MUSIK: science fiction, sphärisch mit Spannung

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Manuskript
radioWissen
Primzahlen - Eigensinnige Atome der Mathematik
AUTORIN:
Christiane Neukirch
REDAKTION: Dr. Nicole Ruchlak
ERZÄHLER:
Große Aufregung: Im Empfangsraum des Radioteleskops „Argus“. Das Forscherteam
der „Suche nach außerirdischer Intelligenz“ empfängt ein Signal.
SPRECHERIN
Da sind Zahlen ... die Drei
SPRECHERIN
Die Fünf ... sieben ... Primzahlen! 2,3,5,7 alles Primzahlen!
ERZÄHLER:
Wenn außerirdische Lebensformen mit uns Kontakt aufnehmen wollten – in welcher
Sprache würden sie es tun? Der Science-Fiction-Autor Carl Sagan legt in seinem
Roman „Contact“ den Aliens die universelle Sprache in den Mund bzw. auf die
Morsetaste: Zahlen. Und nicht irgendwelche Zahlen, sondern Primzahlen.
ERZÄHLER:
Primzahlen – wie war das nochmal?
SPRECHER 1
„Eine Primzahl ist eine natürliche Zahl größer als eins, die nur durch sich selbst und
durch 1 in ganzen Zahlen teilbar ist.“
ZUSPIELER 1 (Grime)
“A prime number is one that is only divisible by 1 or itself.”
Overvoice
So: 6 is not a prime number, because you can divide it by 2, you can divide it by 3;
but 7 is a prime number. You can’t divide 7 by anything except for 1, which divides
everything, and 7 itself. So, that’s a prime number.
SPRECHER 2 (OVERVOICE)
Eine Primzahl ist nur teilbar durch 1 und durch sich selbst. Zum Beispiel: 6 ist keine
Primzahl, denn man kann sie durch 2 teilen und man kann sie durch 3 teilen. Aber 7
ist eine Primzahl. Man kann 7 nur durch 1 teilen, wie jede Zahl, und durch 7 selbst.
Also, das macht eine Primzahl aus.
ERZÄHLER:
Dr. James Grime ist Mathematiker und reist viel durch die Welt: Als Botschafter der
Mathematik erzählt er Menschen rund um den Globus von der Welt der Zahlen.
Primzahlen sind häufig sein Thema. Denn so einfach und unscheinbar sie aussehen, so
elementar ist ihre Rolle unter den Zahlen.
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ZUSPIELER 2 (Grime)
The prime numbers are the atoms of the maths world. They are the numbers that
build up all other numbers. Like in chemistry.
SPRECHER 2 (OVERVOICE)
Die Primzahlen sind die Atome der mathematischen Welt. Sie sind die Zahlen, aus
denen alle anderen Zahlen aufgebaut sind. Wie die Elemente in der Chemie.
ERZÄHLER:
Eine Zahl ist entweder eine Primzahl, oder sie ist ein Produkt aus ihnen. Dazwischen
gibt es nichts. Zum Beispiel: 6 ist ein Produkt aus 2 und 3. 8 = 2 x 2 x 2. Und so fort.
ZUSPIELER 3 (Grime)
This is the only way you can do it. In the same way, there is only one way to make
water. Water is H2O; it’s two hydrogen atoms and an oxygen atom; that is the only
way that you can make water. If you use other atoms, you don’t get water, you get
something else. And in maths, primes work in the same way.
SPRECHER 2 (OVERVOICE)
Das ist die einzige Möglichkeit der Zusammensetzung. Genauso wie es nur eine
Kombination chemischer Elemente Wasser ergibt. Wasser ist H2O, zwei
Wasserstoffatome und ein Sauerstoffatom. Wenn man andere Atome verwendet,
bekommt man etwas anderes. Und genauso funktionieren Primzahlen in der
Mathematik.
ERZÄHLER(IN):
Die Mathematiker verehren sie, weil sie sie brauchen. Und gleichzeitig verfluchen sie
sie. Der englische Mathematiker John Littlewood etwa schrieb ihnen „diabolische
Bosheit“ zu. Denn die Primzahlen scheinen einen eigenen Willen zu haben.
ZUSPIELER 4 (Grime)
The prime numbers are weird. In some ways, they are predictable, in some ways they
are not. So, I brought in something to show you. I’ve got a little gismo here,
Overvoice
someone made this for me, it’s really nice. It’s got like an old-fashioned counter on it,
it’s actually displaying a number there. It’s a six-digit number, it’s 222977. So, it’s got
a big six-digit number on it. That’s actually a prime number. So, this little gismo also
has a big red button on it, which is very exciting. Now let’s see what happens when I
press this red button.
Freistellen: (Ticken 1)
Ah! It makes a little noise. It actually counts forward to the next prime number. It is
now reading: 222979. That is the next prime number. But it was quite close, wasn’t it?
It was actually only two away. From the previous number. So let’s see where the next
prime is going to be.
Well, it wasn’t very close, it’s now 222991. Which I think is 13 away. Here’s the point:
it’s very difficult to predict how far away the next prime is going to be.
SPRECHER 2 (OVERVOICE)
Die Primzahlen sind sonderbar. In mancher Hinsicht sind sie sehr umgänglich, in
anderer wieder nicht. Ich habe etwas mitgebracht, um das zu zeigen. Dieses hübsche
Spielzeug hier: ein kleines Kästchen mit einem altmodischen Zählwerk drin. Das zeigt
eine sechsstellige Zahl an: 222977. Das ist eine Primzahl. So, und dann ist hier ein
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großer roter Knopf, aufregend! Mal sehen, was passiert, wenn ich jetzt auf diesen
Knopf drücke.
Ah, ein kleines Geräusch! Es zählt vor zur nächsten Primzahl. Da steht jetzt 222979.
Das war recht nah dran. Also schauen wir, wo die nächste Primzahl ist.
Nicht ganz so nah, 222991; also ein Abstand von 13. Der Punkt ist: es ist fast
unmöglich vorherzusagen, wie weit die nächste Primzahl entfernt ist.
ERZÄHLER:
Wie Kobolde spielen die Primzahlen Verstecken mit denen, die ihnen auf die Spur zu
kommen suchen. Sie tauchen auf, wo sie wollen.
Zuspielung 4b
Primuckl neckt, Primuckl versteckt... (Koboldlachen)
ERZÄHLER:
Und gerade das Ungreifbare zieht die Mathematiker in ihren Bann. Denn Mathematiker
wollen Muster finden.
ZUSPIELER 5 (du Sautoy)
A mathematician is a pattern searcher. That’s what I do all day. I mean, most people
think I must be doing long divisions or decimal places. A computer is good at that, I’m
rubbish at that. Actually, a mathematician is trying to find some kind of logic and
structure and patterns.
SPRECHER 3 (OVERVOICE)
Ein Mathematiker ist ein Mustersucher. Das ist es, was ich den ganzen Tag tue. Die
meisten Leute denken, ich löse den ganzen Tag komplizierte Rechenaufgaben. Ein
Computer kann das, ich hab dafür kein Talent. Ein Mathematiker sucht vielmehr nach
logischen Strukturen und Mustern.
ERZÄHLER:
Marcus du Sautoy, Autor des Buches „Die Musik der Primzahlen“, ist Professor für
Mathematik an der Universität Oxford; zusätzlich hat er eine spezielle Professur, um
...
ZUSPIELER 6 (du Sautoy)
The Simonyi professor for the public understanding of science at the University of
Oxford; which I see a little bit like being an ambassador for the world of science and
mathematics; so I’m trying to explain to society why it is important what we do and
why it’s so exciting.
SPRECHER 3 (OVERVOICE)
... um Wissenschaft der Öffentlichkeit verständlich zu machen; quasi ein Botschafter
der Mathematik und Naturwissenschaft. Ich erkläre den Menschen, warum das, was
wir tun, wichtig und faszinierend ist.
ERZÄHLER:
Muster und Strukturen sind es also, wonach Mathematiker suchen.
ZUSPIELER 7 (du Sautoy)
Yet, here are my basic numbers, the prime numbers, and when you look at them, they
seem to have no pattern at all.
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SPRECHER 3 (OVERVOICE)
Und jetzt kommen die Primzahlen daher, meine Grundbausteine, und wenn man sie
anschaut, scheinen sie überhaupt keinem Muster zu folgen.
ZUSPIELER 7b: (Koboldlachen)
ERZÄHLER:
Wenn aber die Primzahlen nicht musterhaft sein wollen, reizt das die Musterdetektive
nur umso mehr, das Versteckspiel zu beenden.
Der berühmtest aller Kobolde, Pumuckl, wurde sichtbar, als er an einem Leimtopf
kleben blieb.
ZUSPIELER 7c:
Uuuhuuu, ich armer armer Primuckl...
ERZÄHLER:
Die Zahlenforscher suchen quasi nach der Mixtur jenes Leims, an dem die Primzahlen
kleben.
ZUSPIELER 7c hoch:
ERZÄHLER
Die Definition, was Primzahlen sind, ist schon 2 300 Jahre alt:
ZUSPIELER 8 (Grime)
The definition of a prime goes all the way back to the Greeks. So, it was Euclid, who
was a mathematician, who wrote a textbook all about maths. And it’s a really famous
textbook, it’s called “The Elements”, and it’s never been out of print since.
SPRECHER 2 (OVERVOICE)
Die Definition, was eine Primzahl ist, reicht zurück bis zu den Griechen. Der
Mathematiker Euklid schrieb ein sehr berühmtes Buch über Mathematik: es heißt „Die
Elemente“, und seit 2300 Jahren ist es ohne Unterbrechung erhältlich.
ERZÄHLER:
Und sobald man wusste, was Primzahlen sind, stellte sich schon die nächste Frage:
Wie finde ich sie?
Das sollte einfach sein, möchte man meinen. Aber hier die schlechte Nachricht: bis
heute zerbrechen sich Menschen darüber den Kopf. Und so begann die Geschichte der
großen Primzahlensuche.
ERZÄHLER:
Euklids Zeitgenosse Eratosthenes legte die erste Leimrute. Er erfand ein Zahlensieb, in
dem die Primzahlen liegen bleiben. Es funktioniert, ist aber extrem langwierig. Kurz:
man muss alle Zahlen einzeln hinschreiben; dann wird nacheinander ausgesiebt.
ERZÄHLER:
Nun könnte der moderne Mensch Hoffnung schöpfen: Wir haben heute Computer, für
die ein paar Billionen, ach was: Gigantillionen kein echtes Rechenproblem sind. Doch
hier wieder eine schlechte Nachricht: Euklid fand schon vor 2300 Jahren folgenden
Beweis: es gibt unendlich viele Primzahlen.
Zählen nützt also nichts. Man wird nie fertig.
ERZÄHLER:
Fast zwei Jahrtausende lang tappten die Primzahlsucher weitgehend im Dunkeln, bis
Ende des 18. Jahrhunderts ein Teenager die Kobolde trapsen hörte. Dieser junge Mann
hieß Carl Friedrich Gauß.
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ZUSPIELER 9 (du Sautoy)
Gauß really changed the game. He did something very clever. He asked a new
question. He said: ok. Let’s not try and predict where the next prime is; let’s just try
and count how many primes there are as we climb higher and higher. You might say
that’s crazy because Euclid has proved there were infinitely many primes, so how can
you count them. But Gauß was interested: “Now ok, I want to know how many primes
there are less than ten.” Well, there are four primes: 2,3,5, and 7. How about less
than a hundred? Well, now there are 25 primes less than a hundred. And Gauß was
interested: Can you make some prediction how many primes you’d expect to find?
And as you climb higher and higher, the primes get rarer and rarer.
SPRECHER 3 (OVERVOICE)
Gauß brachte eine entscheidende Wendung. Er tat etwas sehr Cleveres. Er stellte eine
neue Frage. Er sagte: Okay, wir wollen jetzt mal nicht nach immer höheren
Primzahlen suchen. Wir wollen einfach nur mal nachzählen, wie viele Primzahlen wir
finden, je höher wir zählen. Jetzt könnte man einwenden, das ist Blödsinn, Euklid hat
doch bewiesen, dass es unendlich viele Primzahlen gibt, also wie soll man die zählen?
Aber Gauß wollte wissen: „Okay, wie viele Primzahlen gibt es zwischen 1 und 10?“
Also, da gibt es vier: 2,3,5, und 7. Wie viele gibt es von 1 bis 100? Da gibt es 25. Und
Gauß fragte weiter: Lässt sich abschätzen, wie viele Primzahlen man erwarten kann?
Und er sah: Je höher man klettert, desto seltener werden die Primzahlen.
ERZÄHLER:
Gauß erkannte, dass die Chance, auf eine Primzahl zu stoßen, kontinuierlich geringer
wird, je höher man zählt. Und nicht nur das: dabei zeigte sich ein deutliches Muster.
ZUSPIELER 10 (du Sautoy)
The way the primes were thinning out was in a very uniform way. And this gave Gauß
an idea; it meant that he could use this pattern to make some predictions: how many
primes you should get as you go higher and higher.
SPRECHER 3 (OVERVOICE)
Die Primzahlen lichteten sich auf eine sehr gleichförmige Weise. Und das brachte Gauß
auf eine Idee: das hieß nämlich, dass man mit Hilfe des Musters einschätzen konnte,
wie viele Primzahlen in bestimmten Zahlenbereichen zu erwarten sind.
ERZÄHLER:
Gauß konnte mittels seiner Entdeckung nun auch einschätzen, wie groß die Abstände
zwischen den Primzahlen in etwa sind. Sein so genannter „Primzahlsatz“ brachte die
Fahndung einen entscheidenden Schritt voran.
SPRECHER 1
Pi von x äqivalent zu x geteilt durch log x
ERZÄHLER:
Dazu betrachtet man eine mathematische Funktion, und zwar die Primzahlfunktion.
Eine Funktion ist eine Art Rechenmaschine: Vorne gibt man Zahlen ein, und hinten
spuckt sie ein Ergebnis aus. Sehr praktisch. Doch leider kam die nächste schlechte
Nachricht für die Fahnder. Gauß‘ Formel ergibt ziemlich gute Prognosen. Aber nicht
100 Prozent genau.
ZUSPIELER 11 (Grime)
This is slightly infuriating, isn’t it. We have a formula that can tell us approximately
how many primes there are. But, ah! There is a little “ever” there. So, we would like
to know what that error is. And there is a conjecture or hypothesis which, if you can
solve this, will tell us a lot of information about how big this error is.
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SPRECHER 2 (OVERVOICE)
Das ist ein bisschen zum Verzweifeln, nicht wahr! Wir haben eine Formel, die uns
sagen kann, wie viele Primzahlen es ungefähr gibt. Aber Ach! Da ist so ein kleines
„Ungefähr“ dabei. Und wir wüssten gerne, worin diese Ungenauigkeit besteht. Und da
gibt es nun eine Vermutung oder Hypothese, die eine Menge darüber aussagt.
ERZÄHLER:
Gauß war mittlerweile längst Professor an der Universität Göttingen. Er hatte einen
Schüler, der ihm als besonders begabt aufgefallen war: Bernhard Riemann.
ZUSPIELER 12 (Grime 18b)
[He was studying theology at university, but Gauß said: “No, you go and study
maths.”]
He was a very shy man from all accounts, but he did many important things in maths.
But there is one important thing that he is famous for. And this is the only time he
wrote about prime numbers. It’s a paper; it’s only ten pages long; he wrote it in 1859;
he never wrote about number theory before; he never wrote about it afterwards; but
it turns out to be one of the most important papers in number theory. And about
prime numbers. And in this paper, he described a way to calculate the “ever” in the
Prime Number Theorem.
SPRECHER 2 (OVERVOICE)
[Er studierte Theologie, aber Gauß sagte: „Nichts da, Sie studieren jetzt Mathematik.“]
Riemann war ein sehr schüchterner Mensch, aber er vollbrachte viele wichtige Dinge in
Mathematik. Doch es gibt eine wichtige Sache, für die er berühmt wurde. Und das war
das einzige Mal, dass er etwas über Primzahlen schrieb. Diese Arbeit umfasst nur zehn
Seiten; er schrieb sie im Jahr 1859; er schrieb vorher nie etwas über Zahlentheorie
und danach auch nie wieder. Aber dieses Papier erwies sich als eine der wichtigsten
Arbeiten über Primzahlen überhaupt. Darin beschrieb er, wie sich die Ungenauigkeit
des Gaußschen Primzahlsatzes ausbügeln ließ.
ZUSPIELER 13 (du Sautoy)
If I was cast out on a desert island and I could take one formula with me, I think I
would choose this formula of Riemann’s. Because it’s really a piece of magic.
He almost discovered it, I think, by chance, just exploring some exciting new
mathematics. He was hearing about the new mathematics of imaginary numbers,
complex numbers, the square root of -1, and he was interested in putting this new,
strange numbers into functions and seeing what the outcome was; and he chose a
function called the zeta-function.
SPRECHER 3 (OVERVOICE)
Das ist wirklich Zauberei.
Riemann entdeckte die Formel fast beiläufig, er wollte nur ein bisschen neue
Mathematik auskundschaften. Er hatte von den neuen, imaginären Zahlen gehört,
komplexen Zahlen; und er wollte ausprobieren, was geschieht, wenn man diese
Zahlen in Funktionen einsetzt. Und dafür wählte er eine Funktion mit dem Namen
„Zeta-Funktion“.
ERZÄHLER:
Diese Funktion hatte schon 100 Jahre zuvor der Schweizer Mathematiker Leonhard
Euler untersucht.
ZUSPIELER 14 (du Sautoy)
But Riemann said: I’m interested what happens when I put imaginary numbers inside
here, complex numbers, what happens then? And what he discovered was a pathway
to the secret of the prime numbers.
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SPRECHER 3 (OVERVOICE)
Aber Riemann sagte: ich will wissen, was passiert, wenn ich imaginäre Zahlen,
komplexe Zahlen da reinsetze. Was dann? Und was er entdeckte, war eine Tür zum
Geheimnis der Primzahlen.
ERZÄHLER:
In der herkömmlichen Zahlenwelt rannten die Mathematiker bei der Suche nach den
Primzahlen gegen eine Mauer. Riemann aber hatte nun einen Durchschlupf gefunden.
Durch diesen Durchschlupf gelangte er aus dem althergebrachten Reich der Zahlen in
eine neue, unbekannte Welt der Geometrie. Vor ihm erhob sich plötzlich eine
dreidimensionale Landschaft. Berge, Täler, und seltsame Tiefpunkte auf Meereshöhe:
die Nullstellen der Riemannschen Zeta-Funktion.
ZUSPIELER 15 (du Sautoy)
And suddenly the primes had turned into these things called the “zeros”, these
complex numbers. The wonderful thing is, these complex numbers actually give you a
kind of musical notes. Each one sort of corresponds to a strange musical note which
helps you to understand the fluctuation of the primes.
SPRECHER 3 (OVERVOICE)
Und auf einmal hatten sich die Primzahlen in etwas verwandelt, was man „Nullstellen“
nennt, diese komplexen Zahlen. Das Wunderbare an ihnen ist, dass sie so etwas wie
musikalische Noten ergeben. Jede von ihnen entspricht gewissermaßen einer
seltsamen musikalischen Note, die uns dabei hilft, die Schwankungen in der
Verteilung der Primzahlen zu verstehen.
ERZÄHLER:
Grob gesagt: Zwischen Regelmaß und Abweichung entstehen Schwingungen, und aus
der Dynamik dieser Schwingungen kann man wiederum Schlüsse auf die
Primzahlverteilung ziehen. Dank Riemann konnte man die Primzahlen nun nicht nur
sehen, sondern auch hören. Der britische Physiker Sir Michael Berry hat sich die Mühe
gemacht, diese Schwingungen auf einen Tonträger zu bannen.
ZUSPIELER 16 (Tonaufnahme Berry 1
ERZÄHLER:
Man könnte also sagen, Riemann hatte die Primzahl-Kobolde durch ein
mathematisches Schlüsselloch erspäht. In den vergangenen 150 Jahren hat man
mehrere Trillionen Nullstellen überprüft und herausgefunden:
Sie liegen alle dort, wo sie der Vermutung nach sein sollen. Doch wir erinnern uns: Es
gibt unendlich viele Primzahlen. Und damit unendlich viele Nullstellen. Jede einzeln
nachzuprüfen ist unmöglich. Man braucht einen Beweis, der für alle gilt. Den aber
hatte Riemann nicht.
ZUSPIELER 19 (Grime)
It would be a BIG DEAL if we can prove the Riemann Hypothesis. I suspect it’s true.
But it’s not proven yet. Now, there’s a lot of mathematical results that are based on
the hope that Riemann’s Hypothesis is true. If it is true, then there will be a whole lot
of other mathematical results that will also be true. And then we’ll learn all these new
things. That will be fantastic. And all we are doing is waiting. We are waiting for
Riemann’s Hypothesis to be proven. It will prove all these maths results; but it might
be a problem for our modern world as well.
SPRECHER 2 (OVERVOICE)
Es wäre ein Riesenkracher, wenn wir die Riemannsche Vermutung beweisen könnten.
Ich bin überzeugt, dass sie wahr ist. Viele mathematische Theorien fußen auf der
Hoffnung, dass sie stimmt. Wenn sie wahr ist, wird sich eine ganze Menge
8
mathematischer Resultate ebenfalls als wahr erweisen. Das wird fantastisch! Und
alles, was wir tun, ist warten. Wir warten darauf, dass die Riemannsche Vermutung
bewiesen wird. Das wird alle diese nachfolgenden Theorien ebenfalls beweisen. Aber:
das könnte andererseits ein großes Problem für unsere moderne Welt auslösen.
ERZÄHLER:
Denn Primzahlen spielen eine Schlüsselrolle in der rauen Welt der elektronischen
Kommunikation. Banken, Smartphone, Internet: ohne sie geht nichts, und nichts geht
dort ohne die Primzahlen.
ZUSPIELER 20 (Grime)
Sometimes you hear about mathematicians finding a new prime number. There is a
new story: “the largest prime number ever found has been discovered. Hooray!” Now
why is that important, why is that a new story? It’s because prime numbers are used
on the internet. To send secret information.
SPRECHER 2 (OVERVOICE)
Manchmal steht in der Zeitung, dass ein Mathematiker wieder eine neue Primzahl
gefunden hat, eine Schlagzeile: „größte Primzahl aller Zeiten entdeckt! Hurrah!“ Nun,
warum ist das wichtig, warum ist das ein Aufmacher? Weil Primzahlen im Internet
verwendet werden, um Informationen zu verschlüsseln.
ERZÄHLER:
Rund 50 Millionen Deutsche kaufen pro Jahr im Internet ein, Tendenz steigend. Damit
die Übermittlungsdaten von Kontonummern und Kreditkarten nicht in die Hände von
Codeknackern geraten, hat die Bank ein ausgeklügeltes System aus
Zahlenkombinationen parat. Das System selbst ist ziemlich einfach, und es ist
bekannt. Die Bank verwendet eine Zahl, die sie dem Benutzer schickt, um die geheime
Information zu transportieren. Diese Zahl ist sozusagen das Vorhängeschloss am
Schatzkästchen, in dem sich die Information befindet. Diese Zahl ist kein Geheimnis.
ZUSPIELER 21 (Grime)
It doesn’t matter if you know it. If you want to steal it, it’s fine, it’s like stealing the
padlock. It’s no good. So the bank gives this out publicly. So this is the number my
bank will use to send out secret information. I printed it out on a strip of paper, it’s a
very large number; and I will try and show you the number here; the number is
actually 20.000 trillion, googol…
Googol has 100 zeros. There you go. Oh! Another googol. That’s another 100 zeros.
Googol again. Another googol. Another googol. Another googol. There we go. This
number – and that’s the end – this number, which I have now thrown all over my
floor, this number is 617 digits long.
SPRECHER 2 (OVERVOICE)
Es macht nichts, wenn wir es wissen. Wenn Sie sie stehlen wollen, kein Problem: das
ist, wie wenn Sie das Vorhängeschloss stehlen, ohne den Schlüssel zu haben. Also
macht die Bank die Zahl bekannt. Das hier zum Beispiel ist die Zahl, die meine Bank
verwendet, um die Information zu verschlüsseln: Ich habe sie auf einem Papierstreifen
ausgedruckt. Es ist eine sehr große Zahl; hier ist sie. Sie ist 20.000 Trillionen, das sind
in „Googols“... ein „Googol“ hat 100 Nullen ... hier:
Diese Zahl, die jetzt hier meinen ganzen Wohnzimmerfußboden bedeckt, hat 617
Stellen.
ERZÄHLER:
Diese Zahl ist das Produkt aus nur zwei Primzahlen. Zwei Primzahlen! Wo ist das
Problem? Ein Codeknacker hat das in ein paar Minuten heraus. Wer das denkt, hat die
Widerspenstigkeit der Primzahlen unterschätzt.
9
ERZÄHLER:
Wir erinnern uns an den Griechen Eratosthenes und sein Sieb: wie mühsam war es,
damit Primzahlen zu finden.
ZUSPIELER 22 (Grime)
It gets harder, the bigger the numbers become. So if I give you 55, you go: “What are
the prime numbers? Oh – 5 x 11.” But if I give you a number like 5767 – can you tell
me what the original primes are? It’s two primes multiplied together. It’s difficult
already. It’s already difficult. That’s 73 x 79, if you want to know. But already it’s
difficult. The larger the numbers get, the harder it is to work out what the primes
were.
SPRECHER 2 (OVERVOICE)
Es wird schwieriger, je größer die Zahlen werden. Wenn ich Ihnen 55 gebe, werden
Sie sagen: „Wie ist die Primzahlzerlegung – 5 x 11, kein Problem.
Aber wenn ich Ihnen eine Zahl gebe wie 5767, können Sie mir sagen, aus welchen
Primzahlen die zusammengesetzt ist? Da wird es schon schwierig. Es ist 73 x 79, wenn
Sie es wissen wollen. Je größer die Zahlen werden, desto schwieriger ist es, die beiden
zugrunde liegenden Primzahlen zu finden.
ERZÄHLER:
Natürlich müssen wir das nicht mehr im Kopf ausrechnen. Computer rechnen schnell;
und die Rechenleistung verdoppelt sich alle anderthalb Jahre. Konjunktur für die
Primzahljäger:
ERZÄHLER
[In dem Maße wie unsere Computer besser und schneller werden, wird es leichter,
diese Primzahlen zu finden und die Codes zu knacken. Das heißt:]
Es ist ein Wettlauf zwischen den Codemachern und den Codeknackern. Die
Codemacher brauchen höhere Primzahlen. Dann haben die Codeknacker bessere
Computer und können die herausfinden. Also brauchen wir wieder größere Primzahlen.
Und das geht immer so weiter. Aber weil es unendlich viele Primzahlen gibt, können
wir immer größere finden und die Sicherheit erhöhen.
Unsere gesamte Sicherheit im elektronischen Datenverkehr baut also darauf, dass wir
die Verhaltensweisen der Primzahlen nicht genau kennen. Sollten wir die Suche
danach dann nicht lieber einstellen? Dagegen spricht der menschliche Forschergeist.
Was gedacht werden kann, wird gedacht werden. Und bis wir das Primzahlgeheimnis
gelüftet haben, hat vielleicht ein schlauer Kopf bereits ein neues Sicherheitssystem
erdacht.
Das Schöne ist: solange die Primzahlen ihr Geheimnis nicht preisgeben, umhüllt sie
der Reiz des Mysteriösen, bleiben sie umworben von denen, die ihnen ihr Geheimnis
zu entlocken suchen. Und dabei vereinen sie Menschen aus der ganzen Welt, quer
durch alle Länder, Altersklassen und Kulturen. Denn die Primzahlen, die
Schlüsselworte der universellen Sprache namens Mathematik, werden überall
verstanden.
ZUSPIELER 25 (Grime)
By trying to understand primes and the nature of primes, we just end up with more
questions to solve. And in the effort to try and solve these questions we learn more
about maths. The mysterious nature of primes is a driving force in maths.
SPRECHER 2 (OVERVOICE)
Bei dem Versuch, das Wesen der Primzahlen besser zu verstehen, stoßen wir auf
immer neue Fragen. Und indem wir nach Antworten auf diese Fragen suchen, lernen
wir wieder Neues über die Mathematik. Die geheimnisvolle Natur der Primzahlen ist
eine treibende Kraft in der Mathematik.
10
ERZÄHLER:
Das Schlusswort hat Marcus du Sautoy mit seinem Buch, „die Musik der Primzahlen“
SPRECHER 3:
Die Primzahlen haben eine Bedeutung erlangt, die weitgehend über die Rolle als
Atome der Arithmetik hinausgeht, und sie haben uns Türen zwischen den ehemals
unzusammenhängenden Bereichen der Mathematik geöffnet. [...] Und diese Suche hat
die Mathematik in ein neues Licht gerückt. [...] Denn die Mathematik wurde so aus
einer Wissenschaft der Strukturen zu einer Wissenschaft der Zusammenhänge.
stopp
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