Niedrige Teuerungsrate: Warum die Inflationswarner uns unnötig Angst... 1 von 2 http://www.focus.de/finanzen/news/gastkolumnen/heise/niedrige-teueru... Präsentiert von Drucken http://www.focus.de/finanzen/news/gastkolumnen/heise/niedrige-teuerungsrate-warum-trotz-geldflut-die-inflationsgefahr-gering-ist_aid_1000764.html Michael Heise Niedrige Teuerungsrate Warum die Inflationswarner uns unnötig Angst machen Mittwoch, 29.05.2013, 12:06 · von FOCUS-Online-Gastautor Michael Heise Die Europäische Zentralbank versucht, mit billigem Geld die Krise zu bekämpfen. Für die Geldstabilität besteht trotzdem erst einmal keine Gefahr – für die Finanzmärkte schon. Für viele Beobachter war es von Anfang an klar, dass die Politik des „Gelddruckens“, die seit dem Ausbruch der Lehmann Krise verfolgt wird, nur in Inflation enden kann. Da muss es doch eine große Überraschung sein, dass die Teuerungsraten weltweit zurückgehen und im Euroraum Deutsche Euro-Münze dpa aktuell bei 1,2 Prozent liegen. Die Liquiditätsflut der Zentralbanken, die ja noch immer ganz beachtlich ist, hat sich nicht in einer allgemeinen Inflation der Güterpreise niedergeschlagen. Das ist sehr positiv. Aber es stellt sich die Frage, warum der Zusammenhang zwischen Geldmenge und Preisen, der in volkswirtschaftlichen Lehrbüchern schon in den ersten Kapiteln steht, bislang nicht eingetreten ist. Zwei Aspekte stehen dabei im Vordergrund: Erstens ist der Prozess der Geldschöpfung, in dessen Verlauf das von der Notenbank bereitgestellte Zentralbankgeld in die privaten Märkte gelangt, nach wie vor gestört. So ist im Euroraum zwar das Basisgeld in der Bilanz der Notenbank in den letzten beiden Jahren um jeweils über 20 Prozent angestiegen, doch das Wachstum der Geldmenge M3 lag 2011 und 2012 nur bei 1,6 beziehungsweise 3,5 Prozent (klar unter dem Referenzwert von 4,5 Prozent). Daran zeigt sich, dass das Geld nicht im Wirtschaftskreislauf ankommt, sondern von den Banken gehalten wird. Geld wird nicht nachgefragt Die Aktivierung des Geldangebotes der Zentralbanken setzt eine Normalisierung des Bankenmarkes, vor allem aber einen wirtschaftlichen Aufschwung voraus, der mit steigender Kreditnachfrage der Unternehmen und steigender Geldnachfrage der privaten Haushalte einhergeht. Der ist bislang nicht zu beobachten. Zweitens hat die Globalisierung, anders als von vielen erwartet, ihre preisdisziplinierende Kraft keinesfalls verloren. Der Globalisierungsprozess setzt sich fort: Mehr internationale Arbeitsteilung und Outsourcing in Niedriglohnländer, zunehmende Mobilität der Arbeitskräfte über ihre jeweiligen 6/3/2013 11:55 AM Niedrige Teuerungsrate: Warum die Inflationswarner uns unnötig Angst... 2 von 2 http://www.focus.de/finanzen/news/gastkolumnen/heise/niedrige-teueru... Landesgrenzen hinaus und schnelle Diffusion technologischer Neuerungen mit in der Regel preisdämpfenden Effekten (siehe zum Beispiel Fracking). Anlagenotstand wegen niedriger Zinsen Die aktuell rückläufige Inflation hat weitreichende Auswirkungen auf die Finanzmärkte. Sie schürt die Erwartung, dass die Geldpolitik expansiv und die Zinsen niedrig bleiben werden. Für die Anleger bleibt es infolgedessen schwierig, ansehnliche Renditen mit einigermaßen sicheren Investitionen zu erwirtschaften. Man geht ins Risiko, um der finanziellen Repression zu entkommen. Risikobehaftete Anlagen nehmen zu und die Preise dieser Vermögenswerte steigen – ob bei Aktien, Immobilien oder Unternehmensanleihen. Dieses positive Marktumfeld ist indessen auch mit Risiken behaftet. Die Finanzmärkte haben in den letzen Jahren eine hohe Dosis geldpolitischer Medizin erhalten und sie dürften auf einen irgendwann notwendigen Entzug dieser Medizin mehr oder weniger stark reagieren. Geldpolitik bleibt weiter locker Der Zeitpunkt eines Ausstiegs aus der expansiven Geldpolitik mag durch nachlassenden Inflationsdruck verschoben sein, aufgehoben ist er keinesfalls. Sollte der Konjunkturmotor – wie es die meisten Prognosen erwarten lassen – in den nächsten Monaten wieder besser laufen, kann sich die Einschätzung der Zentralbanken schnell drehen. Bei wirtschaftlicher Expansion wird ihre Aufmerksamkeit sehr genau der an den Kapitalmärkten und von Experten erwarteten Inflation gelten. Nach derzeitigem Stand dürfte die amerikanische Fed früher mit dem Ausstieg beginnen als die EZB, die erst Anfang dieses Monats zugesichert hat, ihre unlimitierte Liquiditätsbereitstellung für Banken bis Mitte nächsten Jahres beizubehalten. Für den Anleger könnte es dann trotz der günstigen Kursentwicklung der vergangenen Monate ungemütlich werden. Vorsicht ist angeraten. Allein die Erwartung der Marktteilnehmer, dass ein geldpolitischer Kurswechsel anstehen könnte und wichtige Zentralbanken von ihrer Nullzinspolitik und unbegrenzten Liquiditätspolitik abrücken könnten, kann heftige Rückwirkungen auf die Preise haben. Dennoch sind die mit einer Anti-Inflationspolitik verbundenen Risiken für die Sparer und die Volkswirtschaften immer noch weitaus kleiner als die Risiken einer Dauertherapie der Märkte mit einem Überschuss an Liquidität und kaum von null unterscheidbaren Zinsen. ZUR PERSON Michael Heise ist Chefvolkswirt der Allianz. © FOCUS Online 1996-2013 Drucken Foto: dpa Alle Inhalte, insbesondere die Texte und Bilder von Agenturen, sind urheberrechtlich geschützt und dürfen nur im Rahmen der gewöhnlichen Nutzung des Angebots vervielfältigt, verbreitet oder sonst genutzt werden. 6/3/2013 11:55 AM