Planen für mehr Biodiversität Schulung zur Förderung der biologischen Vielfalt im Rahmen der kommunalen Planungspraxis Konzepte und Ansätze für eine Einbeziehung der Biodiversität in die Planungspraxis 0 03 BD SKILLS – Skills for Local Biodiversity Lernziele In diesem handlungsorientierten Kapitel wird beschrieben, wie der Ökosystemansatz effektiv in die Planungspraxis und Umsetzung von Maßnahmen einfließen kann. Weiterhin werden die Voraussetzungen betrachtet, die notwendig sind, damit öffentliche Stellen die Potenziale der biologischen Vielfalt erfolgreich nutzen können. Außerdem werden einige Herausforderungen, denen Raumplaner in ihrer Arbeit begegnen können, untersucht. So werden Sie befähigt, durch ein besseres Verständnis der involvierten Prozesse neue Herangehensweisen an die biologische Vielfalt und die Bewahrung von Ökosystemen in die Praxis umzusetzen und selbstbewusst mit anderen über diese Themen zu verhandeln. Konzepte und Ansätze für eine Einbeziehung der Biodiversität in die Planungspraxis Planen für mehr Biodiversität Schulung zur Förderung der biologischen Vielfalt im Rahmen der kommunalen Planungspraxis Einleitung In diesem Teil wird dargestellt, wie Raumordnung als Mechanismus dient und dienen kann, um ein Gleichgewicht zwischen biologischer Vielfalt und Ökosystemdienstleistungen sowie anderen Landnutzungszielen herzustellen. Im Zuge dessen werden Möglichkeiten zur Integration von Biodiversität in Raumordnungspläne untersucht. Auch die Rolle von Aktionsplänen für die biologische Vielfalt wird diskutiert. Die Rolle der Raumordnung „Das internationale Vorhaben, den Biodiversitätsverlust deutlich zu reduzieren, ist nicht erfüllt worden. Trotz der Tatsache, dass der Naturschutz und die nachhaltige Nutzung biologischer Ressourcen nun schon seit mehr als einem Jahrhundert auf der politischen Tagesordnung stehen und vor allem in den vergangenen 20 bis 30 Jahren immer wichtiger geworden sind, geht die biologische Vielfalt in all ihren drei Hauptbestandteilen — Genen, Arten und Ökosystemen — zurück, während gleichzeitig die Faktoren, die diesen Biodiversitätsverlust verursachen, zunehmen.“ (2011, Nilsson, Stockholmer Umweltinstitut) Tatsache ist, dass angesichts des Biodiversitätsverlustes akuter Handlungsbedarf besteht. In Kapitel 1 und 2 wurden neue Wege angesprochen, biologische Vielfalt als Wert einzuordnen und zu begreifen. Moderne Ansätze definieren biologische Vielfalt als Dienstleistung, die einen größeren Kontext ökonomischer und gesellschaftlicher Ziele unterstützt. Traditionelle Umweltschutzansätze werden von ausgewogeneren Bewirtschaftungsansätzen abgelöst, die darauf abzielen, den besten Wert aus der natürlichen Umwelt zu gewinnen. Wie diese Neugestaltung auf regionaler und kommunaler Ebene umgesetzt wird, entscheidet die Raumordnung. Eine Definition von Raumordnung „Raumordnung gibt der Wirtschafts-, Sozial-, Kultur- und Umweltpolitik der Gesellschaft ein geografisches Gesicht. Es handelt sich gleichzeitig um eine wissenschaftliche Disziplin, ein Verwaltungsinstrument und eine politische Verfahrensweise, die als interdisziplinärer und umfassender Ansatz entwickelt wird und auf eine ausgewogene regionale Entwicklung und die physische Raumorganisation anhand einer Gesamtstrategie abzielt.“ Quelle: Europäische Charta für Raumordnung, 1983 in Torremolinos von der Europäischen Raumordnungsministerkonferenz angenommen 60 Raumordnung als Disziplin und Raumplaner als Experten sind in der Lage, konkurrierende Zielstellungen an Orten und in Räumen zu interpretieren, einzuordnen und Schnittstellen sowie Synergien zwischen verschiedenen Landnutzungsformen zu finden. Der Schutz sowie das Management biologischer Vielfalt und ökologischer Dienstleistungen sind integrale Bestandteile der Raumordnung: Spezifische Flächen, die in der Vergangenheit, in der Gegenwart und in der Zukunft wertvoll für die Flora und Fauna waren bzw. sind und/oder der Gesellschaft Güter und Dienstleistungen liefern (wie Fluss- oder Wassereinzugsgebiete), müssen ermittelt und definiert werden. Selbst extrem mobile Tierarten benötigen Fortpflanzungs-, Futter- und Schlafplätze, die räumlich definiert werden können. Während sich die Gesetzgebung zum Artenschutz oft allein auf das Tier bezieht, hängt seine Zukunft letztlich von dem Umfang ab, in dem seine Lebensräume geschützt und verwaltet werden. Innerhalb von Habitaten verhalten sich Arten bestimmten Raumvorgaben wie Futterquellen, Lebensraumkorridoren oder Klimabedingungen vor Ort entsprechend. Planen für mehr Biodiversität Schulung zur Förderung der biologischen Vielfalt im Rahmen der kommunalen Planungspraxis Konzepte und Ansätze für eine Einbeziehung der Biodiversität in die Planungspraxis Folglich besteht in jedem Fall die Möglichkeit, eine enge Beziehung zwischen biologischer Vielfalt (im Sinne von Lebensräumen, Arten, Ökosystemen und ihren Dienstleistungen und Genen) und der Raumordnung zu etablieren. Unabhängig von ihrer Definition kann Raumordnung dazu beitragen, Umweltschäden zu vermeiden, abzuschwächen oder zu kompensieren und Wege zur Verbesserung und Wiederherstellung der biologischen Vielfalt zu suchen. In vielen Plänen ist biologische Vielfalt ein Schlüsselthema, jedoch bleibt die Frage, inwiefern Planung tatsächlich zum Schutz der biologischen Vielfalt beiträgt und ob Richtlinien tatsächlich so effektiv wie möglich umgesetzt werden. Raumordnung und biologische Vielfalt Drei Schlüsselelemente der Raumordnung tragen zur Umsetzung des Biodiversitätsschutzes bei: 61 Planen für mehr Biodiversität Schulung zur Förderung der biologischen Vielfalt im Rahmen der kommunalen Planungspraxis Konzepte und Ansätze für eine Einbeziehung der Biodiversität in die Planungspraxis Neben diesen drei Bereichen ist eine weitere Dimension der Interaktionen zwischen biologischer Vielfalt und Raumordnung von Bedeutung, nämlich die sich verändernden Bedingungen der Raumordnung einerseits und des Biodiversitätsschutzes andererseits. In vielen europäischen Ländern haben sich aufgrund dieser wachsenden Dynamik bestimmte Rahmenbedingungen für den Schutz der biologischen Vielfalt und die Raumordnung im letzten Jahrzehnt radikal verändert. In etlichen Regionen der Welt hat der Biodiversitätsschutz eine wahre Revolution erlebt, da sich in den vergangenen Jahrzehnten das traditionelle Konzept von Schutzgebieten weiterentwickelt hat, um neuen Anforderungen gerecht zu werden. Diese Entwicklungen sind im folgenden Schema zusammengefasst. Tabelle 1: Das sich verändernde Modell von Schutzgebieten (aus Phillips, 2003) FRÜHER zeichneten sich Schutzgebiete dadurch aus, dass: HEUTE zeichnen sich Schutzgebiete zunehmend dadurch aus, dass: Ziele – sie allein dem Naturschutz vorbehalten waren – sie hauptsächlich für spektakuläre Tiere und optischen Landschaftsschutz bestimmt waren – sie hauptsächlich für Besucher und Touristen verwaltet wurden – sie als Wildnis bewertet wurden – sie auf Schutz des Status ausgerichtet waren – sie auch unter gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrieben werden – sie oft wissenschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Zwecken dienen – die Bevölkerung besser einbezogen wird – sie aufgrund der kulturellen Bedeutung von „Wildnis” bewertet werden – auch Renaturierung ein Thema ist Verwaltung – sie von einer zentralen Regierung/Verwaltung betrieben wurden – sie von vielen Partnern betrieben werden Bevölkerung – bei Planung und Management die Bevölkerung vor Ort nicht berücksichtigt wurde – sie ohne Berücksichtigung der Meinung der ortsansässigen Bevölkerung verwaltet wurden – sie mit, für, manchmal auch von der Bevölkerung vor Ort betrieben werden – sich das Management an den Bedürfnissen der Bevölkerung vor Ort orientiert Größerer Kontext – sie separat entwickelt wurden – sie wie „Inseln” verwaltet wurden – sie als Teil landesweiter, regionaler und internationaler Systeme geplant sind – sie als „Netze” entwickelt werden (streng geschützte Gebiete mit Pufferzonen und Verbindungen durch grüne Korridore) Wahrnehmung – sie in erster Linie als nationale Güter angesehen wurden – sie nur als nationales Anliegen betrachtet wurden – sie auch als Gemeinschaftsgüter betrachtet werden – sie auch als internationales Anliegen betrachtet werden ManagementTechniken – sie reaktiv innerhalb kurzer Zeiträume verwaltet wurden – sie technokratisch verwaltet wurden – sie adaptiv auf lange Sicht verwaltet werden – sie unter politischen Gesichtspunkten verwaltet werden Finanzierung – sie durch den Steuerzahler finanziert wurden – sie aus vielen Quellen finanziert werden ManagementFachkräfte – sie von Wissenschaftlern und Rohstoffexperten verwaltet wurden – sie von Experten geführt wurden – sie von vielseitig ausgebildeten Individuen verwaltet werden – sie auf vor Ort gewachsenem Wissen aufbauen 62 © Laurent Mignaux, METL-MEDDE Planen für mehr Biodiversität Schulung zur Förderung der biologischen Vielfalt im Rahmen der kommunalen Planungspraxis Konzepte und Ansätze für eine Einbeziehung der Biodiversität in die Planungspraxis Tafeln informieren Besucher über das Schutzgebiet Das Bevölkerungswachstum der vergangenen Jahrzehnte hat zu einem erhöhten Raumbedarf geführt und verlangt folglich nach Raumanalysen. Mittlerweile ist die Regionalentwicklung zu einem Prozess der aktiven Weiterentwicklung des knappen Raums geworden, um die „Orte“ zu schaffen, wo die sich verändernden und intensivierenden Bedürfnisse im Lebens-, Arbeits- und Freizeitbereich erfüllt werden können und gleichzeitig eine ausreichende Stabilität der Umwelt gewährleistet werden kann, um den Anforderungen von Ökosystemen und dem Kulturerbe gerecht zu werden. Dieses Spannungsfeld ist in den entwickelten Industrieländern in den letzten Jahrzehnten gewachsen und wird auch in Schwellenländern immer präsenter. Außerdem ist offensichtlich, dass der bedenkliche und weiter andauernde Biodiversitätsverlust in Europa den fortschreitenden Rückgang der Fähigkeit von Ökosystemen widerspiegelt, ihre natürliche Produktionskapazität aufrechtzuerhalten und regulierend zu wirken. Das Konzept der Ökosystemdienstleistungen (in Kapitel 1 dieses Handbuchs beschrieben) hat eine Reihe neuer Themen aufgeworfen und kann möglicherweise eine neue Sicht auf (oder eine neue Herangehensweise an die Gestaltung von) Umwelt- und Biodiversitätspolitik generieren, wobei die Raumordnung ohne Zweifel eine Hauptrolle spielen wird. Viele der Wechselbeziehungen zwischen Raumordnung und Biodiversität können dementsprechend auf Raumordnung und Ökosystemdienstleistungen übertragen werden. Ökosystemdienstleistungen verfügen über ein hohes integratives Potenzial, da sie vielfältige Zielstellungen beispielsweise in Bezug auf Biodiversitätsschutz, allgemeine Umweltziele sowie gesellschaftliche und wirtschaftliche Bereiche erfüllen. Biologische Vielfalt und Ökosystemdienstleistungen sollten nicht länger als Hindernis für die Entwicklung betrachtet, sondern als starkes, unterstützendes Gerüst für den gesellschaftlichen und ökonomischen Wohlstand erkannt werden. Wie bei jedem strategischen Prozess ist es jedoch auch bei der Verfolgung von Schutz- und Managementzielen bezüglich biologischer Vielfalt und Ökosystemdienstleistungen unerlässlich, einen strategischen Überblick zu erarbeiten und wichtige Umweltziele klar zu definieren. 63 Planen für mehr Biodiversität Schulung zur Förderung der biologischen Vielfalt im Rahmen der kommunalen Planungspraxis Konzepte und Ansätze für eine Einbeziehung der Biodiversität in die Planungspraxis © Arnaud Bouissou, METL-MEDDE Deshalb sind diese Elemente mit anderen Flächennutzungsbedürfnissen in Einklang zu bringen und gemeinsam mit ihnen zu planen. Das geschieht auf verschiedenen Planungsebenen und mithilfe verschiedener Planungsprozesse. Beide Aspekte werden im Folgenden näher beleuchtet. Die Agrarwirtschaft ist eine der flächenintensiven Landnutzungsformen, die mit der Natur um die zur Verfügung stehenden Flächen konkurriert Raumordnung auf verschiedenen Planungsebenen Wenn wir von Raumplanung sprechen, müssen wir uns der vielen verschiedenen verfügbaren Planungsarten und der Tatsache, dass die Planungen der unterschiedlichen Planungsebenen einander ergänzen sollten, bewusst sein. Folgendes Diagramm zeigt die verschiedenen Planungsebenen, auf denen die Raumordnungspolitik in der EU funktioniert. Unterschiedliche Ebenen bieten unterschiedliche Möglichkeiten, Biodiversitätsziele zu erreichen. National • G esetzgebung • R ichtlinien • S taatliche Raumordung • Aktionsplan Biodiversität 64 Regional • Regionale Raumordnung • Infrastrukturplanung • Energieplanung Subregional • Wirtschaftsentwicklung • Stadtentwicklung • Ökosystemplanung • Flussgebietsmanagement Lokal • lokalePlanung • Aktionsplan Biodiversität • Lokale Agenda 21 Planen für mehr Biodiversität Schulung zur Förderung der biologischen Vielfalt im Rahmen der kommunalen Planungspraxis Konzepte und Ansätze für eine Einbeziehung der Biodiversität in die Planungspraxis Für politische Entscheidungsträger ist wichtig, auf welcher Ebene Richtlinien zur Erhaltung der biologischen Vielfalt vorgegeben werden und umzusetzen sind. Dabei hat sich der Schwerpunkt in den vergangenen Jahrzehnten mehrfach verlagert, wobei selbst die Frage umstritten war, ob die Vorgaben lokal, regional, national oder global fokussiert werden sollten. Die folgende Tabelle zeigt verschiedene politische Ansätze auf verschiedenen Planungsebenen. National • Ausweisung wichtiger Habitate mit landesweiter Bedeutung • Vorgabe eines breiten politischen Rahmenkonzepts • gesetzliche Vorgaben zu verschiedenen Umweltprüfungen • Bereitstellung von Instrumenten und Unterstützung, z. B. Behörden und Verwaltungsstellen Regional • Entwicklung von Biodiversitätsprinzipien, z. B. die Vorgabe, dass Entwicklung nicht zum Nettoverlust wichtiger Habitate und Arten führen darf und ein Nettogewinn zu erzielen ist • Bedarfsbestimmung für Wachstum und daraus folgende potenzielle Bedrohungen für die biologische Vielfalt • Herstellung der Verbindung zu weitergreifenden Strategien wie Managementplänen für Küstenbereiche oder Flussgebietsmanagementplänen • Durchführung von Studien zu Themen mit grenzübergreifenden Auswirkungen, z. B. zu Wasserkreisläufen • Erarbeitung eines Rahmens für großangelegte Projekte zur Schaffung von Habitaten • Entwicklung eines strategischen Netzes grüner Infrastrukturgüter • Aufzeigen der Zusammenhänge zwischen Klimawandel und biologischer Vielfalt • Abstimmung von Biodiversitätszielen mit größeren Zielstellungen; Aufzeigen, wie durch die Verknüpfung verschiedener Zielstellungen positive Zugewinne erreicht werden können Sub-Regional • Management von Landschaftselementen, die als Korridore und Trittsteine fungieren • Förderung hoher Umweltstandards bei der Planung und Entwicklung von Wachstumsgebieten für den Menschen, um attraktive, gesunde und sichere Orte zum Leben zu schaffen • Planung des Schutzes und der Verbesserung multifunktionaler „grüner Räume“ als Grundlage für Entwicklungswachstum • Umsetzung der Zielstellungen übergreifender Biodiversitätsstrategien und Sicherstellung, dass diese in sämtliche Landnutzungs- und Entwicklungsbereiche einfließen • Festlegung ambitionierter, aber erreichbarer Ziele, um das Monitoring des Fortschritts beim Erreichen von Biodiversitätszielen zu ermöglichen • Erarbeitung einer Grundlage zur Zielüberprüfung, um den Nutzen für die biologische Vielfalt sicherzustellen • Sicherstellung einer fundierten Basis zum Nachweis der Biodiversität, um den Anforderungen von Umweltprüfungen zu genügen sowie als Grundlage für Verhandlungen mit Bauträgern zu dienen • umfassende Einbeziehung aller Beteiligten in den Prozess der Planungsvorbereitung Lokal Biodiversitätspolitische Handlungsebenen • Etablierung und Management von Habitaten • direkter Schutz und Management von Biodiversitätsgütern • Entwicklung und Umsetzung der Zielstellungen lokaler Aktionspläne zur Erhaltung der Biodiversität • Sensibilisierung der Menschen, damit sie ihre Eigenverantwortung für wertvolle Umweltgüter erkennen • Anregung zum freiwilligen Engagement • Einbeziehung weiterer Interessensgruppen Es ist ganz offensichtlich, dass auf allen Ebenen Handlungsbedarf herrscht. Die Gefahr besteht, dass aufgrund von Veränderungen in Verwaltungsstrukturen biologische Vielfalt weniger fokussiert wird. Dies zeigte sich zum Beispiel kürzlich in England, wo die Abschaffung der regionalen Planungsebene zu einer Fokussierung auf die Wirtschaftsentwicklung auf sub-regionaler Ebene führte und die Behörden dazu angeregt hat, im Themenbereich Strategieplanung zu kooperieren. 65 © Arnaud Bouissou, METL-MEDDE Planen für mehr Biodiversität Schulung zur Förderung der biologischen Vielfalt im Rahmen der kommunalen Planungspraxis Konzepte und Ansätze für eine Einbeziehung der Biodiversität in die Planungspraxis Schrebergärten stellen, bei biologischer Bewirtschaftung, eine Möglichkeit zur Einbindung von Biodiversität auf sehr kleinem Maßstab dar Die Pläne der verschiedenen Ebenen und Strukturen sollten im Sinne der biologischen Vielfalt gemeinsam funktionieren, damit Botschaften konsistent sind und einander ergänzen. Biologische Vielfalt, Habitate, Ökosysteme und Landschaften halten sich nicht an Verwaltungsgrenzen, deshalb müssen kommunale Behörden sowie subregionale und regionale Verwaltungen in Umweltfragen zusammenarbeiten. Aus diesem Grund formt die Hierarchie der Planungsebenen zusammen mit der Notwendigkeit der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit ein komplexes „Netz“ von Plänen, das geradezu abschreckend wirken kann. Dies zeigt folgendes Beispiel eines Flussgebietsmanagementplans und einer Grünen Infrastrukturstrategie für eine Stadtregion. Nationaler Aktionsplan zur Erhaltung der biologischen Vielfalt Staatliche Politikvorgaben Nationale Strategie für nachhaltige Entwicklung Regionaler Aktionsplan zur Erhaltung der biologischen Vielfalt Regionale / Subregionale Raumordnungsstrategie Regionale / Subregionale Wirtschaftsstrategie Grüne Infrastrukturstrategie für die Stadtregion Flussgebietsmanagementplan Lokaler Aktionsplan zur Erhaltung der biologischen Vielfalt 66 Bauleitplan Masterpläne Planen für mehr Biodiversität Schulung zur Förderung der biologischen Vielfalt im Rahmen der kommunalen Planungspraxis Konzepte und Ansätze für eine Einbeziehung der Biodiversität in die Planungspraxis Renaturierung von Ackerbrachen in Barnsholme (Großbritannien) Die ehemaligen Äcker sollten in 1960er Jahren zum Aufbau moderner Verkehrsinfrastruktur genutzt werden. Diese Pläne wurden allerdings nicht umgesetzt, sodass das Gelände bis Mitte der 1990er Jahre brach lag. Dann begann man, über eine Umwandlung der Flächen in einen Landschaftspark nachzudenken. Vor Kurzem wurde der Ort zum Naturschutzgebiet erklärt (Dezember 2011). Die Problematik besteht nun in der Frage, wie man das brach liegende Ackerland und weitere, angrenzende Feuchtflächen nutzen kann, um die biologische Vielfalt vor Ort zu fördern und am Rande sozial benachteiligter Wohnviertel einen Raum für Mensch und Natur zu schaffen. Die Idee stammt von einem Netzwerk von Menschen und Organisationen, kam aber hauptsächlich von den Anwohnern selbst. Die 48 Hektar Land, um die es geht, beherbergen eine Vielzahl von Lebensräumen, darunter Feuchtgebiete für seltene Wasserkäfer, den Nördlichen Kammmolch, die Ringelnatter und die Ostschermaus. Außerdem leben dort zahlreiche Vogelarten wie Schnepfe, Kuckuck, Turteltaube, Wanderfalke, Eisvogel und Kiebitz. Die Schaffung des ersten Naturschutzgebiets von Hull rief in weiten Kreisen positive Reaktionen hervor. Lokale Aktionspläne zur Erhaltung der Biologischen Vielfalt (LBAP), die Unterstützung des Government Office for Yorkshire and Humber (GOYH) und die Umweltschützer aus dem Stadtrat von Hull trugen zu diesem Prozess bei. Den größten Einfluss auf die Projektentwicklung übte jedoch die Bevölkerung vor Ort selbst aus. Sie war an jeder Entwicklungsstufe beteiligt und fühlte sich deshalb als Gemeinschaft für das Projekt verantwortlich. Dieses Engagement trug entscheidend zum Erfolg des Projekts bei und war eine der wichtigsten Erfahrungen in diesem Zusammenhang. Integration biologischer Vielfalt in Raumordnungs-/Entwicklungspläne Die Planungspraxis zur Erhaltung biologischer Vielfalt und von Ökosystemdienstleistungen kann in unterschiedlichen Plänen auf verschiedenen Raumplanungsebenen umgesetzt werden. In diesen Plänen wirken auch verschiedenste Mechanismen. A. Planungspolitik B. Kommunale Verwaltungspolitik C. Öffentlichkeitsarbeit zur Akzeptanzsteigerung D. Umsetzung politischer Vorgaben E. Monitoring und Evidenzbasis (siehe Kapitel 4) All diese Mechanismen ergänzen einander. Beispielsweise kann ein Standort mithilfe von Kategorie A vor Erschließung bewahrt werden. Freiwillige, die durch Kategorie D einbezogen werden, bewirtschaften ihn auf sensible Weise gemäß Kategorie B, und mithilfe von Kategorie C können die Menschen über die Naturgeschichte des Ortes informiert werden. A – Planungspolitik Arten der Planungspolitik 1. Allgemeine Abwägung. Ein solches Vorgehen soll sicherstellen, dass die Auswirkungen jeglicher Bebauung oder anderer vorgeschlagener Erschließungsmaßnahmen auf die biologische Vielfalt und Ökosystemdienstleistungen bei der Entscheidung über Baugenehmigungen komplett berücksichtigt werden. Grundlegende Zielstellung ist dabei, dass Ökosysteme und biologische Vielfalt nicht durch Entwicklungsmaßnahmen 67 Planen für mehr Biodiversität Schulung zur Förderung der biologischen Vielfalt im Rahmen der kommunalen Planungspraxis Konzepte und Ansätze für eine Einbeziehung der Biodiversität in die Planungspraxis geschädigt werden. Die Bedeutung einer solchen Politik besteht darin, dass sie im gesamten Bereich einer Kommune Gültigkeit hat. Gegebenenfalls könnte sie z. B. dazu dienen, dass der Schwerpunkt von städtischen Elementen wie Bäumen auf lineare Elemente wie Hecken verlagert wird, um unnötigen Schäden an Flüssen oder Wasserkörpern vorzubeugen oder einheimische Arten in Landschaftspläne einzubeziehen. 2. Gebietsschutz. In Gemeindegebieten ist eine ausgeprägte Schutzpolitik für sämtliche naturschutzfachlich hochwertigen Bereiche erforderlich. Ziel dieser Politik sollte es sein, Bauanträge stark zu kontrollieren, die solche Bereiche schädigen würden. 3. Sondergebiete. Dies kann eine nützliche Politik für ländliche Gemeinden sein. Sie kann dazu dienen, hauptsächliche Interessen an bestimmten Elementen biologischer Vielfalt und von Ökosystemdienstleistungen zu ermitteln (z. B. an Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen für Flusstälern, Gebieten natürlicher Habitate oder die biologische Vielfalt Küstenstreifen). Solche Gebiete haben oft auch einen hohen landschaftlichen Wert. Dabei ist zu beachten, dass eine Eine gute Planung integriert von solche Politik nicht überstrapaziert werden sollte, damit sie vornherein Aspekte biologischer Vielfalt, wirkungsvoll bleibt. kann aber trotzdem in gewissem Maße 4. Spezieller Habitatschutz. Auch diese Politik stellt eine Biodiversitätsverluste mit sich bringen, wertvolle Ergänzung zu der unter Punkt 1 genannten wenn bestimmte Auswirkungen nicht durch Politik der allgemeinen Abwägung dar. Sie ist außerPlanung und Standortwahl vermieden oder dem äußerst empfehlenswert, wo Listen zur Erfassung wichtiger ortsspezifischer Stätten biologischer Vielfalt durch andere Maßnahmen kompensiert noch nicht erarbeitet oder noch nicht mit politischen oder ersetzt werden können. Maßnahmen verknüpft wurden. Habitattypen können hier Unter Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen Wälder und/oder Waldgebiete, Hoch- und Niedermoore, im Sinne der biologischen Vielfalt sind Heide, gering kultivierte Wiesen und Grasland, Gewässer, Schutzbemühungen zu verstehen, die der Salzwiesen, Marschland, Teiche, Seen usw. sein. Ziel ist biologischen Vielfalt nützen und damit der Schutz solcher Lebensräume vor Erschließungen, nachweislich einen Ausgleich oder Ersatz die ihren Biodiversitätswert und die Lieferung von Ökosystemdienstleistungen zerstören oder nachteilig bezu Verlusten schaffen. Damit können einflussen könnten. Bauträger z. B. die Planungsvoraussetzung 5. Ökologische Netze / Grüne Infrastruktur. Lineare der Kompensierung erfüllen, biologische Elemente können der Flora und Fauna als indem sie mit Spezialanbietern für Korridore dienen, in denen sie sich bewegen und leAusgleichsmaßnahmen arbeiten, die ben können. Für viele Arten spielt dabei Kontinuität Schutzprojekte durchführen. eine wichtige Rolle; je isolierter ein Ort ist, umso weniEine definierte Methode wird angewendet, um ger Arten können dort siedeln. Korridore können durch Verengung oder Zerschneidung beschädigt oder undie Kompensationsanforderung zu erfüllen. brauchbar werden. In städtischen Gebieten können Doncaster Metropolitan Borough (www. Korridore, die der Bewegung von Flora und Fauna dienen, doncaster.gov.uk) ist eine der sechs als lineare Freiräume bezeichnet werden; solche Räume kommunalen Behörden in Großbritannien, können auch Erholungszwecken dienen und Gruppen die diesen Ansatz in einem Pilotprojekt wild lebender Tiere und Pflanzen nützen. Allgemein solltesten und überprüfen. te sich die Politik zum Ziel setzen, jegliche Reduzierung Weitere Informationen finden Sie bei der Länge oder Breite von ökologischen Korridoren zu vermeiden; der Errichtung neuer Hindernisse entgegenDEFRA zuwirken; sämtliche Anträge abzulehnen, die Korridore (http://www.defra.gov.uk/environment/ oder ihre Funktionsweise und die Bereitstellung von natural/biodiversity/uk/offsetting/) Ökosystemdienstleistungen schädigen würden. 68 Planen für mehr Biodiversität Schulung zur Förderung der biologischen Vielfalt im Rahmen der kommunalen Planungspraxis Konzepte und Ansätze für eine Einbeziehung der Biodiversität in die Planungspraxis © Albert Vliegenthart, Saxifraga 6. Schaffung von Habitaten. Ein Schutz des Rotklee-Bläulings fördert Raumordnungsplan kann einervielfältige Aktivitäten (Lanaken, Belgien) seits Bereiche definieren, wo es Möglichkeiten zur Bebauung oder anIm Zusammenhang mit dem durch die Provinz Limburg derweitigen Erschließung gibt, und ankoordinierten Programm „Kommunen adoptieren dererseits aufzeigen, wo Gewinne für Limburger Arten“ wählte die Kommunalverwaltung von eine erhöhte biologische Vielfalt und Lanaken (Belgien) den Rotklee-Bläuling (Polyommatus seÖkosystemdienstleistungen erzielt wermiargus) zu ihrer „Botschafterart“. Die Gemeindebehörde den können. Im Zuge dieser Politik engagierte sich für ein neues Projekt zum Schutz kann eine Kommune Vorschläge unund zur Stärkung dieses Schmetterlings. Auch die terstützen, die folgende Ziele erfüllen: Verantwortlichen der von Wiesen gesäumten Kanalufer, Erhöhung der Anzahl, Größe und Vielfalt einem wichtigen Lebensraum des Schmetterlings, wurvon Gebieten, die hinsichtlich ihrer bioden in das Projekt einbezogen. Um seinen Ansprüchen logischen Vielfalt von Interesse sind; gerecht zu werden, entschloss sich die Gemeinde zur Förderung von ökologischen Netzen Verbesserung der Pflege der Pietersheim-Wiesen. bzw. Biotopverbundsystemen; Förderung Außerdem wurden Bildungsmaterialien entwickelt und öfvon Gebieten, die Ökosys­ temleistungen fentliche Events organisiert, auf denen der Schmetterling zur Verfügung stellen; Schaffung neuund sein Schutz thematisiert wurden (z. B. Exkursionen, er Habitate; Erhöhung der Populationen Fortbildungen und weitere Veranstaltungen). Infolge bestimmter Arten etc. Allgemeine Ziele von Renaturierungsmaßnahmen vergrößerte sich die dieser Politik können auch anhand einPopulation deutlich. Der Schmetterlingsschutz rückte zelner Zielstellungen, beispielsweise verstärkt in das Bewusstsein der Bevölkerung. Wichtige der Vergrößerung von Wildtier- und Erfolgsfaktoren waren die Zusammenarbeit zwiPflanzenhabitaten, gemessen werden. schen der Gemeinde und NV Schepvaart (Besitzer der 7. Zugang/Zugänglichkeit. Maßnahmen Kanalufer und Projektpartner) und die Entscheidung, können entsprechend gestaltet werden, um Baugenehmigungen auf den Schutz der Art und ihres den öffentlichen Zugang zu Gebieten bioLebensraums auszurichten. logischer Vielfalt, die von Interesse sind, zu sichern und, wo möglich, auch den Zugang für Behinderte zu gewährleisten (außer wo sich der Zutritt von Menschen nachteilig auf die Belange der Flora und Fauna oder die Landnutzung eines bestimmten Gebiets auswirken würde). Dieses Vorgehen kann beispielsweise durch eine Regelung ergänzt werden, die folgendermaßen lauten könnte: „... die kommunalen Behörden bemühen sich, durch die Steuerung der Raumplanung und die Unterstützung der Schaffung von Habitaten sicherzustellen, dass alle Rotklee-Bläuling (Polyommatus semiargus) Anwohner die Möglichkeit des Zugangs zu einem biodiversitätsreichen Ort im Umkreis von einem halben Kilometer von ihrem Zuhause haben“. Eine solche Formulierung ist besonders in städtischen Gebieten von Bedeutung. Sie geht von der Annahme aus, dass semi-natürliche Habitate zur Erhöhung der Lebensqualität des Menschen beitragen und dementsprechend ihre Verfügbarkeit festgeschrieben werden sollte, wie es auch bei Spielplätzen, öffentlichen Freiräumen etc. der Fall ist. 69 Planen für mehr Biodiversität Schulung zur Förderung der biologischen Vielfalt im Rahmen der kommunalen Planungspraxis Konzepte und Ansätze für eine Einbeziehung der Biodiversität in die Planungspraxis B. Kommunale Verwaltungspolitik Die Maßnahmen der Kategorie B betreffen den Verantwortungsbereich von Kommunen im weitesten Sinne. Hier ist zu beachten, dass eine solche Politik einen wichtigen Bestandteil von LBAPs (siehe unten) darstellen kann, auch wenn sie kein notwendiger Bestandteil eines Raumordnungsplans ist. Folgende Bereiche können dazu zählen: 1. Landmanagement. Hier sollte hauptsächlich sichergestellt werden, dass die Kommune im Rahmen des Landmanagements Arbeitspraktiken anwendet oder einfordert, die der Erhaltung und Verbesserung von biologischer Vielfalt und Ökosystemdienstleistungen dienen und die Möglichkeiten für Wildtiere und -pflanzen erhöhen, innerhalb des Gemeindegebiets zu leben. Einige Beispiele dafür wären, intensiv bewirtschaftetes Grünland durch Extensivierung in andere spezielle Habitattypen umzuwandeln, sämtliche mit Landmanagement beschäftigen Angestellten in ökologisch sensiblen Techniken zu schulen und ein grundlegendes Bewusstsein für den Wert ihres Beitrags zum Naturschutz zu fördern, oder einen festgelegten Anteil der öffentlichen Freiräume der Kommune für die natürlich vorkommende Flora und Fauna zu bewirtschaften. Damit diese Politik erfolgreich ist, sollte sie durch ein Programm ergänzt werden, das die Gebiete spezifiziert, wo Managementpläne am dringendsten gebraucht werden und wo Änderungen im Management dem Naturschutz den größten Nutzen bringen können. Wenn Dienstleistungen von Subunternehmen erbracht werden, sollten die Verträge mit ihnen diese Politik widerspiegeln. 2. Informationsdatenbank. Um den Fortschritt beim Erreichen kommunaler Ziele bezüglich Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen zu dokumentieren und die Ressourcen vor Ort zu kennen, ist eine Informationsdatenbank von unschätzbarem Wert. Informationen über Habitate und Arten, die Verfügbarkeit von Ökosystemdienstleistungen etc. sind ein wichtiger Bestandteil des Schutz- und Managementprozesses natürlicher Ressourcen. Diese Politik sollte darauf abzielen, eine Informationsdatenbank zu entwickeln oder von anderen Organisationen entwickeln zu lassen und sie dabei zu unterstützen. Diese Datenbank sollte die biologische Vielfalt und die Ökosystemdienstleistungen der Kommune erfassen, um daraus Informationen über den Zustand der Ressource ableiten zu können, damit angestrebte und tatsächliche Veränderungen der Landnutzung und des Landmanagements beobachtet und ausgewertet werden können. Sie sollte auch, so weit wie möglich (manche Gebiete können sehr empfindlich reagieren), der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. 3. Monitoring. Das Monitoring einer Biodiversitäts-/Ökosystemdienstleistungspolitik ist notwendig, um sicherzustellen, dass die gewünschten Wirkungen erzielt werden und/ oder die Kommune die Maßnahmen erfolgreich umsetzt. Dieser Prozess wird durch die Festlegung spezifischer messbarer Ziele erleichtert. Monitoring und Überprüfung können eine Schlüsselaufgabe, beispielsweise für Foren von Interessensgruppen, sein. Die Politik könnte dementsprechend vorschreiben, dass „die Kommune den Erfolg der Politik und der Zielstellungen für den Naturschutz kontrolliert und die Fortschritte regelmäßig überprüft“. (Anmerkung: Monitoring und Evidenzbasis sind Thema von Kapital 4) 4. Bildung. Die Bildungsarbeit zum Thema Biodiversität ist ein wünschenswertes kulturelles Ziel. Sie bereichert das Leben der Menschen und ermöglicht ihnen in ihrer Freizeit erfüllende Momente im Kontakt mit der natürlichen Umwelt. Dadurch werden das Verständnis und die Sorge für den Naturschutz in der Gesellschaft im Allgemeinen wie auch in der Politik und Verwaltung sowie bei anderen Landmanagern erhöht, die gemeinsam einen bedeutenden Einfluss auf die Nutzung der natürlichen Ressourcen haben. Ziele dieser Politik 70 Planen für mehr Biodiversität Schulung zur Förderung der biologischen Vielfalt im Rahmen der kommunalen Planungspraxis Konzepte und Ansätze für eine Einbeziehung der Biodiversität in die Planungspraxis © Laurent Mignaux, METL-MEDDE könnten sein, neue Naturgebiete für Schulen zu etablieren; eine Mindestzahl von Schulen zur jährlichen Teilnahme an einem Naturschutzwettbewerb zu motivieren; Naturschutz und Ökologie in den Lehrplan aller Unterrichtsstufen aufzunehmen etc. Planung erfordert Fachkenntnisse sowie personelle und finanzielle Ressourcen C. Öffentlichkeitsarbeit zur Akzeptanzförderung Die Politik der Kategorie C bezieht sich darauf, Maßnahmen in einer breiten Öffentlichkeit zu fördern und darüber zu informieren. Eine solche Politik kann einen wichtigen Bestandteil des LBAP (siehe unten) einer Kommune darstellen, auch wenn sie kein notwendiger Bestandteil eines Raumordnungsplans ist. Dazu können zählen: 1. Maßnahmen zur Akzeptanzförderung. Eine solche Politik kann das Engagement der Kommune stärken, die Bedeutung der Biodiversität und des lokalen Bestandes an Flora und Fauna bekannt zu machen und zu erreichen, dass diese gebührend gewürdigt werden. Das ist insbesondere deshalb wichtig, weil die Erhaltung der Biodiversität in direkter Verbindung mit dem Wissen der Menschen darüber und ihrer Sorge darum steht. Kommunen können möglicherweise dazu beitragen, dass die Menschen auf semi-natürliche Gebiete in ihrer Umgebung stolz sind, was wiederum ein größeres öffentliches Interesse und mehr Engagement im Biodiversitätsschutz bewirken kann. Maßnahmen im Rahmen einer solchen Politik könnten sein, ein Handbuch über die Naturgeschichte der Gegend zu veröffentlichen oder zur Verfügung zu stellen; Begleitinformationen über die Flora und Fauna und Naturpfade zu veröffentlichen oder zur Verfügung zu stellen; Poster zur Unterstützung von Organisationen oder Ereignissen vor Ort, die mit der Erhaltung der natürlichen Vielfalt in Verbindung stehen, zu veröffentlichen oder zur Verfügung zu stellen etc. 2. Einbeziehung der Bevölkerung. Eine Kommune ist nur eine Organisation von vielen, die den Schutz der Biodiversität beeinflussen. Während sie einerseits selbst eine enorm wichtige Rolle 71 Planen für mehr Biodiversität Schulung zur Förderung der biologischen Vielfalt im Rahmen der kommunalen Planungspraxis Konzepte und Ansätze für eine Einbeziehung der Biodiversität in die Planungspraxis spielt, ist sie gleichzeitig auf die koordinierte Zusammenarbeit mit anderen Organisationen aus der Öffentlichkeit, dem privaten Bereich und der Zivilgesellschaft angewiesen. Im Rahmen dieser Politik könnte die Kommune Einzelpersonen, Gruppen und Organisationen dazu animieren, sich an der Schaffung, Verbesserung, Verwaltung und Interpretation von Landschaftselementen, die für die Erhaltung der Biodiversität von Wert sind, zu beteiligen. D. Umsetzung politischer Vorgaben Kategorie D bezieht sich darauf, wie Maßnahmen in der Praxis umgesetzt werden — gewöhnlich von denjenigen, die über Bauanträge entscheiden. Während die planmäßig vorgesehenen Kriterien eine gute Richtlinie für die Bewertung spezifischer Bauanträge bieten sollten, kann es durchaus nützlich sein, von Bauträgern auch die folgenden Informationen zu verlangen: E. Monitoring und Evidenzbasis Die Schaffung einer soliden Evidenzbasis und das Verständnis der jeweiligen kommunalen und regionalen Anforderungen sind wichtige Schritte zu einer besseren Planung zur Förderung biologischer Vielfalt. Das wird Thema des nächsten Kapitels sein. Lokale Aktionspläne zur Erhaltung der Biologischen Vielfalt Um den Schutz und das Management von Biodiversität sicherzustellen und zunehmend dafür zu sorgen, dass Ökosystemdienstleistungen angesichts des wachsenden und andauernden Erschließungsdrucks erhalten bleiben, entwickeln immer mehr Kommunen kohärente, strategische und auf der Einbeziehung Betroffener beruhende Planungsansätze für den Naturschutz. In Großbritannien sind es die sogenannten Local Biodiversity Action Plans (LBAP – früher als „Naturschutzstrategien“ bezeichnet), die greifbare Ergebnisse dieser Bemühungen darstellen. 72 Einleitung des Prozesses Bekanntmachung und Kommunikation Bestandsaufnahme und Inventar Partizipatorischer Prozess Planen für mehr Biodiversität Der LBAP-Prozess Schulung zur Förderung der biologischen Vielfalt im Rahmen der kommunalen Planungspraxis Konzepte und Ansätze für eine Einbeziehung der Biodiversität in die Planungspraxis Die Entwicklung eines LBPA ist ein gut definierter Prozess, der eine Reihe von Schritten umfasst (siehe z. B. Jones-Walters et al. 2010). Der Prozess ist jedoch keinesfalls linear und die in der folgenden Darstellung beschriebenen Schritte zeigen das Gerüst eines Aktionsplans auf eine dynamischere und realistischere Art. Der LBPA-Prozess muss wie jedes andere Projekt oder Programm verwaltet werden. Daher sind in der Darstellung die Schlüsselschritte von der Initiierung des Prozesses bis hin zu seinem Monitoring und seiner Überprüfung Konsultation und Veröffentlichung Umsetzung der Prioritäten des LBAP Monitoring und Überprüfung zentral dargestellt. Die dynamischen Schritte beziehen sich hauptsächlich darauf, die Biodiversität in der Kommune zu untersuchen und ihren Bestand in Daten zu erfassen. Dabei ist die Frage zu beantworten: ‚Was haben wir?‘, während Anspruchsträger in einem partizipatorischen Prozess die Frage beantworten sollten: ‚Was wollen wir?‘ All das sollte in einem Dokument, dem LBAP, erfasst werden, der folgendes enthält: deskriptive Texte und Landkarten zur Darstellung der Biodiversitätsressourcen einschließlich Ökosystemdienstleistungen (wo ermittelbar); eine Reihe von Zielvorgaben (die für eine Kommune beispielsweise in Form veröffentlichter Richtlinien ausgedrückt werden können – siehe Teil 3 oben); mit den Zielvorgaben verknüpfte Einzelziele; und besonders dringlicher Handlungsbedarf. Die Aktionen können in Form von kurzfristigen Prioritäten (zum Beispiel als Aktionsplan für ein Jahr) sowie als mittel- und langfristige Bestrebungen formuliert werden. Der LBAP sollte als konzeptueller Rahmen für die Entwicklung und Umsetzung verständlicher und reali­­­stischer Biodiversitätsmaßnahmen in der Raum­ ordnung dienen. Er sollte biologische Vielfalt und Entwicklung und Umsetzung des kommunalen Grünflächenplans (Feyzin, Frankreich) Feyzin ist eine kleine, attraktive und dynamische Stadt südlich von Lyon (Frankreich), die sich durch das Nebeneinander von Wohn- und Gewerbegebieten sowie zahlreiche Grünflächen auszeichnet, darunter städtische Parkanlagen und Waldbereiche, eine landwirtschaftlich genutzte Hochebene, Teiche und die Ufer der Rhône. Im Jahr 2004 initiierte die Stadt einen „kommunalen Grünflächenplan“, der ein Programm zur Verbesserung der Lebensqualität und des Schutzes der biologischen Vielfalt und ihrer Förderung vorsah. Ziel war die Integration grüner Räume in die städtische Entwicklung durch ein umfassendes und kohärentes Projekt unter Berücksichtigung der ökologischen Korridore. Fachleute erarbeiteten Gutachten und Stadtentwicklungspläne, die dann durch das stadteigene multidisziplinäre Umweltteam (Cadre de Vie) in einen „Grünen Plan“ aufgenommen wurden, der die Bereiche Stadtplanung, Landmanagement, Stadtentwicklung, grüne Räume und Umweltschutz umfasst. Im Ergebnis ist ein Referenzdokument entstanden, das eine transversale Sicht der Gemeinde zeigt, die Natur in die Raumplanung der Stadt einbezieht und Stadtentwicklung und das Netz grüner Korridore miteinander verbindet. Dieses offizielle Dokument ermöglicht der Stadt Feyzin, die Bedeutung der Natur im urbanen Raum sowohl gegenüber ihren Wirtschaftspartnern als auch in der Interaktion mit Stakeholdern aus dem Privatsektor zu betonen. Daher bildet es eine Grundlage für laufende Debatten. Partner und Anspruchsträger finden dort die klar umrissene Position der Gemeinde zu Umweltfragen und Stadtplanung. 73 Planen für mehr Biodiversität Schulung zur Förderung der biologischen Vielfalt im Rahmen der kommunalen Planungspraxis Konzepte und Ansätze für eine Einbeziehung der Biodiversität in die Planungspraxis Ökosystemdienstleistungen ganz und gar mit der Wirtschafts- und Sozialpolitik verbinden. Beispielsweise kann er der Tourismusförderung und Wirtschaftsentwicklung zuarbeiten, indem klar gezeigt wird, dass eine Kommune aktiv ihre Umweltgüter erhält und mehr natürliche Werte in ihrem Gebiet schafft. Die Grundprinzipien des LBAP sind in einem Dokument des ECNC – European Centre for Nature Conservation beschrieben: Local Biodiversity Action Planning for Southeastern Europe. ECNC, Tilburg, Niederlande (Jones-Walters et al. 2010); mittlerweile gibt es auch eine Reihe nützlicher Fallstudien, die ebenfalls die Prozesse und Praktiken im Zusammenhang mit LBAPs demonstrieren. Grüne Infrastruktur Bezog sich der Terminus „Grüne Infrastruktur“ in der Vergangenheit auf natürliche, miteinander verbundene Habitate innerhalb von Städten, so übernahm ihn vor kurzem die EU-Kommission, um damit ein neues Konzept im Rahmen des EU-Biodiversitätsziels 2020 und der Vision für 2050 zu beschreiben, die darauf abzielen, den Biodiversitätsverlust auf EU-Gebiet durch die Mitgliedsstaaten aufzuhalten und umzukehren. Das ist gleichzeitig eine Reaktion auf die Aichi-Ziele, die auf der Vertragsstaatenkonferenz „COP 10“ im Rahmen der Biodiversitätskonvention (Convention on Biological Diversity, CBD) unterzeichnet wurden (EG, 2011). Hier liegt die Bedeutung der grünen Infrastruktur darin, dass sie das Potenzial für die Entwicklung einer integrierten Politik zur Bereitstellung von Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen auf dem Land und innerhalb von Städten und Metropolen bietet. Wahrscheinlich wird eine entsprechende Definition für Grüne Infrastruktur umgehend entwickelt werden. Derzeit jedoch wird sie als ‚Ansatz‘ beschrieben, der den Schutz und die Wiederherstellung von Ökosystemen fordert, soweit dies möglich ist, damit ihre Resilienz gestärkt und die von ihnen gelieferten Schlüsseldienstleistungen unterstützt werden. Gleichzeitig sollen Erhaltungsziele erreicht und die Mitgliedsstaaten zur Anpassung an den Klimawandel befähigt werden. Als Arbeitsdefinition hat das Europäische Habitatforum, eine diesbePromenade Plantée (Paris, Frankreich) zügliche Arbeitsgruppe der Mitgliedsstaaten Die Promenade Plantée ist ein Park, der auf einem alten, ungeder Europäischen Kommission, folgennutzten Viadukt angelegt wurde, das früher als Eisenbahnlinie de Formulierung vorgeschlagen: Grüne diente. Die Bögen des Viadukts wurden gereinigt sowie Infrastruktur ist ein strategisch geplantes und in Geschäfte und Kunstateliers umgewandelt, die Viaduc bereitgestelltes Netz hochqualitativer grüner des Artes heißen. Seither sind in diesem Stadtviertel etwa Räume und anderer Umweltelemente. Sie 7.000 Quadratmeter neue Geschäfts- und mehr als 18.500 sollte als multifunktionale Ressource gestalQuadratmeter Bürofläche entstanden. Allein aufgrund der tet und verwaltet werden, um auf vielfältige Präsenz der Promenade Plantée sind die Mieten in der Gegend Weise der Umwelt und der Steigerung der um 10 % gestiegen und haben 2002 einen Mietpreis zwischen Lebensqualität der Gemeinden zu nützen. Zur 10 und 14 Euro pro Quadratmeter erreicht. Dieses Projekt begrünen Infrastruktur zählen Wälder, Flüsse, weist, dass das Konzept „Rails to trails – Schienen zu Pfaden“ Küstengebiete, Parks, ökologische Korridore auch für erhöhte Räume anwendbar ist. Außerdem hat sich an und andere natürliche oder semi-natürlidieser Stelle gezeigt, dass es eine Stadt bereichert, wenn sie che Elemente, die für die Bereitstellung von das Beste ihrer Vergangenheit bewahrt und modernisiert. Ökosystemdienstleistungen entscheidende Schlüsselfaktoren sind. Wie auch immer die endgültige Definition lauten wird – Herzstück der grünen Infrastruktur wird ganz sicher eine Art kohärentes ökologisches Netz (Biotopverbundsystem) sein. Daher 74 © Laurent Mignaux, METL-MEDDE Planen für mehr Biodiversität Schulung zur Förderung der biologischen Vielfalt im Rahmen der kommunalen Planungspraxis Konzepte und Ansätze für eine Einbeziehung der Biodiversität in die Planungspraxis Grünbrücken sind spezielle Brücken, die einer Vielzahl von Tier- und Pflanzenarten die Überquerung von Autobahnen und anderen Hindernissen ermöglichen sollte auch die Arbeit berücksichtigt werden, die auf verschiedenen geografischen Ebenen geleistet wurde, um Bereiche existierender und potenzieller ökologischer Konnektivität zu definieren. Unterhalb der Ebene der ökologischen Korridore, die innerhalb von Ländern und zwischen ihnen verlaufen, gehören dazu die grünen und blauen Adern, die das Muster traditionell bewirtschafteter multifunktionaler Landschaften charakterisieren. Damit wird oben genannte Definition mit der Beschreibung ökologischer Netze als Herzstück grüner Infrastruktur unterstrichen. Abbildung 2 Multifunktionale Landschaft mit einer Vielzahl von Ökosystemdienstleistungen (Quelle: Arbres et Paysages, 32, in Bonnin et al., 2007). 75 Planen für mehr Biodiversität Schulung zur Förderung der biologischen Vielfalt im Rahmen der kommunalen Planungspraxis Konzepte und Ansätze für eine Einbeziehung der Biodiversität in die Planungspraxis Potenzielle Komponenten einer grünen Infrastruktur umfassen (EG, 2010a): • Schutzgebiete wie Natura-2000-Gebiete; • gesunde Ökosysteme und wertvolle Naturgebiete außerhalb von Schutzgebieten wie Flussniederungen, Feucht- und Küstengebiete, natürliche Wälder etc.; • natürliche Landschaftselemente wie kleine Gewässer, Waldstücke, Hecken, die als ökologische Korridore oder Trittsteine für Flora und Fauna dienen können; • wiederhergestellte Habitatstücke, die speziell für bestimmte Arten geschaffen wurden, z. B. um die Größe eines Schutzgebiets auszudehnen, Nahrungs-, Fortpflanzungs- oder Rastgebiete für spezielle Arten zu vermehren und ihre Wanderung/Verbreitung zu fördern; • künstliche Elemente wie Grünbrücken, die so konzipiert sind, dass sie die Fortbewegung von Arten über unüberwindbare landschaftliche Hindernisse hinweg ermöglichen; • multifunktionale Zonen, wo Landnutzungspraktiken, die zur Erhaltung oder Wiederherstellung intakter, biologisch vielfältiger Ökosysteme beitragen, anderen, inkompatiblen Praktiken vorgezogen werden; • Gebiete, wo Maßnahmen zur Verbesserung der allgemeinen ökologischen Qualität und Durchlässigkeit der Landschaft umgesetzt werden; • städtische Elemente wie grüne Parks, begrünte Mauern und Dächer, die Biodiversität beherbergen und die wie Ökosysteme funktionieren und ihre Dienstleistungen liefern können, indem sie städtische, stadtnahe und ländliche Gebiete miteinander verbinden; • Elemente, die der Anpassung an den Klimawandel und dessen Eindämmung dienen, wie Auwälder und Moore — als Hochwasserschutz, Wasserspeicher und zur CO2-Aufnahme, wodurch Arten den Raum bekommen, auf veränderte klimatische Bedingungen zu reagieren. Die Europäische Kommission hat eine Reihe von Vorteilen ermittelt, die grüne Infrastruktur bieten kann: • Sie kann ökologische, ökonomische und gesellschaftliche Vorteile bieten, insbesondere durch die Anregung zu Partnerschaften und Kooperationen — eine Grundvoraussetzung ist die aktive Einbeziehung der maßgeblichen Interessensgruppen und Ressourcenträger vor Ort. • Sie fördert die integrierte Raumordnung, indem multifunktionale Bereiche ermittelt und Maßnahmen zur Wiederherstellung von Habitaten und anderen verbindenden Elementen in verschiedene Landnutzungspläne und politische Maßnahmen eingeschlossen werden. • Das gesunde Funktionieren von Ökosystemen, ihr Schutz und die Verfügbarkeit und nachhaltige Nutzung von Ökosystemgütern und -dienstleistungen wird thematisiert, während deren Resilienz durch die Abschwächung des Klimawandels und die Anpassung daran erhöht wird. Genauer gesagt: • Sie ist ein effektives und kostengünstiges Instrument zur Aufnahme und Bindung von Kohlendioxid (CO2) aus der Atmosphäre. • Sie trägt zur Verringerung der Risiken durch Naturkatastrophen bei, indem im Küstenschutz anstelle des Baus von Dämmen ökosystembasierte Ansätze wie die Wiederherstellung von Marschland und Überschwemmungsgebieten zum Einsatz kommen. • Die effiziente Nutzung grüner Infrastruktur kann den Energieverbrauch durch passives Heizen und Kühlen reduzieren, Schmutzpartikel aus Luft und Wasser filtern, die Erwärmung durch Sonneneinstrahlung vermindern, Lebensraum für Flora und Fauna bieten, die öffentlichen Ausgaben für Regenwassermanagement senken und dem Hochwasserschutz dienen, Nahrungsmittelressourcen bieten und den Boden stabilisieren, um Erosion zu verhindern oder zu minimieren. • Sie kann die Ästhetik der Landschaft steigern, zum Erhalt archäologischen und kulturellen Erbes beitragen, zugängliche Freiräume schaffen, nachhaltige Beförderung und Energieversorgung ermöglichen, Gelegenheit zur ökologischen Bildung bieten und den gemeinschaftlichen Sinn für Natur und Lebensqualität stärken. 76 © Arnaud Bouissou, METL-MEDDE Planen für mehr Biodiversität Schulung zur Förderung der biologischen Vielfalt im Rahmen der kommunalen Planungspraxis Konzepte und Ansätze für eine Einbeziehung der Biodiversität in die Planungspraxis Grünanlagen sind ein Teil der städtischen grünen Infrastruktur, welche die Dienstleistungen der passiven Kühlung, Erholungsraum und Regenwasserabflusspufferung zur Verfügung stellen • Schlussendlich kann die grüne Infrastruktur zur Entwicklung einer nachhaltigeren Wirtschaft beitragen, indem in ökosystembasierte Ansätze investiert wird, die zusätzlich zu technischen Lösungen vielfältige Vorteile bieten und nachteilige Auswirkungen der Transport- und Energie-Infrastruktur eindämmen. Mit anderen Worten: „Letztendlich soll der Rahmen für die territoriale Entwicklung einer grünen, kohlenstoffarmen Wirtschaft geschaffen werden.“ Grüne Infrastruktur kann uns über das bisher Erreichte bezüglich ökologischer Netze hinaus voranbringen, indem sie einen weiteren Kontext schafft, um wichtige Entscheidungen zur Planung und Bewirtschaftung der Landschaft außerhalb von Schutzgebieten und anderen besonderen Orten zu prägen. Die Betrachtung von Sachverhalten wie Ökosystemdienstleistungen, Anpassung an den Klimawandel und ökologische Resilienz sowie die Verfügbarkeit wirtschaftlicher und sozialer Vorteile kann dementsprechend in den neuen Ansatz integriert werden. Arten grüner Infrastruktur: J F A: Große grüne Adern B: Stadtgebiete B C: Gewerbegebiete D: Vorstadt-Wohngebiete A E: Gemeindezentrum F: Küstengebiete C G: Landschaftsparks H H: Obst- und Schrebergärten G I: Nachhaltige Abwassersysteme J: Höher gelegene Gebiete E D I Landschaftsinstitut GB: Grüne Infrastruktur auf lokaler Ebene http://www.landscapeinstitute.org/ policy/GreenInfrastructure.php 77 Konzepte und Ansätze für eine Einbeziehung der Biodiversität in die Planungspraxis Planen für mehr Biodiversität Schulung zur Förderung der biologischen Vielfalt im Rahmen der kommunalen Planungspraxis Habitatwiederherstellung Aufgrund des bereits erwähnten vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Entwicklungs- und Wachstumsdrucks in Europa ist unsere Landschaft stark zerschnitten und in ihrer Funktion degradiert. Lebensräume und Arten sind verloren gegangen und dieser Prozess wird sich fortsetzen, während gleichzeitig die Bevölkerung anwächst oder demografische Prozesse andauern und der Wettbewerb um die vorhandenen Flächen zunimmt. © Laurent Mignaux, METL-MEDDE So ist es nur konsequent, dass viele Länder die Schaffung von Habitaten in ihre nationalen Aktionspläne zur Förderung biologischer Vielfalt aufgenommen haben. Dieser besonders wichtige Faktor, der hinter den Vorschlägen zur Schaffung von Habitaten steht, sollte Bestandteil eines jeden LBAP (siehe oben) sein. Gleichzeitig ist die Wiederherstellung und Schaffung von Habitaten aufgrund der vereinbarten Maßnahmen zum Ausgleich für bestimmte Verluste infolge wirtschaftlicher oder anderer kommerziell bedingter Entwicklungen von Bedeutung. Eine weitere treibende Kraft ist in Form der Ökokonten (Flächenpools) zu uns gekommen, einem ursprünglich aus Nordamerika stammenden Konzept, durch das sichergestellt werden soll, dass Verluste von Habitaten wie Überschwemmungsgebieten ersetzt oder kompensiert werden. Dementsprechend sollte z. B. die Erschließung einer Flussniederung oder Flussmündung, durch die natürliche Prozesse verhindert werden und die Wahrscheinlichkeit von Überflutungen in Wohngebieten steigt, durch die Schaffung von Habitaten begleitet werden, die sowohl Ökosystemdienstleistungen (in Form von Hochwasserschutz) als auch biologische Vielfalt zum Verlustausgleich liefern. Renaturierungsmaßnahmen in und um ein Kiesfeld entlang dem Fluss Seine in Frankreich Immer mehr Wissen und Erfahrungen werden im Bereich Habitatwiederherstellung gesammelt. Um eine nachhaltige Entwicklung zu garantieren, in der die Erhaltung der biologischen Vielfalt und von Ökosystemdienstleistungen eine Schlüsselrolle spielt, sollte die Wiederherstellung von Ökosystemen ein entscheidender Bestandteil der Politik und ihrer Umsetzung auf kommunaler Ebene sein. 78 Konzepte und Ansätze für eine Einbeziehung der Biodiversität in die Planungspraxis Planen für mehr Biodiversität Schulung zur Förderung der biologischen Vielfalt im Rahmen der kommunalen Planungspraxis Im städtischen Kontext mit biologischer Vielfalt planen In vielen Regionen in Nordwesteuropa geht eine rasche Urbanisierung vonstatten. Freiräume verschwinden, die Natur wird durch Transportwege und andere Infrastrukturelemente zerschnitten und die Ausbreitung der Städte führt zu einer zunehmenden Versiegelung des Bodens. Natürliche Funktionen sind einem hohen Druck ausgesetzt und werden in zu hohem Maße genutzt. Dennoch richtet sich auch die Natur auf die neue Situation ein, indem sich immer mehr Pflanzen und Tiere an die urbane Umwelt anpassen. Füchse leben in Städten, Austernfischer, Heringsmöwen und Flussregenpfeifer brüten auf Flachdächern, Wanderfalken finden ihre Nistplätze auf Kathedralen und anderen hohen Gebäuden. Eine solche spontane Besiedelung neuer urbaner Habitate zeugt von der Resilienz und Anpassungsfähigkeit vieler Arten. Dieser natürliche Prozess kann durch umsichtige Planung und die Schaffung positiver Nebeneffekte unterstützt werden. Durch die Etablierung natürlicher Lebensräume in Städten können essenzielle Regulativfunktionen der Natur aufrechterhalten werden, beispielsweise die Regulierung des Wasserhaushalts durch Regenaufnahme, die Regulierung der Temperatur durch Abschattung, die Regulierung der Luftqualität durch das Filtern von Feinstaub und anderen Schmutzpartikeln. Bei der grünen Infrastruktur im urbanen Kontext geht es um die Planung grüner Räume. Sie sollte so weit wie möglich in den grauen Infrastrukturplanungszyklus einfließen, und zwar von Anfang an und nicht erst hinterher. Die Integration von grüner und grauer Infrastruktur generiert viele sich gegenseitig begünstigende Möglichkeiten. © Bernard Suard, METL-MEDDE Stadt- und Industriegebiete sind jedoch dynamische Orte, wo die Zerstörung von Altem und die Konstruktion von Neuem die urbane Landschaft kontinuierlich verändern und neue Potenziale Die Schaffung von Nist- und Rastplätzen für Tiere kann dazu beitragen, die Bedingungen für eine Vielzahl von Tierarten in einer städtischen Umgebung zu verbessern 79 Planen für mehr Biodiversität Schulung zur Förderung der biologischen Vielfalt im Rahmen der kommunalen Planungspraxis Konzepte und Ansätze für eine Einbeziehung der Biodiversität in die Planungspraxis schaffen. Brachflächen können vorübergehend von Pionierarten besiedelt werden. Solche Arten sind äußerst mobil und können daher existieren, solange sich immer wieder Freiräume bieten, in denen sie leben und sich fortpflanzen können. Brachflächen und Bauabschnitte, die erst später erschlossen werden sollen, können Pionierarten und -habitaten solcherlei Möglichkeiten bieten. Da sich an solchen Orten jedoch auch gern Arten ansiedeln, die auf der Roten Liste und damit unter besonderem Schutz stehen, neigen Bauträger oft dazu, solche für spätere Erschließung und Bebauung vorgesehenen Brachflächen leblos zu halten, indem sie dort Rasen säen und regelmäßig abmähen lassen. Ökologisches Bauen Der Bau von Wohnungen und Bürogebäuden kann einen entscheidenden Beitrag zum Schutz der Umwelt und biologischen Vielfalt leisten und gleichzeitig von ökologischen Bauverfahren profitieren. Solche Vorteile können direkter oder indirekter Art sein. Zu den direkten Vorteilen ökologischer Bauweisen für die biologische Vielfalt in der Stadt zählt die Integration biodiversitätsfreundlicher Aspekte in das Design, z. B. durch begrünte Fassaden oder Dächer und Nistlöcher für Mauerschwalben. Während die Bereitstellung von Nistlöchern für Vögel und Schutzplätzen für Fledermäuse und Insekten hauptsächlich der urbanen Biodiversität nützt (während gleichzeitig das Wohlbefinden der Stadtbewohner durch die Präsenz von Flora und Fauna in ihrer Umgebung gesteigert wird), haben Anpassungen in größerem Stil wie begrünte Dächer oder Fassaden eine ganze Reihe positiver Auswirkungen sowohl für die Natur als auch für die Gesellschaft. Begrünte Dächer sind mittlerweile seit vielen Jahren erprobt worden, und ihre Grenzen und Einschränkungen sind bekannt. Aufgrund dieser Erfahrungen können begrünte Dächer nunmehr sicher gebaut werden, ohne dass größere Gefahren durch Lecks oder andere ungewollte Nebeneffekte drohen. Die Vegetation und das Gras auf begrünten Dächern können bei geschickter Planung eine Reihe äußerst nützlicher Ökosystemdienstleistungen bieten: 1. Filtration: Die Vegetation auf den begrünten Dächern filtert Feinstaub und andere verschmutzende Elemente aus der Luft und leistet damit einen wichtigen Beitrag zu einer besseren Lebensumwelt in Stadtgebieten. Ebenso wird Wasser aufgenommen, das durch die Vegetation und die Erde langsam nach unten sickert, bevor es das städtische Abwassersystem erreicht. 2. Isolation/Dämmung: Die Gras- und Vegetationsschicht eines begrünten Dachs dämmt das Gebäude effektiv gegen extreme Hitze und Kälte ab. Wenn auf dem begrünten Dach auch Bäume oder hohe Büsche wachsen, wird dieser Isolationseffekt durch Abschattung weiter erhöht. Dadurch wird Energie für Heizung und Kühlung gespart (ein indirekter Nutzen für die biologische Vielfalt) und damit auch Geld. 3. Regulierung des Wasserhaushalts: Eine insbesondere für Stadtverwaltungen sehr interessante Funktion begrünter Dächer ist ihre Fähigkeit, Regenwasser aufzunehmen, zu speichern und langsam ins urbane Abwassersystem abzugeben. Die Punkte 2 und 3 sind wichtige Maßnahmen zur Anpassung an die Auswirkungen des Klimawandels in Städten, da diese zunehmend unter dem Stadtklima-Effekt leiden. Isolierung/Dämmung ist eine Anpassungsmaßnahme, die in erster Linie denen nützt, die in den Gebäuden leben oder arbeiten, 80 Planen für mehr Biodiversität Schulung zur Förderung der biologischen Vielfalt im Rahmen der kommunalen Planungspraxis Konzepte und Ansätze für eine Einbeziehung der Biodiversität in die Planungspraxis während die Wasserhaushaltsregulierung insbesondere für Stadtverwaltungen von Bedeutung ist, die aufgrund der zunehmenden Intensität von Regengüssen infolge des Klimawandels immer öfter mit Hochwasserproblemen zu kämpfen haben. Indirekte positive Effekte ökologischen Bauens für die biologische Vielfalt betreffen die Energieeffizienz und die Abschätzung des Lebenszyklus des gesamten Bauprozesses, da so der Druck auf die natürlichen Ressourcen gemindert wird. Dies kann allerdings im Rahmen dieser Schulung nicht weiter vertieft werden. Literaturhinweise Bennett, G. (2008) Ecological networks and spatial planning in Europe: overview. In Snethlage, M., L. Jones-Walters (Eds.) (2008) Interactions between policy concerning spatial planning policy and ecological networks in Europe (SPEN – Spatial Planning and Ecological Networks). ECNC, Tilburg, The Netherlands. Bonnin, M., Bruszik, A., Delbaere, B., Lethier, H., Richard, D., Rientjes, S., van Uden, G. and Terry, A. (2007). The Pan-European Ecological Network: Taking Stock. Nature and Environment, No. 146. Council of Europe: Strasbourg. Bouwma. I.M., van Apeldoorn, R.D. and Kamphorst, A. (2010). 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