Das Opfer design. Apostel Barnabas Stand 1.11.2012 1 Einleitung Das Kreuzesopfer von Jesus Christus ist im Christentum von zentraler Bedeutung, so wie auch das Kreuz zu dem Symbol des Christentums geworden ist. Jesus von Nazareth ist am Kreuz für die Sünden der Menschen, ja der ganzen Welt gestorben, er ist für uns gestorben, hat sein Blut für uns vergossen und darin den Willen des Vaters erfüllt. ... wieviel mehr wird das Blut Christi, der sich selbst kraft ewigen Geistes Gott als makelloses Opfer dargebracht hat, unser Gewissen von toten Werken reinigen, damit wir dem lebendigen Gott dienen. (Hebr 9,14) ... und liebt einander, weil auch Christus uns geliebt und sich für uns hingegeben hat als Gabe und als Opfer, das Gott gefällt. (Eph 5,2) ... denn vor allem habe ich euch überliefert, was auch ich empfangen habe: Christus ist für unsere Sünden gestorben, gemäß der Schrift (1.Kor 15,3) Viele Christen verkünden dieses Ereignis und sprechen dabei vom Opfer, das Jesus für die Welt gebracht hat. In dem Film 'die Passion' wird das Leiden Jesu in besonders grausamer und blutiger Weise dargestellt. Aber hat Gott ein blutig vollzogenes Menschenopfer verlangt? Wie ist dieses Opfer von Jesus am Kreuz zu verstehen? Und welche Opfer bringen wir Christen unserem Gott dar? Diese Fragen haben schon etliche Theologen ins Schwitzen gebracht, und ich bin Geistlichen begegnet, welche selber nicht verstehen konnten, warum 'der liebe Gott' ein Menschenopfer zur Versöhnung braucht? Wenn wir verstehen wollen, was 'Opfer' sind, müssen wir uns mit dem Opfer von Jesus beschäftigen. Die erste und wichtigste Frage ist: War der Tod von Jesus Christus ein von Gott gefordertes Menschenopfer? Um das beantworten zu 2 können betrachten wir den Opferbegriff genauer, denn unter dem Wort 'Opfer' kann man sich verschiedene Dinge vorstellen. Der Opferbegriff Der Lautform nach stammt das deutsche Wort 'opfern' von 'operari' ab, das bedeutet 'arbeiten, verrichten, pflegen, bearbeiten' u.ä., aber auch 'Almosen geben'. Der Bedeutung nach ist es sicherlich auch beeinflusst von 'offere', das 'darbringen' bedeutet. Diese Erklärungen zur Wortherkunft helfen aber noch nicht wirklich weiter. Die wichtigste Unterscheidung ist das Opfer im allgemeinen und im rituellen Sinn. Allgemeine Opfer Wenn z. B. ein Feuerwehrmann bei dem Versuch, Menschen das Leben zu retten selber ums Leben kommt, dann hat dieser Mensch sich geopfert, aber nicht im rituellen Sinn sondern in seinem wirklichen Tun. Auch Kinder, welche z.B. ihre kranken Eltern pflegen und dabei auf ihr eigenes Leben (Karriere, Freizeit) zum Teil verzichten, opfern sich auf. Es kann auch sein, dass jemand sein Leben einem bestimmten Ziel widmet, und von einem Opfer in diesem Zusammenhang spricht man dann, wenn dieses Ziel uneigennützig ist, d.h. anderen dient. Die wesentlichsten menschlichen Inhalte dieser 'Opfer im allgemeinen Sinn' sind: Hingabe und Verzicht zugunsten von anderen. Aber auch wenn Menschen von etwas betroffen sind, wofür sie selber zumindest direkt nicht verantwortlich sind, sprechen wir von Opfern. Dies können Tote oder Verletzte durch eine Unfall oder eine Katastrophe sein, oder jemand fällt einem Verbrechen oder einer Krankheit zum Opfer. 3 Rituelle Opfer Solche Opferhandlungen beinhalten in aller Regel eine Opfergabe, welche durch Menschen einem unsichtbaren, höheren Wesen dargebracht (geopfert) werden. Die Absicht dabei ist entweder die Ernährung der Gottheit(en), oder durch den 'Wert' des Opfers die angerufenen Wesen oder Mächte günstig zu beeinflussen oder gnädig zu stimmen usw. Alle an einer solchen Opferhandlung teilnehmenden Menschen wissen dabei, worum es bei solch einem Ritual geht. Häufige Anliegen sind die Bitte um Fruchtbarkeit (z.B. für die Ernte, aber auch für Tiere und Menschen), Schutz vor Naturgewalten, Schutz und Hilfe bei Krankheit oder in anderen Gefahren, oder auch Dank. Aus christlicher Sicht spricht man von 'heidnischen Werteopfern', denn das jüdisch/christliche Opferverständnis unterscheidet sich grundlegend von dem hier beschriebenen heidnischen Verständnis. Innerhalb dieser Abhandlung wird zur besseren Unterscheidbarkeit für solche heidnische Opfer der Begriff 'Werteopfer' verwendet. War der Tod von Jesus ein Menschenopfer? Das Opfern von Menschen war unter vielen Völkern zum Teil bis in jüngste Zeiten hinein verbreitet, und zwar meist aus den bereits erwähnten Gründen für die rituellen 'Werte-Opfer'. Die geopferten Menschen waren entweder dazu ausersehen, teilweise von Geburt an, oder wurden dafür entführt oder in teils kriegsartigen Überfällen bei anderen Stämmen oder Völkern geraubt. Die Opferung selber konnte an verschiedenen Orten stattfinden, oftmals jedoch an den Stätten / Altären, welche der Gottheit(en) gewidmet waren. Allen Beteiligten war dabei klar, wozu diesen Handlung stattfand, und das Ritual, in welchem der oder die Menschen geopfert wurden, brachte auch den Sinn des Opfers zum Ausdruck. 4 Wenn wir uns also die Frage stellen, ob die Kreuzigung Jesu ein von Gott gefordertes Menschenopfer war, müssen wir wissen, warum und wie Jesus getötet wurde: Israel – von Römern besetzt Zu Lebzeiten von Jesus war Israel ein von den Römern besetztes Land. Die Römer ließen in den von ihnen eroberten Ländern die Ausübung der dort vorhandenen Religionen zu, solange ihre Herrschaft dadurch nicht in Frage gestellt wurde. Das römische Reich brauchte viel Geld um die Kriege, die Oberschichten und Prestigebauwerke finanzieren zu können. Diese erforderlichen Mittel wurden aus den eroberten Völkern gepresst mit Steuern, Abgaben und Versklavungen, und so war es auch in Israel. Auch während der Lebzeit von Jesus hatte es mehrere kleine Aufstände gegen die Römer gegeben, welche blutig niedergeschlagen wurden. Dies geht auch aus dem Evangelium nach Markus hervor: Jeweils zum Fest ließ Pilatus einen Gefangenen frei, den sie sich ausbitten durften. Damals saß gerade ein Mann namens Barabbas im Gefängnis, zusammen mit anderen Aufrührern, die bei einem Aufstand einen Mord begangen hatten. (Mar 15,6.7) Viele Jahre nach der Kreuzigung von Jesus, im Jahr 70 n. Chr., endete ein großer jüdischer Aufstand mit der Eroberung und Zerstörung Jerusalems und des Tempels durch die Römer, nach dem Bar Kochba Aufstand von 132 – 135 n. Chr. wurde es Juden verboten, in Jerusalem und Umgebung zu leben. Diese Ereignisse zeigen, wie angespannt die Situation damals in Israel war. Die Juden sehnten sich nach einem Erlöser, dem verheißenen Messias, welcher sie aus dem Joch der Römer befreien und Israels Eigenständigkeit wieder herstellen sollte. Die Kreuzigung war die von den Römern praktizierte Strafe für Aufständische. 5 Als Jesus eine Woche vor dem Passahfest in Jerusalem einzog, wurde er mit den Rufen: „Hosanna! Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn, der König Israels!“ (Joh 12,13) begrüßt. Hos(i)anna kann man wörtlich mit 'Hilf doch' oder 'Errette doch' übersetzen, zum Teil wurde es zur damaligen Zeit auch als Jubelruf verwendet. Für die Römer waren diese Rufe eine klare Ansage: Hier kommt jemand, der unseres Herrschaft gefährdet! Die Juden Zu Lebzeiten von Jesus gab es unter den Juden unterschiedliche Gruppierungen und auch Meinungen, wie die Thora zu verstehen und im Leben umzusetzen sei, auch wenn sich die Juden in ihrem Kult- und Grundverständnis weitgehend einig waren. Die bekanntesten Gruppen aus dem Neuen Testament sind die Pharisäer und die Sadduzäer, von den Essenern wird im Neuen Testament zumindest offensichtlich nichts berichtet. Jesus zog mit seinen Lehren und mit seinem Handeln den Zorn dieser beiden Parteien auf sich, obwohl er auch freundschaftliche Kontakte hatte. Den Sadduzäern, welche die Hoheit und Verwaltung des Tempeldienstes unter sich hatten, warf Jesus vor, aus dem Haus Gottes eine Räuberhöhle gemacht zu haben, und den Pharisäern warf er unter anderem vor, den Menschen unerträgliche Lasten aufzuerlegen, welche sie selbst nicht zu tragen bereit waren. Mehrmals wird uns im Neuen Testament davon berichtet, dass einige Juden sich den Tod von Jesus wünschten. Jesus wurde sicherlich von einigen, wenn nicht gar der Mehrheit der führenden Sadduzäer und Pharisäer als eine Gefahr für ihre eigenen religiösen und/oder politischen Überzeugungen angesehen. Aber auch die Gefahr eines durch Jesus verursachten Aufstandes und dessen Folgen war allgegenwärtig: 6 Da beriefen die Hohenpriester und die Pharisäer eine Versammlung des Hohen Rates ein. Sie sagten: Was sollen wir tun? Dieser Mensch tut viele Zeichen. Wenn wir ihn gewähren lassen, werden alle an ihn glauben. Dann werden die Römer kommen und uns die heilige Stätte und das Volk nehmen. Einer von ihnen, Kajaphas, der Hohepriester jenes Jahres, sagte zu ihnen: Ihr versteht überhaupt nichts. Ihr bedenkt nicht, daß es besser für euch ist, wenn ein einziger Mensch für das Volk stirbt, als wenn das ganze Volk zugrunde geht. Das sagte er nicht aus sich selbst; sondern weil er der Hohepriester jenes Jahres war, sagte er aus prophetischer Eingebung, daß Jesus für das Volk sterben werde. Aber er sollte nicht nur für das Volk sterben, sondern auch, um die versprengten Kinder Gottes wieder zu sammeln. Von diesem Tag an waren sie entschlossen, ihn zu töten. (Joh 11,47-53) Vor diesem Hintergrund spielt sich das Drama um seinen Prozess und Hinrichtung ab: Die Angst der Juden vor einem Aufstand und die unbequemen Lehren von Jesus, und die Römer, welche mit allen Mitteln ihre Herrschaft erhalten wollten. Heutzutage würde man das einen Schauprozess nennen, wie sie immer wieder in verschiedenen Ländern stattfinden, um unbequeme Menschen und mit ihnen auch deren Ansichten zu beseitigen. Der Tod von Jesus war jedenfalls kein von Gott verlangtes, rituelles Menschenopfer, wie es unter anderen Völkern praktiziert wurde, und zwar aus 2 Gründen: 1. Der Tod von Jesus wurde weder von den Römern, noch den Pharisäern und Sadduzäern, und auch nicht vom jüdischen Volk als ein Menschenopfer an Gott betrachtet oder verstanden. Die einzige Aussage, welche man in diesem Sinne verstehen könnte, stammt vom Hohenpriester (Joh 11,50), ge7 schah aber aus Furcht vor den Folgen eines Aufstandes, obwohl sie einen prophetischen Gehalt hatte, wie auch die Schrift bezeugt. 2. Die Tötung von Jesus geschah nicht im Tempel, an dem Gott geweihten Ort, und es gab auch kein Darbringungs(Opfer-)ritual, sondern es war die Hinrichtung eines Aufständischen außerhalb der Stadt. Ein zu dieser Zeit in Judäa leider häufiges Ereignis. Opfer und Gottheit Die Lehre über das oder die Opfer ist eines der schwierigsten und umstrittensten Themen innerhalb der Kirche und der Religionen. Warum? Weil sich in den Opfern, ihrem Inhalt und ritueller Gestaltung auch die Vorstellung (das Gottesbild) widerspiegelt, welches die Darbringer des Opfers von ihrem Gott haben. Der natürliche Mensch, welcher seiner Gottheit ein (Werte-)Opfer darbringt, verbindet damit eine Absicht, er will etwas bewirken, verändern oder danken. Die Opfergabe stellt dabei einen Wert dar, welchen der Mensch seiner Gottheit darbringt (=opfert), und je größer oder wichtiger das Anliegen ist, desto größer und wertvoller das Opfer – und das wertvollste Opfer ist das Leben eines Menschen oder Kindes. In diesem Sinn unterstellt man der Gottheit zwei Eigenschaften: 1. Die Gottheit ist dem Menschen gegenüber nicht grundsätzlich wohlgesonnen, (d.h. der Gottheit ist das Wohl und Heil der Menschen nicht wichtig, es ist keine Liebe zu den Menschen da) 8 2. und die Haltung der Gottheit gegenüber den Menschen lässt sich durch 'Werteopfer' verändern / verbessern. Weil solche Opfer in ihrem Selbstverständnis nicht jüdisch und auch nicht christlich sind, nennen wir sie 'heidnische Werteopfer', auch um bei den weiteren Ausführungen unterscheiden zu können, von welchem Opferverständnis wir überhaupt sprechen. Wenn wir also verstehen wollen, in welchem Sinn das Leben und der Tod von Jesus Christus ein Opfer war, müssen wir uns fragen, wie der jüdisch/christliche Gott zu uns Menschen steht? Eine der vermutlich bekanntesten Bibelstellen steht im Johannes Evangelium: Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird. (Joh 3,16.17) Im Gegensatz zu den heidnischen Vorstellungen über die Götter offenbart sich hier ein Gott, welcher 1. die Welt und die Menschen liebt (er hat sie ja geschaffen) 2. und die Welt und die Menschen aus diesem Zustand (Tod, Krankheit, Unrecht usw.) retten will. Die Darbringung eines 'Werteopfers' gegenüber einem solchen Gott macht also gar keinen Sinn, denn ER braucht kein Menschen(werte-)opfer, um IHN gnädig zu stimmen, im Gegenteil, es wäre IHM ein Gräuel. Denn Gott selbst hat das Opfern von Menschen verboten, und zu der Zeit, als Israel durch die Wüste wanderte und in das verheißene Land kam, um den Tempel zu bauen, war das Verbot von Menschenopfern einer der Hauptunter9 schiede zwischen dem israelitischen Kult und den Kulten, welche die Völker um Israel herum hatten. Die Beziehung zwischen Gott und Mensch lässt sich durchaus mit unseren zwischenmenschlichen Beziehungen vergleichen: Wenn ich z.B. einen Mitmenschen verletze oder in irgendeiner Form schädige und deswegen um Vergebung bitte, dann bin ich auf sein Wohlwollen mir gegenüber angewiesen. Vergebung (auch wenn ich entstandenen Schaden beglichen habe) kann ich nicht erzwingen, und auch Geschenke (=Werteopfer) an den Geschädigten sind dann nur ein Zeichen des guten Willens, aber auch Ausdruck der eigenen Hilflosigkeit. Zu viel Geschenke könnten sogar das Gegenteil bewirken, falls der Geschädigte den Eindruck gewinnt, dass ich ihn für 'käuflich' halte. Entscheidend wird sein, dass der Geschädigte mir glaubt, dass ich die Verfehlung wirklich bereue, den Schaden so gut es geht beglichen habe oder noch begleichen werde und dass so etwas nicht noch einmal vorkommt, und vor allem dass der Geschädigte grundsätzlich überhaupt den Willen hat, mir zu vergeben. An diesem Beispiel wird deutlich, dass das jüdisch/christliche Opferverständnis eine andere Grundlage haben muss und kein Werteopfer sein darf! Jesus - der Weg Der Tod von Jesus war kein rituelles Menschenopfer, sondern eine Hinrichtung – die römische Strafe für einen Aufständischen, von den Römern ausgeführt mit der Zustimmung des jüdischen hohen Rates. Von jüdischer Seite wurde ihm Hexerei, Volksaufwiegelung und Gotteslästerung vorgeworfen, und es war Jesus klar, dass er in Jerusalem sterben würde: 10 Als Jesus nach Jerusalem hinaufzog, nahm er unterwegs die zwölf Jünger beiseite und sagte zu ihnen: 18 Wir gehen jetzt nach Jerusalem hinauf; dort wird der Menschensohn den Hohenpriestern und Schriftgelehrten ausgeliefert; sie werden ihn zum Tod verurteilen 19 und den Heiden übergeben, damit er verspottet, gegeißelt und gekreuzigt wird; aber am dritten Tag wird er auferstehen. (Mat 20,17-19) Er sagte auch über sich selbst: Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele. (Mar 10,45) Der Begriff des Lösegeldes kann missverständlich sein – die Auslösung bezieht sich auf das, worauf Gott einen Anspruch hat: Wir Menschen als sein Ebenbild sollten auch dementsprechend leben und können es nicht. Jesus jedoch konnte es und hat dadurch die Forderung Gottes erfüllt und uns ausgelöst oder losgekauft. Deshalb liebt mich der Vater, weil ich mein Leben hingebe, um es wieder zu nehmen. 18 Niemand entreißt es mir, sondern ich gebe es aus freiem Willen hin. Ich habe Macht, es hinzugeben, und ich habe Macht, es wieder zu nehmen. Diesen Auftrag habe ich von meinem Vater empfangen. (Joh 10,17.18) Wir Christen glauben, dass Jesus Christus wahrer Gott und wahrer Mensch ist, dass ER in diese Welt kam, um die Endlichkeit des Menschen in seinem Tod und Auferstehung zu überwinden: Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, 7 sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen; 8 er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz. 9 Darum hat ihn Gott über alle erhöht 11 und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen, 10 damit alle im Himmel, auf der Erde und unter der Erde ihre Knie beugen vor dem Namen Jesu 11 und jeder Mund bekennt: "Jesus Christus ist der Herr" - zur Ehre Gottes, des Vaters. (Phil 2,6-11) Auch Petrus bezeugte dies in seiner Pfingstpredigt: Israeliten, hört diese Worte: Jesus, den Nazoräer, den Gott vor euch beglaubigt hat durch machtvolle Taten, Wunder und Zeichen, die er durch ihn in eurer Mitte getan hat, wie ihr selbst wißt - 23 ihn, der nach Gottes beschlossenem Willen und Vorauswissen hingegeben wurde, habt ihr durch die Hand von Gesetzlosen ans Kreuz geschlagen und umgebracht. 24 Gott aber hat ihn von den Wehen des Todes befreit und auferweckt; denn es war unmöglich, daß er vom Tod festgehalten wurde. (Apg 2,22-24) Jesus war gekommen, um einen Weg zu gehen – von der Geburt als Mensch bis zum Tod und über den Tod hinaus durch die Auferstehung des Leibes zu einem neuen Leben, auch als Mensch aufgestiegen in den höchsten Himmel und sitzt zur Rechten Gottes, des Vaters: Denn Christus ist nicht in ein von Menschenhand errichtetes Heiligtum hineingegangen, in ein Abbild des wirklichen, sondern in den Himmel selbst, um jetzt für uns vor Gottes Angesicht zu erscheinen; (Heb 9,24) Jesus bezeichnet sich selbst als Weg zum Vater Jesus sagte zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich. (Joh 14,6) Jesus hat sich geopfert, denn er wurde getötet um seines Zeugnisses und seiner Werke willen. Er ist diesem Zeugnis bis zum bit12 tersten Ende treu geblieben, hat seine Peiniger nicht verurteilt, seine Vollmacht nicht eingesetzt, um seinem Leiden ein Ende zu machen, er war gehorsam bis zum Tod am Kreuz. Er hat sein Leben dargebracht, geopfert, aber nicht rituell, sondern wirklich und wahrhaftig. Er ist auferstanden von den Toten, begabt mit einem neuen Leib, welcher nicht mehr stirbt, und hat somit in seiner Person die Menschen wieder Gott dem Vater nahe gebracht. Hier erfährt das Wort Opfer eine neue Bedeutung: Nicht die Darbringung eines Werteopfers, sondern der Weg zu Gott selbst ist das Opfer, das ist die 'Nahung' oder 'etwas, das nahe gebracht wurde', auf hebräisch 'korban'. Jesus, das Passahlamm Die Befreiung Israels aus der Gefangenschaft in Ägypten ist das zentrale Ereignis dieses Volkes, welches auch alljährlich am 14. Tag des ersten Monats gefeiert wird – das Passahfest. Die Befreiung aus der Knechtschaft, der Weg durch die Wüste hin zu dem verheißenen Land sind Inhalt dieser Feier und der damit verbundenen jüdischen Hoffnung, dass einmal der Erlöser kommen wird, welcher Jerusalem und Israel endgültig von jeglicher Fremdherrschaft befreien wird. Die Israeliten mussten in dieser besonderen Nacht ein Lamm schlachten, es braten und vollständig verzehren. Mit dem Blut das Lammes mussten sie ihre Türpfosten bestreichen, damit sie vom todbringenden Verderber verschont blieben (2.Mo 12). Dies ist die erste, in der Bibel erwähnte und von Gott angeordnete, rituelle Schlachtung eines Tieres. Um vom Tod verschont zu werden, mussten die Türen der Häuser mit dem Blut des Lammes bestrichen sein. 'Passah' heißt übersetzt 'Vorübergang' – der Tod ging an den Israeliten vorbei, dafür musste das Lamm sterben. 13 Die historischen Ereignisse um Israels Befreiung aus der Knechtschaft in Ägypten sind ein Hinweis darauf, welche Absicht Gott mit seinem Volk und letztlich mit allen Menschen hat. Die Befreiung aus jeglicher Form der Fremdherrschaft – nicht nur im politischen oder sozialen Sinn, sondern auch Befreiung aus jenen Fremdherrschaften, welche in den Menschen selbst vorhanden sind und in letzter Konsequenz die Befreiung aus der Macht des Todes. Darum bringt Paulus dieses Passah-Ereignis mit Jesus Christus in Verbindung, als er schreibt: Schafft den alten Sauerteig weg, damit ihr neuer Teig seid. Ihr seid ja schon ungesäuertes Brot; denn als unser Passahlamm ist Christus geopfert worden. (1.Kor 5,7) Und auch Petrus schreibt in seinem ersten Brief: Ihr wißt, daß ihr aus eurer sinnlosen, von den Vätern ererbten Lebensweise nicht um einen vergänglichen Preis losgekauft wurdet, nicht um Silber oder Gold, 19 sondern mit dem kostbaren Blut Christi, des Lammes ohne Fehl und Makel. 20 Er war schon vor der Erschaffung der Welt dazu ausersehen, und euretwegen ist er am Ende der Zeiten erschienen. 21 Durch ihn seid ihr zum Glauben an Gott gekommen, der ihn von den Toten auferweckt und ihm die Herrlichkeit gegeben hat, so daß ihr an Gott glauben und auf ihn hoffen könnt. (1.Pet 1,18-21) Johannes der Täufer rief die Juden zur Umkehr, „denn das Himmelreich ist nahe“, und viele ließen sich von ihm taufen zur Vergebung der Sünden. Als Jesus zu Johannes kam, sagte Johannes: „Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinweg nimmt“. (Joh 1,29b) 14 Wir Christen glauben, dass Jesus von Nazareth das wahre Passahlamm, und damit dieser verheißene Erlöser ist, von Gott in die Welt gesandt, denn der hat uns errettet und berufen mit heiligem Ruf, nicht nach unseren Werken, sondern nach seinem eigenen Vorsatz und der Gnade, die uns in Christus Jesus vor ewigen Zeiten gegeben, 10 jetzt aber geoffenbart worden ist durch die Erscheinung unseres Heilandes Jesus Christus, der den Tod zunichte gemacht, aber Leben und Unvergänglichkeit ans Licht gebracht hat durch das Evangelium, (2.Tim 1,9.10) Jesus hat die Macht des Todes durchbrochen, der Tod konnte ihn nicht halten, und er ist als Mensch in die Gegenwart Gottes gegangen und aufgenommen worden. Auch wenn wir leiblich noch sterben, so hat doch der ewige Tod über jene keine Macht mehr, welche in Christus sind, oder mit anderen, bildhafteren Worten: deren Inneres mit dem Blut des wahren Passahlammes bestrichen ist. Der Sinn der Tieropfer Die alttestamentliche Anordnung Gottes, dass IHM Tiere geopfert werden müssen, stößt heutzutage auf großes Unverständnis. Das liegt vor allem daran, dass wir dabei immer noch an 'Werteopfer' denken! Und hat man allein diese Texte der Thora vor Augen, in welchen diese Opfer angeordnet und beschrieben werden, liegt die Versuchung nahe, diese Opferungen im Sinne einer Werteopferung zu verstehen, zumal im Text auch davon die Rede ist, dass diese Opferungen für Gott ein beruhigender Duft sind. Die Bibel erscheint hier widersprüchlich, denn zum einen werden z.B. die täglichen Opferungen als bleibende Ordnung festgelegt, zum anderen wird darauf hingewiesen, dass Gott keine Tiere essen oder ihr Blut trinken will: 15 Folgendes sollst du auf dem Altar darbringen: Tagtäglich und ständig zwei männliche einjährige Lämmer. (Exo 29,38) Soll ich denn das Fleisch von Stieren essen und das Blut von Böcken trinken? 14 Bring Gott als Opfer dein Lob, und erfülle dem Höchsten deine Gelübde! (Psalm 50,13.14) Wenn die dargebrachten Tiere keine 'Werteopfer' sind, worin liegt dann der Sinn dieser Ordnung? Man kann ja mal versuchen, auch wenn wir in einer ganz anderen Zeit und Kultur leben, sich in die Situation der Israeliten und ihrer Priester hineinzuversetzen. Welche Fragen haben sich die Israeliten gestellt, als Gott ihnen diese Ordnung auferlegte, um sich IHM 'nahen' zu können? Diese Ordnung weist darauf hin, • dass dem Menschen insgesamt etwas fehlt, dass er nicht heil bzw. ganz ist, • dass etwas durchbrochen oder durchtrennt werden muss (Schächtung), • dass das Leben (Blut) durch Mittler (=priesterliches Amt) zum Altar (Gottes Gegenwart im Feuer) gebracht werden muss, • dass das Verborgene bloßgelegt und gereinigt werden muss (Zerlegung der Tiere und Waschung der Teile), • dass das Gott Dargebrachte rein und fehlerlos sein muss. Der Sinn dieser Opfer bestand also darin, dass der Mensch über den Sinn dieser Ordnung nachdachte und sich dadurch eine dementsprechende Herzenshaltung einstellte. An mehreren Stellen des Alten Testamentes wirft Gott seinem Volk vor, dass die vollzogenen Opferhandlungen (=Nahungen) nicht mit der Haltung des Herzens und der gelebten Wirklichkeit übereinstimmen: 16 Ich hasse eure Feste, ich verabscheue sie und kann eure Feiern nicht riechen. 22 Wenn ihr mir Brandopfer darbringt, ich habe kein Gefallen an euren Gaben, und eure fetten Heilsopfer will ich nicht sehen. 23 Weg mit dem Lärm deiner Lieder! Dein Harfenspiel will ich nicht hören, 24 sondern das Recht ströme wie Wasser, die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach. (Amos 5,21-24) Auch im Gespräch zwischen Jesus und den Schriftgelehrten wird dieses Thema aufgegriffen. Da sagte der Schriftgelehrte zu ihm: Sehr gut, Meister! Ganz richtig hast du gesagt: Er allein ist der Herr, und es gibt keinen anderen außer ihm, 33 und ihn mit ganzem Herzen, ganzem Verstand und ganzer Kraft zu lieben und den Nächsten zu lieben wie sich selbst, ist weit mehr als alle Brandopfer und anderen Opfer. (Mar 12,32.33) Und in Psalm 51 wird deutlich, dass die richtige innere Haltung und der äußere Vollzug des Opfers (=Nahung) zusammengehören und eine Einheit bilden: Schlachtopfer willst du nicht, ich würde sie dir geben; an Brandopfern hast du kein Gefallen. 19 Das Opfer, das Gott gefällt, ist ein zerknirschter Geist, ein zerbrochenes und zerschlagenes Herz wirst du, Gott, nicht verschmähen. 20 In deiner Huld tu Gutes an Zion; bau die Mauern Jerusalems wieder auf! 21 Dann hast du Freude an rechten Opfern, an Brandopfern und Ganzopfern, dann opfert man Stiere auf deinem Altar. (Psalm 51,18-21) Die Opferordnung der Israeliten unterschied sich in einigen wesentlichen Punkten von den Riten der Israel umgebenden Völker, welche ihren Gottheiten auch Tiere opferten, und es war den Israeliten streng verboten, deren Götter zu opfern oder den ihnen ver17 ordneten Kult an die heidnischen Kulte anzupassen. Im Gegensatz zu den Heiden galt für die Israeliten: • Verbot des Blutgenusses, • Verbot von Menschenopfern, • Verbot der Wahrsagerei aus den Eingeweiden, • Verbot von Ekstase oder Rauschmitteln Das Schattenbild und das Wirkliche In den Evangelien spricht Jesus öfters davon, dass von IHM in der Thora die Rede sei. Die Haushaltung der Stiftshütte ist ein wesentliches Element der Thora, denn in der Wüste, auf dem Weg in das verheißene, gelobte Land, musste Israel die Göttliche Haushaltung kennenlernen. Die Opferordnungen der Stiftshütte bildeten den Kern dieser Haushaltung – der Ort und den Weg der Begegnung mit Gott. Deshalb wird die Stiftshütte auch Offenbarungszelt oder Begegnungszelt genannt, denn im Allerheiligsten der Stiftshütte, zwischen den Cherubimen, konnte Aaron und Mose dem Gott Israels begegnen. Auch im Neuen Testament wird bezeugt, dass diese Ordnungen Schattenbilder einer aus damaliger Sicht zukünftigen, besseren Haushaltung sind: Denn das Gesetz enthält nur einen Schatten der künftigen Güter, nicht die Gestalt der Dinge selbst; darum kann es durch die immer gleichen, alljährlich dargebrachten Opfer die, die vor Gott treten, niemals für immer zur Vollendung führen. (Heb 10,1) Das alles ist nur ein Schatten von dem, was kommen wird, die Wirklichkeit aber ist Christus. (Kol 2,17) Alle diese Opfer weisen auf Christus hin, der den vollkommenen Weg zu Gott durch sein vollkommenes Opfer (seine Nahung) eröffnete. In seiner Menschwerdung hat er all das erfüllt, was Gott 18 vom Menschen, seinem Geschöpf verlangte, was der Mensch aber im gefallenen Zustand nicht zu vollbringen vermochte: Darum spricht Christus bei seinem Eintritt in die Welt: Schlacht- und Speiseopfer hast du nicht gefordert, doch einen Leib hast du mir geschaffen; 6 an Brand- und Sündopfern hast du kein Gefallen. 7 Da sagte ich: Ja, ich komme - so steht es über mich in der Schriftrolle -, um deinen Willen, Gott, zu tun. 8 Zunächst sagt er: Schlacht- und Speiseopfer, Brand- und Sündopfer forderst du nicht, du hast daran kein Gefallen, obgleich sie doch nach dem Gesetz dargebracht werden; 9 dann aber hat er gesagt: Ja, ich komme, um deinen Willen zu tun. So hebt Christus das erste auf, um das zweite in Kraft zu setzen. 10 Aufgrund dieses Willens sind wir durch die Opfergabe des Leibes Jesu Christi ein für allemal geheiligt. (Hebr 10,5-10) Jesus hat in seinem Leib, als wahrer Mensch, die Forderungen und den Sinn der Thora erfüllt. Die mosaische Haushaltung hat also einen prophetischen Gehalt, der auf Christus hinweist und auf die vollkommenere Haushaltung, welche unter Jesus als Engel und Mittler eines neuen Bundes Wirklichkeit wurde, das Geheimnis, welches wir Kirche nennen. Die Opferungen des Alten Testamentes und die Gottesdienste (= Opferungen / Nahungen) der Kirche enthalten dieselben, wesentlichen Elemente: • Das Opfer(tier) oder man könnte auch sagen den 'Wert des Opfers', welcher bei Christen (und letztlich auch bei den Juden) zuerst einmal nicht im Wert der dargebrachten Gaben, oder den Gebeten, oder der menschlichen Hingabe besteht, sondern einzig und allein im Bezug auf das Lebenswerk (= das vollkommene Opfer) von Jesus Christus, welchem nichts weggenommen und nichts hinzugefügt werden kann, 19 • die rituelle Gestaltung, welche den Glauben, die Hoffnung und vor allem die Liebe zum HErrn und den Weg zu IHM (Jesus ist der Weg) zum Ausdruck bringen soll, und • die richtige Herzenshaltung derer, welche sich ihrem Gott nahen. Die Deutung der Thora und der weiteren Schriften des Alten Testamentes nennen wir typologisch, es ist die Deutung der Schattenbilder, die auch im Neuen Testament Anwendung findet: Denn die Körper der Tiere, deren Blut vom Hohenpriester zur Sühnung der Sünde in das Heiligtum gebracht wird, werden außerhalb des Lagers verbrannt. 12 Deshalb hat auch Jesus, um durch sein eigenes Blut das Volk zu heiligen, außerhalb des Tores gelitten. 13 Laßt uns also zu ihm vor das Lager hinaus ziehen und seine Schmach auf uns nehmen. (Heb 13,1113) Im 13. Kapitel des Hebräerbriefes findet sich ein Beispiel für eine solche Auslegung: • In Vers 11 der Hinweis auf das Schattenbild (das verordnete Sündopfer), welches außerhalb des Lagers verbrannt werden musste, • in Vers 12 die Deutung auf Jesus, der außerhalb der Stadt für die Sünden der Welt gestorben ist, • in Vers 13 die Deutung für die heutige Zeit – die Bereitschaft der Christen, dieselbe Schmach zu tragen in und vor dieser Welt, auch wegen der eigenen Sünden und der Sünden des Gottesvolkes. Was bedeutet dies alles nun für uns Christen? Jesus selbst betont, dass er nicht gekommen ist, um die Thora aufzulösen, sondern um sie zu erfüllen, und dass der kleinste Buchstabe von Bedeutung ist: 20 Denkt nicht, ich sei gekommen, um das Gesetz und die Propheten aufzuheben. Ich bin nicht gekommen, um aufzuheben, sondern um zu erfüllen. 18 Amen, das sage ich euch: Bis Himmel und Erde vergehen, wird auch nicht der kleinste Buchstabe des Gesetzes vergehen, bevor nicht alles geschehen ist. 19 Wer auch nur eines von den kleinsten Geboten aufhebt und die Menschen entsprechend lehrt, der wird im Himmelreich der Kleinste sein. Wer sie aber hält und halten lehrt, der wird groß sein im Himmelreich. (Mat 5,17-19) Wir Christen können unsere Berufung, unsere Gottesdienste, unsere Opfer ohne das richtige Verständnis des Opfers von Jesus Christus und ohne die Beachtung und Deutung der Thora nicht verstehen. Wenn wir die Schriften des Alten Testamentes nicht beachten, das heißt nicht versuchen, die gesetzgebenden und prophetischen Teile, geleitet durch den Heiligen Geist, im Sinn Jesu Christi zu deuten und zu verstehen, dann wissen wir selbst nicht mehr, wer wir sind und wozu wir eigentlich da sind. Dann besteht die Gefahr, dass der Gottesdienst zu einem Psycho-Kult verkommt, welcher der Befriedigung unserer menschlichen und seelischen Bedürfnisse zu dienen hat, aber kein Weg der Vollendung, des Durchbruchs, der Befreiung aus der Knechtschaft des Todes mehr ist. Wie kann ich Gott gefallen? Jeder Mensch, der sich auf die Suche nach Gott begibt oder schon begonnen hat, an IHN zu glauben, stellt sich irgendwann die Frage: „Wie kann ich Gott gefallen?“ Man könnte die Frage aber auch anders stellen: „Was muss ich tun, um von Gott geliebt und angenommen zu werden?“ Es liegt in unserer Natur, anderen und auch Gott gefallen zu wollen, indem wir bestimmte Dinge tun, bestimmte Erwartungen erfüllen und uns dadurch Zuneigung und 21 vielleicht sogar Liebe verdienen wollen. Unsere Lebenserfahrung zeigt uns aber auch, dass uns solch eine Lebensweise nicht frei macht, denn was ist das für eine Zuneigung, was ist das für eine Liebe, wenn wir sie ständig 'neu verdienen' müssen? Es heißt zwar: 'kleine Geschenke erhalten die Freundschaft' – dabei geht es aber um die Pflege einer vorhandenen Freundschaft, denn wirkliche Freundschaft kann man sich nicht kaufen – oder anders herum – gekaufte Freunde sind keine echten Freunde. Dies zeigt sich spätestens, wenn Reichtum, Ansehen und Wohlstand verflossen sind. Unser Leben lehrt uns also, dass wir bestimmte Dinge nicht kaufen, uns nicht verdienen können, und dass gerade in der Annahme dieses 'Unverdienten' ein großes Maß an Befreiung liegt, denn hierin liegt ein großer Freispruch: Ich bin frei von dem Zwang, mich ständig rechtfertigen zu müssen, ich bin frei davon ständig etwas leisten zu müssen, um geliebt oder geachtet zu werden, ich weiß mich angenommen, auch wenn ich nichts habe, nichts geben kann. Über die Freundschaft habe ich einmal folgenden Spruch gehört: Ein Freund ist ein Mensch, den man mag, obwohl man ihn kennt! Glücklich, wer solche Freunde hat. Und glücklich der Mensch, der auch solch einen Gott hat. Ist Gott uns Menschen gegenüber freundlich gesinnt, hat ER heilvolle Absichten mit uns? Oder hat ER den Menschen geschaffen, damit möglichst viele von uns im Feuer der Hölle schmoren und ER daran seine Freude hat – solche Vorstellungen werden auch vielfach von 'Christen' verbreitet. Die Angst vor dem Tod und der Hölle wurde in der Kirche leider all zu oft dazu benutzt, um über Menschen Macht auszuüben. Aber stimmt dieses Gottesbild? Paulus schreibt: Gott aber hat seine Liebe zu uns darin erwiesen, daß Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren. (Röm 5,8) 22 Gottes Liebe zu den Menschen ist bereits da, aber wenn wir versuchen, uns diese Liebe zu verdienen durch eigene (religiöse) Leistung, bewirken wir genau das Gegenteil, wir weisen unverdiente Liebe zurück und ersetzen sie durch eigene Verdienste, durch 'eigene Werte'. Ein bekanntes, biblisches Beispiel hierfür sind der Pharisäer und der Zöllner im Tempel: Zwei Männer gingen zum Tempel hinauf, um zu beten; der eine war ein Pharisäer, der andere ein Zöllner. 11 Der Pharisäer stellte sich hin und sprach leise dieses Gebet: Gott, ich danke dir, daß ich nicht wie die anderen Menschen bin, die Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner dort. 12 Ich faste zweimal in der Woche und gebe dem Tempel den zehnten Teil meines ganzen Einkommens. 13 Der Zöllner aber blieb ganz hinten stehen und wagte nicht einmal, seine Augen zum Himmel zu erheben, sondern schlug sich an die Brust und betete: Gott, sei mir Sünder gnädig! 14 Ich sage euch: Dieser kehrte als Gerechter nach Hause zurück, der andere nicht. Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, wer sich aber selbst erniedrigt, wird erhöht werden. (Luk 18,1014) Pharisäer Zöllner Der Pharisäer glaubte, dass er aufgrund seiner Werke vor Gott bestehen kann, er hat seine Werke als einen Wert betrachtet, und diesen Wert Gott dargebracht (Werteopfer). Der Zöllner hatte erkannt, dass er so, wie er ist, Gott nicht nahen kann. Diese Erkenntnis ist der Anfang des Weges zu Gott, der Nahung zu IHM (darum beginnen Gottesdienste in der Regel mit einem Sündenbekenntnis). 23 Die Unterscheidung zwischen dem jüdischen Opferverständnis der 'Nahung' und dem heidnischen Verständnis des 'Werteopfers' ist nicht nur für Theologen und Gelehrte von Interesse, sondern diese Unterscheidung berührt die Grundlagen unseres Lebens, unseres Glaubens, unseres Gottesbildes. Nur mit dieser Unterscheidung können wir das Opfer Jesu Christi und unsere Gottesdienste im richtigen Sinne verstehen und Ihn als den 'Weg' begreifen. Jesus sagte zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich. (Joh 14,6) Die Unterscheidung Nach der Befreiung aus der Gefangenschaft in Ägypten empfing das Volk Israel in der Wüste die Anordnungen zum Bau der Stiftshütte und für die Darbringung der Opfer. Dabei wurde das Volk streng ermahnt, weder den Göttern der Israel umgebenden Völker Opfer darzubringen und auch den Kult der Darbringung nicht zu vermischen, also ihrem Gott keine Opfer in der Art und Weise der Heiden darzubringen. Ihr wißt noch von unserem Aufenthalt in Ägypten und von unserem Zug mitten durch die Völker, deren Gebiet ihr durchziehen mußtet. 16 Ihr habt bei ihnen Scheusale und Götzen aus Holz und Stein, aus Silber und Gold gesehen. 17 Es soll keinen unter euch geben, weder Mann noch Frau, weder Sippe noch Stamm, der heute sein Herz vom Herrn, unserem Gott, abwendet und anfängt, den Göttern dieser Völker zu dienen. Es soll bei euch keine Wurzel wachsen, die Gift und Wermut hervorbringt, (5.Mose 29,15-17) Sie vermischten sich mit den Heiden und lernten von ihren Taten. 36 Sie dienten ihren Götzen; die wurden ihnen zur Fal24 le. 37 Sie brachten ihre Söhne und Töchter dar als Opfer für die Dämonen. (Psalm 106,35-37) Für die Heiden war es in der Regel kein Problem, verschiedenen Göttern zu opfern, auch wenn die Völker ihre jeweiligen nationalen Götter hatten. Hier haben sich Juden und Christen von den Heiden grundlegend unterschieden, denn sowohl Juden als auch Christen haben sich geweigert, anderen Göttern Opfergaben darzubringen. Für manche damals lebenden Juden und Christen bedeutete diese Haltung Gefangenschaft, Folter und Tod. Der Grund für die Weigerung, anderen Göttern zu opfern, lag in erster Linie darin, dass die Götter der Heiden von Menschen gemachte Götzen oder dämonische Mächte sind. Verehrung und Anbetung durfte aber nur dem einen und wahren Gott dargebracht werden. Ihr sollt euch keine Götzen machen, euch weder ein Gottesbild noch ein Steinmal aufstellen und in eurem Land keine Steine mit Bildwerken aufrichten, um euch vor ihnen niederzuwerfen; denn ich bin der Herr, euer Gott. (3. Mose 26,1) Außerdem durften sowohl bei den Juden, als auch bei den Christen, keine heidnischen Rituale oder Vorstellungen in den eigenen Opferkult übernommen werden. Die Ursache hierfür liegt auch im unterschiedlichen Opferverständnis, dem heidnischen Werteopfer auf der einen und dem jüdischen Opferverständnis, der 'Nahung', auf der anderen Seite. Diese Unterscheidungen sind grundlegend, nicht nur für die Form und Inhalte der Gottesdienste, sondern für unseren Umgang, unser Verhältnis, unsere Beziehung zu und mit unserem Gott, also für das, was in unserem Inneren geschieht. Darum nochmal eine Gegenüberstellung der drei Arten, was wir unter Opfer verstehen: 25 1. Das Opfer im allgemeinen Sinn. Das ist vornehmlich die Bereitschaft, sich für eine Sache hinzugeben, wenn es sein muss bis zum Äußersten, darum nennt man sie auch Opferbereitschaft, vor allem wenn es sich um Werke handelt, die selbstlos sind und anderen zu Gute kommen. Opferbereitschaft hat etwas mit Hingabe und Verzicht zu tun, diese Fähigkeit hat jeder Mensch und ist sehr wertvoll. Sie bildet auch von menschlicher Seite aus eine Grundlage für den rituellen Opferkult. Die rituellen Opferhandlungen, welche unterschieden werden in: 2. die heidnischen Werteopfer In der Opfergabe wird der Gottheit ein Wert dargebracht – der höchste Wert ist das Opfer eine Kindes. Durch die Darbringung, das Opfern dieses Wertes soll die Gottheit besänftigt werden, oder die Gottheit soll etwas für den Menschen tun, oder der Gottheit wird für etwas gedankt usw. In manchen Kulturen gibt es auch entsprechende Opferhandlungen für die Besänftigung der verstorbenen Ahnen. 3. die jüdisch / christlichen Opfer (Nahungen) Die Opferhandlung wird als ein Weg angesehen, wie der Mensch sich seinem Gott nahen kann. Im Judentum ist dabei nicht das Opfertier selbst das Wertvolle, sondern die Opferordnung zeigt einen Weg auf und weißt auf den Erlöser hin, der als erster Mensch den Tod überwunden hat und in die Gottesgegenwart getreten ist, und somit die Nahung tatsächlich vollzogen hat. Das jüdisch/christliche Opferverständnis beinhaltet den Weg (die Nahung) aus der Vergänglichkeit in die Ewigkeit, vom Tod zum Leben, vom Unvollkommenen zum Vollkommenen, von der Gottesferne in die Gottesnähe. 26 Menschliche Maßstäbe Weil wir Menschen sind, brauchen wir, um etwas verstehen oder beurteilen zu können, immer ein gegenüber, oder mit anderen Worten einen Vorder- und einen Hintergrund. Je nach dem, vor welchem Hintergrund wir etwas betrachten oder bewerten, verändern sich auch unsere Entscheidungen, unsere Bewertungen und unsere Urteile. Dabei bilden wir unsere eigenen Maßstäbe – und müssen hinterher immer wieder feststellen, dass die Voraussetzungen (der Hintergrund) für die Bildung unserer Maßstäbe falsch waren oder noch immer sind. Dieser Wirklichkeit können wir uns nicht entziehen, denn wir leben, ob wir wollen oder nicht, in einem von Menschen gemachten 'Bewertungssystem'. Der einfache Satz: „Hast du was, dann bist du was!“ oder „kannst du mehr, dann bist du mehr!“ hat leider noch all zu oft Gültigkeit. In den Schulen werden Kinder gehänselt, wenn ihnen ihre Eltern keine Markenklamotten kaufen können, schon dort wird der 'Wert' eines Menschen davon abgeleitet, was er sich leisten kann. Wir bewundern die Sieger, bejubeln die Starken, die Geschichtsbücher sind voll von Herrschergestalten, ihren Siegen und Triumphen – von all den Menschen, deren Leben dafür ruiniert worden ist, spricht niemand. Diese Maßstäbe gibt es bei Gott nicht. Der Herr aber sagte zu Samuel: Sieh nicht auf sein Aussehen und seine stattliche Gestalt, denn ich habe ihn verworfen; Gott sieht nämlich nicht auf das, worauf der Mensch sieht. Der Mensch sieht, was vor den Augen ist, der Herr aber sieht das Herz. (1.Sam 16,7) Da begann Petrus zu reden und sagte: Wahrhaftig, jetzt begreife ich, daß Gott nicht auf die Person sieht, 35 sondern daß ihm in jedem Volk willkommen ist, wer ihn fürchtet und tut, was recht ist. (Apg 10,34.35) 27 Meine Brüder, haltet den Glauben an unseren Herrn Jesus Christus, den Herrn der Herrlichkeit, frei von jedem Ansehen der Person. 2 Wenn in eure Versammlung ein Mann mit goldenen Ringen und prächtiger Kleidung kommt, und zugleich kommt ein Armer in schmutziger Kleidung, 3 und ihr blickt auf den Mann in der prächtigen Kleidung und sagt: Setz dich hier auf den guten Platz!, und zu dem Armen sagt ihr: Du kannst dort stehen!, oder: Setz dich zu meinen Füßen! - 4 macht ihr dann nicht untereinander Unterschiede und fällt Urteile aufgrund verwerflicher Überlegungen? (Jak 2,1-4) Die Denkweise nach Werten und Verdiensten, nach menschlichen Maßstäben, beeinflusst auch unser Glaubensleben, unser Selbstverständnis, und die Art und Weise, wie wir einander und Gott gegenübertreten. Sie beeinflusst unser Opferverständnis, und damit unser Verständnis über Sinn und Inhalt der Gottesdienste – und das betrifft den Kern unseres Glaubens. Die Frage, wodurch der Mensch vor Gott gerechtfertigt wird, hat die Kirche über Jahrhunderte beschäftigt bis zum heutigen Tag. Der Streit über die sogenannte Rechtfertigungslehre war in der Reformationszeit von zentraler Bedeutung. Das Prinzip der heidnischen Vorstellung ist, dass der Mensch sich das Wohlwollen der Gottheit erkaufen kann, sei es durch den Wert des Oper(tiere)s, sei es durch den Wert von Verdiensten und Werken. Gott aber ist nicht käuflich, und somit kann niemand aus eigenen Werken und Verdiensten, oder mit anderen Worten – aus selbstverdienter oder selbstgemachter Gerechtigkeit, vor Gott bestehen oder seine Schuld abzahlen: Loskaufen kann doch keiner den andern noch an Gott für ihn ein Sühnegeld zahlen 9 - für das Leben ist jeder Kaufpreis zu hoch; für immer muß man davon abstehn -, (Psalm 49,8.9) 28 Hat der Herr Gefallen an Tausenden von Widdern, an zehntausend Bächen von Öl? Soll ich meinen Erstgeborenen hingeben für meine Vergehen, die Frucht meines Leibes für meine Sünde? (Micha 6,7) Da aber Gott die Liebe ist, und ER ja gar nicht will, dass alles Leben mit dem Tod endet, hat ER einen neuen Weg eröffnet. Gott gibt den Menschen das, was ihnen fehlt, um IHM Nahe kommen zu können. Diese Gabe Gottes, dieses Geschenk, kann man sich nicht verdienen, es ist Sein Wirken und Sein Handeln, dem wir weder etwas hinzufügen noch etwas wegnehmen können. Denn aus Gnade seid ihr durch den Glauben gerettet, nicht aus eigener Kraft - Gott hat es geschenkt -, 9 nicht aufgrund eurer Werke, damit keiner sich rühmen kann. 10 Seine Geschöpfe sind wir, in Christus Jesus dazu geschaffen, in unserem Leben die guten Werke zu tun, die Gott für uns im voraus bereitet hat. (Eph 2,8-10) Dieser Weg ist vorgeschattet in den Ordnungen der Stiftshütte, den Opfertieren, welche auf den Erlöser hinweisen, auf 'das Lamm Gottes, welches die Sünden der Welt hinwegnimmt'. In Jesus Christus sind diese prophetischen Schattenbilder Wirklichkeit geworden. Gott ist in Jesus Christus Mensch geworden und hat die Folgen der Sünde, das Sterben und den Tod, auf sich genommen und in der Auferstehung überwunden: Er hat unsere Sünden mit seinem Leib auf das Holz des Kreuzes getragen, damit wir tot seien für die Sünden und für die Gerechtigkeit leben. Durch seine Wunden seid ihr geheilt. (1.Pet 2,24) Er hat den Schuldschein, der gegen uns sprach, durchgestrichen und seine Forderungen, die uns anklagten, aufgehoben. Er hat ihn dadurch getilgt, daß er ihn an das Kreuz geheftet hat. (Kol 2,14) 29 Diese Betrachtung ist der richtige Hintergrund für den liturgischen Dienst der Kirche und das Glaubensleben eines jeden einzelnen. Grundlage dieser Betrachtung ist stets das einmalige und vollkommene Opfer Jesu Christi – seine Nahung, sein Weg von der Erniedrigung durch den Tod hindurch zur Verherrlichung des Auferstandenen. Laßt euch als lebendige Steine zu einem geistigen Haus aufbauen, zu einer heiligen Priesterschaft, um durch Jesus Christus geistige Opfer darzubringen, die Gott gefallen. (1.Pet 2,5) Gott will uns befreien, nicht nur von unseren Sünden und unserer Schuld, deren Lohn der Tod ist, sondern auch von dem Irrtum, etwas leisten zu müssen, um vor IHM etwas wert zu sein. Dies gilt auch für jede Form der menschlichen Frömmigkeit, der religiösen Leistung, dem Versuch, durch eigene Verdienste und Werke Gott (und den Menschen?) zu gefallen. Wir können uns nicht selbst erlösen und wir können uns selbst nicht freikaufen – diese Wahrheit macht uns frei – Christus macht uns frei! ER stellt unser Leben auf eine ganz andere Grundlage – das 'menschliche Denken in menschlichen Maßstäben und Verdiensten' darf dort keinen Raum mehr haben, denn dieses Denken führt uns direkt in das Gefängnis zurück, aus dem wir soeben freigelassen wurden. Es ist dir gesagt worden, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir erwartet: Nichts anderes als dies: Recht tun, Güte und Treue lieben, in Ehrfurcht den Weg gehen mit deinem Gott. (Micha 6,8) 30