Maximilian Gottschlich IM ANFANG IST DAS WORT. ÜBER DIE

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Maximilian Gottschlich
IM ANFANG IST DAS WORT.
ÜBER DIE HEILSAME KRAFT ÄRZTLICHER KOMMUNIKATION
Vortrag gehalten am Kongress für Komplementärmedizin und Krebserkrankungen
Meran 11.Sept.2008
Vor wenigen Tagen erregte eine
Patientenanwaltschaft die Öffentlichkeit:
Mitteilung
der
österreichischen
Immer mehr Patienten sind in Österreich mit der medizinischen Behandlung in
Spitälern und Ordinationen unzufrieden. 9.400 Beschwerden gab es im Jahr
2007 – um 10% mehr als noch im Jahr davor. „Und“, so kommentiert der
Sprecher der österr. Patientanwälte, „die Dunkelziffer dürfte noch zehnmal
höher sein.“ Zwei Drittel der Beschwerden erfolgte zu Recht.
Dabei geht es nicht nur um eklatante Behandlungsfehler:
„Die meisten Patienten beschweren sich, weil sie sich von Ärzten oder Spitälern
schlecht informiert und nicht ernst genommen fühlen.“
Österreichs Patienten machen da im europäischen Vergleich keine Ausnahme:
Eine groß angelegte repräsentative Studie aus dem Jahr 2003, bei der Patienten
in acht europäischen Ländern über ihre Einstellungen und Erwartungen befragt
wurden – darunter auch Patienten aus Italien, Deutschland und der Schweiz macht deutlich:
Europas Patienten fühlen sich nicht gut genug über Diagnosemöglichkeiten und
Therapieverfahren informiert, wünschen sich bessere Kommunikation mit dem
Arzt und erwarten in allen untersuchten Ländern ein hohes Maß an Mitwirkung
bei den Entscheidungen über ihre Behandlung.
Aber diese Erwartungen werden vielfach enttäuscht.
Solche und ähnliche Ergebnisse bestätigen einen Trend, der sich schon Ende der
1990er Jahre aus österreichischen Daten ablesen ließ: Mehr als ein Drittel der
damals repräsentativ befragten Österreicher glaubten, dass sich Ärzte nicht
genügend Zeit für Patienten nehmen.
1
Schwerer noch als der beklagte ärztliche Zeitmangel wog der Mangel an
Interesse an den Problemen der Patienten. Dieses Gefühl, dass Ärzte nicht
wirklich an den Problemen ihrer Patienten interessiert sind, hatte damals schon
jeder fünfte Österreicher (21 %).
Fast ein Viertel war sich nicht sicher, ob man Ärzten trauen soll oder nicht.
44 % der Befragten waren der Meinung, dass der kranke Mensch etwa im Spital
dem System gegenüber ausgeliefert sei und auf die Behandlung keinen Einfluss
nehmen könne.
Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang noch gut an eine Schlagzeile in der
Süddeutschen Zeitung 1999 über eine alarmierende Studie, die am Klinikum
Nürnberg durchgeführt wurde: „Vier Minuten und 36 Sekunden für die
Diagnose: Kebs – Wenn man damit nicht auskommt ist man ineffizient.“ In der
onkologischen Abreilung haben – so ergab diese Studie Ärzte knapp mehr als
vier Minuten Gesprächszeit für einen Patienten und eine zusätzliche Minute für
die Angehörigen. Einer der betroffenen Ärzte wird so zitiert: „Die Medizin wird
reduziert auf ökonomisch gut handhabbare Maßnahmen. Damit geht die
Berücksichtigung der Dimension des Leidens verloren. Sorge, Zuwendung – das
alles bleibt völlig draußen…“
Und der mittlerweile verstorbene Klinikchef der Nürnberger Onkologie, Walter
Gallmeier, der die Studie in Auftrag gab, ergänzte: „Die Qualitätssicherung ist
eine Farce, sie ist allenfalls eine Dokumentation und führt zu schlechteren als
besseren Ergebnissen.“ Vor allem aber gelte die Qualitätssicherung nur der
naturwissenschaftlichen Medizin. „Die Medizin aber hat“, so rief Gallmeier
damals schon in Erinnerung, „zwei (!) wichtige Säulen, die naturwissenschaftliche
und die Beziehungsmedizin.“
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Die „Beziehungsmedizin“ gibt es nicht mehr – sie ist längst der Herrschaft
ökonomischer Rationalität, dem Prinzip der Effizienzmaximierung im
Medizinsystem zum Opfer gefallen.
Zum Schaden der Patienten, weil auf ihre emotionalen und seelischen
Bedürfnisse keine Rücksicht genommen wird und sie im Zustand sozialer und
kommunikativer Isolation um die Chance positiver Sinnerfahrung ihres Leidens
gebracht werden;
zum Schaden aber auch der Ärzte, die in der wachsenden Distanz zu ihren
Patienten, ihrersiets um die Chance positiver Sinnerfahrung ihres ärztlichen
Tuns gebracht werden.
Sämtliche internationalen Untersuchungen zur Kommunikationspraxis in
Ordinationen und Spitälern machen deutlich:
1. Der Wunsch der Patienten nach einem Maximum an Information ist
wesentlich größer als die Informationsbereitschaft der Ärzt;
2.
Patienten erwarten aber nicht nur ein Höchstmaß an Informationen über
Krankheitszustand, Diagnose und Therapieverfahren, sondern sie verlangen
auch und vor allem nach emotionaler Zuwendung;
3. diese emotionale Zuwendung wird ihnen aber häufig verwehrt und dies wirkt
sich nachweisbar negativ auf den Krankheitsverlauf und den Heilungserfolg aus.
Eine jüngere Studie über Quantität und Qalität der Informationsversorgung
holländischer Patienten im Krankenhaus – es handeltes sich dabei um
Lungenkrebspatienten – zeigt:
Die Menschen bewegen midestens genausoviele Fragen nicht-medizinischer Art,
wie unmittelbar medizinische Fragen etwa im Zusammenhang mit dem
Therapieverlauf.
Darüber hinaus wird in dieser Studie deutlich:
3
Die Fragen und Probleme, die Patienten im Spital bewegen, hängen zum
überwiegenden Teil mit ihrer Gefühlsverfassung zusammen – mit den Gefühlen,
die mit Diagnose und Therapie verbunden sind.
Zugleich aber zeigt sich auch: Ärzte sind zwar bereit auf medizinische Fragen zu
reagieren – wenn diese Fragen seitens der Patienten auch gestellt werden; Ärzte
sind aber nicht gewohnt, erstens von sich selbst aus, also ungefragt, ausreichend
verstehbare Antworten zu geben, und zweitens mit den gesamten psychsichen
und sozial – psychischen
Begleiterscheinungen eines Krankheitsverlaufs
zurecht zu kommen.
Die
Befunde
signalisieren:
Das
empathische,
mitfühlende
Kommunikationsvermögen von Ärzten ist äußerst limitiert – um es vornehm
auszudrücken…
Solche und ähnliche Ergebnisse sind ein unüberhörbares Alarmsignal: Unser
modernes, technisch hochgerüstetes, arbeitsteilig organisieretes und weithin
anonym agierendes Gesundheitssystem ist krank – nicht weil es unfinanzierbar
geworden ist – dieses Gesundheistssystem ist krank, weil es eine
krankmachende unpersönliche Kommunikationsstruktur aufweist.
Wir haben es mit einem „malignem“, weithin kommunikationsgestörten
Medizinsystem zu tun, in dem der stumme Schrei der Patienten nach
Zuwendung ungehört verhallt und sich hinter der Fassade von „Sachlichkeit“
und „Objektivität“ sich nichts anderes verbirgt als
berufsbedingte
Gefühllosigkeit.
Mitten in der Welt des Lärmes breitet sich um die Kranken ein unheimliches
Schweigen aus. Die Krankheit kam und ihr folgte das Schweigen – kein
gesundes Schweigen des Innehaltens und Erneuerns, sondern ein lähmendes
Schweigen, in dem die Gedanken und Gefühsregungen des Patienten mit jedem
Tag mehr erstarren. So macht eine stumme Medizin den leidenden Menschen
zum Objekt, zum austauschbaren medizinischen Fall über den man verfügen
4
kann – sie nimmt ihm mit jedem Wort, das nicht gesprochen wird, ein Stück
seiner Individualität und Identität als leidendes Subjekt.
Die große Philosophin und Menschenfreundin Simone Weil hat einmal
geschrieben: „Wer leidet, sucht sein Leid anderen mitzuteilen ... um es so zu
vermindern und derart vermindert er es in der Tat… wer es nicht mitteilen kann,
bei dem bleibt das Leid in ihm und vergiftet ihn.“
Darin steckt der gesamte therapeutische Anspruch an Kommunikation.
Kommunikation schafft das Leid nicht aus der Welt – aber Kommunikation –
empathische, also mitfühlende Kommunikation vermag Leid zu verwandeln, zu
transformieren…. Kommunikation ist wesentlich mehr als bloß ein Medium der
Information und interessensgesteuerten Verständigung – Kommunikation ist auf
existenzieller Ebene Begegnung, in der sich der eine dem anderen öffnen kann
und isoferne dies gelingt hat Kommunikation, hat das Wort heilstiftendes
Potenzial…
Sowohl die Psychoanalyse als auch die verschiedenen Psychotherapien
schöpfen seit jeher aus diesem heilstiftenden Potenzial des Gesprächs, des
Wortes.
So schreibt Sigmund Freud in seiner Schrift „Zur Laienanalyse“ von 1926
über das analytische Gespräch:
„Es geht nichts anderes zwischen ihnen vor, als dass sie miteinander
reden…Worte können unsagbar wohl tun und fürchterliche Verletzungen
zufügen“.
Das gilt nicht nur für den besonderen Anwendungsfall des analytischen
Gesprächs, das gilt für jede Begegnung zwischen Arzt und Patient –
genaugenommen gilt das für unsere zwischenmenschlichen Beziehungen
insgesamt. Noch deutlicher formuliert es die amerikanische Onkologin Rachel
5
Naomi Remen mit Blick auf ihre Erfahrungen bei der Betreuung von
Krebspatienten. „Jeder von uns“ sagt sie, „ ist verwundet, und jeder von uns
verfügt über Heilkräfte. Ich heile dich und du heilst mich…mehrmals täglich
vertauschen wir vielleicht diese Positionen. Es geht dabei nicht um
Fachkenntnis, sondern um etwas viel Natürlicheres. Wir alle sind verwundete
Heiler.“
Jede kommunikative Begegnung, in der die Partner einander von Existenz zu
Existenz begegnen, ist unverzichtbarer Teil des Heilprozesses. Heilen ist,
genauso wie Kommunikation, ein auf Gegenseitigkeit, auf gegenseitigem
Engagement am Anderen beruhender Prozess. „Deshalb“ so beschreibt Rachel
Remen diesen Vorgang wechselseitiger heilsamer Beeinflussung in der
kommunikativen Beziehung, „deshalb werden wir beide bei diesem Prozess
geheilt. Ich wurde durch jede Therapiewoche geheilt, und so erging es auch den
übrigen Therapeuten.“
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Medizin der Zukunft wird eine
kommunikative Medizin sein oder sie wird die Menschen verlieren, für die sie
eigentlich da ist.
Worin besteht eine solche „kommunikative Medizin“?
Grundlage einer kommunikativen Medizin ist das Mitgefühl. Ohne Mitgefühl
kann es zwar eine effizienzorientierte Gesundheitsindustrie und medizinische
Spitzenforschung, nicht jedoch eine Kultur des Heilens geben.
Kommunikative Medizin ist mitfühlende Medizin – also eine Medizin, die
besondere Sensibilität für die seelischen und emotionalen Bedürfnisse der
Menschen entwickelt.
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Was das bedeutet möchte ich mit wenigen Überlegungen skizzieren:
Eine kommunikative Medizin begnügt sich nicht damit, Informationsströme in
Richtung des Patienten freizusetzen, ihn das medizinisch Relevante in
komprimierter Form und unterschriftsreif wissen zu lassen, um damit der
rechtlichen Verpflichtung zur Aufklärung Genüge zu tun. Medizinische
Aufklärung sollte heute eine Selbstverständlichkeit sein, die keiner weiteren
Begründung bedarf, obwohl sie in der Praxis schlecht genug funktioniert.
Die Verantwortung und Chance einer kommunikativen Medizin liegt vielmehr
darin, den psychosozialen Begleiterscheinungen eines Krankheitsverlaufs zum
Ausdruck zu verhelfen, also Leid beredt werden zu lassen, wie dies Adorno
einmal ausgedrückt hat. Adorno sagte nämlich: „Das Bedürfnis, Leiden beredt
werden zu lassen, ist Bedingung aller Wahrheit“ Leid muss sich also mitteilen
können um der Wahrheit des Krankseins begegnen zu können… Das ist nicht
nur ein philosophischer Anspruch – das ist ein durchaus greifbarer medizinisch therapeutischer Anspruch: Weil sich nur darin, im Mitteilen des Leidens und im
empathischen Anteilnehemen am Leiden des Anderen imunrelevantes
Stressgeschehen minimieren läßt…
Der Mensch ist ein hochdifferenziertes und ungemein empfindlich
reagierendes kommunikatives Netzwerk, in dem Körper und Geist in
permanetem wechselseitigen Austauschprozess stehen. Heute wissen wir, dass
Körper und Geist – Soma und Psyche – eng zusammengehören, ja eine
untrennbare Ganzheit darstellen, und dass die alte cartesianische Trennung
zwischen subjektivem Bewußtsein und objektiver Wirklichkeit, zwischen Geist
und Materie längst obsolet geworden ist.
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Folgt man den Ergebnissen der noch recht jungen Fachdisziplin der PsychoNeuro-Immunologie wird deutlich, dass der Anspruch ganzheitlichen Denkens
und Handelns in der Medizin nicht mehr länger als verzichtbare Illusion
medizinischer Scharlatane abgetan werden kann. Vielmehr machen die
Einsichten der Psycho-Neuro-Immunologie ganz deutlich: psychische Zustände,
wie Stress, Trauer, Einsamkeit, Enttäuschungen, seelische Spannungen und
Depressionen schwächen die körpereigenen Abwehrkräfte, während Freude,
Zufriedenheit, Entspannung, das Gefühl der Sinnerfüllung eigenen Tuns, das
Gefühl aber auch geliebt und geachtet zu werden, diese Abwehrkräfte stärken.
Man könnte sagen: Kommunikation ist gleichsam der emotionale und
seelische „Treibsatz“ für die Aktivierung der T-Lymphozyten und der
Antigene…
Darin liegt die physiologische Bedeutung empathischer Kommunikation und
darin entfaltet sie auch ihre sanative Wirkkraft.
Die vielfach bemühte „Patientenzufriedenheit“ hängt nicht vom Ausmaß und
der Präzision gegebener Information ab, sondern gerade auch von der „hinter“
der Information erkennbaren emotionalen Zuwendung des Arztes, sei es, dass
sie sich durch positive oder auch durch negative Gefühle ausdrückt. Darum geht
es. Die Menschen verlangen nicht primär Information aus Wissbegier, sondern
weil sie der emotionalen Zuwendung bedürfen, die wiederum positive,
heilswirksame Aktivität im Patienten bewirkt. Vielfach ist der Akt des
Informierens selbst schon der Moment der ersehnten Zuwendung. Noch besser
freilich ist es, wenn der Arzt sich gleichsam zum Patienten hin öffnet und selbst
Emotion, ja Mitgefühl zeigt… Damit sich der Patient im mitfühlenden Blick des
Arztes, im mitfühlenden Wort des Arztes förmlich widergespiegelt sehen kann.
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Wir wissen aus den neueren Einsichten der Gehirnforschung, dass es
neuronale System gibt, sogenannte Spiegelnervenzellen, die es uns ermöglichen
spontan und unwillkürlich in uns jene Gefühle zu rekonstruieren, die wir beim
Mitmenschen
wahrnehmen.
Solche
Spiegelneurone
sind
die
neurophysiologische Basis dafür, dass wir den Gefühlszustand eines anderen
intuitiv verstehen können.
Umgekehrt ist der Empfang verstehender Resonanz , also die Erfahrung: ich
erkenne mich in meiner emotionalen Befindlichkeit im anderen widergespiegelt
ich erkenne mich vom anderen verstanden, nicht nur ein fundamentales soziales
Bedürfnis, sondern auch – wie die Gehirnforschung anhand der bei diesem
Vorgang ausgeschütteten Botenstoffe zeigen konnte -, ein elementares
biologisches Bedürfnis, ohne dass wir letztlich gar nicht leben könnten. Wenn
ein Mensch auf Dauer keinerlei Resonanz der Mitwelt auf die eigenen Gefühle
erhält, dann wird er krank. Wir alle brauchen – wie der Neorobiologe und
Psychotherapeut Joachim Bauer klar macht – diese Resonanz der Mitwelt auf
unsere eigenen Gefühle. Der Mensch bedarf der spiegelnden Wahrrnehmung
durch die Umwelt um seine Handlungsentwürfe vornehmen und sich orientieren
zu können. Fehlt dieses Orientierungssystem führt dies zu krankmachendem
Stress. „Systematischer sozialer Ausschluß“ mahnt Joachim Bauer, „ist somit
chronischer biologischer Stress, und chronischer Stress ist ein Krankheits-und
Selbstzerstörungsprogramm“. Deswegen brauchen wir eine kommunikative,
mitfühlende Medizin – eine Medizin, die auch auf die Kraft des
anteilnehmenden, mitfühlenden Wortes setzt. Deswegen muss alles dazu getan
werden, die Patienten aus dem Zustand krankmachenden Schweigens in den
Krankenhäusern zu „erlösen“.
Denn Worte sind eben nicht nur flüchtige Lautbildungen ohne weitere Folgen
beim Hörenden, sondern Worte aktivieren im Hörer Handlungsideen und
aktivieren Körpergefühle.
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Auch das hat mit den Spiegelnervenzellen zu tun: Worte können über den
Spiegelmechanismus im Hörenden Handlungs- und Empfindungsvorstellungen
erzeugen, so dass das, was wir einem Menschen sagen, eine massive suggestive
Wirkung entfalten und sein Befinden – positiv oder negativ – beeinflussen kann.
Was man also im Lichte der neurobiologischen Forschung sagen kann ist dies:
Mitfühlende, empathische Kommunikation ist nicht nur eine moralisch
wünschenswerte Form der Arzt-Patienten-Beziehung oder ein psychologischer
Faktor, der sich positiv auf die Patientenzufriedenheit, das Wissen über den
eigenen Gesundheitszustand und die Compliance auswirkt, sondern mitfühlende
Kommunikation hat unmittelbaren Einfluss auf physiologische Prozesse.
Kommunikation ist das einzige Gegenmittel gegen jenen zerstörerischen
chronischen biologischen Stress, der ja meistens mit Krankheit, Diagnose und
Therapie verbunden ist.
Bereits in den 1960er Jahren konnte der positive Einfluss qualitativ
verbesserter
Kommunikation
nachweisen.
Diejenigen
bei
Patienten,
postoperativen
die
in
den
Schmerzbehandlungen
Genuss
besonderer
kommunikativer Betreuung kamen, bedurften nur halb so vieler Schmerzmittel
wie ihre Leidensgenossen aus den Kontrollgruppen und konnten auch früher als
die anderen, kommunikativ nicht betreuten Patienten das Spital verlassen.
Zwei Drittel aller einschlägigen Studien, die sich in den vergangenen 40 Jahren
mit
der
Frage
eines
heilsamen
Effekts
positiver
Kommunikation
auseinandersetzten, konnten einen signifikanten Zusammenhang zwischen
Kommunikationsqualität
und
Gesundheitszustand
nachweisen.
Sowohl
besonders intensive Kommunikation über das Krankheitsbild als auch über den
Behandlungsplan
beeinflussen
deutlich
und
nachhaltig
die
jeweiligen
Symptome, wie Blutdruck, Blutzucker und Schmerzen.
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Kommunikation wirkt sich dann positiv auf den Gesundheitszustand aus,
wenn dem Patienten etwa ausreichend Gelegenheit gegeben wird, seine
Krankengeschichte aus seiner Sicht zu erzählen, und der Arzt offen ist für alle
Probleme des Patienten.
Im Vergleich verschiedener Betreuungsmethoden bei Brustkrebspatientinnen
zeigte sich: Jene Gruppen mit einer guten kommunikativen Betreuung wiesen
über einen Beobachtungszeitraum von 12 Monaten einen wesentlich besseren
psychischen und physischen Gesundheitszustand auf als die anderen Gruppen.
Jene Patientinnen, die kommunikativ nicht gut betreut wurden, litten unter
Depressionen, Angstzuständen und hatten noch ein Jahr nach der Operation
diesen Eingriff nicht verkraftet.
Solche und ähnliche Untersuchungen über den Einfluss psychosozialer
Maßnahmen auf den Krankheitsverlauf machen deutlich: Patienten, die
psychosoziale Unterstützung erhalten, gewinnen nicht nur ein höheres Maß an
Lebensqualität nach einem Klinikaufenthalt, sondern haben auch – etwa bei
Krebs
oder
koronaren
Herzkrankheiten
–
wesentlich
verbesserte
Überlebenschancen.
Fasst man die Resultate zusammen, dann könnte man sagen: Empathische
Beziehungen, also Mitgefühl und mitfühlende Kommunikation sind die
effektivsten psychosozialen Maßnahmen, um nicht nur krankheitsbedingte
Angst, Depressionen und Schmerzen zu verringern, sondern um sogar den
Verlauf selbst schwerer Erkrankungen positiv zu beeinflussen. Dabei genügt es
schon, wie Studien ebenfalls zeigen, dass Patienten bzw. Patientinnen im
Rahmen von Gruppentherapien die Möglichkeit haben, über ihre Krankheit mit
anderen Betroffenen zu reden und damit der schädlichen sozialen Isolation zu
entgehen.
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David Spiegel von der medizinischen Fakultät der Universität Stanford konnte
Ende der 1980er Jahre zeigen, dass Patientinnen mit metastierendem Brustkrebs,
die sich ein Jahr lang einmal pro Woche für neunzig Minuten zum
Gedankenaustausch trafen und füreinander Fürsorge und gegenseitiges
Verständnis entwickeln konnten, im Durchschnitt doppelt so lange überlebten
wie Frauen in der Kontrollgruppe, die nicht auf diese Erfahrungen einer
Selbsthilfegruppe
zurückgreifen
konnten.
Keine
der
Frauen
der
Vergleichsgruppe lebte noch nach fünf Jahren, hingegen alle Frauen, die an den
Gruppentreffen teilgenommen hatten.
Ähnlich beeindruckende Ergebnisse legten F. I. Fawzy und Kollegen von der
medizinischen Fakultät der Universität von Los Angeles Anfang der 1990er
Jahre
vor.
Melanompatientinnen,
die
an
einer
nur
sechswöchigen
psychologischen Gruppentherapie teilnahmen, wiesen sowohl eine verbesserte
emotionale Befindlichkeit auf als auch eine im Vergleich zur Kontrollgruppe
ohne psychotherapeutische Begleitung erhöhte Zahl und Aktivität der
natürlichen
Killerzellen.
Diejenigen
Melanompatientinnen,
die
an
der
Gruppentherapie teilgenommen hatten, erlitten – so konnten die Autoren in einer
Nachfolgestudie 5–6 Jahre nach der Intervention zeigen – mit höherer
Wahrscheinlichkeit kein Rezidiv und überlebten ihre Krebskrankheit länger.
Der kalifornische Kardiologe Dean Ornish entwickelte ein Therapieprogramm
für Patienten mit koronaren Herzkrankheiten, das ganz auf die positiven
Wirkungen von Liebe, Mitgefühl, menschlicher Nähe und Fürsorge setzt. Zu der
von Ornish praktizierten Therapie der „Öffnung des Herzens“ gehören nicht nur
eine radikale Veränderung des Lebensstils und der Ernährungsgewohnheiten,
sondern vor allem auch Techniken zum effektiveren Stressmanagement
einschließlich
Körper-
und
Atemübungen,
Meditation
sowie
Visualisierungsübungen zur Heilung bzw. Stärkung des Herzens. Ornish’s
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Therapie bietet sich nicht nur als Alternative zur medikamentösen Behandlung
von Herzkrankheiten, sondern verspricht bei konsequenter Befolgung seiner
Therapiemaßnahmen
sogar
eine
Öffnung
bereits
verschlossener
Herzkranzgefäße ohne chirurgischen Eingriff.
Zahlreiche Studien konnten nachweisen, dass sich nicht nur der Klinikaufenthalt durch besondere psychosoziale Interventionen verkürzt, sondern sich
auch die mit dem Krankheitsgeschehen verbundenen Folgen wie Angst,
Depression und Schmerzen deutlich verbessern.
Ein bewusstes Eingehen auf die extreme Stresssituation von Krebspatienten
reduziert deren psychologisch mitbedingte Morbidität. Das Gleiche gilt auch für
Herzpatienten: Die Reduktion von Stress bei Patienten mit koronaren
Herzkrankheiten durch gezieltes Stressmanagement trägt zur Erhöhung der
Langzeitprognose bei.
Umgekehrt deutet alles darauf hin, dass psychische Stressfaktoren wie
Depression, Angst, Verzweiflung und soziale Isolation zu einem schnelleren
Auftreten eines Tumorrezidivs beitragen. „Vermehrte Verdrängung neagtiver
Emotionen und ausgeprägte Hilf-und Hoffnungslosigkeit angesichts einer
Krebserkrankung erweisen sich in den meisten der hierzu durchgeführten
Studien in signifikantem Zusammenhang mit einem erhöhten Risiko, an Krebs
zu sterben“ stellen die beiden Innsbrucker Psychoneuroimmunologen Schubert
und Schüssler fest.
Neuere Forschungsarbeiten stützen die Vermutung, dass es bei Menschen mit
hohem Leidensdruck – etwa bei Brustkrebsüberlebenden – zu einer
immunrelevanten Funktionsstörung des Stresssystems kommen kann und damit
auch zu einer erhöhten Rückfallswahrscheinlichkeit.
Diese Menschen brauchen Mitgefühl und mitfühlende Beziehungen – sie
brauchen Mitgefühl zum Leben und zum Überleben …
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Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Die positive Wirkung anteilnehmender Kommunikation, sozialer Nähe und dem
Gefühl der Geborgenheit ist ausreichend empirisch bewiesen.
Noch dazu handelt es sich dabei um Studien, die einwandfrei dem kausalanalytischen Erkenntnismodell folgen und den methodologischen Prinzipien
natur- bzw. sozialwissenschaftlicher Forschung entsprechen. Es gäbe also
keinen Grund, an der Relevanz der Ergebnisse zu zweifeln und zu zögern, aus
diesen Ergebnissen auch die adäquaten Schlussfolgerungen für die Theorie und
Praxis der Arzt-Patienten-Interaktion zu ziehen.
Dennoch sind diese wichtigen Ergebnisse noch nicht in das Bewusstsein der
Schulmedizin vorgedrungen. Offenkundig handelt es sich hier um eine Art
Wirklichkeitsverleugnung, um eine Form „déformation professionelle“:
Naturwissenschaftlich ausgebildete Mediziner können nicht glauben, dass
positive empathische Kommunikation entscheidend und messbar zum
Behandlungserfolg und damit zum Heilungsprozess beiträgt. Vielleicht wollen
sie es auch nicht wahrhaben, weil die empirische Evidenz dieser Einsicht ihr
medizinisches Selbstverständnis in Frage stellt …
Umso wichtiger ist es unermüdlich klar zu machen: Positive, also empathische
Kommunikation ist nicht nur eine moralische Verpflichtung, sondern eine
medizinische Notwendigkeit!
Man muss das naturwissenschaftliche Paradigma der Medizin nicht aufgeben,
um an die Wirkung der positven Kraft des Wortes, das mit ganzem Herzen
gesprochen wird, zu glauben. Die moderne Neurobiologie liefert ausreichend
Hinweise für das heilsame Potenzial positiver emotionaler Beziehungen.
Zusammen mit den empirischen Ergebnissen internationaler Studien der
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vergangenen zehn, zwanzig Jahre über den Faktor „Kommunikation“ in der
Arzt-Patienten-Beziehung sollte dies eigentlich ausreichen, das Problem bewusst
zu machen und in qualitativ verbesserte Kommunikationsbeziehungen zu
investieren.
Es geht darum, alles zu tun um den immunrelevanten psychischen Leidensdruck
der Patienten und Patientiennen zu vermindern.
Um dies vielleicht nochmals deutlich am Beispiel des Stressfaktors „Angst“ zu
verdeutlichen:
Es gibt einen empirisch nachgewiesenen engen Zusammenhang zwischen dem
Ausmaß
der
Informiertheit
von
Patienten
über
vorgeschlagene
Therapieverfahren und der Intensität des Gefühls der Angst, das den jeweiligen
Therapieverlauf begleitet. Je besser die mentale Vorbereitung des Patienten auch
durch ausreichende Information über das medizinische Geschehen, desto
geringer die Angst.
Entscheidend für die Angstminderung dürften dabei aber weniger die
unmittelbaren Sachinhalte der gegebenen Informationen sein, sondern vor allem
die
mit
Hilfe
vorgenommenen
der
gegebenen
Informationen
Bedeutungszuweisungen
und
vom
Patienten
Schlussfolgerungen.
selbst
Die
Information dient dabei nur der vertieften Auseinandersetzung des Patienten mit
sich selbst und seiner Situation des Krankseins. Die medizinische Information
gibt für diesen so wichtigen und Angst mindernden Aktivierungsprozess also die
Initialzündung.
Dazu kommt: Ein Arzt, der sich bemüht seine Patienten bestmöglich über
diagnostische und therapeutische Verfahren zu informieren, signalisiert auf der
Beziehungsebene seine Bereitschaft, sich für Patienten zu engagieren und sich
um ihr größtmögliches Wohlergehen zu sorgen.
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Was aber vor allem noch gezeigt werden konnte, ist dies: Schon geringe
Formen gezeigten Mitgefühls im Rahmen ärztlicher Konsultation reduzieren
deutlich Angst.
Eine amerikanische Forschergruppe um Linda A. Fogarty von der Johns
Hopkins Universität in Baltimore konnte in einem Video-Experiment, bei dem
unterschiedliche ärztliche Kommunikationsstile von Brustkrebspatientinnen
bewertet werden mussten, zeigen, dass ein Arzt dann als mitfühlend
wahrgenommen wird, wenn er deutlich merkbar auf den emotionalen Zustand
der Patientin verbal eingeht. Dazu reichen, wie in diesem Experiment gezeigt
werden konnte, nicht mehr als 40 Sekunden.
Ein mitfühlender Kommunikationsstil des Arztes senkt also deutlich das
Angstniveau der Patientinnen. „Angst“ ist daher auch eine Funktion des
empathischen Kommunikationsvermögens des Arztes: Mitgefühl reduziert
Angst.
Der Grundsatz müsste lauten: Emotion geht vor Information, Aufklärung ersetzt
nicht Zuwendung. Und damit tun sich Ärzte schwer. Sie entwickeln allerlei
Schutzmechanismen, um von den Emotionen des Patienten gerade nicht affiziert
zu werden: Der Patient „klagt am Arzt vorbei“…
Damit tritt aber ein verhängnisvoller Mechanismus in Gang: Je weniger der
Patient von der Medizin in seinen primär emotionalen Bedürfnissen
wahrgenommen wird, desto geringer ist sein ursprünglich intaktes Vertrauen als
Hilfsbedürftiger dem Hilfe gewährenden Arzt gegenüber. Je geringer aber das
Vertrauen, desto größer die Angst vor der Medizin und der durch sie bewirkten
systemimmanenten, technokratischen Fremdbestimmung. Je geringer das
Vertrauen,
desto
geringer
auch
die
Voraussetzung
für
positives
Heilungsgeschehen. Denn Heilen hängt grundlegend mit Vertrauen und der
Kraft positiver Überzeugungen zusammen.
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Der Patient erlebt sich selbst nicht nur als hilfsbedürftig, sondern auch als
ohnmächtig und er erlebt die Medizin als System der Macht und der Herrschaft,
dergegenüber er sich unterworfen und ausgeliefert sieht.
Je größer aber die Angst des Patienten vor einem entfremdenden und
entfremdeten Medizinsystem, desto intensiver und auch berechtigter der
Eindruck der Patienten, dass diese Medizin nicht für den Patienten da ist,
sondern der Patient für das Funktionieren und die Aufrechterhaltung des
Systems.
Das ist ein verhängnisvoller Vorgang, den man als Enteignung der Krankheit,
bezeichnen könnte, währenddessen genau das Gegenteil passieren sollte: dass
nämlich der Patient in die Lage versetzt wird, sich intensiv geistig, emotional
und seelisch mit seinem Kranksein auseinanderzusetzen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Gute Krebstherapie ist immer zugleich auch gute Kommunikationstherapie.
Darin liegt auch das besondere Potenzial komplementärmedizinischer
Behandlung. Koplementärmedizin – gerade im onkologischen Bereich – kann
sich, ja muss sich durch eine alternative Kommunikationsqualität der ArztPatienten-Beziehung auszeichnen.
Bloß funktionale Aufmerksamkeit ist hier zuwenig – das ist Domäne der
positivistischen, kausalanalytischen Schulmedizin. Eine an der Ganzheit des
Patienten
orientierte
naturwissenschaftliche
und
zugleich
erfahrungsheilkundliche Behandlung braucht hingegen auch eine an der
Ganzheit
des
leidenden
Menschen
orientierte
Kommunikation.
Eine
Kommunikation also, die im Patienten weder einen medizinischen „Fall“, noch
einen anspruchsberechtigten Kunden sieht, sondern das leidende Subjekt mit
seinen existenziellen Sorgen und Ängsten. Darauf kann man nicht mit bloß
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angelernten rhetorischen Fertigkeiten reagieren. Das erfordert Ärzte, die bereit
sind, das Wort, das sie an die Patienten richten, mit ihrem ganzen Wesen zu
sprechen – also mit dem Patienten in eine Beziehung der persönlichen Nähe
einzutreten.
Wenn das gelingt, dann entsteht eine Form von Beziehung, die ich als
„existenziell“
bezeichnen
möchte.
Eine
solche
existenzielle
Kommunikationsbeziehung ist genau das Gegenteil dessen, was heute in
Ordinationen und Kliniken geschieht.
Was verstehe ich unter existenzieller Kommunikation? In der existenziellen
Kommunikation geht es primär um das Selbst des Patienten. Das sanative
Potential ärztlicher Kommunikation bemisst sich an der Fähigkeit des Arztes das
Selbst des Patienten zu verstehen. Das Selbst ist die Quelle und Grundlage der
psychischen Individualität eines Menschen, sein So-Sein, in dem seine
Erfahrungen, Erwartungen, Wünsche, Sehnsüchte und Ängste aufgehoben sind.
Das Selbstkonzept ist gleichsam ein verborgener Plan, der zu Rate gezogen
wird, um sich in der Situation der Krise und existenziellen Entscheidung selbst
zu verstehen. Es bestimmt das Verhalten des Menschen, organisiert seine
Wahrnehmung und sein Erleben. Deswegen ist es so wichtig, das Selbst des
anderen, das Selbst des Patienten zu verstehen.
Carl R.Rogers, der Begründer der klientenezentrierten Gesprächstherapie, hat
klar gemacht, dass es nicht darum geht dass w i r den anderen verstehen,
sondern, dass es zunächst darauf ankommt, den anderen von s e i n e m
Standpunkt aus zu verstehe, also zu verstehen, was dem anderen die Aussage
bedeutet. Das setzt zweierlei voraus: erstens den Verzicht auf sofortige
Klassifizikation und Bewertung des anderen; und zweitens die Bereitschaft, sich
durch die Aussage des anderen verändern zu lassen. Das ist der entscheidende
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Schlüssel zur mitfühlenden Kommunikation. Wer einen anderen wirklich zu
verstehen sucht, geht bewusst das Risiko ein, vom anderen verändert zu werden.
Deswegen scheuen wir uns vor dieser Herausforderung in das Bezugssystem
des anderen vollständig und mitfühlend einzutreten… nicht nur die Ärzte,
sondern wir alle in der Begegnung miteinander.
In der Regel bedienen wir uns unserer Masken und imageerhaltender Rituale. In
der Situation existenzieller Kommunikation aber fallen die Masken und werden
alle imageerhaltenden Rituale obsolet.
Den anderen wirklich zu verstehen, heißt also, ihn nicht von unserem eigenen
distanzierten Standpunkt gemäß unseres eigenen sachlichen Urteils verstehen zu
wollen – sondern den anderen von seinem Standpunkt aus zu verstehen, hinter
seinen Worten, öfter noch hinter seinem Schweigen, den seelischen Zustand, der
sich hinter dem Schweigen, der sich hinter den Worten verbirgt zu erschließen.
Den Patienten verstehen zu wollen, heißt primär, zu versuchen, sich in seine
Gefühlswelt einzufühlen… Das ist die Leistung der „emotionalen Vernunft“ sie verhilft uns zur ganzheitlichen, intuitiven Anschauung. Im Unterschied zur
Logik des Verstandes, die sich der Dinge bemächtigen will und dem eigenen
forschenden Willen unterwerfen will – vermögen wir mithilfe der emotionalen
Vernunft, mithilfe der „Logik des Herzens“ - ein Begriff des Mathematikers
und Philosophen Blaise Pascale - Teilhabe am Anderen zu gewinnen, sich in
die Dinge und Menschen einzufühlen.
Deswegen beginnt wahrhaft empathische Kommunikation nicht mit dem
Sprechen, sondern mit dem Zuhören, und zwar einem aktiven Zuhören.
Empathisches Zuhören ist Anwesenheit im Zuhören, ohne zu klassifizieren. Es
ist sehr schwer, nicht zu klassifizieren. Die Sache muss klassifiziert werden,
nicht die Person – das macht den Unterschied. Erst ein solches aktives Zuhören
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eröffnet nämlich dem anderen den psychischen Raum, in dem er selbst sein
kann.
Lassen Sie mich zusammenfassend sagen:
Ein empathischer Arzt steht zum Patienten in einer Beziehung der Diakonie –
man könnte auch sagen in einer Beziehung der Solidarität.
Diese Solidarität zwischen Arzt und Patient speist sich aus der
unausgesprochenen
Einsicht
in
die
existenzielle
Bedürftigkeit
und
Verwundbarkeit des Menschen. Sie speist sich aus der Einsicht, dass auch der
Arzt Krankheit und Leiden in sich trägt und darin dem äußeren Patienten
ähnlich ist.
Ich als Arzt bin genauso verwundbar, wie du als Patient. Wir beide, du und ich,
sind Leidende im Leben wie im Sterben. Aus dieser Einsicht existenzieller
Ähnlichkeit zwischen Arzt und Patient entsteht jene besondere Solidarität – eine
Solidaridät der Verletzten und der Verletzbaren.
Der Arzt erkennt sich wieder im Patienten und der Patient sieht sich im
mitfühlenden Antlitz des Arztes erkannt und verstanden.
Aus diesem tiefen Gefühl der Solidarität schöpft der Arzt – schöpfen wir alle die Kraft zum Mitgefühl, die Ktaft zur empathischen Kommunikation.
Und dann, wenn dies gelingt, vermag auch das Wort des Arztes für den
Patienten eine neue Wirklichkeit hervorzubringen: eine Wirklichkeit, in der die
lähmende Sprachlosigkeit, in der das lähmende Gefühl der Sinnlosigkeit und der
Hoffnungslosigkeit überwunden ist –
und Heil und Heilung möglich werden können …
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Ich danke für Ihre Geduld und Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen interessante
Kongresstage voller Inspiration und Kommunikation….
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