Professor Dr. Justus Haucap

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Wettbewerbsprobleme beim E-Commerce:
Eine ökonomische Perspektive
47. FIW-Symposion
Professor Dr. Justus Haucap
Innsbruck, 6. März 2014
Worum geht es mir?
1. Wettbewerbsprobleme bei Suchmaschinen: Der Fall „Google“ 2. Anmerkungen zu anderen marktstarken Internetplattformen: Facebook, eBay, Amazon, ….
3. Vertikalbeschränkungen im E‐Commerce
2
Der Fall Google
•
•
Im Januar 2013 hat die FTC ihre fast 20‐monatigen Untersuchungen gegenüber Google eingestellt und einstimmig beschlossen, von Wettbewerbsverfahren gegenüber Google abzusehen.
Im Gegenzug hat Google sich bereit erklärt:



•
•
die Bedingungen zu ändern, zu denen Anzeigenkunden Daten und Programme aus ihren Google‐Kampagnen nutzen können,
Inhalte anderer Webseiten (wie Hotelbewertungen) nur mit Einverständnis in die eigene Trefferliste zu integrieren,
die vorgeschlagene Verfahrensweise zur Klärung von Patentstreitigkeiten (Motorola) zu akzeptieren.
Zugleich: Freispruch vom Vorwurf des „Search Bias“.
Verfahren der Europäischen Kommission vor dem Abschluss (?)
3
Ökonomische Theorie zum Wettbewerb bei Plattformen
•
Internet‐Plattformen (Google, eBay, Facebook, Amazon, …) als Two‐
sided Markets – Konzentration als logische Folge?
1. Direkte Netzeffekte: Facebook, Skype, Twitter, WhatsApp,….
2. Indirekte Netzeffekte: HRS, Amazon, eBay, Google,…..
Ursache
Effekt auf die Konzentration
Stärke der indirekten Netzeffekte
+
Ausmaß steigender Skaleneffekte
+
Überlastungsgefahren
–
Differenzierung der Plattformen
–
Multihoming
–
Quelle: Evans und Schmalensee (2008, S. 679), Haucap und Wenzel (2011, S. 204).
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Ökonomie von Suchmaschinen
• Horizontale (universelle) versus vertikale (spezialisierte) Suchmaschinen
• Bezahlte (gesponserte) und unbezahlte (organische) Treffer
• Finanzierung durch Online‐Werbung (sehr zielgerichtet)
(Suchwerbung, Display‐Werbung, Email‐Werbung)
Zahlweise: Preis pro Klick
Google: Auktionsmodell und Platzierungsalgorithmus durch Quality Score
• Bedeutung der Anzahl der Suchanfragen für die Qualität der Ergebnisse?
Ausmaß der indirekten Netzeffekte empirisch umstritten – Grenznutzen zusätzlicher Daten, Grenzkosten ihrer Verarbeitung.
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Vorwürfe gegen Google
• Search Bias: Organische Suchergebnisse werden zugunsten konzerninterner Inhalte (Youtube, Google Maps, Google Travel etc.) verzerrt,
• Original‐Suchdaten für Wettbewerber nicht zugänglich (Frage der Skaleneffekte/Größenvorteile – Skaleneffekte als Markteintrittsbarriere?)
• Verdrängung von vertikalen (spezialisierten) Suchmaschinen,
• Google ist ein Gatekeeper/wesentliche Einrichtung/Bottleneck – Frage der sog. Verweisungsdominanz?
• Google erschwert anderen Suchmaschinen den Zugang zu eigenen Inhalten (wie youtube, Google Books etc.),
• Erschwertes Multihoming bei Werbekunden,
• Google als Default auf Endgeräten (in Kombination mit Android).
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Würdigung der Vorwürfe
Ist Google marktbeherrschend?
Suchmaschine
USA
D
UK
F
Japan
China
RUS
AUS
Google
71.0%
97.0%
93.0%
96.0%
38.0%
24.6%
34.5%
92.8%
Yahoo!
14.5%
1.0%
2.1%
1.3%
51.0%
‐
‐
2.3%
Bing
9.8%
1.2%
3.5%
2.1%
‐
‐
‐
3.2%
Baidu
‐
‐
‐
‐
‐
73.0%
‐
‐
‐
62.0%
‐
3.4%
3.5%
1.7%
Yandex
Andere
4.7%
0.9%
1.5%
0.6%
Quelle: Haucap und Kehder (2013, S. 136).
7
11.0%
Würdigung der Vorwürfe
• Aber: Ein hoher Marktanteil im „Suchmarkt“ impliziert nicht hohe Marktanteile im (Online‐)Werbemarkt,
• Herkömmliche Methoden der Marktabgrenzung (SSNIP) versagen beim Suchmarkt,
• Analyse der Marktbeherrschung an Hand von Markteintrittsbarrieren:
 Größenvorteile/Skaleneffekte,
 Frage der Wechselkosten bei Suchenden.
• Search Bias: Kurzfristig ist eine Verzerrung sicher möglich, aber ist sie auch langfristig profitabel?
• Bemerken Nutzer eine Verzerrung der Suchergebnisse überhaupt?
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Mögliche Abhilfen („Remedies“)
• Pflicht zur neutralen Listung der Ergebnisse
aber: Geht das überhaupt?
Innovative Angebote, persönliche Suchgeschichte, wer überprüft?
Subtile Formen der Verzerrung, Meinungsfreiheit.
• Entflechtung von universeller und spezialisierter Suche,
• Zugang zu historischen Suchdaten,
• Steigerung der Transparenz?
FAZIT: Ob Google wettbewerbswidrige Praktiken zum Marktverschluss nutzt, ist sehr schwer zu eruieren. Wenn dies geschieht, liegen oft keine einfachen Abhilfen („Remedies“) parat.
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Andere marktstarke Internetplattformen
• eBay: Marktabgrenzung? Marktbeherrschung?
• Facebook: Multihoming einfach und üblich
Größe nicht nur vorteilhaft
• Amazon
• …..
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Vertikalbeschränkungen I
• Warum gibt es Vertikalbeschränkungen im E‐Commerce?
Prinzipiell ist die Logik dieselbe wie im stationären Handel.
• Überlegung stets: (Markt‐)Macht versus Effizienz.
• Wettbewerbsbedenken gegenüber Vertikalbeschränkungen:
• Kollusionsfördernde/kartellierende Auswirkungen (horizontal),
• Abwehr von Markteintritt/Marktverschluss.
• Effizienzeinwände:
• Schutz spezifischer Investitionen,
• Überwindung von Trittbrettfahrerproblemen,
• Überwindung vertikaler Koordinationsprobleme/Externalitäten.
• Neu sind die speziellen Bestpreisklauseln bei Plattformen.
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Vertikalbeschränkungen II
• Nach wie vor wichtig: Inter‐Brand‐ und Intra‐Brand‐Wettbewerb.
• Die wesentliche wettbewerbsschädigende Wirkung dürfte im Bereich des E‐Commerce die des Marktverschlusses sein.
• Die Stabilisierung von horizontaler Kollusion dürfte weniger relevant sein, da die Preistransparenz im Internet ohnehin größer ist als im stationären Handel und ein „Abweichen“ schneller bemerkt wird.
• Wichtig: Auf Plattformen kann der Ausfall weniger Nutzer auf einer Seite schnell Spiraleffekte in Gang setzen und die ganze Plattform gefährden (wegen Henne‐und‐Ei‐Problematik).
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Vertikalbeschränkungen III
• Die wesentlichen Effizienzargumente dürften im E‐Commerce auf dem Schutz spezifischer Investitionen und dem Vermeiden von Trittbrett‐
fahrerverhalten beruhen.
• In diesem Kontext kann es sinnvoll sein, eine stationäre Präsenz zu verlangen und auch den Anteil an Online‐Verkäufen zu begrenzen.
• Fraglich ist auch, ob die Entscheidung eines Herstellers, Online‐
Verkäufe komplett zu untersagen, als Kernbeschränkung gewertet werden sollte.
• Frage: Führt die Reglementierung von Vertikalbeschränkungen zu Ausweichverhalten (Verkauf auf Rechnung Dritter, Flagship Stores)?
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Fazit
1.
E‐Commerce hat großes Potenzial, Wettbewerb zu intensivieren, indem Märkte räumlich erweitert werden und Preisvergleiche einfacher werden.
2.
Zugleich beobachten wir auch Konzentrationstendenzen im
E‐Commerce.
3.
Einige Phänomene sind neu und auch von der ökonomischen Theorie noch nicht voll durchdrungen (wie Bestpreisklauseln auf Plattform‐Märkten).
4.
Für die Wettbewerbspolitik (Fusionskontrolle, Kartellverbot, Missbrauchsaufsicht) ergeben sich teils neue Fragestellungen, teils aber auch sehr ähnliche Phänomene wie „offline“.
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Literaturhinweise
• Haucap, J. & C. Kehder (2013), „Suchmaschinen zwischen Wettbewerb und Monopol: Der Fall Google“, in: R. Dewenter, J. Haucap & C. Kehder (Hrsg.), Wettbewerb und Regulierung in Medien, Politik und Märkten: Festschrift für Jörn Kruse zum 65. Geburtstag, Nomos‐Verlag: Baden‐Baden 2013, S.115‐154.
• Haucap, J. & U. Heimeshoff (2014), „Google, Facebook, Amazon, eBay: Is the Internet Driving Competition or Market Monopolization?“, in: International Economics and Economic Policy, 11. Jg., S. 49‐61.
• Haucap, J. & T. Wenzel (2011), „Wettbewerb im Internet: Was ist online anders als offline?“, in: Zeitschrift für Wirtschaftspolitik, 60. Jg., S. 200‐211.
• Haucap, J. & T. Wenzel (2009), „Ist eBay unbestreitbar ein nicht‐bestreitbares Monopol? Monopolisierungsgefahren bei Online‐Marktplätzen“, in R. Dewenter & J. Kruse (Hrsg.), Wettbewerbsprobleme im Internet, Nomos Verlag: Baden‐Baden 2009, S. 7‐34.
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Vielen Dank für die Aufmerksamkeit
Professor Dr. Justus Haucap
Düsseldorf Institute for Competition Economics (DICE)
Heinrich-Heine-University of Düsseldorf
Universitätsstr. 1
D-40225 Düsseldorf, Germany
[email protected]
www.dice.hhu.de - www.monopolkommission.de
Twitter: @haucap und @DICEHHU
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit
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