13/12 ”VIRUSEPIDEMIOLOGISCHE INFORMATION” NR._____ Für den Inhalt verantwortlich: Prof. Dr. Franz X. Heinz Redaktion: Prof. Dr. H. Holzmann, Prof. Dr. Th. Popow-Kraupp Department f. Virologie d. Med. Universität Wien 1095 Wien, Kinderspitalgasse 15 Tel. +43 1 40160-65500 Fax: +43 1 40160-965599 e-mail: [email protected] homepage: www.virologie.meduniwien.ac.at Chikungunya Judith Aberle Das Chikungunyafieber ist in Europa vor allem als Tropenkrankheit bei Reiserückkehrern von Bedeutung. Allerdings haben auch bereits autochthone Infektionen in Europa stattgefunden, die vor allem auf die Anpassung des Virus an den bereits in mehreren europäischen Ländern heimischen Vektor des Chikungunyavirus (die Tigermücke; Aedes albopictus) zurückzuführen waren. Das Chikungunyavirus ist ein RNA Virus aus der Familie der Togaviridae, Genus Alphavirus, das wie seine nahen Verwandten, das O’Nyong Nyong und Ross River Virus, akute, hochfieberhafte Erkrankungen und äußerst schmerzhafte Gelenksentzündungen verursacht. Ursprünglich stammt das Chikungunyavirus aus Afrika, wo es in enzoonotischen Zyklen zwischen Stechmücken und Affen bzw. kleinen Säugetieren (u.a. Fledermäusen) zirkuliert. In Asien hat sich ein sogenannter urbaner Übertragungszyklus etabliert, der ausschließlich auf Stechmücken als Vektor und dem Menschen als virämischem Wirt beruht. Abhängig von der Dichte der Vektoren und dem Anteil nicht-immuner Personen in der Bevölkerung kommt es in unregelmäßigen Abständen zu urbanen Chikungunya-Fieber Ausbrüchen. Seit 2005 hat sich das Chikungunyavirus von Kenia ausgehend explosionsartig zunächst auf den Inseln des Indischen Ozeans (Komoren, Mayotte, La Réunion, Mauritius, Seychellen sowie Madagaskar) und in der Folge über Indien, Thailand bis nach Malaysien ausgebreitet und hat bis 2007 geschätzte 1,4 bis 6,5 Millionen Menschen infiziert (Lancet, 2012). Eine entscheidende Rolle in der rasanten Ausbreitung des Virus spielte die Anpassung an die asiatische Tigermücke. Durch die Mutation einer Aminosäure im Hüllprotein (E1-A226-V) konnte sich das Chikungunyavirus plötzlich in der Tigermücke besser vermehren, und diese Virusvariante verdrängt seither die ursprünglich in Asien heimische Form des Chikungunyavirus, die aufgrund anderer genetischer Unterschiede bisher nicht durch Aedes albopictus übertragbar war. Dies dürfte der Grund sein, dass sich Chikungunyaviren in Asien, wo die Tigermücke beheimatet ist, nicht schon früher an diese Stechmückenart angepasst haben, obwohl das Virus dort seit über 60 Jahren mit Aedes aegypti als Vektor zirkuliert (PNAS, 2011). Tigermücken sind weltweit in tropischen und subtropischen Regionen beheimatet und haben sich mittlerweile auch Mit Unterstützung der Firmen Baxter, Novartis, Abbott und Roche. Copyright by Prof. Dr. Franz X. Heinz. Veröffentlichungen auch auszugsweise sind nur mit Genehmigung gestattet. in Amerika und mehreren Ländern Europas (u.a. Italien, Frankreich, Griechenland, Kroatien, Schweiz, Slowenien, Spanien, Israel) angesiedelt (Science, 2008). Auch bei dem ersten autochthonen Chikungunya-Fieberausbruch in Europa in der italienischen Provinz Ravenna im Sommer 2007 (VEI 18/07) mit mehr als 200 Erkrankungen war die Tigermücke der Überträger. Zwei weitere autochthone Chikungunya-Fieber Fälle traten im Jahr 2010 in Südfrankreich auf. Dabei wurden die Viren jeweils von infizierten Reisenden eingeschleppt und über die Tigermücken auf andere Personen übertragen. Seither sind keine weiteren autochthonen Fälle aus den betroffenen Regionen gemeldet worden, was darauf schließen lässt, dass sich kein natürlicher Viruszyklus etablieren konnte. Wachsamkeit ist dennoch geboten, weil das Virus immer wieder durch Reiserückkehrer eingeschleppt wird und das unveränderte Vorhandensein von Aedes albopictus zu autochthonen Infektionen/ Ausbrüchen führen kann. In Österreich gibt es laut den Ergebnissen eines österreichweiten StechmückenÜberwachungsprogrammes der AGES bis zum jetzigen Zeitpunkt keinen Hinweis auf das Vorkommen von Aedes albopictus. Ein endemisches Auftreten von Chikungunyaviren ist daher bei uns vorläufig sehr unwahrscheinlich. Allerdings werden insbesondere zur Urlaubszeit entsprechend der Reisefreudigkeit in tropische und subtropische Regionen gelegentlich Chikungunyavirus-Infektionen an unserem Department diagnostiziert (2008:2; 2009:8; 2010:2 und 2011:2). Wegen des geringen Bekanntheitsgrades der Infektion kann man annehmen, dass nur die wenigsten importierten Erkrankungsfälle virologisch abgeklärt werden. Daher sollte insbesondere bei fieberhaften Erkrankungen mit schmerzhaften Schwellungen der Knie-, bzw. der kleinen Hand- und Fußgelenke, die innerhalb von 12 Tagen nach Reiserückkehr aus Endemiegebieten in Indien und Südostasien (insbesondere aus Kambodia wurden in den letzten Monaten Ausbrüche gemeldet) auftreten, nicht nur an Dengue (VEI 20/10), sondern auch an das Chikungunyafieber gedacht werden. Die Erkrankung wird mittels spezifischem Antikörpernachweis und zusätzlich während der ersten 3-5 Krankheitstage mittels PCR aus dem Serum des Patienten diagnostiziert. 13/12-2 VIR. EP. INF. NR. _______ Für den Inhalt verantwortlich: Prof. Dr. Franz X. Heinz, Department f. Virologie d. Med. Universität Wien Redaktion: Prof. Dr. H. Holzmann, Prof. Dr. Th. Popow-Kraupp; Department f. Virologie d. Med. Universität Wien Mit Unterstützung der Firmen Baxter, Novartis, Abbott und Roche. Copyright by Prof. Dr. Franz X. Heinz. Veröffentlichungen auch auszugsweise sind nur mit Genehmigung gestattet.