1 PAT JT 27.06.2014 Workshop Von der Störung zur Klärung- Die Möglichkeiten und Grenzen der Säuglings- Kleinkind- Eltern- Psychotherapie SKEPT 1. Der Übergang in die Elternschaft Schwangerschaft, Geburt und 1. 3. Lebensjahr sind Zeiten mit bedeutenden, oft dramatischen oder auch traumatisch erlebten Veränderungen. Das betrifft Eltern und Baby bzw. Kleinstkind. Die Entwicklungsaufgabe lautet: Aus Frauen sollen Mütter, aus Männer Väter werden, die sich dem hilfsbedürftigen Neugeborenen feinfühlig zuwenden, es schützen, ernähren und lieben können. Diese Phase geht mit grundlegenden körperlichen, psychischen und sozialen Veränderungen einher. Die notwendige, von der Natur induzierte psychische Labilisierung in diesem Übergangsraum kann zu Krisen führen, die, wenn sie rasch erkannt werden, aufgefangen oder aber therapeutisch bearbeitet und gelöst werden können. In den meisten Fällen machen die Kinder durch ihre Symptome, meist Schrei-Schlafoder Fütterstörungen, auf Schwierigkeiten aller Art aufmerksam. Sie sind gewissermaßen die Wecker, die die Eltern aufrütteln und auf den Weg bringen. Das komplexe Geschehen der Familiengründung erfordert viel Halt und Beistand. Das Sprichwort vom Dorf, das es braucht, um ein Kind aufzuziehen kann ebenso auf die Entstehung der Familie angewendet werden. Die Struktur und Stabilität der Eltern zusammen mit der Unterstützung der Herkunftsfamilie und der sozialen und kulturellen Umgebung wirken wie ein Nährboden, vergleichbar der Plazenta. In unserer Zeit ist dieser Nährboden oft karg. Angesichts von Kleinfamilien, Alleinerziehenden, einer von der Wirtschaft geforderten Mobilität, Migration, Globalisierung und einer zunehmenden Armut junger Familien stellt sich die Frage, wie das zu bewerkstelligen sein soll.. Im Übergang in die Elternschaft trifft die Steinzeit auf die Moderne. Vieles, was zuvor plan- und abrufbar war, gehorcht jetzt anderen Gesetzen, braucht Erfahrung und Entlastung und sehr viel Zeit. Es geht dabei auch um das Entdecken eines eigenen inneren Gefühls- und Handlungskompasses, der sog. intuitiven Elterlichkeit. Darunter verstehen wir die Fähigkeit junger Eltern, die Signale des Kindes verstehen und angemessen beantworten zu lernen. Das gelingt einerseits durch gute eigene Erfahrungen als Kind, andererseits im Schutz von wohlwollenden erfahrenen Menschen. Auch Eltern müssen bemuttert werden. Dazu noch eine Anmerkung: Unsere Sprache kennt das Wort Bemuttern. Bevatern und Beeltern fehlt noch und sollte eingeführt werden, denn auch der Vater, also beide Eltern, spielen von Anfang eine wichtige Rolle. Ihre Verschiedenheit, wenn sie zugelassen und wertgeschätzt wird, ist für das Kind ein wichtiger Entwicklungsanreiz. 1.1. Die Partnerschaft Die Ablösung von den eigenen Eltern in der Adoleszenz ist Voraussetzung für das Eingehen einer reifen Partnerschaft, in die dann das Baby integriert werden kann. Dabei gibt es verschiedene Konstellationen, die dem Baby keine ausreichend stabile Basis für seine Entwicklung bieten. Ungelöste Konflikte machen es zum Bündnispartner, z. B. bei Trennungen. Der Vater konkurriert mit dem Kind, weil er weiterhin von seiner Frau versorgt werden möchte. 2 Oder: Die Mutter braucht das Kind für ihre eigene Stabilität und schließt den Vater aus. Diese Vorgänge sind meist unbewusst, können also ohne einen äußeren Spiegel nicht gesehen und nicht reflektiert werden. Dies sind Situationen, in denen das Symptom des Kindes die Möglichkeit eröffnet, diese Spannungsfelder bewusst zu machen und neue, reifere Beziehungen zu ermöglichen. Der Wandel im Rollenverständnis von Eltern ist in vollem Gang und verläuft oft nicht synchron. Enttäuschte Erwartungen, die dem jeweiligen Partner nicht einmal klar sind belasten die Eltern und damit das Kind. Trennungen sind in den ersten drei Lebensjahren auffällig häufig. 1.2. Der Kinderwunsch Der Kinderwunsch wird primär als triebhaft bestimmt angesehen. Hinzu kommen Wünsche nach Wiederbelebung der eigenen Kindheit, nach Identifikation mit und Abgrenzung von den eigenen Eltern, nach Vollkommenheit, Verschmelzung mit dem Kind, Verwirklichung eigener, bisher unerfüllter Wünsche im Kind. Sie kennen den Begriff des Ersatzkindes, das den Verlust einer wichtigen Bezugsperson ausgleichen soll. Oder das Versöhnungskind, das eine zerbrechende Partnerschaft kitten soll. Eine Hypothek, die zu Symptomen führen kann. Der Vater kann sich als wichtiger Beschützer, treuer Freund und vertrauter „Kumpel“ erleben, der das Kind begleitet, von dem er uneingeschränkt bewundert wird. Umso schwerer wiegt ein krankes oder äußerlich fehl gebildetes Kind, das diesen Vorstellungen nie entsprechen wird. Es wird als persönliche Kränkung, schuldhaft als Versagen, als Ausschluss aus der Gesellschaft erlebt und hat Folgen für die Entwicklung einer sicheren Bindung, die wiederum für die ohnehin erschwerte Entwicklung des Kindes elementar wichtig ist. Dafür braucht es Unterstützung durch , zusätzliche Bindungs- und Entlastungspersonen, verlässlichen medizinischen Beistand, ermutigende Förderung. 1.3. Die Schwangerschaft Sie ist eine Zeit großer körperlicher und psychischer Veränderungen mit Hoffen und Bangen und intensiven Phantasien über das kommende Kind. Die anfängliche Unsicherheit über den Bestand der Schwangerschaft wird gefolgt von Vorstellungen über Aussehen, Geschlecht und Fähigkeiten, die das Kind idealisieren. In den letzten drei Monaten verblassen sie und schaffen Raum für das kommende reale Kind. Wenn ein Kind zu früh geboren wird, also zum Zeitpunkt der Idealisierung, ist die Diskrepanz zwischen dem idealen phantasierten Kind und dem winzigen, oft nicht als menschlich erlebten realen kleinen Wesen so extrem, dass die Bindung erheblich belastet ist. „Das ist nicht mein Kind, es sieht aus wie ein kleiner Vogel, nur eine Handvoll Mensch“ , das sind Äußerungen von Müttern, die sich unter Schuldgefühlen und Schrecken an die erste Begegnung, an die Ablehnung des Kindes erinnern. Die Veränderungen in der Schwangerschaft betreffen auch den Mann. Hormonelle Veränderungen, Abfall des Testosteron, Anstieg von Prolactin und Oxytocin, entwickeln bei ihm Fürsorge- und Nestbauverhalten und den Wunsch, bereits jetzt Kontakt zum Kind aufzunehmen. Viele Männer fühlen sich aber eher ausgeschlossen von der Mutter –Kind -Dyade und können mit der weiblich dominierten Schwangerschaftsvorbereitung wenig 3 anfangen. Für die Schwangerschaft aus der Perspektive der Väter gibt es noch zu wenig Angebote. Das ist nicht verwunderlich, denn das Zulassen des Vaters in diesen Bereich ist erst in den letzten vier Jahrzehnten Schritt für Schritt entstanden. Die lange Zeit der neun Monate sollte noch besser zur Vorbereitung auf das unbekannte Kommende genutzt werden. Eine einfache und naheliegende Möglichkeit wären zwei oder drei gemeinsame Gespräche während der Schwangerschaft und zwei weitere im ersten Lebenshalbjahr. In einer dänischen Studie war dieses Vorgehen erfolgreich: Die Paare waren zufriedener und es traten weniger postpartale Depressionen auf. Hebammen kennen diese neue Aufgabe. Es wäre aber auch gut, wenn es männliche Gesprächspartner gäbe. 1.4. Das Erleben der Geburt Dieses Naturereignis braucht Vorbereitung und Beistand und kann dennoch zum Trauma werden. Es ist wichtig, dass über Komplikationen und deren Handhabung während der Geburtsvorbereitung gesprochen wird. Sonst kann die plötzliche Ankündigung eines Kaiserschnitts zu einem Trauma werden, das die Beziehung zum Kind langfristig erschweren kann. Seit 40Jahren dürfen die Väter bei der Geburt dabei sein. Das hat viel zur Familienbildung und -bindung beitragen. Allerdings braucht die Anwesenheit im Kreißsaal eine gute Vorbereitung. Das betrifft auch das Team in der Klinik. 1.5. Das Baby Das Baby ist wegen seiner körperlichen und psychischen Unreife völlig auf die Feinfühligkeit seiner Umgebung angewiesen. Es braucht Schutz, Ernährung, Bindung, später die Möglichkeiten zur Erkundung der Umwelt und seiner Gefühle und die Erfahrung von Selbstwirksamkeit. Eine sichere Bindung wird heute als wichtigster protektiver Faktor für die gesamte körperliche und seelische Entwicklung angesehen. Bindung ist für das Überleben notwendig. Sie ist ein emotionales Band, das sich durch die wechselseitige Interaktion zwischen einem Kind und seinen vertrauten Bezugspersonen entwickelt und das diese über Raum und Zeit verbindet(Bowlby). Wie wichtig diese emotionale Bindung ist, wird an einer Anekdote aus dem Jahr 1256 deutlich. Friedrich der Hohenstaufer wollte wissen, was die Ursprache sei. Dazu hat er Ammen, die sich um Waisenbabys gekümmert haben angewiesen, die Kinder zu nähren und zu pflegen, aber nicht mit ihnen zu sprechen. Alle Kinder starben an emotionaler Unterernährung.. Die vorher genannte intuitive Elterlichkeit beantwortet die vielen Bedürnisse des Kindes. Sie ermöglicht es auch beim älter werdenden Kind eine Balance zwischen eigenen Bedürfnissen und denen des Kindes herzustellen, d.h. das Kind auch frustrieren zu können. Wir bezeichnen die daraus entstehende Spannung als Mismatch, also eine aus Frustration entstandene Spannung, die das Kind zu einer eigenen Aktion veranlasst, die zur Beruhigung führen kann. Ein Schritt auf dem Weg zur Selbstregulationsfähigkeit. Es ist nicht möglich das Kind ohne seine Interaktion mit den Bezugspersonen zu beschreiben, sondern es ist immer Teil der neu entstanden Eltern-Kind Triade. Winnicott sagt: „Es gibt kein Baby allein -there is none such as a baby“. 4 1.6. Die Eltern Der Übergang in die Elternschaft ist einerseits ein biologisch determinierter Vorgang. Zugleich aber spiegelt sich die psychische Reife, die wiederum biographische Voraussetzungen hat. Gemeint ist damit das erfolgreiche Durchlaufen der vorangehenden Entwicklungsstufen, insbesondere der Adoleszenz mit der Übernahme der Verantwortung für das eigene körperliche, emotionale und soziale Leben. Die hormonellen Veränderungen in der Schwangerschaft öffnen zwar die Sinne für die Bedürfnisse des Kindes, reichen aber nicht aus, um den Wechsel zwischen Zuwendung zum Kind und Befriedigung eigener Bedürfnissen zu bewerkstelligen. Dazu sind zwei Fähigkeiten wichtig: Containment und Mentalisierung. Containment bedeutet, dass beispielsweise das Schreien des Kindes wahrgenommen und ausgehalten wird, dass ein Teil der emotionalen Last des Kindes abgenommen wird ohne ärgerlich und ungeduldig zu werden und schlimmstenfalls das Kind zu schütteln. Ein Rest an Belastung kann dem Kind zugemutet werden, denn dieser Mismatch, diese Spannung, ist der Entwicklungsmotor. Anders ausgedrückt: Nicht die dauernde und optimale Bedürfnisbefriedigung ist das Ziel, sondern das „Gut genug“, in dem das Kind aktiv beteiligt ist und erfährt, dass Spannung auszuhalten ist. Es macht also die Erfahrung, dass die Bezugsperson verschwindet und es von Angst überschwemmt wird, dass dieser unangenehme Zustand aber aufhört und Beruhigung folgt. Daraus kann bei den vielen alltäglichen Situationen dieser Art eine Gedächtnisspur entstehen. Die wiederholten Abläufe werden absehbar, eine erste Struktur deutet sich an. Mentalisierung ist die Fähigkeit, sich vorstellen zu können, wie es dem Kind geht, was es möchte, was es braucht. Dabei kann es viele Missverständnisse geben. Oft meinen Eltern, dass das Kind sie ärgern und austesten will, fühlen sich also dem Kind unterlegen, oder verwechseln eigene Bedürfnisse mit denen des Kindes oder erkennen Naheliegendes wie Hunger nicht, weil sie selbst eine Essstörung haben. Diese beiden Fähigkeiten sind bei Eltern eines Kindes mit besonderen Bedürfnissen besonders beansprucht. Die Traumatisierung von Eltern kann diese psychischen Fähigkeiten stark einschränken. Umso wichtiger ist das rechtzeitige Zulassen eine Dritten, z.B. Frühförderung, um Eltern und Kind entlastende Erfahrungen und psychisches Wachstum/Heilung zu ermöglichen. 1.6. Das Leben zu Dritt Wie bei der Partnerschaft erwähnt, fällt die Integration eines Dritten oft schwer. Der Vater ist von Anfang an wichtig und sollte freien emotionalen Zugang zum Kind haben. Die Öffnung der oft engen Mutter –Kind -Dyade fällt vielen Müttern schwer, obwohl sie gleichzeitig beklagen, dass sie dauernd zuständig sin. Das Zulassen und Aushalten, dass Väter anders mit dem Kind umgehen ist ein wichtiger Schritt in deren Entwicklung. Kinder mögen die unterschiedlichen Erfahrungen, an die sie anfangs erst gewöhnt werden müssen. Triangulierung ist die Bezeichnung dieser Fähigkeit, die das Zulassen eines Dritten, eine Elterntrainerin, eines Therapeuten ermöglicht. Sie ist Voraussetzung für jede therapeutische Arbeit. 5 2. Die Schwierigkeiten 2.1. „Gespenster in der Kinderstube“ Beim Übergang in die Elternschaft werden biographische Erfahrungen reaktiviert und können die intuitiven Fähigkeiten der Eltern beeinträchtigen. So kann das Schreien des Kindes Erinnerungen an ein eigenes Trauma triggern und Panik, Angst und Aggression auslösen. Oder kann zur Erstarrung mit Ausblenden führen. Diese dissoziativen Verhaltensweisen der Bezugsperson können das Kind ängstigen und bei ihm ebenfalls die Notfallreaktion fight or flight auslösen. Das belastet die Entwicklung einer sicheren Bindung. Das Ergebnis kann ein desorganisiertes Bindungsverhalten beim Kind sein, das sich in ADHS -ähnlichem Verhalten, anhaltender Unruhe, Unfähigkeit zu Spielen, zu Erkunden, seine Selbstwirksamkeit zu spüren, ausdrücken kann. Die Traumatisierung einer Bezugsperson kann die Bindungsentwicklung stark in Richtung unsicherer oder sogar desorganisierter Bindung belasten. Wenn diese Gespenster identifiziert werden können, erholen sich die angespannten Eltern und das Kind sehr rasch. Beispiel: Ein 10 Monate altes Kind schläft nur kurze Zeit, was besonders nachts an die Nerven geht. Im therapeutischen Gespräch stellt sich die Frage, warum die kleine Tochter noch nicht im Kinderzimmer beim Bruder schläft. Zuerst gibt sie eine rationale Begründung, dass sie nicht möchte, dass der Bruder gestört wird und dann beide Kinder schreien. Erst viel später kann die M sagen, dass sie selbst von ihrem Bruder sexuell missbraucht wurde. Unbewusst hat sie sich mit der Tochter identifiziert und die für sie traumatische Situation vermieden. 2.2. Psychische Erkrankungen insbesondere die ppD Psychische Erkrankungen bereffen auch Eltern und werden oft übersehen, weil sich zunächst alles ums Kind dreht und weil Symptome wie Schlafstörung und Antriebsmangel als normal für diese Zeit angesehen werden. Die psychische Stabilität von Eltern ist aber wichtig, da das Kind angewiesen ist auf angemessene Reaktionen, auf die Fähigkeit zu Containment und Mentalisierung. Die postpartale Depression ist dabei eine häufige, häufig aber nicht diagnostizierte Erkrankung. Sie betrifft in ca 20% die Frauen. Sie tritt auch bei Männern auf mit einer Häufigkeit zwischen 5 und 10%, je nach Studie. Die Symptome erscheinen wie gesagt auf den ersten Blick fast normal. Der Schlaf mit einem Baby ist gestört, morgens fehlen die Kräfte zum Aufstehen, die Stimmung ist eben „nahe am Wasser gebaut“. Die betroffenen Mütter werden oft nicht ernst genommen, ziehen sich zurück, zweifeln an ihren Fähigkeiten, fühlen sich als Last für alle und denken in schweren Fällen an Selbstmord. Eine bedrängende Situation, auf die die Babys verschieden reagieren mit Unruhe, Schreien, kurzen Schlafphasen oder mit Rückzug. Die betroffenen Eltern kommen aus unterschiedlichen Gründen: Ein Teil, weil das Kind nicht schläft, schreit, schlecht trinkt, sich nicht ablegen lässt, in seiner Entwicklung nicht weiter kommt. Andere, weil sie sich selbst nicht mehr kennen, Angst- und Panikattacken erleben, nicht allein sein können oder von Zwangsgedanken geplagt werden. Teilweise richten sich die Gedanken gegen das Kind. Die Mütter haben Angst, es zu beschädigen, es fallen zu lassen, zu ertränken, mit einem Messer zu verletzen. Manche können die Küche deshalb nicht mehr betreten. Bei den betroffenen Vätern finden sich außerdem vermehrt körperliche Symptome, sie flüchten sich in Alkohol, vor den Fernsehapparat oder PC, treiben exzessiven, auch gefährlichen Sport, engagieren sich in außerhäusliche Aktivitäten. Ein 6 eindrücklicher Fall ist die Geschichte eines Vaters, der zwei lang dauernde depressive Phasen erlebt hat. Sie traten jeweils zu dem Zeitpunkt auf, als der kleine Sohn im entsprechenden Alter war. Die erste mit 4 Monaten, als er, ein ungewolltes Kind, zu einer Tagesmutter abgegeben wurde. Die zweite, als der Sohn 5 Jahre alt war. Damals war seine Mutter mit ihm in eine entfernte Stadt gezogen. Er hatte sein vertrautes Umfeld und seinen Vater verloren. Ein freundlicher Nachbar, der sich um ihn gekümmert hat und dem die Mutter vertraute, hat ihn zudem sexuell missbraucht. Die meisten Patienten hatten bereits in früheren Jahren Zeiten psychischer Labilität oder Erkrankung erlebt, die im jetzigen labilisierenden Übergang wieder aufflammten. Es sind alte Wunden von emotionalem Mangel, die sich angesichts der großen Bedürftigkeit des eigenen Kindes wieder zeigen. 2.3. Wenn der Vater fehlt Trennungen in der Schwangerschaft oder in den ersten Lebensjahren sind häufig. Viele Väter scheuen vor der Verantwortung zurück, wollten vielleicht das Kind nicht, haben selbst kein gutes inneres Bild von einem Vater, waren nur kurz, manchmal nur eine Nacht, mit der Frau zusammen. Es gibt große kulturelle Unterschiede mit sehr verschiedenen Rollenvorstellungen, in denen die Frauen oft alleine mit den Kindern bleiben. Dennoch ist der Vater in der Mutter präsent mit sehr unterschiedlichen Gefühlen: Sehnsucht, wütende Enttäuschung, Verachtung, ambivalent., Es ist das Bild der Mutter, das dem Kind vermittelt wird. „Es ist einfacher, wenn er nicht da ist“ wird oft von Müttern geäußert. Wie kann das Kind dann ein eigenes Bild von seinem Vater bekommen, besonders dann, wenn die Besuche oft nicht wahrgenommen werden oder aber von den Frauen nicht zugelassen werden. Viele Mütter wünschen sich, dass die Väter sich auch beraten lassen. Aus verschiedenen Gründen ist das immer wieder schwierig. Aber: Wenn die Mutter sich mit diesem als schwierig erlebten Mann auseinandersetzt hat das eine Wirkung. Die innere Arbeit mit der Mutter wirkt sich klärend aus, oftmals kenntlich am Verschwinden des Symptoms beim Kind und in der Qualität des Zusammenlebens. 2.4. Wenn das Kind krank ist Ein Kind mit Sonderbedürfnissen zu haben ist eine schwierige Ausgangslage für die Bindungsentwicklung, die Befriedigung als Eltern. Zum Alltäglichen kommen Untersuchungen, Medikamente, Pflegemaßnahmen und oft ein ungewisser Verlauf mit fraglicher Aussicht auf Gesundung. Schuldgefühle, unterdrückte Wut und Enttäuschung, gefolgt von Rückzug und Depression, sind schwere psychische Belastungen für die ganze Familie. Ein Geschwisterkind wird da schnell zu einem Schattenkind, dessen Bedürfnisse im Schatten des kranken Kindes stehen. 3. Die Möglichkeiten der SKEPT Das Kind ist bei der SKEPT ein wichtiger Teilnehmer. Daher finden die Stunden wenn möglich in Anwesenheit des Kindes statt Die Perspektive der SKEPT richtet sich an die inneren Bilder der Eltern, die durch deren Erfahrungen und Erlebnisse entstanden sind. Sie prägen die Beziehungen zu anderen Menschen. Das Zulassen eines Therapeuten stellt für die Eltern bereits die Erfahrung einer Triangulierung dar, und ist für manches ein großes Hindernis. 7 Die besondere psychische Befindlichkeit von werdenden und jungen Eltern, die einer psychischen Labilisierung entspricht, kann zur Dekompensation führen. Sie eröffnet aber auch den Zugang zu inneren Prozessen, zur Selbstreflektion. Die Anbahnung der Veränderung (Rücknahme von Projektionen, Fähigkeit zur Triangulierung, Containment und Mentalisierung) kann unter dieser emotionalen Offenheit der Eltern immer wieder innerhalb erstaunlich kurzer Zeit geschehen. Angesichts der raschen Entwicklung des Kindes ergeben sich immer wieder fraktionierte Behandlungen, d.h., dass die Eltern sich in großen Abständen, anlässlich von Entwicklungskrisen, wieder melden. Bei einer kleinen Gruppe von Eltern ist eine Langzeittherapie angezeigt, die ebenfalls in Anwesenheit des Kindes durchgeführt werden kann. Dabei kann dessen Entwicklung in der Beobachtung gemeinsam erlebt werden, was meist entlastend ist. Und die elterliche Kompetenz stärkt, was sich therapeutisch positiv auswirkt.. 3.1. Symptomatik Am Lebensanfang sind körperliche und seelische Erfahrungen so eng miteinander verwoben, dass Psychisches und Körperliches kaum differenzierbar ist. Der Organismus des Säuglings ist in besonderem Maß eine somato -psychische Einheit. Seelische Beeinträchtigungen finden immer auch in somatischen Symptomen ihren Ausdruck und somatische Belastungen zeigen immer auch psychische Auswirkungen. Das Kind ist körperlich und seelisch abhängig von versorgenden Bezugspersonen. Störungen in der Eltern-Kind-Beziehung können sich in einer generalisierten psychosomatischen Symptomatik beim Kind niederschlagen. Die Symptome des Babys haben einen unterschiedlichen Schweregrad und betreffen oft mehrere Funktionsbereiche gleichzeitig. Sie reichen von Krisen und vorübergehenden Anpassungsschwierigkeiten zwischen Mutter, Vater und Kind bis hin zu schweren Entgleisungen, die die Entwicklung des Kindes dauerhaft behindern und sogar lebensbedrohlich werden können, z.B. durch Misshandlung der Eltern. Frühe Abwehrformen sind Reaktionen auf überraschende, emotional belastende Situationen, die Selma Fraiberg beobachtet und eindrücklich geschildert hat: Bei 30 Eltern und deren Kindern von 0-3 Jahren beobachtet, wie wenig einfühlsame Eltern auf ihre Kinder wirken. Ausgehend von der Verhaltensbiologie hat sie zwei gegensätzliche Reaktionen bei Säugetieren beschrieben: flight or fight. Zum Fluchtverhalten gehören die Abwehrformen Vermeidung und Einfrieren. Mit Vermeidung ist z.B. das Wegschauen, das Wegdrehen des Kopfes gemeint. Wir beobachten das bei intrusivem Verhalten der Eltern. Es kann aber dazu führen, dass das wichtige Neugierverhalten beeinträchtigt ist und dem Kind wichtige kognitive und emotionale Erfahrungen entgehen. Beim Einfrieren besteht ein völliger Stillstand, der sich auf die Haltung, Bewegung und den Ausdruck des Kindes bezieht. Zu beobachten ist diese Reaktion, wenn das Baby sich in einer ihm fremden Umgebung befindet. In Anwesenheit einer beschützenden mütterlichen oder väterlichen Person löst sich dieses Verhalten nach einer gewissen Zeit auf. Fehlt diese vertraute Person kann das Einfrieren fortbestehen oder in einen desorganisierten Zustand mit heftigem Schreien, motorischer Unruhe und Unzugänglichkeit übergehen. 8 Zum Kampfverhalten gehört die starke motorische Unruhe, die oft über die zugrunde liegende Angst hinwegtäuscht. Bei der Transformation von Affekten wird z.B. angstvolles Schreien zu übertriebenem Lachen, Schmerz kann zu Vergnügen, Kummer kann z.B. zu einem fast zwanghaft wirkenden Handlung führen, z.B. Augenreiben Die Autoaggression, z.B. Kopfschlagen tritt beim Fehlen einer tröstenden Beziehungserfahrung auf. Rene Spitz, einer der ersten Säuglingsforscher hat dieses Verhalten bei deprivierten Säuglingen in Heimen beobachtet. Kriterien für die Behandlungsnotwendigkeit können nicht objektiv erfasst werden. Ausschlaggebend ist die subjektiv wahrgenommene Belastung des Säuglings und der Eltern. In der engen Beziehung zwischen Eltern und Kind entsteht leicht eine sich selbst verstärkende Dysregulation. Je eher dieser Teufelskreis unterbrochen werden kann, um so besser kann die weitere Entwicklung fortschreiten. Die häufigsten Symptome im Alter von 0 bis 3 Jahren sind: Störungen der Frühregulation, Exzessives Schreien, Schlafstörung Fütterstörung Frühkindliche Depression , Ängste, insbesondere Trennungsangst. Psychosomatische Störungen und psychische Komponenten bei körperlichen Erkrankungen: Frühgeburtlichkeit, Neurodermitits, Astma bronchioale, Infektanfälligkeit, Verletzungen Die Statistik sagt (Riecher-Rössler A. 1997), dass immerhin 20 -29% gesunder Säuglinge in den ersten Lebensmonaten unter unstillbaren Schreien/ manchmal "Koliken" genannt, leiden, bis zu 30% der Eltern berichten über Schlafprobleme, 36% über Fütterprobleme im ersten Lebensjahr. 3.2. Besonderheiten der SKEPT Die charakteristischen Elemente der SKEPT sind Die Beobachtung Das szenische Verstehen mit Übertragung und Gegenübertragungsmerkmalen Psychoanalytische Reflektion Containment Mentalisierung Triangulierung Intervention Beobachtung: Die körperlichen und emotionalen Aktionen und Reaktionen alles Beteiligten werden wahrgenommen und in ihrer inneren Resonanz und Bedeutung zu erfassen gesucht. Hierbei spielt die spezifische Gefühlslage, in die der Therapeut versetzt wird, eine wichtige Rolle. Die wechselseitigen Interaktionen auf der verbalen, nonverbalen und Handlungsebene von Eltern und Kind und die Interaktion mit dem Therapeuten werden besonders beachtet. Dazu gehört auch die Einschätzung der Feinfühligkeit 9 der Eltern und die Fähigkeit zur Responsivität. Es geht um die Angemessenheit der Interaktionen und die Fähigkeit, Dreierbeziehungen auszubalancieren Angesichts der raschen Entwicklung in den ersten Lebensjahren spielt die Einschätzung des Entwicklungsstandes des Kindes eine wichtige Rolle. Übertragung- Gegenübertragung: Mit Übertragung wird psychoanalytisch verstanden, dass jeder Mensch die gefühlsmäßigen Erfahrungen, die er in der frühen Kindheit gemacht hat, auf aktuelle Beziehung zu anderen Menschen wiederbelebt. Gegenübertragung im engeren Sinne meint die Gefühle beim Psychoanalytiker, die im Rahmen einer psychoanalytischen Situation durch die Gefühle des Patienten ausgelöst wurden. Es geht dabei immer auch darum die eigenen Gefühle (die eigene Übertragung) von denen, die ausgelöst wurden zu unterscheiden. Containment-Mentalisierung-Triangulierung Im Beisein des Kindes wird die Fähigkeit der Eltern zu C, M und T erfahrbar. Das gemeinsame Aushalten von Schreine, Quengeln und Klammern und das Erleben, dass das Kind eine eigene, oft originelle Lösung ,findet, ermutigt die Eltern, das auch zu Hause zu probieren. Oft fühlen sich Eltern vom Kind verfolgt, attackiert, ohnmächtig ausgeliefert. Hier ermöglicht das Mentalisieren, was das Kind ausdrücken möchte, um die negativen Projektionen auf das Kind abzuziehen. Dazu gehört auch, dem Kind Frustrationen zuzumuten, um wieder eigene Bedürfnisse befriedigen zu können. Die Triangulierung fällt Eltern oft schwer. Die Mutte r-Kind -Dyade schließt den Mann aus, er findet seine Rolle nicht, wird nicht zugelassen und erlebt, dass das Kind – anfangs- bei ihm möglicherweise schreit. Das Zulassen des Therapeuten eröffnet den Müttern ein Gefühl von Entlastung, das zunehmend auf den Mann übertragen werden kann. Insgesamt ermöglicht die SKEPT den Eltern eigene Vorstellungen vom Umgang mit dem Kind zu entwickeln und eigene Lösungen zu finden. Immer wieder machen wir die Erfahrung, dass Informationen über die jeweiligen Entwicklungsaufgaben des Kindes, aber auch der Eltern zur deren Sicherheit beitragen und den Zugang zu ihrer elterlichen Kompetenzeröffnen. 3.5. Ergebnisse Junge Eltern sind offen für Veränderungen. Die Begegnung soll respektvoll und wertschätzend sein, denn Eltern haben bisher gegeben, was sie konnten. Ihre „Erstlingsausstattung“ hängt von den Erfahrungen in ihrer Herkunftsfamilie ab und braucht oftmals Ergänzung in Gestalt von Begleitung, Beratung, Frühförderung und Psychotherapie. Die raschen Erfolge, u.a. kenntlich am Verschwinden des Symptoms beim Kind bereits nach der telefonischen Anmeldung, lassen sich z. T. mit der Triangulierung erklären, dem vertrauensvollen Zulassen einer dritten Person. Das ist auch innerhalb der Elternbeziehung ein wesentlicher Schritt, der manchen Müttern schwer fällt, nämlich das Kind dem Vater vertrauensvoll zu überlassen und auszuhalten, dass er manches anders, aber eben gut genug für die Bedürfnisse des Kindes macht, selbst wenn er ihm mehr Frustration zumutet als die Mutter.. 10 Biographische Altlasten, die Gespenster, zeigen sich verschlüsselt, können ein Symptom beim Kind hervorrufen, lassen sich in der Therapie entschlüsseln und verlieren dadurch ihre störende Wirkung. Die Eltern können eine Nachreifung durchmachen, ausgelöst durch das Kind. Das Verstehen der szenisch inszenierten Botschaften erfordert eine spezifische Ausbildung des Therapeuten, wozu neben der analytischen Grundausbildung eine einjährige Babybeobachtung gehört. Das Kind ist ein wichtiger Teilnehmer in den Stunden. Seine Aktionen zeigen , ob der Konflikt erfasst worden ist. Sie werden ruhig, schlafen ein, rutschen vom Schoß der Mutter und entfernen sich. Schwer zu entschlüsseln können die Symptome einer ppD sein.. Sie ähneln allem, was Eltern unter Schlafentzug erleben. Auch bei Entwicklungsverzögerungen, anhaltender Unruhe, somatischre Erkrankungen des Mannes, sollte an eine ppD denken lassen. Es gibt aber auch Eltern, die sich direkt wegen depressiver Symptome anmelden, weil sie sich nicht wieder kennen- oder weil sie früher bereits eine Depression erlebt haben und die Symptome kennen.. Alle Berufsgruppen, die mit Eltern und Kindern in der frühen Kindheit in Kontakt kommen, sollten über deren spezifische Befindlichkeit Bescheid wissen und ihnen wertschätzend und respektvoll begegnen, denn alle Eltern wollen gute Eltern sein.