QUERSCHNITT 22 Ein elektronisches Lern-Managementsystem mit integrierter Bildtelefonie- und Videokonferenzfunktion FACHBEREICH INFORMATIK EIN ELEKTRONISCHES LERN-MANAGEMENTSYSTEM MIT INTEGRIERTER BILDTELEFONIEUND VIDEOKONFERENZFUNKTION 1 • Einleitung und Motivation Autoren • Prof. Dr. Michael Massoth, Daniel Brügger, Mahtab Dalir, Nadine Haertel, Jürgen Müller, Thomas Treusch und Christine Weber Funktionen für Lehrer • Verwaltung von Lerninhalten • Verwaltung von Benutzern und Benutzer-Rechten • Verwaltung von Online-Tests • Verwalten von Diskussionsforen Funktionen für Lerner • Anmeldung für Kursteilnahme • Anmeldung für Online-Tests • Erstellung von Beiträgen für Foren verschiedene Rechte mit unterschiedlichen Funktionen Online-Hilfe Inhalt verschiedene Rollen Lerner Foren Kurse Online-Test Asynchrone Kommunikation • Diskussionsforen • Pinnwand Abbildung 1 • Aufbau und Konzeption des Lern-Managementsystems „Moodle“ Kommunikation Synchrone Kommunikation • Chat • Whiteboard • Audio- / Videokonferenz 54 Lerner Administrator Lehrer Vision (1): Interaktives, echtzeitfähiges E-Learning als Ergänzung der Hochschullehre Noch vor wenigen Jahren war zu erwarten, dass E-Learning das Lernen und Lehren revolutionieren würde und der Bildung und Weiterbildung einen innovativen Schub geben würde. Heute ist weitgehend Ernüchterung eingetreten bezüglich des reinen E-Learning. Aufgrund mangelnder Interaktion und Echtzeitfähigkeit sowie nur weniger Kommunikationskanäle, hält sich die freiwillige Nutzung durch Dozenten und Lernende sehr in Grenzen. Beispiele für Echtzeitfähigkeit sind Voice over Internet Protocol (VoIP), Bildtelefonie und Videokonferenzen. Derzeit heißt der pragmatische Ansatz „Blended Learning“. Der Begriff „Blended Learning“ bedeutet vermischtes, integriertes Lernen und umfasst Präsenzunterricht in Kombination mit internetbasiertem Lernen. Blended Learning versucht die Vorteile und Stärken der Vermittlungsformen seminaristischem Präsenzunterricht und E-Learning zu nutzen. Die elektronische Unterstützung bietet den Einsatz unterschiedlicher Medien (wie Bild, Video, Ton, Animation, Schrift, u.v.m.) an. Es ermöglicht den Lernenden ein selbstbestimmtes Lerntempo und somit ein effektives, selbstgesteuertes und optimiertes Lernen. Vision (2): Next Generation Networks und das IP Multimedia Subsystem – die neue Architektur Die Next Generation Networks oder Telekommunikationsnetzwerke der nächsten Generation, nehmen Gestalt an. Dabei wird es sich im Kern um paketvermittelte Netze handeln, die den Kunden eine IP-Anbindung mit hoher Bitrate, Performance, Ende-zu-Ende-Qualität und Sicherheit bieten. Vieles an der neuen Systemarchitektur basiert dabei auf den Erfahrungen rund um VoIP, Streaming und modernen Mobilfunktechnologien, wie z. B. dem Universal Mobile Telecommunication System (UMTS) und seinen Erweiterungen. Entscheidend für die neue Struktur ist die Trennung von Transportnetzwerk (IP-Backbone mit Dienstgüte-Unterstützung), Zugangstechnologie und Diensten. Das Netzwerk bildet dabei die Integrationsplattform für innovative Dienstleistungen, auf die von überall und jederzeit zugegriffen werden kann. Ähnlich einem Dirigenten (hier: Mensch + IMS), der ein Orchester mit verschiedensten Diensten und Anwendungen zu einem harmonischen Miteinander und Zusammenwirken führen muss. Das IP Multimedia Subsystem (IMS) ist ein wesentlicher Baustein der Next Generation Networks. Das IMS ermöglicht Provider-übergreifenden Zugang zu den gewünschten Dienstleistungen im Heimatnetzwerk über das Internet Protocol (IP). Die Signalisierung und der Austausch von Kontrollnachrichten erfolgt dabei mit dem Session Initiation Protocol (SIP), das für die Zusammenarbeit mit anderen Festnetz- und Mobilfunktechnologien erweitert wird. 55 QUERSCHNITT 22 Ein elektronisches Lern-Managementsystem mit integrierter Bildtelefonie- und Videokonferenzfunktion FACHBEREICH INFORMATIK Spiele-Server Multipoint Control Unit Anwender Internet Open IMS Core LDAP-Server Benutzer A GSM Open IMS Core Benutzer B GPRS Web-Server (Moodle) Abbildung 2 • Kooperation von Moodle und Open IMS 2 • Konkrete Ziele Ziele des Projekts sind, 1 • Erweiterung des bereits vorhandenen und populären E-Learning-Managementsystems Moodle um eine Bildtelefonie- und Videokonferenzfunktion, 2 • Installation, Konfiguration und Betrieb eines IP Multimedia Subsystem Cores (IMS Core), 3 • Zusammenführung, Integration und Betrieb der beiden Open Source Lösungen mit dem Lern-Managementsystem Moodle als Anwendung und dem IMS Core als Sitzungssteuerung. Das Lern-Managementsystem (LMS) einerseits und das IP Multimedia Subsystem (IMS) mit Videotelefonie- und Videokonferenzfunktion andererseits sind voneinander unabhängige Systeme. Um die erste Zielsetzung zu erreichen, wurde das LMS Moodle ausgesucht, da es eine Open Source Plattform ist und bereits an der Hochschule Darmstadt getestet und eingesetzt wird. Moodle ist ein weltweit anerkanntes, elektronisches LMS und basiert als E-Learning-Plattform auf dem Konzept des konstruktivistischen Lernens. Die Abkürzung Moodle steht für Modular Object Oriented Dynamic Learning Enviroment (modulare, objektorientierte und dynamische Lernumgebung). Moodle wird als freie Software (Open Source) unter der GNU General Public License Version 3 kostenlos zur Verfügung gestellt. Abbildung 1 zeigt den Aufbau und die zugrundeliegende Konzeption des LMS Moodle. Das Videokonferenzsystem soll auf dem Session Initiation Protocol (SIP) basieren und einen Open Source SIP-Server benutzen. Für die Nutzung des SIP-Videokonferenzsystems wird ein SIP-User Agent (SIP-Bildtelefon) benötigt. Solch ein SIPBildtelefon soll als Softwarekomponente in das LMS Moodle integriert werden. Das IP Multimedia Subsystem (IMS) ist eine Sammlung von Spezifikationen des 3rd Generation Partnership Project (3GPP) [2]. Unser zweites Ziel wird mittels des Open IMS umgesetzt. Das Open IMS wurde vom Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme (FOKUS) [5] entwickelt. Dieses System enthält alle notwendigen Bausteine des sogenannten IMS Core für eine vollständige und nahtlose Integration von Technologien und Endgeräten sowie für den Einsatz von flexiblen Kommunikationsdiensten und –anwendungen. Der IMS Core 56 Abbildung 3 • Anwendungsbeispiel für den Einsatz von IMS realisiert alle wesentlichen IMS Komponenten und Protokolle, um die verschiedenen Architekturen und Dienste für Next Generation Networks zu verbinden. Auf Basis des IMS Core können sowohl Telekommunikationsals auch Internettechnologien (Festnetze, Mobilfunknetze, Kabellose Netze, DSL-Netze) zu einer flexiblen und gemeinsamen Infrastruktur kombiniert werden. Über diese Infrastruktur lassen sich neue Applikationen einführen. Im Rahmen des Projekts wird das Lern-Managementsystem Moodle über den IMS Core bereitgestellt und um ein Videokonferenzsystem erweitert. Diese Kombination ist eine neue Entwicklung und führt zur dritten Zielsetzung dieses Projekts: Der Zusammenführung, Integration und dem Betrieb der beiden Open Source Lösungen mit dem Lern-Managementsystem Moodle als Anwendung und dem IMS Core als Sitzungssteuerung. Abbildung 2 zeigt die kooperative Zusammenarbeit der beiden Komponenten, dem Lern-Managementsystem Moodle mit dem IP Multimedia Subsystem Open IMS. 3 • Markt und Nutzen Der Markt für Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (ITK-Markt) befindet sich aktuell in einem fundamentalen Wandel. Aus technischer Sicht erleben wir im Rahmen der digitalen Konvergenz eine Ablösung der bisherigen, leitungsvermittelten Netzwerktechnologien, hin zu paketvermittelten Zugangs- und Transportnetzwerken mit dem Internet Protocol (IP) als kostengünstige Vermittlungstechnologie. Gleichzeitig kommt es zu einer Konvergenz von Fest- und Mobilfunknetzen. Aus wirtschaftlicher Sicht erlebt der ITK-Markt eine Diversifikation und Differentiation. Die traditionelle Wertschöpfungskette erfährt eine Erweiterung und Aufspaltung in Contentprovider, Portalbetreiber, Serviceprovider und Netzwerkbetreiber. Ehemals klassische Mobilfunkbetreiber versuchen ebenfalls den Home- und Officemarkt zu erreichen, während sich ehemals klassische Festnetzbetreiber zusätzlich als virtuelle Mobilfunkanbieter und Betreiber von WLAN Hotspots betätigen. Weltweit befinden sich immer mehr Betreiber in Test- oder Trial-Phasen für IMS Installationen. Laut einem Bericht von ABI Research [3] werden mobile und Festnetzanbieter 10,1 Milliarden US-Dollar in IMS Infrastrukturen im Zeitraum von 2006 bis 2011 investieren und voraussichtlich 49,6 Milliarden US-Dollar Umsatz mit IMS basierten Anwendungen erzielen. Diese Zah- len sprechen deutlich für das „IMS“ als nächsten logischen Entwicklungsschritt in Richtung Konvergenz von Festnetz und Mobilfunk sowie für Triple und Quad Play Angebote. Eine breite Lobby von Unternehmen, insbesondere der Mobilfunkbranche, unterstützt die Forschung und Entwicklung der IMS Technologie durch hohe Investitionen, nicht zuletzt weil dieser Sektor ein hohes Markt-Potenzial verspricht. Der Hauptnutzen dieser Entwicklung für den Endkunden ist die Integration von Telefonie, Messaging, Videokommunikation und anderen multimedialen Informationsdiensten sowohl im Festnetz als auch im Mobilfunknetz. Das Internet Protocol (IP) bildet dabei die Basis zur Integration von Sprache, Video, Messaging, Kalender, Adressbüchern und Präsenzinformationen. Im Zusammenspiel all dieser Komponenten werden ganz neue, einfacher zu nutzende und über IP nahtlos integrierbare Dienste für den professionellen Nutzer und den privaten Endkunden entstehen. Studien mit Bezug auf die zukünftig verstärkt genutzten Anwendungen, wie Internet Protocol Television (IPTV) oder auch Audio Streaming (Music) und Online Gaming, zeigen, dass sich Investitionen in die IMS Technologie rentieren. Nach aktuellen Untersuchungen von Goldmedia und Kooperationspartner Screen Digest [4], wird Mobile-TV unter den mobilen Anwendungen zukünftig den größten Wachstumsschub erzielen. Laut dieser Studie werden 2011 weltweit voraussichtlich rund 140 Millionen Menschen Handy-TV nutzen und damit einen Umsatz von 4,7 Mrd. Euro erwirtschaften. und zum anderen verfügen die meisten Messanger über eine Presence Funktion (Prüfen des Onlinestatus). Bereits etabliert ist die Audiokommunikation mittels VoIP (Voice over IP). Auch hierbei spielt SIP eine große Rolle. Genauso wie bei der sich immer weiter verbreitenden Videokonferenz. Die nachfolgenden Anwendungen gehen davon aus, dass eine direkte Verbindung zwischen zwei SIP User Agents besteht. Anwendungsszenarien Nicht nur die Netzbetreiber erwarten eine gute Performance ihrer Netzwerke, auch die Endkunden möchten ihre Anwendungen schnell und einfach ausführen können. Die Abbildung 3 stellt ein Szenario dar, wie Benutzer über den IMS Core beispielsweise ein gemeinsames Online-Spiel nutzen können. Benutzer A befindet sich aktuell in einem leitungsvermitteltem GSM-Mobilfunknetz, Benutzer B in einem paketvermitteltem GPRS-Mobilfunknetz. Über eine standortunabhängige mobile Einheit (Handy, Laptop) führen beide Benutzer über das Internet ein Online-Spiel als Echtzeit-Anwendung aus. Der Einsatz der SIP-Technologie ermöglicht viele verschiedene Kommunikationsanwendungen. Ein Beispiel dafür wären Chats oder Instant Messanger. Instant Messanger benutzen SIP sogar doppelt. Einmal für das Übertragen der Nachrichten Videokonferenzen - Videoconferencing over IP Kombiniert man nun diese beiden Technologien, Audio- und Videokommunikation over IP, spricht man von einer Videokonferenz über IP. Das SDP sorgt auch hierbei für die richtigen Parametereinstellungen. Audiokommunikation - Voice over IP (VoIP) Mit VoIP bezeichnet man das Telefonieren über ein paketvermitteltes Computernetzwerk. Genau wie bei der klassischen leitungsvermittelten Telefonie wird zuerst eine Verbindung (Session) aufgebaut, über die dann Sprache und Steuerinformationen übertragen werden können. Beim Aushandeln der Session wird mit Hilfe des Session Description Protocol (SDP) festgelegt, welche Arte von Medien und welche Codecs verwendet werden können. Anschließend können dann die Nutzdaten (hier: Sprachpakete) an den UDP Port 1028 gesendet werden. Videokommunikation - Video over IP Bei der Videokommunikation verläuft der Aufbau einer Session ähnlich wie bei der Audiokommunikation. Hier ist der Codec H.263 mit einer Abtastrate von 90000 Hz aber fest vorgegeben. Die Daten werden anschließend an den UDP Port 1038 gesendet. Instant Messaging (IM) Beim IM oder Nachrichtensofortversand ist es möglich, dass ein Client kurze Textmitteilungen mit anderen Teilnehmern austauscht. Hierfür ist keine Session nötig, da die Daten nur einmalig gesendet werden. Der Text wird einfach im Message Body einer SIP-Nachricht übertragen. Prescence (Ermitteln des Online-Status) Mit der Prescence Funktion kann man herausfinden, ob der gewünschte Gesprächsteilnehmer gerade online ist. Es wer57 QUERSCHNITT 22 Ein elektronisches Lern-Managementsystem mit integrierter Bildtelefonie- und Videokonferenzfunktion FACHBEREICH INFORMATIK Anwendungsschicht Anwendungs-Server VerbindungsSteuerungsschicht HSS, CSCF, MGCF, MRF, MGW Verbindungsschicht IP-Netz, PSTN/PLMN Zugangsnetzschicht GSM, GPRS, EDGE, UMTS, CDMA, Wi-Fi, WiMax, WLAN CDMA CSCF EDGE GPRS GSM HSS IP MGCF MGW MRF PLMN PSTN UMTS WiMax WLAN Code Division Multiple Access Call Session Control Function Enhanced Data Rates for GSM Evolution General Radio Packet Service Global System fpr Mobile Communication Home Subscriber Server Internet Protocol Media Gateway Control Function Media Gateway Multimedia Recource Function Public Land Mobile Network Public Switched Telephone Network Universal Mobile Telecommunication System Worldwide interoperability for Microwave Access Wireles Local Area Network Abbildung 4 • IMS-Architektur mit Anwendungen. den in voreingestellten Abständen Anfragen nach dem Status des Gesprächsteilnehmers gesendet. Sobald dieser online ist, wird eine entsprechende Antwort gesendet. Man kann auch Einstellungen vornehmen, eine solche Antwort unterbindet [13]. 4 • Die Technik Der IMS Standard [1] beschreibt die grundlegenden Netzelemente, ihre Funktionen sowie die Schnittstellen zwischen ihnen. Die einzelnen Netzelemente übernehmen dabei verschiedene Funktionen, so stellt die Anwendungsschicht Dienste bereit und die Call Session Control Functions (CSCF) übernehmen in der Verbindungs- und Steuerungsschicht die Signalisierung. Auf diese Weise sollen die verschiedenen Zugangsnetze, wie das Global System for Mobile Communication (GSM) oder das Universal Mobile Telecommunication System (UMTS), in der Verbindungsschicht in eine gemeinsame Infrastruktur zusammengeführt werden. Der Nutzen dieser Infrastruktur liegt für Mobilfunkbetreiber darin, zahlreiche Sprach-, Multimedia- und Datendienste mit dem Internet Protocol (IP) und dem Session Initiation Protocol (SIP) realisieren zu können. Dies gilt sowohl für Einzel- und Gruppenkommunikation, als auch für Echtzeit- und NichtEchtzeit-Anwendungen sowie für Triple-Play- und Quad-PlayDienste. Beispiele für IMS-Anwendungen sind fixed und mobile IPTV, VoIP, Multimedia- und Videokonferenzen, Videospiele mit mehreren Teilnehmern sowie Push-to-Talk oder Instant-Messaging. Darüber hinaus gestattet ein IMS den Aufbau von Multimediaverbindungen sowie den Wechsel zwischen verschiedenen Diensten ohne Medienbrüche. Für diesen Zweck bietet das IMS eigene Standards und ein Schichten-Modell, wodurch das Telekommunikationsnetz, wie in Abbildung 4 gezeigt, kon- MMI VoIP, PTT/PTS, Location Stream Game, VM, Push, Browser Media Manager OS OAL SIP RTP RTCP Call Manager H.264/MPEG-4, WMV, AMR, RTC, G.72x, G.711 AMR Adaptive Multi-Rate IP Internet Protocol IPsec Internet Protocol Security MPEG-4 Moving Picture Experts Grpup Layer 4 MMI Multimedia Interface OAL Operating System Abstraction Layer OS Operating System PTS Personal Telecommunication Service PTT Postal Telephone and Telegraph Push Push to Talk RTC Real Time Communication RTCP Real-time Transport Control Protocol RTP Real-time Transport Protocol SIP Session Initiation Protocol TCP Transport Control Protocol UDP User Datagram Protocol VM Virtual Marketplace VoIP Vioce over Internet Protocol WMV Windows Media Video sequent in verschiedene Schichten für das Zugangsnetz, Vermittlungsnetz mit der Sitzungsschicht und die Anwendung gliedert wird. Abbildung 5 zeigt den IMS Software Stapel mit den wichtigsten Protokollen, Codecs und Anwendungen. Der IMS Core Bisher wurden unterschiedliche Dienste über verschiedene Netze übertragen. Festnetztelefonate laufen über das ISDNNetz, Mobiltelefonate über das GSM-Netz und TV beispielsweise über das Kabelnetz. Die Vision der Entwickler des IMS ist es, diese heterogenen Netze in einem einzigen Netz zu vereinen. Dies soll durch den Einsatz der IMS Technologie geschehen. Doch wie arbeitet solch ein Netz? Der Kern eines IP Multimedia Subsystems besteht aus vier Komponenten. Das sind drei Call Session Controll Function Server (CSCF) und ein Home Subscriber Server (HSS). Die drei CSCF Server setzen sich zusammen aus einem Proxy- (PCSCF), einem Interrogating- (I-CSCF) und einem Serving- (SCSCF) Server zusammen. Sie übernehmen die Weiterleitung der Nachrichten während der HSS als Datenbankserver fungiert, um Informationen über die Benutzer zu verwalten. Nachfolgend wird erklärt, wie eine Nachricht durch das IMS geleitet wird. Als erstes kommt ein Verbindungswunsch beim P-CSCF an. Eine Firewall verhindert den Zugriff Unbefugter. Anschließend wird die Nachricht, sofern erlaubt, an den I-CSCF weitergeleitet. Dieser wählt dann anhand eines Datenbankabgleichs mit dem HSS aus, an welchen S-CSCF die Nachricht weitergeleitet werden soll. Um das Kernnetzwerk vor Angriffen zu schützen, leitet der I-CSCF keine Informationen über das Kernnetzwerk nach außen weiter. Ist ein S-CSCF gefunden, wird die Nachricht an diesen weitergeleitet. Der S-CSCF fragt ebenfalls beim HSS nach, ob für den aktuellen Benutzer spezielle Routingvorschriften gegeben sind. Danach wird die Nachricht an den gewünschten Application Server weitergeleitet. Abbildung 6 zeigt den Open IMS Core und seine Komponenten. Das Potenzial von IMS liegt insbesondere darin, dass es für die Core Netze nicht mehr verschiedene Protokolle für Voiceund Datenanwendungen gibt, sondern nur noch das Session Initiation Protocol (SIP). Das Session Initiation Protocol ist ein Steuerungsprotokoll für Sitzungen von VoIP- oder Multimediadiensten. Es dient zur Übermittlung von Signalisierungs- und Vermittlungsdaten für die Steuerung einer Kommunikations- P-CSCF CSCF I-CSCF P-CSCF S-CSCF HSS IMS Open IMS Core Call Session Controll Functionality Interrogating-CSCF Proxy-CSCF Serving-CSCF Home Subscriber Server IP Multimedia Subsystem I-CSCF UDP TCP HSS IP S-CSCF IPsec Abbildung 5 • Der IMS Software Stapel 58 Abbildung 6 • Die Komponenten des Open IMS Core 59 QUERSCHNITT 22 Ein elektronisches Lern-Managementsystem mit integrierter Bildtelefonie- und Videokonferenzfunktion FACHBEREICH INFORMATIK Anwendungsschicht Schadprogramme, Würmer Transportschicht Port Scanning, Denial of Service-Angriff Internet Protocolschicht Dynamic Host Configuration Protocol Starviation, Denial of Service-Angriff Medium Access Controllschicht Medium Access Control Spoofing Test System IMS Komponente A Abbildung 9 • Interoperability Test sitzung. Diese kann sowohl eine Punkt-zu-Punkt-Verbindung als auch eine Konferenz mit mehreren Teilnehmern sein. Über SIP können die Anwendungen gesteuert und gestartet werden. Die Einführung neuer Anwendungen sowie die Zusammenführung verschiedener Dienste werden deutlich einfacher. In der Praxis könnte das so aussehen, dass über SIP die entsprechende Anwendung gestartet wird und in einem zweiten Schritt der entsprechende Nutzdatenstrom der Anwendung über das Real Time Transport Protocol (RTP) läuft. Interessant dabei ist, dass über SIP mit der Signalisierung des Anwendungsstarts gleichzeitig die Benutzerauthentifizierung zentral über einen Home Subscriber Server (HSS) erfolgt und nicht mehr wie bisher für jede Anwendung getrennt. Gerade diese Zusammenführung in einem einzigen Netzelement vereinfacht die Integration verschiedener Dienste wie etwa Location based Services mit Videotelefonie und Videokonferenzen. kann sichergestellt werden, dass diese Daten ausschließlich von den beteiligten Endgeräten gelesen werden können. Dafür ist der Einsatz von S/MIME geeignet. S/MIME ist ein Verschlüsselungs- und Authentifizierungsverfahren, das ursprünglich für E-Mail Dienste entwickelt wurden, aber generell für eine gesicherte Übertragung von Message Bodys in IP Netzen verwendet werden kann. Der verschlüsselte Endezu-Ende-Transport über S/MIME wird durch die Nutzung von privaten und öffentlichen Schlüsseln realisiert. Ein Message Body wird durch den Absender mit dessen privaten Schlüssel signiert und mit dem öffentlichen Schlüssel des Empfängers verschlüsselt. Diese Mechanismen können lediglich für die SIP-Signalisierung verwendet werden. Es kann nicht verhindert werden, dass die eigentlichen Nutzdaten der Nachrichten (Sprache oder Bild) mitgeschnitten werden. Ebenso kann nicht sichergestellt werden, dass die Nachrichten auch wirklich vom erwarteten Sender kommen. Dieses Problem kann gelöst werden, indem man das Secure Real Time Transport Protocol (SRTP) einsetzt. Hierbei handelt es sich um eine spezielle sicherere Variante eines gängigen Multimediaprotokolls (RTP). Den gesendeten Paketen werden dabei zusätzlich Master Keys beigelegt, die nur den beteiligten Benutzern bekannt sind. Damit diese nicht ausgelesen werden können, wird das SRTP Packet verschlüsselt und am Ende mit einer Prüfsumme versehen. Alternativ dazu kann im Open IMS Core auch IP Security (IPSec) zum Einsatz kommen. IPSec kann alle oben genannten fünf Sicherheitsbedürfnisse gleichzeitig abdecken und eine sichere Verbindung auf der IP-Ebene des Datenverkehrs ermöglichen. Auch hier wird die Authentifizierung und Integrität durch die Übertragung eines automatisch generierten Keys und eines Shared Secrets realisiert. Es können zwar auch feste Keys verwendet werden, diese sind jedoch meist leichter zu knacken. Für die Verschlüsselung der transportierten Nutzdaten ist Encapsulating Security Payload (ESP) zuständig. Authentification Header (AH) schützt Pakete vor Veränderung und garantiert die Herkunft von Paketen. IPSec kann im Peerto-Peer-Betrieb punktweise zwischen einzelnen Rechnern eingesetzt werden, in diesem Fall wird IPSec im Transportmodus benutzt. Sollen zwei Gateways miteinander kommunizieren, um zwei verschiedene Netzwerke miteinander zu verbinden, so wird IPSec im Tunnelmodus eingesetzt. Wegen seiner flexiblen Einsetzbarkeit auf IP-Ebene eignet sich IPSec auch 60 Test System Test System Monitor Abbildung 7 • Angriffsarten für den IMS Core 4 • Schutz vor unbefugtem Abhören oder Mitschneiden der Nutzdaten. 5 • Sicherstellung der Integrität empfangener Nutzdaten. Die ersten drei Punkte (Schutz vor Missbrauch, der Identität und vor Verfälschung) werden vom verwendeten Signalisierungsprotokoll und die letzten Punkte 4 und 5 (Schutz vor unbefugtem Abhören und Integrität) werden vom Transportprotokoll übernommen. Da während der SIP-Signalisierung Nachrichten und Statusinformationen mit sensiblen Inhalten (z. B. Namen oder IP Adressen) übertragen werden, muss es Möglichkeiten geben diese zu schützen. SIP als Vermittlungs- und Steuerungsprotokoll erlaubt verschiedene Verfahren zum Schutz sicherheitsrelevanter Daten [8]: 1 • SIP Digest 2 • SIPS (SIP Security) mit TLS (Transport Layer Security) 3 • S/MIME (Security/Multipurpose Inter Mail Extension) SIP Digest ist ein Authentifizierungsverfahren für Teilnehmer. 5 • Sicherheit ist wichtig Bei Voice over Internet Protocol (VoIP), Bildtelefonie und Vi- Es wird bei SIP Servern zur Identifizierung eines autorisierten deokonferenzen werden sowohl Signalisierungs- als auch Nutzers, oder zur Authentifizierung eines Nutzers gegenüber Sprachdaten über das Internet übertragen. Dies bedeutet, dass eines anderen Nutzers verwendet. Das Verfahren basiert auf die Gefahren für Rechnernetze auch für den IMS Core gelten. der Übertragung eines gemeinsamen Geheimnisses („Shared Angriffe auf Sprach- und Videokonferenzsysteme können auf Secret“). Dabei wird vom Authentifikator ein einmal gültiger unterschiedliche Art erfolgen. Die Angriffsarten lassen sich in kontextbezogener Wert (Nonce Wert) erzeugt. Das Shared ein Schichtenmodell einordnen: Insgesamt sind vier Schichten Secret ist u. a. vom Nonce Wert und einem Passwort abhängig zu unterscheiden, nämlich Anwendungs-, Transport-, IP- und und wird verschlüsselt an den Authentifikanten übertragen. Im Rahmen des Einsatzes von SIPS mit TLS ist es möglich, MAC-Schicht. Abbildung 7 soll die Angriffsarten auf den verschiedenen eine Authentifizierung der beteiligten Benutzer durch den Austausch von Zertifikaten zu sichern. Anschließend werden Netzwerschichten verdeutlichen. Zugangscodes erzeugt, die nachfolgend nur den beteiligten Benutzern bekannt sind. Damit Daten nicht einfach abgehört Sicherheit im IMS Core Wenn viele Informationen über öffentliche Netzwerknoten werden können, werden sie noch verschlüsselt. Um sicherzulaufen, stellt dies in der Regel ein beliebtes Ziel für Angreifer stellen, dass die empfangenen Nachrichten auf dem entspredar. Deshalb muss das IMS Netzwerk vor solchen Angriffen chenden Sender ankommen, werden zwei Merkmale überprüft. geschützt werden. Beim Einsatz eines IMS müssen folgende Zum einen wird zu Beginn der Übertragung eine Zufallszahl ermittelt und diese nachfolgend hoch gezählt. Zum anderen Punkte als sicherheitsrelevante Aspekte beachtet werden: wird ein gemeinsames Geheimnis (Shared Secret) ausgehan1 • Schutz vor Missbrauch eines Teilnehmerzugangs beim delt, welches in jeder Nachricht enthalten sein muss. Netzbetreiber durch Unbefugte. In den Nachrichtenkörpern (Message Bodys) von SIP-Nach2 • Schutz der Identität (z. B. Name) und persönlicher richten können auch weitere Informationen (wie z. B. der PreInformationen (z. B. Aufenthaltsort, IP Adresse) eines sence Zustand) vorhanden sein. Diese Informationen werden Teilnehmers. üblicherweise nur von den SIP-Endgeräten ausgewertet. Mit 3 • Schutz vor Verfälschung von Steuerungsinformation. einer Ende-zu-Ende-Verschlüsselung der Message Bodies IMS Komponente B exzellent zum Bau von Virtual Private Networks (VPN). Der Open IMS Core wurde vom Fraunhofer FOKUS bereits für den Einsatz mit Transport Layer Security (TLS) und Internet Protocol Security (IPsec) vorbereitet. 6 • Performance und Qualität IMS Testing Erste „IMS Interoperability Tests“ verschiedener Industrieunternehmen und Infrastrukturausrüster fanden im Oktober 2007 statt. Die aktuellen Testspezifikationen beinhalten im Wesentlichen drei Testbereiche „IMS Conformance Testing“, „IMS Interoperability Testing“ und „IMS Performance Testing“. Diese Testbereiche sollen auch von diesem Projekt aufgegriffen und weiterentwickelt werden. IMS Conformance Testing Beim Conformance Testing wird, wie auch die Abbildung 8 darstellt, jede Komponente des Gesamtsystems auf Erfüllung aller vorher definierten Spezifikationen getestet. Es wird geprüft, ob alle Richtlinien von Protokollen und Standards eingehalten werden [13]. Test System IMS Komponente Abbildung 8 • Conformance Test IMS Interoperability Testing Beim Interoperability Testing werden zwei verschiedene Komponenten des Systems in Kombination miteinander getestet. Es wird geprüft, ob die zwei Komponenten über ein Netzwerk miteinander kommunizieren können und alle Schnittstellendefinitionen eingehalten wurden [13]. In Abbildung 9 kann man sehen, dass sowohl die einzelnen Komponenten als auch die Schnittstellen der Komponenten untereinander getestet werden. IMS Performance Testing Beim Performance Testing werden die Leistung, die Kapazität und die Skalierbarkeit getestet (siehe auch Abbildung 11). Es werden dann zusätzliche Benchmarktests für einen Vergleich mit anderen Systemen durchgeführt [13]. 61 QUERSCHNITT 22 Ein elektronisches Lern-Managementsystem mit integrierter Bildtelefonie- und Videokonferenzfunktion FACHBEREICH INFORMATIK PEAK-SYSTEM Abbildung 10 • Das Projektteam (von links nach rechts): Daniel Brügger, Christine Weber, Jürgen Müller, Prof. Dr. Michael Massoth, Mahtab Dalir, Thomas Treusch und Nadine Haertel nigt. Der IMS Core übernimmt dabei die Aufgabe der Sitzungssteuerung, während das Lern-Managementsystem Moodle als Anwendung fungiert. Das IP Multimedia Subsystem ist die aktuelle Referenzarchitektur für die Anwendungen und Dienste der nächsten Generation, sowie die Integrationsplattform für die Konvergenz von Fest- und Mobilfunknetzwerken. Die hohen Investitionen der ITK-Netzbetreiber und die zahlreichen positiven Marktprognosen bescheinigen dem IMS eine bedeutende und erfolgreiche Zukunft. Das Besondere an diesem Projekt ist die Zusammenführung der beiden topaktuellen Open Source „State of the Art“-Lösungen für die praxisorientierte, wissenschaftliche Ausbildung der Studierenden und zum Wohle der Hochschule. Durch den Betrieb eines elektronischen Lern-Managementsystems mit integrierter Bildtelefonie- und Videokonferenzfunktion stände erstmals ein interaktives, echtzeitfähiges ELearning als Ergänzung der Hochschullehre bereit. 7 • Zusammenfassung und Ausblick Die besondere Herausforderung dieses Projektes ist es, dass Entsprechend des pragmatischen Ansatzes des Blended Learelektronische Lern-Managementsystem „Moodle“ um ein nings könnte der seminaristische Präsenzunterricht durch SIP-basiertes Bildtelefonie- und Videokonferenzsystem zu er- den Einsatz unterschiedlicher elektronischer Medien (wie Bildweitern. Dazu werden die beiden Open Source Lösungen, das telefonie, Videokonferenz, Animationen, Simulationen, u.v.m.) Lern-Managementsystem Moodle einerseits und das IP Multi- ergänzt werden und den Lernenden somit ein effektiveres, media Subsystem (IMS Core) andererseits, miteinander verei- selbstgesteuertes und optimiertes Lernen ermöglichen. Ausgesuchte Testfälle Sämtliche Testfälle werden ausschließlich mit Freeware bzw. Open Source Tools realisiert. Für die Paketanalyse wird das Tool „Wireshark“ [9] verwendet. Bei der Generierung von Traffic für Last- oder Performancetest wird das Open Source Tool „IMS Bench SIPp“ [10] eingesetzt. Beim Testen der Kommunikation wird das Verhalten der Clients jeweils bei einem Verbindungsaufbau und Verbindungsabbau analysiert. Anschließend kann dann eine Kommunikation zweier Clients über den Server durchgeführt und dabei ihr Verhalten geprüft werden. Bei Lasttests wird das Verhalten des Servers während einer großen Anzahl an parallelen Anmeldungen analysiert. Hierbei gilt es herauszufinden wie viele parallele Kommunikationen der Server ohne Leistungseinbrüche bewältigen kann [15]. Test System IMS Abbildung 11 • Performance Test 62 Literatur 1 • http://www.sipknowledge.com/IMS_Specs.htm 2 • http://www.3gpp.org/ 3 • http://www.abiresearch.com/ abiprdisplay.jsp?pressid=660 4 • http://www.goldmedia.com/aktuelles/info/news/ hohes-potenzial-fuer-mobile-tv-weltweit/247.html 5 • http://www.fokus.fraunhofer.de/ims 6 • http://www.funkschau.de/heftarchiv/pdf/2007/fs_0705/ fs_0705_s44-s46%20IMS.pdf 7 • http://www.openimscore.org/ 8 • Ulrich Tick, Frank Weber: SIP, TCP/IP und Telekommunikationsnetze, Oldenbourg Wissenschaftsverlag 2005 9 • http://www.wireshark.org 10 • http://sipp.sourceforge.net/ims_bench 11 • http://www.fh-liste.de 12 • Tevetoglu, Seda: Konzept zur Erweiterung des elektronischen Lernmanagementsystems „Moodle“ um ein Videokonferenzsystem, Bachelorarbeit Hochschule Darmstadt, 2006 13 • Din, George: Introduction to IMS Testing, Foliensatz IMSWorkshop, 2007 14 • http://moodle.org/mod/forum/discuss.php?d=57028 15 • Lambert, Maik: Aufbau und Betrieb eines Testnetzes zur Veranschaulichung der Abläufe von Voice over IP, Bachelorarbeit Hochschule Darmstadt, 2007 Kurzbiografie Professor Dr. Michael Massoth, geb. 1966, studierte Mathematik und Physik an den Universitäten Frankfurt/Main und Bochum. Er promovierte am Max-Planck-Institut für Physik komplexer Systeme in Dresden. Danach arbeitete er sechs Jahre lang als Research Engineer, Senior System Designer und Projektmanager bei der Ericsson Eurolab Deutschland GmbH im Bereich Mobilfunk (GSM, GPRS, UMTS) in Herzogenrath. Im August 2005 erwarb er den MBA-Abschluss „Entrepreneurship“ am Aachen Institute of Applied Sciences. Seit September 2005 unterrichtet er an der Hochschule Darmstadt Telekommunikation, Wirtschaftsinformatik sowie Grundlagen der Informatik. Darüber hinaus ist er Koordinator für den allgemeinen Masterstudiengang Informatik. 63