Amerikas Kriege

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is zum Eintritt in den Ersten Weltkrieg kümmerten sich die
Amerikaner kaum um die Verwicklungen der europäi-
schen Kriege. Zwar hatten sie zahlreiche Kontakte in die Alte Welt.
Auch waren sie meist gut über die Kriege Europas informiert, ja fieberten etwa als Deutsch-Amerikaner bei der Reichseinigung 1870/71
mit. Oder sie legten Sympathie für den Freiheitskampf der Polen und
Griechen an den Tag. Doch militärisch betrachtet hatten sie den Rest
der Welt nur bedingt im Blick. Ihr außenpolitisches Interesse richtete
sich auf die westliche Hemisphäre, auf die beiden Amerikas. Die Amerikaner waren ein Jahrhundert lang damit beschäftigt, die Vorherrschaft auf dem nordamerikanischen Teilkontinent zu erringen und die
eigene Nation gegen Übergriffe aus Europa, Mexiko oder vor den
Indianern zu sichern.
Dafür steht das Schlagwort „Amerika den Amerikanern“. Es
fasst knapp und deutlich die am 2. Dezember 1823 von Präsident
James Monroe vorgelegte Monroe Doctrine zusammen. Monroe
steckte als Teil seiner jährlichen Botschaft an den Kongress den langfristigen Rahmen der amerikanischen Außenpolitik ab. Er unterstrich
einmal mehr die Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten wie auch
aller anderen amerikanischen Nationen von Europa, der rückständigen „Alten Welt“. Dabei knüpfte er an die prophetischen Warnungen
seines Außenministers John Quincy Adams an, der in seiner Rede zum
Unabhängigkeitstag 1821 davor warnte, „im Ausland auf die Suche
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John Quincy Adams – Politiker mit Weitsicht
und Warner vor weltpolitischen Abenteuern
John Quincy Adams (1767–1848) war der Sohn des zweiten Präsidenten
John Adams. In Leiden (Niederlande) und Cambridge studierte er Rechtswissenschaften, war Professor an der Harvard University und arbeitete als
Rechtsanwalt in Boston, bevor er als Gesandter der jungen amerikanischen
Republik in die Niederlande, nach Preußen, Russland und ins Vereinigte
Königreich geschickt wurde. Unter Präsident Monroe wurde er 1817 zum
Außenminister ernannt. In dieser Zeit konnte er einen Vertrag mit Spanien
aushandeln, der den Vereinigten Staaten langfristig den Zugang zum Pazifik und damit zu den asiatischen Märkten ermöglichen sollte. Schließlich
folgte er Monroe 1825 ins Amt des Präsidenten. Er warnte vor kriegerischem Ehrgeiz. Nach seiner Niederlage gegen Andrew Jackson in den Präsidentschaftswahlen 1828 vertrat er bis zu seinem Tod Massachusetts im
Kongress. Dort tat er sich als Gegner der Sklaverei hervor.
nach Monstern zu gehen, die es zu zerstören gelte“. Aus diesen Worten spricht das wenig getrübte Selbstbewusstsein einer jungen Nation.
Schon die damalige Generation amerikanischer Politiker ging davon
aus, Amerika werde einst eine dominante Macht werden. Sollte aber
Adams Recht behalten, wenn er befürchtete, dass ein Amerika, das in
Übersee Kriege führte, die fundamentale Maxime seiner Politik verrate, von „Freiheit“ zu „Gewalt“ überginge, ja die „Diktatorin der Welt“
werden könnte?
Von den Versuchungen der Hegemonie waren die USA trotz des
von Monroe und Adams an den Tag gelegten Selbstbewusstseins noch
weit entfernt. Vorerst hatte das militärisch schwache Amerika mit
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Amerika den Amerikanern
seinen langen, ungesicherten Küsten gar keine andere Wahl, als um
seiner eigenen Sicherheit willen auf Isolation zu drängen. Monroe stellte sich daher ganz bewusst in die rhetorische Tradition seiner Vorgänger und definierte zwei politische Hemisphären: eine amerikanische und eine europäische, die politisch voneinander getrennt bleiben
sollten. Indem er versicherte, dass Amerika sich aus Europa und dem
Ränkespiel der Monarchien heraushalten werde, machte er gleichzeitig klar, dass es eingreifen würde, sollten die Europäer versuchen, die
gerade unabhängig gewordenen Staaten in Lateinamerika zu rekolonialisieren. Damit verlieh er jener Denkweise Ausdruck, die etwas
missverständlich als Isolationismus bezeichnet wird.
Diese Leitlinie der bündnispolitischen Abstinenz entstand bereits
in der Revolutions- und Gründungsphase der USA. Sie sollte die USAußenpolitik aus allen internationalen Verträgen heraushalten („Isolation“). Denn das ungefestigte junge Land, das über keine nennenswerte Armee und Marine verfügte, sah sich bald nach seiner Gründung
vor der Gefahr, in die durch die Französische Revolution ausgelösten Kriege hineingezogen zu werden. Schon der erste US-Präsident
George Washington wies in seiner Abschiedsbotschaft, seiner Farewell
Address, darauf hin, dass die Amerikaner sich nicht in das europäische
Spiel der Mächte einmischen sollten. Diese Linie führte der dritte Präsident, Thomas Jefferson, in seiner ersten Inaugural Address fort,
nachdem sich das 1778 „auf ewig“ geschlossene Bündnis mit Frankreich auch innenpolitisch zunehmend als Spaltpilz zwischen den
Anhängern und Gegnern der Französischen Revolution erwies. Nur
unter größten Schwierigkeiten und gegen Zahlung einer enormen
Summe konnte der Bund mit Frankreich aufgelöst werden.
Vor dem Hintergrund dieser Gefahr einer Verwicklung in europäische Kriege beschwor auch Jefferson die strategische Isolation der
USA in der westlichen Hemisphäre. Als Prinzipien seiner Regierung in
Bezug auf die Außenpolitik definierte er: „Peace, commerce and honest
Amerika den Amerikanern
friendship with all nations, entangling alliances with none.“ Von Jefferson und nicht von Washington stammt demnach die berühmte Warnung, die Amerikaner dürften sich nicht auf eine „verstrickende Allianz“ einlassen, die sie schon in Friedenszeiten binde. Genau diese
Gefahr eines „verstrickenden Bündnisses“ hätte der von Wilson betriebene Völkerbund in sich getragen, den der US-Senat 1919 prompt nicht
ratifizierte. Von der Linie der Bündnislosigkeit in Friedenszeiten wichen
die USA erst mit der Gründung der NATO nach 1945 ab.
Es fiel den USA anfangs nicht leicht, sich von den europäischen
Konfliktherden fernzuhalten. Doch nach dem Desaster des britischamerikanischen Krieges von 1812 und beginnend mit Monroe konzentrierten sie sich über das nächste halbe Jahrhundert auf die kontinentale Expansion über den nordamerikanischen Kontinent. Dies führte
zu mehrfachen Kriegen mit Mexiko und zu wiederholten Spannungen
mit den europäischen Großmächten England, Spanien und Russland,
die alle nach wie vor koloniale Besitzungen in Amerika hatten. Im Laufe des 19. Jahrhunderts breitete sich das Siedlungsgebiet der USA sukzessive nach Westen aus, bis schließlich das heutige Territorium der
USA mit seiner Ausdehnung von Küste zu Küste entstanden war. Am
Ende des 19. Jahrhunderts wurden sie dann selbst zur überseeischen
Imperialmacht.
Dabei gab es immer äußere Feinde, die es zu bezwingen galt. Die
ersten waren die einzelnen Stämme der nordamerikanischen Indianer
wie auch die europäischen Kolonisten: Franzosen, Spanier und britische Kanadier. Zunächst sicherten sich die englischen Kolonisten das
Siedlungsgebiet bis zu den Appalachen und verdrängten die meisten
Indianer des Ostens. Dann siegten sie über die Franzosen, drängten die
Spanier bzw. Mexikaner an den Rand und letztlich auch die Indianer
des Westens. Was entstand, war ein fast vollständig besiedelter Kontinent, der neben zwei Küsten nur zwei Grenzen zu anderen Ländern
hatte: zu Kanada im Norden und zu Mexiko im Süden. Während die
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Amerika den Amerikanern
USA zweimal an der Eroberung Kanadas scheiterten (im Unabhängigkeitskrieg wie im Krieg von 1812), verlor Mexiko im Krieg mit den
USA (1848) etwa ein Drittel seines Gebiets. Zwar war der mexikanische Norden nur spärlich besiedelt, aber es bedeutete psychologisch
einen herben Verlust, der im kulturellen Gedächtnis der Mexikaner
bis heute nachwirkt.
Diese Landgewinne bescherten den USA eine schier uneinnehmbare geostrategische Situierung. Daher ist es nicht verwunderlich, dass
der größte Krieg der USA im 19. Jahrhundert durch einen inneren
Konflikt herbeigeführt wurde. Ganz bewusst stellte Präsident Abraham Lincoln den Bürgerkrieg als interne Angelegenheit der Vereinigten Staaten dar, indem er die abtrünnigen Staaten als rebellierend
brandmarkte. So wollte er verhindern, dass europäische Mächte wie
das Britische Weltreich, das zeitweilig mit den Südstaaten sympathisierte, oder gar Mexiko in diesen Konflikt hineingezogen würden.
Waren die USA vor dem Bürgerkrieg eher eine Republik aus mehreren, vergleichsweise autonom agierenden Staaten, formte Lincoln daraus einen Bundesstaat mit starker Zentralgewalt.
Im 18. und 19. Jahrhundert deuteten die Amerikaner ihre Expansion und Landnahme nicht nur ökonomisch, sondern vor allem
religiös. Mit Konzepten wie Manifest Destiny, d. h. eines vorherbestimmten Auftrages sich den Kontinent untertan zu machen, begründeten sie z. B. die Annexion von Texas und den Krieg gegen Mexiko.
Viele Amerikaner versuchten sich selbst eine besondere Mission zuzuschreiben und sie taten das gerne in Begriffen und Bildern, die aus der
Bibel stammten. Lange bevor der Kontinent erobert war, sprachen
bereits die Gründerväter von der kommenden Landnahme, für die die
US-Amerikaner einen göttlichen Auftrag hätten – vergleichbar dem
Volk Israel im Alten Testament. Die eigentlich in erster Linie von der
Aufklärung geprägten Gründerväter verbanden diese Sichtweise mit
dem puritanischen Sendungsbewusstsein eines auserwählten Volkes.
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