Predigt über Jesaja 30, 15-17 Wir hören auf ein Wort des Propheten Jesaja: „So spricht Gott der Herr, der Heilige Israels: Wenn ihr umkehrtet und stille bliebet, so würde euch geholfen; durch Stille sein und Hoffen würdet ihr stark sein. Aber ihr wollt nicht und sprecht: "Nein, sondern auf Rossen wollen wir dahin fliegen", darum werdet ihr dahin fliehen, "und auf Rennern wollen wir reiten", darum werden euch eure Verfolger überrennen. Denn euer tausend werden fliehen vor eines einzigen Drohen; ja vor fünfen werdet ihr alle fliehen, bis ihr übrigbleibet wie ein Mast oben auf einem Berge und wie ein Banner oben auf einem Hügel.“ „Durch Stille sein und Hoffen würdet ihr stark sein.“? Würden wir das auch so sagen? Gilt in unserer Welt nicht viel mehr der Spruch: „Hoffen und Harren macht manchen zum Narren.“? Unsere Politiker müssen zeigen, dass sie etwas machen. Wenn irgendein Thema durch die Nachrichten geistert, wird sofort danach geschrien, dass man doch etwas tun muss. Auf die Schnelle werden Gesetze erlassen, bis die Nachricht wieder aus den Medien ist. Es ist gut, wenn man als Politiker als „Macher“ da steht. Was würden wir zu einem Politiker halten, der in einer großen Krise sagt: „Nun seid stille und hofft.“ Zur Zeit unseres Predigtwortes gab es eine Krise. Israel fühlt sich durch die aufstrebende Macht im Norden, Assyrien, bedroht. Sie fragen sich: Wie lange wird es noch dauern, bis deren Streitmacht auch über Israel herfallen wird? Und König Ahas bewährt sich als Macher: Er schließt einen Bund mit der Macht im Süden, Ägypten. Er rüstet auf mit schnellen Rössern. Ist das nicht ein guter König, ein guter Politiker? Ein Macher? Aber Gott gefällt das nicht. Er klagt das Volk Israel an, dass sie sich nur auf sich selbst verlassen. Dass sie meinen, etwas Aktionismus, ein Bündnis mit Ägypten und ein paar Pferde könnten ihnen helfen. Dass sie nicht Hilfe suchen bei dem, der wirklich helfen kann: dem allmächtigen Gott. Jesaja kündigt Gericht an. Er kündigt an, dass all die selbst gemachten Sicherheiten zerbrechen werden. In Wortspielen bringt er das Ganze auf den Punkt: Anstatt auf ihren Rössern, ihrem ganzen Stolz, „dahin zu fliegen“, werden sie „dahin fliehen“. Und anstatt auf ihren „Rennern“ zu reiten, werden sie von den Feinden „überrannt“. Das ganze Heer wird davon rennen, bis nur noch eine leere Fahnenstange auf einem kahlen Hügel übrig bleibt. Ein hartes Wort für die „Macher“ dieser Zeit! 1 Was würde Gott uns, Ihnen und mir, heute sagen? Auf welche vermeintlichen Sicherheiten setzen wir unser Vertrauen? Wo würde Gott heute bei uns den Finger in die Wunde legen und sagen: „da musst du umkehren“? Ich habe den Predigttext für unsere Zeit umgeschrieben. Vier Varianten kann ich Ihnen anbieten. Vielleicht finden Sie sich in einer der Varianten wieder. Ich finde mich in allen vier Punkten. 1) „So spricht Gott der Herr, der Heilige Israels: Wenn ihr umkehrtet und stille bliebet, so würde euch geholfen; durch Stille sein und Hoffen würdet ihr stark sein. Aber ihr wollt nicht und sprecht: "Nein, durch Leistung wollen wir es schaffen. Durch noch mehr Anstrengungen werden wir alle Anforderungen erfüllen.“ Aber die Anforderungen werden immer mehr werden. Sie werden euch verschlingen. Am Ende werdet ihr so ausgebrannt sein, dass die kleinste Anforderung euch Angst und Schrecken einjagt. 2) „So spricht Gott der Herr, der Heilige Israels: Wenn ihr umkehrtet und stille bliebet, so würde euch geholfen; durch Stille sein und Hoffen würdet ihr stark sein. Aber ihr wollt nicht und sprecht: "Nein, durch unser Einfühlungsvermögen werden wir die Menschen gewinnen. Wir werden ihnen die Wünsche von den Augen ablesen und so für Frieden und Harmonie um uns sorgen.“ Aber ihr werdet nicht allen Erwartungen gerecht werden können. Irgendwann werden die Erwartungen der anderen Euch erdrücken und die Harmonie zerstört werden. 3) „So spricht Gott der Herr, der Heilige Israels: Wenn ihr umkehrtet und stille bliebet, so würde euch geholfen; durch Stille sein und Hoffen würdet ihr stark sein. Aber ihr wollt nicht und sprecht: "Nein, durch meinen Besitz, durch meine Versicherungen, durch all meine Vorsorge werde ich sicher sein. Wenn ich viel Geld verdiene, bin ich viel wert.“ Aber umso mehr ihr besitzt, umso mehr werdet ihr Angst bekommen, dies zu verlieren. Geld und Besitz machen euch nicht wertvoll. Euer Innerstes wird arm bleiben. 4) „So spricht Gott der Herr, der Heilige Israels: Wenn ihr umkehrtet und stille bliebet, so würde euch geholfen; durch Stille sein und Hoffen würdet ihr stark sein. Aber ihr wollt nicht und sprecht: "Nein, meine Ärzte werden für meine Gesundheit sorgen. All meine Pillen und Tabletten werden meine Kraft erhalten.“ Aber die Tabletten werden Nebenwirkungen haben. Ihr werdet noch mehr Tabletten brauchen. Und Ärzte können sich irren. „Wenn ihr umkehrtet und stille bliebet, so würde euch geholfen.“ Wo haben wir, wo haben Sie und ich Umkehr und Stille nötig? Wo lädt uns Gott ein, sich auf ihn zu verlassen und nicht auf scheinbare Sicherheiten? 2 „Durch Stille sein und Hoffen würdet ihr stark sein.“ Haben Sie das schon erlebt, dass durch Stille sein und Hoffen Sie eine ganz andere Stärke gewonnen haben? In der Politik denke ich mir manchmal, dass mit etwas mehr Gelassenheit, dass mit etwas mehr Gründlichkeit bei der Ausarbeitung von Gesetzen viel bessere Erfolge erzielt werden könnten. Aber es geht hier nicht nur um etwas mehr Gelassenheit und Gründlichkeit. Es geht darum, dass wir stille „vor jemand“ sind, dass wir „auf jemand“ hoffen. dass wir „durch jemand“ stark werden. Gott lädt uns ein zur Beziehung mit ihm. Nicht Aktionismus an sich ist schlecht. Nicht Stille sein und Warten an sich ist unbedingt gut. Es kommt darauf an, dass wir vor Gott still sind. Dass wir auf Gott hoffen. Dass wir von Gott uns prägen lassen und auf Gott hören. Aus dieser Stille vor Gott wird Stärke erwachsen und es können Taten folgen. 1) Ich habe in der Stille vor Gott immer wieder erfahren, dass Gott mir geholfen hat, mit all den vielen Anforderungen umzugehen. In der Stille lernte ich zu unterscheiden, was wichtig ist und wo ich Nein sagen und mich manchmal auch gegen überzogene Anforderungen wehren muss. 2) In der Stille vor Gott habe ich immer wieder gelernt, mit den Erwartungen anderer Menschen umzugehen. Mir ist Harmonie sehr wichtig. Ich will oft Erwartungen erfüllen. Aber Gott hilft mir auch Grenzen zu setzen. Meine Fähigkeit, für Harmonie zu sorgen, ist sehr begrenzt. 3) Vor Gott habe ich auch gelernt, mich an meinem Besitz zu freuen und aber auch immer wieder mit anderen zu teilen. 4) In der Stille konnte ich Gott auch immer wieder die Angst vor Krankheit bei mir selbst und anderen bringen. Gott hat manchmal Heilung geschenkt, manchmal nicht. Aber Gott war immer nahe. Er ist der Einzige, der auch durch Sterben und Tod begleiten kann und ewig unser Halt ist. Ein neues Jahr steht vor der Tür. Auf was wollen wir im neuen Jahr unsere Hoffnung setzen? Was wird uns Sicherheit geben? In unserem Gesangbuch steht der folgende Text: „Ich sagte zu dem Engel, der an der Pforte des neuen Jahres stand: Gib mir ein Licht, damit ich sicheren Fußes der Ungewissheit entgegengehen kann! Aber er antwortete: Gehe nur hin in die Dunkelheit und lege deine Hand in die Hand Gottes! Das ist besser als ein Licht und sicherer als ein bekannter Weg!“ Amen. „Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.“ Amen. 3