Mehr Wissen: Herzrhythmusstörungen und

Werbung
Druckversion
Mehr Wissen: Herzrhythmusstörungen und schnellen Herzschlag
behandeln
Bei einem Vorhofflimmern ist der Herzrhythmus gestört und das Herz schlägt meist schneller als normal. Der zu hohe Puls wird in der Regel
durch Medikamente gesenkt. Zudem kann man versuchen, den normalen Herzrhythmus wiederherzustellen. Die Behandlung richtet sich unter
anderem nach den Beschwerden, Ursachen und Risikofaktoren.
Vorhofflimmern ist die häufigste Herzrhythmusstörung. Sie ist nicht unmittelbar lebensbedrohlich, kann aber verschiedene Beschwerden
verursachen und erhöht das Risiko für Schlaganfälle und Herzschwäche. Um dieses Risiko zu senken, stehen verschiedene
Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Für Menschen mit Vorhofflimmern stellen sich zwei wesentliche Fragen:
Soll ich mich für eine Behandlung entscheiden, die den normalen Herzrhythmus wiederherstellt?
Wie hoch ist mein Risiko für einen Schlaganfall und welche Behandlung soll ich wählen, um dieses Risiko zu senken?
Die folgenden Informationen sollen dabei helfen, die erste Frage für sich zu beantworten und eine persönlich passende Entscheidung zu treffen.
Was unterscheidet die Behandlung des Herzrhythmus und der Herzfrequenz?
Bei der Therapie des Vorhofflimmerns unterscheidet man zwischen der Behandlung des Herzrhythmus und der Herzfrequenz. Mit der Herzfrequenz
ist die Anzahl der Herzschläge in der Minute gemeint. Sie wird als Puls gemessen.
Mit Herzrhythmus ist das regelmäßige Zusammenspiel der Vorhöfe und Kammern des Herzens gemeint. Der Rhythmus entsteht durch elektrische
Impulse, die sich über den Herzmuskel ausbreiten und dabei die Vorhöfe und Kammern dazu bringen, sich nacheinander ruckartig
zusammenzuziehen. Der Rhythmus und die Ausbreitung der Impulse kann im EKG grafisch dargestellt werden.
Das Ziel der Herzrhythmus-Behandlung ist es, den normalen Herzrhythmus (Sinusrhythmus) wieder herzustellen und zu erhalten. Der Fachbegriff
für die Wiederherstellung des normalen Rhythmus ist Kardioversion. Eine Kardioversion kann durch Medikamente oder elektrische Impulse erreicht
werden.
Danach kann eine rhythmuserhaltende Therapie mit bestimmten Medikamenten, sogenannten Antiarrhythmika, infrage kommen. Eine Alternative
dazu ist ein Eingriff am Herzen, die sogenannte Ablationsbehandlung. Dabei werden über einen Katheter die Stellen an der Innenseite des Herzens
verödet, die für die Rhythmusstörung verantwortlich sind. Auf diese Weise soll der normale Herzrhythmus wiederhergestellt werden.
Meist wird zusammen mit dem Herzrhythmus auch eine zu hohe Herzfrequenz behandelt. Denn bei einigen Menschen ist der Puls auch dann noch
erhöht, wenn es gelungen ist, den Herzrhythmus zu normalisieren.
Die Behandlung eines zu hohen Pulsschlags zielt allein darauf ab, die Herzfrequenz im normalen Bereich zu halten. Ziel ist meist, den Puls in Ruhe
auf unter 80 Schläge pro Minute zu senken. Bei Menschen ohne starke Beschwerden reicht oft auch eine Senkung auf 110 Schläge pro Minute aus.
Zu den Medikamenten, die zur Puls-Senkung eingesetzt werden, gehören Betablocker, Kalziumantagonisten und Digitalis. Welches Medikament
eingesetzt wird, hängt vor allem davon ab, ob und welche Begleiterkrankungen vorliegen.
Was spricht für, was gegen eine Herzrhythmus-Behandlung?
Eine Herzrhythmus-Behandlung hat zwei wesentliche Vorteile: Wenn sie erfolgreich ist, lassen sich zum einen die Beschwerden durch die
Rhythmusstörung lindern. Zum anderen ist das Herz nach einer erfolgreichen Kardioversion wieder voll leistungsfähig. Gründe für eine
Herzrhythmus-Behandlung sind daher:
Störende Symptome: wenn sich Beschwerden wie Herzklopfen durch eine Kontrolle der Herzfrequenz nicht ausreichend lindern lassen.
Erstmaliges, akutes Auftreten: wenn ein Vorhofflimmern zum ersten Mal auftritt oder noch nicht lange besteht. Man geht dann davon aus, dass die
Chancen, dass die Kardioversion den Sinusrhythmus langfristig wiederherstellen kann, höher sind.
Alter: Menschen unter 65 kann eine Kardioversion vermutlich mehr nützen als älteren – denn ihr Risiko, dass das Vorhofflimmern voranschreitet
und zu einer Herzschwäche führt, ist wahrscheinlich höher. Dies ist aber nur einer von mehreren Aspekten. Auch bei älteren Menschen kann eine
Kardioversion sinnvoll sein.
Körperliche Aktivität: Menschen, die in Beruf oder Freizeit körperlich sehr aktiv sind, sind aufgrund der verringerten Herzleistung schneller
erschöpft. Bei ihnen kann eine Kardioversion ebenfalls sinnvoll sein.
Eine Herzschwäche: Hier ist die Hoffnung, dass eine Kardioversion die Pumpleistung des Herzens verbessert.
Wenn andere Erkrankungen das Vorhofflimmern verursachen: Bei manchen Menschen wird das Vorhofflimmern durch eine andere Erkrankung
verursacht, wie zum Beispiel eine Schilddrüsenüberfunktion. Hier kann durch eine Kardioversion der normale Herzrhythmus schnell wieder
hergestellt werden. Bei einer erfolgreichen Behandlung der zugrundeliegenden Krankheit bleibt er dann oft auch langfristig stabil. Allerdings kann
auch hier das Vorhofflimmern erneut auftreten.
Häufiger Wechsel zwischen Vorhofflimmern und Sinusrhythmus bei starken Beschwerden: Bei diesen Menschen kann es problematisch sein, allein
die Herzfrequenz zu behandeln. Denn wenn das Herz im (normalen) Sinusrhythmus schlägt, können die Medikamente den Herzschlag zu stark
verlangsamen. Dann kommt auch die oben erwähnte Katheter-Ablation infrage.
Gegen den Versuch einer Kardioversion spricht, dass sie Nebenwirkungen haben kann. Da eine Kardioversion nicht immer erfolgreich ist und ein
erneutes Auftreten des Vorhofflimmerns nicht verhindern kann, gilt es, Nutzen und Schaden abzuwägen. Eine Kardioversion gelingt eher bei
jüngeren Menschen, die noch nicht so lange Vorhofflimmern haben.
Medikamentöse Kardioversion
Bei einer medikamentösen Kardioversion werden sogenannte antiarrhythmische Medikamente eingesetzt, um den Herzrhythmus zu normalisieren.
Die Medikamente werden als Tablette eingenommen oder direkt in eine Vene gespritzt. Welches Mittel sich eignet, hängt zum Beispiel davon ab, ob
und welche Begleiterkrankungen jemand hat. Die Erfolgsaussicht einer Kardioversion kann je nach Medikament und Begleiterkrankung sehr
unterschiedlich ausfallen. Sie reicht von 30 bis 90 von 100 Menschen mit Vorhofflimmern. Es können jedoch Nebenwirkungen auftreten, wie ein zu
niedriger Blutdruck, ein zu langsamer Herzschlag sowie andere Herzrhythmusstörungen.
Elektrische Kardioversion
Bei einer elektrischen Kardioversion werden Elektroden auf den Oberkörper geklebt, die einen elektrischen Impuls abgeben und dadurch den
Herzrhythmus normalisieren. Dies geschieht unter einer kurzen Narkose von einigen Minuten. Eine elektrische Kardioversion gelingt bei mehr als 90
von 100 Menschen und ist oft auch erfolgreich, wenn das Vorhofflimmern bereits länger anhält. Zu den Risiken gehören Komplikationen der Narkose
und leichte Hautverbrennungen. Manchmal treten nach der Behandlung auch andere Herzrhythmusstörungen auf.
Das größte Risiko der elektrischen wie der medikamentösen Kardioversion ist, dass sich ein Blutgerinnsel im Herzen löst und einen Schlaganfall
verursacht. Deshalb findet eine Kardioversion nur statt, wenn eine Ultraschalluntersuchung zeigt, dass sich im Herzen kein Blutgerinnsel gebildet
hat. Alternativ kann auch eine vorherige mehrwöchige Behandlung mit einem gerinnungshemmenden Medikament sicherstellen, dass eventuell
vorhandene Blutgerinnsel aufgelöst werden.
Langfristige Erfolgsaussichten
Wenn ein Vorhofflimmern bereits länger besteht, kehrt es nach anfangs erfolgreicher Kardioversion bei rund 70 bis 80 von 100 Menschen innerhalb
eines Jahres zurück. Die Erfolgsrate lässt sich durch die längerfristige Einnahme von antiarrhythmischen Medikamenten um etwa 10 bis 20 von 100
verbessern. Die Studien hierzu haben jedoch auch nur einen Zeitraum von etwa einem Jahr betrachtet. Es kann also sein, dass nur wenige
Patientinnen und Patienten ihr Vorhofflimmern dauerhaft los sind. Es ist nicht belegt, dass diese Medikamente auch Folgeerkrankungen wie
Herzschwäche oder Schlaganfälle vorbeugen können.
Antiarrhythmische Medikamente können bei längerfristiger Einnahme eine Reihe von Nebenwirkungen haben. Dazu gehören eine Verschlechterung
der Herzrhythmusstörung und ein zu langsamer Herzschlag. Auch Sehstörungen, eine lichtempfindliche Haut sowie Übelkeit, Erbrechen und
Durchfall können auftreten. Diese Nebenwirkungen verschwinden, wenn man die Medikamente wieder absetzt. In seltenen Fällen können die
Medikamente aber selbst lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen auslösen. Für die Wirkstoffe Disopyramid, Chinidin und Sotalol gibt es sogar
Hinweise, dass sie die Sterblichkeit bei Menschen mit Vorhofflimmern etwas erhöhen.
Was spricht für eine Behandlung einer hohen Herzfrequenz?
Bei manchen Menschen würde der Versuch einer Normalisierung des Herzrhythmus ein hohes Risiko für Komplikationen bedeuten. Bei ihnen wird
in der Regel direkt versucht, die zu hohe Herzfrequenz zu behandeln. Andere Gründe, die für eine Herzfrequenz-Behandlung und gegen eine
Kardioversion sprechen können, sind:
Das Vorhofflimmern besteht seit über einem Jahr. Dann sind die Aussichten gering, dass eine Kardioversion erfolgreich ist.
Höheres Alter: Vor allem bei älteren Menschen über 80 Jahre kommt eine Kardioversion wegen der Risiken häufig nicht infrage.
Das Vorhofflimmern ist nach einer Kardioversion, insbesondere trotz langfristiger Behandlung mit antiarrhythmischen Medikamenten, erneut
aufgetreten.
Eine bekannte Ursache des Vorhofflimmerns wie eine Schilddrüsenüberfunktion oder eine undichte Herzklappe wurde nicht behandelt.
Es gibt Begleiterkrankungen, die gegen eine Kardioversion sprechen.
Manche Menschen, bei denen eine Herzrhythmus-Behandlung eigentlich infrage käme, entscheiden sich trotzdem dagegen, etwa weil ihnen die
Erfolgsaussichten für eine langfristige Normalisierung des Herzrhythmus zu gering sind oder weil sie das Risiko von Nebenwirkungen oder
Komplikationen nicht eingehen möchten.
Ein weiterer Grund, mit einer Herzfrequenz-Behandlung zu beginnen, ist, dass unter Umständen weniger Kontrolluntersuchungen nötig sind und
weniger Medikamente eingenommen werden müssen als beim Versuch einer Kardioversion.
Welche Behandlungsstrategie wählen?
Grundsätzlich neigen Ärztinnen und Ärzte heute eher dazu, eine Behandlung einer hohen Herzfrequenz auch bei Beschwerdefreiheit vorzuschlagen –
vor allem auch bei älteren Menschen. Die Herzrhythmus-Behandlung (Kardioversion) bietet zwar eine begrenzte Aussicht, das Vorhofflimmern
zumindest eine Zeit lang zu beenden, dafür muss man aber bereit sein, mögliche Nachteile und Komplikationen in Kauf zu nehmen. Studien haben
gezeigt, dass eine Kardioversion im Hinblick auf die Lebenserwartung und das Vermeiden von Folgeerkrankungen wie Schlaganfällen keine Vorteile
hat.
Verschiedene Gründe können dennoch für eine Kardioversion sprechen – insbesondere, wenn eine Kontrolle der Herzfrequenz allein die
Beschwerden nicht ausreichend lindern kann. Eine andere Möglichkeit ist dann die Katheter-Ablation. Welche Behandlungsstrategie infrage kommt,
lässt sich am besten gemeinsam mit der Ärztin oder dem Arzt besprechen. Die Entscheidung für die Herzfrequenz- oder die HerzrhythmusBehandlung ist dabei ja nicht „endgültig“: Es können immer Gründe hinzukommen, sich doch noch anders zu entscheiden.
Quellen
Caldeira D, David C, Sampaio C. Rate versus rhythm control in atrial fibrillation and clinical outcomes: updated systematic review and meta-analysis
of randomized controlled trials. Arch Cardiovasc Dis 2012; 105(4): 226-238.
Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK). Leitlinien für das Management von Vorhofflimmern. 2010.
Lafuente-Lafuente C, Longas-Tejero MA, Bergmann JF, Belmin J. Antiarrhythmics for maintaining sinus rhythm after cardioversion of atrial
fibrillation. Cochrane Database Sys Rev 2012; (5): CD005049.
Lip GY, Apostolakis S. Atrial fibrillation (acute onset). Clin Evid (Online) 2011; 02: 210.
Lip GY, Tse HF, Lane DA. Atrial fibrillation. Lancet 2012; 379(9816): 648-661.
IQWiG-Gesundheitsinformationen
sollen
helfen,
Vorund Nachteile wichtiger Behandlungsmöglichkeiten und Angebote der
Gesundheitsversorgung zu verstehen.
Ob eine der von uns beschriebenen Möglichkeiten im Einzelfall tatsächlich sinnvoll ist, kann im Gespräch mit einer Ärztin oder einem Arzt geklärt
werden. Wir bieten keine individuelle Beratung.
Unsere Informationen beruhen auf den Ergebnissen hochwertiger Studien. Sie sind von einem Team aus Medizin, Wissenschaft und Redaktion
erstellt und von Expertinnen und Experten außerhalb des IQWiG begutachtet. Wie wir unsere Texte erarbeiten und aktuell halten, beschreiben wir
ausführlich in unseren Methoden.
BIG direkt gesund 2017 - 0800 54565456 Kostenloser 24h-Direktservice
Herunterladen