Konzepte und Ansätze für eine Einbeziehung

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Planen für mehr Biodiversität
Schulung zur Förderung der biologischen Vielfalt im
Rahmen der kommunalen Planungspraxis
Konzepte und Ansätze
für eine Einbeziehung
der Biodiversität in die
Planungspraxis
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BD SKILLS – Skills for Local Biodiversity
Lernziele
In diesem handlungsorientierten Kapitel wird beschrieben,
wie der Ökosystemansatz effektiv in die Planungspraxis und
Umsetzung von Maßnahmen einfließen kann. Weiterhin
werden die Voraussetzungen betrachtet, die notwendig sind,
damit öffentliche Stellen die Potenziale der biologischen
Vielfalt erfolgreich nutzen können. Außerdem werden einige
Herausforderungen, denen Raumplaner in ihrer Arbeit
begegnen können, untersucht.
So werden Sie befähigt, durch ein besseres Verständnis
der involvierten Prozesse neue Herangehensweisen an die
biologische Vielfalt und die Bewahrung von Ökosystemen in
die Praxis umzusetzen und selbstbewusst mit anderen über
diese Themen zu verhandeln.
Konzepte und Ansätze für eine Einbeziehung der Biodiversität in die Planungspraxis
Planen für mehr Biodiversität
Schulung zur Förderung der biologischen Vielfalt im
Rahmen der kommunalen Planungspraxis
Einleitung
In diesem Teil wird dargestellt, wie Raumordnung als Mechanismus dient und dienen kann, um
ein Gleichgewicht zwischen biologischer Vielfalt und Ökosystemdienstleistungen sowie anderen Landnutzungszielen herzustellen. Im Zuge dessen werden Möglichkeiten zur Integration von
Biodiversität in Raumordnungspläne untersucht. Auch die Rolle von Aktionsplänen für die biologische Vielfalt wird diskutiert.
Die Rolle der Raumordnung
„Das internationale Vorhaben, den Biodiversitätsverlust deutlich zu reduzieren, ist nicht erfüllt worden. Trotz der Tatsache, dass der Naturschutz und die nachhaltige Nutzung biologischer Ressourcen
nun schon seit mehr als einem Jahrhundert auf der politischen Tagesordnung stehen und vor allem in den vergangenen 20 bis 30 Jahren immer wichtiger geworden sind, geht die biologische
Vielfalt in all ihren drei Hauptbestandteilen — Genen, Arten und Ökosystemen — zurück, während
gleichzeitig die Faktoren, die diesen Biodiversitätsverlust verursachen, zunehmen.“ (2011, Nilsson,
Stockholmer Umweltinstitut)
Tatsache ist, dass angesichts des Biodiversitätsverlustes akuter Handlungsbedarf besteht.
In Kapitel 1 und 2 wurden neue Wege angesprochen, biologische Vielfalt als Wert einzuordnen und zu begreifen. Moderne Ansätze definieren biologische Vielfalt als Dienstleistung, die
einen größeren Kontext ökonomischer und gesellschaftlicher Ziele unterstützt. Traditionelle
Umweltschutzansätze werden von ausgewogeneren Bewirtschaftungsansätzen abgelöst, die darauf abzielen, den besten Wert aus der natürlichen Umwelt zu gewinnen. Wie diese Neugestaltung
auf regionaler und kommunaler Ebene umgesetzt wird, entscheidet die Raumordnung.
Eine Definition von Raumordnung
„Raumordnung gibt der Wirtschafts-,
Sozial-, Kultur- und Umweltpolitik
der Gesellschaft ein geografisches
Gesicht. Es handelt sich gleichzeitig
um eine wissenschaftliche Disziplin,
ein Verwaltungsinstrument und eine
politische Verfahrensweise, die als
interdisziplinärer und umfassender
Ansatz entwickelt wird und auf eine
ausgewogene regionale Entwicklung und
die physische Raumorganisation anhand
einer Gesamtstrategie abzielt.“
Quelle: Europäische Charta
für Raumordnung, 1983 in
Torremolinos von der Europäischen
Raumordnungsministerkonferenz
angenommen
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Raumordnung als Disziplin und Raumplaner als Experten sind
in der Lage, konkurrierende Zielstellungen an Orten und in
Räumen zu interpretieren, einzuordnen und Schnittstellen sowie Synergien zwischen verschiedenen Landnutzungsformen
zu finden. Der Schutz sowie das Management biologischer
Vielfalt und ökologischer Dienstleistungen sind integrale Bestandteile der Raumordnung: Spezifische Flächen, die
in der Vergangenheit, in der Gegenwart und in der Zukunft
wertvoll für die Flora und Fauna waren bzw. sind und/oder
der Gesellschaft Güter und Dienstleistungen liefern (wie
Fluss- oder Wassereinzugsgebiete), müssen ermittelt und
definiert werden. Selbst extrem mobile Tierarten benötigen
Fortpflanzungs-, Futter- und Schlafplätze, die räumlich definiert werden können. Während sich die Gesetzgebung zum
Artenschutz oft allein auf das Tier bezieht, hängt seine Zukunft
letztlich von dem Umfang ab, in dem seine Lebensräume geschützt und verwaltet werden. Innerhalb von Habitaten verhalten sich Arten bestimmten Raumvorgaben wie Futterquellen,
Lebensraumkorridoren oder Klimabedingungen vor Ort
entsprechend.
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Folglich besteht in jedem Fall die Möglichkeit, eine enge Beziehung zwischen biologischer Vielfalt
(im Sinne von Lebensräumen, Arten, Ökosystemen und ihren Dienstleistungen und Genen) und der
Raumordnung zu etablieren. Unabhängig von ihrer Definition kann Raumordnung dazu beitragen,
Umweltschäden zu vermeiden, abzuschwächen oder zu kompensieren und Wege zur Verbesserung
und Wiederherstellung der biologischen Vielfalt zu suchen. In vielen Plänen ist biologische Vielfalt
ein Schlüsselthema, jedoch bleibt die Frage, inwiefern Planung tatsächlich zum Schutz der biologischen Vielfalt beiträgt und ob Richtlinien tatsächlich so effektiv wie möglich umgesetzt werden.
Raumordnung und biologische Vielfalt
Drei Schlüsselelemente der Raumordnung tragen zur Umsetzung des Biodiversitätsschutzes bei:
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Neben diesen drei Bereichen ist eine weitere Dimension der Interaktionen zwischen biologischer Vielfalt und Raumordnung von Bedeutung, nämlich die sich verändernden Bedingungen
der Raumordnung einerseits und des Biodiversitätsschutzes andererseits. In vielen europäischen
Ländern haben sich aufgrund dieser wachsenden Dynamik bestimmte Rahmenbedingungen für
den Schutz der biologischen Vielfalt und die Raumordnung im letzten Jahrzehnt radikal verändert.
In etlichen Regionen der Welt hat der Biodiversitätsschutz eine wahre Revolution erlebt, da sich
in den vergangenen Jahrzehnten das traditionelle Konzept von Schutzgebieten weiterentwickelt
hat, um neuen Anforderungen gerecht zu werden. Diese Entwicklungen sind im folgenden Schema
zusammengefasst.
Tabelle 1: Das sich verändernde Modell von Schutzgebieten (aus Phillips, 2003)
FRÜHER
zeichneten sich Schutzgebiete
dadurch aus, dass:
HEUTE
zeichnen sich Schutzgebiete
zunehmend dadurch aus, dass:
Ziele
– sie allein dem Naturschutz vorbehalten waren
– sie hauptsächlich für spektakuläre Tiere und optischen Landschaftsschutz bestimmt waren
– sie hauptsächlich für Besucher und Touristen verwaltet wurden
– sie als Wildnis bewertet wurden
– sie auf Schutz des Status ausgerichtet waren
– sie auch unter gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrieben werden
– sie oft wissenschaftlichen, wirtschaftlichen und
kulturellen Zwecken dienen
– die Bevölkerung besser einbezogen wird
– sie aufgrund der kulturellen Bedeutung von
„Wildnis” bewertet werden
– auch Renaturierung ein Thema ist
Verwaltung
– sie von einer zentralen Regierung/Verwaltung
betrieben wurden
– sie von vielen Partnern betrieben werden
Bevölkerung
– bei Planung und Management die Bevölkerung
vor Ort nicht berücksichtigt wurde
– sie ohne Berücksichtigung der Meinung der ortsansässigen Bevölkerung verwaltet wurden
– sie mit, für, manchmal auch von der Bevölkerung
vor Ort betrieben werden
– sich das Management an den Bedürfnissen der
Bevölkerung vor Ort orientiert
Größerer Kontext
– sie separat entwickelt wurden
– sie wie „Inseln” verwaltet wurden
– sie als Teil landesweiter, regionaler und internationaler Systeme geplant sind
– sie als „Netze” entwickelt werden (streng
geschützte Gebiete mit Pufferzonen und
Verbindungen durch grüne Korridore)
Wahrnehmung
– sie in erster Linie als nationale Güter angesehen
wurden
– sie nur als nationales Anliegen betrachtet
wurden
– sie auch als Gemeinschaftsgüter betrachtet
werden
– sie auch als internationales Anliegen betrachtet
werden
ManagementTechniken
– sie reaktiv innerhalb kurzer Zeiträume verwaltet
wurden
– sie technokratisch verwaltet wurden
– sie adaptiv auf lange Sicht verwaltet werden
– sie unter politischen Gesichtspunkten verwaltet
werden
Finanzierung
– sie durch den Steuerzahler finanziert wurden
– sie aus vielen Quellen finanziert werden
ManagementFachkräfte
– sie von Wissenschaftlern und Rohstoffexperten
verwaltet wurden
– sie von Experten geführt wurden
– sie von vielseitig ausgebildeten Individuen verwaltet werden
– sie auf vor Ort gewachsenem Wissen aufbauen
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© Laurent Mignaux, METL-MEDDE
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Tafeln informieren Besucher über das Schutzgebiet
Das Bevölkerungswachstum der vergangenen Jahrzehnte hat zu einem erhöhten Raumbedarf geführt und verlangt folglich nach Raumanalysen. Mittlerweile ist die Regionalentwicklung zu einem
Prozess der aktiven Weiterentwicklung des knappen Raums geworden, um die „Orte“ zu schaffen,
wo die sich verändernden und intensivierenden Bedürfnisse im Lebens-, Arbeits- und Freizeitbereich
erfüllt werden können und gleichzeitig eine ausreichende Stabilität der Umwelt gewährleistet werden kann, um den Anforderungen von Ökosystemen und dem Kulturerbe gerecht zu werden. Dieses
Spannungsfeld ist in den entwickelten Industrieländern in den letzten Jahrzehnten gewachsen und
wird auch in Schwellenländern immer präsenter.
Außerdem ist offensichtlich, dass der bedenkliche und weiter andauernde Biodiversitätsverlust in
Europa den fortschreitenden Rückgang der Fähigkeit von Ökosystemen widerspiegelt, ihre natürliche Produktionskapazität aufrechtzuerhalten und regulierend zu wirken.
Das Konzept der Ökosystemdienstleistungen (in Kapitel 1 dieses Handbuchs beschrieben) hat
eine Reihe neuer Themen aufgeworfen und kann möglicherweise eine neue Sicht auf (oder eine
neue Herangehensweise an die Gestaltung von) Umwelt- und Biodiversitätspolitik generieren, wobei die Raumordnung ohne Zweifel eine Hauptrolle spielen wird. Viele der Wechselbeziehungen
zwischen Raumordnung und Biodiversität können dementsprechend auf Raumordnung und
Ökosystemdienstleistungen übertragen werden. Ökosystemdienstleistungen verfügen über ein hohes
integratives Potenzial, da sie vielfältige Zielstellungen beispielsweise in Bezug auf Biodiversitätsschutz,
allgemeine Umweltziele sowie gesellschaftliche und wirtschaftliche Bereiche erfüllen.
Biologische Vielfalt und Ökosystemdienstleistungen sollten nicht länger als Hindernis für die Entwicklung
betrachtet, sondern als starkes, unterstützendes Gerüst für den gesellschaftlichen und ökonomischen
Wohlstand erkannt werden. Wie bei jedem strategischen Prozess ist es jedoch auch bei der Verfolgung
von Schutz- und Managementzielen bezüglich biologischer Vielfalt und Ökosystemdienstleistungen
unerlässlich, einen strategischen Überblick zu erarbeiten und wichtige Umweltziele klar zu definieren.
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© Arnaud Bouissou, METL-MEDDE
Deshalb sind diese Elemente mit anderen Flächennutzungsbedürfnissen in Einklang zu bringen und
gemeinsam mit ihnen zu planen. Das geschieht auf verschiedenen Planungsebenen und mithilfe verschiedener Planungsprozesse. Beide Aspekte werden im Folgenden näher beleuchtet.
Die Agrarwirtschaft ist eine der flächenintensiven Landnutzungsformen, die mit der Natur um die zur Verfügung
stehenden Flächen konkurriert
Raumordnung auf verschiedenen Planungsebenen
Wenn wir von Raumplanung sprechen, müssen wir uns der vielen verschiedenen verfügbaren
Planungsarten und der Tatsache, dass die Planungen der unterschiedlichen Planungsebenen einander ergänzen sollten, bewusst sein. Folgendes Diagramm zeigt die verschiedenen Planungsebenen,
auf denen die Raumordnungspolitik in der EU funktioniert. Unterschiedliche Ebenen bieten unterschiedliche Möglichkeiten, Biodiversitätsziele zu erreichen.
National
• G
esetzgebung
• R
ichtlinien
• S
taatliche
Raumordung
• Aktionsplan
Biodiversität
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Regional
• Regionale
Raumordnung
• Infrastrukturplanung
• Energieplanung
Subregional
• Wirtschaftsentwicklung
• Stadtentwicklung
• Ökosystemplanung
• Flussgebietsmanagement
Lokal
• lokalePlanung
• Aktionsplan
Biodiversität
• Lokale Agenda
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Für politische Entscheidungsträger ist wichtig, auf welcher Ebene Richtlinien zur Erhaltung der biologischen Vielfalt vorgegeben werden und umzusetzen sind. Dabei hat sich der Schwerpunkt in
den vergangenen Jahrzehnten mehrfach verlagert, wobei selbst die Frage umstritten war, ob die
Vorgaben lokal, regional, national oder global fokussiert werden sollten.
Die folgende Tabelle zeigt verschiedene politische Ansätze auf verschiedenen Planungsebenen.
National
• Ausweisung wichtiger Habitate mit landesweiter Bedeutung
• Vorgabe eines breiten politischen Rahmenkonzepts
• gesetzliche Vorgaben zu verschiedenen Umweltprüfungen
• Bereitstellung von Instrumenten und Unterstützung, z. B. Behörden und Verwaltungsstellen
Regional
• Entwicklung von Biodiversitätsprinzipien, z. B. die Vorgabe, dass Entwicklung nicht zum Nettoverlust wichtiger Habitate
und Arten führen darf und ein Nettogewinn zu erzielen ist
• Bedarfsbestimmung für Wachstum und daraus folgende potenzielle Bedrohungen für die biologische Vielfalt
• Herstellung der Verbindung zu weitergreifenden Strategien wie Managementplänen für Küstenbereiche oder
Flussgebietsmanagementplänen
• Durchführung von Studien zu Themen mit grenzübergreifenden Auswirkungen, z. B. zu Wasserkreisläufen
• Erarbeitung eines Rahmens für großangelegte Projekte zur Schaffung von Habitaten
• Entwicklung eines strategischen Netzes grüner Infrastrukturgüter
• Aufzeigen der Zusammenhänge zwischen Klimawandel und biologischer Vielfalt
• Abstimmung von Biodiversitätszielen mit größeren Zielstellungen; Aufzeigen, wie durch die Verknüpfung verschiedener
Zielstellungen positive Zugewinne erreicht werden können
Sub-Regional
• Management von Landschaftselementen, die als Korridore und Trittsteine fungieren
• Förderung hoher Umweltstandards bei der Planung und Entwicklung von Wachstumsgebieten für den Menschen,
um attraktive, gesunde und sichere Orte zum Leben zu schaffen
• Planung des Schutzes und der Verbesserung multifunktionaler „grüner Räume“ als Grundlage für
Entwicklungswachstum
• Umsetzung der Zielstellungen übergreifender Biodiversitätsstrategien und Sicherstellung, dass diese in sämtliche
Landnutzungs- und Entwicklungsbereiche einfließen
• Festlegung ambitionierter, aber erreichbarer Ziele, um das Monitoring des Fortschritts beim Erreichen von
Biodiversitätszielen zu ermöglichen
• Erarbeitung einer Grundlage zur Zielüberprüfung, um den Nutzen für die biologische Vielfalt sicherzustellen
• Sicherstellung einer fundierten Basis zum Nachweis der Biodiversität, um den Anforderungen von Umweltprüfungen zu
genügen sowie als Grundlage für Verhandlungen mit Bauträgern zu dienen
• umfassende Einbeziehung aller Beteiligten in den Prozess der Planungsvorbereitung
Lokal
Biodiversitätspolitische Handlungsebenen
• Etablierung und Management von Habitaten
• direkter Schutz und Management von Biodiversitätsgütern
• Entwicklung und Umsetzung der Zielstellungen lokaler Aktionspläne zur Erhaltung der Biodiversität
• Sensibilisierung der Menschen, damit sie ihre Eigenverantwortung für wertvolle Umweltgüter erkennen
• Anregung zum freiwilligen Engagement
• Einbeziehung weiterer Interessensgruppen
Es ist ganz offensichtlich, dass auf allen Ebenen Handlungsbedarf herrscht. Die Gefahr besteht,
dass aufgrund von Veränderungen in Verwaltungsstrukturen biologische Vielfalt weniger fokussiert wird. Dies zeigte sich zum Beispiel kürzlich in England, wo die Abschaffung der regionalen
Planungsebene zu einer Fokussierung auf die Wirtschaftsentwicklung auf sub-regionaler Ebene
führte und die Behörden dazu angeregt hat, im Themenbereich Strategieplanung zu kooperieren.
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Schrebergärten stellen, bei biologischer Bewirtschaftung, eine Möglichkeit zur Einbindung von Biodiversität auf sehr
kleinem Maßstab dar
Die Pläne der verschiedenen Ebenen und Strukturen sollten im Sinne der biologischen Vielfalt gemeinsam funktionieren, damit Botschaften konsistent sind und einander ergänzen. Biologische
Vielfalt, Habitate, Ökosysteme und Landschaften halten sich nicht an Verwaltungsgrenzen,
deshalb müssen kommunale Behörden sowie subregionale und regionale Verwaltungen in
Umweltfragen zusammenarbeiten. Aus diesem Grund formt die Hierarchie der Planungsebenen
zusammen mit der Notwendigkeit der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit ein komplexes
„Netz“ von Plänen, das geradezu abschreckend wirken kann. Dies zeigt folgendes Beispiel eines
Flussgebietsmanagementplans und einer Grünen Infrastrukturstrategie für eine Stadtregion.
Nationaler Aktionsplan zur Erhaltung
der biologischen Vielfalt
Staatliche Politikvorgaben
Nationale Strategie für nachhaltige
Entwicklung
Regionaler Aktionsplan zur Erhaltung
der biologischen Vielfalt
Regionale / Subregionale
Raumordnungsstrategie
Regionale / Subregionale
Wirtschaftsstrategie
Grüne Infrastrukturstrategie für die
Stadtregion
Flussgebietsmanagementplan
Lokaler Aktionsplan zur Erhaltung
der biologischen Vielfalt
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Bauleitplan
Masterpläne
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Renaturierung von Ackerbrachen in Barnsholme (Großbritannien)
Die ehemaligen Äcker sollten in 1960er Jahren zum Aufbau moderner Verkehrsinfrastruktur genutzt werden.
Diese Pläne wurden allerdings nicht umgesetzt, sodass das Gelände bis Mitte der 1990er Jahre brach lag. Dann
begann man, über eine Umwandlung der Flächen in einen Landschaftspark nachzudenken. Vor Kurzem wurde der
Ort zum Naturschutzgebiet erklärt (Dezember 2011). Die Problematik besteht nun in der Frage, wie man das brach
liegende Ackerland und weitere, angrenzende Feuchtflächen nutzen kann, um die biologische Vielfalt vor Ort zu
fördern und am Rande sozial benachteiligter Wohnviertel einen Raum für Mensch und Natur zu schaffen. Die Idee
stammt von einem Netzwerk von Menschen und Organisationen, kam aber hauptsächlich von den Anwohnern
selbst. Die 48 Hektar Land, um die es geht, beherbergen eine Vielzahl von Lebensräumen, darunter Feuchtgebiete
für seltene Wasserkäfer, den Nördlichen Kammmolch, die Ringelnatter und die Ostschermaus. Außerdem leben
dort zahlreiche Vogelarten wie Schnepfe, Kuckuck, Turteltaube, Wanderfalke, Eisvogel und Kiebitz. Die Schaffung
des ersten Naturschutzgebiets von Hull rief in weiten Kreisen positive Reaktionen hervor. Lokale Aktionspläne zur
Erhaltung der Biologischen Vielfalt (LBAP), die Unterstützung des Government Office for Yorkshire and Humber
(GOYH) und die Umweltschützer aus dem Stadtrat von Hull trugen zu diesem Prozess bei. Den größten Einfluss auf
die Projektentwicklung übte jedoch die Bevölkerung vor Ort selbst aus. Sie war an jeder Entwicklungsstufe beteiligt
und fühlte sich deshalb als Gemeinschaft für das Projekt verantwortlich. Dieses Engagement trug entscheidend
zum Erfolg des Projekts bei und war eine der wichtigsten Erfahrungen in diesem Zusammenhang.
Integration biologischer Vielfalt in
Raumordnungs-/Entwicklungspläne
Die Planungspraxis zur Erhaltung biologischer Vielfalt und von Ökosystemdienstleistungen kann in
unterschiedlichen Plänen auf verschiedenen Raumplanungsebenen umgesetzt werden. In diesen
Plänen wirken auch verschiedenste Mechanismen.
A. Planungspolitik
B. Kommunale Verwaltungspolitik
C. Öffentlichkeitsarbeit zur Akzeptanzsteigerung
D. Umsetzung politischer Vorgaben
E. Monitoring und Evidenzbasis (siehe Kapitel 4)
All diese Mechanismen ergänzen einander. Beispielsweise kann ein Standort mithilfe von Kategorie
A vor Erschließung bewahrt werden. Freiwillige, die durch Kategorie D einbezogen werden, bewirtschaften ihn auf sensible Weise gemäß Kategorie B, und mithilfe von Kategorie C können die
Menschen über die Naturgeschichte des Ortes informiert werden.
A – Planungspolitik
Arten der Planungspolitik
1. Allgemeine Abwägung. Ein solches Vorgehen soll sicherstellen, dass die Auswirkungen
jeglicher Bebauung oder anderer vorgeschlagener Erschließungsmaßnahmen auf
die biologische Vielfalt und Ökosystemdienstleistungen bei der Entscheidung über
Baugenehmigungen komplett berücksichtigt werden. Grundlegende Zielstellung ist dabei, dass Ökosysteme und biologische Vielfalt nicht durch Entwicklungsmaßnahmen
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geschädigt werden. Die Bedeutung einer solchen Politik besteht darin, dass sie im gesamten Bereich einer Kommune Gültigkeit hat. Gegebenenfalls könnte sie z. B. dazu dienen,
dass der Schwerpunkt von städtischen Elementen wie Bäumen auf lineare Elemente wie
Hecken verlagert wird, um unnötigen Schäden an Flüssen oder Wasserkörpern vorzubeugen oder einheimische Arten in Landschaftspläne einzubeziehen.
2. Gebietsschutz. In Gemeindegebieten ist eine ausgeprägte Schutzpolitik für sämtliche
naturschutzfachlich hochwertigen Bereiche erforderlich. Ziel dieser Politik sollte es sein,
Bauanträge stark zu kontrollieren, die solche Bereiche schädigen würden.
3. Sondergebiete. Dies kann eine nützliche Politik für ländliche Gemeinden sein. Sie kann
dazu dienen, hauptsächliche Interessen an bestimmten Elementen biologischer Vielfalt
und von Ökosystemdienstleistungen zu ermitteln (z. B. an
Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen für
Flusstälern, Gebieten natürlicher Habitate oder
die biologische Vielfalt
Küstenstreifen). Solche Gebiete haben oft auch einen hohen landschaftlichen Wert. Dabei ist zu beachten, dass eine
Eine gute Planung integriert von
solche Politik nicht überstrapaziert werden sollte, damit sie
vornherein Aspekte biologischer Vielfalt,
wirkungsvoll bleibt.
kann aber trotzdem in gewissem Maße
4. Spezieller Habitatschutz. Auch diese Politik stellt eine
Biodiversitätsverluste mit sich bringen,
wertvolle Ergänzung zu der unter Punkt 1 genannten
wenn bestimmte Auswirkungen nicht durch
Politik der allgemeinen Abwägung dar. Sie ist außerPlanung und Standortwahl vermieden oder
dem äußerst empfehlenswert, wo Listen zur Erfassung
wichtiger ortsspezifischer Stätten biologischer Vielfalt
durch andere Maßnahmen kompensiert
noch nicht erarbeitet oder noch nicht mit politischen
oder ersetzt werden können.
Maßnahmen verknüpft wurden. Habitattypen können hier
Unter Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen
Wälder und/oder Waldgebiete, Hoch- und Niedermoore,
im Sinne der biologischen Vielfalt sind
Heide, gering kultivierte Wiesen und Grasland, Gewässer,
Schutzbemühungen zu verstehen, die der
Salzwiesen, Marschland, Teiche, Seen usw. sein. Ziel ist
biologischen Vielfalt nützen und damit
der Schutz solcher Lebensräume vor Erschließungen,
nachweislich einen Ausgleich oder Ersatz
die ihren Biodiversitätswert und die Lieferung von
Ökosystemdienstleistungen zerstören oder nachteilig bezu Verlusten schaffen. Damit können
einflussen könnten.
Bauträger z. B. die Planungsvoraussetzung
5.
Ökologische Netze / Grüne Infrastruktur. Lineare
der Kompensierung erfüllen,
biologische Elemente können der Flora und Fauna als
indem sie mit Spezialanbietern für
Korridore dienen, in denen sie sich bewegen und leAusgleichsmaßnahmen arbeiten, die
ben können. Für viele Arten spielt dabei Kontinuität
Schutzprojekte durchführen.
eine wichtige Rolle; je isolierter ein Ort ist, umso weniEine definierte Methode wird angewendet, um
ger Arten können dort siedeln. Korridore können durch
Verengung oder Zerschneidung beschädigt oder undie Kompensationsanforderung zu erfüllen.
brauchbar werden. In städtischen Gebieten können
Doncaster Metropolitan Borough (www.
Korridore, die der Bewegung von Flora und Fauna dienen,
doncaster.gov.uk) ist eine der sechs
als lineare Freiräume bezeichnet werden; solche Räume
kommunalen Behörden in Großbritannien,
können auch Erholungszwecken dienen und Gruppen
die diesen Ansatz in einem Pilotprojekt
wild lebender Tiere und Pflanzen nützen. Allgemein solltesten und überprüfen.
te sich die Politik zum Ziel setzen, jegliche Reduzierung
Weitere Informationen finden Sie bei
der Länge oder Breite von ökologischen Korridoren zu
vermeiden; der Errichtung neuer Hindernisse entgegenDEFRA
zuwirken; sämtliche Anträge abzulehnen, die Korridore
(http://www.defra.gov.uk/environment/
oder ihre Funktionsweise und die Bereitstellung von
natural/biodiversity/uk/offsetting/)
Ökosystemdienstleistungen schädigen würden.
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© Albert Vliegenthart, Saxifraga
6. Schaffung
von
Habitaten.
Ein
Schutz des Rotklee-Bläulings fördert
Raumordnungsplan
kann
einervielfältige Aktivitäten (Lanaken, Belgien)
seits Bereiche definieren, wo es
Möglichkeiten zur Bebauung oder anIm Zusammenhang mit dem durch die Provinz Limburg
derweitigen Erschließung gibt, und ankoordinierten Programm „Kommunen adoptieren
dererseits aufzeigen, wo Gewinne für
Limburger Arten“ wählte die Kommunalverwaltung von
eine erhöhte biologische Vielfalt und
Lanaken (Belgien) den Rotklee-Bläuling (Polyommatus seÖkosystemdienstleistungen erzielt wermiargus) zu ihrer „Botschafterart“. Die Gemeindebehörde
den können. Im Zuge dieser Politik
engagierte sich für ein neues Projekt zum Schutz
kann eine Kommune Vorschläge unund zur Stärkung dieses Schmetterlings. Auch die
terstützen, die folgende Ziele erfüllen:
Verantwortlichen der von Wiesen gesäumten Kanalufer,
Erhöhung der Anzahl, Größe und Vielfalt
einem wichtigen Lebensraum des Schmetterlings, wurvon Gebieten, die hinsichtlich ihrer bioden in das Projekt einbezogen. Um seinen Ansprüchen
logischen Vielfalt von Interesse sind;
gerecht zu werden, entschloss sich die Gemeinde zur
Förderung von ökologischen Netzen
Verbesserung der Pflege der Pietersheim-Wiesen.
bzw. Biotopverbundsystemen; Förderung
Außerdem wurden Bildungsmaterialien entwickelt und öfvon Gebieten, die Ökosys­
temleistungen
fentliche Events organisiert, auf denen der Schmetterling
zur Verfügung stellen; Schaffung neuund sein Schutz thematisiert wurden (z. B. Exkursionen,
er Habitate; Erhöhung der Populationen
Fortbildungen und weitere Veranstaltungen). Infolge
bestimmter Arten etc. Allgemeine Ziele
von Renaturierungsmaßnahmen vergrößerte sich die
dieser Politik können auch anhand einPopulation deutlich. Der Schmetterlingsschutz rückte
zelner
Zielstellungen,
beispielsweise
verstärkt in das Bewusstsein der Bevölkerung. Wichtige
der Vergrößerung von Wildtier- und
Erfolgsfaktoren waren die Zusammenarbeit zwiPflanzenhabitaten, gemessen werden.
schen der Gemeinde und NV Schepvaart (Besitzer der
7. Zugang/Zugänglichkeit. Maßnahmen
Kanalufer und Projektpartner) und die Entscheidung,
können entsprechend gestaltet werden, um
Baugenehmigungen auf den Schutz der Art und ihres
den öffentlichen Zugang zu Gebieten bioLebensraums auszurichten.
logischer Vielfalt, die von Interesse sind, zu
sichern und, wo möglich, auch den Zugang
für Behinderte zu gewährleisten (außer wo
sich der Zutritt von Menschen nachteilig auf
die Belange der Flora und Fauna oder die
Landnutzung eines bestimmten Gebiets
auswirken würde). Dieses Vorgehen kann
beispielsweise durch eine Regelung ergänzt
werden, die folgendermaßen lauten könnte: „... die kommunalen Behörden bemühen
sich, durch die Steuerung der Raumplanung
und die Unterstützung der Schaffung
von Habitaten sicherzustellen, dass alle
Rotklee-Bläuling (Polyommatus semiargus)
Anwohner die Möglichkeit des Zugangs
zu einem biodiversitätsreichen Ort im
Umkreis von einem halben Kilometer von ihrem Zuhause haben“. Eine solche Formulierung
ist besonders in städtischen Gebieten von Bedeutung. Sie geht von der Annahme aus,
dass semi-natürliche Habitate zur Erhöhung der Lebensqualität des Menschen beitragen
und dementsprechend ihre Verfügbarkeit festgeschrieben werden sollte, wie es auch bei
Spielplätzen, öffentlichen Freiräumen etc. der Fall ist.
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B. Kommunale Verwaltungspolitik
Die Maßnahmen der Kategorie B betreffen den Verantwortungsbereich von Kommunen im weitesten Sinne. Hier ist zu beachten, dass eine solche Politik einen wichtigen Bestandteil von LBAPs (siehe
unten) darstellen kann, auch wenn sie kein notwendiger Bestandteil eines Raumordnungsplans ist.
Folgende Bereiche können dazu zählen:
1. Landmanagement. Hier sollte hauptsächlich sichergestellt werden, dass die Kommune
im Rahmen des Landmanagements Arbeitspraktiken anwendet oder einfordert, die der
Erhaltung und Verbesserung von biologischer Vielfalt und Ökosystemdienstleistungen
dienen und die Möglichkeiten für Wildtiere und -pflanzen erhöhen, innerhalb des
Gemeindegebiets zu leben. Einige Beispiele dafür wären, intensiv bewirtschaftetes
Grünland durch Extensivierung in andere spezielle Habitattypen umzuwandeln, sämtliche
mit Landmanagement beschäftigen Angestellten in ökologisch sensiblen Techniken zu
schulen und ein grundlegendes Bewusstsein für den Wert ihres Beitrags zum Naturschutz
zu fördern, oder einen festgelegten Anteil der öffentlichen Freiräume der Kommune für
die natürlich vorkommende Flora und Fauna zu bewirtschaften. Damit diese Politik
erfolgreich ist, sollte sie durch ein Programm ergänzt werden, das die Gebiete spezifiziert, wo Managementpläne am dringendsten gebraucht werden und wo Änderungen
im Management dem Naturschutz den größten Nutzen bringen können. Wenn
Dienstleistungen von Subunternehmen erbracht werden, sollten die Verträge mit ihnen
diese Politik widerspiegeln.
2. Informationsdatenbank. Um den Fortschritt beim Erreichen kommunaler Ziele bezüglich
Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen zu dokumentieren und die Ressourcen vor
Ort zu kennen, ist eine Informationsdatenbank von unschätzbarem Wert. Informationen
über Habitate und Arten, die Verfügbarkeit von Ökosystemdienstleistungen etc. sind ein
wichtiger Bestandteil des Schutz- und Managementprozesses natürlicher Ressourcen.
Diese Politik sollte darauf abzielen, eine Informationsdatenbank zu entwickeln oder von anderen Organisationen entwickeln zu lassen und sie dabei zu unterstützen. Diese Datenbank
sollte die biologische Vielfalt und die Ökosystemdienstleistungen der Kommune erfassen,
um daraus Informationen über den Zustand der Ressource ableiten zu können, damit angestrebte und tatsächliche Veränderungen der Landnutzung und des Landmanagements
beobachtet und ausgewertet werden können. Sie sollte auch, so weit wie möglich (manche Gebiete können sehr empfindlich reagieren), der Öffentlichkeit zugänglich gemacht
werden.
3. Monitoring. Das Monitoring einer Biodiversitäts-/Ökosystemdienstleistungspolitik ist
notwendig, um sicherzustellen, dass die gewünschten Wirkungen erzielt werden und/
oder die Kommune die Maßnahmen erfolgreich umsetzt. Dieser Prozess wird durch die
Festlegung spezifischer messbarer Ziele erleichtert. Monitoring und Überprüfung können
eine Schlüsselaufgabe, beispielsweise für Foren von Interessensgruppen, sein. Die Politik
könnte dementsprechend vorschreiben, dass „die Kommune den Erfolg der Politik und der
Zielstellungen für den Naturschutz kontrolliert und die Fortschritte regelmäßig überprüft“.
(Anmerkung: Monitoring und Evidenzbasis sind Thema von Kapital 4)
4. Bildung. Die Bildungsarbeit zum Thema Biodiversität ist ein wünschenswertes kulturelles
Ziel. Sie bereichert das Leben der Menschen und ermöglicht ihnen in ihrer Freizeit erfüllende Momente im Kontakt mit der natürlichen Umwelt. Dadurch werden das Verständnis
und die Sorge für den Naturschutz in der Gesellschaft im Allgemeinen wie auch in der
Politik und Verwaltung sowie bei anderen Landmanagern erhöht, die gemeinsam einen bedeutenden Einfluss auf die Nutzung der natürlichen Ressourcen haben. Ziele dieser Politik
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© Laurent Mignaux, METL-MEDDE
könnten sein, neue Naturgebiete für Schulen zu etablieren; eine Mindestzahl von Schulen
zur jährlichen Teilnahme an einem Naturschutzwettbewerb zu motivieren; Naturschutz
und Ökologie in den Lehrplan aller Unterrichtsstufen aufzunehmen etc.
Planung erfordert Fachkenntnisse sowie personelle und finanzielle Ressourcen
C. Öffentlichkeitsarbeit zur Akzeptanzförderung
Die Politik der Kategorie C bezieht sich darauf, Maßnahmen in einer breiten Öffentlichkeit zu fördern und darüber zu informieren. Eine solche Politik kann einen wichtigen Bestandteil des LBAP
(siehe unten) einer Kommune darstellen, auch wenn sie kein notwendiger Bestandteil eines
Raumordnungsplans ist. Dazu können zählen:
1. Maßnahmen zur Akzeptanzförderung. Eine solche Politik kann das Engagement der
Kommune stärken, die Bedeutung der Biodiversität und des lokalen Bestandes an Flora und
Fauna bekannt zu machen und zu erreichen, dass diese gebührend gewürdigt werden. Das
ist insbesondere deshalb wichtig, weil die Erhaltung der Biodiversität in direkter Verbindung
mit dem Wissen der Menschen darüber und ihrer Sorge darum steht. Kommunen können möglicherweise dazu beitragen, dass die Menschen auf semi-natürliche Gebiete in
ihrer Umgebung stolz sind, was wiederum ein größeres öffentliches Interesse und mehr
Engagement im Biodiversitätsschutz bewirken kann. Maßnahmen im Rahmen einer solchen Politik könnten sein, ein Handbuch über die Naturgeschichte der Gegend zu veröffentlichen oder zur Verfügung zu stellen; Begleitinformationen über die Flora und Fauna und
Naturpfade zu veröffentlichen oder zur Verfügung zu stellen; Poster zur Unterstützung von
Organisationen oder Ereignissen vor Ort, die mit der Erhaltung der natürlichen Vielfalt in
Verbindung stehen, zu veröffentlichen oder zur Verfügung zu stellen etc.
2. Einbeziehung der Bevölkerung. Eine Kommune ist nur eine Organisation von vielen, die den
Schutz der Biodiversität beeinflussen. Während sie einerseits selbst eine enorm wichtige Rolle
71
Planen für mehr Biodiversität
Schulung zur Förderung der biologischen Vielfalt im
Rahmen der kommunalen Planungspraxis
Konzepte und Ansätze für eine Einbeziehung der Biodiversität in die Planungspraxis
spielt, ist sie gleichzeitig auf die koordinierte Zusammenarbeit mit anderen Organisationen aus
der Öffentlichkeit, dem privaten Bereich und der Zivilgesellschaft angewiesen. Im Rahmen dieser
Politik könnte die Kommune Einzelpersonen, Gruppen und Organisationen dazu animieren, sich
an der Schaffung, Verbesserung, Verwaltung und Interpretation von Landschaftselementen,
die für die Erhaltung der Biodiversität von Wert sind, zu beteiligen.
D. Umsetzung politischer Vorgaben
Kategorie D bezieht sich darauf, wie Maßnahmen in der Praxis umgesetzt werden — gewöhnlich
von denjenigen, die über Bauanträge entscheiden.
Während die planmäßig vorgesehenen Kriterien eine gute Richtlinie für die Bewertung spezifischer
Bauanträge bieten sollten, kann es durchaus nützlich sein, von Bauträgern auch die folgenden
Informationen zu verlangen:
E. Monitoring und Evidenzbasis
Die Schaffung einer soliden Evidenzbasis und das Verständnis der jeweiligen kommunalen und regionalen Anforderungen sind wichtige Schritte zu einer besseren Planung zur Förderung biologischer
Vielfalt. Das wird Thema des nächsten Kapitels sein.
Lokale Aktionspläne zur Erhaltung
der Biologischen Vielfalt
Um den Schutz und das Management von Biodiversität sicherzustellen und zunehmend dafür zu sorgen, dass Ökosystemdienstleistungen angesichts des wachsenden und andauernden
Erschließungsdrucks erhalten bleiben, entwickeln immer mehr Kommunen kohärente, strategische und
auf der Einbeziehung Betroffener beruhende Planungsansätze für den Naturschutz. In Großbritannien
sind es die sogenannten Local Biodiversity Action Plans (LBAP – früher als „Naturschutzstrategien“ bezeichnet), die greifbare Ergebnisse dieser Bemühungen darstellen.
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Einleitung des
Prozesses
Bekanntmachung und
Kommunikation
Bestandsaufnahme
und Inventar
Partizipatorischer
Prozess
Planen für mehr Biodiversität
Der LBAP-Prozess
Schulung zur Förderung der biologischen Vielfalt im
Rahmen der kommunalen Planungspraxis
Konzepte und Ansätze für eine Einbeziehung der Biodiversität in die Planungspraxis
Die Entwicklung eines LBPA ist ein gut definierter Prozess, der eine Reihe von Schritten
umfasst (siehe z. B. Jones-Walters et al.
2010). Der Prozess ist jedoch keinesfalls linear und die in der folgenden Darstellung
beschriebenen Schritte zeigen das Gerüst
eines Aktionsplans auf eine dynamischere und realistischere Art. Der LBPA-Prozess
muss wie jedes andere Projekt oder
Programm verwaltet werden. Daher sind
in der Darstellung die Schlüsselschritte von
der Initiierung des Prozesses bis hin zu seinem Monitoring und seiner Überprüfung
Konsultation und
Veröffentlichung
Umsetzung der
Prioritäten des LBAP
Monitoring und
Überprüfung
zentral dargestellt. Die dynamischen Schritte beziehen sich hauptsächlich darauf, die Biodiversität in
der Kommune zu untersuchen und ihren Bestand in
Daten zu erfassen. Dabei ist die Frage zu beantworten: ‚Was haben wir?‘, während Anspruchsträger in
einem partizipatorischen Prozess die Frage beantworten sollten: ‚Was wollen wir?‘
All das sollte in einem Dokument, dem LBAP, erfasst
werden, der folgendes enthält: deskriptive Texte und
Landkarten zur Darstellung der Biodiversitätsressourcen
einschließlich Ökosystemdienstleistungen (wo ermittelbar); eine Reihe von Zielvorgaben (die für eine
Kommune beispielsweise in Form veröffentlichter
Richtlinien ausgedrückt werden können – siehe Teil 3
oben); mit den Zielvorgaben verknüpfte Einzelziele;
und besonders dringlicher Handlungsbedarf. Die
Aktionen können in Form von kurzfristigen Prioritäten
(zum Beispiel als Aktionsplan für ein Jahr) sowie als mittel- und langfristige Bestrebungen formuliert werden.
Der LBAP sollte als konzeptueller Rahmen für die
Entwicklung und Umsetzung verständlicher und
reali­­­stischer Biodiversitätsmaßnahmen in der Raum­
ordnung dienen. Er sollte biologische Vielfalt und
Entwicklung und Umsetzung des
kommunalen Grünflächenplans
(Feyzin, Frankreich)
Feyzin ist eine kleine, attraktive und dynamische Stadt südlich von Lyon (Frankreich), die sich durch das Nebeneinander
von Wohn- und Gewerbegebieten sowie zahlreiche
Grünflächen auszeichnet, darunter städtische Parkanlagen
und Waldbereiche, eine landwirtschaftlich genutzte
Hochebene, Teiche und die Ufer der Rhône. Im Jahr 2004 initiierte die Stadt einen „kommunalen Grünflächenplan“, der
ein Programm zur Verbesserung der Lebensqualität und des
Schutzes der biologischen Vielfalt und ihrer Förderung vorsah. Ziel war die Integration grüner Räume in die städtische
Entwicklung durch ein umfassendes und kohärentes Projekt
unter Berücksichtigung der ökologischen Korridore. Fachleute
erarbeiteten Gutachten und Stadtentwicklungspläne, die
dann durch das stadteigene multidisziplinäre Umweltteam
(Cadre de Vie) in einen „Grünen Plan“ aufgenommen wurden, der die Bereiche Stadtplanung, Landmanagement,
Stadtentwicklung, grüne Räume und Umweltschutz umfasst. Im Ergebnis ist ein Referenzdokument entstanden, das
eine transversale Sicht der Gemeinde zeigt, die Natur in die
Raumplanung der Stadt einbezieht und Stadtentwicklung
und das Netz grüner Korridore miteinander verbindet.
Dieses offizielle Dokument ermöglicht der Stadt Feyzin, die
Bedeutung der Natur im urbanen Raum sowohl gegenüber
ihren Wirtschaftspartnern als auch in der Interaktion mit
Stakeholdern aus dem Privatsektor zu betonen. Daher bildet es eine Grundlage für laufende Debatten. Partner und
Anspruchsträger finden dort die klar umrissene Position der
Gemeinde zu Umweltfragen und Stadtplanung.
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Planen für mehr Biodiversität
Schulung zur Förderung der biologischen Vielfalt im
Rahmen der kommunalen Planungspraxis
Konzepte und Ansätze für eine Einbeziehung der Biodiversität in die Planungspraxis
Ökosystemdienstleistungen ganz und gar mit der Wirtschafts- und Sozialpolitik verbinden. Beispielsweise
kann er der Tourismusförderung und Wirtschaftsentwicklung zuarbeiten, indem klar gezeigt wird, dass
eine Kommune aktiv ihre Umweltgüter erhält und mehr natürliche Werte in ihrem Gebiet schafft.
Die Grundprinzipien des LBAP sind in einem Dokument des ECNC – European Centre for Nature
Conservation beschrieben: Local Biodiversity Action Planning for Southeastern Europe. ECNC, Tilburg,
Niederlande (Jones-Walters et al. 2010); mittlerweile gibt es auch eine Reihe nützlicher Fallstudien, die
ebenfalls die Prozesse und Praktiken im Zusammenhang mit LBAPs demonstrieren.
Grüne Infrastruktur
Bezog sich der Terminus „Grüne Infrastruktur“ in der Vergangenheit auf natürliche, miteinander verbundene Habitate innerhalb von Städten, so übernahm ihn vor kurzem die EU-Kommission, um damit ein
neues Konzept im Rahmen des EU-Biodiversitätsziels 2020 und der Vision für 2050 zu beschreiben, die
darauf abzielen, den Biodiversitätsverlust auf EU-Gebiet durch die Mitgliedsstaaten aufzuhalten und
umzukehren. Das ist gleichzeitig eine Reaktion auf die Aichi-Ziele, die auf der Vertragsstaatenkonferenz
„COP 10“ im Rahmen der Biodiversitätskonvention (Convention on Biological Diversity, CBD) unterzeichnet wurden (EG, 2011).
Hier liegt die Bedeutung der grünen Infrastruktur darin, dass sie das Potenzial für die Entwicklung einer
integrierten Politik zur Bereitstellung von Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen auf dem Land
und innerhalb von Städten und Metropolen bietet. Wahrscheinlich wird eine entsprechende Definition
für Grüne Infrastruktur umgehend entwickelt werden. Derzeit jedoch wird sie als ‚Ansatz‘ beschrieben,
der den Schutz und die Wiederherstellung von Ökosystemen fordert, soweit dies möglich ist, damit
ihre Resilienz gestärkt und die von ihnen gelieferten Schlüsseldienstleistungen unterstützt werden.
Gleichzeitig sollen Erhaltungsziele erreicht und die Mitgliedsstaaten zur Anpassung an den Klimawandel
befähigt werden. Als Arbeitsdefinition hat
das Europäische Habitatforum, eine diesbePromenade Plantée (Paris, Frankreich)
zügliche Arbeitsgruppe der Mitgliedsstaaten
Die Promenade Plantée ist ein Park, der auf einem alten, ungeder Europäischen Kommission, folgennutzten Viadukt angelegt wurde, das früher als Eisenbahnlinie
de Formulierung vorgeschlagen: Grüne
diente. Die Bögen des Viadukts wurden gereinigt sowie
Infrastruktur ist ein strategisch geplantes und
in Geschäfte und Kunstateliers umgewandelt, die Viaduc
bereitgestelltes Netz hochqualitativer grüner
des Artes heißen. Seither sind in diesem Stadtviertel etwa
Räume und anderer Umweltelemente. Sie
7.000 Quadratmeter neue Geschäfts- und mehr als 18.500
sollte als multifunktionale Ressource gestalQuadratmeter Bürofläche entstanden. Allein aufgrund der
tet und verwaltet werden, um auf vielfältige
Präsenz der Promenade Plantée sind die Mieten in der Gegend
Weise der Umwelt und der Steigerung der
um 10 % gestiegen und haben 2002 einen Mietpreis zwischen
Lebensqualität der Gemeinden zu nützen. Zur
10 und 14 Euro pro Quadratmeter erreicht. Dieses Projekt begrünen Infrastruktur zählen Wälder, Flüsse,
weist, dass das Konzept „Rails to trails – Schienen zu Pfaden“
Küstengebiete, Parks, ökologische Korridore
auch für erhöhte Räume anwendbar ist. Außerdem hat sich an
und andere natürliche oder semi-natürlidieser Stelle gezeigt, dass es eine Stadt bereichert, wenn sie
che Elemente, die für die Bereitstellung von
das Beste ihrer Vergangenheit bewahrt und modernisiert.
Ökosystemdienstleistungen
entscheidende
Schlüsselfaktoren sind.
Wie auch immer die endgültige Definition lauten wird – Herzstück der grünen Infrastruktur
wird ganz sicher eine Art kohärentes ökologisches Netz (Biotopverbundsystem) sein. Daher
74
© Laurent Mignaux, METL-MEDDE
Planen für mehr Biodiversität
Schulung zur Förderung der biologischen Vielfalt im
Rahmen der kommunalen Planungspraxis
Konzepte und Ansätze für eine Einbeziehung der Biodiversität in die Planungspraxis
Grünbrücken sind spezielle Brücken, die einer Vielzahl von Tier- und Pflanzenarten die Überquerung von Autobahnen
und anderen Hindernissen ermöglichen
sollte auch die Arbeit berücksichtigt werden, die auf verschiedenen geografischen Ebenen
geleistet wurde, um Bereiche existierender und potenzieller ökologischer Konnektivität zu
definieren. Unterhalb der Ebene der ökologischen Korridore, die innerhalb von Ländern und
zwischen ihnen verlaufen, gehören dazu die grünen und blauen Adern, die das Muster traditionell bewirtschafteter multifunktionaler Landschaften charakterisieren. Damit wird oben genannte Definition mit der Beschreibung ökologischer Netze als Herzstück grüner Infrastruktur
unterstrichen.
Abbildung 2 Multifunktionale Landschaft mit einer Vielzahl von Ökosystemdienstleistungen (Quelle: Arbres et
Paysages, 32, in Bonnin et al., 2007).
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Planen für mehr Biodiversität
Schulung zur Förderung der biologischen Vielfalt im
Rahmen der kommunalen Planungspraxis
Konzepte und Ansätze für eine Einbeziehung der Biodiversität in die Planungspraxis
Potenzielle Komponenten einer grünen Infrastruktur umfassen (EG, 2010a):
• Schutzgebiete wie Natura-2000-Gebiete;
• gesunde Ökosysteme und wertvolle Naturgebiete außerhalb von Schutzgebieten wie
Flussniederungen, Feucht- und Küstengebiete, natürliche Wälder etc.;
• natürliche Landschaftselemente wie kleine Gewässer, Waldstücke, Hecken, die als ökologische Korridore oder Trittsteine für Flora und Fauna dienen können;
• wiederhergestellte Habitatstücke, die speziell für bestimmte Arten geschaffen wurden,
z. B. um die Größe eines Schutzgebiets auszudehnen, Nahrungs-, Fortpflanzungs- oder
Rastgebiete für spezielle Arten zu vermehren und ihre Wanderung/Verbreitung zu fördern;
• künstliche Elemente wie Grünbrücken, die so konzipiert sind, dass sie die Fortbewegung von
Arten über unüberwindbare landschaftliche Hindernisse hinweg ermöglichen;
• multifunktionale Zonen, wo Landnutzungspraktiken, die zur Erhaltung oder Wiederherstellung
intakter, biologisch vielfältiger Ökosysteme beitragen, anderen, inkompatiblen Praktiken vorgezogen werden;
• Gebiete, wo Maßnahmen zur Verbesserung der allgemeinen ökologischen Qualität und
Durchlässigkeit der Landschaft umgesetzt werden;
• städtische Elemente wie grüne Parks, begrünte Mauern und Dächer, die Biodiversität beherbergen und die wie Ökosysteme funktionieren und ihre Dienstleistungen liefern können,
indem sie städtische, stadtnahe und ländliche Gebiete miteinander verbinden;
• Elemente, die der Anpassung an den Klimawandel und dessen Eindämmung dienen, wie
Auwälder und Moore — als Hochwasserschutz, Wasserspeicher und zur CO2-Aufnahme, wodurch Arten den Raum bekommen, auf veränderte klimatische Bedingungen zu reagieren.
Die Europäische Kommission hat eine Reihe von Vorteilen ermittelt, die grüne Infrastruktur bieten kann:
• Sie kann ökologische, ökonomische und gesellschaftliche Vorteile bieten, insbesondere durch
die Anregung zu Partnerschaften und Kooperationen — eine Grundvoraussetzung ist die aktive Einbeziehung der maßgeblichen Interessensgruppen und Ressourcenträger vor Ort.
• Sie fördert die integrierte Raumordnung, indem multifunktionale Bereiche ermittelt und
Maßnahmen zur Wiederherstellung von Habitaten und anderen verbindenden Elementen
in verschiedene Landnutzungspläne und politische Maßnahmen eingeschlossen werden.
• Das gesunde Funktionieren von Ökosystemen, ihr Schutz und die Verfügbarkeit und nachhaltige
Nutzung von Ökosystemgütern und -dienstleistungen wird thematisiert, während deren Resilienz
durch die Abschwächung des Klimawandels und die Anpassung daran erhöht wird. Genauer gesagt:
• Sie ist ein effektives und kostengünstiges Instrument zur Aufnahme und Bindung
von Kohlendioxid (CO2) aus der Atmosphäre.
• Sie trägt zur Verringerung der Risiken durch Naturkatastrophen bei, indem im Küstenschutz
anstelle des Baus von Dämmen ökosystembasierte Ansätze wie die Wiederherstellung
von Marschland und Überschwemmungsgebieten zum Einsatz kommen.
• Die effiziente Nutzung grüner Infrastruktur kann den Energieverbrauch durch
passives Heizen und Kühlen reduzieren, Schmutzpartikel aus Luft und Wasser
filtern, die Erwärmung durch Sonneneinstrahlung vermindern, Lebensraum für
Flora und Fauna bieten, die öffentlichen Ausgaben für Regenwassermanagement
senken und dem Hochwasserschutz dienen, Nahrungsmittelressourcen bieten
und den Boden stabilisieren, um Erosion zu verhindern oder zu minimieren.
• Sie kann die Ästhetik der Landschaft steigern, zum Erhalt archäologischen und kulturellen Erbes beitragen, zugängliche Freiräume schaffen, nachhaltige Beförderung
und Energieversorgung ermöglichen, Gelegenheit zur ökologischen Bildung bieten
und den gemeinschaftlichen Sinn für Natur und Lebensqualität stärken.
76
© Arnaud Bouissou, METL-MEDDE
Planen für mehr Biodiversität
Schulung zur Förderung der biologischen Vielfalt im
Rahmen der kommunalen Planungspraxis
Konzepte und Ansätze für eine Einbeziehung der Biodiversität in die Planungspraxis
Grünanlagen sind ein Teil der städtischen grünen Infrastruktur, welche die Dienstleistungen der passiven Kühlung,
Erholungsraum und Regenwasserabflusspufferung zur Verfügung stellen
• Schlussendlich kann die grüne Infrastruktur zur Entwicklung einer nachhaltigeren Wirtschaft
beitragen, indem in ökosystembasierte Ansätze investiert wird, die zusätzlich zu technischen Lösungen vielfältige Vorteile bieten und nachteilige Auswirkungen der Transport- und
Energie-Infrastruktur eindämmen. Mit anderen Worten: „Letztendlich soll der Rahmen für die
territoriale Entwicklung einer grünen, kohlenstoffarmen Wirtschaft geschaffen werden.“
Grüne Infrastruktur kann uns über das bisher Erreichte bezüglich ökologischer Netze hinaus voranbringen, indem sie einen weiteren Kontext schafft, um wichtige Entscheidungen zur Planung und
Bewirtschaftung der Landschaft außerhalb von Schutzgebieten und anderen besonderen Orten
zu prägen. Die Betrachtung von Sachverhalten wie Ökosystemdienstleistungen, Anpassung an
den Klimawandel und ökologische Resilienz sowie die Verfügbarkeit wirtschaftlicher und sozialer
Vorteile kann dementsprechend in den neuen Ansatz integriert werden.
Arten grüner
Infrastruktur:
J
F
A: Große grüne Adern
B: Stadtgebiete
B
C: Gewerbegebiete
D: Vorstadt-Wohngebiete
A
E: Gemeindezentrum
F: Küstengebiete
C
G: Landschaftsparks
H
H: Obst- und
Schrebergärten
G
I: Nachhaltige
Abwassersysteme
J: Höher gelegene Gebiete
E
D
I
Landschaftsinstitut GB:
Grüne Infrastruktur auf lokaler Ebene
http://www.landscapeinstitute.org/
policy/GreenInfrastructure.php
77
Konzepte und Ansätze für eine Einbeziehung der Biodiversität in die Planungspraxis
Planen für mehr Biodiversität
Schulung zur Förderung der biologischen Vielfalt im
Rahmen der kommunalen Planungspraxis
Habitatwiederherstellung
Aufgrund des bereits erwähnten vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Entwicklungs- und
Wachstumsdrucks in Europa ist unsere Landschaft stark zerschnitten und in ihrer Funktion degradiert. Lebensräume und Arten sind verloren gegangen und dieser Prozess wird sich fortsetzen,
während gleichzeitig die Bevölkerung anwächst oder demografische Prozesse andauern und der
Wettbewerb um die vorhandenen Flächen zunimmt.
© Laurent Mignaux, METL-MEDDE
So ist es nur konsequent, dass viele Länder die Schaffung von Habitaten in ihre nationalen
Aktionspläne zur Förderung biologischer Vielfalt aufgenommen haben. Dieser besonders wichtige Faktor, der hinter den Vorschlägen zur Schaffung von Habitaten steht, sollte Bestandteil
eines jeden LBAP (siehe oben) sein. Gleichzeitig ist die Wiederherstellung und Schaffung von
Habitaten aufgrund der vereinbarten Maßnahmen zum Ausgleich für bestimmte Verluste infolge
wirtschaftlicher oder anderer kommerziell bedingter Entwicklungen von Bedeutung. Eine weitere
treibende Kraft ist in Form der Ökokonten (Flächenpools) zu uns gekommen, einem ursprünglich
aus Nordamerika stammenden Konzept, durch das sichergestellt werden soll, dass Verluste von
Habitaten wie Überschwemmungsgebieten ersetzt oder kompensiert werden. Dementsprechend
sollte z. B. die Erschließung einer Flussniederung oder Flussmündung, durch die natürliche Prozesse
verhindert werden und die Wahrscheinlichkeit von Überflutungen in Wohngebieten steigt, durch
die Schaffung von Habitaten begleitet werden, die sowohl Ökosystemdienstleistungen (in Form von
Hochwasserschutz) als auch biologische Vielfalt zum Verlustausgleich liefern.
Renaturierungsmaßnahmen in und um ein Kiesfeld entlang dem Fluss Seine in Frankreich
Immer mehr Wissen und Erfahrungen werden im Bereich Habitatwiederherstellung gesammelt. Um
eine nachhaltige Entwicklung zu garantieren, in der die Erhaltung der biologischen Vielfalt und von
Ökosystemdienstleistungen eine Schlüsselrolle spielt, sollte die Wiederherstellung von Ökosystemen
ein entscheidender Bestandteil der Politik und ihrer Umsetzung auf kommunaler Ebene sein.
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Konzepte und Ansätze für eine Einbeziehung der Biodiversität in die Planungspraxis
Planen für mehr Biodiversität
Schulung zur Förderung der biologischen Vielfalt im
Rahmen der kommunalen Planungspraxis
Im städtischen Kontext mit
biologischer Vielfalt planen
In vielen Regionen in Nordwesteuropa geht eine rasche Urbanisierung vonstatten. Freiräume verschwinden, die Natur wird durch Transportwege und andere Infrastrukturelemente zerschnitten und die
Ausbreitung der Städte führt zu einer zunehmenden Versiegelung des Bodens. Natürliche Funktionen
sind einem hohen Druck ausgesetzt und werden in zu hohem Maße genutzt. Dennoch richtet sich auch
die Natur auf die neue Situation ein, indem sich immer mehr Pflanzen und Tiere an die urbane Umwelt
anpassen. Füchse leben in Städten, Austernfischer, Heringsmöwen und Flussregenpfeifer brüten auf
Flachdächern, Wanderfalken finden ihre Nistplätze auf Kathedralen und anderen hohen Gebäuden.
Eine solche spontane Besiedelung neuer urbaner Habitate zeugt von der Resilienz und
Anpassungsfähigkeit vieler Arten. Dieser natürliche Prozess kann durch umsichtige Planung und
die Schaffung positiver Nebeneffekte unterstützt werden. Durch die Etablierung natürlicher
Lebensräume in Städten können essenzielle Regulativfunktionen der Natur aufrechterhalten werden, beispielsweise die Regulierung des Wasserhaushalts durch Regenaufnahme, die Regulierung
der Temperatur durch Abschattung, die Regulierung der Luftqualität durch das Filtern von Feinstaub
und anderen Schmutzpartikeln.
Bei der grünen Infrastruktur im urbanen Kontext geht es um die Planung grüner Räume. Sie sollte
so weit wie möglich in den grauen Infrastrukturplanungszyklus einfließen, und zwar von Anfang
an und nicht erst hinterher. Die Integration von grüner und grauer Infrastruktur generiert viele sich
gegenseitig begünstigende Möglichkeiten.
© Bernard Suard, METL-MEDDE
Stadt- und Industriegebiete sind jedoch dynamische Orte, wo die Zerstörung von Altem und die
Konstruktion von Neuem die urbane Landschaft kontinuierlich verändern und neue Potenziale
Die Schaffung von Nist- und Rastplätzen für Tiere kann dazu beitragen, die Bedingungen für eine Vielzahl von
Tierarten in einer städtischen Umgebung zu verbessern
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Planen für mehr Biodiversität
Schulung zur Förderung der biologischen Vielfalt im
Rahmen der kommunalen Planungspraxis
Konzepte und Ansätze für eine Einbeziehung der Biodiversität in die Planungspraxis
schaffen. Brachflächen können vorübergehend von Pionierarten besiedelt werden. Solche Arten
sind äußerst mobil und können daher existieren, solange sich immer wieder Freiräume bieten, in
denen sie leben und sich fortpflanzen können. Brachflächen und Bauabschnitte, die erst später
erschlossen werden sollen, können Pionierarten und -habitaten solcherlei Möglichkeiten bieten.
Da sich an solchen Orten jedoch auch gern Arten ansiedeln, die auf der Roten Liste und damit
unter besonderem Schutz stehen, neigen Bauträger oft dazu, solche für spätere Erschließung und
Bebauung vorgesehenen Brachflächen leblos zu halten, indem sie dort Rasen säen und regelmäßig
abmähen lassen.
Ökologisches Bauen
Der Bau von Wohnungen und Bürogebäuden kann einen entscheidenden Beitrag zum Schutz der
Umwelt und biologischen Vielfalt leisten und gleichzeitig von ökologischen Bauverfahren profitieren. Solche Vorteile können direkter oder indirekter Art sein. Zu den direkten Vorteilen ökologischer
Bauweisen für die biologische Vielfalt in der Stadt zählt die Integration biodiversitätsfreundlicher
Aspekte in das Design, z. B. durch begrünte Fassaden oder Dächer und Nistlöcher für Mauerschwalben.
Während die Bereitstellung von Nistlöchern für Vögel und Schutzplätzen für Fledermäuse und
Insekten hauptsächlich der urbanen Biodiversität nützt (während gleichzeitig das Wohlbefinden
der Stadtbewohner durch die Präsenz von Flora und Fauna in ihrer Umgebung gesteigert wird), haben Anpassungen in größerem Stil wie begrünte Dächer oder Fassaden eine ganze Reihe positiver
Auswirkungen sowohl für die Natur als auch für die Gesellschaft.
Begrünte Dächer sind mittlerweile seit vielen Jahren erprobt worden, und ihre Grenzen und
Einschränkungen sind bekannt. Aufgrund dieser Erfahrungen können begrünte Dächer nunmehr sicher
gebaut werden, ohne dass größere Gefahren durch Lecks oder andere ungewollte Nebeneffekte drohen.
Die Vegetation und das Gras auf begrünten Dächern können bei geschickter Planung eine Reihe
äußerst nützlicher Ökosystemdienstleistungen bieten:
1. Filtration: Die Vegetation auf den begrünten Dächern filtert Feinstaub und andere verschmutzende Elemente aus der Luft und leistet damit einen wichtigen Beitrag zu einer
besseren Lebensumwelt in Stadtgebieten. Ebenso wird Wasser aufgenommen, das
durch die Vegetation und die Erde langsam nach unten sickert, bevor es das städtische
Abwassersystem erreicht.
2. Isolation/Dämmung: Die Gras- und Vegetationsschicht eines begrünten Dachs dämmt
das Gebäude effektiv gegen extreme Hitze und Kälte ab. Wenn auf dem begrünten Dach
auch Bäume oder hohe Büsche wachsen, wird dieser Isolationseffekt durch Abschattung
weiter erhöht. Dadurch wird Energie für Heizung und Kühlung gespart (ein indirekter Nutzen
für die biologische Vielfalt) und damit auch Geld.
3. Regulierung des Wasserhaushalts: Eine insbesondere für Stadtverwaltungen sehr interessante Funktion begrünter Dächer ist ihre Fähigkeit, Regenwasser aufzunehmen, zu
speichern und langsam ins urbane Abwassersystem abzugeben.
Die Punkte 2 und 3 sind wichtige Maßnahmen zur Anpassung an die Auswirkungen des Klimawandels
in Städten, da diese zunehmend unter dem Stadtklima-Effekt leiden. Isolierung/Dämmung ist eine
Anpassungsmaßnahme, die in erster Linie denen nützt, die in den Gebäuden leben oder arbeiten,
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Planen für mehr Biodiversität
Schulung zur Förderung der biologischen Vielfalt im
Rahmen der kommunalen Planungspraxis
Konzepte und Ansätze für eine Einbeziehung der Biodiversität in die Planungspraxis
während die Wasserhaushaltsregulierung insbesondere für Stadtverwaltungen von Bedeutung ist,
die aufgrund der zunehmenden Intensität von Regengüssen infolge des Klimawandels immer öfter
mit Hochwasserproblemen zu kämpfen haben.
Indirekte positive Effekte ökologischen Bauens für die biologische Vielfalt betreffen die
Energieeffizienz und die Abschätzung des Lebenszyklus des gesamten Bauprozesses, da so der
Druck auf die natürlichen Ressourcen gemindert wird. Dies kann allerdings im Rahmen dieser
Schulung nicht weiter vertieft werden.
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