Landesverband Niedersachsen e. V. Lange Laube 14, 30159 Hannover www.profamilia.de 50 Jahre pro familia in Niedersachsen Am 15. Juli feiert pro familia Niedersachsen im Alten Rathaus Hannover. Was vor 50 Jahren mit ärztlichen Beratungsstunden für Jugendliche und Erwachsene zu „allen Fragen des Sexualverhaltens und der Geburtenregelung“ begann, ist heute ein vielfältiges Angebot, das jährlich mehr als 50.000 Menschen nutzen: Sexualpädagogik mit Schulklassen, Information und Beratung für Schwangere, Paar- und Sexualberatung u.v.a.m. 1965 – erinnern Sie sich? Seit 1953 galt Artikel 3 des Grundgesetzes „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ Das Familienrecht ging allerdings noch bis 1977 von der „funktionalen Verschiedenheit der Geschlechter“ aus. Die „Hausfrauenehe“ war gesellschaftliches Leitbild und gesetzliche Norm. Die Frau war zur Haushaltsführung verpflichtet. Berufstätig durfte sie nur sein, „soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar“ war (§1356 BGB). Uneheliche Kinder und ledige Mütter waren gesellschaftlich unerwünscht und sozial benachteiligt. Sichere Verhütungsmittel waren schwer zugänglich. Seit 1961 gab es zwar die „Anti-Baby-Pille“. Aber nur wenige Ärzte verschrieben sie und wenn, dann nur an verheiratete Frauen, die schon Kinder hatten und über 30 waren. Schwangerschaftsabbruch war verboten (§218 StGB) – und trotzdem oft der letzte Ausweg für Frauen in Not. Wegen der drohenden Strafverfolgung wurde nach illegalen Abbrüchen auch bei Verletzungen und Infektionen oft keine ärztliche Hilfe gesucht. Bleibende Schäden und Todesfälle waren nicht selten. Sexualaufklärung – sofern sie überhaupt stattfand – diente dazu, die Jugend vor „Verführungen“ zu bewahren und ihr die traditionellen Werte zu Ehe und Familie zu vermitteln. Homosexualität (zwischen Männern ebenso wie zwischen Frauen) definierte die Weltgesundheitsorganisation als Krankheit. §175 StGB verbot sexuelle Handlungen zwischen Männern. Im Jahr 1965 gab es noch 2.538 strafrechtliche Verurteilungen. Die Frauenbewegung, die 1968er und pro familia stritten für gesellschaftliche Veränderungen: für sexuelle Selbstbestimmung, für mehr Gleichberechtigung und Vielfalt, für bessere Unterstützung für Frauen und Familien. Legendär ist die fantasievolle Bewegung gegen den §218, die 1971 mit dem Bekenntnis von 374 mutigen Frauen: „Wir haben abgetrieben“ in der Zeitschrift Stern begann. Öffentliche Demonstrationen mit Tausenden TeilnehmerInnen erzwangen gesellschaftliche Debatten und Gesetzesänderungen. Wichtig blieb für pro familia immer, Frauen und Paare bestmöglich zu unterstützen. 1974 entstanden die ersten, vom Bundesfamilienministerium geförderten Modellberatungsstellen als ergänzende Maßnahmen zur Reform des §218, darunter die pro familia Beratungsstellen in Hannover, Oldenburg und Braunschweig. Auch 2015 ist die gesetzlich vorgeschriebene Beratung nach §218/219 noch Teil der Arbeit in den staatlich anerkannten Schwangerschafts(konflikt)beratungsstellen der pro familia. Einen größeren Anteil haben heute die sozialrechtlichen Beratungen für schwangere Frauen und Paare. Zu den aktuellen Herausforderungen hebt Frau Prof. Dr. Heike Fleßner, Vorsitzende der pro familia Niedersachsen, hervor: „Scheinbar so einfache Vorgänge wie Schwangerschaft und Geburt haben durch die rasante Entwicklung der Reproduktionstechnologien enorm an Komplexität gewonnen. Dieser Entwicklung verschließen wir uns nicht, wir bewerten sie nicht moralisch, wir verstehen sie als gesellschaftliche und professionelle Herausforderung, die es immer wieder neu zu reflektieren gilt. Unser Ziel: Frauen und Männer durch unsere Beratung zu befähigen, informiert und selbstbestimmt zu entscheiden, was in puncto Kinderwunsch gut für sie ist. Dazu gehört seit neuem auch, dass wir als qualifizierte BegleiterInnen bei einer vertraulichen Geburt bereit stehen. Dazu gehört auch in Zukunft genauso, dass wir sehr junge Frauen, die Mütter werden, ermutigend begleiten. Landesverband Niedersachsen e. V. Lange Laube 14, 30159 Hannover www.profamilia.de pro familia bleibt auch in Zukunft politischer Akteur. So fordern wir etwa – gemeinsam mit vielen anderen – die bundesweit einheitliche Kostenübernahme von ärztlich verordneten Verhütungsmitteln für Menschen mit geringem Einkommen. Vor allem aber: pro familia steht nach wie vor zur Forderung der Abschaffung des Strafrechtsparagraphen 218, auch wenn wir in der jetzigen gesetzlichen Rahmung einen Fortschritt sehen, der die Entscheidungsmöglichkeiten von Frauen pro oder kontra Schwangerschaftsabbruch erweitert hat. Und nehmen wir zur Kenntnis, was wissenschaftliche Untersuchungen nachweisen: Keine Frau entscheidet sich an diesem Punkt leichtfertig, weder in die eine noch in die andere Richtung. Die überwiegende Zahl der Frauen kommt zu pro familia nach reiflicher Überlegung, hat also ihren Entscheidungsspielraum vorher bereits autonom genutzt.“ pro familia Niedersachsen ist heute Träger von 19 Beratungsstellen mit 6 Außenstellen und beschäftigt 125 MitarbeiterInnen. Jährlich ca. 24.000 Beratungsgespräche und 2.000 Veranstaltungen mit Schulklassen, Jugendgruppen und MultiplikatorInnen werden durchgeführt. Hinzu kommen ca. 2.000 Onlineberatungen über die Website www.sexundso.de. Kontakt: Landesgeschäftsführer Andreas Bergen, Tel. 0511-301 857 80 [email protected] Zur Berichterstattung sind Sie herzlich eingeladen: Altes Rathaus Hannover Beginn: 12:30 Uhr, voraussichtliches Ende der Veranstaltung: 15:30 Uhr