Management der postpartalen Hämorrhagie (PPH)

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Management der postpartalen
Hämorrhagie (PPH)
Dr. med. Stephanie Hecht1,2, Dr. rer. nat. Sabine Heublein2, Dr. med. Michael Kaspar3, PD Dr. med. Uwe Hasbargen1,
und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe – Großhadern, Klinikum der Universität München,
2Klinik für Allgemeine, Viszeral-, Transplantations-, Gefäß- und Thoraxchirurgie – Klinikum der Universität München,
3Klinik für Anästhesiologie – Klinikum der Universität München
1Klinik
Zusammenfassung
Auch in Deutschland zählt die
postpartale Hämorrhagie (PPH) zu
den häufigsten Ursachen mütterlicher Mortalität und wird mit Zunahme des durchschnittlichen Alters der Gebärenden und der gestiegenen Rate von Schnittentbindungen zunehmend häufiger beobachtet. Der vorliegende Artikel
soll einen zusammenfassenden
Überblick über Inzidenz, Diagnostik, Risikofaktoren und Ursachen
einer PPH geben. Angelehnt an
die aktuelle D-A-CH Leitlinie stellen wir das Management einer
PPH vor, wobei wir hier schwerpunktmäßig die praktische Umsetzung und die effektive Organisation der Handlungsschritte behandeln.
Abb. 1: Blutauffangsystem zur Quantifizierung des Blutverlustes
Definition und Häufigkeit
postpartaler Blutungen
Die postpartale Hämorrhagie (PPH)
zählt nach wie vor zu den häufigsten Ursachen mütterlicher Mortalität. Wohingegen sich in den Industrienationen das absolute Risiko einer Gebärenden an einer PPH zu
versterben auf 1:100.000 beläuft,
beträgt die Rate der PPH bedingten
Todesfälle in Entwicklungsländern
1:1000 [1]. Die Inzidenz der PPH
wird je nach verwendeter Definition
auf 5–10 % aller Geburten geschätzt, wobei die Häufigkeit der
schweren mütterlichen Morbidität
mit etwa 7/1000 Geburten angegeben wird [2]. Während sich das Management der PPH zu verbessern
scheint, werden in einigen Indus-
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trienationen steigende Inzidenzraten verzeichnet [3]. Als Ursache für
diese Beobachtung wird in Bezug
auf die Schwangere der Anstieg des
durchschnittlichen mütterlichen Alters, die Zunahme der Mehrlingsschwangerschaften und auch der
Anteil der Schwangeren mit multiplen, komplexen Vorerkrankungen
diskutiert. Hinsichtlich des Geburtsmanagements scheinen der präpartale Einsatz von Uterotonika zur Geburtseinleitung sowie die steigende
Rate der Schnittentbindungen und
folglich der Plazentationsstörungen
mit diesem Phänomen in Verbindung zu stehen. Von Seiten der medizinischen Versorgung könnten
auch die mangelnde Erfahrung des
Personals sowie die weiter fortschreitende Subspezialisierung eine
Rolle spielen [3].
Allgemein als Definition der PPH anerkannt gilt ein Blutverlust von über
500 ml bei vaginalen Entbindungen
und von 1000 ml bei Sectiones, wobei eine international verbindliche,
einheitliche Definition bislang fehlt.
Die genannten Grenzwerte gehen
auf Studien aus den 1960er Jahren
zurück und dienen trotz des inzwischen veränderten Geburtsmanagements und der modifizierten Operationstechniken bislang als Grundlage zur Einteilung des postpartalen
Blutverlustes [4]. Unter einer schweren Blutung wird gemäß WHO ein
Blutverlust von über 150 ml/Min innerhalb von 20 Minuten, ein Verlust
von 50 % des zirkulierenden Blutvolumens innerhalb von 3 Stunden
oder ein akuter Blutverlust von
1500–2000 ml verstanden. Zu beachten ist hier, dass neben der abso-
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luten Reduktion des zirkulierenden
Volumens auch die Dynamik des
Blutverlustes sowie eine Kompensation durch die Schwangere eine entscheidende Rolle spielt. Man unterscheidet bei postpartalen Blutungen
eine primäre Form, die sich innerhalb
der ersten 24 Stunden post partum
manifestiert, von einer sekundären
Form, die erst ab 24 Stunden nach
der Geburt auftritt.
Die visuelle Quantifizierung des Blutverlustes ist gerade in der Akutsituation schwierig und stark von subjektiven Eindrücken geprägt. Eine britische Studie, in der geburtshilfliches
Personal vorpräparierte Flüssigkeitsmengen abschätzen sollte, belegt,
dass der peripartale Blutverlust im
Median um 40–60 % unterschätzt
wird [5]. Eine akkurate Einschätzung
der Blutmenge ist für eine adäquate
Versorgung mit Blutprodukten und
somit für eine Prävention weiterer schwerwiegender Komplikationen unabdingbar und verdeutlicht
die Notwendigkeit entsprechender
Schulungsmaßnahmen auf diesem
Gebiet. Die absolute Quantifizierung
der verlorenen Blutmenge wird durch
Blutauffangsysteme (Abb. 1) ermöglicht. Auch das Wiegen blutiger Tücher und Binden wird nur selten praktiziert. Zur visuellen Abschätzung des
peripertalen Blutverlustes können einige in Tabelle 1 dargestellten Anhaltspunkte herangezogen werden
(angelehnt an [5]).
Die Korrelation des Blutverlustes mit
der klinischen Symptomatik [6, 7]
ist relativ grob gehalten und stark
von der individuellen Gesamtsituation abhängig. Ein Blutverlust von
10–15 % (500-1000 ml) bewirkt in
der Regel noch keine Veränderung in
Bezug auf den systolischen Blutdruck, wobei jedoch bereits hier klinische Symptome wie Palpitationen,
Müdigkeit und Tachykardie auftreten können. Eine leichte Erniedrigung des Blutdruckes ist meist erst
ab Blutverlusten von 15–25 % zu beobachten, wohingegen ein Abfall
der systolischen Werte auf bis zu 70
mmHg bei einem Blutverlust von
25–35 % (1500–2000 ml) auftritt
und mit Symptomen wie Blässe und
Oligurie einhergeht. Die manifeste
Schocksituation liegt bei einer Reduktion des Blutvolumens um
45–55 % (2000–3000 ml) vor und ist
neben dem Abfall des systolischen
Blutdruckes auf bis zu 50 mmHg
über Symptome wie Luftnot, Anurie
und Bewusstlosigkeit gekennzeichnet.
Schock ist definiert als ein Zustand
bei dem die Organperfusion nicht
ausreichend ist, um den Sauerstoffbedarf im Gewebe zu decken [8].
Zu den klinischen Zeichen des hämorrhagischen Schocks gehören
Veränderungen des Bewusstseins
(Agitiertheit, Bewusstseinstrübung),
Kreislaufzeichen (Tachykardie, Hypotension, Kaltschweißigkeit) und
eine Verminderung der Organperfusion, die sich durch blasses Hautkolorit, Hyperventilation und Oligo- bis
zu Anurie zeigt [9]. Ein Blutverlust
von bis zu 1500 ml wird in der Regel
von der Schwangeren ohne Schocksymptomatik toleriert. Jedoch können sich auch schwere Blutungen
klinisch erst spät mit Zeichen des hämorrhagischen Schocks präsentieren und abrupt dekompensieren. Als
generelles Problem gilt, dass durch
die physiologische Adaptation der
Zirkulation im Sinne einer protektiven Hypervolämie durch Erhöhung
des zirkulierenden Blutvolumens
der Schwangeren routinemäßig bestimmte Kreislaufparameter relativ
insensitiv sind und auch bereits ausgeprägte Schwankungen maskiert
werden und dadurch zunächst inapparent bleiben [4]. Aufgrund des hohen peripheren Gefäßwiderstandes
bleiben vor allem die diastolischen
Drücke über lange Zeit konstant und
eignen sich daher nur bedingt zur
Abschätzung des Volumenmangels
[10]. Prognostisch wichtig ist jedoch,
bereits Frühsymptome eines hämorrhagischen Schocks zu erkennen
und die entsprechenden therapeutischen Maßnahmen einzuleiten.
Die PPH bedingte mütterliche Morbidität ist vielfältig und reicht von Laktationsschwäche, einem vermehrten Auftreten postpartaler Depressionen [11, 12] bis zu manifesten
Folgen der Organminderperfusion
(Sheehan Syndrom, Schocklunge,
Nieren- und Leberversagen). Letztere wurden auch erst Monate postpartal beobachtet und retrospektiv
auf eine PPH zurückgeführt [13].
Prävention und Risikofaktoren
Eine effektive Prävention der PPH
setzt die Kenntnis der entsprechenden Risikofaktoren [14–20] voraus.
Hierbei spielen vor allem die präpartale Vorstellung und Untersuchung
der Schwangeren in der Geburtsklinik sowie die anamnestische Erfassung möglicher Risikofaktoren eine
entscheidende Rolle. Man unterscheidet Risikofaktoren ohne Wiederholungsrisiko von solchen mit
Wiederholungsrisiko. Letztere bedürfen auch gerade in Hinsicht auf Folge-
visuelle Anhaltspunkte
Blutverlust
Kompresse, 10x10 cm, 32 Lagen, vollständig gesättigt
60 ml
kleines Bauchtuch, 30x30 cm, 12 Lagen, vollständig gesättigt
140 ml
großes Bauchtuch, 45x45 cm, 12 Lagen, vollständig gesättigt
350 ml
Blut auf dem Fußboden, 50 cm Durchmesser
500 ml
Blut auf dem Fußboden, 75 cm Durchmesser
1000 ml
Blut auf dem Fußboden, 100 cm Durchmesser
1500 ml
vaginale Blutung nur im Bett
≤1000 ml
vaginale Blutung, Bett und Fußboden
≥1000 ml
Tab. 1: Visuelle Anhaltspunkte zur Abschätzung des Blutverlustes (angelehnt an [5]).
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geburten einer besonders ausführlichen schriftlichen Dokumentation.
Eine australische Studie untersuchte
das PPH Wiederholungsrisiko bei
über 125.000 Gebärenden und ermittelte, dass Frauen mit PPH in 14,8
% der Fälle auch eine PPH bei der
darauf folgenden Geburt erleiden,
was einer Erhöhung des relativen Risikos auf das 3,3-fache entspricht.
Nach zwei vorangegangenen PPHs
belief sich dieser Anteil sogar auf
21,7 % und das PPH-Risiko im Vergleich zu Gebärenden ohne PPH war
fünffach erhöht [21].
Zu den Risikofaktoren einer PPH, die
in der Regel nicht mit einem Wiederholungsrisiko einhergehen, zählen:
• Erstgravida
• makrosomes Kind
• Polyhydramnion
• Mehrlinge
• Verzögerte Eröffnungsperiode
• Verlängerte Austreibungsperiode
• Amnioninfektionssyndrom
• Antepartale Blutungen
• Operative Entbindungen
das kindliche Geburtsgewicht auch
präventiven Wert in Bezug auf die
verbesserte Kompensierbarkeit postpartaler Blutungen und hinsichtlich
der Vermeidung einer postpartalen
Anämie, wobei peripartale Blutungen als Hauptursache einer postpartalen Anämie gelten [23].
Das aktive Management der Nachgeburtsperiode durch den Einsatz von
Uterotonika, Nabelschnurzug („cord
traction“) und Funduskompression
gilt als effektive Präventionsmaßnahme [24, 25] für postpartale Blutungen. Auch die Inspektion der Plazenta und der Geburtswege sollte stets
erfolgen, um mögliche Blutungsquellen frühzeitig zu erkennen. Der Zeitpunkt der Applikation des Uterotonikums (bei Geburt der vorderen kindlichen Schulter vs. bei der Geburt der
Plazenta) zeigte keine unterschiedliche Auswirkung auf das Auftreten einer PPH [26]. Für die Effektivität der
direkten Applikation des Uterotonikums Oxytocin in die Umbilikalvene
gibt es keine gesicherte Evidenz [27].
Ursachen
Zu den Risikofaktoren einer PPH, bei
denen mit einem Wiederholungsrisiko gerechnet werden muss, zählen:
• Uterus myomatosus
• Maternale Adipositas
• Koagulopathien
• Präeklampsie
P
Medikamenteneinnahme
(z. B. Calciumantagonisten und
Antidepressiva)
• Z. n. Sectio caesaria
• Z. n. postpartaler Blutung
• Multiparität > 4
Als wichtiger und dennoch oftmals
verkannter Risikofaktor gilt die präpartale Anämie. Weltweit wird die
Prävalenz von Anämien in der
Schwangerschaft auf 38 % geschätzt, wobei neben erblichen Hämoglobinopathien und Vitaminmangelerkrankungen die Eisenmangelanämie eine wichtige Rolle spielt
[22]. Die adäquate Eisensubstitution
während der Schwangerschaft hat
neben positiven Auswirkungen auf
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Die Ursachen einer PPH sind vielfältig
und können in vier Kategorien eingeteilt werden. In der englischsprachigen Literatur wird das Akronym
TTTT (Tonus, Tissue, Trauma, Thrombin) als Merkhilfe verwendet:
• Tonus (postpartale Atonie)
P
Tissue (Plazentalösungsstörungen)
P
Trauma (Verletzung der Geburtswege)
P
Thrombin (Gerinnungsstörungen).
Tonus (postpartale Atonie)
Die uterine Atonie ist bei weitem die
häufigste Ursache für das Auftreten
einer PPH [28]. Als Risikofaktoren für
die uterine Atonie gilt die präpartale
Überdehnung des Uterus (Mehrlinge, Polyhydramnion, Vielgebärende), ein prolongierter Geburtsverlauf, Tokolyse und eine gefüllte
Harnblase. Im Falle einer Atonie tastet sich der Uterus schlaff-weich und
weist einen Fundushochstand auf.
Da sich das Blut meist zunächst intrauterin ansammelt, stellt sich die Blutung als intermittierend und schwallartig dar. Das therapeutische Ziel ist
die Kontraktion des Myometriums.
Hierfür werden zunächst mechanische Maßnahmen wie die Uterusmassage, der Credé Handgriff, die
Entleerung der Harnblase oder auch
die bimanuelle Uteruskompression
(Hamilton Handgriff) ergriffen.
Neben der mechanischen Stimulation spielt die pharmakologische Therapie eine entscheidende Rolle. Oxytocin gilt als das in Deutschland am
weitesten verbreitete Uterotonikum
und entsprechend der gültigen Leitlinien soll eine Einmalapplikation von
3–5 IE (1 Ampulle als Kurzinfusion
oder Bolusgabe), gefolgt von einer
Gabe von 40 IE über 30 Min. appliziert werden. Als langwirksames,
synthetisches Oxytocin kann (cave:
off-label use) Carbetocin eingesetzt
werden, das eine ähnliche uteruskontrahierende Wirkung wie Oxytocin aufweist [28, 29]. Intravenös appliziertes Carbetocin hat im Vergleich zu Oxytocin eine vier- bis
zehnfach längere Halbwertszeit und
wirkt nach intramuskulärer Applikation 60 bis 120 Minuten [30]. Angesichts der im Vergleich zu Oxytocin
relativ hohen Kosten und der unter
Carbetocin beobachteten unerwünschten Arzneimittelwirkungen
(Tremor, Hypotension, Flush, Kopf-
System
Foley-Katheter
[56]
Sengstaken-Blakemore Sonde
[57]
Rusch-Katheter
[58]
Bakri-Ballon
[59]
Kondom-Katheter
[60]
Tab. 2: Verschiedene Systeme zur Ballontamponade (nach [28]).
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schmerzen, Übelkeit) wird der klinische Einsatz kontrovers diskutiert
[31].
Misoprostol ist ein synthetisches Methylesteranalogon des natürlich vorkommenden Prostaglandins E1. Es
wird zur Prophylaxe und Therapie
von NSAR- (Nicht-steroidale Antirheumatika) induzierten Magenund Duodenalulcera verwendet. In
Deutschland ist das Präparat offiziell
nicht für die Anwendung in der Geburtshilfe zugelassen (off label use).
Weil Misoprostol jedoch kostengünstig, leicht applizierbar (oral,
sublingual, buccal, vaginal, rektal)
und thermostabil ist, erscheint es
dennoch als attraktive Alternative
für die Prävention und Therapie einer PPH. Eine systematische Cochrane Metaanalyse zeigte allerdings,
dass Misoprostol bei der Prävention
der schweren PPH, intravenös applizierten Uterotonika unterlegen ist
und betont auch das häufige Auftreten von Übelkeit, Erbrechen und Diarrhö unter Misoprostoltherapie [28,
32].
Die Applikation von intrauterinem
Druck durch das Austamponieren
des Cavum uteri wurde zunächst kritisch betrachtet, da man ein erhöhtes Infektionsrisiko sowie eine Kaschieren der Blutung befürchtete,
was jedoch nicht bestätigt werden
konnte [33, 34]. Bislang wurden verschiedene, auch bei gastrointestinalen Blutungen verwendete Systeme
zur uterinen Ballontamponade bei
uteriner Atonie und Plazentaretentionsstörungen erprobt (Tab. 2). Die
Systeme unterscheiden sich hauptsächlich durch das Ballonvolumen
und durch das Vorhandensein eine
Katheters zum Abfluss des Blutes
[28]. Die Erfolgsrate von Ballonsystemen wird mit circa 80 % angegeben
[35–37].
Als minimalinvasive, interventionelle
Maßnahme kommt in Zentren mit
entsprechend ausgebildeten Radiologen und im Falle einer nicht lebensbedrohlichen persistierenden
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Abb. 2: B-Lynch-Nähte intraoperativ (links) und sonografisch diskrete Schnürfurchen nach Uterusrückbildung noch erkennbar (rechts, vierter postoperativer Tag).
PPH die arterielle Embolisation in
Frage. Ein systematischer Übersichtsartikel von Doumouchtsis et al.
[38] berichtet über Erfolgsraten der
arteriellen Embolisation von um die
90 %. Trotz der relativ geringen beobachteten Morbidität müssen
Komplikationen wie postinterventionelles Fieber oder Ischämien an Blase, Rektum und der unteren Extremität bedacht werden [38]. In seltenen
Fällen wurde ein Wiedereinsetzten
der Blutung beobachtet, die eine erneute Intervention oder auch Hysterektomie erforderlich machte [28].
Im Falle einer schweren PPH sollten
auch chirurgische Maßnahmen erwogen werden. Die Ligation der Arteria uterina oder der Arteria illiaca interna sowie auch die Versorgung mit
uterinen Kompressionsnähten sollte
nur für ausgewählte Fälle, nach ausführlicher Evaluation und nach Versagen konservativer Maßnahmen, in Erwägung gezogen werden. Neben der
technischen Schwierigkeit ist hier
auch die relativ niedrige Erfolgsrate
von circa 50 % zu bedenken [39, 40].
Verschiedene Formen uteriner Kompressionsnähte und hämostatischer
Raffungsnähte (bei Placenta praevia
und Blutung aus dem unteren Uterinsegment) wurden bisher beschrieben
[41–44]. Das bekannte von B-Lynch
(Abb. 2) beschriebene Verfahren [45]
wurde inzwischen mehrfach modifiziert und gilt als effektiv in ausgewählten Fällen [28]. Intrauterine Synechienbildung [46] und die Gefahr
intracavitäter Infektionen und Nekro-
sen [47] gelten als Komplikationen
dieser Technik.
Tissue
(Plazentalösungsstörungen)
Als Plazentaretention bezeichnet
man eine Verzögerung der Plazentalösung, wobei der Abstand zwischen Geburt des Kindes und der
Plazenta mehr als 30 Minuten beträgt. Durch das sogenannte BrandtAndrews Manöver (Zug an der Nabelschnur in Kombination mit suprapubischem Gegendruck) kann eine
Lösung der Plazenta begünstigt werden [24]. Im Normalfall sollte die
mittlere Zeit nach Geburt des Kindes
bis zur Lösung der Plazenta acht bis
neun Minuten betragen, eine Dauer
von länger als zehn Minuten geht
mit einer Verdopplung des PPH Risikos einher [48]. Die geborene Plazenta sollte routinemäßig auf Vollständigkeit geprüft werden, im Falle
einer unvollständigen Lösung oder
einer bestehenden Blutung kann eine umgehende manuelle Nachtastung notwendig werden.
Bei steigenden Sectio-Raten und Zunahme des mütterlichen Durchschnittsalters hat sich die Inzidenz von
Plazentaimplantationsstörungen (Plazenta accreta, Plazenta increta, Plazenta percreta) signifikant erhöht [49]
und wird derzeit als Ursache von circa
10 % der PPHs angesehen [50]. Eine
sorgfältige präpartale sonographische oder ggf. magnetresonanz-tomographische Diagnostik ist für die
Planung des Geburtsmodus und das
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präoperative Vorgehen (Bereitstellung
von Blutkonserven und Blutersatzpräparaten, Expertise der Operateure, Information der Anästhesisten) unabdingbar. Als letzte Therapieoption
sollte auch die Sektiohysterektomie
vorbereitet und die Patientin entsprechend aufgeklärt werden.
Trauma
(Verletzung der Geburtswege)
Die Ursache einer PPH kann auch auf
Cervix- oder Scheidenrisse, Episiotomie, uterine Hämatome oder eine
Uterusruptur zurückzuführen sein.
Diese sind für circa 20 % der PPHs
verantwortlich [50]. Als Risikofaktoren gelten der vaginal-operative Entbindungsmodus, kindliche Makrosomie und die Schulterdystokie [51].
Soweit möglich sollten diese Risikofaktoren schon präpartal erkannt
und evaluiert werden. Postpartal
steht nach sorgfältiger Inspektion
der Geburtswege und Lokalisation
der Blutungsquelle therapeutisch
die fachgerechte Versorgung der
Blutungsquelle an erster Stelle.
Thrombin
(Gerinnungsstörungen)
Gerinnungsstörungen sind eine seltene (ca. 1 %) Ursache einer PPH
[50]. Gerinnungsstörungen wie die
idiopathische thrombozytopenische
Purpura, von Willebrand-JürgensSyndrom, Antithrombin III-Mangel,
ProteinC/S-Mangel, APC‐Resistenz
Typ Leiden oder Hämophilie sind
meist anamnestisch bekannt oder
werden präpartal diagnostiziert und
können entsprechend bei der Planung der Geburt berücksichtig werden. Als schwere peripartal auftretende Gerinnungskomplikationen
gelten die Verdünnungskoagulopathie nach massivem Blutverlust und
die disseminierte intravasale Gerinnung (DIG). Schwere Präeklampsie,
HELLP-Syndrom, Sepsis, Fruchtwasserembolie, IUFT und Plazentaretention gelten als Risikofaktoren einer
DIG und einer darauf zurückzuführenden Verbrauchskoagulopathie
[52, 53]. Zur Behandlung einer DIG
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ist eine intensivmedizinische Überwachung und Therapie mit einem
kontinuierlichen Gerinnungsmonitoring (Hämoglobinwert, Thrombozytenzahl, INR-Wert, aPTT, Fibrinogen, Fibrinogenspaltprodukte) sowie einer adäquaten Substitution
von Blutprodukten notwendig [51].
Die Gabe von rekombinantem Faktor VIIa (“off label use“) oder von
Tranexamsäure sollte erwogen werden [24].
entsprechenden Infrastruktur, um
im Ernstfall ohne Zeitverlust entsprechende personelle Unterstützung
aktivieren zu können (frühzeitige
Alarmierung des geburtshilflichen
sowie des anästhesiologischen Facharztes; Hinzuziehen einer zweiten
Hebamme und von Hilfspersonal).
Die Ablaufpläne müssen stetig aktualisiert werden und neue Mitarbeiter in die Prozesse eingearbeitet werden.
Management postpartaler
Blutungskomplikationen
Der hier vorgestellte Algorithmus ist
an die Empfehlung der Interdisziplinären «D-A-CH»-Konsensusgruppe
PPH (Deutschland – Österreich –
Schweiz) angelehnt. Die hier dargestellte Modifikation des Algorithmus
wurde am Perinatalzentrum Großhadern des Klinikums der Universität
München interdisziplinär von Geburtshelfern, Anästhesisten und Intensivmedizinern erarbeitet. Ziel der
Modifikation war zum einem die
Verbesserung der Praxisnähe und
der praktischen Umsetzung und
zum anderen die stärkere Einbeziehung anästhesiologischer Aspekte.
Im Folgenden soll der D-A-CH Algorithmus [54] unter Berücksichtigung
dieser Schwerpunktsetzung zusammengefasst werden.
Das Erkennen und die Evaluation
präpartaler Risikofaktoren sowie das
frühzeitige Einleiten präventiver
Maßnahmen sollten bereits bei Vorstellung der Schwangeren in der Geburtsklinik erfolgen bzw. geplant
werden. Gerade bei Risikopatientinnen hat sich die Einleitung stra-tegischer Maßnahmen im Sinne eines
Frühwarnsystems bereits bei Kreißsaalaufnahme als effektiv gezeigt
und sollte nicht nur an Standorten,
die häufig Hochrisikogeburten
durchführen, etabliert werden. Gerade kleinere Häuser verfügen oftmals außerhalb der Kernarbeits-zeiten nicht über die notwendige personelle Kompetenz und Expertise,
weshalb gerade hier eine Vor-abinformation des gegebenenfalls hinzuzuziehenden Personals essentiell
ist.
Die hier jeweils stichpunktartig herausgestellten Punkte sollen dazu
beitragen, ein auf den jeweiligen
Standort abgestimmtes Vorgehen
zu entwickeln, das den zeitlichen
Ablauf der Maßnahmen regelt und
detailliert den involvierten Mitarbeitern Rollen zuteilt.
STEP 1: Kreislaufstabile Patientin,
Blutung > 500 ml (vaginale Geburt) oder > 1000 ml (Sectio)
Generell ist anzumerken, dass ein erfolgreiches Management einer PPH
von einer zeitnahen Umsetzung und
Koordination der einzelnen Schritte
abhängt. Wie in der Notfallmedizin
üblich, ist die Zuteilung klar definierter Aufgaben an verschiedene Teammitglieder essentiell. Wesentlich ist
neben einer stetigen Mitarbeiterschulung auch die Schaffung einer
unverzügliches Alarmieren aller
notwendigen Teammitglieder
P
Basismonitoring (Blutdruck,Pulsoxymetrie, EKG)
• zwei i.v.-Zugänge (großlumig)
• Anlage eines Blasenkatheters
P
Messen des Blutverlustes durch
Auffangsysteme nach vaginaler
Entbindung
• Eisblase
P
Kreuzblut und Labor abnehmen,
Bereitstellung von Blutkonserven
P
Volumentherapie in Abhängigkeit vom klinischen Zustand
P
Kommunikation über BlutungsP
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P
P
ursache (vier T’s: Atonie, Plazentalösungsstörungen, Verletzung
der Geburtswege, Gerinnungsstörung)
Oxytocin-Infusion i.v.,
Misoprostol (off label use)
mechanische Uteruskompression
Der hier vorgestellte Algorithmus
soll bei jedem Verdacht auf eine
PPH initiiert werden. Grundlegend
dabei ist das frühzeitige Erkennen
einer Blutung und Kommunikation
des Verdachts der PPH. Als zentral
wird die früh beginnende Messung
und Aufzeichnung des tatsächlichen Blutverlustes angesehen, da
dies effektiv dazu beiträgt den Zustand der Patientin einzuschätzen
und den weiteren Verlauf zu antizipieren. Die kontinuierliche Dokumentation des Blutverlustes durch
Blutauffang- und Messsysteme ist
hierfür wesentlich. Bereits in diesem Stadium soll mit der mechanischen Uteruskompression unter Infusion von Uterotonika begonnen
werden (z. B. 3 IE Oxytocin in 500
ml Ringer-Lösung mit 500 ml/h,
ggf. zügiger Wechsel auf 10er Oxytocin Tropf: (10 IE Oxytocin in 500
ml Ringer-Lösung): Start: 90 ml/h).
Zusätzlich kann der wachen Patientin 400 µg Misoprostol (2 Tbl. à 200
µg) p. o. verabreicht werden (off
label use). Die durch Anlage eines
Blasendauerkatheters kontinuierliche Entleerung der Harnblase sowie die Applikation einer Eisblase
können ebenfalls supportiv zur Uteruskontraktion beitragen.
Das unverzügliche Alarmieren aller
notwendigen Teammitglieder ist eine grundlegende Voraussetzung
um sich die bestmögliche personelle Kompetenz zu sichern sowie
auch um frühzeitig die Teamstruktur zu etablieren. Ebenfalls sollte
parallel zu dem anästhesiologischen Basismonitoring auch die
notwendigen Vorbereitungen für
eine etwaige im Verlauf notwendige Transfusion getroffen werden.
STEP 2: Kreislaufstabile Patientin,
anhaltend schwere Blutung
Information des Anästhesieoberarztes über die Situation
P
Bereitstellung von Blutkonserven
und Blutersatzpräparaten
P
Sulproston-Infusion: Dosis / LaufRate nach Absprache von Geburtshelfern mit Anästhesisten
P
Tranexamsäure 1–2 g i.v.; danach
Fibrinogensubstitution 2–4 g erwägen
P
Volumenersatz nach klinischer
Situation
P
Stetige Kommunikation über Ursache der Blutung und weiteres
Vorgehen (manuelle Nachtastung, OP?)
P
Ggf. Nachtastung/Kürettage in
SPA (Spinalanästhesie)/PDA (Periduralanästhesie, nur bei stabiler
Hämodynamik) oder ITN
• Intensivüberwachung nötig?
P
Die Maximaldauer von Step 1 beträgt 30 Minuten. Kommt es in dieser Zeit nicht zu einer signifikanten
Verbesserung der Blutungssituation,
sollte nun unter Einbezug der Anästhesie sowie des OP-Personals die
Vorbereitung eventueller chirurgischer Maßnahmen erfolgen. Abhängig von der Blutungsursache sollte
spätestens jetzt die manuelle/instrumentelle Nachtastung und Kürettage erwogen werden.
Wie bereits bei Step 1 begonnen,
sollte die Uteruskompression, sowohl mechanisch als auch medikamentös, weiter erhalten bleiben
bzw. durch die Gabe von Sulproston (z. B. 500 µg (1 Amp.) in 500 ml
NaCl (max. 1500 µg pro 24 h); Start
mit 100 ml/h ggf. Steigerung bis
max. 500 ml/h) intensiviert werden.
Zur Verbesserung der Gerinnungssituation wird gerade vor dem Hintergrund der physiologisch in der
Schwangerschaft erniedrigten Fibrinogenkonzentration und der starken fibrinolytischen Wirkung der
Plazenta zunächst Tranexamsäure
(1-2 g i.v.), gefolgt von Fibrinogen
(2-4 g i.v.) eingesetzt. Der Volumenersatz sowie die Versorgung mit
Blut- und Blutersatzprodukten erfolgt in Abhängigkeit von der klinischen Situation.
STEP 3: Kreislaufinstabile Patientin/hämorrhagischer Schock oder
therapierefraktäre Blutung
Oberarzt und weitere personelle
Unterstützung hinzuziehen/Information der bestmöglichsten
personellen Expertise
P
Kreislaufstabilisierung/Volumenersatz nach klinischer Situation
P
Erwägen einer Cavumtamponade (z. B. Bakri-Ballon)
P
Erwägen der operativen Versorgung in ITN (cave: Narkosegase
relaxieren den Uterus)
P
Erweitertes Monitoring (LargeBore ZVK, Arterieller Zugang)
durch Anästhesie
• Wärmeerhalt
• Gerinnungsstabilisierung
P
Intensivüberwachung organisieren
P
Die Initiierung von Step 3 erfolgt,
wenn mit den in Step 2 vorgenommen Maßnahmen über 30 Minuten
(60 Minuten nach Behandlungsbeginn) kein Therapieerfolg eingetreten ist. Spätestens jetzt sollte die
bestmögliche personelle Expertise
hinzugezogen werden. Von Seiten
der Anästhesie wird nun ein erweitertes Monitoring etabliert, für eine
ausreichende Stabilisierung von
Gerinnung und Wärmehaushalt
gesorgt und die intensivmedizinische Überwachung organisiert. Neben den oben beschriebenen Maßnahmen der Uteruskompression /kons-triktion sollte nun der Versuch
der Kompression von innen über
ein Ballontamponadesystem (z. B.
Bakri-Ballon) unternommen werden. Versagen auch diese Interventionsschritte, gilt es nun die operative Versorgung der Patientin einzuleiten.
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STEP 4: Persistierende Blutung
Bereitstellen der bestmöglichen
personellen Expertise
P
Kommunikation von Geburtshelfern und Anästhesisten über weiteres Vorgehen
• Operative Versorgung in ITN
• Kreislaufstabilisierung
P
Gerinnungsoptimierung (Tranexamsäure, Fibrinogen, Faktorenkonzentrate)
P
Hämodynamisch stabile Patientin: Uteruskompressionsnähte;
Ligatur A. uterina oder Katheterembolisation erwägen
P
Hämodynamisch instabile Patientin: Damage control surgery
mit Laparotomie + Kompression;
ggf. Hysterektomie
P
Gabe von rFVIIa erwägen (off
label use), vorher Rahmenbedingungen optimieren; rFVIIa-Dosis:
60–90 µg/kg Körpergewicht
P
Unter Einbezug der bestmöglichen
personellen Expertise soll in Step 4
die geburtshilflich-chirurgische Blutstillung erfolgen. Diese ist nach
Ausschluss anderer Blutungsursachen und im Falle, dass die mechanische und medikamentöse Blutstillung noch nicht zum Ziel geführt
hat, indiziert. Hierbei unterscheidet
man die hämodynamisch stabile
von der instabilen Blutung. Im Falle
der stabilen Blutungssituation wird
zunächst ein Therapieversuch mittels Uteruskompressionsnähten und
Gefäßligaturen unternommen.
Hier ist auch die Embolisation der
uterinen Gefäße in einigen Kliniken
Behandlungsalternative. Die hämodynamisch instabile Blutung wird
im Sinne einer „damage control
surgery“ therapiert, wobei die Hysterektomie als ultima ratio gilt. Zu
bedenken ist jedoch auch, dass
selbst die Hysterektomie im Zustand des Gerinnungsversagens
nur noch eingeschränkt effektiv ist
[55]. Die Vitalfunktionen der Patientin sollen über die Kollegen der
Anästhesie gesichert werden, die
zu diesem Zeitpunkt auch bereits
04/2014
das Kreislauf-, Blut- und Gerinnungsmanagment übernommen
haben.
Interessenskonflikt
Die Autoren erklären, dass kein
Interessenskonflikt besteht.
Fazit
Die PPH stellt eine schwerwiegende
Komplikation in der geburtshilflichen Betreuung dar. Hauptziel in
dieser Akutsituation ist es lebensbedrohliche Blutungen kompetent,
schnell und effizient zu behandeln.
Hierfür ist die frühzeitige Diagnosestellung grundlegend für ein aktives
strukturiertes Management unter
Einbeziehung von Geburtshelfern,
Anästhesisten, Hebammen und
Hilfspersonal. In der Akutsituation ist
dies jedoch nur möglich, wenn bereits im Vorfeld eine Verfahrensanweisung entwickelt wurde, die den
zeitlichen Ablauf der Maßnahmen
regelt und detailliert, abgestimmt
auf die jeweiligen Standortbestimmungen, allen Personen klare Rollen
zuteilt. Eine stetige Mitarbeiterschulung ist hierbei essentiell um eine
PPH bereits in frühen Stadien zu erkennen und sie mittels klar strukturierter Handlungsanweisungen aktiv
zu therapieren. Dadurch wird die
Morbidität und Mortalität von postpartalen Blutungskomplikationen
effektiv gesenkt und in den meisten
Fällen die Abwendung eines fulminanten Verlaufs ermöglicht.
Alle Literaturstellen können online Sie auf
unserer Homepage einsehen: www.gyne.de
Dr. med.
Stephanie Hecht
Stephanie.Hecht@
med.unimuenchen.de
Dr. rer. nat.
Sabine Heublein
Sabine.Heublein@
med.unimuenchen.de
Hinweise für den Leser
Die hier angegebenen Dosierungen
werden am Perinatalzentrum Großhadern des Klinikums der Universität
München eingesetzt (Stand: März
2014). Die Autoren dieses Artikels
haben große Sorgfalt darauf verwendet, dass die hier gemachten
therapeutischen Angaben dem derzeitigen Stand des Wissens entsprechen. Dies entbindet den Anwender
jedoch nicht, seine Verordnungen
und Therapiemaßnahmen in eigener
Verantwortung zu treffen.
Dr. med.
Michael Kaspar
Michael.Kaspar@
med.unimuenchen.de
PD Dr. med.
Uwe Hasbargen
Uwe.Hasbargen@
med.unimuenchen.de
JUXSSH 33+'HXWVFKODQG± gVWHUUHLFK± 6FKZHL]0DQDJHPHQWGHUSRVWSDUWDOHQ
POSTPARTALE BLUTUNG | Handlungsalgorithmus
nach vaginaler Geburt oder in der postoperativen Überwachungsphase nach Sectio caesarea im Perinatalzentrum Grosshadern
Wichtige Funknummern
#Funk
#Funk
Dienstfunk Oberarzt Frauenklinik
Dienstfunk gynäkologischer Dienst
#Funk
#Funk
Kreissaal-Anästhesist
Oberarzt Anästhesie (Dienstfunk)
Klinische Symptome
S
T
E
P
S
T1
E
P
1S
T
E
P
> 500 ml nach vaginaler Geburt
> 1000 ml nach Sectio caesarea
CAVE: Unterschätzung
! Messsystem !
EKd^d/K
OP-Schwestern
Lagerungspfleger
Anästhesiologische- und therapeutische Maßnahmen
Geburtshilflich-operative Maßnahmen
Dauer max. 30 min nach Diagnosestellung
‡ vaginale Blutung
#Funk
#Funk
INFO / HINZUZIEHEN Oberarzt | 2. Hebamme
‡
‡
‡
‡
‡
‡
‡
‡
%DVLVPRQLWRULQJ 550HVVXQJ3XOVR[\PHWULH(.*
2 i.v.-Zugänge (mindestens 1 großlumiger)
Volumengabe (Kristalloide z.B. 500 ml Jonosteril)
Nach vaginaler Geburt: Steinschnittsteil-Lage / steriles
Abwaschen / Abdecken und Anbringen eines
$XIIDQJEHXWHOV]XU0HVVXQJGHV%OXWYHUOXVWHV
Blasenkatheter
Uteruskompression (Crédé-Handgriff)
Eisblase
Kreuzprobe / Notfalllabor / EK‘s bereitstellen
‡
‡
‡
‡
rasche Abklärung der Blutungsursache (4T‘s)
Plazentainspektion / Ultraschall (Tissue-Plazentarest?)
Uterustonus / Fundusstand (Tonus-Atonie?)
Speculumeinstellung (Trauma-Geburtskanal?)
Gerinnung (Thrombin-Laborwerte?)
‡ Patientin kreislaufstabil
INFO / HINZUZIEHEN Anästhesie
P
A
R
A
L
L
E
L
‡ MISOPROSTOL (!off label use!)
400 µg (2 Tbl. á 200 µg) bei wacher Patientin p.o.
‡ OXYTOCIN
Laufender 3er Oxytocin Tropf (3 IE Oxytocin in 500 ml
Ringer-Lösung) auf 500 ml/h hochstellen,
zügiger Wechsel auf 1ϬĞƌKdžLJƚŽĐŝŶ Tropf (10 IE Oxytocin
LQPO5LQJHU/|VXQJ6WDUWPOK
bei starker persistierender Blutung STEP 2
Æ Information Anästhesie-Oberarzt
Æ Kommunikation über Blutungsursache
Dauer max. weitere 30 min
(= 60 min nach Diagnosestellung)
ANWESEND Anästhesie | Alarmierung OP Team und Gyndienst (ggf. Notsectio-Alarm)
‡ bei V. a. Plazentarest (nach Ultraschall oder Inspektion)
‡ manuelle Nachtastung in PDA / SPA (nur bei stabiler
Hämodynamik) oder ITN
‡ ggf. Kürettage (US-Kontrolle) in PDA / SPA / ITN
‡ anhaltend schwere Blutung
‡ Patientin kreislaufstabil
‡ Ausschluss Uterusruptur
Æ Kommunikation über weiteres Vorgehen
‡ OP-Vorbereitung
2
Fahrt in Sectio-OP
(Patientin bleibt im Kreissbett)
Bestellung FFP / EK / TK
(kreuzen und in den Kreissaal/OP bringen lassen)
‡ 68/3526721
500 —g (1 Amp.) in 500 ml NaCl (max. 1500 µg pro 24 h)
Start mit 100 ml/h ggf. Steigerung bis max. 500 ml/h
nur über Infusomat
‡ J75$1(;$06b85(LY
vor Fibrinogengabe $XIEHZDKUXQJLP0HGLNDPHQWHQODJHU
CAVE: thromboembolische Anamnese
Bei persistierender schwerer Blutung (ca. 1500 ml
Gesamtblutverlust):
‡ ),%5,12*(1±J (Aufbewahrung im Sterilgutlager /
Konservenkühlschrank)
‡ ))3(.EHUHLWVWHOOHQ
623DP3HULQDWDO]HQWUXP *UR‰KDGHUQ6WDQG0lU]
%OXWXQJ 'HU©'$&+ª$OJRULWKPXV6FKZHL]0HG )RUXP±
HINZUZIEHEN Oberarzt Anästhesie | INFORMATION der bestmöglichen personellen Expertise
S
T
E
P
‡ therapierefraktäre schwere Blutung und
kreislaufstabile Patientin
oder
‡ hämorrhagischer Schock
ZIEL
‡ hämodynamische Stabilisierung
(temporärer) Blutungsstop
‡ Optimierung von Gerinnung und
‡ Erythrozytenkonzentration
‡ Organisation von STEP 4
3
Æ Kommunikation über weitere Interventionen
Kreislaufstabilisierung/Volumenersatz nach
klinischer Situation
CAVUMTAMPONADE
Applikation Bakri-Ballon $XIEHZDKUXQJLP0HGLNDPHQWHQODJHU
FFP / EK (1:1) / TK / Katecholamine
BLUTUNGSSTOP
‡ Intensivüberwachung
‡ %$//21'(%/2&.$'(QDFK ±6WG
(UZHLWHUWHV0RQLWRULQJ/DUJH%RUH =9.$UW
Wärmeerhalt
Gerinnungsstabilisierung
Intensivüberwachung organisieren
Ggf. operative Versorgung in ITN
ZIELKRITERIEN
PERSISTIERENDE oder ERNEUTE BLUTUNG
(Blutung bei liegendem Ballon oder nach Deblockade)
‡ ggf. erneute Ballonapplikation („bridging“)
‡ obligat STEP 4
‡
‡
‡
‡
‡
‡
‡
‡
Hämoglobin
Thrombozyten
Fibrinogen
Herzfrequenz
0$'
pH
Temperatur
Calcium
!±JGO±PPROO
> 50 G/l
>150 mg/dl (cave Dilution)
< 100/min
! PP+J
> 7,2
> 35ƒ C
> 0,8 mmol/l
HINZUZIEHEN der bestmöglichen personellen Expertise
S
T
E
P
4
Æ Kommunikation über weiteres Vorgehen
‡ Anhaltende oder neuerliche Blutung
KREISLAUFINSTABILITÄT
BLUTSTILLUNG / Damage Control Surgery
Laparotomie / Kompression / Gefäßklemmen /
Kompressionsnähte (z.B. B-Lynch)
KREISLAUFSTABILITÄT
DEFINITIVE CHIRURGISCHE VERSORGUNG
Kompressionsnähte / Gefäßligaturen
/ Katheterembolisation
Hysterektomie als ultima ratio
INTENSIVMEDIZINISCHE STABILISIERUNG
Kreislauf / Temperatur / Gerinnung
Operative Versorgung in ITN
Kreislaufstabilisierung
Gerinnungsoptimierung
Evtl. rekomb. Faktor VIIa als ultima ratio
(! off label use !)
rekombinanter Faktor VIIa
(! off label use !)
‡ LQLWLDO—JNJ.*%ROXV
‡ ggf. Wiederholungsdosis bei
‡ persistierender Blutung nach 20 min
Voraussetzungen
pH
> 7,2
Fibrinogen
> 1,5 g/l
Thrombozyten
> 50 G/l
Hyperfibrinolyse ausgeschlossen /therapiert
Abb. 3: SOP am Perinatalzentrum Großhadern (Stand März 2014) angelehnt an den Handlungsalgorithmus der D-A-CH Konsensusgruppe (Interdisziplinäre
«D-A-CH»-Konsensusgruppe PPH (Deutschland – Österreich – Schweiz) (2013), Management der postpartalen Blutung – Der «D-A-CH»-Algorithmus. Schweiz Med
Forum, 13(50):1033–1038.
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