Elektrochemie – Grundlagen und analytische Anwendungen

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Elektrochemie
Grundlagen und analytische
Anwendungen
Jens Petersen
S. 1/ 11
Überblick
1 – Elektrochemie im Gleichgewicht
1-1 – Elektrochemisches Potenzial
1-2 – Messbarkeit der Potenzialdifferenz
1-3 – Referenzmessung, Standardisierung
1-4 – Vorzeichenkonventionen
1-5 – Die Nernst’sche Gleichung
1-6 – Zusammenhang mit thermodynamischen Kenngrößen
1-7 – Arten von Zellen, Ausblick auf die Anwendungen
2 – Elektrochemie im Nichtgleichgewicht
2-1 – Überspannung
2-2 – Ohm’scher Spannungsabfall
2-3 – Diffusionsüberspannung
2-4 – Durchtrittsüberspannung
3 – Elektroanalytik
3-1 – Überblick über die gängigen Verfahren
3-2 – Potentiometrie – Arten von Elektroden
3-3 – Potentiometrische Messungen
1 – Elektrochemie im Gleichgewicht
1-1 – Elektrochemisches Potenzial
Aus der chemischen Thermodynamik folgt, dass zwei Phasen (z.B. Feststoff und Lösung)
miteinander im Gleichgewicht stehen, wenn die chemischen Potenziale aller Komponenten
jeweils in beiden Phasen gleich sind. Das chemische Standard-Potenzial µ° eines Stoffes kann
man sich dabei vereinfacht als die Energie vorstellen, um die die freie Enthalpie eines
Systems zunimmt, wenn man dem System ein Mol des Stoffes hinzufügt. Das chemische
Potenzial ist dann die Summe aus dem chemischen Standard-Potenzial und einem
konzentrations- (bzw. aktivitäts-)abhängigen Term:
µ i = µ i0 + RT ln a i
Das gilt, wenn die betrachteten Stoffe ungeladen sind. Liegen jedoch geladene Teilchen vor,
so kommt zu dieser Energieänderung noch eine elektrische Arbeit hinzu. Insgesamt ist also
das elektrochemische Potenzial definiert als
~ = µ + z Fϕ
µ
i
i
i
i
zi... Ladungszahl des betreffenden Teilchens
ϕi... elektrisches Potenzial
Zwei Phasen stehen also im Gleichgewicht, wenn die elektrochemischen Potenziale ihrer
Komponenten in beiden Phasen gleich sind.
Was passiert nun, wenn man z.B. einen Metallstab in eine Lösung taucht, die Ionen des
Metalls enthält? Die elektrochemischen Potenziale sowohl des Metalls als auch der
Metallionen sind in der Lösung und im Feststoff verschieden. Dem Bestreben nach Ausgleich
dieser Differenz kann nur dadurch Rechnung getragen werden, dass Ionen aus der Lösung in
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das Metall, bzw. Elektronen aus dem Metall in die Lösung diffundieren, d.h. ein Transport
von Materie einsetzt. Das führt zu einer Ladungstrennung zwischen Metall und Lösung,
sodass sich ein elektrisches Potenzial aufbaut, welches der Teilchenwanderung entgegenwirkt.
Im Gleichgewicht liegen dann weder ausgeglichene Konzentrationen noch ausgeglichene
Ladungen vor, sondern eine Potenzialdifferenz ∆ϕ zwischen Metall und Lösung.
~ (l) = µ
~ (s )
µ
µ (l) + zFϕ (l) = µ (s ) + zFϕ (s )
µ 0(l) + RT ln a (l) + zFϕ (l) = µ 0(s ) + RT ln a (s ) + zFϕ (s )
∆ϕ = ϕ (s ) − ϕ (l) =
µ 0(l) − µ 0(s ) RT a (l)
+
ln
zF
zF a (s )
1-2 – Messbarkeit der Potenzialdifferenz
Um die oben hergeleitete elektrischen Potenzialdifferenz zwischen Metallstab und Lösung zu
messen, müsste ein Spannungsmesser zwischen diese beiden Phasen geschaltet werden. Man
könnte zwar den Metallstab als eine Elektrode des Spannungsmessers verwenden, aber zur
Messung in der Lösung müsste eine weitere Elektrode verwendet werden, die in die Lösung
eintaucht. Dort würden aber genau die oben beschriebenen Prozesse ablaufen, die wiederum
zur Ausbildung einer Potenzialdifferenz führen. Was man dann am Spannungsmesser misst,
ist nicht eine einzelne Potenzialdifferenz, sondern die Differenz der an beiden Elektroden
anliegenden Potenzialdifferenzen. Man kann also prinzipiell keine einzelnen
Potenzialdifferenzen messen, sondern immer nur deren Unterschied zwischen zwei
Elektroden. Dieser Unterschied wird Zellpotenzial oder elektromotorische Kraft (EMK)
genannt und mit E bezeichnet.
(s.a. Anhang)
1-3 – Referenzmessung, Standardisierung
Um die Potenzialdifferenzen für verschiedene Systeme von Metall/ Metallion vergleichbar zu
machen, hat man sich darauf geeinigt, alle Potenziale bezüglich einer bestimmten
Referenzelektrode zu messen. Diese Referenzelektrode ist die sog. StandardWasserstoffelektrode. Ihre Potenzialdifferenz wird per willkürlicher Definition gleich Null
gesetzt, sodass in diesem formalen Sinne das zwischen einer zu untersuchenden Elektrode und
der Standard-Wasserstoffelektrode gemessene Zellpotenzial gleich der Potenzialdifferenz an
der Elektrode ist. Zur eindeutigen Tabellierung solcher Potenzialwerte nutzt man StandardPotenziale, d.h. Potenziale von Systemen, in denen alle Komponenten in der Aktivität 1 mol/l
(bzw. bei Gasen mit dem Partialdruck 1 bar) und bei 25 °C vorliegen. Dabei werden sog.
Halbzellreaktionen tabelliert, d.h. nur die Teilreaktion (Oxidation bzw. Reduktion) einer
Redoxreaktion, obwohl eigentlich das Potenzial für die Redoxreaktion des betreffenden
Stoffes mit Wasserstoff bzw. Protonen angegeben wird.
1-4 – Vorzeichenkonventionen
Bei der Angabe des Zellpotenzials ist – wieder zum Zweck der Eindeutigkeit – noch die Frage
nach dem Vorzeichen wichtig. Dieses folgt nicht aus der Theorie, sondern muss wiederum per
definitionem festgelegt werden. Dabei hat sich folgendes durchgesetzt:
(1) Für freiwillig ablaufende Reaktionen ist E > 0. Damit folgt für den Zusammenhang
von freier Enthalpie ∆G und Zellpotenzial: ∆G = – zF∆E, denn für die freie Enthalpie
war die Definition gerade umgekehrt: ∆G < 0 für freiwillige Reaktionen
(2) Für die Messung zwischen zwei Halbzellen gilt:
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Gesamt-Potenzialdifferenz E = EKatode – EAnode. Dabei gilt die Definition, dass die
Elektrode, an der die Oxidation stattfindet, die Anode ist, die Elektrode, an der
reduziert wird, ist die Katode
(3) Die Standard-Potenziale in den Tabellenwerken sind in der neueren Literatur
durchgängig als Reduktionspotenziale tabelliert, d.h. der Wert gilt für die Reduktion
des Stoffes durch Wasserstoff
1-5 – Die Nernst’sche Gleichung
Wie oben beschrieben, ist das gemessene Zellpotenzial stets die Differenz der elektrischen
Potenzialdifferenzen an den beiden Messelektroden. Setzt man nun aber ∆ϕ für die
Standardwasserstoffelektrode gleich Null, so kann man ein „Halbzellpotenzial“ E für die
zweite Elektrode angeben. Letztlich ordnet man dabei formal die gesamte gemessene
Potenzialdifferenz der zweiten Elektrode zu. In der mathematischen Formulierung ergibt
sich:
µ 0(l) − µ 0(s ) RT
a (M)
(s )
(l)
∆ϕ z +
= ϕ −ϕ =
−
ln
M /M
zF
zF a ( M z + )
∆ϕ
2H+ / H2
E = ∆ϕ
:= 0
Mz+ / M
− ∆ϕ
2H+ / H2
µ 0(s ) − µ 0(l) RT
a (M)
−
E=
ln
zF
zF a ( M z + )
RT
a (M)
E=E −
ln
zF a ( M z + )
0
Setzt man die Aktivität des Metalls gleich 1 (für reine feste Phasen ist das eine gute
Näherung), so ergibt sich für das Halbzellpotenzial eines Metallions:
z+
RT
E = E0 +
ln a ( M )
zF
Sind an der Redoxreaktion, die an der Elektrode stattfindet, noch mehr Teilchenarten beteiligt,
so gehen auch diese in den Logarithmusterm ein. Allgemein steht damit im Logarithmus der
Reaktionsquotient der Teilreaktion.
RT
ν
E Kat = E 0Kat −
ln ∏ a i,iKat
zF
i
Für eine Reaktion zwischen zwei Halbzellen ist dann das gemessene Potenzial gleich der
Differenz der beiden Halbzellpotenziale:
∆E = E Kat − E An = E 0Kat − E 0An −
RT
ν
ln ∏a i i
zF
i
Das Produkt im Logarithmus gibt den Reaktionsquotienten an, dabei sind ai die Aktivitäten
der beteiligten Stoffe, νi sind die entsprechenden Stöchiometriekoeffizienten der
Reaktionsgleichung, wobei die Zahlen für die Ausgangsstoffe negativ eingerechnet werden.
Häufig gibt man auch als leicht merkbare Formulierung für das Halbzellpotenzial an:
E = E0 +
RT a ox
ln
zF a red
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Beispiel:
Oxidation von Eisen(II) zu Eisen(III) durch Permanganat:
Oxidation: Fe2+
Fe3+ + eReduktion: MnO4- + 5 e- + 8 H+
Mn2+ + 4 H2O
2+
Gesamtgleichung: MnO4 + 5 Fe + 8 H+
Mn2+ + 5 Fe3+ + 4 H2O
Nernst’sche Gleichung für die Teilreaktionen:
RT [Fe3+ ]
E1 = E10 +
ln
F
[Fe 2 + ]
E 2 = E 02 +
RT [MnO −4 ][H + ]8
ln
5F
[Mn 2 + ]
Dabei wurden die Aktivitäten durch die Konzentrationen ersetzt, für Wasser wurde eine
Konzentration von 1 angenommen. Auch für die
Nernst’sche Gleichung für die Gesamtreaktion:
RT [Fe 3+ ]
RT [MnO −4 ][H + ]8
0
0
∆E = E1 +
− E2 −
ln
ln
F
5F
[Fe 2+ ]
[Mn 2+ ]
∆E = E10 − E 02 +
RT
[Fe 3+ ]5 [Mn 2+ ]
ln
5F [Fe 2+ ]5 [MnO −4 ][H + ]8
1-6 – Zusammenhang der Zellpotenziale mit thermodynamischen Kenngrößen
Das messbare Zellpotenzial ∆E entspricht einer maximalen Arbeit, die das System leisten
kann, wenn ein Potenzialausgleich erfolgt. Diese maximale Arbeit ist gleichbedeutend mit
einer Änderung der freien Enthalpie. Wenn z die Zahl der ausgetauschten Ladungen und F die
Ladung eines Mols einwertiger Ladungsträger (Faradaykonstante) ist, gilt somit:
∆G = −zF∆E (*)
Diese Beziehung ist sehr hilfreich, wenn man das Standardpotenzial einer Reaktion berechnen
will, die man aus mehreren anderen Reaktionen mit bekannten Standardpotenzialen
zusammensetzen kann. Genauso, wie man die Reaktionsgleichungen verknüpfen muss, um
aus den gegebenen Reaktionen die gewünschte Reaktion zu erhalten, kann man auch die
Freien Standardenthalpien ansetzen. Ersetzt man diese nach der obigen Gleichung dann durch
die Potenziale, ist eine Berechnung des Potenzials der Gesamtreaktion möglich. Auf keinen
Fall darf jedoch anhand der Gleichungen eine gewichtete Summe der Standardpotenziale
angesetzt werden.
Beispiel:
Fe3+ + eFe2+; E1
2+
Fe + 2 e
Fe; E2
3+
Gesucht: Fe + 3 eAnsatz:
∆G 3 = ∆G1 + ∆G 2
Fe; E3
− z 3 FE 3 = − z1FE1 − z 2 FE 2
z 3 E 3 = z1 E 1 + z 2 E 2
E3 =
z1 E 1 + z 2 E 2 z1 E 1 + z 2 E 2
=
z3
z1 + z 2
E3 =
E1 + 2E 2
3
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Obige Gleichung (*) gilt ebenso für die Standardgrößen. Für diese gilt weiterhin
∆G 0 = − RT ln K th , wodurch das Standardpotenzial mit der thermodynamischen
Gleichgewichtskonstante verknüpft wird:
∆E0 =
RT
ln K th
zF
Wenn man die Gibbs-Helmholtz’sche Gleichung ∆G = ∆H − T∆S berücksichtigt, erhält man
die Temperaturabhängigkeit des Zellpotenzials:
∆E
∆H 1 ∆S
∆G
∆H T∆S
=−
⋅ +
∆E = −
=−
+
T
zF T zF
zF
zF
zF
∂ (∆E ) ∆S
∂ (∆E )
=
T = − ∆H
∂T
zF
zF
∂1
T
Unter der Voraussetzung, dass die Enthalpie- und Entropieänderungen temperaturunabhängig
sind (das ist für nicht zu große Temperaturdifferenzen annähernd der Fall) können also die
Entropieänderung bzw. die Enthalpieänderung sehr einfach aus der Temperaturabhängigkeit
des Zellpotenzials bestimmt werden. Eine solche Potenzialmessung ist wesentlich weniger
aufwendig als eine direkte thermodynamische Messung, z.B. mit Kalorimetern.
1-7 – Arten elektrochemischer Zellen
Prinzipiell können zwei Arten elektrochemischer Zellen unterschieden werden. Bisher war
von Zellen die Rede, zwischen deren beiden Elektroden eine Spannung gemessen wurde.
Trennt man nun die Katoden- und Anodenräume so voneinander, dass zwar noch ein
Austausch elektrochemisch inerter Teilchen möglich ist, aber die Reaktionspartner
voneinander getrennt sind, ist nur noch eine Reaktion möglich, wenn über einen äußeren
Stromkreis Elektronen von der Anode zur Katode fließen können. Die Größe des Stromes
wird primär von der zwischen den Elektroden anliegenden Spannung bestimmt (zu weiteren
Effekten siehe Abschnitt 2). In solchen Zellen läuft eine freiwillige Redoxreaktion ab. Die
Katode ist negativ aufgeladen, die Anode ist positiv. Diese Zellen bezeichnet man als
Galvanische Zellen, sie sind die Grundlage der elektrochemischen Stromerzeugung in
Batterien und Akkus. Ihre beiden Teilzellen werden Halbzellen genannt, die ElektrolytVerbindung dazwischen heißt Stromschlüssel.
Die entgegengesetzte Möglichkeit ist, zwei Elektroden in eine Lösung zu bringen und von
außen eine Spannung anzulegen. Dann läuft eine erzwungene Redoxreaktion ab. In diesen
Zellen ist die Katode positiv geladen und die Anode negativ. Solche Zellen bezeichnet man
als Elektrolysezellen. Sie sind wichtig für viele chemische Herstellungsverfahren, z.B.
Wasserstoff aus Wasser, Chlor aus NaCl-Lösung, Aluminium aus Bauxit.
Nach dem bisher Gesagten wird man annehmen, dass für eine gegebene Redoxreaktion die
Spannung, die bei Schaltung als galvanische Zelle maximal abgegriffen werden kann, und die
Spannung, die für die erzwungene Umkehrreaktion mindestens angelegt werden muss
(Zersetzungsspannung), gleich sind und sich aus der Nernst’schen Gleichung ergeben.
Tatsächlich stellt man jedoch fest, dass in galvanischen Zellen die Spannung immer geringer
als erwartet, in Elektrolysezellen immer höher als erwartet ist. Ursache davon sind kinetische
Effekte, die nur auftreten, wenn ein Strom durch die Zelle fließt. Sie werden im folgenden
besprochen.
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2 – Elektrochemie im Nichtgleichgewicht
2-1 Überspannung
Fließt durch eine elektrochemische Zelle ein Strom, so erfolgen chemische Umsetzungen.
Dadurch befindet sich die Zelle nicht mehr in einer Gleichgewichtslage, sodass eine Reihe
von Erscheinungen auftreten kann, die kinetisch bedingt sind. Zusammenfassend werden sie
als Überspannung bezeichnet. Daneben erfolgt noch ein Ohm’scher Spannungsabfall in der
Zelle, der vom Ohm’schen Widerstand der Zelle bewirkt wird. Setzt man definitionsgemäß
die Spannungen galvanischer Zellen positiv, diejenigen elektrolytischer Zellen negativ an, so
kann man sämtliche Überspannungen als negativ betrachten. Im folgenden werden die
wichtigsten Überspannungen kurz erläutert.
2-2 Ohm’scher Spannungsabfall
Jede elektrochemische Zelle hat (wie alle leitfähigen Materialien) einen Ohm’schen
Widerstand, der in erster Linie die Umwandlung von elektrischer in thermische Energie
beschreibt, also grob mechanisch betrachtet auf Reibungsvorgänge zurückzuführen ist. Es gilt
das Ohm’sche Gesetz:
EOhm = R I
2-3 Diffusionsüberspannung
Durch die Reaktion, die an einer Elektrode stattfindet, sinkt die Konzentration des
reagierenden Stoffes in der Nähe der Elektrode. Dadurch kann weniger reagieren und die
Spannung der galvanischen Zelle sinkt. Bei Elektrolysezellen muss entsprechend die
Spannung erhöht werden, um die Reaktion wieder zu beschleunigen. Die
Diffusionsüberspannung kann minimiert werden, indem man, z.B. durch intensives Rühren,
für eine möglichst homogene Konzentrationsverteilung sorgt. Dennoch wird es immer eine
dünne Schicht um die Elektrode geben, innerhalb derer der Transport von reagierenden
Teilchen nur von der Diffusion bestimmt wird (sog. Nernst’sche Diffusionsschicht, ca. 0,1
mm dick). Das führt dazu, dass im Falle einer Elektrolysezelle bei Erhöhung der Spannung
schließlich eine maximale Stromstärke erreicht wird (Diffusionsgrenzstrom)
2-4 Durchtrittsüberspannung
Diese Überspannungsart beruht auf der kinetischen Hemmung der Durchtrittsreaktion von
Ionen aus der festen Phase in die Lösung und umgekehrt. Für ihre Höhe ist also die
Aktivierungsenergie der Durchtrittsreaktion, also insbesondere auch das Elektrodenmaterial,
ausschlaggebend. Sie ist der Grund dafür, dass manche Elektrodenreaktionen in
Elektrolysezellen bei angelegter Gleichgewichtsspannung überhaupt nicht ablaufen, sondern
erst dann einsetzen, wenn ein bestimmter höherer Wert erreicht ist. Diese Erscheinung
bezeichnet man auch als Polarisierung der Elektrode. Es zeigt sich, dass manche Elektroden
(z.B. Hg/ Hg2Cl2) sehr stark polarisierbar sind, während andere (Pt-Elektrode) fast gar nicht
aufgeladen werden können.
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3 – Elektroanalytik
3-1 Überblick über die elektrochemischen Analyseverfahren
Die Beobachtung und Erfassung elektrochemischer Größen kann sehr vielseitig für
analytische Fragestellungen eingesetzt werden, und wird heute intensiv genutzt. Im
wesentlichen ist das Einsatzgebiet die Konzentrationsanalytik, d.h. die quantitative Erfassung
bestimmter Stoffe in einer Analysenprobe. Wichtige Methoden sind:
-
Messung der Leitfähigkeit (Konduktometrie)
Messung des elektrischen Potenzials (Potentiometrie)
Messung des Stromflusses bei konstantem Potenzial (Amperometrie)
Messung geflossener Ladungsmengen (Coulometrie)
Abscheidung eines Analyten durch Elektrolyse, Wägung (Elektrogravimetrie)
Messung des Stromflusses bei variablem Potenzial (Voltammetrie)
Diese Methoden sind hinsichtlich ihrer Einsetzbarkeit sehr verschieden. Die Konduktometrie
ist kein eigenständiges Verfahren, sondern wird meist im Zusammenhang mit Titrationen
verwendet, um den Endpunkt zu indizieren. (Z.B. nimmt bei Titration von Salzsäure mit
Natronlauge die Leitfähigkeit zunächst ab, da die Hydroniumionen der Säure mit den
Hydroxidionen der Lauge zu neutralem Wasser reagieren; wenn der Äquivalenzpunkt
überschritten ist, nimmt die Leitfähigkeit wieder zu, da nun überschüssige Hydroxidionen
zugegeben werden)
κ@mS êcm D
4.5
4
3.5
3
2.5
V@ml D
1
2
3
4
5
6
1.5
Konduktometrische Titration einer HCl/ Essigsäure-Mischung mit NaOH.
1. Aquivalenzpunkt: HCl, 2. Äquivalenzpunkt: Essigsäure
Die Potentiometrie kann ebenfalls zur Endpunktsindikation von Titrationen eingesetzt
werden. Es erfolgt dann am Äquivalenzpunkt ein Potenzialsprung durch die sprunghafte
Konzentrationsänderung; sie kann aber auch als direkte Methode verwendet werden. (Näheres
siehe 3-2)
Bei der Amperometrie erhält man eine Information über die Zusammensetzung des Analyten
dadurch, dass man bei einem eingestellten Potenzial den Strom misst. Eine häufige
Anwendung sind amperometrische Sensoren, bei denen die Messelektroden durch eine
selektiv permeable Membran vom Außenmedium getrennt sind. Im Idealfall kann sie nur von
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den zu bestimmenden Teilchen durchquert werden, die dann im Innern des Sensors durch
elektrochemische Reaktionen die Leitfähigkeit und damit die Stromstärke ändern.
Die Coulometrie kann wiederum in zwei Ausprägungen durchgeführt werden: Einerseits kann
bei konstantem Strom gezielt eine elektrochemische Reaktion durchgeführt werden, um in
situ eine definierte Menge eines Stoffes zu erzeugen, der z.B. ein Reagenz für eine Titration
sein kann. Das ist u.U. sehr hilfreich, wenn es sich um Reagenzien handelt, die z.B. sehr
oxidationsempfindlich sind, wie Fe2+. Im Grunde genommen „titriert“ man dabei mit
Elektronen, die direkt das eigentliche Titrationsmittel erzeugen. Die andere Variante ist die
Coulometrie bei konstantem Potenzial, wobei man eine Strom-Zeit-Kurve aufnimmt und die
geflossene Ladungsmenge vom Anfang bis zu einem festgelegten Endpunkt (meist 0,1% der
Ausgangsstromstärke) durch Integration der Strom-Zeit-Kurve ermittelt.
Die Voltammetrie schließlich beruht auf der Messung des Stromes in Abhängigkeit vom
anliegenden Potenzial. Grundlage ist das Vorliegen der Durchtrittsüberspannung, die dazu
führt, dass bestimmte Reaktionen erst oberhalb einer ganz bestimmten, für diese Reaktion
charakteristischen Spannung ablaufen. Aus der Höhe des letztlich fließenden
Diffusionsgrenzstromes kann auf die Konzentration zurückgeschlossen werden.
3-2 Potentiometrie – Arten von Elektroden
Wie bereits angesprochen, beruht die Potentiometrie auf der Messung des Potenzials in der
Analysenlösung. Von welchem Teilchen in der Lösung das Potenzial konkret bestimmt wird,
hängt von der Art der verwendeten Elektrode ab. Nachfolgend werden kurz die wichtigsten
Elektrodentypen vorgestellt:
Metallionenelektroden
Die Elektrode besteht aus demselben Metall, dessen Ionen auch in der Lösung vorhanden
sind. Das Potenzial ist dann von der Ionenkonzentration des Metalls abhängig.
Gaselektroden
Die Elektrode besteht aus einem elektrochemisch inerten Metall (meist Platin), das von einem
Gas umspült wird, dessen Ionen in der Lösung vorliegen. Das Potenzial ist abhängig vom
Partialdruck des Gases und der Konzentration der entsprechenden Ionen. Wichtigstes Beispiel
ist die Standard-Wasserstoffelektrode.
Elektroden zweiter Art
Das Material der Elektrode steht im Gleichgewicht einem Feststoff, der wiederum mit Ionen
in der Lösung im Gleichgewicht steht. Beispiele:
Silber-Silberchlorid-Elektrode: Die Elektrode besteht aus Silber, das mit einer Schicht aus
Silberchlorid überzogen ist. Die Elektrodenreaktion lautet: AgCl + eAg + ClDas Potenzial dieser Elektrode ist von der Chloridionen-Konzentration abhängig.
Kalomel-Elektrode: Quecksilberelektrode, die von einer Schicht aus Hg2Cl2 (Kalomel)
umgeben ist. Auch dieses Potenzial ist von der Konzentration der Chloridionen abhängig.
Elektroden zweiter Art werden häufig anstelle der Standard-Wasserstoffelektrode als
Bezugselektroden benutzt, da sie wesentlich einfacher handhabbar sind, und ihr Potenzial
durch Vorgabe einer bestimmten Chloridkonzentration gut konstant gehalten werden kann.
Redoxelektroden
Wiederum ist das Elektrodenmaterial inert, an seiner Oberfläche finden Redoxreaktionen von
Ionen aus der Lösung statt. Die Elektrode ist nur insoweit beteiligt, als dass sie Elektronen
aufnimmt oder liefert. Bsp.: Reaktion Fe3+ + eFe2+ an einer Pt-Elektrode
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pH-Glaselektrode
Die Messelektrode (meist eine Elektrode zweiter Art) befindet sich im Innern einer
Glasmembran, die mit einer definierten Elektrolytlösung gefüllt ist. Die Referenzelektrode ist
vom selben Typ wie die Messelektrode, oft in die Elektrodenanordnung der Messelektrode
integriert (Einstabmesskette). Der pH-Wert im Innern der Glasmembran ist konstant, der
äußere pH-Wert soll gemessen werden. Zwischen der Glasmembran und den anliegenden
Lösungen stellen sich Ionenaustauschgleichgewichte ein (Na+ gegen H+), die zu einer
Potenzialdifferenz zwischen der Innen- und der Außenseite der Glasmembran führen
(Grenzschichtpotenzial). Da die Potenziale der Elektroden konstant sind, werden nur
Änderungen des Grenzschichtpotenzials gemessen.
(s.a. Anhang)
Ionenselektive Elektroden
In den letzten 50 Jahren wurden ausgehend von der pH-Glaselektrode weitere Elektroden
entwickelt, die bei einem ähnlichen Wirkungsprinzip Membranen aufweisen, die für ganz
bestimmte Ionen selektiv Potenziale aufbauen. Eine Reihe von Alkali-Ionen kann z.B. mit
modifizierten Glasmembranen erfasst werden, für andere Ionen gibt es Festkörpermembranen,
so z.B. für Chlorid-Ionen eine Ag2S/ AgCl-Festkörpermembran.
3-3 Potentiometrische Messungen
Wird eine sog. direktpotentiometrische Messung durchgeführt, d.h. die Konzenztration des
Analyten nicht durch Titration, sondern über das Potenzial der Elektrode bestimmt, so muss
die genaue Abhängigkeit des Potenzials von der Konzentration bekannt sein. Diese
Abhängigkeit wird durch die Nernst’sche Gleichung nur unzureichend beschrieben, und die
quantitative Erfassung der diskutierten Überspannungseffekte ist recht aufwendig. Daher ist
es statt dessen üblich, die Elektrode zu kalibrieren. Dazu wird das Potenzial von Lösungen
bekannter Konzentrationen gemessen und in diese Messwerte grafisch eine Kalibrierkurve
hineingelegt, meist eine Gerade. Diese Kurve stellt dann den in den weiteren Messungen zu
verwendenden Zusammenhang zwischen Konzentration und Potenzial dar.
U @mV D
200
175
150
125
100
75
50
25
c
0.001
0.01
0.1
1
10
Bsp.: Messung der Chloridkonzentration mit einer Ag2S/ AgCl-Festkörpermembranelektrode
gegen eine Ag/ AgCl-Referenzelektrode. Deutlich erkennbar ist der lineare Messbereich
(U = 85,1682 – 56.4627 lg c) zwischen 0,05 und 10 g/l, bei geringeren Konzentrationen
nähert sich das Potenzial asymptotisch einem bestimmten Wert, da hier u.a. die durch das
Löslichkeitsprodukt des Silberchlorids immer vorhandene Chloridkonzentration das Ergebnis
verfälscht.
S. 10/ 11
Aufgaben:
1. Welchen Wert hat die Freie Standard-Reaktionsenthalpie der Reaktion Ag + ½ Hg2Cl2
AgCl + Hg.
E0 +
Ag / Ag
=
0,80V; E 0 Cl / Hg 2Cl2 / Hg
= 0,268V; K L (AgCl) = 10
−10  mol 
2


 l 
2. Ein reiner Eisendraht wird in eine CuSO4-Lösung eingebracht. Man schüttelt, bis sich
das Gleichgewicht eingestellt hat. Welches Konzentrationsverhältnis zwischen
Kupfer(II)- und Eisen(II)-Ionen stellt sich dann bei 298 K ein? Vernachlässigen Sie
die Entstehung von Eisen(III)-Ionen
= 0,340V; E 0 2 +
= −0,409V
E0 2+
Cu
/ Cu
Fe
/ Fe
Lösungen:
1. ∆G° = – 5,72 kJ/ mol
2. c(Fe2+)/ c(Cu2+) = 2,2 · 1025
Weiterführende Literatur:
- G. Wedler: Lehrbuch der Physikalischen Chemie, Wiley-VCH
- D. Skoog, J. Leary: Instrumentelle Analytik, Springer-Verlag
S. 11/ 11
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