Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen verstehen

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Biodiversität und
Ökosystemdienstleistungen
verstehen
01
Lernziele
Nach Durchsicht dieses Kapitels werden Sie ein besseres
Verständnis der Grundlagen der Biodiversität entwickelt
und das Konzept der Ökosystemdienstleistungen
kennengelernt haben sowie auf dem aktuellen Stand
des Wissens in beiden Bereichen sein. Sie werden die
Unterschiede zwischen Habitaten und Ökosystemen
sowie deren Bedeutung für das Leben verschiedener
Arten verstehen. Sie erkennen, wie wertvoll die
Wechselbeziehungen zwischen Biodiversität und
Ökosystemdienstleistungen sind, und lernen einen
Ansatz zur Berücksichtigung von Ökosystemen in Politik
und Planungspraxis kennen. Dieses fachspezifische
Hintergrundwissen wird Sie dazu befähigen, die Förderung
der Biodiversität bei Planungsaufgaben zu berücksichtigen
und in Ihre alltägliche Arbeit zu integrieren.
Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen verstehen
Planen für mehr Biodiversität
Schulung zur Förderung der biologischen Vielfalt im
Rahmen der kommunalen Planungspraxis
Die Grundbausteine der Biodiversität
Die biologische Vielfalt stellt die Gesamtheit des Lebens auf der Erde dar. Dazu zählen sämtliche Tier- und Pflanzenarten, Pilze und Mikroorganismen sowie ihre Lebensräume. Auch wir sind
Bestandteil dieser Biodiversität und bilden zusammen mit der Natur in all ihrer Vielfalt die Struktur
des Lebens, das uns umgibt.
Biodiversität hat viele verschiedene Aufgaben.
Von besonderem Interesse für den Menschen sind
die Dienstleistungen, die uns die Natur bietet. Wie
ein Haus aus verschiedenen Elementen besteht,
die ein Ganzes bilden (Ziegel, Zement, Fenster),
um uns Schutz zu bieten, setzt sich auch die biologische Vielfalt aus grundlegenden Bausteinen
zusammen, die ihr Funktionieren ermöglicht. Die
Grundbausteine der Biodiversität sind: Arten bzw.
Spezies, Lebensräume bzw. Habitate, Ökosysteme
und Gene.
Arten
Habitate
Ökosysteme
Arten/Spezies
Weltweit wurden bisher um die 1,75 Millionen
Spezies verzeichnet, und es wird vermutet, dass
Gene
es sich dabei lediglich um 13 % der Gesamtzahl
der Arten handelt, die derzeit auf der Erde leben.
Abgesehen von den Mikroorganismen bilden dabei die Insekten die wichtigste und vielfältigste Gruppe. Andere vielfältige Gruppen sind beispielsweise Pilze, Pflanzen, Flechten und Moose. Es ist daher wichtig, sich nicht nur auf die charismatischeren Arten zu konzentrieren. Jede Spezies übernimmt eine bestimmte Funktion und ist ein
entscheidender Bestandteil der ‚Struktur des Lebens‘, von der wir abhängig sind.
Lebensräume/Habitate
Verschiedene Pflanzen- und Tierarten treffen in unterschiedlichen Kombinationen aufeinander
und bilden ökologische Gemeinschaften und Habitate. Sie entstehen im Verlauf von vielen tausend Jahren als Reaktion auf lokale Umweltbedingungen wie Bodenbeschaffenheit, Feuchtigkeit
und Klima. Auch der Mensch hat Habitate geformt und geschaffen, die einen hohen Wert für die
biologische Vielfalt aufweisen. Nicht nur einzelne Arten sind dabei von Bedeutung, sondern auch
typische und atypische Artenkombinationen innerhalb von Habitaten sind essenzielle Elemente der
Biodiversität.
Wichtige Habitate können überall vorkommen: in einem naturbelassenen Bestand eines Waldes
eines streng geschützten Nationalparks, auf einer artenreichen Wiese oder an den Abstellgleisen
einer Bahnlinie am Rande eines Stadtzentrums.
Habitate werden klassifiziert, um ihren Wert und ihre Bedeutung zu ermitteln, ihre Hauptunterschiede
zu erfassen und zu einem effektiveren Management vor Ort beizutragen. Diese Klassifizierung stützt
sich auf Daten über die verschiedenen Spezies, aus denen sich ein Habitat zusammensetzt, und/
oder seine strukturellen bzw. chemischen Eigenschaften. In Europa folgt die Habitatklassifizierung
meist der EUNIS-Klassifizierung der Europäischen Union.
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Semi-natürliche Habitate bedürfen zur Erhaltung ihrer biologischen Vielfalt normalerweise der Bewirtschaftung durch kundige
Fachkräfte, ein falsches Management kann sich schädlich auswirken. Kalk-Halbtrockenrasen beispielsweise müssen zu bestimmten
Zeiten im Jahr abgeweidet werden, können aber durch ganzjähriges Abweiden oder den Einsatz von Dünger geschädigt werden.
Planen für mehr Biodiversität
Einige der wichtigsten Bereiche für die Biodiversität sind jene,
die nicht vom Menschen verändert oder verwaltet werden, z. B.
die Wildnis. Solche Gebiete werden gewöhnlich geschützt, indem der Einfluss auf sie so gering wie möglich gehalten wird.
In vielen Gebieten jedoch, einschließlich in einem Großteil von
Westeuropa, gibt es nur noch wenig oder gar keine Wildnis mehr.
Stattdessen ist im Zuge der Zunahme und Ausdehnung menschlicher Aktivitäten ein Netz semi-natürlicher Habitate entstanden. Dazu gehören beispielsweise Hutewälder, Niedermoore und
Heidelandschaften.
Schulung zur Förderung der biologischen Vielfalt im
Rahmen der kommunalen Planungspraxis
Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen verstehen
Die EUNIS-Klassifizierung
Das European Nature Information System
(EUNIS) umfasst zahlreiche Informationen über Spezies, Habitattypen und
Standorte. Es trägt zur Einhaltung der
Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie sowie
der Vogelschutzrichtlinie der EU bei und
enthält spezielle Angaben aus internationalen Roten Listen. Durch die Berücksichtigung von EUNIS in Planungsdokumenten
können kommunale und globale Ziele
miteinander verbunden werden.
http://eunis.eea.europa.eu/
Vom praktischen Standpunkt aus betrachtet sind die Identifizierung und die Bewirtschaftung
von Habitaten einfacher zu bewerkstelligen, wenn man sich auf einzelne Arten konzentriert. Die
Festlegung von Werten und Prioritäten ermöglicht jedoch ein effektiveres Management, weil wichtige
Pflanzenhabitate (z. B. ‚Wald mit Pinus albicaulis – Weißstämmige Kiefer‘) sowie die aufrechtzuerhaltenden Schlüsselprozesse (z. B. ‚natürliche Regeneration von Waldbäumen‘) leichter erkennbar sind.
Selbst Arten, die einander äußerlich ähneln, beispielsweise verschiedene Fledermausarten, haben
sich unabhängig voneinander spezialisiert und haben daher sehr unterschiedliche Anforderungen
an ihre Habitate bezüglich Nahrungsaufnahme, Fortpflanzung, Rastplätze etc. Zur Entwicklung
umfassender Schutzstrategien ist das Wissen über diese spezifischen Habitatanforderungen im gesamten Lebenszyklus einer Art unerlässlich.
Ökosysteme
Ein Ökosystem kann ein oder mehrere verschiedene Habitate umfassen. Es bildet die Gesamtsumme
der Interaktionen aller Spezies (d.h. Pflanzen, Tiere
und Mikroorganismen) und ihrer physikalischen
Umgebung an einem bestimmten Ort. Ökosysteme
können sich auf alle Ebenen beziehen: auf einen einzelnen verrottenden Baumstumpf in einem Wald,
auf ein ganzes Flusseinzugsgebiet oder im Falle wandernder Spezies sogar auf mehrere Kontinente. Die
Interaktionen und physikalischen Prozesse dienen
der Aufrechterhaltung von Arten und Lebensräumen
als auch der für den Menschen lebenswichtigen
‚Güter und Dienstleistungen‘. Wenn beispielsweise die Nahrungszyklen um einen See herum durch
den Einsatz von zuviel Kunstdünger gestört werden, kann dies zu einer massiven Ausbreitung von
Cyanobakterien führen, die nicht nur die biologische
Große Hufeisennase
Habitat: Hecken
Hutzen: Futtersuche entlang des Heckenrandes
Management: Heckenschnitt minimal halten, nur im
Winter durchführen
Zwergfledermaus
Habitat: Flüsse und Seen
Nutzen: nistet an Gewässerufern und ernährt sich von
Larven aus dem Wasser
Management: Fluktuationen des Wasserstands minimieren
Kleinabendsegler
Habitat: Strände
Nutzen: ernährt sich von Insekten aus Treibholz
Management: Belassen von Material natürlichen
Ursprungs am Strand
Weitere Informationen über Fledermaushabitate und ihr Management
finden Sie bei Entwhistle, A et al. (2001): Habitat Management for
Bats: A Guide for land managers, land owners and their advisors unter:
http://jncc.defra.gov.uk/pdf/habitat_management_for_bats.pdf
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Planen für mehr Biodiversität
Schulung zur Förderung der biologischen Vielfalt im
Rahmen der kommunalen Planungspraxis
Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen verstehen
Schutz der genetischen
Vielfalt alter Schafrassen
in Nordwesteuropa
Alte Schafrassen sind an verschiedenen
geografischen Orten zu finden, wo sie sich an
ihre jeweilige Umwelt angepasst haben. Durch
den Rückgang kleinerer landwirtschaftlicher
Betriebe sind ihre genetische Vielfalt und ihr
Überleben gefährdet. Das wird auf lange Sicht
Auswirkungen auf die Nahrungsmittelsicherheit
und die Fortführung kleinangelegter Landwirtschaftssysteme mit geringem Input haben.
www.heritagesheep.eu
Vielfalt des Sees reduzieren, sondern auch für das Vieh schädlich sind und Fische vergiften, die anderweitig dem Menschen
als Nahrung dienen können. Das bedeutet einen Verlust von
Gütern und Dienstleistungen, die andernfalls beispielsweise zur
Ernährung oder als sauberes Wasser zur Verfügung stünden.
Gene
Sämtliche Lebensformen auf der Erde, seien es Mikroorganismen,
Pflanzen, Tiere oder Menschen, enthalten Gene. Sie bestimmen letztendlich die Fähigkeit von Spezies, Habitaten und
Ökosystemen, sich an Umweltveränderungen anzupassen. Gene
sind die Grundbausteine des Lebens. Selbst wenn die Angehörigen
einer Spezies gleich aussehen mögen, können sich lokale Rassen
auf unterschiedliche Weise an das Überleben in einer bestimmten
Umwelt angepasst haben. Genetische Vielfalt ist die Summe der
genetischen Informationen, die in den Genen einzelner Pflanzen,
Tiere und Mikroorganismen enthalten sind. Jede Spezies speichert eine enorme Menge genetischer Informationen in Form
von Merkmalen und Eigenschaften. Die Anzahl der Gene reicht
von etwa 1.000 in Bakterien bis hin zu mehr als 400.000 in vielen
Samenpflanzen. Jede Art besteht aus zahlreichen Individuen, von
denen nahezu keine genetisch identisch sind.
Pictures © Saxifraga
Dieses Phänomen ist oft bei einheimischen Anbausorten zu
beobachten, die bessere Erträge erzielen und resistenter gegen Krankheiten sind als die gleiche Sorte, die anderswo gezüchtet wurde.
Unterarten und Formen der Drohnen-Ragwurz (Ophrys holoserica) zeigen die genetische Variabilität innerhalb einer Art
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Planen für mehr Biodiversität
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Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen verstehen
Durch Isolation über einen langen Zeitraum hinweg können endemische Arten entstehen, die es
nirgendwo anders gibt. Diese sind von besonderer Bedeutung, da ihr Verschwinden von einem Ort
ihrem Aussterben gleichkommt, weil sie nirgendwo anders auf der Welt zu finden sind. Zum Zweck
der Erhaltung von Arten ist es besonders wichtig, Habitate miteinander zu verbinden. Spezies, die
in einem Gebiet aufgrund von Habitatverlusten zurückgehen, können sich mit der Zeit in anderen
Gebieten ansiedeln, wodurch sich die Population erholen kann. Auf diese Weise können sowohl
die Artenvielfalt als auch einzelne Arten über größere Gebiete hinweg geschützt werden. Dadurch
bleibt der Genpool gesund und ist weniger anfällig für Invasionen, Krankheiten und schädliche
Eigenschaften.
Eine für Schutzmaßnahmen wichtige Schlussfolgerung ist, dass eine gefährdete Art, selbst wenn sie
vor dem Aussterben bewahrt wird, dennoch einen Teil ihrer internen Vielfalt eingebüßt haben kann.
Wenn sich solche Populationen wieder ausbreiten, werden sie genetisch einheitlicher sein als ihre
Vorfahren und die anschließende Inzucht in kleinen Populationen kann zu reduzierter Fruchtbarkeit
und höherer Krankheitsanfälligkeit führen.
Die genetische Differenzierung innerhalb von Spezies ist das Ergebnis der sexuellen Reproduktion,
bei der genetische Unterschiede zwischen Individuen im Ergebnis kombiniert werden. Dadurch entstehen neue Genkombinationen bzw. Genveränderungen in der DNA aufgrund von Mutationen.
Genetische Vielfalt wird normalerweise im Zusammenhang mit der Landwirtschaft und dem
Erhalt der Nahrungsmittelsicherheit genannt. Das hängt damit zusammen, dass die Welternährung aufgrund der genetischen Beeinträchtigung mehrerer Nutzpflanzen bereits jetzt
von nur einigen wenigen Arten abhängig ist. Derzeit sind es
lediglich etwas mehr als 100 Nutzpflanzenarten, die 90 % der
„... Der Rückgang von biologischer
Nahrungsmittelversorgung ausmachen, und insgesamt drei
Vielfalt führt oft zu einer Reduzierung
Feldfrüchte (Reis, Mais und Weizen), die 69 % der Kalorien und
56 % der Proteine liefern, die vom Menschen aus Pflanzen geder Produktivität von Ökosystemen.
wonnen werden.
Dadurch wird der Naturreichtum an
Warum ist Biodiversität wichtig?
Europas natürliche Umwelt ist für uns alle von großer Bedeutung.
Die Schönheit unserer Landschaften und unserer Flora und
Fauna inspiriert uns und bereichert unser Leben. Sie bilden einen wichtigen Bestandteil unserer nationalen und regionalen
Identität. Allerdings ist unsere Umwelt mehr, als wir auf den
ersten Blick sehen, denn Biodiversität formt die ‚Struktur des
Lebens‘, das uns umgibt, von der kleinsten Bakterie im Boden bis
hin zum größten Tier im Wald. Auch wenn wir es ohne Weiteres
nicht schätzen, versorgt uns die biologische Vielfalt mit vielen
Dingen, die uns am Leben erhalten. Kurz gesagt: Der Schutz
unserer Arten und ihrer Lebensräume verbessert auch unsere
Lebensqualität und unseren Lebensstandard.
Jedes Lebewesen hat seinen Platz im ‚Gleichgewicht der Natur‘
und eine Störung dieses Gleichgewichts kann unvorstellbare
Gütern und Dienstleistungen verringert,
von dem wir uns fortwährend bedienen.
Ökosysteme werden so destabilisiert und
ihre Fähigkeit, mit Umweltkatastrophen wie
Überschwemmungen, Dürren und Hurrikans
sowie durch Menschen verursachten
Belastungen wie Umweltverschmutzung
und Klimawandel umzugehen, wird
geschwächt. Bereits jetzt geben wir
riesige Summen infolge von Flut- und
Sturmschäden aus, die durch Entwaldung
verschärft wurden; und diese Schäden
werden im Zuge der globalen Erwärmung
voraussichtlich weiter zunehmen ...“
aus: Biodiversitätskonvention,
www.cbd.int
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Planen für mehr Biodiversität
Schulung zur Förderung der biologischen Vielfalt im
Rahmen der kommunalen Planungspraxis
Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen verstehen
Folgen haben. Im Verlauf der Geschichte sind gut dokumentierte Fälle zu finden, wo Gemeinschaften
und ganze Zivilisationen zusammengebrochen sind, weil sie ökologische Grenzen überschritten hatten. In den vergangenen 50 Jahren sind Ökosysteme durch den Menschen schneller und umfassender als je zuvor in der Geschichte der Menschheit verändert worden, um den steigenden Bedarf an
Nahrung, Frischwasser, Holz, Brennstoff und Materialien zur Kleidungsherstellung zu decken. Das
hat zu einem massiven und größtenteils nicht umkehrbaren Verlust der Vielfalt des Lebens auf der
Erde geführt. Die Intensivierung der Landwirtschaft beispielsweise wird als eine der Ursachen für
den enormen Rückgang von Bestäubern in Nordwesteuropa angesehen. Da fast zwei Drittel aller
Nutzpflanzen auf Bestäubung angewiesen sind, kann diese Entwicklung, wenn sie nicht gestoppt
wird, die Nahrungsmittelsicherheit in Zukunft ernsthaft gefährden.
Exkurs: Bestäuber und Bestäubung – Sind die Bestäuber bedroht?
Laut einem Bericht des Europäischen Pflanzenschutzverbandes (European Crop Protection
Association: http://www.ecpa.eu/article/environmental-protection/pollinators-and-agriculturereport) sind ca. 70 % der Nutzpflanzen weltweit von Insektenbestäubung abhängig. Das trägt
mit geschätzten 153 Milliarden Euro zur globalen Wirtschaft bei und entspricht etwa 9 % der
landwirtschaftlichen Produktion. In Europa übernehmen vor allem verschiedenste Bienenarten,
Schmetterlinge, Käfer und andere Insekten die Bestäubung und leisten damit einen unerlässlichen
kollektiven Beitrag zu unserer Ernährung. Der Bericht erklärt die Vielfalt und die Funktionen der
Bestäuberinsekten, beschreibt die Bedeutung der Bestäubung für die Landwirtschaft, beleuchtet den Rückgang der Bestäuberpopulationen und sucht nach Möglichkeiten, diese Entwicklung
umzukehren, beispielsweise durch Agrarmaßnahmen, um Bestäuberspezies zu fördern. Viele
Maßnahmen sind relativ leicht umzusetzen, beispielsweise die Aussaat von mehr Blütenpflanzen.
Die Hauptursachen für den Rückgang der Bestäuber sind dem Bericht zufolge auf den
Menschen zurückzuführen:
Natürlich
• Parasitismus
• Wettbewerb
Durch den Menschen
• System und Durchführung
des Feldfruchtanbaues
• Feldbegrenzungen
• Pestizide
• Rückgang blumenreicher
Biotope
• Klimawandel
• Marktwandel
• Politische Vorgaben und
Richtlinien
• Globalisierung
Überschwemmungen, Hungersnöte, Missernten und selbst Haiattacken an belebten Stränden können allesamt das Ergebnis des Schadens sein, den menschliches Handeln an Ökosystemen verursacht hat. Deshalb werden Ökosystemen und ihren Dienstleistungen in zunehmendem Maße Werte
zugeschrieben.
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Wir müssen uns die Tatsache bewusst machen, dass biologische
Vielfalt nicht einfach eine Anzahl von Arten umfasst, die in einem bestimmten Gebiet vorkommen. Biodiversität stellt uns die
‚grüne Infrastruktur‘ zur Verfügung, die unsere wirtschaftliche
Entwicklung und das menschliche Wohlbefinden unterstützt. Das
geschieht überall, nicht nur in Nationalparks und Schutzgebieten.
Ökosysteme und
Ökosystemdienstleistungen
Mehr zur europäischen und internationalen
Bedeutung biologischer Vielfalt
Im Jahr 2012 wurde ein internationales
Gremium zur wissenschaftlichen
Politikberatung zum Thema biologische
Vielfalt und Ökosystemdienstleistungen
etabliert. Das IPBES baut auf dem
„Millenium Ecosystem Assessment“,
der bislang umfassendsten Studie zum
Zustand und den Entwicklungstrends der
Ökosysteme der Erde, und den darauf
folgenden Prozessen auf. www.ipbes.net
Das Europäische Informationssystem
für Biodiversität (BISE) ist die offizielle
Informationsquelle der Europäischen
Kommission zur Biodiversität.
http://biodiversity.europa.eu
© Thierry Degen, METL-MEDDE
Ein Ökosystem kann als eine Einheit betrachtet werden, in der
zahlreiche lebende Organismen miteinander und mit ihrer chemischen und physikalischen Umwelt
interagieren. Die sich daraus ergebenden natürlichen Prozesse etablieren eine Reihe komplexer ökologischer Gleichgewichte. Ökosysteme können auf vielen Ebenen funktionieren, angefangen von
langlebigen globalen Systemen wie Ozeanen bis hin zu sehr kleinen, lokal begrenzten oder vorübergehenden Systemen wie Trinkwasserspeichern, die nur für einen kurzen Zeitraum angelegt werden
(Parliamentary Office of Science and Technology 2007).
Geflutete Gärten am Fluss Clain in Poitiers (Frankreich)
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Planen für mehr Biodiversität
Wir Menschen neigen dazu, uns in gewisser Weise als unabhängig
von unserer natürlichen Umwelt zu betrachten. In Wirklichkeit jedoch ist unser Schicksal untrennbar mit der biologischen Vielfalt
verbunden. Sie versorgt uns mit Nahrungsmitteln und Brennstoff,
mit Fasern für unsere Kleidung und Baumaterialien für unsere
Häuser, und sie sorgt für die Bestäubung unserer Nutzpflanzen durch
Bestäuberinsekten. Bei nachhaltiger Nutzung stellt die Biodiversität
eine erneuerbare Ressource dar, die hoffentlich noch lange erhalten
bleibt, nachdem unsere endlichen Ressourcen aufgebraucht sind.
Schulung zur Förderung der biologischen Vielfalt im
Rahmen der kommunalen Planungspraxis
Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen verstehen
Planen für mehr Biodiversität
Schulung zur Förderung der biologischen Vielfalt im
Rahmen der kommunalen Planungspraxis
Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen verstehen
Kernpunkte
Folgende Kernpunkte sind im Zusammenhang mit
biologischer Vielfalt zu berücksichtigen:
• Zur biologischen Vielfalt gehören alle Formen
des Lebens: genetische Vielfalt — einer
Population oder eines einzelnen Lebewesens
innerhalb einer Art; Artenvielfalt — zwischen
Arten in einem Ökosystem; Ökosystemvielfalt —
die Vielzahl der Ökosysteme auf der Erde.
• Die Menschen gehören zum ‚Netzwerk des Lebens‘.
• Die derzeitige Rate aussterbender Arten ist die
höchste, die jemals verzeichnet wurde.
• Der Verlust von Schlüsselarten kann zu einem
ökologischen Zusammenbruch führen.
• Wachstum ohne Nachhaltigkeit hat schon ganze
Zivilisationen zerstört.
• Biologische Vielfalt bietet uns wichtige ‚Güter
und Dienstleistungen‘.
• Biodiversität tritt auf verschiedenen räumlichen
Ebenen auf.
• Es ist wichtig, die Bedeutung der
Biodiversitätsgüter vor Ort zu verstehen.
• Durch Ihre Planung können Sie dazu beitragen, Arten,
Lebensräume, Ökosysteme und Gene zu erhalten!
Die UN-Studie „Millennium
Ecosystem Assessment“
Vielfältiger (gesell­
schaftlicher, wirtschaftlicher
und ökologischer) Nutzen
der begrünten Dächer
in Düsseldorf
Die nützlichen Auswirkungen begrünter
Dächer auf die Anpassung an den Klimawandel, die Wasserwirtschaft und die öffentliche
Gesundheit in städtischen Bereichen werden
zunehmend erkannt: Grüne Dächer bieten
eine kostengünstige Isolierung vor sommerlicher Hitze (und winterlicher Kälte), sie
nehmen Niederschlag auf und absorbieren
zusätzliches Wasser wie ein Schwamm, um
es dann langsam ins städtische Abwassersystem abzugeben. Zudem reinigen sie die Luft
von kleinen Partikeln. Neben diesem ‚messbaren‘ sozioökonomischen Nutzen erhöhen
sie auch die Lebensqualität, indem sie den
Stadtbewohnern ein attraktives grünes Bild
und einer Vielzahl von Pflanzen und Tieren
kleine geeignete Lebensräume bieten. Die
Stadt Düsseldorf hat diese vielfältigen Vorteile begrünter Dächer erkannt und fördert
mithilfe einer Kampagne aktiv die Begrünung
von Dächern durch Anwohner und Firmen.
Sie stellt, da die begrünten Dächer einen Nutzen für die gesamte Öffentlichkeit haben, zur
Unterstützung der damit verbundenen Investitionen nicht nur Fördermittel bereit, sondern
hat die Begrünung von Dächern auch in ihre
Bauordnungsbestimmungen für neue Konstruktionen integriert und untersucht derzeit
die Möglichkeit, für die Besitzer von Häusern
mit begrünten Dächern eine Befreiung von
der Abwassersteuer einzuführen.
Die Studie ‚Millennium Ecosystem
Assessment‘ (MA) wurde im Jahr 2000
vom damaligen UN-Generalsekretär
Kofi Annan mit seinem Bericht „Wir,
die Menschen: Die Rolle der Vereinten
Nationen im 21. Jahrhundert“ vor der
UN-Vollversammlung ins Leben gerufen.
Im Untersuchungszeitraum von 2001 bis 2005 wurden darin die Auswirkungen der Veränderungen
von Ökosystemen auf das menschliche Wohlbefinden untersucht. Die Ergebnisse zeigten deutlich die
Bedeutung von Ökosystemen und ihren Dienstleistungen für das menschliche Wohl. Weiterhin wurde
nachgewiesen, dass auf globaler Ebene viele dieser Dienstleistungen degradiert oder bereits ganz
verloren sind.
Dieses Ergebnis wird von der neusten wissenschaftlichen Bewertung des Zustandes und der Entwicklung der
Ökosysteme der Erde und ihrer Dienstleistungen (z. B. sauberes Wasser, Nahrungsmittel, Regulierung von
Überflutungen und im Freizeitbereich) untermauert. Die MA untersuchte außerdem die Möglichkeiten, die
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Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen verstehen
Sowohl die Interaktionen von
Organismen untereinander als auch
mit ihrer physikalischen Umgebung
resultieren in ökologischen Prozessen,
die auf verschiedenen Ebenen wirken
und für die Gesellschaft wertvolle
Ökosystemdienstleistungen liefern.
In der Studie „Millennium Eco­
sys­
tem
Assessment“ wurden diese Ökosys­tem­
dienst­
leistungen in vier große Kate­
gorien eingeteilt, wobei die „unterstützenden“ Dienstleistungen die ande­
ren
Dienstleistungs­kategorien untermauern.
Planen für mehr Biodiversität
Eine Schlüsselerkenntnis der MA ist,
dass es einen deutlichen Wandel in der
Politik geben muss, um die Degradation
von Ökosystemen umkehren zu können, damit sie uns die Dienstleistungen
liefern können, die wir derzeit brauchen und auf die auch zukünftige
Generationen angewiesen sind.
Hauptergebnisse der UN-Studie „Millennium Ecosystem
Assessment“:
• In den vergangenen 50 Jahren sind Ökosysteme durch
den Menschen schneller und umfassender verändert
worden als je zuvor in einem vergleichbaren Zeitraum der
Geschichte der Menschheit.
• Diese Veränderungen haben zu hohen Gewinnen
hinsichtlich des menschlichen Wohlbefindens und
der Wirtschaftsentwicklung beigetragen, gleichzeitig
aber hohe Kosten in Form der Degradation zahlreicher
Ökosystemdienstleistungen und der Verschlimmerung der
Armut für einige Bevölkerungsgruppen gefordert.
• Werden diese Probleme nicht bekämpft, können zukünftige
Generationen deutlich weniger Nutzen aus Ökosystemen
ziehen.
• Die Degradation von Ökosystemdienstleistungen könnte
sich in den kommenden 50 Jahren deutlich verschlimmern.
• Die Umkehrung der Degradation von Ökosystemen bei
gleichzeitiger Deckung der steigenden Nachfrage nach ihren
Dienstleistungen kann teilweise durch einige Szenarien erreicht
werden, die in der Studie erfasst sind. Die Voraussetzung
dafür ist allerdings ein deutliches, derzeit allerdings noch
nicht erkennbares Umdenken sowohl im politischen und
institutionellen Bereich als auch in der Praxis.
Schulung zur Förderung der biologischen Vielfalt im
Rahmen der kommunalen Planungspraxis
nachhaltige Nutzung von Ökosystemen
wiederherzustellen, zu bewahren oder zu
verbessern.
Unterstützend
Schaffung & Erneuerung der
Bodenfruchtbarkeit
Sauerstoffproduktion
Entgiftung & Zersetzung von
Abfall
Bestäubung
Bereitstellend
Nahrung
Fasern
Brennstoff
Wasser
Schutz & Baumaterial
Temperaturextreme
Schädlings- und
Krankheitsbekämpfung
Regulierend
Stabilisierung des Klimas
Luft- und Wasserreinigung
Abschwächung Fluten,
Wind & Trockenheit
Kulturell
Bildung
Erholung
Ästhetik
Wohlbefinden
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Planen für mehr Biodiversität
Schulung zur Förderung der biologischen Vielfalt im
Rahmen der kommunalen Planungspraxis
Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen verstehen
Die folgende Grafik zeigt, wie stark die Kategorien der Ökosystemdienstleistungen mit den
Komponenten des menschlichen Wohlbefindens verbunden sind. Es wird deutlich, in welchem
Maße sozioökonomische Faktoren diese Verbindung herbeiführen können, z. B. erhöht die
Möglichkeit, einen Ersatz für eine degradierte Ökosystemdienstleistung zu kaufen, das Potenzial für
eine Vermittlung. Wie stark die Verbindungen tatsächlich sind, ist für verschiedene Ökosysteme und
Bereiche unterschiedlich. Neben dem hier dargestellten Einfluss von Ökosystemdienstleistungen
auf das Wohlbefinden des Menschen beeinflussen auch andere Faktoren — darunter auch andere
Umweltfaktoren sowie wirtschaftliche, gesellschaftliche, technische und kulturelle Faktoren — das
menschliche Wohlbefinden, und Ökosysteme wiederum sind von Veränderungen des menschlichen
Wohlbefindens betroffen.
Millenium Ecosystem Assessment (http://www.maweb.org)
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Planen für mehr Biodiversität
Schulung zur Förderung der biologischen Vielfalt im
Rahmen der kommunalen Planungspraxis
Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen verstehen
Hochwasserschutz als Möglichkeit zur Stärkung des landesweiten
ökologischen Netzwerks (Niederlande)
Infolge des Klimawandels und der damit verbundenen häufigeren und heftigeren Regenfälle
sowie längerer Trockenperioden ergaben sich aufgrund der steigenden Überflutungsgefahr
im holländischen Flussgebiet ‚Rivierengebied‘ besondere Herausforderungen für das
Wassermanagement. So müssen in Zeiten großer Niederschlagsmengen Möglichkeiten zur
umfangreicheren Wasserspeicherung gefunden werden. Der Wasserverband beschloss, eine
gründliche Studie bezüglich der Wasserspeicherungsoptionen durchzuführen und mithilfe eines partizipativen Prozesses unter Einbeziehung der Betroffenen die beste Option auszuwählen. Die multifunktionale Lösung dieser Herausforderung führte schließlich zur Stärkung des
ökologischen Netzwerks der Region entlang der sich verbindenden Wasserwege. Maßnahmen
zur Wasserspeicherung sollten die Wasserqualität so effektiv wie möglich verbessern. Solche
positiven Nebeneffekte (und die damit verbundenen Einsparungen bezüglich Raum und
Ausgaben) waren für die Entscheidungsträger sehr interessant: Es ergaben sich genügend
verfügbarer Wasserspeicherplatz und ein Beitrag zur biologischen Vielfalt. Der Prozess zeigt,
dass im Rahmen einer umweltgerechten Planungspraxis gute Ergebnisse für räumliche
Herausforderungen erzielt werden können, wenn wissenschaftlich begründete Lösungen mit
Anspruchsgruppen diskutiert werden.
Die Verbindung zwischen Biodiversität und
Ökosystemdienstleistungen
Veränderungen der Biodiversität beeinflussen die Fähigkeit von Ökosystemen, Dienstleistungen zur
Verfügung zu stellen und sich von Störungen zu erholen. Wenn eine Art an einem bestimmten Ort
verloren geht (selbst wenn sie anderswo erhalten bleibt) oder an einem anderen Ort angesiedelt
wird, verändern sich die verschiedenen Ökosystemdienstleistungen, die mit dieser Art zusammenhängen. Allgemeiner ausgedrückt: Wenn ein Habitat umgewandelt wird, ändern sich eine Reihe von
Ökosystemdienstleistungen, die mit den an diesem Ort vertretenen Arten in Verbindung stehen,
was oft direkte und unmittelbare Auswirkungen auf menschliche Aktivitäten hat.
Veränderungen der biologischen Vielfalt haben über einen längeren Zeitraum hinweg auch zahlreiche indirekte Auswirkungen auf Ökosystemdienstleistungen: Sie können beispielsweise die Fähigkeit
von Ökosystemen beeinflussen, sich an Umweltveränderungen anzupassen, was unverhältnismäßig großen und manchmal unwiderruflichen Schaden für Ökosystemprozesse hervorrufen kann,
oder das Verbreitungspotenzial ansteckender Krankheiten beeinflussen. In Agrarsystemen können
sie das Risiko von Missernten in einer variablen Umwelt erhöhen und die möglichen Auswirkungen
von Schädlingen und Krankheitserregern modifizieren.
Der Ökosystemansatz
Eine der wichtigsten Erkenntnisse der Studie der UN ist, dass
schen Entscheidungsträgern und in der Praxis geben muss, wie
gen wird. Ökosysteme stellen ein gemeinsames Motiv für die
zur Erhaltung der biologischen Vielfalt dar. Sie liefern nicht
es ein Umdenken bei politimit Ökosystemen umgeganAufstellung eines Konzeptes
nur den Kontext für einen
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Planen für mehr Biodiversität
Schulung zur Förderung der biologischen Vielfalt im
Rahmen der kommunalen Planungspraxis
Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen verstehen
Parc du Chemin-de-l’Île (Frankreich)
Laurent Mignaux, METL-MEDDE
Der Parc du Chemin-de-l‘Île befindet sich auf einer Industriebrache. Er ist Teil einer großen urbanen
Rekultivierungsmaßnahme, die La Défense (einen Pariser
Geschäftsbezirk) und Nanterre (einen Pariser Vorort)
miteinander verbindet. Am Eingang des Parks wurde ein
Feuchtgebiet geschaffen. Das Wasser der Seine wird mittels einer Archimedesschraube stromaufwärts befördert.
Es wird gereinigt, indem es sieben verschiedene Becken
durchfließt, die einen Wasserfall bilden. Die Pflanzen zur
Verschönerung der Becken wurden den Veränderungen
der Wasserqualität gemäß gewählt. In den Becken wird
das Seinewasser gefiltert, das dann zur Nutzung im
Park und den Gärten zur Verfügung steht. Damit wird
ein wichtiger Beitrag zum Gewässerschutz geleistet.
Während das Wasser, das direkt aus der Seine kommt,
mit organischen Stoffen, Stickstoff, Phosphor und
Krankheitserregern belastet ist und eine Wasserqualität
der Kategorie 3 hat, erreicht es am Ende des Zyklus
Badewasserqualität. Es kommen Fische vor, die eine
Klassifizierung der Wasserqualität nach 1B erlauben. Im
Park finden sich viele malerische Plätze, an denen man
verweilen, die Umgebung genießen sowie mehrere zeitgenössische Skulpturen bewundern kann. Zur Förderung
der Nutzung durch die Öffentlichkeit sind viele zusätzliche Anlagen in Planung, darunter eine Hundewiese, ein
Informationszentrum, eine Gaststätte, weitere Gärten
und Spielplätze.
effektiveren Biodiversitätsschutz, sondern bieten auch eine Möglichkeit der Integration
der menschlichen Gesellschaft durch das
Modell der Güter und Leistungen. Um dies zu
fördern hat die Biodiversitätskonvention einen Ökosystemansatz entwickelt, der in direktem Zusammenhang mit der Arbeit kommunaler Behörden und Planer steht. Dieser
Ökosystemansatz ist eine Strategie für das integrierte Management von Land, Wasser und
lebenden Ressourcen im Sinne ihrer Erhaltung
und einer nachhaltigen, gerechten Nutzung. Er
besteht aus zwölf komplementären und miteinander verbundenen Prinzipien (CBD, 2012):
Prinzip 1: Die Ziele des Managements
von Land, Wasser und lebenden
Ressourcen obliegen einer gesellschaftlichen Entscheidung.
Prinzip 2: Das Management sollte so weit
wie möglich dezentralisiert gestaltet werden.
Prinzip 3: Die Manager von Ökosystemen
soll­
ten die Auswirkungen (reale
und potenzielle) ihrer Aktivitäten
auf angrenzende und andere
Ökosysteme einbeziehen.
Prinzip 4: Da durch das Management ein
Ertrag erwirtschaftet werden kann,
müssen Ökosysteme im Allge­
meinen in einem ökonomischen
Zusammenhang begriffen und dementsprechend verwaltet werden.
Prinzip 5: Der Schutz der Strukturen und
Funktionen von Ökosystemen zur
Erhaltung von Ökosystemleistungen
sollte eines der Hauptziele des
Ökosystemansatzes sein.
Prinzip 6: Ökosysteme müssen innerhalb der
Grenzen ihrer Funktionsweisen
bewirtschaftet werden.
Die natürliche Marschvegetation filtert Verschmutzungen aus dem
Wasser der Seine
28
Der Ökosystemansatz sollte angemessene räumliche und zeitliche Bemes­
sungen berücksichtigen.
Prinzip 8: In Anbetracht variierender Zeiträume und der Verzögerungen von Auswirkungen,
die für Ökosystemprozesse charakteristisch sind, sollten die Zielsetzungen für
das Ökosystemmanagement langfristig ausgerichtet sein.
Prinzip 9: Das Management muss anerkennen, dass Veränderungen unvermeidbar sind.
Planen für mehr Biodiversität
Prinzip 7: Schulung zur Förderung der biologischen Vielfalt im
Rahmen der kommunalen Planungspraxis
Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen verstehen
Prinzip 10: Der Ökosystemansatz sollte ein angemessenes Gleichgewicht zwischen dem
Schutz und der Nutzung der biologischen Vielfalt anstreben sowie beide
Aspekte integrieren.
Prinzip 11: Der Ökosystemansatz sollte einschlägige Informationen jeglicher Art einschließlich wissenschaftliche, traditionelle und einheimische Kenntnisse sowie
Innovationen und Praktiken berücksichtigen.
Prinzip 12: Der Ökosystemansatz sollte alle einschlägigen Bereiche der Gesellschaft und
der wissenschaftlichen Disziplinen einbeziehen.
Diese zwölf Prinzipien werden durch ,Leitlinien’ ergänzt, wodurch die Ratschläge präzisiert werden
sollen. Darin finden sich zahlreiche Stichpunkte, die als „Checkliste“ innerhalb einer ökosystembasierten Planungspraxis dienen können:
1. Konzentration auf die funktionalen Beziehungen und Prozesse innerhalb des Ökosystems;
z. B. findet sich in größeren Gebieten eine höhere Anzahl an Arten, was wiederum ein breiteres Angebot an wirtschaftlichem Nutzen bringt.
2. Sicherstellung, dass jene, die Funktionen verbessern, direkt daraus Nutzen ziehen können, z. B. durch Zahlungen an Personen, die auf ihrem Land zum Hochwasserschutz
beitragen.
3. Beseitigung von ,schlechten Anreizen’, die zum Biodiversitätsverlust und zur Degradation
von Ökosystemdienstleistungen führen, z. B. der Subventionierung der Trockenlegung von
Feuchtgebieten.
4. Durchführung adaptiver Managementmaßnahmen, um den Erhalt von Biodiversität und
lebenswichtigen Ökosystemdienstleistungen sicherzustellen, d.h. das Management ändern, wenn die gewünschten Biodiversitäts- und Ökosystemdienstleistungsziele nicht erreicht werden.
5. Durchführung von Managementmaßnahmen in einer dem jeweiligen Sachverhalt angemessenem Größenordnung, z. B. auf einen einzelnen Bauernhof, einen ganzen Berg, eine
Gemeinde oder ein ganzes Land zugeschnitten.
6. Gewährleistung fachbereichsübergreifender Zusammenarbeit, beispielsweise durch
Integration des Ökosystemansatzes in Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei und andere die biologische Vielfalt beeinflussende Produktionssysteme.
Diese Prinzipien und Richtlinien werden durch eine Reihe von Kompetenzen ergänzt, die ohnehin
zum Handwerkszeug eines jeden Raumplaners zählen sollten.
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Planen für mehr Biodiversität
Schulung zur Förderung der biologischen Vielfalt im
Rahmen der kommunalen Planungspraxis
Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen verstehen
Aufbau von Kompetenzen
Information & Forschung
Monitoring & Prüfung
Steuerung
Einbindung der Interessensgruppen
Aktuelles GIS*
Rahmenbedingungen flexibilisieren
Politische Rahmenbedingungen
Partnerschaften
Lücken erkennen
Vorgehensweise
Ansprechbarkeit
Politische Unterstützung
Transparenz
Ergebnisse
* GIS – Geoinformationssystem
Den letzten Baustein im Ökosystemansatz stellt die Führung bzw. Steuerung dar. Es ist unerlässlich,
dass Handlungsbevollmächtigte öffentlicher Stellen oder von Nicht-Regierungsorganisationen, die
für das Prozessmanagement verantwortlich sind, die Aktivitäten der Menschen derart lenken, dass
diese auf das jeweilige anvisierte Ziel fokussiert bleiben und dieses auch erreichen. Dazu gehört
auch die Schaffung einer Umwelt, in der die Menschen zur Selbstmotivation angeregt und dazu ermächtigt werden, Entscheidungen zu Angelegenheiten,
die sie betreffen, selbst zu fällen.
Bewertung der Vorteile grüner
Infrastruktur und ihre Förderung
Im Nordwesten Englands kristallisierte sich das
Thema der grünen Infrastruktur bei der Arbeit mit
den beiden Gemeindewäldern – Red Rose Forest
und The Mersey Forest – heraus. Dabei wurden
Erfahrungen mit grüner Infrastruktur (GI) aus
Südostengland berücksichtigt, um den Anforderungen der Regionen Liverpool und Manchester City
gerecht zu werden. Die Forstverwaltung der Gemeinde hatte die Aufgabe, mit Hilfe ihrer Forstpläne
einerseits eine Veränderung in der Politik vor Ort
zu erwirken und andererseits Möglichkeiten für die
langfristige Nutzung der Wälder zu schaffen. Eine
wichtige Frage war die nach der bestmöglichen
Koordination der Aktivitäten, um Umweltthemen
bereichsübergreifend angehen zu können. Auch
eine neue Herangehensweise bei der Diskussion
mit dem Nicht-Umweltsektor wurde als Priorität
angesehen. GI ermöglichte die Entwicklung eines
Ansatzes, der einerseits von Nicht-Umweltschützern
besser verstanden wurde und andererseits mögliche
Lösungen für einige der schwierigsten und teuersten gesellschaftlichen Fragen auf lange Sicht liefern
konnte, z. B. zur Anpassung an den vorausgesagten
Klimawandel, zur Bewältigung eines schlechten
Gesundheitszustandes und zur Verbesserung der Lebensqualität. Die GI-Agenda entwickelte eine Reihe
von „Ressourcen“, welche die Arbeit unterstützten,
das Konzept der GI in der Region zu fördern und
bekannt zu machen.
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Weitere Informationen zum Ökosystemansatz erhalten
Sie unter http://www.cbd.int/ecosystem/sourcebook/
beginner-guide/. Dort finden Sie eine Benutzeranleitung
für Anfänger und Fortgeschrittene (auf Englisch).
Grüne Infrastruktur
„Grüne Infrastruktur“ (GI) ist ein Mittel zur zukünftigen Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen Umwelt. Durch den Einsatz einer multifunktionalen Landnutzungplanung soll eine
effiziente Landnutzung erreicht werden. Das Konzept
der GI soll funktionierende Ökosysteme und natürliche Systeme beim Management grundlegender
Ökosystemdienstleistungen wie Wasser, sauberer
Luft, Boden und dem Erhalt der biologischen Vielfalt
unterstützen. Die Entwicklung und Umsetzung grüner
Infrastruktur ermöglicht die Schaffung neuer seminatürlicher Habitate, was insbesondere im urbanen
Bereich von Bedeutung sein kann, wo Habitate oft
zerschnitten, degradiert und vernachlässigt sind.
In ländlichen Gebieten kann GI besonders zur strategischen Verbesserung und Vervielfältigung des
Nutzens von Habitaten beitragen. Außerdem kann
sie das Handwerkszeug für einen integrierten Ansatz
in der Landnutzungsplanung unter Einbeziehung
gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Faktoren
bereitstellen.
Solche ökologischen Verbindungsmöglichkeiten
sind zur Unterstützung widerstandsfähiger
Populationen in Zukunft unerlässlich. Sie
spielen hinsichtlich der Auswirkungen der
Zerschneidung von Lebensräumen einerseits
und der neuen Herausforderungen für unsere
Flora und Fauna angesichts des Klimawandels
andererseits eine besonders entscheidende
Rolle.
Viele unserer europäischen Städte und Dörfer
Bäume und Hecken sind Teil der grünen Infrastruktur einer
sind mit beliebig angeordneten Bäumen,
intensiv bewirtschafteten Agrarlandschaft und bieten zusätzliche
Parks, Gärten, Parzellen, Friedhöfen, Wäldern,
Biotopverbundkorridore zwischen verbliebenen natürlichen Habitaten
grünen Korridoren, Abstellgleisen, Flüssen und
Wasserstraßen ausgestattet. Diese wertvollen
Grünflächen werden sowohl innerhalb städtischer Gebiete als auch zwischen ihnen und darüber
hinaus oft vernachlässigt und sind schlecht miteinander verbunden. Das Problem besteht größtenteils darin, dass GI oft mehr als Verpflichtung und Last angesehen wird, anstatt darin ein Mittel für
die Bereitstellung lebenswichtiger Ökosystemdienstleistungen zu erkennen. Um den integrierten
Ansatz der grünen Infrastruktur umsetzen zu können, müssen wichtige Interessensgruppen sowie
die Entscheidungsträger durch einen partizipatorischen Prozess einbezogen werden.
Wie Ökosysteme funktionieren
Das Verständnis der ökologischen Prozesse, die den Ökosystemdienstleistungen zugrunde liegen,
ist die Voraussetzung für eine bessere Planung ihres Managements und ihrer Nutzung. Es ist zunehmend wissenschaftlich belegt, dass der Verlust von biologischer Vielfalt die Funktionsfähigkeit von
Ökosystemen in gleicher Weise beeinträchtigt wie der Klimawandel, die Verschmutzung und andere
bedeutende Arten der Umweltbelastungen.
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Planen für mehr Biodiversität
Schulung zur Förderung der biologischen Vielfalt im
Rahmen der kommunalen Planungspraxis
Bei strategischer Planung kann GI zur
Reduzierung
der
Zerschneidung
von
Lebensräumen beitragen, indem existierende
Habitatfragmente durch die Schaffung neuer
Habitatelemente oder die Verbesserung existierender Wildkorridore (beispielsweise von
Flusskorridoren) miteinander verbunden werden. Dies ist von besonders großer Bedeutung,
wenn damit Fragmente in einem größeren
Maßstab mit einem breiteren ökologischen Netz
wieder vernetzt werden können. Solche neuen
oder verbesserten ökologischen Korridore ermöglichen es der Flora und Fauna, sich in der
Landschaft fortzubewegen und sämtliche verfügbaren Habitatflächen oder Trittsteine zu
nutzen, was auch den genetischen Austausch
zwischen Populationen verbessert.
© Laurent Mignaux/METL-MEDDE
Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen verstehen
Planen für mehr Biodiversität
Schulung zur Förderung der biologischen Vielfalt im
Rahmen der kommunalen Planungspraxis
Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen verstehen
Aufwertung einer biologisch
vielfältigen Kulturlandschaft:
Castellberg-Projekt
(Deutschland)
Die steilen, nach Süden und Südosten
ausgerichteten Weinberge des Castellberges mit Mauern und Treppen aus Steinen,
die durch schwere körperliche Arbeit von
Weinbauern und Handwerkern errichtet
wurden, sind ein wertvolles kulturelles
Erbe. Durch Verwitterung waren etwa
ein Drittel der Trockensteinmauern und
alle Treppen beschädigt und an vielen
Stellen instabil. Die Bewirtschaftung der
steilen Weinberghänge war teilweise
akut gefährdet. Die Restaurierung dieses
Weinbergs mit seinen Trockensteinmauern und Steintreppen wurde auf Initiative
des Arbeitskreises „Natur und Umwelt“
und der Gemeinde Ballrechten-Dottingen
gemeinsam mit den Weinbauern, dem
Land Baden-Württemberg (Regierungsbezirke Freiburg und Stuttgart), dem
Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald und
dem Institut für Landespflege der AlbertLudwigs-Universität Freiburg umgesetzt.
Die Strukturen (Wege, Trockensteinmauern und Treppen) des Weinbergs wurden restauriert und erhalten, damit der
Weinanbau fortgesetzt werden konnte.
Die Bedeutung des Weinbergs als Lebensraum für mehrere gefährdete Tier- und
Pflanzenarten (darunter viele FFH-Arten)
konnte erhalten werden. Zusätzlich wurde
durch Maßnahmen der Kommunikation
und öffentlicher Partizipation die Einstellung der Bevölkerung den Konzepten des
Umweltschutzes und dem Erhalt historischer Denkmäler gegenüber verbessert
(v.a. für Kinder von spezieller Bedeutung).
Was die Entscheidungsträger vor Ort am
meisten beeinflusste, war die Erfahrung,
dass große Projekte realisierbar sind, sobald sich alle Beteiligten auf ein größeres
Ganzes konzentrieren und nicht allein auf
ihre eigenen Interessen fokussieren.
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Die Verbindung zwischen Biodiversität und Resilienz konnte
für eine begrenzte Anzahl von Ökosystemen aufgezeigt werden, für andere aber ist sie schwer nachweisbar, insbesondere
für große, miteinander wechselseitig verbundene Ökosysteme
und ihre Dienstleistungen. In Westeuropa sind sämtliche
Ökosysteme direkt oder indirekt vom Menschen geformt, und
alle Menschen, reich wie arm, auf dem Land wie in der Stadt,
sind von der Fähigkeit der Ökosysteme abhängig, essenzielle
Ökosystemdienstleistungen zu generieren. In diesem Sinne sind
Menschen und Ökosysteme voneinander abhängige sozioökologische Systeme.
Das Ökosystemkonzept beschreibt die Wechselbeziehungen
zwischen lebenden Organismen (einschließlich des Menschen)
und der nicht-lebenden Umwelt. Mit seiner Hilfe kann die
Bereitstellung von Dienstleistungen durch die Umwelt, die
einerseits dem Menschen nützen, andererseits jedoch auch
einen Preis von ihm fordern, ganzheitlich verstanden werden.
Veränderungen biologischer Vielfalt beeinflussen das
Funktionieren von Ökosystemen auf mindestens drei Wegen:
1. Erhöhung der Vielfalt führt oft zu einer erhöhten Produktivität
aufgrund komplementärer Eigenschaften von Arten bei der
Ressourcennutzung und die Produktivität selbst unterstützt
zahlreiche Ökosystemdienstleistungen;
2.Erhöhung der Vielfalt führt zu einer erhöhten
Reaktionsvielfalt (der Fülle von Eigenschaften, die mit der
Reaktion von Arten der gleichen funktionalen Gruppe auf
Umweltfaktoren in Verbindung stehen), was beim Auftreten
von Umweltveränderungen mit der Zeit zu geringeren
Schwankungen der Funktionsfähigkeit des Ökosystems
führt;
3.spezifische Effekte aufgrund der Eigenschaften von
Schlüsselarten und einzigartigen Eigenschaftskombinationen,
deren Folge der Verlust einer Art sein kann, im Vergleich zum
zufälligen Verlust einer Spezies.
Ökosysteme liefern vielfältige Dienstleistungen, die auf komplexe Weise interagieren, wobei zwischen bestimmten Leistungen
negative und positive Wechselbeziehungen bestehen. Die
Generierung vieler Dienstleistungen variiert demzufolge in gegenseitiger Abhängigkeit, aber wenn ein Ökosystem hauptsächlich im Interesse einer einzelnen Dienstleistung bewirtschaftet wird (z. B. zur Nahrungsmittelproduktion), sind andere
Dienstleistungen fast immer negativ betroffen.
Ökosysteme sind komplexe dynamische Systeme, die über bestimmte Zeiträume hinweg ihre Zustände ändern. Als Reaktion
© Laurent Mignaux/METL-MEDDE
Planen für mehr Biodiversität
Schulung zur Förderung der biologischen Vielfalt im
Rahmen der kommunalen Planungspraxis
Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen verstehen
Bocage in der Normandie (Frankreich) als Beispiel für eine multifunktionale Landschaft
Die Fähigkeit eines Ökosystems, ein bestimmtes Ausmaß einer Art von Störung absorbieren zu können, heißt Ökosystem-Resilienz. Die
Resilienz eines Ökosystems kann durch graduelle Veränderungen reduziert werden, wodurch
seine Fähigkeit, Störungen zu absorbieren,
verringert und die Wahrscheinlichkeit abrupter Veränderungen erhöht wird. Zwar kann die
Resilienz von Ökosystemen mithilfe einfacher
theoretischer mathematischer Modelle errechnet werden. Diese Modelle können aber nicht
als praktisches Prognosewerkzeug auf alle
Laurent Mignaux, METL-MEDDE
auf verschiedene Arten von Störungen wie
Artenverlust, Feuer, veränderte Nährstoffe,
Trockenheit oder Ernten können Ökosysteme
in einen Alternativzustand übergehen, sich beispielsweise von einem Wald in eine Wiese umwandeln. Diese Umwandlung kann abrupt oder,
wie im Falle der Wüstenbildung, als Reaktion auf
steigenden Druck über einen langen Zeitraum
hinweg nach und nach erfolgen. Der Punkt,
an dem sich die Umwandlung vollzieht, wird
auch als Schwellenwert des Ökosystems bezeichnet. Ist dieser Punkt erreicht, kann die
Bereitstellung von Ökosystemdienstleistungen
wie der Nahrungsmittelproduktion durch die
Veränderungen der ökologischen Prozesse betroffen sein (Parliamentary Office of Science
and Technology 2007).
Ein semi-natürlicher Fluss in der Bretagne (Frankreich)
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Planen für mehr Biodiversität
Schulung zur Förderung der biologischen Vielfalt im
Rahmen der kommunalen Planungspraxis
Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen verstehen
Ökosysteme angewendet werden, um ihre tatsächlichen Grenzen oder die drohende Überschreitung
des Schwellenwertes anzuzeigen. Derzeit ist es nicht möglich, Ökosysteme quantitativ als stabil,
gesund oder resilient zu klassifizieren. Außerdem ist die wissenschaftliche Definition der Termini
umstritten.
Ökosysteme sind in unterschiedlichem Maße in der Lage, sich vor natürlichen und menschengemachten Veränderungen zu schützen bzw. sich an sie anzupassen und nach Veränderungen wieder
zu erholen (Resilienz). Wenn sie einer großen Veränderung ausgesetzt sind, können Ökosysteme
den Schwellenwert überschreiten und in einen anderen, oftmals weniger wünschenswerten ökologischen Zustand oder Verlauf übergehen. Es ist eine große Herausforderung, das Management
von Ökosystemen so zu gestalten, dass die Resilienz erhalten bleibt und unerwünschte Übergänge
vermieden werden. Im Einzelnen betrachtet gilt als nachgewiesen, dass die Biodiversität für die
Bereitstellung einiger — wenn auch nicht aller — Dienstleistungen eine zentrale Rolle spielt.
Ökosysteme müssen in einer Weise bewirtschaftet werden, dass sie vielfältige Dienstleistungen bieten, um das menschliche Wohlbefinden aufrechtzuerhalten. Landschaften und Gewässer müssen
davor bewahrt werden, gefährliche Grenzwerte zu überschreiten. Es kann mit hoher Sicherheit festgestellt werden, dass die Erhaltung funktionierender Ökosysteme, die vielfältige Dienstleistungen
zur Verfügung stellen können, generell einer Politik bedarf, die langfristig Biodiversität aufrechterhält, auch wenn nur an einer einzigen Dienstleistung Interesse besteht.
Lerninhalte im Überblick:
•
Biodiversität umfasst alle Formen und Varianten des Lebens auf der Erde.
•
Sie besteht aus den Grundbausteinen: Gene, Arten/Spezies, Lebensräume/Habitate und Ökosysteme.
•
Sie schließt sämtliche Interaktionen zwischen diesen Bausteinen und mit der nicht-lebenden Umwelt ein.
•
Biodiversität tritt auf verschiedenen Organisationsstufen auf.
•
Biodiversität erhöht die Stabilität und Resilienz von Ökosystemen und macht sie damit widerstandsfähiger gegen
äußere Einflüsse.
•
Sie stellt eine breite Palette von Ökosystemdienstleistungen und Gütern zur Verfügung.
•
Diese Dienstleistungen sind für das lebenserhaltende System, von dem die Menschheit mit ihren Grundbedürfnissen
beispielsweise nach sauberer Luft, sauberem Wasser, Nahrungsmitteln, Fasern und (Klima-)Regulierung abhängt,
unerlässlich.
•
Diese Dienstleistungen und Güter sind von enormem ökonomischem Wert (materiell wie immateriell).
•
Das Wissen über die Bedeutung ortsspezifischer Biodiversitätsgüter ist unabdinglich.
•
Sämtliche Planungen müssen die Erhaltung von Genen, Arten, Habitaten und Ökosystemen vorsehen.
•
Der Ökosystemansatz und die grüne Infrastruktur bieten einen Rahmen für die Umsetzung eines umweltorientierten
Ansatzes, der Biodiversität, Ökosystemdienstleistungen sowie soziale und wirtschaftliche Aspekte in sich vereint.
•
Die Partizipation von betroffenen Akteuren ist oft ein entscheidender Faktor für den Erfolg bei der Umsetzung eines
umfassenden integrierten Ökosystemansatzes.
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Planen für mehr Biodiversität
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Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen verstehen
Quellenangaben und Literaturhinweise
Jones-Walters, Lawrence, Roger Catchpole, Aleksandra Mladenovic, Aysegul Cil, Mark Snethlage, Kristijan
Civic, Andrew Schrauwen, Srdjan Susic, and Sasa Solujic. 2010. Local Biodiversity Action Planning
for Southeastern Europe. Tilburg: ECNC-European Centre for Nature Conservation. http://www.
ecnc.org/publications/technicalreports/local-biodiversity-action-planning.
Parliamentary Office of Science and Technology. 2007. Ecosystem Services. Postnote. London:
Parliamentary Office of Science and Technology. http://www.parliament.uk/documents/post/postpn281.pdf.
Secretariat of the Convention on Biological Diversity. About Biodiversity. http://www.cbd.int/2010/
biodiversity/#tab=0.
TEEB. 2010. The Economics of Ecosystems and Biodiversity for Local and Regional Policy Makers. http://
www.teebweb.org/ForLocalandRegionalPolicy/LocalandRegionalPolicyMakersChapterDrafts/tabid/29433/Default.aspx.
UNEP. 2005. Millennium Ecosystem Assessment. http://www.millenniumassessment.org/en/index.html.
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