wenn es
möglich ist, können die Fieber
senkenden Wirkstoffe (z. B.
Acetylsalicylsäure oder Ketoprofen) auch über die Tränke
verabreicht werden.
Eine antibiotische Behandlung macht wie bei allen Viruserkrankungen nur Sinn, wenn
sich bakterielle Begleitinfektionen nachweisen lassen. Das ist
in der Praxis sehr häufig der Fall.
Allein aus Tierschutzgründen
und zur Schadensminimierung
wird daher bei den meisten Influenza-Infektionen begleitend
antibiotisch behandelt. Vor Behandlungsbeginn sollte jedoch
unbedingt ein Resistenztest
durchgeführt werden.
Die wichtigste und effektivste Maßnahme, um den Bestand vor
der Einschleppung bzw. Verbreitung des
Virus zu schützen, ist die Influenza-Impfung. In Herden mit atypischem Verlauf
gelingt die Unterbrechung der Infektionskette in der Regel aber nur, wenn man
das Impfprogramm erstens ganz gezielt
auf die Gegebenheiten des Bestandes abstimmt und dieses Programm zweitens
dann auch ganz konsequent durchzieht.
Den besten Schutz vor InfluenzaInfektionen bietet die Impfung.
Fotos: Einhoff, Gass-Cofré (1),
Heil (1), IDT (1), Nienhoff (2)
Wochen. Die Wiederholungsimpfungen werden dann alle 4 bis 6
Monate empfohlen. Entscheidend für den Erfolg der Impfung
ist, dass die Impfdecke im Bestand immer geschlossen bleibt!
Auch die Eber dürfen nicht vergessen werden.
Wir fassen zusammen
Die in Deutschland bereits seit Jahren
für Schweine zugelassenen Impfstoffe
enthalten die Subtypen H1 N1 und H3 N2.
Darüber hinaus bietet IDT mit seinem
neuen Impfstoff „Respiporc Flu 3“ als
einziger Impfstoffhersteller zusätzlichen
Schutz gegen den neuen Subtyp H1 N2.
Die Grundimmunisierung erfolgt
durch zwei aufeinanderfolgende Impfungen der Sauen im Abstand von 3 bis 4
Das Erscheinungsbild der Influenza hat sich gewandelt. Akute Ausbrüche mit einer nahezu
100 %-igen Erkrankungsrate, hohem Fieber, schmerzhaftem Husten, Atemnot und Fressunlust beobachtet man immer seltener.
Stattdessen erkranken meistens nur noch einzelne Tier- bzw.
Altersgruppen mit geringfügigem
Husten und mäßigem Fieber. In
Sauenherden erhöht sich die Zahl
der Aborte, es gibt vermehrt MMA-Probleme und kümmernde Ferkel. In der Ferkelaufzucht und in der Mast kann die Influenza-Infektion zu Husten und vermindertem Wachstum führen.
Als Sofortmaßnahme können Fiebersenker und Antibiotika gegen bakterielle
Begleiterkrankungen verabreicht werden. Die wichtigste vorbeugende Maßnahme ist die Schutzimpfung.
Schwein als Bio-Reagenzglas
Vorsicht in der nasskalten
Jahreszeit: Das Virus kann auch
vom Menschen auf das Schwein
und umgekehrt übertragen
werden!
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Infektionen mit dem Influenza A-Virus kommen bei Mensch, Pferd, Schwein
und Geflügel vor. Sie erfolgen zumeist innerhalb einer Art, d. h. von Mensch zu
Mensch mit humanen, von Schwein zu
Schwein mit porcinen und von Vogel zu
Vogel mit aviären Influenzaviren. Schweine können sich zudem mit menschlichen
und aviären Influenzaviren infizieren, da
das Schwein als einziges Tier Rezeptoren
für alle Influenza-Typen in sich trägt. Und
es können Infektionen vom Schwein auf
den Menschen übertragen werden.
Das Influenzavirus wird je nach Proteinzusammensetzung in die Typen A, B
und C eingeteilt. Die Erreger der Schweine-Influenza gehören zum Serotyp A. Auf
der Virushülle befinden sich die ProteinAntigene Neuramidase (N) und Hämagglutinin (H). Derzeit sind 15 H- und 9 N-
Antigene bekannt. Aus der Kombination von H- und N-Antigenen resultieren
die verschiedenen Subtypen wie z. B.
H1 N1, H3 N2 und H1 N2.
Durch punktuelle Mutationen beim
Hämagglutinin entstehen immer wieder neue Subtypen. Durch diesen Vorgang, den man als Antigendrift bezeichnet, schützt sich das Virus vor dem Immunsystem des Wirtes. Darüber hinaus
gibt es plötzlich auftretende Veränderungen des Virus mit meist erheblichen
antigenen Veränderungen, die man als
Antigenshift bezeichnet.
Infiziert sich ein Schwein gleichzeitig
mit zwei unterschiedlichen Virustypen,
z. B. mit einem humanen und einem porcinen Influenzavirus, kann es zum Austausch von Gensegmenten und zum Entstehen ganz neuer Subtypen kommen.
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