Diskrete Mathematik - Basiswissen für Informatiker - Beck-Shop

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Diskrete Mathematik - Basiswissen für Informatiker
Eine Mathematica-gestützte Darstellung
von
Werner Nehrlich
1. Auflage
Hanser München 2003
Verlag C.H. Beck im Internet:
www.beck.de
ISBN 978 3 446 22300 4
Zu Inhaltsverzeichnis
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CARL HANSER VERLAG
Werner Nehrlich
Diskrete Mathematik - Basiswissen für Informatiker
Eine Mathematica-gestützte Darstellung
3-446-22300-2
www.hanser.de
1.4 Einige Beweisprinzipien
57
Zu Euklids Beweis, dass es unendlich viele Primzahlen gibt (Satz 1.10):
Der Satz wurde auf Platz 3 der genannten Liste der Top Ten mathematischer Sätze gewählt.
William Dunham (University of Pennsylvania) sagte über diesen Beweis:
Diejenigen mit einem natürlichen Hang zur Mathematik rührt er zu Tränen, diejenigen ohne
ø
einen solchen Hang finden ihn zum Heulen.ú
Als Euklidische Zahlenú euklid@nD bezeichnen wir die Nachfolger der Produkte der ersten n
ø
Primzahlen. In Euklids Beweis wird dann verwendet, dass euklid@nD stets entweder prim ist
oder einen Primfaktor enthält, der größer als die ersten n Primzahlen ist.
Durch den Mathematica-Befehl Prime@kD wird die k-te Primzahl generiert. Wir sehen uns die
ersten 20 Euklidischen Zahlen an:
euklid@n_D := ä Prime@iD + 1;
n
Table@euklid@nD, 8n, 20<D
i=1
83, 7, 31, 211, 2311, 30031, 510511,
9699691, 223092871, 6469693231, 200560490131,
7420738134811, 304250263527211, 13082761331670031,
614889782588491411, 32589158477190044731,
1922760350154212639071, 117288381359406970983271,
7858321551080267055879091, 557940830126698960967415391<
Welche dieser Euklidischen Zahlen sind nun selbst Primzahlen? Wir stellen fest: Während die
ersten fünf, nämlich 3, 7, 31, 211, 2311 tatsächlich unzerlegbar sind, werden die Primzahlen
unter den Euklidischen danach sehr schnell äußerst selten:
Select@Map@euklid, Range@11DD, PrimeQD
Select@Map@euklid, Range@74DD, PrimeQD
Select@Map@euklid, Range@75DD, PrimeQD
83, 7, 31, 211, 2311, 200560490131<
83, 7, 31, 211, 2311, 200560490131<
83, 7, 31, 211, 2311, 200560490131,
171962010545840643348334056831754301958457563589574256„
04387711050583216552385626130839796514795557880099945„
57822024565226932906295208262756822275663694111<
Im Anschluss an die Serie der ersten fünf Euklidischen Zahlen folgt erst mit der 11ten
Euklidischen Zahl wieder eine (12-stellige) Primzahl, und danach finden wir gar erst mit der
75ten Euklidischen Zahl wieder eine unzerlegbare Zahl (mit 154 Stellen)! Fährt man in der
Prüfung der Euklidischen Zahlen auf diese Weise fort, so findet Mathematica noch die 171te
und die 172te Euklidische Zahl (als 425- bzw. 428-stellige) und schließlich die 384te Euklidische Zahl (als 1 115-stellige) Primzahlen. Damit wären die ersten 10 Primzahlen (unter den
ersten 400) Euklidischen Zahlen gefunden. Die Rechenzeit für die Primzahlprüfung ist dabei
bereits recht groß. Es sei noch bemerkt, dass in den letzten drei Fällen der Primzahltest wegen
der gigantischen Größe der Zahlen nicht mit letzter Sicherheit vorliegt. (Der MathematicaTest PrimeQ liefert nur für Zahlen n < 1016 ein stets zuverlässiges Resultat. Der exakte Test
ProvablePrimeQ erfordert für die letzten drei Zahlen eine exorbitante Rechenzeit.)
Die Frage, ob unter den Euklidischen Zahlen unendlich viele Primzahlen sind, ist ungelöst. (Vgl. [Wagon, 1991].)
86
2 Mengen
Folgerung 2.3:
Die Menge Z = 80, 1, -1, 2, -2, 3, -3, ¼< der ganzen Zahlen ist unendlich:
Es gilt Z ~ N0 .
Beweis:
Eine Bijektion von N0 auf Z erhält man beispielsweise durch
0 # 0 , 1 # 1, 2 # -1, 3 # 2 , 4 # -2, 5 # 3 , 6 # -3, ¼
also allgemein
n+1
n # - €€€€n2€ (falls n gerade ist) und n # €€€€€€€€€€
€ (falls n ungerade ist).
2
à
Die Menge N0 der natürlichen Zahlen ist also gleichmächtig zu einer Reihe anderer unendlicher Mengen, von denen man dies a priori möglicherweise nicht vermuten würde. Gibt es
nicht viel mehr ( doppelt so vieleú) ganze als natürliche Zahlen bzw. viel weniger
ø
( halb so vieleú) gerade als natürliche Zahlen, von den Primzahlen ganz zu schweigen? Wir
ø
haben ein eindeutiges Nein auf diese Fragen gefunden!
Gleichzeitig ist diese in gewisser Weise paradoxe Situation (dass ein echter Teil genauso
mächtig wie das Ganze sein kann) der fundamentale Unterschied zwischen endlichen und
unendlichen Mengen. Der bedeutende italienische Mathematiker, Physiker und Astronom
Galileo Galilei (1564||1642) hatte diese Paradoxie des Unendlichen in seinen Discorsiú am
ø
Beispiel der Quadratzahlen beschrieben.
Es gibt einige Versinnbildlichungen dieser Paradoxien:
Denken wir uns als Beispiel einen Menschen, der seine eigene Lebensgeschichte so ausführlich beschreibt, dass er für einen einzigen Tag seines Lebens ein ganzes Jahr benötigt. Am
Ende seines Lebens hat er bestenfalls einige Monate aufgeschrieben. Nimmt man aber an,
dass der Mensch unendlich lange leben kann, so kann er sein Leben komplett beschreiben,
denn die Menge der am Endeú beschriebenen Lebenstage ist gleichmächtig zur Menge der
ø
Lebensjahre.
Ein andere Versinnbildlichung der Mächtigkeit der Menge der natürlichen Zahlen stellt das so
genannte Hilbertsche Hotel (nach D. Hilbert) dar. Dieses Etablissement verfügt über gerade
so viele Zimmer, wie es natürliche Zahlen gibt, also nummeriert mit 0, 1, 2, 3, 4, ¼ . Stellen
wir uns nun vor, dieses Hotel sei ausgebucht, also jedes Zimmer an einen Gast vergeben, und
es käme ein neuer Gast mit der Bitte um Unterkunft. Der Hotelier hätte keinerlei Schwierigkeiten, auch diesen neuen Gast unterzubringen: Er könnte beispielsweise jeden Gast bitten, von
seinem Zimmer mit der Nummer n in das Zimmer mit der Nummer n + 1 zu ziehen. Für den
neuen Gast würde auf diese Weise Zimmer 0 frei! Selbst wenn ein Bus mit so vielen neuen
Gästen ankäme, wie es natürliche Zahlen gibt, könnten auch diese alle untergebracht werden:
Die bisherigen Bewohner bräuchten lediglich aus ihrem Zimmer Nummer n in das mit der
Nummer 2 n ziehen. Die Zimmer mit ungerader Zimmernummer wären somit für die
(unendlich vielen) neuen Gäste frei.
2.4.3
Abzählbar unendliche Mengen
Die Mächtigkeit der bisher betrachteten unendlichen Mengen ist eine ganz typische und
andererseits || wie wir noch sehen werden || bei weitem nicht die einzige Mächtigkeit unendlicher Mengen. Man nennt derartige Mengen wegen ihrer Gleichmächtigkeit zu N0 , also der
Möglichkeit, ihre Elemente zu nummerieren, abzuzählen, abzählbar unendlich.
148
4.14
4 Relationen
Ersetzt man rein formal in der Definition der Kleiner-Gleich-Relation die Addition
durch die Multiplikation, so erhält man die bereits früher erwähnte Teilbarkeitsrelation auf N0 :
R = 9Hn, mL : n, m Î N0 ï
Þ H n × k = m L=
H*L
Wie üblich wollen wir abkürzend n È m anstelle von n R m für die Relation der
Teilbarkeit schreiben. Die Teilbarkeit ist gemäß H * L das multiplikative Analogon zur
Kleiner-Gleich-Relation auf N0 .
Der Nachweis der Reflexivität und der Transitivität der Teilbarkeitsrelation verläuft
tatsächlich analog zu den obigen Beweisen: Da in N0 stets n × 1 = n gilt, ist die Teilbarkeit reflexiv. Aus n × k1 = m und m × k2 = l folgt stets n × k1 × k2 = l, und, wegen der
Produkt-Abgeschlossenheit von N0 , beweist dies die Transitivität. Linearität ist
allerdings nicht erfüllt, beispielsweise gilt weder 2 È 3 noch 3 È 2.
Die Teilbarkeitsrelation È ist wie ihr additives Analogon £ eine antisymmetrische
Relation. Um dies zu zeigen, nehmen wir an, für zwei beliebige natürliche Zahlen
n, m gelte sowohl n È m als auch m È n. Nach Definition existieren dann zwei natürliche Zahlen k1 und k2 , so dass n × k1 = m und m × k2 = n gilt. Die Kombination der
beiden Gleichungen ergibt n × k1 × k2 = n . Im Falle n ¹ 0 folgt hieraus unmittelbar
k1 × k2 = 1 und wegen k1 , k2 Î N0 auch k1 = k2 = 1. Also gilt tatsächlich n = m. Im
Falle n = 0 ist wegen n × k1 = m auch m = 0, so dass auch dann n = m folgt.
k Î N0
Der letzte Beweisschritt führt uns auf zwei Besonderheiten der Teilbarkeitsrelation
gemäß Definition H * L.
Zunächst gilt:
a) Für jede natürliche Zahl n gilt n È 0. Jede natürliche Zahl (auch die Null selbst) ist
Teiler von Null.
b) Für jede natürliche Zahl n gilt 1 È n. Die Zahl Eins ist Teiler jeder natürlichen Zahl.
Diese beiden Beobachtungen bringen einen sehr engen Zusammenhang, eine Isomorphie, ans Licht. Schränkt man nämlich die Definition H * L auf die Teilermenge THaL
einer natürlichen Zahl a ¹ 0 ein, in deren Primfaktorzerlegung kein Faktor mehrfach
vorkommt, so erhält man eine endliche Relation, die völlig gleichgestaltig zur Inklusionsrelation auf einer gewissen Potenzmenge ist. Wir hatten am Beginn dieses Kapitels
bereits auf das Beispiel TH30L aufmerksam gemacht und werden auf diese Isomorphie
in 4.2.4 zurückkommen. Eine zweite Besonderheit sei noch erwähnt. Verfolgt man die
dargestellten Beweise genau, so wird man leicht einsehen, dass bei der Erweiterung der
Teilbarkeitsrelation auf die Menge aller ganzen Zahlen gemäß
R = 9 Hn, mL : n, m Î Z ï Þ H n × k = m L =
kÎZ
die Eigenschaft der Antisymmetrie verloren geht (für jede ganze Zahl q gilt nämlich
dann neben q È q auch - q È q und q È -q, aber für alle q ¹ 0 ist q ¹ -q), aber alle
anderen Eigenschaften gültig bleiben.
4.15
Für die in Beispiel 4.5 eingeführte Relation R der Teilerfremdheit auf der Menge
81, 2, 3, 4, 5< gemäß x R y « g g T Hx, yL = 1 , gilt offenbar die Eigenschaft der
Symmetrie und keine der weiteren Eigenschaften aus Definition 4.7. Abschließend sei
hier noch erwähnt, dass es zwischen den acht aufgeführten Eigenschaften binärer
Relationen auf einer Menge gegenseitige Abhängigkeiten gibt. Bereits aus der Definition 4.7 ist unmittelbar klar, dass jede asymmetrische Relation auch antisymmetrisch
ist. Auch in der Diskussion der obigen Beispiele wurden gegenseitige Beziehungen
deutlich. So konnten wir beispielsweise bei der Schwesterschaftsrelation erkennen,
dass eine irreflexive Relation, die gleichzeitig nicht asymmetrisch ist, niemals transitiv
sein kann. Eine äquivalente Formulierung dieser Implikation könnte lauten: Eine
irreflexive und transitive Relation ist stets asymmetrisch.
Ferner sieht man leicht, dass mit dem Erfülltsein einer der in Definition 4.7 angegebenen Eigenschaften für eine Relation R auch zugleich deren inverse Relation R-1 die
entsprechende Eigenschaft besitzt. Zu diesen und weiteren Zusammenhängen verwei-
5.1 Begriffe, Eigenschaften und Beispiele von Funktionen
187
Ein wenig detaillierter wollen wir nun noch eine sehr berühmte Zahlenfolge ansehen, deren
erste 20 Glieder die Zahlen
0, 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34 , 55, 89, 144, 233, 377, 610, 987, 1597, 2584, 4181, ...
sind. Für diese Folge ist es wesentlich schwieriger, eine explizite Bildungsvorschrift anzugeben, als zu beschreiben, wie das nächste Glied der Folge zu bilden ist, wenn man die beiden
Vorgängerglieder kennt:
Durch die Festlegungen a0 = 0, a1 = 1 und an = an-1 + an-2 (für n = 2, 3, 4, ...) ist die
Folge vollständig bestimmt. Man spricht von einer rekursiven (auf sich selbst bezüglichen)
Definition der Zahlenfolge.
Der italienische Rechenmeister Leonardo von Pisa, genannt Fibonacci (ca. 1170||1250),
hatte diese Folge gefunden. Im Kapitel 12 seines 1202 erschienenen mathematischen Hauptwerks liber abaciú (Buch des Rechenbretts), eines Rechenbuchs für Kaufleute, das zugleich
ø
eines der bedeutendsten und einflussreichsten mathematischen Werke des Mittelalters darstellt, hat er sie mit folgenden Worten eingeführt:
Jemand sperrt ein Paar Kaninchen in ein überall mit einer Mauer umgebenes Gehege, um
ø
zu erfahren, wie viele Nachkommen dieses Paar innerhalb eines Jahres haben werde, vorausgesetzt, dass es in der Natur der Kaninchen liege, dass sie in jedem Monat ein anderes Paar
zur Welt bringen und dass sie im zweiten Monat nach ihrer Geburt selbst gebären.ú
Natürlich handelt es sich um eine idealisierte Kaninchenvermehrung:
Jedes Paar ist nach zwei Monaten fortpflanzungsfähig und bringt von diesem Termin an jeden
Monat ein neues Paar zur Welt, und alle Kaninchen leben ewig! Immerhin gäbe es dann nach
einem Jahr bereits 233 Kaninchenpaare, und nach 10 Jahren wäre die Population auf
5 358 359 254 990 966 640 871 840 Paare angewachsen. Setzt man diese Bildung gedanklich
fort, so erhält man die obige, rekursiv angegebene, heute als Fibonacci-Folge bekannte
Zahlenfolge. Ungeachtet ihrer etwas gekünstelten Herkunft ist die Folge dieser Zahlen nicht
nur innerhalb der Mathematik und ihrer Anwendung von enormer Bedeutung: Die aktuellsten
Forschungsergebnisse dazu werden regelmäßig in einer speziellen Fachzeitschrift veröffentlicht, diese Zahlen treten in der Theorie der Datenbanken und bei der Untersuchung der
Komplexität von Algorithmen genauso auf wie bei der Lösung des berühmten 10. Hilbertschen Problems. Aber erstaunlicherweise trifft man sie auch in der Natur an, beispielsweise
bei der Ausbildung von Blättern und Blüten einiger Pflanzen. So sind die Kerne im Fruchtstand einer Sonnenblume in rechts- und linksdrehenden Spiralen angeordnet. Die Anzahlen
von Spiralen jeder der Drehrichtungen sind in allen Sonnenblumen Fibonacci-Zahlen! Auch
bei den Schuppen von Tannenzapfen und Ananasfrüchten treten diese Zahlen auf. Die Anordnung von Blättern an Zweigen von Bäumen werden in der Botanik im Hinblick auf den
Phyllotaxiswertú untersucht. Dazu wählt man ein Blatt eines Zweiges als Startpunkt und
ø
dreht sich schraubenförmig um den Zweig, bis ein Blatt gegenüber dem Startblatt erreicht
wird. Das Verhältnis der Umdrehungen zur Anzahl der dabei passierten Blätter (der Phyllotaxiswert) ist bei den wichtigsten Bäumen das Verhältnis von Fibonacci-Zahlen.
In diesem Zusammenhang nennen wir eine weitere verblüffende Eigenschaft der Glieder der
an+1
Fibonacci-Folge: Der Quotient €€€€€€€€€€€€€
benachbarter Fibonacci-Zahlen nähert sich mit wachsenan
!!!!
1
dem n der Zahl €€€€2€ I1 + 5 M » 1.61803398874989485 , der Zahl des goldenen Schnitts! Der
goldene Schnitt (sectio aurea) teilt eine Strecke so in zwei Abschnitte, dass sich die Gesamtstrecke zum längeren Teilstück verhält wie das größere zum kleineren. Diese Verhältniszahl
!!!!
ist genau die Größe €€€€21€ I1 + 5 M. Der goldene Schnitt gilt seit dem Altertum in Kunst und
Architektur als Inkarnation für eine harmonische Unterteilung und wird deshalb sogar als
göttliche Proportion (divina proportia) bezeichnet. Auch eine Verbindung der Fibonacci-Zahlen mit dem Satz des Pythagoras wollen wir noch erwähnen:
Die Summe der Quadrate aufeinander folgender Fibonacci-Zahlen ist stets wieder eine
Fibonacci-Zahl!
Bevor wir uns in Kapitel 6 und 7 nochmals mit der Fibonacci-Folge beschäftigen werden
(eine Reihe von Eigenschaften dieser Zahlen sind in Übungsaufgabe 6.21, Abschn. 6.2, zu
finden), geben wir noch eine explizite Darstellung dieser interessanten Funktion an, welche
auch als Formel von Binet bekannt ist (nach dem französischen Mathematiker Jacques Binet
5.1 Begriffe, Eigenschaften und Beispiele von Funktionen
197
Eine spezifische Eigenschaft von Permutationen ist ihr so genannter Charakter.
Definition 5.5:
Es sei p Î Sn . Dann bildet das Zahlenpaar Hi, jL H1 £ i, j £ nL eine Inversion bez. p, wenn
i < j und pHiL > pH jL gilt.
i- j
Dies ist offenbar genau dann der Fall, wenn i < j und €€€€€€€€€€€€€€€€€€€€€€
< 0 gilt.
pHiL-pH jL
Die Permutation p heißt gerade (von geradem Charakter), wenn es eine gerade Anzahl
von Inversionen bez. p gibt, anderenfalls heißt p ungerade.
:
Als Signum von p bezeichnen wir dann die Funktion
signum HpL = H-1LAnzahl der Inversionen bez. p =
-1, falls p gerade
-1, falls p ungerade
n
nHn-1L
Mit der Zahl J N = €€€€€€€€€€€€€€€€€
, der Anzahl von Möglichkeiten der Auswahl von Paaren Hi, jL mit
2
2
i < j aus n Zahlen, ist die Maximalzahl von Inversionen bez. einer Permutation von n Elementen gegeben. Offenbar ist die identische Permutation mit 0 Inversionen in jeder Menge Sn
12
N mit einer Inversion.
stets gerade. In S2 gibt es daneben die ungerade Permutation J
21
Sehen wir uns nun die Verteilung der Charaktere in S3 an. Bezüglich p2 bildet H2, 3L offenbar
die einzige Inversion. In p6 bilden alle drei Paare H1, 2L, H1, 3L, H2, 3L eine Inversion. Beide
Permutationen sind daher ungerade. Die nachfolgende Tabelle komplettiert die Angaben:
Permutation Anzahl von Inversionen
123
N
0
p1 = J
123
123
p2 = J
N
1
132
123
N
1
p3 = J
213
123
p4 = J
N
2
231
123
N
2
p5 = J
312
123
p6 = J
N
3
321
Charakter Signum
gerade
-1
ungerade
-1
ungerade
-1
gerade
-1
gerade
-1
ungerade
-1
n!
Wie wir noch sehen werden, gibt es unter den n! Permutationen in Sn stets €€€€€€
€ gerade und
2
folglich ebenso viele ungerade. Die in Definition 5.5 eingeführte Signumfunktion ist eine
Abbildung von der Menge aller Permutationen auf die Menge 8-1, 1<. Permutationen treten
in der Mathematik und ihrer Anwendung äußerst häufig auf. Immer, wenn Objekte sortiert
werden sollen oder wenn Umordnungen in Berechnungen benötigt werden, greift man auf
diese Funktionen zurück. Ein Beispiel mag dies verdeutlichen:
Die in Beispiel 5.14 unserer Serie von Funktionen (5.1.3) vorgestellten Determinanten können
in allgemeiner Form erst richtig elegant definiert werden, wenn man Permutationen verwendet. Die Definition lautet dann:
276
7 Algorithmen und rekursive Funktionen
7.3
Rekursive Funktionen
7.3.1
Zur mathematischen Präzisierung des Algorithmenbegriffs
Einer der ersten erfolgreichen Versuche der mathematischen Präzisierung dessen, was ein
Algorithmus ist, der Begriff der rekursiven Funktion, stammt von Kurt Gödel (1906||1978)
aus den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts (publiziert im Jahre 1931). Dieser mathematische Ansatz ist im Zusammenhang mit etwa zeitgleichen ähnlichen Bemühungen durch David
Hilbert (1862||1943), Alonzo Church (1903||1995), Stephen Kleene (1909||1994), Emil
Post (1897||1954), Alan Turing (1912||1954) und andere zu sehen.
Das Bedürfnis nach einer präzisen Beschreibung dessen, was ein Algorithmus ist, entstammte
ursprünglich der mathematischen Logik und wurde um 1920 zu einem der fundamentalen
Probleme der Mathematik. Die Logiker hatten sich nämlich bemüht, ein Verfahren zu finden,
mit dessen Hilfe man für beliebige Ausdrücke der Sprache der Prädikatenlogik entscheiden
könnte, ob sie aus einem gegebenen Axiomensystem folgen (also allgemeingültig sind) oder
nicht. Man spricht vom so genannten Entscheidungsproblem der Prädikatenlogik. Nach vielen
vergeblichen Bemühungen kamen Zweifel auf, ob es einen derartigen Algorithmus zur
Lösung des Entscheidungsproblems der Prädikatenlogik überhaupt gebe. Nun kann aber eine
Behauptung von der Art, dass es für eine Aufgabenklasse keine algorithmische Lösung gibt,
nur beantwortet werden, indem eine Aussage über alle denkbaren Algorithmen bewiesen
wird. Dazu bedarf es der mathematischen Präzisierung des Algorithmenbegriffs! Denn für
einen mathematischen Beweis genügt es nicht, sich auf die intuitive Vorstellung vom Wesen
eines Begriffs (wie sie natürlich bei jedem Mathematiker im Falle eines Algorithmus vorausgesetzt werden kann und wir sie in 7.1.1 diskutiert haben) zu stützen. Tatsächlich konnte Kurt
Gödel mit seiner Idee der rekursiven Funktionen dann auch den ersten Nachweis eines
algorithmisch unlösbaren Problems erbringen. Dabei handelte es sich um die Frage, ob es
möglich ist, alle wahren Aussagen der elementaren Arithmetik aus dem Peanoschen (oder
einem anderen) Axiomensystem algorithmisch zu erzeugen. Gödels Unmöglichkeitsbeweis ist
als Gödelscher Unvollständigkeitssatz bekannt geworden. Den Beweis für die algorithmische
Unlösbarkeit des Entscheidungsproblems der Prädikatenlogik fanden A. Church (1936) und
etwa gleichzeitig A. Turing.
Die von Gödel, Kleene und Church definierte Menge der rekursiven Funktionen ist, wie
gesagt, nur eine mathematische Präzisierung des Algorithmenbegriffs. Das methodische
Vorgehen ist dabei algebraischer Natur. Wir werden es im Folgenden näher erläutern. Etliche
weitere Präzisierungen des Algorithmenbegriffs folgten. Sie waren eher geprägt vom Versuch,
das Modell eines realen, physischen Rechnersú, der über elementare Basisoperationen
ø
verfügt und mit einem Programmú ausgestattet ist, zu mathematisieren. Die bekannteste und
ø
einflussreichste dieser mathematischen Präzisierungen des Algorithmenbegriffs stammt von
Alan Turing und wird heute Turing-Maschine genannt. Berühmt wurden auch die Post-Algorithmen (um 1943, nach Emil Post). Wesentlich später, in den sechziger Jahren, kamen so
genannte Registermaschinen und Random-Access-Maschinen hinzu, deren Konstruktionsø
prinzipú sich noch stärker an der Arbeitsweise realer Computer orientierte.
Allen Präzisierungen ist gemeinsam, dass die wesentlichen Kriterien des Algorithmenbegriffs
in rein mathematische Begriffe und Termini umgesetzt werden, die den Anforderungen
definitorischer Strenge und logischer Konsistenz, wie sie in der Mathematik benötigt werden,
standhalten.
Wesentlich ist nun, dass man für alle seither erdachten derartigen Präzisierungen beweisen
Ð
konnte, dass sie ein- und dasselbe mathematische Objekt beschreiben. Diese Aquivalenz aller
bisher gefundenen mathematischen Präzisierungen des Algorithmenbegriffs wird auch
Ð
Hauptsatz der Algorithmentheorie genannt und durch ein System von Aquivalenzbeweisen
gestützt. Alle diese Ergebnisse haben zu der Überzeugung geführt, dass es gerechtfertigt ist,
die Menge der rekursiven Funktionen mit dem Begriff der berechenbaren Funktionen (der im
intuitiven Sinne algorithmisch lösbaren Aufgaben) schlechthin zu identifizieren. Diese
Überzeugung wurde im Jahre 1936 von A. Church ausgesprochen und ist seither als Churchsche These bekannt. Sie ist wegen des in ihr eingeschlossenen Begriffs der intuitiven Berechenbarkeit freilich nicht beweisbar, wird als Postulat indessen heute weitestgehend anerkannt
Laplace, Pierre Simon (1749||1829), französischer Mathematiker, Physiker und Astronom,
wirkte in Paris. Mit seinem fünfbändigen Werk Mécanique célesteú (Himmelsmechanik),
ø
321
erschienenPersonenregister
zwischen 1799 und 1825, legte er ein großartiges Kompendium astronomischer
Forschungen, darunter umfangreicher eigener Studien, vor. Bedeutend sind daneben seine
Beiträge zur mathematischen Fundierung der Wahrscheinlichkeitsrechnung, die er wiederum
zu einer geschlossenen Darstellung des gesamten damaligen Wissens über die aus der Untersuchung von Glücksspielen hervorgegangene Theorie erweiterte ( Théorie analytique des
ø
probabilitésú, Analytische Theorie der Wahrscheinlichkeiten, erschienen 1812). Etliche
mathematische Bezeichnungen erinnern an den großen Wissenschaftler (Laplace-Raum,
Laplace-Transformation, Laplacescher Operator, Laplacescher Entwicklungssatz für Determinanten, Laplacesche Differenzialgleichung u.a.).
Leibniz, Gottfried Wilhelm (1646||1716), überragender deutscher Philosoph und Mathematiker, Universalgelehrter. Unabhängig von I. Newton begründete er die Infinitesimalrechnung
und schuf bedeutende Beiträge zur Formalisierung der Mathematik (symbolisches Rechnen),
zur Logik, Kombinatorik und zur linearen Algebra. Er konstruierte (ca. 1673) eine Rechenmaschine, welche die vier Grundrechenarten ausführen konnte. 1679 arbeitete Leibniz das
System der Dualzahlen aus, wobei er die Eins und die Null als Symbole für Gott und das
Nichts ansah. Leibniz war Gründer und erster Präsident der Akademie der Wissenschaften in
Berlin (1700).
Lie, Marius Sophus (1842||1899), norwegischer Mathematiker, wirkte in Kristiana (heute
Oslo) und Leipzig. Durch ein Zusammentreffen mit Felix Klein in Paris erkannte Lie die
grundlegende Bedeutung der Gruppentheorie und begann auf diesem Gebiet zu arbeiten.
Seine bedeutenden Ergebnisse wurden in seinen Büchern Transformationsgruppenú, Kontiø
ø
nuierliche Gruppenú, Berührungstransformationenú dargelegt. Unter den Lieschen Grupø
ø
penú sind auch die Drehungen der Ebene um einen Punkt.
Lullus, Raimundus (1235||1316), spanischer Philosoph, Mystiker und Missionar, stammte
aus Mallorca. Er untersuchte in seinen Schriften, sein Hauptwerk Ars magnaú erschien 1306,
ø
die Grundprinzipien des göttlichen Universums und der menschlichen Erkenntnis. Er verwendete logische, mechanische und kombinatorische Methoden zur Wissenssynthese und geriet
bei der Anwendung seiner Beweismethoden (auf der Suche nach allen Wahrheitenú) auf den
ø
Nachweisú christlicher Dogmen in Widerspruch zur Kirche. Die Ideen von Lullus hatten
ø
starken Einfluss auf Leibniz und die Herausbildung algorithmischer Denkweisen in der
Mathematik. Einer Legende zufolge wurde er in Tunis gesteinigt.
Lupanov, Oleg Borisovich (geb. 1932), führender russischer Mathematiker, tätig an der
Moskauer Universität, erzielte herausragende Resultate zur Diskreten Mathematik, besonders
zur mathematischen Logik (Minimierung, Schaltkreiskomplexität).
Matiyasevich, Yuri Vladimirovich (geb. 1947), russischer Mathematiker (Diskrete Mathematik, Logik) in St. Petersburg, löste im Jahre 1970 im Rahmen seiner Dissertation das 10. der
23 Probleme, die Hilbert als die wichtigsten mathematischen Fragestellungen akzentuiert
hatte: Er bewies die rekursive Unlösbarkeit des Poblems der Existenz ganzzahliger Lösungen
beliebiger diophantischer Gleichungen.
Mersenne, Marin (1588||1648), französischer Mathematiker, Physiker und Musikwissenschaftler, war Franziskanermönch. Weltberühmt wurden seine Untersuchungen zu Primzahlen: die nach ihm benannten Mersenneschen Zahlen stellen bis heute die Rekordhalter für
gigantische Primzahlen.
de Morgan, Augustus (1806||1871), englischer Mathematiker, schuf Beiträge zur Logik,
Algebra, Infinitesimalrechnung und Wahrscheinlichkeitsrechnung. Die an ihn erinnernde
heute gebräuchliche Benennung der Negationsregeln für die Konjunktion und die Disjunktion
geht auf de Morgans Arbeit On the Syllogismú von 1858 zurück.
ø
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