MATTHIAS MATTING Kosmos und Universum in 60 erklärt © des Titels »Kosmos und Universum in 60 Sekunden erklärt« (978-3-86883-829-9) 2016 by riva Verlag, Münchner Verlagsgruppe GmbH, München Nähere Informationen unter: http://www.rivaverlag.de Endlich und doch unbegrenzt: Das Universum Schon in der Frühzeit haben unsere Vorfahren in der Anordnung der Sterne am Nachthimmel Muster erkannt. Gruppen von hellen Sternen lassen sich wie beim Malen-­ nach-Zahlen miteinander verbinden und ergeben dann Bilder von Alltagsgegenständen oder mythischen Wesen. Mit den Sternbildern verbinden sich oft Mythen und Sagen. Sie hatten und haben aber auch einen praktischen Nutzen: Der Mensch kann sich bestimmte Konstellationen nämlich besser einprägen, wenn sie mit einem Bild verknüpft sind. Dadurch eignen sich Sternbilder gut zur Orientierung – insbesondere auf hoher See, wo andere Navigationsmarken fehlen. Von den Sternbildern, die ihre Wurzeln in den zwölf babylonischen Tierkreiszeichen haben, leiten sich auch die Namen der Sterne ab. Dem hellsten Stern gebührt dabei immer das Alpha, der erste Buchstabe des griechischen Alphabets. Alpha Centauri ist also der hellste Stern im 8 © des Titels »Kosmos und Universum in 60 Sekunden erklärt« (978-3-86883-829-9) 2016 by riva Verlag, Münchner Verlagsgruppe GmbH, München Nähere Informationen unter: http://www.rivaverlag.de ENDLICH UND DOCH UNBEGRENZT: DAS UNIVERSUM Zentauren. Wenn diese Bezeichnung nicht möglich ist (etwa weil das griechische Alphabet ausgeschöpft wurde) und zum Teil auch parallel dazu verwendet man die sogenannte Flamsteed-Bezeichnung, die aus einer Zahl und dem Genitiv des Sternbilds besteht. Schließlich kann man zur Benennung eines Sternes auch noch auf die Sternkataloge zurückgreifen, die alle bekannten Objekte mit genauer Positionsangabe enthalten. Die scheinbare Nähe der Sterne eines Sternbildes sagt nichts über ihre tatsächliche Entfernung voneinander aus. Tatsächlich ist ein Sternbild ja nur eine flache Projektion des riesigen Weltraums auf einer gedachten Himmelskugel. Das Universum nämlich umfasst alles, was uns umgibt – wie sein lateinischer Ursprung »universus« (»gesamt«) es beschreibt. Es wurde vor 13,8 Milliarden Jahren in einem gewaltigen Kraftakt geboren, dem Urknall. Das All ist nicht unendlich, aber unvorstellbar groß. Wissenschaftler schätzen seine Ausdehnung auf über 92 Milliarden Lichtjahre, aber auch der 1000-fache Wert ist möglich. Ein Lichtjahr ist dabei die Entfernung, die das Licht in einem Jahr zurücklegt. Allein in einer Sekunde überwindet Licht etwa 300 000 Kilometer. © des Titels »Kosmos und Universum in 60 Sekunden erklärt« (978-3-86883-829-9) 2016 by riva Verlag, Münchner Verlagsgruppe GmbH, München Nähere Informationen unter: http://www.rivaverlag.de 9 Endlich und doch unbegrenzt: Das Universum Das Universum nachzumessen ist unmöglich, weil wir nur einen Teil des Ganzen beobachten können. Denn wir können nur Objekte sehen, die ab dem Zeitpunkt des Urknalls Licht ausgesandt haben. In der Frühphase dehnte sich das Weltall sehr schnell aus, sodass sich diese Objekte heute maximal 46 Milliarden Lichtjahre entfernt voneinander befinden. Ob es noch weiter entfernte Sterne gibt, werden wir nie erfahren. Auch wenn das Weltall endlich ist, ist es doch unbegrenzt. Das ist kein Widerspruch: Die Oberfläche einer Kugel ist ebenfalls endlich (vielleicht erinnern Sie sich noch an die Formel aus dem Matheunterricht). Eine darauf herumkrabbelnde Ameise stößt aber trotzdem nie auf eine Grenze. Es gibt kein »Dahinter«. Die gesamte Materie im All wiegt etwa 1053 Kilogramm, eine 1 mit 53 Nullen. Nur knapp fünf Prozent davon lassen sich bekannten Formen zuordnen, also Atomen und Elementarteilchen. Etwa ein Viertel geht auf das Konto der mysteriösen Dunklen Materie – die noch seltsamere Dunkle Energie macht mehr als zwei Drittel dieses Gewichts aus. Trotz seiner riesigen Masse ist das Weltall im Grunde leer. Stellen Sie sich einen Palast vor, 30 mal 30 mal 30 Kilometer groß. Platzieren Sie darin ein Sandkorn – und © des Titels »Kosmos und Universum in 60 Sekunden erklärt« (978-3-86883-829-9) 10 2016 by riva Verlag, Münchner Verlagsgruppe GmbH, München Nähere Informationen unter: http://www.rivaverlag.de ENDLICH UND DOCH UNBEGRENZT: DAS UNIVERSUM die Sandkorndichte im Palast entspricht der mittleren Dichte des Universums. Apropos Sand: Im Weltall existieren mehr Sterne und ebenso viele Sonnensysteme (130 Trilliarden), als es Sandkörner an allen Stränden der Erde gibt. Das Universum dehnt sich aus. Während Sie diesen Text lesen, ist es um mehr als 100 000 Kilometer gewachsen. Dadurch scheinen sich alle Bestandteile des Weltalls von uns wegzubewegen. © des Titels »Kosmos und Universum in 60 Sekunden erklärt« (978-3-86883-829-9) 11 2016 by riva Verlag, Münchner Verlagsgruppe GmbH, München Nähere Informationen unter: http://www.rivaverlag.de Geboren aus einem Punkt: Die ­G eschichte des Alls Unvorstellbar heftig: Der Urknall Der Urknall markiert den Beginn des Universums, seine Entstehung. Vor 13,8 Milliarden Jahren war die komplette Masse des Universums in einem winzigen Gebiet konzentriert, einem Punkt. Die heutigen Naturgesetze galten noch nicht; auch sie bildeten sich erst während des Urknalls heraus. Ebenso wenig existierten die heute bekannten Kräfte und Teilchen. Es gab also auch kein Licht (das aus Photonen besteht) und erst recht keinen Beobachter, weil schon damals kein »Außen« existierte. Es gab nur diesen winzigen Punkt, der mit einem 1032 Grad (eine 1 mit 32 Nullen) heißen Urbrei gefüllt war, dessen Verhalten wiederum eine Urkraft bestimmte. Was dann passierte, darüber haben die Wissenschaftler bisher nur ungefähre Ideen. Sowohl die Allgemeine Relativitätstheorie als © des Titels »Kosmos und Universum in 60 Sekunden erklärt« (978-3-86883-829-9) 12 2016 by riva Verlag, Münchner Verlagsgruppe GmbH, München Nähere Informationen unter: http://www.rivaverlag.de Unvorstellbar heftig: Der Urknall auch die Quantentheorie versagen unter diesen extremen Bedingungen. Erst eine künftige, von den Physikern noch aufzustellende und Relativitäts- und Quantentheorie vereinende »Theorie von Allem« könnte den Urknall berechenbar machen. Das ultraheiße Etwas jedenfalls stand offenbar unter einem riesigen Druck, der sich irgendwann im wörtlichen Sinne Raum verschaffte. Dieser Urknall im eigentlichen Sinn vollzog sich so schnell, dass die kleinstmögliche Zeiteinheit (10-43 oder auch 0,0000000000000000000000000000000000000000 001 Sekunden) dafür noch zu lang gewesen wäre. Das Ergebnis dieser allerersten Phase war ein Urtropfen, der immer noch winzig war. Aber er war größer als der Punkt zuvor und kühlte sich dadurch ein bisschen ab. Die Folge: Aus der Urkraft entstand zunächst die anziehende Schwerkraft (Gravitation). Sie begann, wie es ihre Natur ist, sich der weiteren Ausdehnung des Kosmos entgegenzustellen. Eine echte Chance hatte sie aber noch nicht. Der Urtropfen wuchs, sodass 10-38 Sekunden nach dem Urknall weitere heute bekannte Naturkräfte wie die Kernkraft und die elektroschwache Kraft entstehen konnten. © des Titels »Kosmos und Universum in 60 Sekunden erklärt« (978-3-86883-829-9) 13 2016 by riva Verlag, Münchner Verlagsgruppe GmbH, München Nähere Informationen unter: http://www.rivaverlag.de Geboren aus einem Punkt: Die ­Geschichte des Alls Sprunghaftes Wachstum: Die Inflation Die Inflation ist eine Phase in der Entstehung des Universums, die direkt an den Urknall anschloss. In dieser Zeit passierte vermutlich etwas ganz Außergewöhnliches: Zwischen 10-38 und 10-35 Sekunden nach dem großen Knall könnten Teilchen ins Spiel gekommen sein, die sich durch die Schwerkraft nicht angezogen, sondern abgestoßen fühlten. Science-Fiction-Autoren benutzen den Begriff »Anti-Gravitation« zwar gern zur Konstruktion utopischer Fahrzeuge, doch die Schwerkraft wirkt eigentlich nie abstoßend. Kurz nach der Geburt des Universums war das offenbar noch anders. Zwar gibt es für diese Idee heute keine direkten Beweise mehr. Doch sie erklärt den gegenwärtigen Aufbau des Universums sehr gut. Die Inflation bewirkte zum Beispiel, dass das Weltall insgesamt überraschend gleichmäßig aufgebaut ist, aber auch, dass wir heute keine magnetischen Monopole mehr finden, Magnete mit nur einem Pol. Alle Magnete besitzen heute jeweils zwei Pole, Nord- und Südpol. Selbst wenn Sie einen Magneten in der Mitte zwischen Nord- und Südpol teilen, haben Sie danach zwei halb so große Magnete jeweils mit Nord- und Südpol. © des Titels »Kosmos und Universum in 60 Sekunden erklärt« (978-3-86883-829-9) 14 2016 by riva Verlag, Münchner Verlagsgruppe GmbH, München Nähere Informationen unter: http://www.rivaverlag.de Das Elementare entsteht: Die Nukleosynthese Während der Inflationsphase wuchs das Universum um 30 bis 50 Größenordnungen. War es zuvor noch kleiner als ein Proton (einer der Bestandteile von Atomkernen), hatte es nun die Abmessungen eines Fußballs. Das war nur unter der Bedingung möglich, dass sich die Ausdehnung schneller als das Licht vollzog. Aber kann etwas überhaupt schneller als das Licht sein? Ja! Zwar können sich Teilchen nie schneller als Licht bewegen. Aber für die Expansion des Raums an sich gilt diese Grenze nicht. Alle Dinge bleiben dabei ja an ihrem Platz. Nur die Entfernung dazwischen wächst. Unser Universum wäre gleich wieder wie ein zu stark aufgeblasener Ballon zerrissen, hätte die Inflation nicht rechtzeitig gestoppt. Vermutlich passierte das, weil mit wachsender Größe des Alls der Druck der Inflation nicht mehr genügte. Das Elementare entsteht: Die Nukleosynthese Während der Nukleosynthese entstanden im frühen Universum die heute bekannten Elementarteilchen. Sie setzte etwa 10-30 Sekunden nach dem Urknall ein. Durch das All wehte nun ein vergleichsweise kühler Wind. Bei nur noch 1025 Grad konnten sich die Grund- © des Titels »Kosmos und Universum in 60 Sekunden erklärt« (978-3-86883-829-9) 15 2016 by riva Verlag, Münchner Verlagsgruppe GmbH, München Nähere Informationen unter: http://www.rivaverlag.de Geboren aus einem Punkt: Die ­Geschichte des Alls bausteine der Materie bilden, Quarks und Antiquarks. Diese vereinten sich später zu den Teilchen, aus denen wir alle bestehen: Neutronen, Protonen und so weiter. Doch noch war es dafür zu heiß, also schwammen sie in einer Ur-Nudelsuppe, Quark-Gluonen-Plasma genannt. Die Quarks kann man sich dabei als die Nudeln vorstellen, die Gluonen als die Brühe. Eine Millionstel Sekunde nach dem Urknall war es durch die fortwährende Ausdehnung und Abkühlung kalt genug, dass aus der Zusammenballung der Quarks und Antiquarks Kernteilchen wie Protonen und Neutronen geboren werden konnten. Noch immer standen Materie und Antimaterie im Gleichgewicht. Es wurden also gleich viele Protonen und Anti-Protonen geboren und so viele Neutronen wie Anti-Neutronen. Dieser Zustand hielt aber nicht lange an: Traf ein Teilchen auf sein jeweiliges Antiteilchen, zerstrahlten beide zu reiner Energie. Das nun zehn Billionen Kilometer große und eine Billion Grad heiße Universum leerte sich dadurch zusehends. Ein zuckerwürfelgroßer Teil davon wog allerdings immer noch zehn Millionen Tonnen. © des Titels »Kosmos und Universum in 60 Sekunden erklärt« (978-3-86883-829-9) 16 2016 by riva Verlag, Münchner Verlagsgruppe GmbH, München Nähere Informationen unter: http://www.rivaverlag.de Die Baby-Phase: Die Kindheit des Alls Das Universum mochte seine Kinder (Teilchen) ein klein wenig lieber als seine Anti-Kinder (Anti-Teilchen): Auf eine Milliarde Antiteilchen kamen damals eine Milliarde plus ein Teilchen. Dieser winzige Überschuss genügte, das heutige Universum zu füllen – bei gerechtem Ausgang wäre das All heute völlig leer (beziehungsweise mit reiner Energie gefüllt). Zehn Sekunden nach dem Urknall, das Antimaterie-Problem war schon gelöst, herrschten im gesamten Universum Zustände wie heute im Zentrum der Sonne. Neutronen und Protonen vereinten sich zu leichten Atomkernen – die Kerne der Elemente Helium (25 Prozent), Lithium und Beryllium entstanden. Dieser Prozess war etwa 17 Minuten nach dem Urknall abgeschlossen. Die Baby-Phase: Die Kindheit des Alls Nach seiner von heftigen Wehen begleiteten Geburt nahm sich das All für die folgenden Schritte mehr Zeit – man könnte sie als die Kindheit des Universums betrachten. Aus dieser Zeit stammen auch die ersten noch heute sichtbaren Erinnerungen. Dem ersten Babyfoto entspricht die kosmische Hintergrundstrahlung. Dabei handelt es sich um eine Strahlung © des Titels »Kosmos und Universum in 60 Sekunden erklärt« (978-3-86883-829-9) 17 2016 by riva Verlag, Münchner Verlagsgruppe GmbH, München Nähere Informationen unter: http://www.rivaverlag.de Geboren aus einem Punkt: Die ­Geschichte des Alls im selben Bereich, in der auch Ihre Mikrowelle funktioniert. Sie erfüllt sehr gleichmäßig das gesamte Weltall mit einer Temperatur von knapp drei Grad über dem absoluten Nullpunkt. Könnte der Mensch Mikrowellenstrahlung sehen, bräuchten Mikrowellenherde keine Beleuchtung – und der Nachthimmel wäre hell, nicht dunkel. Ein Kubikzentimeter des ansonsten absolut leeren Raumes enthält rund 400 Photonen (Lichtteilchen) dieser Strahlung, die etwa 380 000 Jahre nach dem Urknall in der so genannten Rekombinationsphase entstand. Das All war damals nur noch 2700 Grad heiß. Ein Beobachter hätte einen wabernden, glühenden Nebel gesehen. Erst geraume Zeit später (aber aus Sicht des Universums immer noch in seiner Kindheit) wurde das All endgültig klar und durchsichtig. Forscher sprechen hier von der Reionisationsphase, etwa 500 Millionen bis eine Milliarde Jahre nach dem Urknall. Schon sehr früh verstärkte die Dunkle Materie Ungleichmäßigkeiten in der Struktur des Weltalls derart, dass sich riesige Blasen bildeten, so genannte Halos. In diesen Halos ballte sich Wasserstoff zusammen. Je mehr Masse sich auf kleinem Raum sammelte, desto stärker zog sie die Atome in der Umgebung an, desto schwerer wurde die Wolke und desto mehr Anziehungskraft besaß sie. Irgendwann waren Temperatur und Druck so hoch, dass ein atomarer Fusionsprozess zündete – die ersten Sterne leuchteten auf. © des Titels »Kosmos und Universum in 60 Sekunden erklärt« (978-3-86883-829-9) 18 2016 by riva Verlag, Münchner Verlagsgruppe GmbH, München Nähere Informationen unter: http://www.rivaverlag.de Die Baby-Phase: Die Kindheit des Alls Diese frühen Sterne brannten schnell und heiß. Ihr Licht und auch ihr baldiges Ende in einer Supernova-Explosion hatten aber einen wichtigen Effekt: Die Strahlung durchpustete das All derart kräftig, dass der bisherige Nebelschleier zur Seite gezogen wurde. Freie Sicht für freie Sterne! Daran hat sich bis heute nichts geändert. © des Titels »Kosmos und Universum in 60 Sekunden erklärt« (978-3-86883-829-9) 19 2016 by riva Verlag, Münchner Verlagsgruppe GmbH, München Nähere Informationen unter: http://www.rivaverlag.de Warum und wieso: Die ­P hysik des Alls Unsichtbar, aber anziehend: Die ­Dunkle Materie Unter dem Begriff der Dunklen Materie fassen Astrophysiker bisher unbekannte Materie-Formen zusammen. Dass es sie geben muss, weiß man, weil Dunkle Materie über ihre Schwerkraft die gewöhnliche Materie beeinflusst. Ein Beispiel dafür ist die Bewegung der Sterne um das Zentrum der Milchstraße. Die beobachtbare Materie befindet sich zum großen Teil in der Mitte. Nach den Gesetzen der Physik müssten deshalb Sterne, die sich weiter außen bewegen, langsamer sein. Tatsächlich aber wächst die Bahngeschwindigkeit der Sterne mit der Entfernung vom Zentrum. Daraus schließt man, dass es weiter außen Bereiche geben muss, in denen sehr viel © des Titels »Kosmos und Universum in 60 Sekunden erklärt« (978-3-86883-829-9) 20 2016 by riva Verlag, Münchner Verlagsgruppe GmbH, München Nähere Informationen unter: http://www.rivaverlag.de Unsichtbar, aber anziehend: Die ­Dunkle Materie »dunkle« Masse konzentriert ist, die wir nicht beobachten können. Aus der tatsächlichen Bewegung der Sterne lässt sich abschätzen, dass es fast sechsmal so viel Dunkle wie normale Materie geben muss. Allerdings haben die Forscher noch keine gesicherten Erkenntnisse darüber, was genau Dunkle Materie eigentlich ist. Klar ist aber, dass es sich nicht um bereits bekannte, nur eben mangels Licht­ abstrahlung unsichtbare Phänomene handeln kann, etwa Staubwolken oder ausgebrannte Sterne. Im Wesentlichen gibt es zwei Möglichkeiten: Kandidat 1 ist das Neutrino, ein Teilchen, das mit gewöhnlicher Materie fast gar nicht interagiert. Unzählige Neutrinos durchqueren rund um die Uhr die Erde und jeden ihrer Bewohner. Allerdings sind Neutrinos wohl zu leicht, um allein die Funktion der Dunklen Materie zu übernehmen. Kandidat 2 nennt sich WIMP (»weakly interacting massive particle«, schwach interagierendes schweres Teilchen). Diese WIMPs lassen sich nur von der Schwerkraft und von der schwachen Wechselwirkung (einer anderen Naturkraft) aus der Ruhe bringen. Bisher konnte man sie aber noch nicht nachweisen. © des Titels »Kosmos und Universum in 60 Sekunden erklärt« (978-3-86883-829-9) 21 2016 by riva Verlag, Münchner Verlagsgruppe GmbH, München Nähere Informationen unter: http://www.rivaverlag.de Warum und wieso: Die ­Physik des Alls Möglich ist schließlich auch, dass es gar keine Dunkle Materie gibt und vielmehr die Formeln der Physiker falsch sind. Dafür gibt es allerdings noch weniger Beweise als für die Existenz der WIMPs. Abstoßend und mysteriös: Die Dunkle Energie Die Dunkle Energie ist eine rein hypothetische Energieform, deren Vorhandensein sich aus der beschleunigten Expansion des Weltalls ergibt. Wenn Sie einen Ball an einem Gummifaden in eine Richtung werfen, fliegt der Ball immer langsamer, bis er irgendwann stoppt und wieder zu Ihnen zurückgezogen wird. Mit dem Wachstum des Weltalls müsste es sich eigentlich ähnlich verhalten. Der große Stoß am Anfang, der Urknall, trieb zwar erst einmal alles auseinander, doch sämtliche Materie hängt an einem Gummifaden namens Schwerkraft (Gravitation). Und der müsste eigentlich dafür sorgen, dass sich die Expansion irgendwann umkehrt und das Universum wieder schrumpft. Tatsächlich zeigen Messungen, dass das Gegenteil der Fall ist. Das Weltall dehnt sich immer schneller aus. Dahinter muss eine Kraft stecken – die die Forscher Dunkle Energie genannt haben, in Anlehnung an die schon länger bekannt-unbekannte Dunkle Materie. © des Titels »Kosmos und Universum in 60 Sekunden erklärt« (978-3-86883-829-9) 22 2016 by riva Verlag, Münchner Verlagsgruppe GmbH, München Nähere Informationen unter: http://www.rivaverlag.de Unbegrenzt, aber endlich: Die Form des ­Weltalls Die Dunkle Energie wirkt über ihren negativen Druck der Anziehungskraft der normalen und der Dunklen Materie entgegen. Damit sie dabei Erfolg haben kann, müssen über 68 Prozent des kompletten Materie- und Energie­ gehalts des Universums der Dunklen Energie zuzurechnen sein. Ein weiteres Mysterium besteht darin, dass die Dunkle Energie nicht von Anfang an im selben Umfang vorhanden gewesen sein kann. Nach der Rekombination (380 000 Jahre nach dem Urknall) war von ihrer Wirkung nämlich noch gar nichts zu spüren. Womöglich gibt es aber gar keine Kraft, die irgendwann einmal als Dunkle Energie identifiziert werden könnte. Auch das Vakuum, der leere Raum, besitzt nämlich nach der Quantentheorie Energie, denn hier entstehen und vergehen dauernd Teilchen aus dem Nichts. Was dabei im Mittel übrig bleibt (falls etwas übrig bleibt), könnte der Dunklen Energie entsprechen. Unbegrenzt, aber endlich: Die Form des ­Weltalls Welche Form hat das Universum? Zunächst handelt es sich um einen vierdimensionalen Raum mit den drei Ortsdimensionen (Länge, Breite, Tiefe) und der Zeitdi© des Titels »Kosmos und Universum in 60 Sekunden erklärt« (978-3-86883-829-9) 23 2016 by riva Verlag, Münchner Verlagsgruppe GmbH, München Nähere Informationen unter: http://www.rivaverlag.de