04 - 1 MODELLGAS Vorbereitung: Kinetische Gastheorie, Geschwindigkeitsverteilung in Gasen, Barometrische Höhenformel, Boltzmannfaktor, Hauptsätze der Thermodynamik. Grundlagen: a) Wahrscheinlichkeitsrechnung: (Lit. Berkeley Physik Kurs V, "Statistische Physik") Bei ungefähr 1020 Teilchen ist es unmöglich, die kinetische Energie (den Impuls, den Ort usw.) jedes einzelnen Teilchens zu bestimmen. Man kann aber z.B. aufgrund der großen Teilchenzahl Aussagen z.B. über die mittlere Anzahl dNE der Teilchen machen, deren kinetische Energie zwischen E und E+dE liegt. Bezeichnet man mit N die Gesamtzahl der Teilchen, so ist durch P ( E)dE = dN E N (1) die Wahrscheinlichkeit gegeben, ein Teilchen im Energieintervall zwischen E und E+dE anzutreffen. Die Funktion P(E) bezeichnet man als Wahrscheinlichkeitsdichte. Die Gleichung (1) läßt sich verallgemeinern zu P ( X)dX = dN X N (1a) wobei ein X irgendeine interessierende physikalische Größe (kinetische Energie, potentielle Energie, Ort, Impuls, usw.) bedeutet. Die Wahrscheinlichkeitsdichte P(X), wobei X allgemein eine dynamische Variable wie Ort, Impuls, kinetische Energie, etc. bezeichnet, muß eine der beiden Normierungsbedingungen (2) oder (3) erfüllen: +∞ ∫ P( X)dX = 1 −∞ Kann X nur Werte zwischen a und b annehmen, so gilt: (2) 04 - 2 b ∫ P (X )dX = 1 (3) a Sind X und Y voneinander unabhängige Größen, so ist die Wahrscheinlichkeit für das gleichzeitige Auftreten der Werte von X und Y: P(X,Y) dXdY = P(X) P(Y) dX dY Zählt man i-mal die Teilchen während eines Zeitintervalles ∆t , bei denen eine bestimmte Größe (Energie, Impuls etc.) den Wert X annimmt, so werden die Ergebnisse n i um einen Mittelwert n streuen. Diese sind in guter Näherung nach Poisson verteilt, d.h. der mittlere n . In dem Intervall [ n − n , n + n ] liegen also quadratische Fehler von n ist gleich 68,3% der ni. Bei einem Zählversuch betrachtet man die Anzahl n der Teilchen der einmaligen Messung als den Mittelwert einer Verteilung mit einem Fehler n . b) Der Boltzmannfaktor exp(-E/kT) Die Wahrscheinlichkeit dafür, daß bei der Temperatur T ein Zustand mit der Energie E besetzt ist, ist dem Boltzmannfaktor exp(-E/kT) proportional. Das führt in der kinetischen Gastheorie zu folgendem Ausdruck für die Wahrscheinlichkeit P ( E( r , v)) d 3 r d 3 v , ein Teilchen in dem Volumenelement dxdydz um den Ort r =(x,y,z) mit einer v Geschwindigkeit im Bereich dvx dvy dvz um P E r , v =c⋅e−E r, v kT d 3 r Dabei ist angenommen, =(vx,vy,vz) anzutreffen: d3 v daß die Teilchenenergie einerseits von der Teilchengeschwindigkeit abhängt (E=½ mv2 ), andererseits aber auch eine Funktion des Ortes sein kann (z.B. im Gravitationspotential). Läßt sich die Energie darstellen in der Form E ( r , v ) = E( r ) + E( v) , so gilt für den Boltzmannfaktor: e E ( r ,v ) kT =e −E( r ) kT −E( v) ⋅e kT In diesem Fall kann man über d3 v integrieren und erhält die Wahrscheinlichkeit P ( r ) d 3 r , ein Teilchen im Volumenelement d3 r um r mit beliebiger Geschwindigkeit anzutreffen. Entsprechendes gilt für P ( v)d 3 v . Die Proportionalitätskonstante c läßt sich nach Gleichung (2) bzw. (3) berechnen. 04 - 3 Apparatur: Zur modellmäßigen Überprüfung von Zusammenhängen der kinetischen Gastheorie wird ein Modellgas verwendet. Dieses wird durch ca. 400 Kugeln in einer Kammer dargestellt, die zwei durchsichtige Seitenwände und eine bewegliche Grund- bzw. Deckfläche hat. Die Grundfläche oszilliert (Motorantrieb). Durch sie erhalten die Kugeln die zur Bewegung notwendige Energie. Die Deckfläche kann in verschiedene Höhen h (1cm - 18cm) über der Grundfläche fest eingestellt werden. Abb.1 Versuchsaufbau Modellgas mit Lichtschranke Aufgabe 1: Leiten Sie mit Hilfe der in 1a + 1b gemachten allgemeinen Überlegungen die barometrische Höhenformel und die Maxwell'sche Geschwindigkeitsverteilung her. Aufgabe: 2 Prüfen sie experimentell die barometrische Höhenformel nach ! 04 - 4 Anleitung: Mit einer Lichtschranke wird ein Volumenelement ausgeleuchtet. Fliegt eine Glaskugel durch das ausgeleuchtete Volumenelement, so wird der auf das Photoelement gerichtete Lichtstrahl kurz unterbrochen und auf den Zähler ein Impuls gegeben. Durch Verschieben der Kammer kann das ausgeleuchtete Volumenelement in verschiedene Höhen gebracht werden. Die Deckfläche ist dabei auf maximale Höhe einzustellen. Messungen: Messen Sie in 10 verschiedenen Höhen (∆h = 1 cm) die Anzahl der Kugeln, die durch das ausgeleuchtete Volumenelement während je zwei Minuten fliegen. Zeichnen Sie n = f(h) und ln n = f(h). Wählen Sie dazu einen vernünftigen Nullpunkt und Maßstab. Tragen Sie in der Zeichnung n = f(h) an jeden Meßpunkt den entsprechenden Fehlerbalken ein. Berechnen Sie aus der Steigung der Geraden ln n = f(h) die "Temperatur" des Modellgases (nGlaskugel = 18⋅10-6 kg). Diskutieren Sie das erhaltene Ergebnis. Aufgabe 3 Prüfen Sie am Modellgas die Maxwell'sche Geschwindigkeitsverteilung nach ! Anleitung: An der Kammer wird ein Filter angebracht, so daß nur Kugeln mit annähernd waagrechter Flugrichtung die Kammer verlassen können. Um die Geschwindigkeit der Kugeln bestimmen zu können, wird ein sektorenförmiger Auffänger verwendet, der in kreisförmige Kammern mit gleichem Wandabstand aufgeteilt ist (siehe Abb.3). Aus der Höhe H des Auswurfschlitzes über dem Auffänger (H = 8 cm) kann die Geschwindigkeit der Kugeln in den verschiedenen Kammern bestimmt werden (Wurfparabel). Die Deckfläche ist auf h = 6 cm einzustellen. 04 - 5 Abb.3 Versuchsaufbau Modellgas mit Auffänger Messung: Zählen Sie die Anzahl nt der Kugeln in den einzelnen Kammern nach einer Meßzeit t von 2, 5, 10 und 20 Minuten. Die Anzahl n5 für t = 5 min erhalten Sie, indem Sie zu n2 der Zählung für t = 2 min noch einmal während 3 min weiterzählen. Das gleiche gilt für 10 und 20 Minuten. Füllen Sie dabei alle 5 min die Anzahl n5 Kugeln nach, um die Anzahl der Kugeln in der Kammer näherungsweise konstant zu halten. Zeichnen Sie die vier Messungen in ein Diagramm n = n(v) mit Fehlerbalken für t = 20 min. Leiten Sie den Zusammenhang zwischen Wurfweite und Geschwindigkeit her. Beschreiben Sie wichtige Eigenschaften der Maxwell'schen Geschwindigkeitsverteilung (Verhalten für v→0, v→∞; Lage des Maximums für verschiedene Temperaturen etc.) Diskussion Diskutieren Sie mögliche Fehlerquellen für Aufgabe 2. und 3. ! Bei der Messung werden (wegen des Auswurfschlitzes) nur Teilchen zugelassen, deren Geschwindigkeitsvektoren in einen eng begrenzten Raumwinkel weisen. Es wird daher nicht die dreidimensionale Maxwell'sche Geschwindigkeitverteilung gemessen, sondern m v2 kT die eindimensionale: P v dv= c e− 2 dv Begründen Sie dies! Passen Sie diese Verteilung in einem geeigneten v-Bereich an die Messung an, indem Sie die in der Aufgabe 2 bestimmte Temperatur T des Modell-Gases verwenden und nur die Normierung c 'freilassen'. 04 - 6 00 Word 97