Sicherheitsrat

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S/RES/1820 (2008)
Vereinte Nationen
Sicherheitsrat
Verteilung: Allgemein
19. Juni 2008
Resolution 1820 (2008)
verabschiedet auf der 5916. Sitzung des Sicherheitsrats
am 19. Juni 2008
Der Sicherheitsrat,
in Bekräftigung seines Bekenntnisses zur fortgesetzten und vollständigen Durchführung der Resolutionen 1325 (2000), 1612 (2005) und 1674 (2006) und unter Hinweis auf
die Erklärungen seines Präsidenten vom 31. Oktober 2001 (S/PRST/2001/31), 31. Oktober
2002 (S/PRST/2002/32), 28. Oktober 2004 (S/PRST/2004/40), 27. Oktober 2005
(S/PRST/2005/52), 8. November 2006 (S/PRST/2006/42), 7. März 2007 (S/PRST/2007/5)
und 24. Oktober 2007 (S/PRST/2007/40),
geleitet von den Zielen und Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen,
sowie in Bekräftigung der im Ergebnis des Weltgipfels 2005 bekundeten Entschlossenheit, alle Formen der Gewalt gegen Frauen und Mädchen zu beseitigen, indem namentlich auch der Straflosigkeit ein Ende bereitet und der Schutz von Zivilpersonen, insbesondere Frauen und Mädchen, in und nach bewaffneten Konflikten in Übereinstimmung mit
den Verpflichtungen der Staaten nach dem humanitären Völkerrecht und den internationalen
Menschenrechten gewährleistet wird,
unter Hinweis auf die Verpflichtungen aus der Erklärung und der Aktionsplattform
von Beijing (A/52/231) sowie aus dem Ergebnisdokument der dreiundzwanzigsten Sondertagung der Generalversammlung der Vereinten Nationen „Frauen 2000: Gleichstellung,
Entwicklung und Frieden für das 21. Jahrhundert“ (A/S-23/10/Rev.1), insbesondere betreffend sexuelle Gewalt und Frauen in Situationen bewaffneten Konflikts,
sowie in Bekräftigung der Verpflichtungen der Vertragsstaaten des Übereinkommens
zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau, des dazugehörigen Fakultativprotokolls, des Übereinkommens über die Rechte des Kindes und der dazugehörigen Fakultativprotokolle und mit der nachdrücklichen Aufforderung an die Staaten, die diese noch
nicht ratifiziert haben beziehungsweise ihnen noch nicht beigetreten sind, zu erwägen, dies
zu tun,
feststellend, dass es sich bei der großen Mehrheit der von bewaffneten Konflikten Betroffenen um Zivilpersonen handelt, dass der Einsatz sexueller Gewalt insbesondere gegen
Frauen und Mädchen gerichtet ist, namentlich auch als Kriegstaktik mit dem Ziel, die zivilen Mitglieder einer Gemeinschaft oder ethnischen Gruppe zu erniedrigen, Macht über sie
auszuüben, ihnen Furcht einzuflößen, sie zu zerstreuen und/oder zwangsweise umzusiedeln,
Vorauskopie des Deutschen Übersetzungsdienstes, Vereinte Nationen, New York. Der endgültige amtliche Wortlaut der
Übersetzung erscheint im Offiziellen Protokoll des Sicherheitsrats (S/INF/63).
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und dass die in dieser Weise begangene sexuelle Gewalt in einigen Fällen auch nach der
Einstellung der Feindseligkeiten anhalten kann,
daran erinnernd, dass er jegliche sexuelle Gewalt und alle anderen Formen der Gewalt gegen Zivilpersonen in bewaffneten Konflikten, insbesondere gegen Frauen und Kinder, auf das entschiedenste verurteilt,
erneut seine große Sorge darüber bekundend, dass trotz seiner wiederholten Verurteilung der Gewalt gegen Frauen und Kinder in Situationen bewaffneten Konflikts, einschließlich sexueller Gewalt in Situationen bewaffneten Konflikts, und trotz seiner Aufrufe an alle
Parteien bewaffneter Konflikte, derartige Handlungen mit sofortiger Wirkung zu beenden,
solche Handlungen nach wie vor auftreten und in einigen Situationen systematisch und ausgedehnt geworden sind und ein erschreckendes Ausmaß an Brutalität erreicht haben,
unter Hinweis darauf, dass eine Reihe von sexuellen Gewaltdelikten in das Römische
Statut des Internationalen Strafgerichtshofs und in die Statuten der internationalen Ad-hocStrafgerichtshöfe aufgenommen wurde,
erneut erklärend, welche wichtige Rolle den Frauen bei der Verhütung und Beilegung
von Konflikten und bei der Friedenskonsolidierung zukommt, und betonend, wie wichtig es
ist, dass sie an allen Anstrengungen zur Wahrung und Förderung von Frieden und Sicherheit
gleichberechtigt und in vollem Umfang mitwirken und dass ihre Beteiligung an den Entscheidungsprozessen im Hinblick auf die Verhütung und Beilegung von Konflikten erweitert werden muss,
außerdem zutiefst besorgt über die fortbestehenden Hindernisse und Probleme bei der
Beteiligung und vollen Mitwirkung von Frauen an der Verhütung und Beilegung von Konflikten infolge von Gewalt, Einschüchterung und Diskriminierung, die die Fähigkeit der
Frauen zur Beteiligung am öffentlichen Leben nach einem Konflikt und die Legitimität ihrer Beteiligung beeinträchtigen, und Kenntnis nehmend von den nachteiligen Auswirkungen, die sich daraus für einen dauerhaften Frieden und für dauerhafte Sicherheit und Aussöhnung sowie auch für die Friedenskonsolidierung nach Konflikten ergeben,
in der Erkenntnis, dass die Staaten nach dem einschlägigen Völkerrecht die Hauptverantwortung für die Achtung und Gewährleistung der Menschenrechte ihrer Staatsangehörigen sowie aller Personen in ihrem Hoheitsgebiet tragen,
bekräftigend, dass die Parteien bewaffneter Konflikte die Hauptverantwortung dafür
tragen, alle durchführbaren Schritte zu unternehmen, um den Schutz der betroffenen Zivilpersonen zu gewährleisten,
unter Begrüßung der laufenden Koordinierung der Anstrengungen innerhalb des Systems der Vereinten Nationen im Rahmen der interinstitutionellen Initiative „Aktion der
Vereinten Nationen gegen sexuelle Gewalt in Konflikten“, mit dem Ziel, Problembewusstsein für sexuelle Gewalt in bewaffneten Konflikten und Postkonfliktsituationen zu schaffen
und ihr letztlich ein Ende zu setzen,
1.
betont, dass sexuelle Gewalt, wenn sie als vorsätzlich gegen Zivilpersonen gerichtete Kriegstaktik oder im Rahmen eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs auf
die Zivilbevölkerung eingesetzt wird oder andere damit beauftragt werden, Situationen bewaffneten Konflikts erheblich verschärfen und die Wiederherstellung des Weltfriedens und
der internationalen Sicherheit behindern kann, erklärt in dieser Hinsicht, dass wirksame
Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung solcher sexuellen Gewalthandlungen in erheblichem Maße zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit beitragen
können, und bekundet seine Bereitschaft, bei der Behandlung der Situationen, die auf der
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Tagesordnung des Rates stehen, erforderlichenfalls geeignete Maßnahmen zu beschließen,
um gegen ausgedehnte oder systematische sexuelle Gewalt vorzugehen;
2.
verlangt, dass alle Parteien bewaffneter Konflikte alle sexuellen Gewalthandlungen gegen Zivilpersonen umgehend und vollständig mit sofortiger Wirkung einstellen;
3.
verlangt, dass alle Parteien bewaffneter Konflikte sofort geeignete Maßnahmen
ergreifen, um Zivilpersonen, insbesondere Frauen und Mädchen, vor allen Formen sexueller
Gewalt zu schützen, so unter anderem durch die Verhängung geeigneter militärischer Disziplinarmaßnahmen und die Achtung des Grundsatzes der Verantwortlichkeit der Befehlshaber, die Unterweisung der Soldaten in Bezug auf das kategorische Verbot aller Formen
sexueller Gewalt gegen Zivilpersonen, die Widerlegung von Mythen, die sexuelle Gewalt
fördern, die Überprüfung der Streit- und Sicherheitskräfte im Hinblick auf eine Vorgeschichte von Vergewaltigung und anderen Formen sexueller Gewalt und die Evakuierung
unmittelbar von sexueller Gewalt bedrohter Frauen und Kinder an einen sicheren Ort, und
ersucht den Generalsekretär, gegebenenfalls zu einem Dialog anzuregen, um diese Frage im
Rahmen der breiteren Erörterungen zwischen den zuständigen Vertretern der Vereinten Nationen und den Konfliktparteien über die Beilegung des Konflikts anzugehen, unter anderem unter Berücksichtigung der Auffassungen der Frauen der betroffenen örtlichen Gemeinschaften;
4.
stellt fest, dass Vergewaltigung und andere Formen sexueller Gewalt ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder eine die Tatbestandsmerkmale
des Völkermords erfüllende Handlung darstellen können, betont, dass sexuelle Gewaltverbrechen von Amnestiebestimmungen, die im Zusammenhang mit Konfliktbeilegungsprozessen erlassen werden, ausgenommen werden müssen, und fordert die Mitgliedstaaten auf,
ihrer Verpflichtung zur strafrechtlichen Verfolgung von Personen, die für solche Handlungen verantwortlich sind, nachzukommen, um sicherzustellen, dass allen Opfern sexueller
Gewalt, insbesondere Frauen und Mädchen, gleicher Schutz durch das Gesetz und gleicher
Zugang zur Justiz gewährt wird, und betont, wie wichtig es ist, der Straflosigkeit für solche
Handlungen im Rahmen eines umfassenden Konzepts für die Herbeiführung von dauerhaftem Frieden, Gerechtigkeit, Wahrheit und nationaler Aussöhnung ein Ende zu setzen;
5.
bekräftigt seine Absicht, bei der Verhängung und Verlängerung von länderspezifischen Sanktionsregimen die Angemessenheit gezielter und abgestufter Maßnahmen gegen
Parteien bewaffneter Konflikte, die Vergewaltigungen und andere Formen sexueller Gewalt
gegen Frauen und Mädchen in Situationen bewaffneten Konflikts begehen, in Erwägung zu
ziehen;
6.
ersucht den Generalsekretär, in Absprache mit dem Sicherheitsrat, dem Sonderausschuss für Friedenssicherungseinsätze und dessen Arbeitsgruppe sowie gegebenenfalls
den betreffenden Staaten geeignete Ausbildungsprogramme für das gesamte Friedenssicherungs- und humanitäre Personal zu entwickeln und durchzuführen, das von den Vereinten
Nationen im Rahmen von Missionen auf Grund eines Mandats des Rates entsandt wird, um
diesem Personal zu helfen, sexuelle Gewalt und andere Formen von Gewalt gegen Zivilpersonen besser zu verhüten, zu erkennen und ihr entgegenzutreten;
7.
ersucht den Generalsekretär, die Anstrengungen zur Umsetzung der Null-Toleranz-Politik gegenüber sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch bei Friedenssicherungseinsätzen der Vereinten Nationen fortzusetzen und zu verstärken, und fordert die truppen- und polizeistellenden Länder nachdrücklich auf, angemessene Präventivmaßnahmen,
darunter einsatzvorbereitendes und am Einsatzort angebotenes Sensibilisierungstraining, sowie sonstige Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass das an derartigen Handlungen beteiligte Personal voll zur Rechenschaft gezogen wird;
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8.
ermutigt die truppen- und polizeistellenden Länder, in Absprache mit dem Generalsekretär Maßnahmen zu erwägen, die sie ergreifen könnten, um das Problembewusstsein ihres an Friedenssicherungseinsätzen der Vereinten Nationen teilnehmenden Personals
und seine Reaktionsfähigkeit in Bezug auf den Schutz von Zivilpersonen, insbesondere
Frauen und Kindern, und die Verhütung sexueller Gewalt gegen Frauen und Kinder in Konflikten und Postkonfliktsituationen zu stärken, nach Möglichkeit auch durch die Entsendung
eines höheren Anteils weiblicher Friedenssicherungs- oder Polizeikräfte;
9.
ersucht den Generalsekretär, wirksame Leitlinien und Strategien auszuarbeiten,
um die betreffenden Friedenssicherungseinsätze der Vereinten Nationen besser zu befähigen, im Einklang mit ihrem jeweiligen Mandat Zivilpersonen, insbesondere Frauen und
Mädchen, vor allen Formen sexueller Gewalt zu schützen, und in seine schriftlichen Berichte an den Rat über Konfliktsituationen systematisch seine Anmerkungen über den
Schutz von Frauen und Mädchen sowie seine diesbezüglichen Empfehlungen aufzunehmen;
10. ersucht den Generalsekretär und die zuständigen Einrichtungen der Vereinten
Nationen, unter anderem gegebenenfalls im Wege von Konsultationen mit Frauenorganisationen und von Frauen geführten Organisationen wirksame Mechanismen auszuarbeiten, um
Frauen und Mädchen in den von den Vereinten Nationen verwalteten Flüchtlings- und Binnenvertriebenenlagern und deren Umkreis sowie in allen Entwaffnungs-, Demobilisierungsund Wiedereingliederungsprozessen wie auch bei den von den Vereinten Nationen unterstützten Reformbemühungen im Justiz- und Sicherheitssektor vor Gewalt, darunter insbesondere sexueller Gewalt, zu schützen;
11. betont die wichtige Rolle, die die Kommission für Friedenskonsolidierung spielen kann, indem sie in ihre Ratschläge und Empfehlungen zu Strategien für die Friedenskonsolidierung nach Konflikten, soweit angezeigt, auch Möglichkeiten des Vorgehens gegen sexuelle Gewalt aufnimmt, die während und nach bewaffneten Konflikten begangen
wird, und indem sie gewährleistet, dass im Rahmen ihres allgemeineren Herangehens an
Geschlechterfragen die Frauen der Zivilgesellschaft konsultiert werden und wirksam vertreten sind, wenn die Kommission in ihrer jeweiligen landesspezifischen Konfiguration zusammentritt;
12. fordert den Generalsekretär und seine Sondergesandten nachdrücklich auf,
Frauen zur Teilnahme an Erörterungen über die Verhütung und Beilegung von Konflikten,
die Wahrung von Frieden und Sicherheit und die Friedenskonsolidierung nach Konflikten
einzuladen, und ermutigt alle an solchen Gesprächen beteiligten Parteien, die gleichberechtigte und volle Mitwirkung der Frauen auf den Entscheidungsebenen zu erleichtern;
13. fordert alle beteiligten Parteien, einschließlich der Mitgliedstaaten, der Einrichtungen der Vereinten Nationen und der Finanzinstitutionen, nachdrücklich auf, den Aufbau
und die Stärkung der Kapazitäten nationaler Institutionen, insbesondere des Justiz- und Gesundheitswesens, sowie lokaler Netzwerke der Zivilgesellschaft zu unterstützen, um den
Opfern sexueller Gewalt in bewaffneten Konflikten und Postkonfliktsituationen nachhaltige
Hilfe zu gewähren;
14. fordert die zuständigen regionalen und subregionalen Organe nachdrücklich auf,
insbesondere die Ausarbeitung und Durchführung von Politiken, Aktivitäten und Kampagnen zu Gunsten der von sexueller Gewalt in bewaffneten Konflikten betroffenen Frauen und
Mädchen zu erwägen;
15. ersucht den Generalsekretär außerdem, dem Rat bis zum 30. Juni 2009 einen
Bericht über die Durchführung dieser Resolution im Zusammenhang mit den auf der Tagesordnung des Rates stehenden Situationen vorzulegen und dazu die Informationen aus den
verfügbaren Quellen der Vereinten Nationen heranzuziehen, einschließlich der Landes-
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teams, der Friedenssicherungseinsätze und des sonstigen Personals der Vereinten Nationen,
unter anderem Informationen über Situationen bewaffneten Konflikts, in denen ausgedehnte
oder systematische sexuelle Gewalt gegen Zivilpersonen eingesetzt wurde, eine Analyse der
Häufigkeit und der Tendenzen sexueller Gewalt in Situationen bewaffneten Konflikts, Vorschläge für Strategien zur Minimierung der Anfälligkeit von Frauen und Mädchen für derartige Gewalt, Kriterien für die Messung von Fortschritten bei der Verhütung und der Bekämpfung sexueller Gewalt, geeignete Beiträge der Durchführungspartner der Vereinten
Nationen im Feld, Informationen über seine Pläne zur Erleichterung der Erhebung aktueller,
objektiver, genauer und zuverlässiger Informationen über den Einsatz sexueller Gewalt in
Situationen bewaffneten Konflikts, auch durch die verbesserte Koordinierung der Tätigkeiten der Vereinten Nationen am Boden und am Amtssitz, und Informationen über die von den
Parteien bewaffneter Konflikte getroffenen Maßnahmen zur Erfüllung ihrer in dieser Resolution beschriebenen Verpflichtungen, insbesondere die sofortige und vollständige Einstellung aller sexuellen Gewalthandlungen und die Ergreifung geeigneter Maßnahmen zum
Schutz von Frauen und Mädchen vor allen Formen sexueller Gewalt;
16. beschließt, mit der Angelegenheit aktiv befasst zu bleiben.
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