Die Kohomologie der Milnorfaser isolierter Singularitäten

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Gunnar Dietz
Die Kohomologie der Milnorfaser
isolierter Singularitäten
Diplomarbeit
Oktober 2001
Fachbereich Mathematik
Universität Hamburg
Betreuer: Prof. O. Riemenschneider
Meinen Eltern gewidmet
Zusammenfassung
Bei der Untersuchung von Singularitäten in der komplexen Geometrie ist die häufigste Vorgehensweise, einer Singularität (oder einem singulären Raum) einen besseren“
”
(meist glatten) Raum (oder Raumkeim) zuzuordnen, diesen dann zu untersuchen, und zu
versuchen, aus diesen Ergebnissen wiederum Rückschlüsse auf die Eigenschaften der Singularität zu ziehen. Beispiele dafür sind die Auflösung von Singularitäten, der (in dieser
Arbeit auch kurz behandelte) Umgebungsrand einer Singularität und die Milnorfaserung,
der eigentliche Gegenstand dieser Arbeit.
Wir betrachten hier die Milnorfaserung in folgender Situation: Es sei (X, x) ein reduzierter Raumkeim und f : (X, x) → (Cs , 0) eine holomorphe Abbildung. Wir machen
dann die Annahme, daß entlang f −1 (0) \ {0} (für einen hinreichend kleinen Repräsentanten X von (X, x)) der Raum X keine Singularitäten hat sowie f dort submersiv ist.
Insbesondere hat mit dieser Annahme dann das Nullstellengebilde (X0 , x) := (f −1 (0), x)
eine isolierte Singularität (wobei X0 wieder mit der reduzierten Struktur versehen sei).
Umgekehrt gilt: Ist (X0 , x) ein isolierter vollständiger Durchschnitt, so können wir diesen
durch ein f : (X, x) → (Cs , 0) definieren, so daß die obigen Bedingungen erfüllt sind.
Die Idee der Milnorfaserung ist nun, spezielle Repräsentanten X von (X, x) und S
von (Cs , 0) zu finden, so daß außerhalb der schlechten“ Menge Df ⊂ S die Funktion
”
f : X → S die Projektion einer (lokal trivialen) differenzierbaren Faserung ist. Dabei geht
man wie folgt vor: Mit einer geeigneten reell-analytischen Funktion r : X → R≥0 , welche
in Koordinaten z.B. als Abstandsfunktion zu x gewählt werden kann, schneidet man X
zunächst auf eine kleine kompakte Umgebung Xr≤ε herunter. Man erreicht dabei, daß
die Einschränkung von f auf diese Umgebung eigentlich wird. Der Nachteil dabei ist, daß
man sich einen Rand Xr=ε einhandelt. Daher wählt man im zweiten Schritt eine geeignete Umgebung S von 0 in Cs , so daß f auf dem Rand über S (also auf f −1 (S)r=ε ) keine
Probleme“ mehr bereitet, mit anderen Worten dort keine kritischen Werte (als reell”
analytische Funktion) hat. Damit erreicht man, daß man nun den Satz von Ehresmann
benutzen kann. Dieser besagt, daß eine eigentliche Submersion (im reell-differenzierbaren
Sinn) die Projektion einer (lokal trivialen) differenzierbaren Faserung ist. Setzen wir
X = f −1 (S)r≤ε sowie ∂X = f −1 (S)r=ε und X = f −1 (S)r<ε , so erhalten wir, daß
f : (XS\Df , ∂XS\Df ) → S \ Df eine Faserungsabbildung ist, und daß ∂X sogar über ganz
S gefasert liegt. Die (glatten) Fasern Xs (s ∈ S \ Df ) bezeichnet man als Milnorfasern.
Daß diese Vorgehensweise wie beschrieben zum Erfolg führt, beruht im wesentlichen
auf dem sogenannten Kurven-Auswahl-Lemma. Dieses liefert uns nämlich insbesondere
Aussagen über die kritischen Werte reell-analytischer Funktionen, welche garantieren,
daß wir wie oben beschrieben kritische Werte von f auf dem Rand ∂X vermeiden können.
Im ersten Kapitel beschäftigen wir uns mit der Milnorfaserung in oben beschriebener Situation. Wir zeigen Existenz und Eindeutigkeit der Milnorfaserung. Vorbereitend darauf
erläutern wir kurz das Kurven-Auswahl-Lemma und den Satz von Ehresmann. Ferner
beschäftigen wir uns kurz mit dem Begriff des Umgebungsrandes einer Singularität, da
ein genaues Vorgehen beim Eindeutigkeitssatz für den Umgebungsrand uns später einige Arbeit beim Eindeutigkeitssatz für die Milnorfaserung ersparen wird. Zusätzlich zur
Existenz der Milnorfaserung werden noch einige Eigenschaften von ihr bewiesen.
i
Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit Monodromie. Da f über S \ Df gefasert ist,
kann man sich fragen, was mit den Fasern passiert, wenn man längs geschlossener Wege
in S \ Df läuft. Da f |∂X sogar über ganz S gefasert ist, können wir in diesem Fall eine
Abbildung von der Fundamentalgruppe π(S \ Df , s0 ) in die Gruppe Isot(Xs0 , ∂Xs0 ) der
relativen Isotopieklassen von auf ∂Xs0 trivialen Automorphismen von Xs0 konstruieren.
Aus dieser erhalten wir insbesondere eine Operation der Fundamentalgruppe auf der Homologie und Kohomologie der Milnorfaser, und aufgrund der relativen Situation können
wir die sogenannte Variation der Monodromie betrachten. Im zweiten Teil des zweiten
Kapitels wollen wir diese dann für den einfachsten Fall berechnen, nämlich dem Fall einer
Singularität vom Typ A1 . Wir erhalten die sog. Picard-Lefschetz-Formeln.
Im dritten Kapitel beschäftigen wir uns dann mit dem Hyperflächenfall, d.h. dem
Fall s = 1. Wir betrachten dann den halb-globalen Fall: Wir lassen zwar mehrere Singularitäten von f zu, jedoch verkleinern wir S so weit, daß diese nur in einer einzigen
Faser liegen. Mit Hilfe der lokalen Ergebnisse der vorigen beiden Kapitel untersuchen wir
die (Ko-) Homologie und Monodromie der (globalen) Fasern in diesem Fall. Weiterhin
zeigen wir das sogenannte Theorem über die invarianten Zykel.
Im vierten Kapitel untersuchen wir schließlich die Kohomologie der Milnorfasern.
Das Ergebnis wird sein, daß die Kohomologiegruppen H i (Xs ) nur für i ≤ n nicht-trivial
sind. Die beim Beweis benutzte Methode ist die der relativen Milnorfaserung. Dabei
betrachtet man Abbildungen f = (f 0 , fs ) : (X, x) → (Cs−1 × C, 0), so daß sowohl f als
auch f 0 die Bedingungen der Milnorfaserung erfüllen. Diese Situation nutzt man, um
induktiv Aussagen über die Kohomologie zu gewinnen.
Es folgen zwei Anhänge. Im ersten Anhang beweisen wir das Kurven-AuswahlLemma. Da Beweise für das Kurven-Auswahl-Lemma (in der reell-analytischen Kategorie — für den reell-algebraischen Fall ist z.B. ein Beweis bei Milnor [2] zu finden)
entweder schwer zu finden sind, oder mit völlig anderen Methoden arbeiten, versuchen
wir hier, einen Beweis für dieses Lemma zu präsentieren, der leicht von einem Leser mit
Kenntnissen in der komplexen Geometrie zu verstehen ist. Daher beschäftigt sich der erste Teil des Anhang mit einem kurzen Abriss über reell-analytische Funktionen, in dem
versucht wird, Ähnlichkeiten und Unterschiede zur Theorie der komplex-analytischen
Funktionen aufzuzeigen. Der zweite Teil des ersten Anhangs beschäftigt sich mit Fragen
über die Zusammenhangskomponenten reell-analytischer Mengen. In der Tat bilden die
Aussagen, die wir dort erhalten, das Fundament für den Beweis des Kurven-AuswahlLemmas. Im letzten Teil dieses Anhangs folgt dann der eigentliche Beweis.
Der zweite Anhang behandelt einige Hilfsmittel, welche im Text benutzt werden.
Es ist dort ein Abschnitt über eigentliche Abbildungen zu finden, ein Abschnitt über
benutzte Tatsachen aus der Kohomologietheorie, einer über Tatsachen aus der Differentialtopologie, sowie ein Beweis des Satzes von Ehresmann und ein Abschnitt über isolierte
vollständige Durchschnitte.
Dank. Es ist mir eine Freude, Dr. Jörg Schürmann und Prof. Oswald Riemenschneider für die hervorragende Betreuung zu danken. Dabei möchte ich Dr. Schürmann für
die zahlreichen Gespräche danken, in denen ich viel — auch über diese Arbeit hinausgehendes — lernen durfte, und Prof. Riemenschneider für die Unterstützung bei der
Fertigstellung der Arbeit.
Ebenso geht mein Dank an Karsten Küter für die Hilfe beim Druck der Arbeit
und an Uwe Haase für einige Korrekturvorschläge.
ii
Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung und Dank
i
Inhaltsverzeichnis
1 Die
1.1
1.2
1.3
1.4
iii
Milnor-Faserung
Das Kurven-Auswahl Lemma . . . . . . . . . . .
Der Satz von Ehresmann . . . . . . . . . . . . . .
Der Umgebungsrand . . . . . . . . . . . . . . . .
Die Milnor-Faserung . . . . . . . . . . . . . . . .
1.4.1 Der kritische Raum und die Diskriminante
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1
3
3
8
11
2 Monodromie
14
2.1 Geometrische Monodromie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
2.2 Die Variation der Monodromie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
2.3 Der A1 -Fall. Picard-Lefschetz-Formeln, lokaler Fall . . . . . . . . . . 16
3 Der
3.1
3.2
3.3
Hyperflächenfall
Homologie und Kohomologie der Fasern . . .
Monodromie . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Der A1 -Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.3.1 Picard-Lefschetz-Formeln, globaler Fall
3.3.2 Theorem über die invarianten Zykel . .
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23
23
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4 Kohomologie der Milnorfaser
38
4.1 Relative Milnorfaserung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
4.2 Die Kohomologie der Milnorfaser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
A Anhang: Das Kurven-Auswahl-Lemma
A.1 Reell-analytische Mengen . . . . . . . . . . . . . . .
A.2 Die Singularitätenmenge und Differentiale . . . . .
A.3 Die Zusammenhangskomponenten semi-analytischer
A.4 Der Beweis des Kurven-Auswahl-Lemmas . . . . . .
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Mengen
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47
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63
B Anhang: Hilfsmittel
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B.1 Hilfsmittel aus der mengentheoretischen Topologie . . . . . . . . . . 68
B.1.1 Eigentliche Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
iii
B.2 Benutzte Fakten aus der Kohomologietheorie .
B.2.1 Singuläre Homologie und Kohomologie
B.2.2 Garbenkohomologie . . . . . . . . . . .
B.3 Hilfsmittel aus der Differentialtopologie . . . .
B.3.1 Flüsse von Vektorfeldern . . . . . . . .
B.3.2 Der Rangsatz . . . . . . . . . . . . . .
B.4 Der Satz von Ehresmann . . . . . . . . . . . .
B.5 Isolierte vollständige Durchschnitte . . . . . .
Literaturverzeichnis
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iv
Kapitel 1
Die Milnor-Faserung
1.1
Das Kurven-Auswahl Lemma
Thema dieses Abschnittes ist folgendes Lemma, was wir hier aber als Theorem
formulieren:
Theorem 1.1.1 (Kurven-Auswahl-Lemma). Sei U eine offene Umgebung von p ∈
Rn und f1 , . . . , fk , g1 , . . . , gl seien reell-analytische Funktionen auf U , so daß p
enthalten ist im Abschluß von Z := {x ∈ U : f1 (x) = · · · = fk (x) = 0, g1 (x) >
0, . . . , gl (x) > 0}. Dann existiert eine reell-analytische Kurve γ : [0, δ[→ U mit
γ(0) = p und γ(t) ∈ Z für t ∈]0, δ[.
Dies Lemma bildet das Fundament für einige in den folgenden Abschnitten
diskutierten Sätze (insbesondere die Milnor-Faserung). Wir wollen dieses Lemma
zunächst aber nicht beweisen, sondern es zunächst einfach für die weitere Diskussion als Fakt benutzen. Im Anhang werden wir uns aber noch weiter mit dem
Kurven-Auswahl-Lemma beschäftigen, insbesondere aufgrund der Tatsache, daß
ein Beweis in der Literatur schwer zu finden ist.
Wir brauchen später noch eine verbesserte Version des Kurven-Auswahl-Lemmas, welche wir ebenfalls im Anhang beweisen werden. Von dieser formulieren wir
hier wiederum nur eine Abschwächung:
Theorem 1.1.2. Sei U eine offene Umgebung von p ∈ Rn und f1 , . . . , fk seien
reell-analytische Funktionen auf U . Setze V = {x ∈ U : f1 (x) = · · · = fk (x) = 0}.
Es seien weiter h1 , . . . , hm stetige Funktionen auf V , so daß hi (x) 6= 0 für x ∈ V \
{p}. Ist dann p enthalten ist im Abschluß von Z := {x ∈ V : h1 (x) > 0, . . . , hl (x) >
0}, so existiert eine reell-analytische Kurve γ : [0, δ[→ U mit γ(0) = p und γ(t) ∈ Z
für t ∈]0, δ[.
Zunächst die (für uns) wichtigste Folgerung: Dabei betrachten wir Funktionen
auf einem analytischen Raumkeim, welche so ähnlich“ wie die Abstandsfunktion
”
r(y) = ky − xk2 sind. Die Folgerung aus dem Kurven-Auswahl-Lemma ist eine
Aussage über die kritischen Werte solcher Funktionen.
1
2
1 Die Milnor-Faserung
Definition 1.1.3. Sei (X, x) ein reduzierter komplexer Raumkeim und r :
(X, x) → R≥0 reell-analytisch. Existiert ein Repräsentant X mit X ⊂ U ⊂ CN ,
so daß r die Einschränkung einer reell-analytischen Funktion R : U → R≥0 mit
R−1 (0) = {x} ist, so sagt man, r definiere den Punkt x in X.
Insbesondere gilt für eine solche Funktion also r−1 (0) = {x}.
Lemma 1.1.4. Es sei (X, x) ein reduzierter komplexer Raumkeim, so daß (für
einen hinreichend kleinen Repräsentanten X) X\{x} nicht-singulär von konstanter
Dimension n ist. Ist dann r : X → R≥0 eine den Punkt x ∈ X definierende reellanalytische Funktion, so ist 0 kein Häufungspunkt der kritischen Werte von r, falls
der Repräsentant X genügend klein gewählt wird.
Beweis. Wir können annehmen, daß X = {y ∈ U : f1 (y) = · · · = fk (y) = 0} ist,
wobei U offene Teilmenge von CN sei, und f1 , . . . , fk das Nullstellenideal von X
erzeugen, und daß r auf ganz U definiert ist. Dann hat auf X \ {x} die Matrix
(df1 , . . . , dfk ) den Rang N − n. Betrachte nun die Menge Y ⊂ X aller Punkte, in
denen die reelle Matrix
dr, d(re f1 ), . . . , d(re fk ), d(im f1 ), . . . , d(im fk )
(hier bezeichne d den reellen Gradienten, also vermittels CN = R2N ) einen Rang
≤ 2(N − n) hat. Y ist dann reell-analytische Teilmenge von X und enthält x.
Y \ {x} ist gerade die kritische Menge von r|X\{x} . Wir müssen also zeigen, daß
x isolierter Punkt von Y ist. Angenommen, dies ist nicht der Fall. Als Differenz
zweier reell-analytischer Mengen ist Y \ {x} semi-analytisch (siehe Anhang A; dies
heißt nichts anderes, als daß wir auf Y \{x} das Kurven-Auswahl-Lemma anwenden
können), und nach Annahme liegt x im Abschluß von Y \ {x}. Nach dem KurvenAuswahl-Lemma existiert also eine reell-analytische Kurve γ : [0, δ[→ U mit γ(t) ∈
Y \ {x} für t > 0 und γ(0) = x. Nun ist dtd (r ◦ γ)(t) = hdr(γ(t)), dtd γ(t)i = 0, also
r(γ(t)) = r(x) = 0 für alle t > 0. Widerspruch.
Später brauchen wir noch eine Aussage über die Situation, in der zwei solche
Funktionen vorliegen. Auch diese ist eine Folgerung aus dem Kurven-AuswahlLemma.
Lemma 1.1.5. Wieder sei (X, x) ein reduzierter komplexer Raumkeim, so daß
X \ {x} nicht-singulär von konstanter Dimension n ist. Sind dann r, r0 : X → R≥0
zwei den Punkt x ∈ X definierende reell-analytische Funktionen, so zeigen die
Ableitungen dr und dr0 auf X \ {x} nirgends in entgegengesetzte Richtung, falls
der Repräsentant X genügend klein ist. (D.h., falls dr und dr0 proportional sind,
dann nur mit positivem Proportionalitätsfaktor.)
Beweis. Wie eben können wir annehmen, daß X = {y ∈ U : f1 (y) = · · · = fk (y) =
0} ist, wobei U offene Teilmenge von CN sei, und f1 , . . . , fk das Nullstellenideal
von X erzeugen, und daß r und r0 auf ganz U definiert sind.
Nach dem vorigen Lemma können wir ferner U so klein wählen, daß sowohl
r|X\{x} , als auch r0 |X\{x} keine kritischen Werte hat.
1.2 Der Satz von Ehresmann
3
Diesmal betrachten wir die Matrix
dr, dr0 , d(re f1 ), . . . , d(re fk ), d(im f1 ), . . . , d(im fk )
(d sei hierbei die reelle Ableitung bzgl. U ), und betrachten nun die Menge Y ⊂ X
aller Punkte, in denen diese Matrix einen Rang ≤ 2(N − n) + 1 hat. Wegen der
obigen Wahl von U ist dann Y \{x} nun gerade die Menge aller Punkte aus X \{x},
in denen dr und dr0 (diesmal d bzgl. X \ {x}) proportional sind.
Nun betrachte das Skalarprodukt hdr, dr0 i, Ableitungen bezüglich X \ {x}. Dieses ist eine reell-analytische Funktion auf X \ {x}. Ferner läßt sich dieses stetig
durch 0 nach {x} fortsetzen: Es ist
hdr, dr0 i2 ≤ kdrkkdr0 k ≤ kdU rkkdU r0 k,
wobei d wieder die Ableitung bzgl. X \ {x} bezeichne, dU die Ableitung bzgl. U .
Nun sind r und r0 (als Funktionen auf U ) in x kritisch, damit wird auch |hdr, dr0 i|
nahe x beliebig klein.
Sei nun Z die Menge aller Punkte in Y , für die hdr, dr0 i < 0. Z ist also die
Menge aller Punkte, in denen dr und dr0 in entgegengesetzte Richtung zeigen.
Wie im vorigen Lemma zeigen wir nun, daß x kein Häufungspunkt von Z ist.
Wäre dies der Fall, so könnten wir wieder nach dem Kurven-Auswahl-Lemma,
diesmal in der Fassung von Theorem 1.1.2, eine reell-analytische Kurve γ : [0, δ[→
U finden mit γ(t) ∈ Z \ {x} für t > 0 und γ(0) = x. Nun haben aber dtd (r ◦ γ)(t)
und dtd (r0 ◦ γ)(t) entgegengesetztes Vorzeichen für t > 0, d.h. r und r0 können nicht
beide monoton wachsend sein, was nicht sein kann.
Bemerkung. Könnte man zeigen, daß das im vorstehenden Beweis benutzte Skalarprodukt hdr, dr0 i sich nicht nur stetig, sondern sogar reell-analytisch über x nach
ganz X fortsetzen ließe, so würde man im vorstehenden Beweis auch mit dem
normalen“ Kurven-Auswahl-Lemma auskommen.
”
1.2
Der Satz von Ehresmann
Im Anhang zeigen wir den folgenden Satz von Ehresmann:
Satz 1.2.1 (Ehresmann). Es seien X, S reelle, differenzierbare Mannigfaltigkeiten, X evtl. berandet, S zusammenhängend, f : X → S eine eigentliche Submersion, so daß auch f |∂X submersiv ist. Dann ist f eine (lokal triviale) differenzierbare
Faserungsabbildung.
Zusammen mit dem Kurven-Auswahl-Lemma bildet dieser Satz das Fundament
für die folgende Theorie.
1.3
Der Umgebungsrand
Bevor wir zum eigentlichen Thema dieses Kapitels kommen, wollen wir kurz eine
Anwendung des Kurven-Auswahl-Lemmas (bzw. seiner Folgerung) besprechen.
4
1 Die Milnor-Faserung
Bei dem Eindeutigkeitssatz für den Umgebungsrand, den wir in diesem Abschnitt beweisen werden, gehen wir ziemlich genau vor, da wir ihn später im Beweis
des Eindeutigkeitssatzes für die Milnorfaserung benutzen werden.
Es sei wieder (X, x) ein reduzierter komplexer Raumkeim und r : X → R≥0
definiere den Punkt x. Ist dann ε > 0, dann schreiben wir Xr<ε := {p ∈ X : r(p) <
ε}, entsprechend Xr=ε und Xr≤ε .
Lemma 1.3.1. (X, x) und r seien wie eben. Dann ist r lokal eigentlich, d.h. ist X
hinreichend klein gewählt, so existiert ein ε > 0, s.d. Xr≤ε kompakt ist.
Beweis. Dies ist ein Spezialfall von Lemma B.1.19.
Im folgenden sei (X, x) wieder ein komplexer Raumkeim, s.d. X \ {x} nichtsingulär von konstanter Dimension n ist.
In dem folgenden Satz bezeichnen wir für einen topologischen Raum Y mit
cone(Y ) den Kegel über Y , d.h. den Raum, den man erhält, wenn man in [0, 1] × Y
alle Punkte in {0} × Y zu einem Punkt identifiziert.
Satz 1.3.2. Es definiere r : X → R≥0 den Punkt x. Wähle X und ε > 0 entsprechend klein, s.d. r|X\{x} keine kritischen Werte in ]0, ε] hat und ein ε̃ > ε existiert,
so daß Xr≤ε̃ kompakt ist. Dann ist Xr=ε kompakte, reell-analytische Mannigfaltigkeit, und es gibt einen Homöomorphismus
H : cone(Xr=ε ) → Xr≤ε ,
s.d. 1ε r ◦ H die Projektion auf [0, 1] ist.
Beweis. Daß Xr=ε kompakte, reell-analytische Mannigfaltigkeit ist, ist klar.
O.B.d.A. können wir r so skalieren, daß ε = 1. Weiter können wir ε̃ so klein
wählen, daß r|X\{x} auch keine kritischen Werte in ]0, ε̃[ hat.
Nach den Voraussetzungen ist r|Xr<ε̃ \{x} : Xr<ε̃ \ {x} →]0, ε̃[ eigentlich, denn
Xr≤ε ist kompakt, und mit r|Xr≤ε̃ : Xr≤ε̃ → [0, ε̃] ist auch die Einschränkung
r|X0<r<ε̃ : X0<r<ε̃ →]0, ε̃[ eigentlich. Ferner ist r|Xr<ε̃ \{x} auch submersiv, d.h. nach
dem Satz von Ehresmann ist r|Xr<ε \{x} eine lokal triviale Faserung, daher auch
r|Xr≤1 \{x} : Xr≤1 \ {x} →]0, 1]. Da ]0, 1] aber einfach zusammenhängend ist, ist
diese Faserung sogar trivial, d.h. wir haben einen fasertreuen Homöomorphismus
(sogar Diffeomorphismus) ρ : Xr≤1 \ {x} →]0, 1] × F , wobei die Faser F offenbar
gleich Xr=1 ist. Die Fasertreue bedeutet dabei, daß r ◦ ρ−1 die Projektion auf ]0, 1]
ist. Nimmt man nun den Punkt x dazu, so läßt sich ρ aufgrund der Stetigkeit von
r bei x (und r(x) = 0) dann offenbar stetig über x ausdehnen, so daß wir die
Umkehrabbildung zu dem behaupteten Homöomorphismus H erhalten. (Die stetige Fortsetzung ist ein Homöomorphismus, da sie stetige und bijektive Abbildung
zwischen Kompakta ist.)
Bemerkung. Insbesondere gilt, daß unter diesen Voraussetzungen alle Xr=δ für δ ∈
]0, ε] diffeomorph sind.
1.3 Der Umgebungsrand
5
Unter den Voraussetzungen des Satzes nennt man Xr=ε den Umgebungsrand
von (X, x). Es macht aber natürlich nur Sinn, diesem einen Namen zu geben, wenn
er (bis auf Diffeomorphie) nur von (X, x) abhängt. Dies soll im nächsten Satz
bewiesen werden.
Wie oben bereits angesprochen gehen wir dabei genauer vor. Die Zusätze, die
wir dabei formulieren, werden im nächsten Abschnitt ihre Anwendung finden.
Der Beweis des obigen Satz kombiniert Lemma 1.1.4, welches eine direkte Folgerung aus dem Kurven-Auswahl-Lemma ist, mit dem Satz von Ehresmann. Der folgende Satz ist quasi eine Verallgemeinerung davon. Er benutzt Lemma 1.1.5 (auch
eine Konsequenz des Kurven-Auswahl-Lemmas und quasi eine Verallgemeinerung
von Lemma 1.1.4) mit Methoden, die auch im Beweis des Satzes von Ehresmann
benutzt werden (siehe Anhang).
Für den auf den Satz folgenden Zusatz definieren wir noch: Für einen topologischen Raum Y und δ > 0 sei coneδ (Y ) die Menge [0, δ] × Y , wobei wieder alle
Punkte in {0} × Y zu einem Punkt identifiziert seien. Ist δ1 < δ2 , so können wir
coneδ1 (Y ) als Teilmenge von coneδ2 (Y ) auffassen.
Satz 1.3.3. Es seien r, r0 : X → R≥0 zwei Funktionen, welche den Punkt x ∈ X
definieren. Wähle wieder ein ε > 0, so daß die Voraussetzungen des vorigen Satzes
mit diesem ε für r erfüllt sind. Ist dann ε0 > 0 so, daß Xr0 ≤ε0 ⊂ Xr<ε , so sind die
Voraussetzungen des vorigen Satzes auch für r0 und ε0 erfüllt.
Weiter gilt dann: Ist ε0 genügend klein, so existiert ein Diffeomorphismus
G : [0, 1] × Xr=ε → Xr≤ε,r0 ≥ε0 ,
welcher auf {1} × Xr=ε die triviale Abbildung nach Xr=ε ist, und {0} × Xr=ε auf
Xr0 =ε0 abbildet.
Insbesondere induziert G einen Isomorphismus Xr=ε → Xr0 =ε0 .
Ferner existiert ein solches ε0 immer.
Wir zeigen etwas mehr:
Zusatz. Unter obigen Voraussetzungen existiert ein Homöomorphismus
H̃ : cone2 (Xr=ε ) → Xr≤ε ,
welcher den kanonischen Punkt des Kegels auf x abbildet, auf {2}×Xr=ε die triviale
Abbildung nach Xr=ε ist, {1} × Xr=ε auf Xr0 =ε0 abbildet und mit H̃(cone1 (Xr=ε )) ⊂
Xr0 ≤ε0 . Genauer können wir H̃ so wählen, daß ε10 r0 ◦ H̃ auf cone1 (Xr=ε ) die Projektion nach [0, 1] ist. Ferner ist außerhalb des kanonischen Punktes des Kegels H̃
sogar diffeomorph.
Beweis des Satzes mit Zusatz. Die Existenz eines solchen ε0 folgt aus Lemma B.1.6:
Xr≤ε ist kompakt, also r0 |Xr≤ε eigentlich und damit abgeschlossen. Xr<ε ist nun
Umgebung von X0 in Xr≤ε , so daß Lemma B.1.6 die Existenz von ε0 liefert.
Daß dann auch für r0 und ε0 die Voraussetzungen des Satzes erfüllt sind, ist
klar (die Existenz des dort gebrauchten ε̃0 folgt analog).
6
1 Die Milnor-Faserung
Wir setzen wieder o.B.d.A. ε = 1.
Nach Lemma 1.1.5 und erneuter Anwendung von Lemma B.1.6 können wir ein
ε̃ finden, so daß auf Xr≤ε̃ die Differentiale dr und dr0 (bezüglich X \ {x}) außerhalb
{x} nirgends in entgegengesetzte Richtung zeigen.
Wir nehmen an, daß ε0 so klein ist, so daß Xr0 ≤ε0 ⊂ Xr<ε̃ .
Dies erlaubt uns (mittels Teilung der Eins) die Konstruktion eines Vektorfeldes
v auf Xr≤1 \ {x}, so daß dr(v) = 1 für alle v ∈ Xr≤1 und dr0 (v) > 0 für alle
v ∈ Xr0 ≤ε0 .
Ähnlich wie in Lemma B.4.3 sieht man nun, daß zu jedem y ∈ Xr=1 eine
Lösungskurve von v
αy :]0, 1] → Xr≤1
existiert mit r ◦ αy (t) = t und αy (1) = y, so daß limt→0 αy (t) = x. Mit anderen Worten können wir αy stetig auf das Intervall [0, 1] fortsetzen. Nun ist aber
r0 ◦ αy (t) streng monoton steigend, solange αy (t) ∈ Xr0 ≤ε0 . Daher können wir ein
(eindeutiges) τy ∈]0, 1[ finden mit
r0 ◦ αy (τy ) = ε0 .
(Da dr0 (v) > 0 auf ganz Xr0 =ε ist, kann keine Lösungskurve nach Erreichen von
Xr0 =ε dorthin zurückkehren“ oder dort verweilen“, daher die Eindeutigkeit.) Man
”
”
sieht leicht (Satz über implizite Funktionen), daß
Xr=1 →]0, 1[ ,
y 7→ τy
reell-analytisch ist.
Für jedes y ∈ Xr=1 können wir nun eine (differenzierbare) Umparametrisierung
λy : [0, 2] →[0,
˜ 1]
wählen, so daß λy (1) = τy , genauer so, daß, wenn wir
βy = αy ◦ λy : [0, 2] → Xr≤1
setzen, r0 ◦ β(t) = ε0 t für t ∈ [0, 1]. Offenbar können wir dies differenzierbar in
y ∈ Xr=1 machen, mit anderen Worten so, daß, wenn wir
H̃(y, t) = βy (t)
setzen, wir einen Homöomorphismus H̃ : cone2 (Xr=1 ) → Xr≤1 bekommen, welcher
die (im Zusatz) geforderten Eigenschaften besitzt (und insbesondere differenzierbar
außerhalb des kanonischen Punktes ist).
Den Diffeomorphismus G des Satzes erhalten wir offenbar als Einschränkung
von H̃ auf [1, 2] × Xr=1 (nur mit dem Intervall [0, 1] statt [1, 2]).
Bemerkung. Der Homöomorphismus H̃ induziert insbesondere einen Diffeomorphismus Xr=ε →
˜ Xr0 =ε0 , mit welchem wir H̃ umschreiben“ können zu einem Ho”
möomorphismus
H̃ : cone2 (Xr0 =ε0 ) → Xr≤ε
7
1.3 Der Umgebungsrand
mit entsprechenden Eigenschaften (insbesondere, daß H̃ auf {1}×Xr0 =ε0 die kanonische Abbildung ist). Genauso können wir G umschreiben zu einem entsprechenden
Diffeomorphismus
G : [0, 1] × Xr0 =ε0 → Xr≤ε,r0 ≥ε0 ,
welcher auf {0} × Xr0 =ε0 die kanonische Abbildung ist.
Korollar 1.3.4. Sind r1 , ε1 und r2 , ε2 so, daß beide Daten die Bedingungen des
Umgebungsrandes erfüllen, so existieren Daten r0 , ε0 mit Xr0 ≤ε̃0 ⊂ Xr1 <ε1 ∩ Xr2 <ε2
und Diffeomorphismen wie im vorigen Satz und Bemerkung
G1 : [0, 1] × Xr0 =ε0 → Xr1 ≤ε1 ,r0 ≥ε0
und
G2 : [0, 1] × Xr0 =ε0 → Xr2 ≤ε2 ,r0 ≥ε0 ,
−1
so daß G−1
1 und G2 auf einer ganzen Umgebung von Xr 0 =ε0 übereinstimmen.
Beweis. Indem wir den vorigen Satz mit Zusatz und Bemerkung auf ri , εi und r0 , ε̃0
anwenden (jeweils für i = 1, 2), können wir Homöomorphismen
H̃i : cone2 (Xr0 =ε̃0 ) → Xri ≤εi
finden mit entsprechenden Eigenschaften, insbesondere, daß H̃i auf {1} × Xr0 =ε̃0
die triviale Abbildung ist und ε̃10 r0 ◦ Hi auf cone1 (Xr0 =ε̃0 ) die Projektion auf [0, 1]
ist.
Fixiere nun ein δ ∈]0, 1[ beliebig.
Betrachte die Einschränkungen
H̃i |[ 1 δ,1]×Xr0 =ε̃0 : [ 12 δ, 1] × Xr0 =ε̃0 → X 1 δε̃0 ≤r0 ≤ε̃0
2
2
und setze
σ = (H̃2 |[ 1 δ,1]×Xr0 =ε̃0 )−1 ◦ H̃1 |[ 1 δ,1]×Xr0 =ε̃0 : [ 12 δ, 1] × Xr0 =ε̃0 → [ 12 δ, 1] × Xr0 =ε̃0 .
2
2
σ ist dann ein Diffeomorphismus über der Projektion auf das Intervall [ 12 δ, 1]. Damit
entspricht σ einer differenzierbaren Familie von Diffeomorphismen
σt : Xr0 =ε̃0 → Xr0 =ε̃0
t ∈ [ 12 δ, 1],
so daß σ(t, y) = (t, σt (y)). Nach Voraussetzung ist σ1 die Identität.
Wähle nun eine differenzierbare Funktion
λ : [ 21 δ, 1] → [ 21 δ, 1],
so daß λ konstant gleich 1 auf [ 12 δ, δ] ist und die Identität auf [ 21 (1 + δ), 1] ist. Setze
hiermit
σ 0 : [ 12 δ, 1] × Xr0 =ε̃0 → [ 12 δ, 1] × Xr0 =ε̃0
σ 0 (t, y) = (t, σλ(t) (y)).
Betrachte nun die Funktion
ρ = H̃2 |[ 1 δ,1]×Xr0 =ε̃0 ◦ σ 0 : [ 12 δ, 1] × Xr0 =ε̃0 → X 1 δε̃0 ≤r0 ≤ε̃0 .
2
2
8
1 Die Milnor-Faserung
Dann gilt: Auf [ 12 δ, δ] × Xr0 =ε̃0 stimmt diese Funktion mit H̃2 überein, auf [ 12 (1 +
δ), 1] × Xr0 =ε̃0 dagegen mit H̃1 . Setze daher H̃20 = H̃2 : cone2 (Xr0 =ε̃0 ) → Xr2 ≤ε2 und


H̃2 auf coneδ (Xr0 =ε̃0 )
H̃10 : cone2 (Xr0 =ε̃0 ) → Xr1 ≤ε1 ,
H̃10 = ρ
auf [δ, 1] × Xr0 =ε̃0 .


H̃1 auf [1, 2] × Xr0 =ε̃0
Nach Konstruktion sind dann H̃10 und H̃20 wieder Homöomorphismen wie im
Satz mit Zusatz und Bemerkung, nur daß jetzt beide Homöomorphismen auf
coneδ (Xr0 =ε̃0 ) übereinstimmen. (Man beachte, daß H̃10 und H̃20 außerhalb des kanonischen Punktes des Kegels diffeomorph sind.)
Setzen wir nun ε0 = 21 δ ε̃0 , so erhalten wir die behaupteten Diffeomorphismen Gi
als Einschränkung von H̃i0 auf [ 12 δ, 2] → Xr1 ≤ε1 ,r0 ≥ε0 und Umparametrisierung des
Intervalls [ 21 δ, 2] auf [0, 1].
Insbesondere folgt:
Korollar 1.3.5. Der Diffeomorphietyp des Umgebungsrandes hängt nur vom Keim
(X, x) ab.
1.4
Die Milnor-Faserung
In diesem Abschnitt bezeichne (X, x) einen reduzierten komplexen Raumkeim von
konstanter Dimension n. Weiterhin sei f : (X, x) → (Cs , 0) holomorph. Wir wählen
dann Repräsentanten X mit X ⊂ U ⊂ CN , so daß f = F |X mit F : U → Cs
holomorph.
Wir machen nun folgende Annahme: Entlang f −1 (0) \ {x} sei sowohl X nichtsingulär als auch f submersiv. Insbesondere hat dann also das Nullstellengebilde
f −1 (0) eine isolierte Singularität bei x.
Ziel ist es nun, die Situation so zurechtzuschneiden“, daß wir den Satz von
”
Ehresmann anwenden können, um damit in die Situation einer Faserung zu kommen. Dazu schneiden wir zunächst in X auf eine kleine kompakte Umgebung von
x runter, um die Eigentlichkeit der Abbildung zu erreichen. Das Problem dabei ist,
daß wir uns einen Rand einhandeln. Der Trick ist nun, anschließend auch im Basisraum Cs auf eine Umgebung von 0 herunterzuscheiden, so daß wir die kritischen
Punkte der Funktion auf dem Rand vermeiden.
Als zusätzliches Datum wählen wir dazu wieder ein reell-analytisches r : X →
R≥0 , welches den Punkt x definiert. Wir können weiter annehmen, daß auch r auf
ganz U definiert ist und auch bzgl. U gilt, daß r−1 (0) = {x}.
Nach dem vorigen Abschnitt können wir nun U so klein wählen, daß ein ε > 0
existiert, so daß Xr≤ε kompakt ist und r|f −1 (0)\{0} keine kritischen Werte in ]0, ε]
hat.
Die im folgenden auftauchenden Xr=ε und f −1 (0)r=ε sind reell-analytische Mannigfaltigkeiten. Daher sind Aussagen wie z.B. im folgenden Lemma über f |Xr=ε
natürlich Aussagen über diese Funktion als reell-analytische Funktionen.
9
1.4 Die Milnor-Faserung
Lemma 1.4.1. Unter diesen Voraussetzungen ist f |Xr=ε submersiv entlang
f −1 (0)r=ε .
Beweis. Sei p ∈ f −1 (0)r=ε . Nach Voraussetzung ist r|f −1 (0) bei p submersiv und f
ebenfalls. Das ist aber gleichbedeutend damit, daß f |r−1 (ε) sowie r bei p submersiv
sind.
Lemma 1.4.2. Es existiert eine Umgebung S ⊂ Cs von 0, so daß f |Xr=ε submersiv
entlang f −1 (S)r=ε ist.
Beweis. Da Xr=ε kompakt ist, ist f |Xr=ε eigentlich, also insbesondere abgeschlossen.
Ist x ∈ f −1 (0), so ist f |Xr=ε bei x submersiv, also auch in einer ganzen Umgebung von x submersiv. Insgesamt erhalten wir eine ganze Umgebung W von
f −1 (0)r=ε , auf der f |Xr=ε submersiv ist. Wegen der Abgeschlossenheit von f |Xr=ε
existiert nach Lemma B.1.6 die Existenz einer Umgebung S ⊂ Cs von 0 mit
(f |Xr=ε )−1 (S) ⊂ W .
Wähle nun ein offenes, zusammenziehbares S entsprechend des Lemmas (z.B.
als Ball oder Polyzylinder). Wir setzen dann:
X = f −1 (S)r<ε ,
X = f −1 (S)r≤ε ,
∂X = f −1 (S)r=ε
und weiter
Cf = {p ∈ X : X bei p singulär oder f nicht submersiv bei p},
Df = f (Cf ).
Cf nennen wir den kritischen Ort“ und Df die Diskriminante“.
”
”
Damit haben wir die Daten für die Milnor-Faserung. Die obige Methodik beschert uns nun folgenden Satz:
Satz 1.4.3. Es gilt:
1. f : X → S ist eigentlich und f : ∂X → S ist eine differenzierbare Faserung.
2. Cf ist analytisch in X und abgeschlossen in X. Ferner ist f |Cf endlich.
3. Xsing hat Dimension ≤ s und Cf \ Xsing ist von reiner Dimension s − 1.
4. Df ist analytisch von gleicher Dimension wie Cf . Insbesondere gilt: Ist Xsing
nirgends dicht in Cf , so ist Df Hyperfläche.
5. f : (XS\Df , ∂XS\Df ) → S \ Df ist als Paar differenzierbar gefasert. Jede
dieser Fasern ist eine komplexe Mannigfaltigkeit mit Rand.
Dabei verstehen wir in Punkt 5. unter einer berandeten komplexen Mannigfaltigkeit eine reelle berandete Mannigfaltigkeit, deren Inneres eine komplexe Struktur
besitzt.
10
1 Die Milnor-Faserung
Beweis. 1.: Die Eigentlichkeit von f : X → S und von f : ∂X → S folgt aus der
Kompaktheit von Xr≤ε . Damit folgt 1. direkt aus dem Satz von Ehresmann.
2.: Ist p ∈ X, so wähle eine Umgebung V ⊂ U von p, so daß g1 , . . . , gk ∈ OV das
Nullstellenideal von X ∩ V erzeugen. Dann ist Cf ∩ V die Menge aller Punkte,
in denen rang(dF1 , . . . , dFs , dg1 , . . . , dgk ) < N − n + s. Damit ist Cf analytisch.
Da nun f entlang ∂X submersiv ist (und X dort keine Singularitäten hat) ist Cf
insbesondere abgeschlossen in X.
Damit ist aber auch f : Cf → S eigentlich. Als kompakte, analytische Teilmenge ist f −1 (s) ∩ Cf aber endlich (schließlich ist X ⊂ U ⊂ CN und U ist holomorph
separierbar). Damit ist f : Cf → S endlich.
3. und 4.: Nach dem endlichen Abbildungssatz ist mit Cf auch f (Cf ) = Df analytisch von gleicher Dimension wie Cf . Also ist insbesondere dim Cf ≤ s und da
Xsing ⊂ Cf ist auch dim Xsing ≤ s.
Sei nun y ∈ Cf \ Xsing , also X bei y glatt, aber y kritischer Punkt von f . Nach
dem Satz von Sard ist aber die Menge der kritischen Werte von f |Xreg dünn, also
ist das Bild einer kleinen Umgebung von y in Cf niederdimensional, und damit
(da wieder f wegen der Endlichkeit die Dimension erhält) dimy Cf ≤ s − 1. Wir
zeigen, daß auch dimy Cf ≥ s − 1: In lokalen Koordinaten um y können wir df
als Abbildung df : (X, y) → Hom(Cn , Cs ) auffassen. Betrachte nun Σ := {ϕ ∈
Hom(Cn , Cs ) : rang ϕ < s}. Dies ist eine affin-algebraische Varietät der reinen
Codimension n − s + 1 (siehe z.B. Looijenga [1], § 4.B).
Nun ist aber Cf,y ∼
= (df )−1 (Σ) (und df analytisch), also folgt codimy Cf ≤
n − s + 1, d.h. dimy Cf ≥ n − (n − s + 1) = s − 1.
Die letzte Aussage von 4. ist klar.
5.: Folgt wie 1. aus dem Satz von Ehresmann.
In obigem Satz bezeichnet man f : X → S als guten Repräsentanten von
f : (X, x) → (Cs , 0) und f : X → S als eigentlichen guten Repräsentanten. Das
Abbildungspaar f : (XS\Df , ∂XS\Df ) → S \ Df heißt daher die Milnor-Faserung
von f : (X, x) → Cs . Oft bezeichnet man aber auch einfach f : X → S als MilnorFaserung. Die Faser Xs bezeichnet man für s ∈ S \ Df als Milnor-Faser und Xs
als kompakte Milnor-Faser von f .
Unter Benutzung des Begriffes des isolierten vollständigen Durchschnittes (siehe
Anhang B.5) haben wir noch:
Lemma 1.4.4. In jedem Punkt von Xreg definiert f einen vollständigen Durchschnitt.
Beweis. Sei also x ∈ Xreg . Ist f bei x submersiv, so ist die Behauptung klar.
Ansonsten ist x ∈ Cf \ Xsing . Da f |Cf endlich ist, ist f −1 (f (x)) ∩ Cf endlich, d.h. es
existiert eine Umgebung W von x in f −1 (f (x)) mit W ∩ Cf = {x} und in W \ {x}
ist f submersiv. Dann folgt die Behauptung aus Lemma B.5.4.
Genauso wie für den Umgebungsrand haben wir auch einen Eindeutigkeitssatz
für die Milnorfaserung.
11
1.4 Die Milnor-Faserung
0
Satz 1.4.5. Seien f : X → S und f : X → S 0 zwei eigentliche gute Repräsentanten
von f : (X, x) → (Cs , 0). Dann existiert eine Umgebung T von 0 mit T ⊂ S ∩ S 0
und ein Diffeomorphismus
0
H : (XT , ∂XT ) → (XT , ∂X0T )
über T , welcher die Identität auf einer Umgebung von Cf ∩ f −1 (T ) ist.
0
Insbesondere induziert H Diffeomorphismen Xs → Xs für alle s ∈ T .
00
00
Beweis. Wähle einen eigentlichen guten Repräsentanten f : X → S 00 mit X ⊂
X ∩ X0 und S 00 ⊂ S ∩ S 0 . Nun ist f auf X0 \ X000 submersiv und X0 \ X000 ist kompakt.
Genau wie in Lemma 1.4.2 existiert daher eine Umgebung T von 0, so daß f
auf ganz XT \ X00T submersiv ist. Wähle T einfach zusammenhängend mit T ⊂
S ∩ S 0 . Nach dem Satz von Ehresmann ist nun f : (XT \ X00T , ∂XT , ∂X00T ) → T eine
Faserungsabbildung, welche trivial ist, da wir T einfach zusammenhängend gewählt
haben. Nach dem Eindeutigkeitssatz über den Umgebungsrand und anschließender
00
Bemerkung haben wir nun, falls X klein genug gewählt ist, für die Faser dieser
Faserung einen Diffeomorphismus ([0, 1], {0}, {1}) × ∂X000 → (X0 \ X000 , ∂X0 , ∂X000 ),
welcher auf {1} × ∂X000 die triviale Abbildung ist. Insgesamt bekommen wir also
einen Diffeomorphismus
h : (XT \ X00T , ∂XT , ∂X00T ) →([0,
˜
1], {0}, {1}) × ∂X00T .
0
00
Gehen wir genauso für f 0 : X → S 0 vor, bekommen wir (wenn wir evtl. X und
T noch verkleinern) einen entsprechenden Diffeomorphismus
0
h0 : (XT \ X00T , ∂X0T , ∂X00T ) →([0,
˜
1], {0}, {1}) × ∂X00T ,
so daß wir durch Komposition einen Diffeomorphismus
0
H̃ : (XT \ X00T , ∂XT , ∂X00T ) → (XT \ X00T , ∂X0T , ∂X00T )
bekommen, welcher auf ∂X00T trivial ist.
Nach dem Korollar aus dem Eindeutigkeitssatz für den Umgebungsrand können
00
wir (nach evtl. weiterer Verkleinerung von X ) nun aber h0 so wählen, daß der
Diffeomorphismus H̃ nicht nur auf ∂X00T , sondern auf einer ganzen Umgebung davon
00
die Identität ist. Dann können wir aber H̃ zu H mittels der Identität auf XT
00
ergänzen. Da Cf ∩ f −1 (T ) ⊂ XT , folgt dann die Behauptung.
1.4.1
Der kritische Raum und die Diskriminante
Auf dem kritischen Ort Cf und der Diskriminante Df einer Milnorfaserung f :
X → S kann man komplexe Strukturen einführen (so daß wir im Falle von Cf
dann vom kritischen Raum“ statt des kritischen Ortes“ sprechen können).
”
”
Da wir diese Strukturen im weiteren Verlauf aber nicht brauchen werden, wollen
wir zu diesem Thema nur einige Tatsachen ohne Beweis erwähnen.
12
1 Die Milnor-Faserung
Die naheliegende Wahl, nämlich die reduzierte Struktur zu benutzen, ist für
viele Zwecke nicht die geschickteste Möglichkeit. Die Strukturen, die man stattdessen einführt, haben die Eigenschaft, daß sie verträglich mit Basiswechsel sind. Als
Preis“, den man für diese Forderung bezahlen muß, handelt man sich allerdings
”
nicht-reduzierte Strukturen ein.
Der kritische Raum
Sei X eine analytische Teilmenge von U ⊂ CN und F : U → Cs holomorph. Setze
f = F |X . Wir machen die Annahme, daß alle Fasern von f rein-dimensional von
der gleichen Dimension n − s sind.
Definiere nun eine Idealgarbe Cf ⊂ OX wie folgt: Sei V ⊂ U entsprechend klein,
so daß Erzeuger ϕ1 , . . . , ϕl von IX existieren. Dann sei Cf (V ) das Ideal von OX (V ),
welches erzeugt wird von ϕ1 , . . . , ϕl und den (N −n+s)×(N −n+s)-Unterminoren
der Jakobimatrix von (F1 , . . . , Fs , ϕ1 , . . . , ϕl ) : V → Cs+l . Man überprüft leicht,
daß Cf (V ) von den Erzeugern ϕ1 , . . . , ϕl unabhängig ist (ähnlich wie beim Beweis
von Lemma A.2.1 im Anhang) und ebenso auch nur von f (und nicht F ) abhängt.
Dies definiert uns eine Idealgarbe Cf ⊂ OX .
Man zeigt nun leicht, daß in der Tat für x ∈ X genau dann Cf,x = OX,x gilt,
falls X bei x nicht-singulär von Dimension n ist, und f bei x submersiv ist. Somit
definiert OCf := OX /Cf in der Tat eine komplexe Struktur auf Cf .
Man kann weiter leicht zeigen, daß mit dieser komplexen Struktur auf Cf die
geforderte Eigenschaft der Verträglichkeit mit Basiswechsel erfüllt ist. Diese Forderung bedeutet folgendes: Haben wir ein kartesisches Diagramm
(Y, y)
g
h̃-
(X, x)
f
?
h
(Ct , 0) - (Cs , 0)
?
von komplexen Raumkeimen (d.h. (Y, y) ist das Faserprodukt von (X, x) und (Ct , 0)
über (Cs , 0)), wobei f die Faserdimension n − s habe, so ist Cg,y dasjenige Ideal in
OY,y , welches von h̃∗ (Cf,x ) erzeugt wird.
Die Diskriminante
Df war definiert als das Bild von Cf unter f . Weiterhin hatten wir gesehen, daß
f |Cf endlich ist.
Nun kann man für endliche Abbildungen h : (Y, OY ) → (S, OS ) zwischen komplexen Räumen die Bildmenge von h mit einer komplexen Struktur versehen, so
daß diese Prozedur wieder verträglich mit Basiswechseln ist. Dies geschieht mit
Hilfe von sogenannten Fitting-Idealen“.
”
Da h endlich ist, ist die Bildgarbe h∗ OY ein kohärenter OS -Modul, und der
Träger dieses Moduls ist die Menge h(Y ). Man setzt nun Oh(Y ) := OS /F0 (h∗ OY ),
wobei F0 (h∗ OY ) das nullte Fitting-Ideal von h∗ OY (als OS -Modul) ist. Ohne genau
1.4 Die Milnor-Faserung
13
auf die Definition der Fitting-Ideale eingehen zu wollen, sei nur erwähnt, daß sich
diese für endlich erzeugte Moduln über einem kommutativen Ring mit Eins mit
Hilfe von Determinanten definieren lassen. Einem R-Modul M werden dabei für
k ∈ N0 Ideale Fk (M ) ⊂ R zugeordnet. Diese Konstruktion läßt sich dann auf
Garben übertragen.
Oh(Y ) definiert dann eine komplexe Struktur auf der Menge h(Y ), die die
gewünschte Forderung nach Verträglichkeit mit Basiswechseln erfüllt.
Mit dieser Methode erhalten wir also insbesondere eine komplexe Struktur auf
Df mit der gewünschten Eigenschaft.
Für Details über die komplexe Struktur auf Cf und Df , sowie deren Eigenschaften
siehe z.B. Looijenga [1].
Kapitel 2
Monodromie
2.1
Geometrische Monodromie
In diesem Abschnitt sei wieder f : X → S ein guter Repräsentant von f : (X, x) →
(Cs , 0). Wir hatten gesehen, daß (XS\Df , ∂XS\Df ) als Paar mittels f über S \ Df
gefasert ist, ∂X sogar über ganz S. Dies erlaubt uns, über Monodromie zu reden.
Da wir S als zusammenziehbar gewählt hatten, ist f : ∂X → S trivialisierbar.
Wir fixieren eine Trivialisierung
σ : ∂X →
˜ S × ∂X0
von f |∂X (d.h. prS ◦σ = f |∂X ). σ induziert für jedes s ∈ S einen Diffeomorphismus
σs : ∂Xs →
˜ ∂X0 .
Weiter fixieren wir einen Basispunkt s0 ∈ S \ Df .
Nun sei γ : [0, 1] → S \ Df ein stetiger Weg mit γ(0) = s0 . Wir behaupten, daß
wir dann eine stetige Familie von Diffeomorphismen
ht : (Xs0 , ∂Xs0 ) →(X
˜ γ(t) , ∂Xγ(t) )
finden können mit h0 = id und σγ(t) ◦ ht |∂Xs0 = σs0 , d.h. ht respektiert die Trivialisierung von ∂X. (Die Stetigkeit dieser Familie soll einfach heißen, daß (t, x) 7→ ht (x)
(x ∈ Xs0 ) stetig ist.) Dies sieht man wie folgt: Da f : (XS\Df , ∂XS\Df ) → S \ Df
lokal triviale Faserung ist, existiert zu jedem s ∈ S \ Df eine Umgebung Ws und
ein Diffeomorphismus
˜ Ws × (Xs , ∂Xs ).
(XWs , ∂XWs ) →
Nach Lemma B.4.4 können wir diese lokalen Trivialisierungen dabei auch so wählen,
daß sie die Trivialisierung σ|∂XWs respektieren.
Nach dem Lebesgueschen Lemma existiert nun eine Unterteilung 0 < t1 < · · · <
tk < 1, so daß (mit t0 = 0 und tk+1 = 1) jedes γ([ti , ti+1 ]) in einer der Umgebungen
Ws liegt. Die Trivialisierungen über den Ws liefern nun leicht die Diffeomorphismen
ht .
14
2.1 Geometrische Monodromie
15
Setzen wir s1 = γ(1), so erhalten wir insbesondere einen Isomorphismus
˜ s1 , ∂Xs1 ) mit σs1 ◦h1 |∂Xs0 = σs0 . Ist s1 = s0 , also γ geschlossener
h1 : (Xs0 , ∂Xs0 ) →(X
Weg, so bekommen wir sogar h1 |∂Xs0 = id∂Xs0 , d.h. wir erhalten einen Automorphismus von Xs0 , welcher auf ∂Xs0 trivial ist.
Zunächst ist h1 von Wahlen abhängig. Wir behaupten, daß aber die relative Isotopieklasse von h1 eindeutig ist. Eine relative Isotopie soll hier folgendes bedeuten:
Sind α, β : (X, A) →(Y,
˜
B) zwei Isomorphismen von Paaren mit α|A = β|A : A →
˜ B,
so sei eine relative Isotopie zwischen α und β eine stetige Abbildgung
H : (X, A) × [0, 1] → (Y, B),
so daß jedes Ht := H(·, t) ein Isomorphismus Ht : (X, A) →(Y,
˜
B) mit Ht |A = α|A
ist und H0 = α, H1 = β.
In unserem Fall sieht man dies leicht: Seien h1 und h̃1 zwei nach obigem Ver˜ s1 , ∂Xs1 ) mit h1 |∂Xs0 = h̃1 |∂Xs0 =
fahren gewonnene Isomorphismen (Xs0 , ∂Xs0 ) →(X
−1
(σs1 ) ◦ σs0 . Zu beiden gehört nun die ganze Familie ht bzw. h̃t mit obigen Eigenschaften. Setze nun Ht = h1 ◦ (ht )−1 ◦ h̃t . Dann ist Ht Isotopie zwischen h1 und
h̃1 .
Es gilt aber noch mehr: Die Isotopieklasse von h1 hängt sogar nur von der
Homotopieklasse von γ ab. Ist nämlich γ̃ homotop zu γ und Γ : [0, 1] × [0, 1] →
S \ Df eine Homotopie, so erhalten wir nach dem gleichen Prinzip wie oben (mit
dem Lebesgueschen Lemma zerteile man nun [0, 1] × [0, 1] in kleine Kästchen“)
”
eine Familie von Isomorphismen
Ht,s : (Xs0 , ∂Xs0 ) →(X
˜ Γ(t,s) , ∂XΓ(t,s) )
mit den entsprechenden Eigenschaften. Dann ist H1,0 das h1 bezüglich γ und H1,1
das h1 bezüglich γ̃ sowie H eine Isotopie dazwischen.
Insgesamt erhalten wir daher eine Abbildung
ρ : π(S \ Df , s0 ) → Isot∞ (Xs0 , ∂Xs0 )
von der Fundamentalgruppe von S \ Df in die Gruppe der relativen (C∞ -) Isotopieklassen von Automorphismen von Xs0 , welche auf ∂Xs0 trivial sind. Offenbar ist
ρ ein Gruppenhomomorphismus.
Genauso können wir auch die differenzierbare Struktur vergessen und erhalten
eine Abbildung ρ : π(S \ Df , s0 ) → Isot0 (Xs0 , ∂Xs0 ) von der Fundamentalgruppe
in die Gruppe der relativen stetigen Isotopieklassen von Homöomorphismen von
Xs0 in sich selbst, welche auf ∂Xs0 trivial sind.
Betrachtet man die Sache noch etwas genauer, so sieht man, daß ρ auch von
der Trivialisierung σ unabhängig ist. Wichtig ist nur, daß wir überhaupt irgendeine
Trivialisierung haben, um relative Isotopieklassen zu erhalten, da diese wesentlich
mehr Informationen liefern als die (absoluten) Isotopieklassen (in Isot∞ (Xs0 ) bzw.
Isot0 (Xs0 )).
16
2.2
2 Monodromie
Die Variation der Monodromie
Ist h ∈ Isot0 (Xs0 , ∂Xs0 ) die relative Isotopieklasse eines auf ∂Xs0 trivialen
Homöomorphismusses von Xs0 in sich selbst, so definiert h nach den Rechen”
regeln“ in Anhang B.2 Abbildungen auf der Homologie und Kohomologie
h∗ : Hp (Xs0 , R) → Hp (Xs0 , R) und
h∗ : Hp (Xs0 , ∂Xs0 ; R) → Hp (Xs0 , ∂Xs0 ; G) sowie
h∗ : H p (Xs0 , R) → H p (Xs0 , G) und
h∗ : H p (Xs0 , ∂Xs0 ; R) → H p (Xs0 , ∂Xs0 ; G)
(denn relative Isotopie impliziert relative Homotopie, die induzierten Abbildungen
auf der Kohomologie sind dann also für alle Repräsentanten von h gleich) und
ferner wegen der trivalen Operation auf ∂Xs0 sogar Variationshomomorphismen
var(h)∗ : Hp (Xs0 , ∂Xs0 ; R) → Hp (Xs0 , R) sowie
var(h)∗ : H p (Xs0 , R) → H p (Xs0 , ∂Xs0 ; R) = Hcp (Xs0 , R)
(die Gleichheit der letzten beiden Kohomologiegruppen gilt, da Xs0 kompakt ist,
siehe ebenfalls Anhang). Hierbei sei R ein noetherscher Ring und Hp bezeichne die
singuläre Homologie Hpsing . Im folgenden lassen wir, solange klar ist, was R ist, R
einfach weg und schreiben H p (Xs0 ) etc.
2.3
Der A1-Fall. Picard-Lefschetz-Formeln, lokaler Fall
Wir wollen die Monodromie für den folgenden Fall berechnen: Es sei X = Cn+1
und f : Cn+1 → C sei gegeben durch
2
f (z) = z12 + · · · + zn+1
.
In diesem Fall ist die Milnor-Faserung leicht anzugeben: Man wähle irgendein
ε > 0 und dann ein η > 0 hinreichend klein (nämlich η < ε2 ). Dann haben wir
X = {z ∈ Cn+1 : |z| ≤ ε und |f (z)| ≤ η},
S = ∆ = {t ∈ C : |t| ≤ η},
Cf = {0} und Df = {0}.
(Im Gegensatz zu bisher haben wir hier S als abgeschlossen gewählt, was allerdings
an den Fasern und der Monodromie nichts ändert. Streng genommen müßten wir
zunächst ein offenes S wählen, dann eine Kreisscheibe ∆ ⊂ S und immer X∆ statt
X schreiben, was aber nur den Schreibaufwand vergrößern würde, an dem, was hier
zu zeigen ist, aber nichts.)
17
2.3 Der A1 -Fall. Picard-Lefschetz-Formeln, lokaler Fall
Als Basispunkt s0 wählen wir s0 = η. Die Faser ist dann, ein wenig umgeschrieben, gegeben durch
Xη = {x + iy ∈ Cn+1 : |x|2 + |y|2 ≤ ε2 , |x|2 − |y|2 = η und hx, yi = 0}.
Dies können wir noch ein wenig (reell) umparametrisieren: Wir setzen
r
x
2
u=
, v=
y.
|x|
ε2 − η
Dies identifiziert Xη mit
E = {u + iv ∈ Cn+1 : |u| = 1, |v| ≤ 1, hu, vi = 0}
mit Umkehrabbildung
h0 : E → Xη ,
h0 (u + iv) =
q
1 2
(ε
2
− η) |v| + η u + i
q
1 2
(ε
2
− η) v.
Diese Umkehrabbildung haben wir in Hinsicht auf die Monodromie h0 genannt,
was sich gleich als geschickt herausstellen wird. Weiterhin identifiziert h0 auch ∂E
mit ∂Xs0 . Das Innere E \ ∂E bezeichnen wir mit E (und dann überführt h0 auch
E in Xs0 ).
E ist nichts anderes als das Einheitskugel-Unterbündel“ des Tangentialbündels
”
über der n-Sphäre: Es ist die Vereinigung aller (abgeschlossenen) Einheitskugeln
im jeweiligen Tangentialraum.
Die Fundamentalgruppe von S \ Df = ∆ \ {0} wird erzeugt von dem Weg, der
einmal (gegen den Urzeigersinn) um ∂∆ herumläuft. Wir müssen also die Monodromie für diesen Weg berechnen. Die Schwierigkeit hierbei ist, daß wir relative
Kohomologieklassen berechnen wollen. Ansonsten wäre die Sache einfach: Man
sieht leicht, daß skalare Multiplikation mit eiπϑ die Faser Xη mit der Faser Xηe2iπϑ
identifiziert. Die absolute Monodromie von Xη wäre also einfach gegeben durch
z 7→ −z. Wollen wir jedoch die relative Monodromie berechnen, so müssen wir
den Rand respektieren (und dies tut z 7→ −z ja gerade nicht), also müssen wir
sorgfältiger rechnen.
˜ E
Dazu wählen wir eine Einparameterfamilie von Homöomorphismen gϑ : E →
(ϑ ∈ R) wie folgt:
gϑ (u + iv) = u cos(πϑ|v|) +
v
sin(πϑ|v|) + i −u|v| sin(πϑ|v|) + v cos(πϑ|v|)
|v|
Man beachte, daß gϑ auch für v = 0 wohldefiniert ist. Setze nun
˜ Xηe2iπϑ .
hϑ = eiπϑ h0 ◦ gϑ : E →
Man berechnet, daß hϑ tatsächlich wie angegeben Homöomorphismus von E nach
Xηe2iπϑ ist, in der Tat sogar ein Homöomorphismus
hϑ : (E, ∂E) →(X
˜ ηe2iπϑ , ∂Xηe2iπϑ ).
18
2 Monodromie
Ferner ist h0 wieder das alte“ h0 . Nur im Gegensatz zu der einfachen skalaren
”
Multiplikation mit eiπϑ von eben erhalten wir jetzt, daß h0 und h1 auf ∂E übereinstimmen. Daher liefert hϑ |∂E eine Trivialisierung von ∂X∂∆ , nämlich durch
∂E × ∂∆ →
˜ ∂X∂∆ :
(u + iv, e2iπϑ ) 7→ hϑ (u + iv).
(Die im Kapitel über die Monodromie benutzte Trivialisierung σ ist gerade die
Umkehrabbildung davon.)
Wir haben also unsere relative Monodromie gefunden: h1 ◦ h−1
repräsentiert
0
0
ρ(∂∆) in Isot (Xη , ∂Xη ) (hierbei sei mit ∂∆ der entsprechende Weg bezeichnet).
Wenn wir diese Abbildung mittels h0 auf E zurückübersetzen“, erhalten wir:
”
−1
−1
−1
h−1
0 ◦ (h1 ◦ h0 ) ◦ h0 = h0 ◦ h1 = h0 ◦ (−h0 ◦ g1 ) = −g1 .
Nun wollen wir die Operation der Monodromie auf der Homologie und Kohomologie berechnen. Dazu zuerst ein paar Vorüberlegungen.
Mit S n bezeichnen wir den Nullschnitt in E, d.h.
S n = {u + i · 0 ∈ Cn+1 : |u| = 1}.
Wähle einen Basispunkt u0 ∈ S n . Dann sei weiter Dn die Faser über u0 , d.h.
Dn = {u0 + iv ∈ Cn+1 : |v| ≤ 1, hu0 , vi = 0}.
Ist r : E → S n die Projektion, so ist r offenbar eine starke DeformationsRetraktion von E auf S n mit dem Nullschnitt i : S n ,→ E als Homotopieinversem.
Damit erhalten wir Isomorphismen
˜ H p (S n ).
i∗ = (r∗ )−1 : Hp (S n ) →
˜ Hp (E) und i∗ = (r∗ )−1 : H p (E) →
Wir berechnen nun die Homologie und Kohomologie von E und dem Paar
(E, ∂E). Als Koeffizientenring für die Homologie und Kohomologie wählen wir
R = Z. Dazu orientieren wir E (und damit das Innere E) mit der über den Isomorphismus h0 erhaltenen Orientierung von Xη , welche von der komplexen Struktur
auf Xη herkommt.
Poincaré-Dualität liefert uns perfekte Paarungen (siehe Satz B.2.24)
hα, βi = tr α ∪ β ∈ Z für α ∈ H p (E), β ∈ H 2n−p (E, ∂E),
d.h. wir haben Isomorphismen
∗
H q (E, ∂E) →
˜ H 2n−q (E)
wobei der Stern den Z-Dualraum bezeichne.
Weiterhin haben wir mittels Poincaré-Dualität (Satz B.2.24) Isomorphismen
P : H p (E, ∂E) →
˜ H2n−p (E)
P : H p (E) →
˜ H2n−p (E, ∂E)
2.3 Der A1 -Fall. Picard-Lefschetz-Formeln, lokaler Fall
19
Mit diesen Isomorphismen erhalten wir nun genauso perfekte Paarungen auf
der Homologie:
hξ, ζi = hP −1 ξ, P −1 ζi für ξ ∈ Hp (E, ∂E), ζ ∈ H2n−p (E).
Bezeichnen mit
χ∗ : Hp (E) → Hp (E, ∂E) und χ∗ : H p (E, ∂E) → H p (E)
die natürlichen Abbildungen, so bekommen wir Produkte (i.a. nun nicht mehr
perfekt):
(ξ, ζ) = hχ∗ ξ, ζi und ξ ∈ Hp (E), ζ ∈ H2n−p (E).
Dieses Produkt ist in der Tat das normale Schnittprodukt in E.
Unter der Berücksichtigung der Tatsache, daß
(
Z falls p = 0, n
H p (S n ) =
0 sonst
(mit der natürlichen Orientierung von S n — diese werden wir später mit der Orientierung von E zu vergleichen haben), erhalten wir damit
(
(
Z
falls
p
=
0,
n
Z falls p = n, 2n
und H p (E, ∂E) ∼
H p (E) ∼
=
=
0 sonst
0 sonst
sowie
(
Z falls p = 0, n
Hp (E) ∼
=
0 sonst
(
Z falls p = n, 2n
und Hp (E, ∂E) ∼
=
0 sonst
Insgesamt sehen wir also, daß wenn wir die Variationen
var(h)∗ : Hp (E, ∂E) → Hp (E) sowie
var(h)∗ : H p (E) → H p (E, ∂E)
berechnen wollen, uns jeweils nur der Fall p = n interessiert.
Sei nun mit j : (Dn , ∂Dn ) ,→ (E, ∂E) die Inklusion bezeichnet. Wir behaupten
nun, daß
j∗ : Hn (Dn , ∂Dn ) → Hn (E, ∂E) sowie j ∗ : H n (E, ∂E) → Hn (Dn , ∂Dn )
Isomorphismen sind. Zunächst haben wir nach Orientierung von Dn :
◦
H n (Dn , ∂Dn ) = Hcn (Dn ) ∼
=Z
und mit
p : (E, ∂E) → (Dn , ∂Dn ),
u + iv 7→ u0 + iv
haben wir p ◦ j = id, also j ∗ ◦ p∗ = id. Da nun H n (E, ∂E) ∼
= Z und H n (Dn , ∂Dn ) ∼
=
∗
Z, entspricht j (nach Fixierung der Isomorphismen) der Multiplikation mit einem
20
2 Monodromie
Element aus Z, ebenso p∗ , so daß aus j ∗ ◦ p∗ = id auch p∗ ◦ j ∗ = id folgt. Ebenso
haben wir (ebenfalls nach Orientierung von Dn )
Hn (Dn , ∂Dn ) ∼
= Z.
In der Tat ist dieser Isomorphismus festgelegt durch eine relative Fundamentalklasse [Dn , ∂Dn ] (siehe Bemerkung nach Satz B.2.24). Die Behauptung für j∗ folgt
dann analog.
Für die weiteren Berechnungen stützen wir uns zunächst auf die Homologiegruppen.
Nach Orientierung von S n und Dn erhalten wir also Fundamentalklassen [S n ]
und [Dn , ∂Dn ], welche mittels i∗ und j∗ kanonische Erzeuger von Hn (E) und
Hn (E, ∂E) liefern. Nun schneiden sich S n und Dn in E transversal, so daß wir,
wenn wir E, S n und Dn orientieren, eine Berechnungsmöglichkeit für das Produkt
hj∗ [Dn , ∂Dn ], i∗ [S n ]i
dieser Erzeuger finden. Dazu muß man das Schnittprodukt berechnen und anschließend die verschiedenen Orientierungen vergleichen. Wir wollen darauf nicht genau
eingehen. Ebenso kann man, wenn man E als Bündel über S n auffaßt, das Produkt
(i∗ [S n ], i∗ [S n ])
berechnen. Dabei benutzt man eine andere Orientierung von E, welche von der
Bündelstruktur herkommt. Dann läßt sich dieses Produkt mittels der Eulerzahl von
S n ausdrücken. Dieses Ergebnis muß man dann auf die ursprüngliche Orientierung
von E umrechnen.
Die Ergebnisse dieser Berechnungen sind folgende: Setzen wir
δ = i∗ [S n ] und κ = j∗ [Dn , ∂Dn ],
dann ist
1
hκ, δi = (−1) 2 n(n+1)
und
1
1
1
(δ, δ) = 1 + (−1)n · (−1) 2 n(n−1) = (−1) 2 n(n−1) + (−1) 2 n(n+1) .
Nun sind wir vorbereitet, die Variation auszurechnen. Da wir die Homologie
(bzw. Kohomologie) von E und von (E, ∂E) auf die von S n und (Dn , ∂Dn ) zurückgeführt haben, setzen wir ψ = r ◦ (−g1 ) ◦ j : Dn → S n . Dann ist ψ gegeben durch
ψ(u0 + iv) = −u0 cos(π|v|) −
v
sin(π|v|).
|v|
In der Tat können wir ψ als einen relativen Isomorphismus
ψ : (Dn , ∂Dn ) → (S n , {u0 })
auffassen.
2.3 Der A1 -Fall. Picard-Lefschetz-Formeln, lokaler Fall
21
Betrachtet man die Abbildung −ψ, so sieht man, daß diese u0 fest läßt und bei
u0 differenzierbar mit der Einheitsmatrix als Jakobimatrix ist. Wir erhalten, daß
der Grad deg(−ψ) gleich 1 ist, also
deg ψ = (−1)n+1 .
Man sieht nun mit Hilfe des folgenden Diagrammes, daß ψ die Variation berechnet:
Hn (Dn , ∂Dn )
j∗
6
p∗
?
- Hn (E, ∂E)
Hn (E)
var(−g1 )∗
h∗ −id
?
h∗ −id
Hn (E)
r∗
ψ∗
?
- Hn (E, ∂E)
6
i∗
?
- Hn (S n , {u0 }) ?
Hn (S n )
Dazu beachte man, daß r ◦ j : (Dn , ∂Dn ) → (S n , {u0 }) die konstante Abbildung
und Hn (S n ) → Hn (S n , {u0 }) ein Isomorphismus ist.
Wir bekommen also
var(−g1 )∗ (κ) = (−1)n+1 δ.
Da nun κ die Gruppe Hn (E, ∂E) erzeugt, können wir dies umschreiben zu
1
1
var(−g1 )∗ (c) = (−1)n+1 · (−1) 2 n(n+1) hc, δiδ = −(−1) 2 n(n−1) hc, δiδ
für c ∈ Hn (E, ∂E).
Wenn wir dies wieder auf Xη zurückübersetzen, so erhalten wir insgesamt die
Picard-Lefschetz-Formeln:
Theorem 2.3.1. Sei δ̃ ∈ Hn (Xη ) ein Erzeuger. Dann ist die Variation der Monodromie gegeben durch (h = h1 von oben)
1
var(h)∗ (c) = −(−1) 2 n(n−1) hc, δ̃iδ̃
für c ∈ Hn (Xη , ∂Xη ).
Ist
χ∗ : Hn (Xη ) → Hn (Xη , ∂Xη )
die kanonische Abbildung, so ist
1
1
hχ∗ δ̃, δ̃i = (−1) 2 n(n−1) + (−1) 2 n(n+1) .
22
2 Monodromie
Dabei benutzt das Theorem die entsprechende perfekte Paarung
hξ, ζi für ξ ∈ Hn (Xη , ∂Xη ), ζ ∈ Hn (Xη ).
Mit Hilfe des Schnittproduktes
(ξ, ζ) = hχ∗ ξ, ζi für ξ, ζ ∈ Hn (Xη )
erhalten wir also:
Korollar 2.3.2. Mit den Bezeichnungen des Theorems ist die Monodromie gegeben
durch
1
h∗ a = a − (−1) 2 n(n−1) (a, δ̃)δ̃
für a ∈ Hn (Xη ). Insbesondere haben wir
h∗ δ̃ = (−1)n+1 δ̃.
Für die Kohomologie erhält man ein entsprechendes Theorem und Korollar. Da
wir für die spätere Ausdehnung der Picard-Lefschetz-Formeln allerdings nur die
homologische Fassung brauchen, verzichten wir darauf, diese explizit aufzuführen.
Kapitel 3
Der Hyperflächenfall
In diesem Abschnitt soll folgende Situation betrachtet werden: X sei berandeter,
reduzierter komplexer Raum mit höchstens endlich vielen isolierten Singularitäten
˙
im Inneren. Das soll heißen: X = X ∪∂X,
wobei X komplexer Raum ist, und
es gibt endlich viele Punkte x1 , . . . , xl ∈ X, so daß X \ {x1 , . . . , xl } berandete
komplexe Mannigfaltigkeit mit Rand ∂X ist. Dabei verstehen wir wieder unter
einer berandeten komplexen Mannigfaltigkeit eine reelle berandete Mannigfaltigkeit, deren Inneres eine komplexe Struktur besitzt. Wir nehmen an, daß X rein
n + 1-dimensional ist.
Weiter sei S zusammenziehbare Umgebung von 0 in C und f : X → S sei
holomorphe, surjektive und eigentliche Abbildung, so daß auch f |∂X submersiv ist.
Wir setzen dann wie gewohnt
Cf = {x ∈ X : x ∈ Xsing oder x krit. Punkt von f }
sowie Df = f (Cf ).
Wir machen nun weiter die Annahme, daß
Df = {0}.
Bemerkung. Ohne die letzte Annahme haben wir immer noch, daß Cf ⊂ X analytisch in X ist; also ist nach Remmerts Abbildungssatz auch Df analytisch in S
und nach dem Satz von Sard nirgends offen in S. Es ist also dim Df = 0, d.h. Df
besteht nur aus isolierten Punkten.
Die letzte Annahme bedeutet daher nur, daß wir S so klein gewählt haben, daß
Df nur noch aus einem Punkt besteht.
In einigen der folgenden Sätze nehmen wir an, daß X glatt ist. Einige dieser
Sätze wären auch ohne diese Annahme gültig, jedoch komplizierter zu beweisen,
so daß wir es bei der Untersuchung im glatten Fall bewenden lassen.
3.1
Homologie und Kohomologie der Fasern
Wir wählen wieder als Koeffizientenring für die Homologie und Kohomologie R =
Z.
23
24
3 Der Hyperflächenfall
In der eben angegebenen Situation gilt nun folgendes:
Lemma 3.1.1. Für jedes i ∈ Z sind die Restriktionsabbildungen
H i (X) → H i (X 0 ) sowie
H i (∂X) → H i (∂X0 )
Isomorphismen.
Beweis. Folgt aus Korollar B.2.39 zusammen mit dem Satz von Ehresmann.
Aus dem Fünferlemma erhalten wir daraus dann auch Isomorphismen
H i (X, ∂X) ∼
= H i (X 0 , ∂X0 ).
Für die Homologie müssen wir etwas mehr arbeiten.
Lemma 3.1.2. Die natürlichen Abbildungen
Hp (X) → Hp (X) und
H p (X) → H p (X)
sowie
Hp (X0 ) → Hp (X0 ) und
H p (X0 ) → H p (X0 )
sind Isomorphismen.
Beweis. Nach dem Ausschneidungssatz ist
Hp (X, X) = Hp (X \ Xsing , X \ Xsing ) = Hp (X reg , Xreg ) = 0
nach Korollar B.2.22. Genauso für Kohomologie und für X0 .
Lemma 3.1.3. Sei ∆ eine kleine offene Kreisscheibe um 0 mit ∆ ⊂ S. Dann gilt:
Die natürlichen Abbildungen
Hp (X ∆ ) → Hp (X ∆ ) und
Hp (∂X∆ ) → Hp (∂X∆ )
sind Isomorphismen.
Beweis. Betrachte folgendes Diagramm:
...
...
- Hp (X ∆ , X∆ ) - Hp (X , X∆ ) - Hp (X , X ∆ )
∆
∆
..
..
..
=0
k
..?
- Hp (X , X∆ ) - Hp (X , X∆ ) - Hp (X , X )
∆
∆
∆
∆
- ...
- ...
Die beiden linken Gruppen sind trivial nach Korollar B.2.22, da X∆ das Innere sowohl von der berandeten Mannigfaltigkeit X ∆ als auch von der berandeten
Mannigfaltigkeit X∆ ist. Nach dem vorigen Lemma ist ferner die untere rechte
Gruppe trivial, und nach dem Fünferlemma folgt die erste Behauptung.
Die zweite folgt direkt aus Korollar B.2.22.
25
3.1 Homologie und Kohomologie der Fasern
Bemerkung. Das entsprechende Lemma für die Kohomologiegruppen folgt zwar
analog, aber mit Lemma 3.1.1 haben wir schon eine stärkere Aussage.
Lemma 3.1.4. Sei ∆ wie eben. Dann gilt: Für jedes i ∈ Z ist
i
(X ∆ ) ∼
HX
= Hci (X ∆ ) sowie
0
i
H∂X
(∂X∆ ) ∼
= Hci (∂X∆ ).
0
Ferner sind die natürlichen Abbildungen
i
i
(X ∆ ) → HX
HX
(X∆ )
0
0
Isomorphismen.
Beweis. Betrachte das folgende Diagramm:
...
...
...
- H i (X ∆ )
X
0
..
..6
..
.
- H i (X )
∆
X
0
..
..
..
.?
- H i (X ∆ ) - H i (X ∆\{0} )
6
6
isom.
isom.
- H i (X ) - H i (X
∆
∆\{0} )
k
- H i (X , X ∂∆ ) - H i (X )
∆
∆
- ...
- ...
isom.
?
- H i (X ∂∆ )
- ...
Die als Isomorphismus gekennzeichneten Pfeile sind Isomorphismen nach Korollar
B.2.39 (wieder zusammen mit dem Satz von Ehresmann). Nach dem Fünferlemma
sind also jeweils die gepunkteten Pfeile Isomorphismen.
Nun ist aber
H i (X ∆ , X ∂∆ ) = Hci (X ∆ )
und damit die erste Behauptung bewiesen.
Die entsprechende Behauptung für den Rand folgt genauso.
Die zweite Behauptung folgt aus Lemma 3.1.2 mittels der langen Sequenz für
lokale Kohomologie (man wende das Lemma auf f |X ∆ sowie f |X ∆\{0} an).
Wir nehmen nun an, daß X glatt ist, um mittels Poincaré-Dualität aus den
obigen Ergebnissen Aussagen über die Homologie zu gewinnen.
Lemma 3.1.5. Sei ∆ wie eben. Dann sind für jedes i ∈ Z die kanonischen Abbildungen
Hi (X 0 , ∂X0 ) → Hi (X ∆ , ∂X∆ ) sowie
Hi (∂X0 ) → Hi (∂X∆ )
Isomorphismen.
Beweis. Auch hier folgt die zweite Behauptung für den Rand analog zur ersten
(man beachte, daß der Rand selbst ja unberandet ist).
Die Behauptung folgt aus dem vorigen Lemma mittels Dualität: Setze j :=
2n − i. Nach Satz B.2.23 ist
Hci (X ∆ ) ∼
= Hj (X ∆ , ∂X∆ ).
26
3 Der Hyperflächenfall
Aus Satz B.2.27 folgt ferner
i
(X∆ ) ∼
HX
= Hj (X 0 , ∂X0 ).
0
Zuletzt muß man sich natürlich noch davon überzeugen, daß die Hintereinanderschaltung sämtlicher benutzter Isomorphismen die natürlichen Abbildungen auf
der Homologie ergeben, was hier in der Tat der Fall ist.
Aus dem Fünferlemma erhalten wir dann Isomorphismen
Hi (X ∆ ) ∼
= Hi (X 0 ).
Als Konsequenz bekommen wir für s ∈ ∆ Abbildungen
λ∗ : Hi (X s ) → Hi (X 0 )
und λ∗ : Hi (X s , ∂Xs ) → Hi (X 0 , ∂X0 ) sowie
λ∗ : H i (X 0 ) → H i (X s )
und λ∗ : H i (X 0 , ∂X0 ) → H i (X s , ∂Xs ),
welche die Komposition der Inversen obiger Abbildungen und der entsprechenden
Ausdehnungs- bzw. Restriktionsabbildung für X s ist (also Hi (X s ) → Hi (X ∆ ) bzw.
H i (X) → H i (Xs ) bzw. die entsprechenden relativen Abbildungen). Mit anderen
Worten sind die absoluten Abbildungen durch die folgenden Diagramme definiert:
λ∗ Hi (X 0 )
Hi (X s )
@
@
R
@
H i (X)
isom.
isom.
H i (X 0 )
Hi (X ∆ )
λ∗
@
@
R
@
- H i (X s )
Entsprechend für die relativen Abbildungen.
Ohne die Annahme, daß X glatt ist, bekommen wir immer noch die Abbildungen auf der Kohomologie, bei der Homologie würde uns dann aber Lemma
3.1.5 fehlen. Auch die folgenden Überlegungen für die Kohomologie gelten ohne
die Annahme, daß X glatt ist. Die folgenden Überlegungen für die Homologie gelten entsprechend, wenn die Aussage von Lemma 3.1.5 erfüllt ist, auch wenn X
nicht unbedingt glatt ist.
Wir wählen für jedes xν in Cf eine Milnorfaserung
ν
x ∈ X → ∆ 3 0,
wobei wir ∆ ⊂ S so klein wählen, daß es für alle diese Milnorfaserungen (also
für alle ν) gemeinsamer Basisraum ist. Dabei sei ∆ wieder als Kreisscheibe um 0
ν
gewählt. Die X seien weiter disjunkt gewählt und so beschaffen, daß sie ∂X nicht
treffen.
Betrachte nun die Einschränkung
S
S
f : (X ∆ \ Xν , ∂Xν , ∂X∆ ) → ∆.
ν
ν
Diese Abbildung ist wieder eigentlich (auf allen Räumen des Tripels) und, da wir
aus X ∆ alle Singularitäten entfernt haben, auch submersiv (auf den Rändern der
27
3.1 Homologie und Kohomologie der Fasern
Milnorfaserungen natürlich aufgrund der Eigenschaften der Milnorfaserung). Also
ist diese Abbildung nach dem Satz von Ehresmann eine Faserung (als Tripel), alle
Fasern sind also diffeomorph (ebenfalls als Tripel).
Dies induziert uns Isomorphismen auf der Homologie und der Kohomologie.
Wir können die folgende Diskussion zum einen für den absoluten Fall von X ∆ , zum
anderen für den relativen Fall des Paares (X ∆ , ∂X∆ ) durchführen. Wir betrachten
den relativen Fall; den absoluten erhält man, indem man überall ∂Xs bzw. ∂X0
wegläßt.
Bilden wir die Homologie und Kohomologie, so erhalten aus der Diffeomorphie
der Fasern also für s ∈ ∆ Isomorphismen
S
S
S
S
Hi (X s \ Xνs , ∂Xνs ∪ ∂Xs ) →
˜ Hi (X 0 \ Xν0 , ∂Xν0 ∪ ∂X0 ) und
ν
ν
ν
ν
S ν S ν
S ν S ν
i
i
˜ H (X s \ Xs , ∂Xs ∪ ∂Xs ).
H (X 0 \ X0 , ∂X0 ∪ ∂X0 ) →
ν
ν
ν
ν
Nach dem verbesserten“ Ausschneidungssatz (Satz B.2.11 und Satz B.2.28) haben
”
wir nun Isomorphismen
S ν
S
S
˜ Hi (X s \ Xνs , ∂Xνs ∪ ∂Xs ) und
Hi (X s , Xs ∪ ∂Xs ) ←
ν
ν
ν
S ν
S ν S ν
i
i
H (X s , Xs ∪ ∂Xs ) →
˜ H (X s \ Xs , ∂Xs ∪ ∂Xs )
ν
ν
ν
(auch für s = 0), mit obigen Isomorphismen kombiniert erhalten wir also Isomorphismen
S ν
S ν
˜ Hi (X 0 , X0 ∪ ∂X0 ) und
Hi (X s , Xs ∪ ∂Xs ) →
ν
ν
S ν
S ν
i
i
H (X 0 , X0 ∪ ∂X0 ) →
˜ H (X s , Xs ∪ ∂Xs ).
ν
ν
Diese passen mit den Morphismen λ∗ bzw. λ∗ in die langen exakten relativen (Ko-)
Homologiesequenzen. Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß
S ν
L
ν
Hi ( Xs ∪ ∂Xs , ∂Xs ) =
Hi (Xs ) und
ν
ν
S ν
L i ν
i
H ( Xs ∪ ∂Xs , ∂Xs ) =
H (Xs )
ν
ν
erhalten wir also folgende Diagramme:
L
S ν
ν
Hi (Xs ) - Hi (X s , ∂Xs ) - Hi (X s , Xs ∪ ∂Xs )
Hi+1 (. . . ) ν
ν
...
isom.
λ
isom.
∗
..?
?
?
?
L
S ν
ν
Hi+1 (. . . ) Hi (X0 ) - Hi (X 0 , ∂X0 ) - Hi (X 0 , X0 ∪ ∂X0 )
ν
ν
und
L i ν - i+1
ν
X0 ∪ ∂X0 ) - H i (X 0 , ∂X0 ) H (X0 )
H (. . . )
ν
ν
...
isom.
λ∗
isom.
..?
?
?
?
S ν
L i ν
H i (X s , Xs ∪ ∂Xs ) - H i (X s , ∂Xs ) H (Xs ) - H i+1 (. . . )
H i (X 0 ,
S
ν
ν
28
3 Der Hyperflächenfall
Für den absoluten Fall erhalten wir entsprechend:
S ν
L
ν
Hi+1 (. . . ) Hi (Xs ) - Hi (X s ) - Hi (X s , Xs )
ν
ν
..
isom.
isom.
λ∗
..
.?
?
?
?
S ν
L
ν
Hi (X 0 , X0 )
Hi+1 (. . . )
Hi (X0 )
Hi (X 0 )
ν
ν
und
L i ν - i+1
ν
X0 ) - H i (X 0 ) H (X0 )
H (. . . )
ν
ν
..
isom.
λ∗
isom.
..
.?
?
?
?
L
S
ν
ν
H i (Xs ) - H i+1 (. . . )
H i (X s , Xs ) - H i (X s ) -
H i (X 0 ,
S
ν
ν
Die gepunkteten Pfeile sind dabei die direkten Summen von Pfeilen
ν
ν
ν
ν
Hi (Xs ) → H i (X0 ) bzw. H i (X0 ) → H i (Xs ),
welche analog zu λ∗ bzw. λ∗ definiert sind (man ersetze einfach S durch ∆ und X
ν
durch X ).
Das Diagramm sagt nun folgendes: Die globale Vergleichsabbildung λ∗ bzw.
∗
λ ist quasi äquivalent zur Angabe aller entsprechenden Vergleichsabbildungen
zwischen den speziellen Fasern der Milnorfaserung und den Milnorfasern.
3.2
Monodromie
Die Situation und die Bezeichnungen seien wie eben. Wir setzen nun allerdings
S = ∆.
Genauso wie im Hauptkapitel über die Monodromie der Milnorfasern können
wir für diese globale Situation Monodromie einführen. S \ Df ist hier eine punktierte Kreisscheibe, d.h. nach Wahl eines Basispunktes s ∈ S, s 6= 0 wird also
π(S \ Df , s) von einem Weg, der 0 gegen den Urzeigersinn umläuft, erzeugt.
Für diesen Weg erhalten wir also eine Monodromie
h ∈ Isot(X s , ∂Xs )
(sowohl für Isot∞ wie für Isot0 ).
Nun ist wie beschrieben X außerhalb der Milnorfaserungen über ganz S gefasert. Das bedeutet (ähnlich wie im Hauptkapitel
S νüber die Monodromie), daß man
in der Tat h so wählen kann, daß h auf X s \ Xs trivial ist. Für jedes ν erhalten
ν
wir dann eine Monodromie im alten Sinne
ν
hν := h|(Xνs ,∂Xνs ) ∈ Isot(Xs , ∂Xνs ),
und h ist dann bestimmt durch die hν .
29
3.3 Der A1 -Fall
Insbesondere kann mit Hilfe der Variation für die hν die Varition für h berechnet
werden. Die Variation von h ist wie folgt gegeben: Im Falle der Homologie ist
var(h)∗ die Komposition folgender Abbildungen:
Hp (X s , ∂Xs ) - Hp (X s , X s \
S
Xνs )
ν
P
isom.
6
L
ν
Hp (Xs , ∂Xνs )
ν
var(hν )∗
-
L
ν
ν
Hp (Xs ) - Hp (X s ).
ν
Im Falle der Kohomologie ist var(h)∗ entsprechend wie folgt gegeben:
p
H (X s ) -
L
H
p
ν
(Xs )
P
ν
var(hν )∗
-
L
ν
H p (Xs , ∂Xνs )
ν
ν
isom.
6
H p (X s , X s \
S
Xνs ) - H p (X s , ∂Xs ).
ν
Die nichtbezeichneten waagerechten Pfeile sind jeweils die natürlichen Abbildungen, die vertikalen Pfeile sind nach dem verbesserten“ Ausschneidungssatz (Satz
”
B.2.11 und Satz B.2.28) Isomorphismen.
3.3
Der A1-Fall
Wir nehmen jetzt endgültig an, daß X glatt sei. Ferner nehmen wir an, daß alle
Singularitäten in der Faser X0 vom Typ A1 sind. Es sei wieder s ∈ ∆, s 6= 0.
Im Kapitel über die Monodromie der Milnorfasern im A1 -Fall haben wir gesehen, daß es bei entsprechender Wahl der Milnorfaserungen für jedes ν einen
Isomorphismus
ν
Xs ∼
=E
(mit dem im entsprechenden Kapitel angegebenen Raum E) gibt, und wir haben
Topologie und Monodromie vermittels E berechnet. Wir hatten gesehen, daß die
Inklusion des Nullschnittes
ν
S n ,→ E ∼
= Xs
Isomorphismen
ν
ν
Hi (Xs ) ←
˜ Hi (S n ) sowie H i (Xs ) →
˜ H i (S n )
induziert. Wir fassen nun die Sphären mittels des obigen Isomorphismus jeweils
ν
als Teilmenge von Xs auf und bezeichnen jene dann mit Sνn . Weiterhin sieht man
ν
leicht, daß die spezielle Faser jeder Milnorfaserung X0 zu einem Punkt zusammenziehbar ist. In der Tat sieht man, daß wenn man die verallgemeinerten Zylinder“
”
E verfolgt und mit s in den Nullpunkt hineinläuft“, daß sich die Nullschnitte Sνn
”
zu einem Punkt zusammenziehen, so daß man die verallgemeinerten Kegel“ erhält
”
30
3 Der Hyperflächenfall
(für den zweidimensionalen Fall ist der Raum x1 x2 = 0 tatsächlich ein normaler
ν
Doppelkegel, X0 ist daher in diesem Fall ein abgeschnittener Doppelkegel).
Aufgrund dieser Tatsache nennt man die Sνn oder genauer die Bilder der Funν
damentalklasse [Sνn ] unter der kanonischen Abbildung Hn (Sνn ) → Hn (Xs ) die ver”
schwindenen Zykel“. (Dabei ist es egal, welche Orientierung man für Sνn wählt, der
evtl. Vorzeichenwechsel kürzt sich aus allen Überlegungen wieder heraus.)
Daß man eine Abbildung von den verschwindenen Zykeln in die Homologie
der globalen generischen Faser hat, ist der Grund dafür, daß die globalen PicardLefschetz-Formeln, welche im folgenden Abschnitt behandelt werden, Formeln für
Homologieklassen und nicht für Kohomologieklassen sind. Die natürliche Abbildung auf der Kohomologie geht quasi in die falsche Richtung“.
”
3.3.1
Picard-Lefschetz-Formeln, globaler Fall
Wir wollen nun die im Kapitel über die Monodromie der Milnorfaser im A1 -Fall
erhaltenen Picard-Lefschetz-Formeln auf den globalen Fall übertragen.
Analog zum lokalen Fall haben wir für X s die perfekte Paarung (PoincaréDualität)
hξ, ζi für ξ ∈ Hn (X s , ∂Xs ), ζ ∈ Hn (X s ),
welche zusammen mit der natürlichen Abbildung
Hn (X s ) → Hn (X s , ∂Xs )
das Schnittprodukt auf X s
(ξ, ζ) für ξ, ζ ∈ Hn (X s )
liefert.
Diese Produkte sind verträglich mit ihren Einschränkungen auf die Milnorfasern. (Die Produkte hat man natürlich auch ohne die Annahme, daß nur A1 Singularitäten vorliegen.)
Aus dieser Verträglichkeit, den obigen Überlegungen über die Berechnung der
Variation der globalen Monodromie aus den Variationen der Monodromie auf den
einzelnen Milnorfaserungen und den lokalen Picard-Lefschetz-Formeln erhalten wir
nun die globalen Formeln.
Theorem 3.3.1. Es seien δν ∈ Hn (X s ) die verschwindenden Zykel (also die Bilder
von [Sνn ] unter der natürlichen Abbildung).
Dann ist die Variation der Monodromie gegeben durch
X
1
var(h)∗ (c) = −(−1) 2 n(n−1)
hc, δν iδν
ν
für c ∈ Hn (X s , ∂Xs ).
Weiter sind die Schnittprodukte der verschwindenden Zykel gegeben durch
(
0
falls ν 6= µ
(δν , δµ i =
.
1
1
(−1) 2 n(n−1) + (−1) 2 n(n+1) falls ν = µ
31
3.3 Der A1 -Fall
Korollar 3.3.2. Mit den Bezeichnungen des Theorems ist die Monodromie gegeben
durch
X
1
(a, δν )δν
h∗ a = a − (−1) 2 n(n−1)
ν
für a ∈ Hn (X s ).
Insbesondere haben wir
h∗ δν = (−1)n+1 δν .
3.3.2
Theorem über die invarianten Zykel
ν
Wir hatten gesehen, daß die speziellen Fasern der Milnorfaserungen X0 zu einem
Punkt xν zusammenziebar sind. Setzen wir also eν = {xν }, so induziert für jedes
ν
ν die Inklusion eν ,→ X0 Isomorphismen
ν
ν
Hi (X0 ) ←
˜ Hi (eν ) sowie H i (X0 ) →
˜ H i (eν ).
Aus oben angegebenen relativen Homologie- und Kohomologieleitern wird dann
für i ≤ n:
L
S
L
Hi (Sνn ) - Hi (X s ) - Hi (X s , Sνn ) Hi−1 (Sνn )
ν
ν
epi.
?
L
λ∗
ν
isom.
?
isom.
?
?
S
Hi (eν ) - Hi (X 0 ) - Hi (X 0 , eν )
ν
ν
-
L
Hi−1 (eν )
ν
und
L
H i−1 (eν )
- H i (X 0 ,
ν
eν ) - H i (X 0 ) -
ν
isom.
?
H i−1 (Sνn ) - H i (X s ,
ν
S
L
H i (eν )
ν
isom.
?
L
S
λ∗
mono.
?
Sνn ) - H i (X s ) -
ν
?
L
H i (Sνn )
ν
Der rechte Pfeil im oberen Diagramm bzw. der linke Pfeil im unteren Diagramm
ist ein Isomorphismus, da außer für i = 1 beide Gruppen trivial sind, und für für
i−1 = 0 ist dies natürlich auch ein Isomorphismus. Ebenso sieht man, daß der linke
Pfeil im oberen bzw. der rechte Pfeil im unteren Diagramm surjektiv bzw. injektiv
ist. In der Tat sind diese beiden Pfeile für i < n sogar Isomorphismen. Aus dem
erweiterten“ Fünfer-Lemma ( epi,?,epi,mono ⇒ ?=epi“ bzw. epi,mono,?,mono
”
”
”
⇒ ?=mono“) und dem normalen“ Fünferlemma (wenn man sich die fehlenden
”
fünften Gruppen dazuschreibt) folgt dann, daß
λ∗ : Hi (X s ) → Hi (X 0 )
surjektiv für i ≤ n ist, und daß
λ∗ : H i (X 0 ) → H i (X s )
32
3 Der Hyperflächenfall
injektiv für i ≤ n ist, und daß beide Abbildungen für i < n sogar Isomorphismen
sind.
Sei nun
L
Vn = im
Hn (Sνn ) → Hn (X s )
ν
der von den Bildern der verschwindenen Zykel aufgespannte Raum bzw.
L n n H (Sν ) .
V n = im H n (X s ) →
ν
V n hat leider keine so schöne“ Bedeutung wie Vn , da, wie schon angemerkt, die
”
natürliche Abbildung auf der Kohomologie quasi in die falsche Richtung“ geht.
”
Mittels Diagramm-Jagd sieht man nun, daß folgende Sequenzen exakt sind:
λ
∗
0 → Vn → Hn (X s ) −→
Hn (X 0 ) → 0
bzw.
λ∗
0 → H n (X 0 ) −→ H n (X s ) → V n → 0.
(Diese beiden Sequenzen sind auch für i < n exakt, wobei die Vi bzw. V i dann
einfach trivial sind. Interessant ist daher nur der Fall i = n.)
Bemerkung.
V n ist als Untermodul des endlich erzeugten freien Z-Moduls
L n n
H (Sν ) stets endlich erzeugt und frei (folgt aus dem allgemeinen Satz über
ν
Untermoduln freier Moduln über Hauptidealringen). Daher spaltet die Sequenz
für V n , d.h.
H n (X s ) ∼
= H n (X 0 ) ⊕ V n
Wir nehmen jetzt an, daß ∂X = ∅, daß also alle Fasern geschlossen sind, d.h.
kompakt und unberandet.
Poincaré-Dualität liefert uns einen Isomorphismus
p : H n (Xs ) →
˜ Hn (Xs )∗ ,
wobei der Stern den Z-Dualraum bezeichne.
Satz 3.3.3. Wir haben ein kommutatives Diagramm
0
- H n (X0 )
λ∗ -
H n (Xs )
p
?
0
- Hn (X0 )∗
p
(λ∗ )-∗
?
Hn (Xs )∗
wobei die senkrechten Pfeile Isomorphismen sind.
Beweis. Wir erhalten p : H n (X0 ) → Hn (X0 )∗ als Komposition folgender Isomorphismen:
n
H n (X0 ) ←
˜ H n (X) ∼
(X)∗ ∼
= HX
= Hn (X0 )∗ .
= Hcn (X)∗ ∼
0
33
3.3 Der A1 -Fall
Dabei wurde Poicaré-Dualität zweimal benutzt sowie obige Lemmata, die die (Ko-)
Homologie von X mit der von X0 vergleichen.
Ebenso erhalten wir p : H n (Xs ) → Hn (Xs )∗ als die Komposition beider Formen
der Poincaré-Dualität:
H n (Xs ) ∼
= Hcn (Xs )∗ ∼
= Hn (Xs )∗ .
Man überprüfe zuletzt, daß die Poicare-Dualität mit den Isomorphismen der
Vergleichslemmata verträglich ist.
Korollar 3.3.4. Angenommen, Hn (X0 ) sei ein projektiver Z-Modul. Dann haben
wir einen Isomorphismus
V n →(V
˜ n )∗ ,
so daß die beiden obigen kurzen exakten Sequenzen dual zueinander sind: Wir haben
folgendes kommutatives Diagramm, in dem die senkrechten Pfeile Isomorphismen
sind:
0
- H n (X0 )
λ∗ -
p
?
0
- Hn (X0 )∗
H n (Xs )
- Vn
-0
p
∗
(λ∗ )-
?
?
Hn (Xs )∗ - (Vn )∗
-0
Beweis. Ist Hn (X0 ) projektiv, so ist die duale Sequenz zu der Sequenz für Vn immer
noch exakt, und nach dem Dreierlemma folgt die Behauptung.
Lemma 3.3.5. Ist eine der folgenden Gruppen endlich erzeugter, projektiver ZModul, so sind es auch die anderen:
H n (X), H n (X0 ), H n (Xs ), Hn (X), Hn (X0 ), Hn (Xs ).
Beweis. Im folgenden stehe gut“ für endlich erzeugt und projektiv“.
”
”
Der duale Modul eines endlich erzeugten projektiven Moduls ist wieder endlich
erzeugt und projektiv. Wir haben also nach obigem Satz: H n (Xs ) gut ⇔ Hn (Xs )
gut, sowie H n (X0 ) gut ⇔ Hn (X0 ) gut. Ferner ist die (Ko-) Homologie von X gleich
der von X0 .
In der Bemerkung nach der Definition der exakten Sequenz für V n hatten wir
gesehen, daß H n (Xs ) ∼
= H n (X0 )⊕V n , d.h. es folgt: H n (X0 ) gut ⇔ H n (Xs ) gut (da
die direkte Summe zweier guter Moduln wieder gut ist, bzw. ein direkter Summand
eines guten Moduls wieder gut ist).
Bemerkung. Ist n = 1, so ist jedes Xs kompakte Riemannsche Fläche. In diesem
Fall wissen wir, daß H 1 (Xs ) endlich erzeugter freier Z-Modul ist, so daß die Voraussetzungen des obigen Korollars dann stets erfüllt sind.
Ferner ist die Kohomologie eines kompakten Raumes mit Werten in einem
noetherschen Ring stets endlich erzeugt (Wilder’s finiteness theorem, siehe Iversen [14]), so daß wir obiges Lemma auch noch schwächer formulieren könnten.
34
3 Der Hyperflächenfall
Wir nennen f zusammenhängend, falls alle Fasern von f zusammenhängend
sind. Dies ist für allgemeine Abbildungen meist schwer zu überprüfen, in unserem
Fall ist die Situation etwas einfacher, wie folgendes Lemma zeigt.
Lemma 3.3.6. f ist genau dann zusammenhängend, falls die generische Faser
Xs , s ∈ S \ Df , zusammenhängend ist.
Beweis. Angenommen, die spezielle Faser X0 ist nicht zusammenhängend, also
X0 = A1 ∪ A2 , A1 und A2 disjunkt, offen und abgeschlossen in X0 . Dann sind
A1 und A2 insbesondere kompakt. Da in einer topologischen Mannigfaltigkeit sich
Kompakta durch Umgebungen trennen lassen, gibt es offene Umgebungen Ui von
Ai (i = 1, 2) in X, so daß U1 ∩ U2 = ∅. Da f eigentlich ist, existiert eine Umgebung V von 0 in ∆, so daß f −1 (V ) ⊂ U1 ∪ U2 (siehe Lemma B.1.6). Dann ist
f −1 (V ) = (f −1 (V ) ∩ U1 ) ∪ (f −1 (V ) ∩ U2 ), wobei f −1 (V ) ∩ Ui 6= ∅ ist (i = 1, 2), d.h.
f −1 (V ) ist nicht zusammenhängend. Nach dem Riemannschen Hebbarkeitssatz ist
die Anzahl der Zusammenhangskomponenten von f −1 (V \ {0}) = f −1 (V ) \ X0 nun
aber gleich der Anzahl der Zusammenhangskomponenten von f −1 (V ), d.h. auch
f −1 (V \ {0}) ist nicht zusammenhängend. Wählen wir nun V zusammenhängend,
so ist aber f |f −1 (V \{0}) : f −1 (V \ {0}) → V \ {0} nach Ehresmann eine Faserung
mit nach Voraussetzung zusammenhängenden Fasern, also ist auch f −1 (V \ {0})
zusammenhängend. Widerspruch.
Bemerkung. Da wie oben gezeigt in unserem Fall H0 (X) ∼
= H0 (X0 ) ist, folgt aus
dem Zusammenhang von f auch der Zusammenhang von X.
Wir nehmen jetzt für alles weitere an, daß f zusammenhängend ist.
Auf der Kohomologie haben wir mittels Cup-Produkt und Spurabbildung eine
perfekte Paarung
∪ : H n (Xs ) × H n (Xs ) → Z,
welche wir wieder mit dem Cup-Zeichen bezeichnen (dies ist ja auch einfach das Cup-Produkt unter dem kanonischen Isomorphismus tr : H 2n (Xs ) =
Hc2n (Xs ) →
˜ Z). Wir haben weiter die Poincaré-Dualität
P : H n (Xs ) →
˜ Hn (Xs ).
Mit dieser bekommen wir aus dem Cup-Produkt die ebenfalls perfekte Paarung
∩ : Hn (Xs ) × H n (Xs ) → Z
(unter dem kanonischen Isomorphismus H0 (Xs ) →
˜ Z ist dieses in der Tat das CapProdukt).
Betrachten wir nun die Monodromie h : Xs → Xs , so gilt, da f zusammenhängend ist (und h als holomorphe Abbildung die Orientierung erhält), daß
diese trivial auf H0 (Xs ) sowie auf H 2n (Xs ) = Hc2n (Xs ) operiert. Mit anderen Worten: Die Monodromie respektiert die kanonischen Isomorphismen tr : H 2n (Xs ) →
˜ Z
und H0 (Xs ) →
˜ Z. Aus der Projektionsformel (siehe Anhang B.2) erhalten wir für
die Monodromie unter Berücksichtigung eben genannter Tatsache folgendes:
h∗ a ∩ α = a ∩ h∗ α für a ∈ Hn (Xs ), α ∈ H n (Xs ).
35
3.3 Der A1 -Fall
Ebenso bekommen wir aus der Formel für das Verhalten des Cup-Produktes unter
Abbildungen (wieder unter Berücksichtigung obiger Tatsache), daß
h∗ α ∪ h∗ β = α ∪ β
für α ∈ H n (Xs ), β ∈ H n (Xs ).
Kombiniert man die letzten beiden Formeln, so erhält man:
P α ∩ β = α ∪ β = h∗ α ∪ h∗ β = P h∗ α ∩ h∗ β = h∗ P h∗ α ∩ β.
Da die Paarung ∩ perfekt ist, folgt
P = h∗ P h∗ .
Nun haben wir oben die Picard-Lefschetz-Formeln berechnet und gesehen, daß mit
den obigen Bezeichnungen
1
h∗ a = a − (−1) 2 n(n−1)
X
(a, δν )δν
ν
für a ∈ Hn (Xs ) gilt, und daß
h∗ δν = (−1)n+1 δν .
Das dort benutzte Schnittprodukt ist mit den anderen Produkten wie folgt verknüpft:
2
(P α, a) = α ∪ P −1 a = (−1)n P −1 a ∪ α = (−1)n a ∩ α.
Das Vorzeichen kommt aus der Vertauschungsregel für das Cup-Produkt.
Zusammengenommen erhalten wir nun für α ∈ H n (Xs ):
α = P −1 h∗ P h∗ α
= h∗ α − (−1) 2 n(n−1)
1
X
= h∗ α −
1
(−1) 2 n(n−1)
X
= h∗ α −
1
(−1) 2 n(n−1)
X
= h∗ α −
1
(−1) 2 n(n−1)
X
(P h∗ α, δν )P −1 δν
ν
((−1)n δν ∩ h∗ α)P −1 δν
ν
((−1)n h∗ δν ∩ α)P −1 δν
ν
(−δν ∩ α)P −1 δν .
ν
Dabei haben wir für die vorletzte Gleichung erneut die Projektionsformel benutzt.
Wir erhalten also für die Monodromie auf der Kohomologie folgende Formel:
1
h∗ α = α − (−1) 2 n(n−1)
X
ν
(δν ∩ α)P −1 δν .
36
3 Der Hyperflächenfall
Mit obiger Poincare-Dualität p : H n (Xs ) → Hn (Xs )∗ schreibt sich die vorstehende
Formel wie folgt:
1
h∗ α = α − (−1) 2 n(n−1)
X
p(α)(δν )P −1 (δν ).
ν
Aus dieser Formel erhalten wir nun folgende Aussage: α ist genau dann invariant
unter der Monodromie, falls
X
p(α)(δν )δν = 0
ν
Diesen Ausdruck gilt es daher zu untersuchen.
Unter der Annahme, daß Vn frei ist, können wir dazu folgendes Lemma aus der
Linearen Algebra benutzen.
Lemma 3.3.7. Sei A ein endlich erzeugter, freier R-Modul. Ist (e1 , . . . , et ) ein
Erzeugendensystem von A, so definieren wir eine Abbildung
σ : A∗ → A
(dabei sei A∗ = Hom(A, R) der Dualraum) durch
σ(ϕ) =
t
X
ϕ(ei )ei .
i=1
Dann ist σ injektiv.
Beweis. Sei (v1 , . . . , vm ) eine Basis von A. Sei ei =
duale Basis zu (v1 , . . . , vm ), so ist
σ(vi∗ ) =
m
X
Pm
j=1 cij vj .
∗
) die
Ist (v1∗ , . . . , vm
cji cjk vk .
j,k=1
Da (e1 , . . . , et ) Erzeugendensystem
ist, hat die Matrix (cij )i,j maximalen Rang,
Pm
daher ebenso die Matrix ( j=1 cji cjk )i,k , und die Behauptung folgt.
Zusammengenommen erhalten wir das folgende Theorem.
Theorem 3.3.8. Es sei X eine kompakte, komplexe Mannigfaltigkeit, ∆ eine
Kreisscheibe um 0 in C und f : X → ∆ eine holomorphe, eigentliche und zusammenhängende Abbildung, so daß Df = {0}.
Ist H n (X) projektiver Z-Modul, so gilt für s ∈ ∆ \ {0}: Das Bild der Einschränkungsabbildung
H n (X) → H n (Xs )
ist genau die Untergruppe der unter der Monodromie h∗ invarianten Kohomologieklassen in H n (Xs ).
3.3 Der A1 -Fall
37
Beweis. Wie oben bemerkt, ist α ∈ H n (Xs ) invariant unter der Monodromie genau
dann, wenn
X
p(α)(δν )δν = 0.
ν
n
Ist H (X) projektiver Z-Modul, so ist nach obigen Ausführungen Vn endlich erzeugt. Nach obigem Lemma aus der Linearen Algebra ist die Gleichung nun äquivalent dazu, daß p(α) auf ganz Vn verschwindet (da Vn definitionsgemäß von den
verschwindenden Zykeln erzeugt wird). Nach dem Diagrammin Korollar 3.3.4 ist
dies aber gleichbedeutend damit, daß α ∈ ker H n (Xs ) → V n = im λ∗ . Unter der
Isomorphie H n (X) →
˜ H n (X0 ) ist λ∗ aber gerade die Einschränkungsabbildung, und
die Behauptung folgt aus der Exaktheit der Sequenz für V n .
Kapitel 4
Kohomologie der Milnorfaser
4.1
Relative Milnorfaserung
Auch in diesem Abschnitt sei wieder (X, x) ein reduzierter komplexer Raumkeim
von konstanter Dimension und f : (X, x) → (Cs , 0) holomorph. Wir nehmen in
diesem Abschnitt an, daß x isolierte Singularität von (X, x) ist. Weiterhin nehmen
wir hier eine kleine Änderung der Notation vor. Die (reine) Dimension von X sei
hier n + s (bisher hatten wir diese n genannt).
Wir sagen, f erfülle die Milnorfaserungs-Bedingungen“, wenn wie im Kapitel
”
über die Milnor-Faserung f entlang f −1 (0) \ {x} submersiv ist (für einen genügend
kleinen Repräsentanten X).
In diesem Abschnitt wollen wir folgende Situation betrachten: Mit f erfüllt
auch
f 0 = (f1 , . . . , fs−1 ) : (X, x) → (Cs−1 , 0)
die Bedingungen der Milnorfaserung. (Diese Situation sei aber zunächst nicht als
erfüllt vorausgesetzt, vielmehr untersuchen wir im folgenden, wann diese Situation
erfüllt ist bzw. wie man sie erreichen kann.)
Wir wollen diese Situation benutzen, um induktiv Aussagen über die Kohomologie der Milnorfaserung im (oben angenommenem) Fall, daß x isolierte Singularität
von X ist, zu gewinnen.
Wie immer sei für einen Repräsentanten f : X → S von f : (X, x) → (Cs , 0)
die kritische Menge definiert als
Cf = {y ∈ X : X nicht glatt oder f nicht submersiv}
und die Diskriminante als Df = f (Cf ) ⊂ S.
Lemma 4.1.1. Es seien (X, x) und f : (X, x) → (Cs , 0) wie oben, f 0 =
(f1 , . . . , fs−1 ) : (X, x) → (Cs−1 , 0). Dabei erfülle f die Bedingungen der Milnorfaserung. Dann sind äquivalent:
1. Auch f 0 erfüllt die Bedingungen der Milnorfaserung.
2. Es gibt einen Repräsentanten f : X → S, so daß 0 isoliert in Df ∩
{(0, . . . , 0, p) ∈ S} liegt.
38
4.1 Relative Milnorfaserung
39
3. f ist entlang (f 0 )−1 (0)\{x} submersiv (für einen genügend kleinen Repräsentanten X).
Beweis. 3. ⇒ 1.“ ist trivial.
”
2. ⇒ 3.“: Sei y ∈ (f 0 )−1 (0) \ {x}. Ist dann fs (y) = 0, so ist f (y) = 0, d.h. f ist
”
dort submersiv, da f die Bedingungen der Milnorfaserungen erfüllt. Ist dagegen
fs (y) 6= 0, so ist y ∈
/ Df (falls y nahe genug an x) nach 2., d.h. auch dann ist f bei
y submersiv.
1. ⇒ 2.“: Es erfülle also mit f auch f 0 die Bedingungen der Milnorfaserung. Wir
”
zeigen, daß x nicht im Abschluß von Cf ∩ (f 0 )−1 (0) \ f −1 (0) liegt. Angenommen,
das sei nicht der Fall, so können wir nach dem Kurven-Auswahl-Lemma eine Kurve
γ : [0, ε[→ Cf ∩ (f 0 )−1 (0) finden mit γ(0) = x und γ(t) ∈
/ f −1 (0) für t > 0. Für
y = γ(t) mit t > 0 gilt dann, daß y ∈ Cf , aber y ∈
/ Cf 0 , d.h. f 0 ist dort submersiv, f
aber nicht. Dann muß dfs (y) eine Linearkombination von df1 (y), . . . , dfs−1 (y) sein.
Es folgt, daß
s−1
X
d
(fs ◦ γ)(t) = dfs (y)(γ̇(t)) =
ai dfi (y)(γ̇(t)) = 0,
dt
j=1
da γ für t > 0 in der Nullfaser von f 0 verläuft. Dann ist aber fs (γ(t)) = 0 für
alle t, d.h. γ(t) ∈ f −1 (0). Widerspruch! Daraus folgt nun 3.: Wir können den
Repräsentanten X also so klein wählen, daß Cf ∩ (f 0 )−1 (0) ⊂ f −1 (0), woraus folgt,
daß Df ∩ {(0, . . . , 0, p)} = f (Cf ∩ (f 0 )−1 (0)) ⊂ {0}.
Unter der obigen Annahme, daß x isolierte Singularität von X ist, zeigt man
nun leicht, daß man, wenn f die Bedingungen der Milnorfaserung erfüllt, nach
Koordinatenwechsel die obige Situation herstellen kann.
Lemma 4.1.2. Unter den gleichen Bedinungen wie oben gilt: Nach linearem Koordinatenwechsel in Cs erfüllt auch f 0 die Bedingungen der Milnorfaserung.
Beweis. Wir hatten gesehen, daß Df Hyperfläche ist, falls Xsing ∩ Cf nirgends dicht
in Cf ist, was hier der Fall ist. Es gibt also eine (komplexe) Gerade durch 0 ∈ Cs , so
daß 0 isoliert im Schnitt dieser Geraden mit Df liegt. Wähle nun die Koordinaten
von Cs so, daß die Gerade gerade die zs -Achse ist. Dann ist Punkt 2. des vorigen
Lemmas erfüllt und die Behauptung folgt.
Dieses Lemma hat eine Umkehrung, die wir später für die Induktion benutzen
werden:
Lemma 4.1.3. Es erfülle f die Milnorfaserungs-Bedingungen. Dann existiert ein
fs+1 ∈ mX,x , so daß auch
g := (f, fs+1 ) : (X, x) → (X, x) → (Cs+1 , 0)
die Bedingungen der Milnorfaserung erfüllt.
Der Beweis des Lemmas benutzt folgendes Lemma:
40
4 Kohomologie der Milnorfaser
Lemma 4.1.4. Sei Y eine analytische Menge in U ⊂ CN mit 0 ∈ Y , so daß
Y \ {0} nichtsingulär von reiner Dimension d ist. Dann gilt: Ist H generische
Hyperebene von CN , so schneidet H die Menge Y in einer punktierten Umgebung
von 0 transversal.
Beweis (in Kurzform). Nach Looijenga [1].
Der Beweis benutzt die Entwicklung“ π : Ỹ → Y von Y . Diese ist wie folgt
”
definiert: Ist Gd (CN ) der Raum aller d-dimensionalen Untervektorräume von CN ,
so setzen wir Y ∗ = {(y, τ ) ∈ Y × Gd (CN ) : τ ⊂ ZTy Y }, wobei ZTy Y der ZariskiTangentialraum von Y bei y sei. Man sieht leicht, daß Y ∗ analytische Untervarietät
von Y × Gd (CN ) ist: Ist V ⊂ U sind g1 , . . . , gl Erzeugende vom Nullstellenideal
von Y ∩ V , so ist
Y ∗ ∩ (V × Gd (CN )) = {(y, τ ) ∈ (Y ∩ V ) × Gd (CN ) : dgj |τ = 0 ∀j}.
Man definiert nun weiter Ỹ als die Vereinigung aller irreduziblen Komponenten
von Y ∗ , welche einen Punkt der Form (y, Ty Y ) enthalten, wobei Y bei y glatt und
Ty Y dann der Tangentialraum von Y bei y sei. Ist dann π : Ỹ → Y die Projektion,
so zeigt man, daß π eine Modifikation ist. π −1 (0) hat daher als echte Untervarietät
von Ỹ eine Dimension ≤ (d−1). Ist nun P̌N −1 der Raum aller Hyperebenen von CN ,
so sieht man leicht, daß H ∈ P̌N −1 genau dann Y in einer punktierten Umgebung
von 0 transversal schneidet, wenn H kein τ ∈ π −1 (0) enthält. Nun ist aber der
Raum aller H ∈ P̌N −1 , welche ein festes τ ∈ Gd (CN ) enthalten, (N − d − 1)dimensional. Der Raum aller H ∈ P̌N −1 , welche irgendein τ ∈ π −1 (0) enthält, ist
also von Dimension ≤ (N −d−1)+(d−1) = N −2, damit liegt dessen Komplement
in PN −1 (also der Raum aller H, welche Y in einer punktierten Umgebung von 0
transversal schneiden) dicht.
Beweis von Lemma 4.1.3. O.B.d.A. sei X ⊂ U ⊂ CN und x = 0. Setze dann
Y = f −1 (0). Wir müssen nach Lemma 4.1.1 ein fs+1 finden, so daß dfs+1 auf
Y \{0} linear unabhängig von df1 , . . . , dfs ist. Wähle nach dem vorigen Lemma eine
entsprechende Hyperfläche H. O.B.d.A. (falls X klein genug gewählt ist) schneidet
H die Menge Y auf ganz Y \ {0} transversal. Wählen wir nun eine lineare Funktion
ϕ : CN → C mit dϕ ∈ H, so erfüllt fs+1 = ϕ offensichtlich die Bedingung.
Im folgenden Satz betrachten wir nun die Situation, daß f und f 0 =
(f1 , . . . , fs−1 ) die Bedingungen der Milnorfaserung erfüllen. Das Ziel ist hierbei,
die Milnorfaserungen von f und f 0 zu vergleichen. (Auch hier lassen wir die Bedingung, daß die Basis S offen ist, fallen, was an den Aussagen nichts ändert.)
Satz 4.1.5. Es erfüllen sowohl f als auch f 0 die Bedingungen der Milnorfaserung.
Dann existiert ein Paar von Milnorfaserungen von f und f 0 der Form
f : X → S = S 0 × ∆,
0
f 0 : X → S0
0
mit S 0 ⊂ Cs−1 offen und ∆ einer Kreisscheibe um 0 in C, so daß X ⊂ X , eine
Kreisscheibe ∆1 um 0 mit ∆1 ⊂ ∆, so daß Df ⊂ S 0 × ∆1 , und ein Homöomorphismus
0
H : X→
˜ X,
4.1 Relative Milnorfaserung
41
existiert, so daß
H-
X
0
X
f0
f
?
S0 × ∆
?
- S0
pr
kommutiert und H die Identität auf XS 0 ×∆1 ist.
Beweis. O.B.d.A. sei X ⊂ U ⊂ CN . Zunächst einmal existieren überhaupt Milnorfaserungen von f und f 0 , welche wir von folgender Form wählen können:
X = {y ∈ X : |y − x| ≤ ε, |f 0 (y)| < η 0 , |fs (y)| ≤ η},
0
X = {y ∈ X : |y − x| ≤ ε, |f 0 (y)| < η 0 },
S 0 = {t ∈ Cs−1 : |t| < η 0 }, ∆ = {p ∈ C : |p| < η}.
Weiter setzen wir ∆1 = {p ∈ C : |p| < η1 } mit η1 < η. Im Verlauf des Beweises
werden wir ε, η, η 0 und η1 weiter anpassen.
Ähnlich wie in Lemma 1.1.5 zeigt man nun folgendes: Ist ε hinreichend klein,
so zeigen die Differentiale der Funktionen
0
X0 \ X0 3 y 7→ |y − x|2
0
und X0 \ X0 3 y 7→ |fs (y)|2
0
(Differentiale bezüglich X0 \ X0 ) nirgends gleich in entgegengesetzte Richtung (und
verschwinden insbesondere nirgends). Wäre dies nicht der Fall, so könnten wir wie
in Lemma 1.1.5 wieder wegen des Kurven-Auswahl-Lemmas eine Kurve γ : [0, δ[→
0
X0 finden, so daß γ(0) = x, γ(t) ∈
/ X0 für t > 0 und so, daß die beiden Differentiale
proportional mit negativem Faktor zueinander sind. Da aber |γ| streng monoton
steigend nahe t = 0 sein muß, muß |fs ◦ γ| dort monoton fallend sein, was nur sein
kann, falls γ in X0 bleibt. Widerspruch.
Also wähle nun ε entsprechend und setze
0
0
Y = X \ XS 0 ×∆ = {y ∈ X : |fs (y)| ≥ η}.
Dann liegt Y eigentlich über S 0 . Nach Lemma 4.1.1 gilt dann, falls ε genügend klein
0
ist, daß f auf Y0 submersiv ist (da Y0 ⊂ X0 \ X0 ). Ebenso gilt, wie wir eben zeigten, daß auf Y0 die beiden obigen Differentiale nicht in entgegengesetzte Richtung
zeigen. Beides sind offene Eigenschaften. Nach Lemma B.1.6 können wir daher η 0
(und damit S 0 ) entsprechend klein wählen, daß sowohl f auf ganz Y submersiv ist,
als auch gilt: Für alle t ∈ S 0 zeigen auf Yt die beiden obigen Differentiale (bezüglich
Yt ) nicht in entgegengesetzte Richtung.
Dies erlaubt uns die Konstruktion eines Vektorfeldes v auf Y, so daß für t ∈ S 0
und y ∈ Yt gilt v ∈ T Yt , mit anderen Worten, daß df1 (v) = · · · = dfs−1 (v) = 0, und
daß d(|y − x|2 )(v) > 0 sowie d(|fs (y)|2 )(v) > 0. Mit anderen Worten sind entlang
jeder Lösungskurve von v die Funktionen f1 , . . . , fs−1 konstant und |y − x| sowie
42
4 Kohomologie der Milnorfaser
|fs (y)| streng monoton steigend. Daher läßt sich für jedes y ∈ XS 0 ×∂∆ (⊂ Y) eine
Lösungskurve αy : [0, τy ] → Y finden, die in y startet, d.h. αy (0) = y, innerhalb der
entsprechenden Faser von f 0 bleibt, und für ein eindeutiges τy auf den Rand ∂X0
trifft (d.h. αy (τy ) ∈ ∂X0 ). Dies gibt uns eine Identifizierung von Y mit {(y, t) : y ∈
Xs0 ×∂∆ , t ∈ [0, τy ]}, also mittels Umparametrisierung der Intervalle [0, τy ] auf [0, 1]
einen Diffeomorphismus
Y→
˜ Xs0 ×∂∆ × [0, 1].
Dieser Diffeomorphismus kommutiert mit f 0 .
Wähle nun η und η2 mit η2 < η entsprechend so, daß obige Aussagen auch mit
0
η2 (und ∆2 = {p ∈ C : |p| < η2 }) statt η (und ∆) und Y2 = X \ XS 0 ×∆2 statt
Y gelten (insbesondere, daß f submersiv auf ganz Y2 ist). Wir erhalten wie eben
einen Diffeomorphismus über f 0
Y2 →
˜ Xs0 ×∂∆2 × [0, 1].
0
Da nun fs eigentlich und submersiv über X ∩ Y2 = {y ∈ X : η2 ≤ |fs (y)| ≤ η}
liegt, erhalten wir nach dem Satz von Ehresmann einen Diffeomorphismus über f 0
X ∩ Y2 →
˜ Xs0 ×∂∆2 × [0, 1].
Diese beiden Diffeomorphismen stimmen auf Xs0 ×∂∆2 überein, und ähnlich wie in
Korollar 1.3.4 können wir diese beiden Diffeomorphismen so abändern, daß sie
in einer ganzen Umgebung (bezüglich Y2 ) übereinstimmen, d.h. wir können η1
0
mit η2 < η1 < η so finden, daß diese auf ganz {y ∈ X : η1 ≤ |fs (y)| ≤ η2 }
übereinstimmen. Wir erhalten also einen Diffeomorphismus über f 0
X ∩ Y2 →
˜ Y2 ,
welchen wir durch die Identität auf XS 0 ×∆2 zu einem Diffeomorphismus
0
˜ X
H : X→
mit den gewünschten Eigenschaften ergänzen können. (Insbesondere ist Df ⊂
XS 0 ×∆2 ⊂ XS 0 ×∆1 .)
4.2
Die Kohomologie der Milnorfaser
Ziel dieses Abschnittes ist es, mit Hilfe der relativen Situation von Satz 4.1.5 Aussagen über die Kohomologie der Milnorfasern zu formulieren im Falle, daß x isolierte
Singularität von X ist.
Es sei also wie im vorigen Abschnitt X rein n+s-dimensional, (X, x) sei isolierte
Singularität, und die Voraussetzungen von Satz 4.1.5 seien erfüllt. Wähle f : X →
0
S = S 0 × ∆ und f 0 : X → S 0 sowie H und ∆1 wie in diesem Satz angegeben.
Wähle nun ein t ∈ S 0 und ein p ∈ ∆1 und setze s = (t, p) ∈ S. Wir haben dann,
0
daß Xs abgeschlossene Teilmenge von Xt ist.
4.2 Die Kohomologie der Milnorfaser
43
Wir wollen nun per Induktion über n (also über die Faserdimension) die folgenden beiden Behauptungen gleichzeitig beweisen:
Behauptung (∗)n : Ist s ∈ S \ Df , so ist
0
H i (Xt , Xs ; Z) = 0 für i > n + 1.
Behauptung (∗∗)n : Es existiert eine Umgebung T ⊂ S von 0, so daß gilt: Ist
s ∈ T , so ist
H i (Xs , Z) = 0 für i > n.
Man beachte, daß in (∗∗)n nicht s ∈ S \ Df gefordert ist.
Im folgenden lassen wir den Koeffizientenring Z einfach weg.
(∗∗)0 ist trivialerweise richtig, da dann Xs nur aus isolierten Punkten besteht.
Wir zeigen nun, daß aus (∗)n−1 und (∗∗)n−1 die Aussage (∗∗)n folgt. Dazu
benutzen wir Lemma 4.1.3. Demnach existiert ein fs+1 ∈ mX , so daß auch g =
(f, fs+1 ) die Bedingungen der Milnorfaserung erfüllt. Wir wenden nun Satz 4.1.5
auf g und f statt auf f und f 0 an (die dabei enthaltenen Räume kennzeichnen
wir durch ein tiefergestelltes g“ links von den Bezeichnungen). Dabei können wir
0
0”
0
g S so klein wählen, daß g S ⊂ S. Wir erhalten dann für s̃ = (s, p̃) ∈ g S × g ∆1
0
Milnorfasern g Xs̃ ⊂ g Xs .
Da nun die Faserdimension für g dim g Xs̃ = n − 1 ist, können wir (∗)n−1 und
(∗∗)n−1 auf diesen Fall anwenden. Die in (∗∗)n−1 benötigte Umgebung bezeichnen
wir analog mit g T .
Wir können nun s̃ so wählen, daß s̃ ∈ g T ∩ (g S \ Dg ). (Könnten wir das nicht,
könnte, da Dg analytisch in g S 0 × g ∆ ist, Dg nicht ganz in g S 0 × g ∆1 enthalten
sein).
Betrachten wir nun für die zu g gehörige lange exakte relative Kohomologiesequenz: Ist i > n, so haben wir
0
0
H i (g Xs , g Xs̃ ) - H i (g Xs )
- H i (g Xs̃ )
=0
=0
wegen(∗)n−1
wegen(∗∗)n−1
0
Es folgt also H i (g Xs ) = 0.
Nach dem Satz über die Eindeutigkeit der Milnorfaserung existiert nun eine
Umgebung T ⊂ g S 0 , so daß
0
g Xs
∼
= Xs
für s ∈ T
(denn g 0 ist ja einfach f ). Also bekommen wir auch H i (Xs ) = 0 für s ∈ T .
Wir zeigen nun, daß aus (∗∗)n die Behauptung (∗)n folgt, womit wir sowohl
Induktionsanfang als auch Induktionsschritt komplettieren. Wir müssen also die
0
Kohomologiegruppe H i+1 (Xt , Xs ) für i > n untersuchen. Dies soll im folgenden
geschehen.
44
4 Kohomologie der Milnorfaser
Lemma 4.2.1. Es ist
0
H i+1 (Xt , Xs ) ∼
= H i+1 (X{t}×∆ , Xs )
Beweis. Wir hatten s ∈ S 0 × ∆1 gewählt. Da H auf S 0 × ∆1 die Identität ist,
ist insbesondere H|Xs = idXs . Ferner induziert H einen Homöomorphismus H :
0
Xt×∆ →
˜ Xt . Daher ist folgendes Diagramm kommutativ:
...
- H i+1 (X
- H i+1 (X
- H i+1 (Xs )
{t}×∆ , Xs )
{t}×∆ )
..
..
..
.?
...
H∗
k
?
- H i+1 (X0 , Xs )
t
- H i+1 (X0 )
t
- H i+1 (Xs )
Nach dem Fünferlemma folgt die Behauptung.
Wir betrachten nun die Kreisscheibe ∆ und die Abbildung fs : X{t}×∆ → ∆.
Da Df ⊂ S 0 × ∆ ⊂ S analytisch ist und {t} × ∆ kompakt ist, ist Df ∩ ({t} × ∆)
endlich. Seien also p1 , . . . , pl die Punkte in ∆ mit (t, pν ) ∈ Df . Nach Konstuktion
liegen die Punkte pν in ∆1 .
Nun verbinde jeden Punkt pν mit p durch eine Verbindungsstrecke
Wν , so daß
Sp
die Strecken Wν sich nur in p treffen, so daß Γ := ν=1 Wν ein Baum wie in
Satz B.2.37 ist.
Lemma 4.2.2.
H
i+1
(X{t}×∆ , Xs ) ∼
=
p
M
H i+1 (X{t}×Wν , Xs ).
ν=1
Beweis. Zunächst bemerken wir, daß nach Korollar B.2.39 und der anschließenden
Bemerkung zusammen mit dem Satz von Ehresmann folgt, daß
H i+1 (X{t}×∆ ) ∼
= H i+1 (X{t}×Γ ).
Indem wir die relativen Kohomologiesequenzen für die relative Kohomologie der
beiden hier betrachteten Räume zusammen mit Xs betrachten, sehen wir, daß
daraus auch
H i+1 (X{t}×∆ , Xs ) ∼
= H i+1 (X{t}×Γ , Xs )
folgt.
Nun ist aber X{t}×Γ kompakt, also ist
H i+1 (X{t}×∆ , Xs ) = Hci+1 (X{t}×Γ \ Xs ) = Hci+1 (
=
p
L
ν=1
Hci+1 (X{t}×Wν \ Xs ) =
p
S
X{t}×Wν \ Xs )
ν=1
p
L
H i+1 (X{t}×Wν , Xs ).
ν=1
45
4.2 Die Kohomologie der Milnorfaser
Nun betrachte die lange exakte relative Kohomologiesequenz für das Paar
(X{t}×Wν , Xs ):
H i (Xs ) → H i+1 (X{t}×Wν , Xs ) → H i+1 (X{t}×Wj ).
Nach (∗∗)n ist H i (Xs ) = 0 für s ∈ S \ Df , denn nach (∗∗)n ist die i-te Kohomologie
aller Milnorfasern nahe 0 trivial, da alle Milnorfasern aber isomorph sind, ist i-te
Kohomologie für alle Milnorfasern trivial.
Um die Behauptung zu zeigen, müssen wir also nur noch zeigen, daß
i+1
H (X{t}×Wj ) = 0.
Lemma 4.2.3. Setze sν = (t, pν ). Dann ist
H i+1 (X{t}×Wν ) ∼
= H i+1 (Xsν ).
Beweis. Dies folgt wieder aus Korollar B.2.39 (mit anschließender Bemerkung)
und dem Satz von Ehresmann. Dazu wähle man eine Umgebung W̃ν von Wν in
∆, welche die anderen schlechten“Punkte nicht trifft und homöomorph zu einer
”
Kreisscheibe ist. Beide Gruppen sind dann isomorph zu H i+1 (X{t}×W̃ν ). (Für die
Anwendung von Korollar B.2.39 fasse man Wν als Baum Γ auf.)
Was uns bleibt ist also, die Fasern Xsν zu untersuchen. Über jedem Punkt sν
liegen wegen der Endlichkeit von f |Cf endlich viele Punkte xν,l ∈ Xsν ∩ Cf . In der
Tat liegen diese Punkte nicht auf dem Rand, also xν,l ∈ Xsν . Wir betrachten nun
für jedes xν,l den Abbildungskeim
fs : (X{t}×∆ , xν,l ) → (∆, pν ).
Setze Y = X{t}×∆ und wähle für jedes (ν, l) eine Milnorfaserung
ν,l
xν,l ∈ Y
→ S ν 3 pν ,
ν,l
wobei wir die S ν ⊂ ∆ unabhängig von l wählen, und sowohl die Y
⊂ X{t}×∆ als
ν,l
auch die S ν disjunkt wählen. Weiterhin seien die Y klein genug, daß sie den Rand
∂Y nicht treffen.
ν,l
Wir haben Y pν = Xsν , also insbesondere Ypν ⊂ Xsν . Wähle nun jeweils ein
ν,l
qν ∈ S ν mit qν 6= pν , so daß qν nahe genug an pν ist, damit wir (∗∗)n auf Yqν
für alle l anwenden können (also so, daß qν in den dort angegebenen T ’s für diese
Situation liegt). Setze dann s̃ν = (t, qν ). Wir haben dann s̃ν ∈ S \ Df .
Nach Abschnitt 3.1 haben wir nun folgendes Diagramm
L
l
ν,l
H i (Ypν ) - H i+1 (Xsν ,
S
l
ν,l
Ypν ) - H i+1 (Xsν ) -
L
l
ν,l
H i+1 (Ypν ) - H i+2 (. . . )
isom.
?
L
l
H
i
ν,l
(Yqν )
isom.
?
- H i+1 (Xs̃ ,
ν
S
l
ν,l
Yqν )
?
?
- H i+1 (Xs̃ ) ν
L
l
H
i+1
ν,l
(Yqν )
?
- H i+2 (. . . )
46
4 Kohomologie der Milnorfaser
ν,l
ν,l
Nach (∗∗)n haben wir nun, daß sowohl H j (Ypν ) = 0 als auch H j (Yqν ) = 0 für
j = i, i + 1. Ebenso haben wir nach (∗∗)n , daß H i+1 (Xs̃ν ) = 0 (mit derselben Begründung wie eben, nämlich der Isomorphie aller Milnorfasern). Nach dem Fünferlemma bekommen wir daher wie gewollt, daß H i+1 (Xsν ) = 0.
Insgesamt erhalten wir aus dem bisher Bewiesenem insbesondere folgendes
Theorem als Korollar:
Theorem 4.2.4. Sei f : (X, x) → (Cs , 0) holomorph, wobei X ein reduzierter
komplexer Raum sei, so daß X \ {x} glatt von reiner Dimension n + s ist. Weiter
erfülle f die Bedingungen der Milnorfaserung. Ist dann f : X → S eigentlicher
guter Repräsentant von f , so ist für s ∈ S \ Df
H i (Xs ) = 0 für i > n.
Ebenso ist
H i (X0 ) = 0 für i > n.
Ausblick
Wir haben gesehen, daß die Kohomologie der Milnorfaser eines guten Repräsentanten f : X → S von f : (X, x) → (Cs , 0) nur bis zum Grad n der Faserdimension
von f nicht-trivial ist, falls x isolierte Singularität von X ist.
Setzt man darüber hinaus voraus, daß f : (X, x) → (Cs , 0) einen vollständigen
Durchschnitt definiert (siehe Anhang B.5), so kann man mehr zeigen. In diesem
Fall zeigt man, daß für s ∈ S \ Df sogar gilt:
H i (Xs ) = 0 für i 6= 0, n,
und daß H n (Xs ) frei von endlichem Rang ist.
In diesem Fall nennt man den Rang von H n (Xs ) die Milnor-Zahl des isolierten
vollständigen Durchschnittes (X0 , x), im Zeichen µ(X0 , x).
Damit diese Definition Sinn macht, muß man allerdings noch zeigen, daß die
Milnorfaserung in der Tat sogar nur von (X0 , x) abhängt. (Der Eindeutigkeitssatz
über die Milnorfaserung, den wir im ersten Kapitel gezeigt haben, besagt nur die
Eindeutigkeit der Milnorfaser bei fixierter den Keim (X0 , x) definierenden Funktion
f .)
Weiter kann man dann zeigen, daß die Milnor-Zahl, welche hier auf topologische
Weise definiert wurde, in der Tat auch auf analytische Weise definiert werden kann.
Die Methodik der relativen Milnorfaserung, wie oben beschrieben, liefert dazu eine
Möglichkeit, die Milnorzahl induktiv zu berechnen. Im Hyperflächenfall (also s = 1)
erhält man z.B. für f : (Cn+1 , 0) → (C, 0):
∂f
∂f
,
.
.
.
,
OCn+1 ,x .
µ(X0 , x) = dimC OCn+1 ,x / ∂z
∂zn+1
1
In den Beweisen benutzt man die am Ende von Kapitel 1 angedeutete komplexe
Struktur auf der Diskriminante Df und deren Eigenschaften. Die Beweise sind nicht
schwer, jedoch teilweise viel Schreibarbeit.
Für Details siehe man z.B. Looijenga [1].
Anhang A
Das Kurven-Auswahl-Lemma
In diesem Abschnitt wollen wir das Kurven-Auswahl-Lemma beweisen. Dafür
benötigen wir allerdings ein paar Hilfsmittel aus der Theorie reell-analytischer
Mengen, mit denen wir uns daher zunächst beschäftigen wollen.
Ist U ⊂ Rn offen, so heißt eine Teilmenge A ⊂ U reell-analytisch (in U ), falls
sie lokal das Nullstellengebilde endlich vieler reell-analytischer Funktionen ist.
Für das Kurven-Auswahl-Lemma ist auch folgender (allgemeinerer) Begriff von
Bedeutung: Eine Teilmenge A ⊂ U heißt semi-analytisch, falls für jedes x ∈ X eine
Umgebung W ⊂ U von x existiert, so daß
A ∩ W = {y ∈ W : f1 (y) = · · · = fk (y) = 0, g1 (y) > 0, . . . , gl (y) > 0}
wobei f1 , . . . , fk , g1 , . . . , gl reell-analytische Funktionen auf W sind.
Bemerkung. Differenzmengen von reell-analytischen Mengen sind semi-analytisch.
Denn mit A = {f1 = · · · = fk = 0}, B = {g1 = · · · = gl = 0} ist
A \ B = {f1 = · · · = fk = 0, g12 > 0, . . . , gl2 > 0}.
A.1
Reell-analytische Mengen
Die aus der komplexen Geometrie bekannte Weierstraß-Theorie ist auch für den
reellen Fall gültig. Siehe dazu z.B. Narasimhan [10] oder Riemenschneider [8].
Bezeichnet also ORRn ,0 = ORn = R{x1 , . . . , xn } den Ring der reell-analytischen
Funktionskeime in n Veränderlichen (also den Ring der konvergenten (reellen) Potenzreihen in n Veränderlichen) und mRn das maximale Ideal dieses Ringes, so gilt:
Theorem A.1.1 (Weierstraß’scher Vorbereitungssatz). Sei f ∈ ORn so, daß
g(xn ) = f (0, . . . , 0, xn ) nicht identisch verschwindet (man nennt f dann xn allgemein). Schreibe g(xn ) = xpn h(xn ), wobei p ≥ 0 und h eine Einheit in R{xn }
ist. Dann gilt:
(1) Für jedes ϕ ∈ ORn existiert ein a ∈ ORn und b1 , . . . , bp ∈ ORn−1 , so daß
ϕ = af +
p
X
ν=1
47
bν xnp−ν
48
A Anhang: Das Kurven-Auswahl-Lemma
(2) Es existiert eine Einheit u ∈ ORn und a1 , . . . , ap ∈ mRn−1 , so daß
f =u·
xpn
+
p
X
aν xp−ν
n
ν=1
Die a und bν in (1) sowie u und aν in (2) sind dabei eindeutig bestimmt.
Ein Polynom der Form
xpn
+
p
X
aν xp−ν
n
ν=1
mit aν (0) = 0 wie in (2) oben heißt ausgezeichnetes Polynom.
Der Weierstraß’schen Vorbereitungssatz ist im wesentlichen äquivalent zum
Quasiendlichkeits-Satz. Zunächst die dazu nötige Definition:
Definition A.1.2. Ein Algebra-Homomorphismus ϕ : R → S (R und S lokale
R-Algebren) heißt
• endlich, falls S endlich erzeugter R-Modul vermittels ϕ ist;
• quasiendlich, falls S quasiendlicher R-Modul vermittels ϕ ist, wobei ein RModul M quasiendlich heißt, falls M/mR M ein endlich dimensionaler R =
R/mR -Vektorraum ist.
Bezeichnet eine reell-analytische Algebra eine Algebra, welche isomorph zu einem Quotienten ORn /I ist, wobei I ein Ideal in ORn ist, so lautet der Quasiendlichkeitssatz wie folgt:
Theorem A.1.3 (Quasiendlichkeitssatz). Ein Algebra-Homomorphismus zwischen
reell-analytischen Algenbren ist genau dann quasiendlich, falls er endlich ist.
Aus dem Weierstraß’schen Vorbereitungssatz folgt insbesondere:
Theorem A.1.4. Der Ring ORn ist noethersch und ein UFD (unique factorization
domain), d.h. es gilt der Satz über die eindeutige Primfaktorzerlegung.
Die Idee des Beweises ist, per Induktion über n und den Weierstraß’schen Vorbereitungssatz die Aussagen auf entsprechende Aussagen den Polynomring ORn−1 [xn ]
zurückzuführen. Diese folgen dann aus dem Hilbertschen Basissatz und dem entsprechenden Theorem von Gauss (ist R ein UFD, so auch R[X]).
Jedem reell-analytischen Mengenkeim A0 kann man sein Nullstellenideal
I(A0 ) ⊂ ORn zuordnen, d.h. das Ideal aller Funktionskeime, die auf A0 verschwinden. Aufgrund der Noether-Eigenschaft von ORn ist dieses Ideal endlich erzeugt.
Umgekehrt kann man jedem Ideal I ⊂ ORn einen reell-analytischen Mengenkeim
zuordnen: I ist wieder wegen der Noether-Eigenschaft von ORn endlich erzeugt. Also wähle man endlich viele Erzeugende des Ideals. Diese konvergieren auf einer
gemeinsamen Umgebung von 0 und definieren daher als gemeinsames Nullstellengebilde einen reell-analytischen Mengenkeim V (I) (welcher unabhängig von der
Wahl des Erzeugendensystems ist).
A.1 Reell-analytische Mengen
49
Für einen Raumkeim A0 ⊂ Rn0 setzen wir dann ORA0 := ORn /I(A0 ), der Ring der
reell-analytischen Funktionskeime auf A0 .
Im Gegensatz zum komplexen Fall gilt hier aber nicht der Hilbert-Rückertsche
Nullstellensatz, d.h. I(V (I)) ist im allgemeinen nicht das Radikal-Ideal von I.
Ebenso gelten im reellen Fall die aus dem komplexen Fall vertrauten KohärenzSätze nicht. Für eine reell-analytische Menge A in einer offenen Teilmenge U ⊂ Rn
sind Nullstellen-Idealgarbe I(A) ⊂ ORU bzw. die Strukturgarbe ORA = ORU /I(A) im
allgemeinen nicht kohärent.
Definition A.1.5. Ein Keim A0 einer reell-analytischen Menge (in einem Rn ) bei
0 heißt irreduzibel, falls aus A0 = A10 ∪A20 , mit A10 und A20 ebenfalls reell-analytische
Mengenkeime, folgt, daß A10 = A0 oder A20 = A0 .
Offensichtlich hat man:
Lemma A.1.6. Ein reell-analytischer Mengenkeim A0 ist genau dann irreduzibel,
falls I(A0 ) ein Primideal ist.
Verknüpft man das obige Lemma mit der Primfaktorzerlegung in ORn , so erhält
man:
Satz A.1.7. Jeder
Mengenkeim A0 läßt sich als endliche VereiSk reell-analytische
ν
ν
nigung A0 = ν=1 A0 schreiben, wobei die A
0 irreduzible reell-analytische MenS
genkeime sind, so daß für jedes ν gilt Aν0 6⊂ µ6=ν Aµ0 . Diese Zerlegung ist bis auf
Umordnung eindeutig.
Ist A reell-analytisch in U ⊂ Rn , so heißt ein Punkt x ∈ A regulär, falls Ax
Keim einer reell-analytischen Untermannigfaltigkeit ist. Wir setzen
Areg := {x ∈ A : x regulär} und Asing := A \ Areg .
Auch hier gibt es wieder Unterschiede zum Komplexen: Die Menge Asing braucht
nicht mehr reell-analytisch sein. Nach Definition ist aber noch Asing abgeschlossen
und Areg reell-analytische Mannigfaltigkeit.
Reell-analytische Mengenkeime kann man komplexifizieren. Dazu betrachten
wir den Rn als Teilmenge des Cn .
Satz A.1.8. Sei A0 ein reell-analytischer Mengenkeim (0 ∈ Rn ). Dann existiert
genau ein komplex-analytischer Mengenkeim Ã0 , so daß A0 ⊂ Ã0 , und so daß jedes
g ∈ OCn , welches auf A0 verschwindet, auch auf Ã0 verschwindet.
Für dieses Ã0 gilt: Ã0 ∩ Rn = A0 , jeder komplex-analytischer Mengenkeim,
welcher A0 enthält, enthält auch Ã0 , und: Ist I(Ã0 ) ⊂ OCn das Nullstellenideal von
Ã0 und I(A0 ) ⊂ ORn das von A0 , so gilt I(Ã0 ) = I(A0 ) ⊗R C.
Für den einfachen Beweis siehe z.B. Narasimhan [10].
Ã0 heißt dann die Komplexifizierung von A0 . Die Komplexifizierung ist aber
nur punktweise definiert. Man sieht leicht:
50
A Anhang: Das Kurven-Auswahl-Lemma
Lemma A.1.9. Sei A ⊂ U reell-analytisch mit U ⊂ Rn offen, 0 ∈ A. Sei dann Ã0
die Komplexifizierung von A0 , W̃ ⊂ Cn eine kleine Umgebung von 0 und S̃ ⊂ W̃
komplex-analytische Menge mit S̃0 = Ã0 . Setze noch W = W̃ ∩ Rn . Ist dann
y ∈ A ∩ W , so gilt für die Komplexifizierung Ãy von Ay , daß Ãy ⊂ S̃y .
Dieses Lemma gilt nicht mit einem Gleichheitszeichen!
Weiterhin gilt:
Satz A.1.10. S
Ist A0 irreduzibel, dann auch Ã0 (im komplexen Sinne).
Ist A0 = sν=1 Aν0 die Zerlegung in irreduzible Komponenten, so ist Ã0 =
Ss fν
ν=1 A0 ebenfalls die Zerlegung in irreduzible Komponenten (im komplexen Sinne).
Auch dies folgt leicht aus dem die Komplexifizierung definierenden Satz.
Aus der Weierstraß-Theorie folgt auch der für die Definition der Dimension
folgende wichtige Satz. Hierzu betrachten wir eine reell-analytische Algebra R =
ORn /I (wobei wir I 6= {0}, ORn annehmen). Die für p ≤ n natürliche Injektion
ORp ,→ ORn liefert uns eine natürliche Abbildung η : ORp → R.
Satz A.1.11. Nach einer linearen Koordinationtransformation von Rn existiert
ein p mit 0 ≤ p ≤ n, so daß η : ORp → R injektiv und endlich ist. Dieses p ist
eindeutig bestimmt.
Die Beweisidee ist hierbei: Ist f ∈ I, so können wir nach dem Weierstraß’schen
Vorbereitungssatz annehmen, daß f ausgezeichnetes Polynom ist (nach entsprechendem linearem Koordinationwechsel, um f als xn -allgemein annehmen zu
können). Diese Eigenschaft ist aber invariant unter Koordinatenwechsel von Rn−1 .
R
Entweder ist nun In−1 := I ∩ On−1
= {0}, oder es existiert ein fn−1 ∈ In−1 \ {0},
von welchem wir wieder annehmen können, daß es ein ausgezeichnetes Polynom
(in ORn−1 ) ist. Fahren wir fort, so finden wir ein p, so daß nach den entsprechenden
Koordinatenwechseln Ip = {0} und für jedes r > p existiert ein ausgezeichnetes
Polynom in Ir \ {0}. Mit Hilfe von Teil (1) des Weierstraß’schen Vorbereitungssatzes zeigt man nun relativ leicht, daß für dieses p die Behauptung des Satzes erfüllt
ist.
Wir machen nun folgende Definition:
Definition A.1.12.
• Sei A0 ein irreduzibler reell-analytischer Mengenkeim. Wir setzen R := ORA0 .
Die Größe p aus vorigem Satz für dieses R heißt dann die Dimension von A0 ,
im Zeichen dim A0 (oder genauer dimR A0 ).
• Sei A0 ein beliebiger reell-analytischer Mengenkeim. Die Dimension von A0
ist dann das Maximum der Dimensionen der irreduziblen Komponenten von
A0 (und sei wiederum mit dim A0 bezeichnet).
• Sei A reell-analytische Teilmenge von U ⊂ Rn . Die Dimension dim A von A
ist dann maxx∈A dim Ax .
A.1 Reell-analytische Mengen
51
Im Komplexen ist die Unterscheidung zwischen irreduziblen Mengenkeimen und
reduziblen Mengenkeimen wie in der Definition nicht nötig. Vielmehr kann man die
Definition wie im ersten Punkt im Komplexen so auch für reduzible Mengenkeime
formulieren und dann ist der zweite Punkt eine Folgerung aus der Definition (siehe
z.B. Kaup-Kaup [4]). Ob diese Unterscheidung im reellen Fall wirklich nötig ist,
ist mir nicht ganz klar. Wir arbeiten daher mit obiger Definition (diese entstammt
im wesentlichen Narasimhan [10]).
Klar ist:
Lemma A.1.13. dim Rn0 = n.
Weiterhin gilt:
Satz A.1.14. Die reelle Dimension dim A0 ist gleich der komplexen Dimension
der Komplexifizierung dim Ã0 .
Wir können für den Beweis annehmen, daß A0 irreduzibel ist - dies überträgt
sich dann auf die Komplexifizierung, und die Behauptung folgt aus den Definitionen
der Dimension und der Komplexifizierung.
Satz A.1.15. Sei A eine reell-analytische Teilmenge von U ⊂ Rn , x ∈ A. Dann
gibt es beliebig kleine Umgebungen W von x, s.d. für alle y ∈ W gilt: dim Ay ≤
dim Ax .
Der Beweis ergibt sich durch Komplexifizierung aus dem entsprechenden Satz
für den komplexen Fall (siehe z.B. Kaup-Kaup [4] und Lemma A.1.9.
Im Gegensatz zum komplexen Fall kann aber folgendes passieren: Gilt im Komplexen die obige Aussage noch mit Gleichheitszeichen falls Ax irreduzibel ist, so
ist dies im reellen Fall falsch! Die Dimension reell-analytischer Mengen kann also
sogar in der Umgebung von Punkten, in denen die Menge irreduzibel ist, springen!
Im wesentlichen liegt der Grund hierfür darin, daß wie oben schon erwähnt Lemma
A.1.9 nicht mit Gleichheitszeichen gilt!
Für die nächsten Aussagen müssen wir Satz A.1.11 für irreduzibles A0 ein wenig
präzisieren. Ist A0 irreduzibel, so gilt unter den Voraussetzungen des Satzes: Ist L
der Quotientenkörper von ORA0 und K der von ORp , so ist L = K(xp+1 , . . . , xn ). Mit
Betrachungen über Ganzheit und minimale Polynome erhält man weiter, daß für
jedes r > p ein ausgezeichnetes Polynom
0
Pr (xr ; x ) =
xqrr
+
q−1
X
ar,ν (x0 )xνp+1
mit x0 = (x1 , . . . , xp )
ν=0
existiert mit Pr ∈ I(A0 ). (Insbesondere erhält man daraus, daß aus dim A0 = 0
folgt, daß 0 isolierter Punkt von A0 ist.)
Mittels Betrachtung der Pr erhält man dann:
Satz A.1.16. Sei A eine reell-analytische Teilmenge von U ⊂ Rn mit 0 ∈ A, so
daß A0 irreduzibel ist. Weiter sei p := dim A0 . Nach evtl. Koordinatenwechsel in
52
A Anhang: Das Kurven-Auswahl-Lemma
U existieren dann beliebig kleine Umbegungen W von 0 der Form W = W 0 × W 00 ,
W 0 ⊂ Rp , W 00 ⊂ Rn−p , so daß, falls π : A ∩ W → W 0 die Einschränkung der
Projektion von W auf W 0 bezeichnet, π eigentlich mit endlichen Fasern π −1 (x0 )
(x0 ∈ W 0 ) ist.
Für einen genauen Beweis siehe z.B. Narasimhan [10].
Bemerkung. Im vorigen Satz ist der evtl. vorzunehmende Koordinatenwechsel der
gleiche wie bei Satz A.1.11. Ferner ist offenbar π0∗ = η : ORp → ORA0 (wobei π0 der
Keim von π bei 0 ist).
Im vorigen Satz gilt also noch (bei entsprechender Koordinatenwahl), daß π0∗
endlich und injektiv ist.
Mit dem Satz vom primitiven Element erhält man ferner, daß nach evtl. weiterem Koordinatenwechsel sogar L = K(xp+1 ) ist. Untersucht man nun die Diskriminante δ des Polynoms Pp+1 , so sieht man, daß, falls W wie im obigen Lemma
gewählt ist, Punkte x ∈ A ∩ W mit δ(x0 ) (x0 = (x1 , . . . , xp ) ∈ W 0 ) regulär von der
Dimension p sind.
Aus diesen Betrachtungen erhält man dann weiter:
Satz A.1.17. Sei A reell-analytische Teilmenge von U ⊂ Rn mit 0 ∈ A und
p := dim Ax . Dann gilt: Jede Umgebung von 0 enthält einen regulären Punkt von
A der Dimension p. Insbesondere gilt, daß Areg dicht in A liegt.
Man beweist dies zunächst für den Fall, daß Ax irreduzibel ist und kann sich
auf obige Betrachtungen stützen. Dann muß man sich überlegen, was im Fall Ax =
A1x ∪ A2x mit A1x irreduzibel zu tun ist: Man muß dann zeigen, daß A1x beliebig nahe
x reguläre Punkte der Dimension d enthält, welche nicht zu A2x gehören. Dies erhält
man dann aus der Betrachtung der Diskriminante δ, welche zu A1x gehört.
Auch hier siehe man z.B. Narasimhan [10] für einen genauen Beweis.
Zu guter letzt gilt noch folgender Satz:
Satz A.1.18. Ist A0 irreduzibel und B0 $ A0 , so ist dim B0 < dim A0 .
Für den Beweis können wir auch B0 als irreduzibel annehmen. Dann konstruiert man mit Hilfe obiger Pr (für A0 ) und des Weierstraßschen Vorbereitungssatz
entsprechende ausgezeichnete Polynome für B0 , mit denen man die Dimension von
B0 eingrenzen kann.
Wieder siehe man Narasimhan [10] für einen genauen Beweis.
A.2
Die Singularitätenmenge und Differentiale
Jetzt wollen wir zunächst einige Bezeichnungen einführen, welche wir dann später
im Beweis des Kurven-Auswahl-Lemmas benutzen wollen, und zu diesen einige
Überlegungen anstellen.
Das Problem ist, daß im allgemeinen die Singularitätenmenge einer reellanalytischen Menge nicht mehr reell-analytisch ist. Daher führen wir hier einen
A.2 Die Singularitätenmenge und Differentiale
53
Ersatz“ für diese ein, welcher sich insbesondere leicht mit Differentialen berech”
nen läßt, was wir später im Beweis der Kurven-Auswahl-Lemmas benutzen werden.
Im folgenden sei U ⊂ Rn offen und V = {x ∈ U : f1 (x) = · · · = fk (x) = 0}
eine reell-analytische Teilmenge, definiert durch reell-analytische Funktionen fi .
Die folgenden Definitionen beziehen sich zunächst nicht bloß auf V , sondern auch
auf die definierenden Funktionen, sind also keine intrinsischen Definitionen für V .
Wir setzen:


∂f1 /∂x1 (x) · · · ∂f1 /∂xn (x)


..
..
..
ρV,x := rang 

.
.
.
∂fk /∂x1 (x) · · · ∂fk /∂xn (x)
und ρV := max ρV,x , dV := n − ρV . Wir definieren dann
x∈V
ΣV := {x ∈ V : ρV,x < ρV }
und MV := V \ ΣV .
Wir haben:
Lemma A.2.1.
• MV ist (nicht-leere) reell-analytische Mannigfaltigkeit der (reinen) Dimension dV .
• ΣV ist wieder reell-analytisch.
• Vsing ⊂ ΣV .
• Sind g1 , . . . , gl reell-analytische Funktionen auf U , so daß f1 , . . . , fk und
g1 , . . . , gl das gleiche Ideal in OR (U ) erzeugen, so erhält man die gleichen
Daten mit den gi wie mit den fi .
Beweis. Die ersten drei Aussagen sind klar.
Die letzte folgt aus der Tatsache, daß falls g ∈ (f1 , . . . , fk )OR (U ) ist, dg(x) in
dem von df1 (x), . . . , dfk (x) erzeugten Vektorraum liegt für x ∈ V . Dies folgt leicht
aus der Kettenregel. Damit ist ρV,x unabhängig davon, ob man die fi oder die gi
zur Berechnung benutzt.
Mit diesen Größen wollen wir nun wieder intrinsische Größen definieren: Dazu
sei A0 reell-analytischer Mengenkeim mit A0 ⊂ Rn0 . Seien f1 , . . . , fk Erzeugende
des Nullstellenideals I(A0 ) ⊂ ORRn ,0 und U eine Umgebung von 0, auf der die fi alle
konvergieren. Dann ist V = {x ∈ U : f1 (x) = · · · = fk (x) = 0} ein Repräsentant
von A0 . Mit diesen f1 , . . . , fk erhalten wir nun insbesondere ein ΣV und ein dV .
Verkleinern wir nun das U , so ändern sich eventuell auch ΣV und dV (in dem Sinne,
daß ΣV für das kleinere U nicht unbedingt mehr der Schnitt von dem kleinerem
U mit dem ΣV bzgl. des größeren U ist). Insbesondere der Keim (ΣV )0 wird evtl.
kleiner. (Und dV wird evtl. größer.) Für eine Umgebungsbasis (Ui )i∈N von 0 erhalten
wir also eine absteigende Folge von (ΣV )0 ’s, welche wegen der Noethereigenschaft
54
A Anhang: Das Kurven-Auswahl-Lemma
irgendwann stagniert. Wir erhalten also einen kleinsten Keim (ΣV )0 (und somit
auch ein größtes dV ). Sind nun g1 , . . . , gl andere Erzeugende des Nullstellenideals,
so gibt es eine Umgebung U 0 von 0, auf der die fi und die gi konvergieren. Nach
obigen Ausführungen ist es für die Daten ΣV und dV (nun aber auf U 0 bezogen!)
egal, ob die fi oder die gi zur Berechnung herangezogen werden. Insbesondere für
den oben konstruierten kleinsten Keim (ΣV )0 ist dies egal.
Insgesamt erhalten wir also: Einem Keim A0 können wir einen wohldefinierten
Keim ΣA0 ⊂ A0 zuordnen. Dieser ist minimal mit folgender Eigenschaft: Es gibt
eine Umgebung U von 0 und ein V = {x ∈ U : f1 (x) = · · · = fk (x) = 0},
welches A0 repräsentiert, so daß ΣA0 = (ΣV )0 ist. Ferner können wir A0 auch ein
wohldefiniertes dA0 zuordnen.
Offenbar ist ΣA0 = ∅, falls A0 regulär ist (und umgekehrt).
Lemma A.2.2.
• dA0 ≤ dim A0 ;
• Ist dA0 < dim A0 , so ist dim ΣA0 = dim A0 ;
• Ist A0 irreduzibel, so ist dA0 = dim A0 .
Beweis. Sei A0 ein Raumkeim und U und V = {x ∈ U : f1 (x) = · · · = fk (x) = 0}
so wie eben mit der Eigenschaft, daß (ΣV )0 = ΣA0 . (Insbesondere ist dann dV =
dA0 .) Ist U klein genug, so ist für x ∈ V nach Satz A.1.15 dim Vx ≤ dim V0 . Wähle
nun x ∈ MV . Dann ist dim Vx = dV und die erste Aussage folgt.
Für die zweite Aussage behaupten wir: Ist x ∈ V Mannigfaltigkeitspunkt mit
dim Vx < dV , so ist x ∈ ΣV . Wenn nämlich x ∈ V Mannigfaltigkeitspunkt ist,
0
0
gibt es Funktionen f10 , . . . , fn−dim
Vx definiert auf einer Umgebung U von x, so
daß die Jakobi-Matrix bei x vollen Rang hat. Man sieht leicht, daß die fi0 das
Nullstellenideal von Vx erzeugen. Das heißt (siehe Beweis von Lemma A.2.1), daß
für y ∈ V ∩ U 0 das mit den fi berechnete ρV,y kleiner oder gleich dem mit den fi0
berechneten ρV,y ist. Mit den fi0 erhält man aber gerade n − dim Vx , welches nach
Voraussetzung kleiner als n − dV = ρV ist, also x ∈ ΣV .
Angenommen nun, daß dA0 < dim A0 . Nach Satz A.1.17 gilt, daß jede Umgebung von 0 einen regulären Punkt x der Dimension dim A0 enthält. Nach voriger Behauptung folgt x ∈ ΣV . Mit anderen Worten enthält jede Umgebung
von 0 einen Punkt aus ΣV , welcher die Dimension dim A0 hat. Damit hat nach
Satz A.1.15 aber (ΣV )0 mindestens die Dimension dim A0 , mit anderen Worten ist
dim(ΣV )0 = dim A0 .
Die dritte Aussage folgt offenbar aus den beiden anderen.
Lemma A.2.3. Sei wieder V = {x ∈ U : f1 (x) = · · · = fk (x) = 0} und h : V → R
eine reell-analytische Funktion. Dann ist die Menge der kritischen Punkte von h|MV
gleich dem Durchschnitt von MV mit der reell-analytischen Menge aller x ∈ U mit


∂h/∂x1 (x) · · · ∂h/∂xn (x)
∂f1 /∂x1 (x) · · · ∂f1 /∂xn (x)


rang 
 < ρV + 1.
..
..
..


.
.
.
∂fk /∂x1 (x) · · · ∂fk /∂xn (x)
A.3 Die Zusammenhangskomponenten semi-analytischer Mengen
55
Beweis. Die Aussage ist lokal bzgl. MV . Also wähle x ∈ MV und nehme dann
o.B.d.A. U als so kleine Umgebung von x an, daß nach evtl. reell-analytischem
Koordinatenwechsel von U gilt MV = {y ∈ U : y1 = · · · = yρV = 0}. Da die fi auf
MV verschwinden,
folgt dann ∂fi /∂xj = 0 für j > ρV . Da der Rang der Matrix
∂fi /∂xj aber auf MV gleich ρV ist, müssen die ersten ρV Spalten dieser Matrix
linear unabhängig sein. Nun hat die vergrößerte Matrix


∂h/∂x1 · · · ∂h/∂xn
∂f1 /∂x1 · · · ∂f1 /∂xn 




..
..
.
.


.
.
.
∂fk /∂x1 · · · ∂fk /∂xn
in x den gleichen Rang ρV genau dann, falls ∂h/∂xρV +1 (x) = · · · = ∂h/∂xn (x) = 0,
mit anderen Worten genau dann, falls x kritischer Punkt von h|MV ist.
A.3
Die Zusammenhangskomponenten
analytischer Mengen
semi-
Der entscheidende Schritt für den Beweis des Kurven-Auswahl-Lemmas sind Aussagen über die Zusammenhangskomponenten der Differenzmenge zweier reellanalytischer Mengen. Bevor wir dazu kommen, erst einmal ein paar vorbereitende
Lemmata.
Lemma A.3.1. Sei U ⊂ Rn offen und zusammenhängend, f : U → R reellanalytisch, nicht identisch 0, und A = {x ∈ U : f (x) = 0}. Dann ist U \ A dicht
in U .
Beweis. Sei dazu x ∈ A, V ⊂ U eine Umgebung von x. Wir müssen zeigen, daß
V einen Punkt aus U \ A enthält. Angenommen, daß nicht, dann wäre f in einer
ganzen Umgebung von x gleich 0, was nicht dem Identitätssatz nicht sein kann.
Lemma A.3.2. Sei U ⊂ Rn offen, A ⊂ U reell-analytisch mit dim A < n. Dann
ist U \ A dicht in U .
Beweis. Sei x ∈ U , W ⊂ U eine Umgebung von x. Wir müssen zeigen, daß W einen
Punkt aus U \ A enthält. O.B.d.A. sei W zusammenhängend und A ∩ W = {y ∈
W : f1 (y) = · · · = fk (y) = 0} für f1 , . . . , fk reell-analytisch auf W . Da dim A < n
ist insbesondere dim Ax < n, also ist A ∩ W 6= W . Dann muß aber eine Funktion
fν nicht identisch 0 sein, und die Behauptung folgt aus vorigem Lemma.
Man zeigt leicht, daß für eine Teilmenge A eines topologischen Raumes gilt: Ist
A zusammenhängend, so auch der Abschluß A. Insbesondere folgt daraus, daß die
Zusammenhangskomponenten eines topologischen Raumes abgeschlossen sind.
Als Folgerung daraus erhalten wir:
56
A Anhang: Das Kurven-Auswahl-Lemma
Lemma A.3.3. Sei X ein topologischer Raum und A ⊂ X eine dichte Teilmenge,
welche endlich viele Zusammenhangskomponenten hat. Dann hat auch X endlich
viele Zusammenhangskomponenten.
Beweis. Sind Ai (i = 1, . . . , k) die Zusammenhangskomponenten von A, so ist
X = A = A1 ∪ · · · ∪ Ak ebenfalls Vereinigung endlich vieler zusammenhängender
Teilmengen und die Behauptung folgt.
Für das folgende Lemma sei erinnert, daß ein topologischer Raum X lokal
zusammenhängend heißt, falls jedes x ∈ X beliebig kleine zusammenhängende
Umgebungen besitzt. In einem lokal zusammenhängenden Raum sind daher die
Zusammenhangskomponenten auch offen.
Weiterhin heißt eine Familie (Ai )i∈I von Teilmengen von X lokal endlich, falls
jedes x eine Umgebung U besitzt, die nur endlich viele der Ai trifft.
Lemma A.3.4. Sei X ein topologischer Raum. Für eine Teilmenge A ⊂ X sind
dann äquivalent:
(i) Für jedes x ∈ X existieren beliebig kleine Umgebungen U von x, so daß A∩U
endlich viele Zusammenhangskomponenten hat.
(ii) Für jedes x ∈ X existieren beliebig kleine offene Umgebungen U von x, so
daß A ∩ U endlich viele Zusammenhangskomponenten hat.
(iii) A ist lokal zusammenhängend, und für jede offene Teilmenge O ⊂ X ist die
Familie der Zusammenhangskomponenten von A ∩ O lokal endlich in O.
Weiterhin gilt: Erfüllen A ⊂ X und B ⊂ X die obigen äquivalenten Bedingungen, so auch A ∪ B ⊂ X.
Beweis. (ii) ⇒ (i)“ ist trivial.
”
(i) ⇒ (iii)“: Sei also (i) erfüllt. A ist lokal zusammenhängend: Ist x ∈ A und W ei”
ne vorgegebene Umgebung von x, so existiert nach Voraussetzung eine Umgebung
U ⊂ W von x, so daß A ∩ U endlich viele Zusammenhangskomponenten hat. Dann
sind die Zusammenhangskomponenten von A∩U offen in A∩U (denn das Komplement einer Zusammenhangskomponente ist endliche Vereinigung abgeschlossener
Mengen, also abgeschlossen). Sei nun A0 diejenige Zusammenhangskomponente
von A ∩ U mit x ∈ A0 . Da diese offen ist, existiert ein U 0 ⊂ U offen in U , so
daß A ∩ U 0 = A0 . Also ist U 0 Umgebung von x mit U 0 ⊂ W , so daß A ∩ U 0
zusammenhängend ist.
Um die zweite Bedingung von (iii) zu zeigen, können wir o.B.d.A. O = X
annehmen, denn mit X erfüllt auch O Bedingung (i). Ist nun x ∈ X und U eine
Umgebung von x, so daß A ∩ U endlich viele Zusammenhangskomponenten hat,
so gilt insbesondere, daß U nur endlich viele Zusammenhangskomponenten von A
trifft.
(iii) ⇒ (ii)“: Sei also (iii) erfüllt, x ∈ X und W eine vorgegebene Umgebung.
”
O.B.d.A. sei W offen. Nach (iii) folgt (mit O = W ), daß eine Umgebung U von
x existiert, die nur endlich viele Zusammenhangskomponenten von A ∩ W trifft.
A.3 Die Zusammenhangskomponenten semi-analytischer Mengen
57
Diese seien mit A1 , . . . , Ak bezeichnet. Dabei können wir U offen wählen. Da A nach
Voraussetzung lokal zusammenhängend ist und damit auch A ∩ W , sind A1 , . . . , Ak
offen in A ∩ W ; es existieren also offene Teilmengen U i ⊂ W mit A ∩ U i = Ai
(i = 1, . . . , k). Nun setze Ũ = U ∪ U 1 ∪ · · · ∪ U k . Dann ist Ũ offene Umgebung
von x mit Ũ ⊂ W und es gilt A ∩ Ũ = A1 ∪ · · · ∪ Ak , also hat A ∩ Ũ endlich viele
Zusammenhangskomponenten.
Zum Beweis der letzten Aussage: Es sei x ∈ X und U und V seien Umgebungen
von x, so daß sowohl A∩U als auch B ∩V endlich viele Zusammenhangskomponenten haben. Setze W = (U ∩V )∪(A∩U )∪(B∩V ). Dann ist W Umgebung von x, und
(A ∪ B) ∩ W = (A ∩ U ) ∪ (B ∩ V ) hat endlich viele Zusammenhangskomponenten.
Mit U und V kann auch W beliebig klein gewählt werden.
Das Ziel der folgenden Betrachtungen ist zu zeigen, daß semianalytische Mengen
die Bedingungen des vorigen Lemmas erfüllen. Wir werden Schritt für Schritt auf
dieses Ziel zusteuern.
Satz A.3.5. Sei U ⊂ Rn offen und zusammenhängend, f : U → R reell-analytisch,
nicht identisch 0, und A = {x ∈ U : f (x) = 0}.
Dann gibt es für jedes x ∈ U beliebig kleine offene Umgebungen W ⊂ U von x,
so daß W \ A endlich viele Zusammenhangskomponenten hat.
Beweis. Sei also x ∈ U ; o.B.d.A. sei x = 0. Wir können weiter annehmen, daß
0 ∈ A (also f (0) = 0), sonst können wir W so wählen, daß es A garnicht trifft.
Wir beweisen induktiv über n. Der Fall n = 1 ist trivial.
Sei also die Behauptung für reell-analytische Teilmengen des Rn−1 (welche
durch eine Funktion definiert sind) schon bewiesen. Wir können nach dem Weierstraß’schen Vorbereitungssatz annehmen, daß
f (x) =
xpn
+
p
X
aν (x1 , . . . , xn−1 )xnp−ν
ν=1
ein ausgezeichnetes Polynom ist. Weiter können wir annehmen, daß f keine vielfachen Faktoren hat (als Polynom in ORn−1 [xn ]), da die Aussage sich ja nur auf
die Menge A bezieht. Das bedeutet, daß die Diskriminante δ ∈ ORn−1 von f nicht
identisch verschwindet. Nach der Induktionsvoraussetzung können wir nun beliebig
kleine offene Umgebungen W 0 ⊂ Rn−1 von 0 finden (W 0 ⊂ U 0 := U ∩ Rn−1 ), so daß
W 0 \ {x0 ∈ U 0 : δ(x0 ) = 0} endlich viele Zusammenhangskomponenten hat. Seien
diese mit W10 , . . . , Wk0 bezeichnet.
Sei nun I ein offenes Intervall um 0, so daß aus x0 ∈ W 0 und f (x0 , xn ) = 0
folgt, daß xn ∈ I. Da f ausgezeichnetes Polynom ist, können wir, falls wir W 0
nötigenfalls noch verkleinern, auch I beliebig klein wählen. (Denn f (0, xn ) = xqn
für ein q ≥ 0, so daß für x0 in der Nähe von 0 auch die Nullstellen von f (x0 , ·) in der
Nähe von 0 liegen.) Setze dann W = W 0 × I. Setze B = A ∪ {x ∈ U : δ(x0 ) = 0}.
Wir zeigen zunächst, daß W \ B endlich viele Zusammenhangskomponenten hat.
Auf jedem Wν0 ist δ(x0 ) 6= 0, also ist, da Wν0 zusammenhängend ist, die Anzahl
pν der Nullstellen des Polynoms f (x0 , xn ) (x0 fest) unabhängig von x0 . Werden
58
A Anhang: Das Kurven-Auswahl-Lemma
diese mit rν,1 (x0 ) < · · · < rν,pν (x0 ) bezeichnet, so bilden diese offenbar stetige
Funktionen auf Wν0 . Setzen wir noch rν,0 = −∞ und rν,pν +1 = ∞, so sind die
Zusammenhangskomponenten von W \ B offensichtlich die Mengen
Wν,j = {x ∈ U : x0 ∈ Uν , rν,j < xn < rν,j+1 } 1 ≤ ν ≤ k, 0 ≤ j ≤ pν .
Nun gilt aber wegen Lemma A.3.1, daß W \ B dicht in W \ A liegt (denn W 0 \ {x0 ∈
U 0 : δ(x0 ) = 0} ist nach diesem Lemma dicht in W 0 , also ist auch W \ {x ∈ U :
δ(x0 ) = 0} dicht in W und durch Schnitt mit der offenen Teilmenge W \ A erhalten
wir die Behauptung), also folgt nach Lemma A.3.3 die Behauptung.
Korollar A.3.6. Sei U ⊂ Rn offen und A ⊂ U reell-analytisch. Dann gibt es für
jedes x ∈ U beliebig kleine offene Umgebungen W ⊂ U von x, so daß W \A endlich
viele Zusammenhangskomponenten hat.
Beweis. Wir können o.B.d.A. durch Verkleinern von U annehmen, daß U zusammenhängend ist, daß A = {x ∈ U : f1 (x) = · · · = fk (x) = 0} mit reell-analytischen
Funktionen f1 , . . . , fk ist, und daß kein fν identisch auf U verschwindet. Nun ist
U \A=
k
[
U \ {x ∈ U : fν (x) = 0},
ν=1
und die Behauptung folgt aus dem vorigen Satz und Lemma A.3.4.
Nun sind wir bereit, das folgende Theorem zu zeigen:
Theorem A.3.7. Es sei U ⊂ Rn offen und A, B seien analytische Teilmengen von
U . Sei p = dim A. Gilt dann, daß jeder Punkt aus A \ B regulär von der Dimension
p ist, so gibt es für jedes x ∈ U beliebig kleine Umgebungen W ⊂ U , so daß so daß
(A \ B) ∩ W endlich viele Zusammenhangskomponenten hat.
Beweis. Wieder sei x ∈ U , o.B.d.A. x = 0. Wir fassen U als offene Umgebung von
x auf und werden im Verlauf des Beweises U verkleinern, was wir offenbar o.B.d.A.
tun können.
Wir können zunächst o.B.d.A. annehmen, daß 0 ∈ A und dim A0 = p. Wäre
0∈
/ A, so könnten wir eine Umgebung finden, die A nicht trifft. Wäre zwar 0 ∈ A,
aber dim A0 < p, so gäbe es eine ganze Umgebung von x, auf der die Dimension
kleiner p ist (siehe Satz A.1.15), so daß diese Umgebung A \ B nicht treffen kann.
In beiden Fällen wäre dann nichts zu zeigen.
Wir können weiter o.B.d.A. annehmen, daß 0 ∈ B. Sonst können wir o.B.d.A.
U so verkleinern, daß es B nicht trifft, d.h. A ist dann auf ganz U regulär. Aber
ist A reell-analytische Mannigfaltigkeit und B leer, so ist das TheoremSklar.
Weiterhin können wir annehmen, daß A0 irreduzibel ist. Denn ist ki=1 Ai0 die
Zerlegung in irreduzible Komponenten von A0 , so gibt es, falls U genügend
klein
Sk
i
i
i
i
ist, reell-analytische Teilmengen A von U mit (A )0 = A0 und A = i=1 A . Dann
S
ist A \ B = ki=1 (Ai \ B) und nach Lemma A.3.4 folgt die Aussage für A \ B aus
den Aussagen für die Ai \ B. (Man beachte, daß für jedes i auch alle Punkte aus
Ai \ B regulär von Dimension p sind.)
A.3 Die Zusammenhangskomponenten semi-analytischer Mengen
59
Sei also A0 irreduzibel von Dimension p. Dann können wir zunächst weiter
annehmen, daß dim B < p, denn wäre dim B0 = p, so wäre B0 = A0 (siehe Satz
A.1.18) und es wäre nichts zu zeigen. Also können wir dim B0 < p annehmen, und
dann nach Satz A.1.15 auch dim B < p annehmen.
Nun können wir Satz A.1.16 benutzen. Wir können also o.B.d.A. annehmen,
daß U = U 0 ×U 00 mit U 0 ⊂ Rp , U 00 ⊂ Rn−p , so daß die Einschränkung der Projektion
π : A → U 0 eigentlich mit endlichen Fasern ist und π0∗ : ORp → ORA0 endlich ist (nach
der Bemerkung nach Satz A.1.16).
Nun betrachte die Komplexifizierungen Ã0 und B̃0 . Wähle eine kleine Umgebung Ũ (in Cn ) von 0, so daß (nach evtl. Verkleinerung von U ) U = Ũ ∩Rn und Repräsentanten S, T von Ã0 und B̃0 auf Ũ existieren. Wieder können wir Ũ = Ũ 0 × Ũ 00
mit Ũ 0 ⊂ Cp , Ũ 00 ⊂ Cn−p annehmen und π̃ : S → Ũ 0 (π̃ wieder die Einschränkung
der Projektion) betrachten. Dann ist π̃0∗ endlich (im komplexen Sinn) und injektiv aufgrund der Definition der Komplexifizierung. Nach der komplexen Theorie
können wir nun annehmen, daß, falls Ũ entsprechend klein ist, π̃ : S → Ũ 0 endlich und eine verzweigte Überlagerung ist, genauer: Es existiert ein α : Ũ 0 → C
holomorph, nirgends identisch 0, so daß mit D̃ = {z ∈ Ũ 0 : α(z) = 0} gilt: Die Einschränkung von π̃ auf π̃ −1 (Ũ \ D̃) → Ũ \ D̃ ist unverzweigte und endlich-blättrige
(holomorphe) Überlagerung. (Siehe z.B. Kaup-Kaup [4]: Local characterisation
of finite morphisms (45.4), Open Lemma (45.12) und Representation Theorem for
Prime Germs (46.1) — man beachte, daß S0 nach Satz A.1.10 irreduzibel ist.) Bei
dieser Argumentation kann Ũ beliebig klein gewählt werden, das heißt im weiteren Verlauf des Beweises können wir weiterhin U verkleinern, falls nötig. Setze
dann D = D̃ ∩ Rp . Dann ist D niederdimensionale, reell-analytische Teilmenge von
U 0 . Ferner ist weiterhin die Einschränkung von π auf π −1 (U 0 \ D) → U 0 \ D eine
(endlich-blättrige) unverzweigte Überlagerung.
Wenn wir evtl. U noch weiter verkleinern, gilt: π(B) ist niederdimensionale
reell-analytische Teilmenge von U 0 . Denn nach dem endlichen Abbildungssatz (aus
der komplexen Theorie) ist π̃(T ) wieder komplex-anaytische Teilmenge der gleichen
Dimension wie T . Aber dimC T0 = dim B0 < p. Ist also Ũ genügend klein, so ist
auch dimC T < p und damit auch dimC π̃(T ) < p. Da aber π(B) = π̃(T ) ∩ Rp ,
ist auch π(B) reell-analytisch und niederdimensional (denn die Komplexifizierung
^y von π(B)y für ein y ∈ π(B) ist in π̃(T )y enthalten und dimC π(B)
^y =
π(B)
dim π(B)y nach Satz A.1.14).
Setze nun E := π(B) ∪ D und C := π −1 (E). Dann ist E reell-analytische
Teilmenge von U 0 und C reell-analytische Teilmenge von U . Es ist aber wieder
C = C̃ ∩ Rn , wenn wir Ẽ := π̃(T ) ∪ D̃ und C̃ := π̃ −1 (Ẽ) setzen. Die Einschränkung
π̃|C̃ : C̃ → Ẽ ist aber wieder endlich, also ist nach der gleichen Argumentation wie
eben dim C < p.
Nach obigem Korollar wissen wir nun, daß beliebig kleine Umgebungen W 0 ⊂ U 0
von 0 existieren, so daß W 0 \E endlich viele Zusammenhangskomponenten hat. Also
hat nach evtl. Verkleinerung von U o.B.d.A U 0 \ E endlich viele Zusammenhangskomponenten. Setzen wir H := π −1 (U 0 \ E), so ist π|H : H → U 0 \ E immernoch
endlich-blättrige, unverzweigte Überlagerung. Da nun U 0 \ E 0 endlich viele Zusam-
60
A Anhang: Das Kurven-Auswahl-Lemma
menhangskomponenten hat, hat dies dann auch H.
Wir behaupten nun, daß H dicht in A \ B liegt, womit dann nach Lemma A.3.3
das Theorem bewiesen wäre. Oben hatten wir aber gesehen, daß dim C < p, und
jeder Punkt aus A \ B ist nach Voraussetzung regulär von der Dimension p. Daher
folgt die Dichtheit aus Lemma A.3.2.
Als Folgerung erhalten wir:
Satz A.3.8. Sei U ⊂ Rn offen und Z ⊂ U semi-analytisch. Dann hat jeder Punkt
x ∈ U beliebig kleine offene Umgebungen W ⊂ U , so daß Z ∩ W endlich viele
Zusammenhangskomponenten hat.
Beweis. Wir beweisen diese Aussage zunächst für folgenden Fall: Z = A \ B mit
A, B ⊂ U reell-analytisch.
Wie im Beweis zuvor fixiere wieder x ∈ U , o.B.d.A. x = 0, und fasse U als offene
Umgebung von x auf, die wir im Verlauf des Beweises nötigenfalls verkleinern.
Wir können nach Lemma A.3.4 o.B.d.A. annehmen, daß A
ist.
S0k irreduzibel
i
Sonst wähle wie im vorigen Theorem U so klein, daß A = i=1 A mit reellanalytischen Teilmengen Ai von U ist, für die (Ai )0 irreduzibel ist. Da
A\B =
k
[
Ai \ B,
i=1
folgt nach Lemma A.3.4 die Behauptung für A \ B aus den Behauptungen für die
Ai \ B (i = 1, . . . , k).
Wir beweisen nun mittels Induktion über dim A0 .
Für dim A0 = 0 ist nichts zu zeigen, da dann 0 isolierter Punkt von A ist. Sei
also dim A0 = p und das Theorem für kleinere Dimensionen bereits gezeigt.
Nun verkleinern wir U so weit, daß A = {x ∈ U : f1 (x) = · · · = fl (x) = 0} und
(ΣA )0 = ΣA0 . Nach Lemma A.2.2 ist dann A \ ΣA reell-analytische Mannigfaltigkeit der reinen Dimension p. Ferner ist dim(ΣA )0 < p (da wir A0 als irreduzibel
angenommen haben). Nach dem vorigen Theorem erfüllt nun A \ (B ∪ ΣA ) die Behauptung und nach Induktionsvoraussetzung auch ΣA \ B. Wiederum
mit Lemma
A.3.4 folgt die Behauptung für A \ B = A \ (B ∪ ΣA ) ∪ ΣA \ B .
Nun sei Z allgemein semi-analytisch. Verkleinere U soweit, daß
Z = {x ∈ U : f1 (x) = · · · = fk (x) = 0, g1 (x) > 0, . . . , gl (x) > 0}.
Dann ist Z offen und abgeschlossen in
Z 0 = {x ∈ U : f1 (x) = · · · = fk (x) = 0, g1 (x) 6= 0, . . . , gl (x) 6= 0},
und diese Menge ist Differenzmenge zweier reell-analytischer Mengen, d.h. für Z 0
gilt die Behauptung. Als offene und abgeschlossene Teilmenge ist aber die Familie
der Zusammenhangskomponenten von Z Teilfamilie derjenigen von Z 0 und nach
Lemma A.3.4 (Teil (iii) der Äquivalenz) erfüllt mit Z 0 auch Z die Behauptung.
A.3 Die Zusammenhangskomponenten semi-analytischer Mengen
61
Mit Hilfe dieses Satzes werden wir gleich Aussagen über die kritischen Werte
reell-analytischer Funktionen erhalten. Zunächst noch ein vorbereitendes Lemma
dazu.
Im folgenden soll die Sprechweise M ⊂ U ist semi-analytische Mannigfal”
tigkeit“ bzw. M ist semi-analytische Mannigfaltigkeit bezüglich U“ (für U ⊂ Rn
”
offen) folgendes bedeuten: M ist reell-analytische Mannigfaltigkeit, d.h. es existiert
eine offene Teilmenge V ⊂ U , so daß M (reell-analytische) Untermannigfaltigkeit
von V ist, und M ist semianalytisch bezüglich U . (Es ist also nicht gefordert, daß
M Untermannigfaltigkeit von U ist.)
Lemma A.3.9. Es sei U ⊂ Rn offen und Z ⊂ U semi-analytisch. Dann hat jeder
Punkt x ∈ U beliebig kleine offene Umgebungen W ⊂ U , so daß Z ∩ W disjunkte
Vereinigung endlich vieler bezüglich W semi-analytischer Mannigfaltigkeiten ist.
Beweis. Wieder fixieren wir ein x ∈ U , o.B.d.A. x = 0, und fassen U als offene
Umgebung von x auf, die wir im Verlauf des Beweises verkleinern.
Wir zeigen die Behauptung zunächst für Z = A ⊂ U reell-analytisch. Dabei
können wir wieder annehmen, daß 0 ∈ A, sonst ist nichts zu zeigen. Wir beweisen
nun per Induktion über dim A0 . Für dim A0 = 0 ist die Aussage trivial.
Sei also dim A0 = p und das Theorem für kleinere Dimensionen bereits gezeigt.
Für das folgende beachte man, daß die zu zeigende Eigenschaft erhalten bleibt,
wenn wir auf offene Mengen herunterschneiden, da wir hier nicht auf Fragen des
Zusammenhangs eingehen.
S
Wähle wieder U so klein, so daß A = ki=1 Ai mit reell-analytischen Teilmengen
Ai von U , für die (Ai )0 irreduzibel ist. Setze nun
S :=
k
[
Ai ∩ Aj
i,j=1
i6=j
und betrachte nun die disjunkte Zerlegung
A=
k
[
(Ai \ S) ∪ S.
i=1
Nach Induktionsvoraussetzung ist (da dim S0 < p) nach evtl. Verkleinerung von U
die Menge S disjunkte Vereinigung endlich vieler semi-analytischer Mannigfaltigkeiten. Wir müssen daher nur noch zeigen, daß (wiederum nach evtl. Verkleinerung
von U ) für jedes i = 1, . . . , k die Menge Ai \ S disjunkte Vereinigung endlich vieler
semi-analytischer Mannigfaltigkeiten ist. Dazu reicht es wiederum, dies für Ai zu
zeigen, da Ai \ S offen in Ai liegt, und ferner die Differenz einer semianalytischen
Menge und einer analytischen Menge wieder semianalytisch ist.
Setze pi = dim Ai0 . Für die i mit pi < p können wir wieder die Induktionsvoraussetzung benutzen.
Indem wir die Ai wieder A nennen, können daher o.B.d.A. annehmen, daß A0
irreduzibel ist (und weiterhin dim A0 = p ist). Nun verkleinern wir U so weit, daß
62
A Anhang: Das Kurven-Auswahl-Lemma
A = {y ∈ U : f1 (y) = · · · = fm (y) = 0} und (ΣA )0 = ΣA0 . Nach Lemma A.2.2 ist
dann A \ ΣA reell-analytische Mannigfaltigkeit der reinen Dimension p. Ferner ist
dim(ΣA )0 < p. Betrachte nun wieder die disjunkte Zerlegung
A = A \ ΣA ∪ ΣA .
Auf ΣA können wir wieder die Induktionsvoraussetzung anwenden und A \ ΣA
ist bereits Mannigfaltigkeit und als Differenz zweier analytischer Mengen semianalytisch.
Sei nun Z beliebige semi-analytische Menge. Ist U klein genug, läßt sich dann
Z schreiben als
Z = {y ∈ A : g1 (y) > 0, . . . , gl (y) > 0}
mit A ⊂ U reell-analytisch und g1 , . . . , gl reell-analytische Funktionen auf U . Wie
wir eben zeigten, ist A disjunkte Vereinigung endlich vieler semi-analytischer Mannigfaltigkeiten, und damit auch Z (da wiederum Z offen in A ist und mit reellanalytischen Ungleichungen runtergeschnittene semi-analytische Mengen wieder
semi-analytisch sind).
Mit Hilfe dieses Lemmas und Satz A.3.8 erhalten wir nun folgenden Satz, der
wie versprochen eine Aussage über die kritischen Werte einer reell-analytischen
Funktion macht.
Satz A.3.10. Sei wieder V = {x ∈ U : f1 (x) = · · · = fk (x) = 0} und h : V → R
eine reell-analytische Funktion. Ist x ∈ V , so existieren beliebig kleine Umgebungen
W von x, s.d. h|MV ∩W nur endlich viele kritische Werte hat.
Beweis. Nach Lemma A.2.3 ist die Menge C der kritischen Punkte von h|MV
gleich einer Differenz Z \ ΣV reell-analytischer Teilmengen von U , d.h. C ist semianalytisch. Nach dem vorigen Lemma hat daher x eine offene Umgebung W̃ , s.d.
C ∩ W̃ = M1 ∪ · · · ∪ Mm , wobei die Mi bezüglich W̃ semi-analytische Mannigfaltigkeiten sind, und die Vereinigung disjunkt ist. Weiter existiert nach Satz A.3.8 für
jedes i = 1, . . . , m eine offene Umgebung Wi ⊂ W̃ von x, so daß Mi ∩ Wi endlich
viele Zusammenhangskomponenten hat. Setze W = W1 ∩ · · · ∩ Wm .
Ist nun y ∈ Mi , also kritischer Punkt von h|MV , so ist y erst recht kritischer
Punkt von h|Mi . Also sind alle Punkte y ∈ Mi kritische Punkte von h|Mi , d.h. h|Mi
ist lokal konstant.
Daher nimmt h|Mi ∩Wi und damit erst recht h|Mi ∩W nur endlich viele Werte an,
und damit auch h|C∩W .
Korollar A.3.11. V wie eben, x ∈ V sei entweder in MV oder isolierter Punkt
von ΣV . Ist dann ε > 0 hinreichend klein, so ist der Schnitt V ∩ Sε (mit Sε = {y ∈
U : ky − xk = ε} reell-analytische Mannigfaltigkeit.
Beweis. Setze h(y) = ky − xk2 . Nach vorigem Korollar hat x eine Umgebung
W , s.d. h|MV ∩W nur endlich viele kritische Werte hat. Wähle ε nun so klein, daß
B ε ⊂ W (B ε = {y ∈ U : ky − xk ≤ ε}), ε2 kleiner als alle kritischen Werte von
h|MV ∩W ist, und Sε ∩ ΣV = ∅. Dann ist ε2 regulärer Wert von h|MV ∩W , also ist
h−1 (ε2 )∩MV ∩W reell-analytische Mannigfaltigkeit und nach Voraussetzung gleich
V ∩ Sε .
A.4 Der Beweis des Kurven-Auswahl-Lemmas
63
Bemerkung. Offenbar läßt sich obenstehender Beweis auf folgende Situation ausdehnen: V wie eben, x ∈ V und W ⊂ U offen, so daß x ∈
/ ΣV ∩ W . Dann ist für
hinreichend kleines ε > 0 der Schnitt V ∩W ∩Sε reell-analytische Mannigfaltigkeit.
A.4
Der Beweis des Kurven-Auswahl-Lemmas
Zunächst sei die zu beweisende Aussage noch einmal wiederholt:
Theorem A.4.1. Sei U eine offene Umgebung von p ∈ Rn und f1 , . . . , fk , g1 , . . . , gl
reell-analytische Funktionen auf U , so daß p enthalten ist im Abschluß von Z :=
{x ∈ U : f1 (x) = · · · = fk (x) = 0, g1 (x) > 0, . . . , gl (x) > 0}. Dann existiert eine
reell-analytische Kurve γ : [0, δ[→ U mit γ(0) = p und γ(t) ∈ Z für t ∈]0, δ[.
Wir bezeichnen weiterhin mit V := {x ∈ U : f1 (x) = · · · = fk (x) = 0} die
durch die fi definierte reell-analytische Menge. Offenbar muß, da V abgeschlossen
ist, nach Voraussetzung p ∈ V gelten.
Wir wollen eine etwas stärkere Version des Kurven-Auswahl-Lemmas zeigen:
Theorem A.4.2. U , p, f1 , . . . , fk , g1 , . . . , gl und Z seien wie eben. Ist dann Z̃ eine
Zusammenhangskomponente von Z, so daß p im Abschluß von Z̃ liegt, so existiert
eine reell-analytische Kurve γ : [0, δ[→ U mit γ(0) = p und γ(t) ∈ Z̃ für t ∈]0, δ[.
Daraus folgt die obige Version des Kurven-Auswahl-Lemmas: Wir hatten gesehen (Satz A.3.8), daß Z nahe p nur endlich viele Zusammenhangskomponenten
hat. Liegt also p im Abschluß von Z, so muß (da Abschluß-Bildung mit endlichen
Vereinigungen kommutiert) eine Zusammenhangskomponente Z̃ von Z existieren,
so daß p im Abschluß von Z̃ liegt.
Nun also zum Beweis des Kurven-Auswahl-Lemmas in der stärkeren Version.
Im folgenden nehmen wir o.B.d.A. p = 0 an.
Für den Beweis können wir offenbar U wenn nötig verkleinern. Ferner können
wir, da es sich nur um eine Aussage über die Menge Z handelt, die die Menge
Z beschreibenden Funktionen ändern, solange sich dadurch Z nicht ändert. Aus
diesem Grund können wir o.B.d.A. nach evtl. Verkleinerung von U annehmen, daß
die Funktionskeime (f1 )0 , . . . , (fk )0 das Nullstellenideal I(V0 ) erzeugen, und daß
weiter (wie oben beschrieben) (ΣV )0 = ΣV0 .
Weiterhin können wir durch einen linearen Koordinatenwechsel o.B.d.A. annehmen, daß Z̃ einen Punkt x = (x1 , . . . , xn ) enthält, für den keine Koordinate
verschwindet (also xi 6= 0 für alle i).
Die Idee des Beweises ist nun, Schritt für Schritt V durch ein kleineres V 0 zu
ersetzen, so daß immer noch 0 im Abschluß von Z̃ ∩ V 0 liegt. Dies tut man so lange,
bis man beim Fall dim V0 = 1 ankommt. Für diesen Fall wird die Aussage dann
direkt bewiesen.
Wir können zunächst V0 als irreduzibel annehmen. Ist V0 reduzibel, so ist V0 =
1
V0 ∪ V02 , wobei die V0i zwei reell-analytische Mengenkeime sind, beide ungleich V0 .
Ist U genügend klein, überträgt sich dies auf eine Zerlegung V = V 1 ∪ V 2 . Dann
können wir als V 0 entweder V1 oder V2 wählen.
64
A Anhang: Das Kurven-Auswahl-Lemma
Mit dieser Annahme gilt nun wegen Lemma A.2.2, daß dV = dim V0 .
Weiter dürfen wir annehmen, daß Z̃ die Menge ΣV nach eventueller Verkleinerung von U nicht trifft. Wäre dies nicht der Fall, so könnten wir ΣV als V 0
wählen.
Wir setzen nun:
r(x) := kxk2
und g(x) := g1 (x) · · · gl (x)
Mit diesen Funktionen machen wir
aller x ∈ V mit

∂r/∂x1 (x)
 ∂g/∂x1 (x)


rang ∂f1 /∂x1 (x)

..

.
∂fk /∂x1 (x)
nun folgende Konstruktion: Sei V 0 die Menge

· · · ∂r/∂xn (x)
· · · ∂g/∂xn (x) 

· · · ∂f1 /∂xn (x)
 < ρV + 2.

..
..

.
.
· · · ∂fk /∂xn (x)
Wir zeigen, daß 0 im Abschluß von V 0 ∩ Z̃ liegt.
Nach Voraussetzung existieren beliebig kleine ε > 0, so daß Sε ∩ Z̃ 6= ∅ (Sε =
{x ∈ Rn : kxk = ε}). Setze für ein solches ε
K = {x ∈ V ∩ Sε : g1 (x) ≥ 0, . . . , gl (x) ≥ 0} .
Weiterhin sei K̃ der Abschluß von Z̃ in K. K̃ ist kompakt, also muß g dort ein
Maximum in einem Punkt x0 annehmen. Dann ist offenbar x0 ∈ Z, da g(x0 ) > 0
sein muß. Weiterhin ist x0 in Z̃: Das folgt daraus, daß der Abschluß einer Zusammenhangskomponente einer Teilmenge eines topologischen Raumes die anderen
Zusammenhangskomponenten nicht trifft. Also kann in unserem Fall x0 in keiner
anderen Zusammenhangskomponente von Z liegen, muß also in Z̃ liegen. Wir zeigen, daß auch x0 ∈ V 0 , was die Behauptung dann zeigt.
Nach Korollar A.3.11 (genauer nach der Bemerkung nach dem Korollar) ist der
Schnitt Z̃ ∩ Sε reell-analytische Mannigfaltigkeit, falls ε hinreichend klein ist (da
wir angenommen haben, daß Z̃ und ΣV sich nicht treffen und Z̃ offen in V ist (nach
Satz A.3.8 und A.3.4 ist Z lokal zusammenhängend, daher ist Z̃ offen in Z, und Z
ist wiederum offen in V )). Offenbar hat diese die Dimension dim MV −1 = n−ρV −1,
also haben wir


∂r/∂x1 (x) · · · ∂r/∂xn (x)
∂f1 /∂x1 (x) · · · ∂f1 /∂xn (x)


rang 
 = ρV + 1
..
..
.
.


.
.
.
∂fk /∂x1 (x) · · · ∂fk /∂xn (x)
für alle x ∈ Z̃ ∩ Sε . Nun sind die kritischen Punkte von g|Z̃∩Sε gerade die Punkte
von Z̃ ∩ Sε , welche in V 0 liegen (siehe Beweis von Lemma A.2.3). Da aber nun
g|Z̃∩Sε ein sein Maximum in x0 annimmt, ist x0 kritischer Punkt von g|Z̃∩Sε , liegt
also in V 0 .
A.4 Der Beweis des Kurven-Auswahl-Lemmas
65
Wir haben nun also wie gewünscht ein (vermeintlich) kleineres V 0 gefunden,
welches noch die Voraussetzungen erfüllt, es sei denn, es ist V 0 = V .
Die obige Kontruktion von V 0 können wir genauso durchführen mit der Funktion (x1 , . . . , xn ) 7→ xi g(x1 , . . . , xn ). Wir setzen also als Vi0 die Menge aller x ∈ V
mit


∂r/∂x1 (x)
···
∂r/∂xn (x)
∂(xi g)/∂x1 (x) · · · ∂(xi g)/∂xn (x)



∂f1 /∂xn (x) 
rang  ∂f1 /∂x1 (x) · · ·
 < ρV + 2.


..
..
.
.


.
.
.
∂fk /∂x1 (x) · · ·
∂fk /∂xn (x)
Ähnlich wie eben zeigt man, daß auch hier 0 im Abschluß von Vi0 ∩ Z̃ liegt: Man
wähle wieder ε und K̃ wie eben. Nun muß die Funktion xi g auf K̃ Maximum und
Minimum annehmen. Diese können aber nicht beide gleich Null sein, sonst wäre xi g
konstant gleich Null auf Z̃. Wir hatten aber angenommen, daß ein Punkt x ∈ Z̃
existiert mit xi 6= 0, und da g auf Z̃ ebenfalls ungleich Null ist, kann xi g nicht
konstant Null auf Z̃ sein. Damit hat man ein Extremum ungleich Null von xi g
gefunden und verfährt genauso wie oben, um zu zeigen, daß dieser Punkt in Vi0 ∩ Z̃
liegt.
Wenn nun also V 0 keine echte Teilmenge von V ist, so ist es vielleicht eins der
Vi0 , es sei denn, es ist V = V 0 = V10 = · · · = Vn0 . Wir behaupten, daß in diesem Fall
dV = 1 ist.
Wähle dazu ein x0 ∈ Z̃ wie eben mit


∂r/∂x1 (x0 ) · · · ∂r/∂xn (x0 )
∂f1 /∂x1 (x0 ) · · · ∂f1 /∂xn (x0 )


rang 
 = ρV + 1.
..
..
.
.


.
.
.
0
0
∂fk /∂x1 (x ) · · · ∂fk /∂xn (x )
Falls V = V 0 ist, so ist x0 ∈ V 0 , also gehört dg(x0 ) zum (ρV + 1)-dimensionalen
Vektorraum, der von {dr(x0 ), df1 (x0 ), . . . , dfk (x0 )} aufgespannt wird. Ist V = Vi0 , so
ist x0 ∈ Vi0 , also gehört auch d(xi g)(x0 ) zu diesem Vektorraum. Da aber
d(xi g)(x0 ) = dxi (x0 )g(x0 ) + x0i dg(x0 )
und g(x0 ) 6= 0, da x0 ∈ Z, folgt, daß auch dxi (x0 ) zu diesem Vektorraum gehört.
Da aber die dxi (x0 ) eine Basis des n-dimensionalen Vektorraums aller Differentiale
bei x0 formen, muß ρV + 1 = n sein, was zu zeigen war.
Ist also dV = dim V0 > 1, so können wir ein echt kleineres V 0 finden, welches
die Bedingungen des Satzes noch erfüllt. Da wir V0 als irreduzibel angenommen
haben, muß dim V00 < dim V0 sein. Steigen wir mit diesem kleineren V 0 wieder in
den Beweis ein, so können wir dies solange fortsetzen, bis wir beim Fall dim V0 = 1
ankommen.
Für diesen Fall gibt das folgende Lemma explizit an, wie V aussehen kann:
Lemma A.4.3. Sei A0 ein reell-analytischer Mengenkeim mit dim A0 = 1. Dann
gibt es einen Repräsentanten A ⊂ U ⊂ Rn , so daß A Vereinigung von endlich vielen
66
A Anhang: Das Kurven-Auswahl-Lemma
S
reell-analytischen Kurven, welche durch 0 verlaufen, ist, d.h. A = si=1 Ai , und
jedes Ai ist die Spur einer reell-analytischen Kurve σi :] − δ, δ[→ U mit σi (0) = 0.
Beweis. Wir betrachten dazu die Komplexifizierung Ã0 von A0 . Diese ist ebenfalls
eindimensional. Sei S ⊂ W ⊂ Cn ein Repräsentant von Ã0 . Ist W klein genug, ist
S ebenfalls eindimensional. Betrachte nun die Normalisierung π : Ŝ → S. Dann
ist Ŝ glatt und eindimensional, Ŝ \ π −1 (0) und S \ {0} sind isomorph (falls W
klein genug ist), und π −1 (0) ist endlich. Weiterhin können wir die Operation der
komplexen Konjugation von S auf Ŝ fortsetzen. Betrachten wir von dieser nun die
Fixpunktmenge und davon das Bild unter π erhalten wir nun einen Repräsentanten
A von A0 , welcher offenbar die angegebene Eigenschaft besitzt.
Mit dieser Beschreibung des eindimensionalen Falls können wir nun leicht das
Kurven-Auswahl-Lemma beweisen: Angenommen also, V sei Vereinigung endlich
vieler solcher Kurven, und 0 liege im Abschluß von Z̃, d.h. einer Zusammenhangskomponente der Menge aller x ∈ V mit g1 (x) > 0, . . . , gl (x) > 0. Dann muß
mindestens eine der Kurven Punkte aus Z̃ beliebig nahe von 0 enthalten. Sei
σ :] − δ, δ[→ U eine (reell-analytische) Parametrisierung dieser Kurve. Betrachte
nun für jedes i = 1, . . . , l die Funktion gi ◦ σ. Wegen des Identitätssatzes muß dann
gi (σ(t)) für t ∈]0, ε[ für ein ε > 0 entweder > 0 oder < 0 sein. Also muß σ(]0, ε[)
ist entweder komplett in Z enthalten sein, oder disjunkt von Z sein. Genauso für
σ(] − ε, 0[) (evtl. mit verkleinertem ε).
Da aber nun σ(] − ε, ε[) nach Annahme Punkte aus Z̃ beliebig nahe von 0
enthält, muß entweder σ(]0, ε[) oder σ(] − ε, 0[) in Z enthalten sein und einen
Punkt aus Z̃ enthalten. Wegen des Zusammenhanges von σ(]0, ε[) bzw. σ(] − ε, 0[)
ist diese dann auch in Z̃ ganz enthalten, womit wir unser γ gefunden hätten.
Aus der verbesserten Version des Kurven-Auswahl-Lemmas können wir nun
das folgende Korollar folgern. Etwas abgeschwächt und umformuliert erhalten wir
damit dann das Theorem 1.1.2, welches wir im ersten Kapitel angegeben hatten.
Bei diesem Korollar handelt es sich im Prinzip auch um eine Art Kurven-AuswahlLemma.
Korollar A.4.4. Sei U offene Umgebung von p ∈ Rn und Z ⊂ U semianalytisch.
Weiter seien h1 , . . . , hm stetige Funktionen auf Z, so daß hi (x) 6= 0 für x 6= p und
alle i = 1, . . . , m. Ist dann p im Abschluß von Y := {x ∈ Z : h1 (x) > 0, . . . , hl (x) >
0} enthalten, so existiert eine reell-analytische Kurve γ : [0, δ[→ U mit γ(0) = p
und γ(t) ∈ Y für t ∈]0, δ[.
Beweis. Setze Z 0 = Z \ {p}. Mit Z ist dann auch Z 0 semianalytisch in U . Wir
können annehmen, daß p ∈
/ Y , also Y ⊂ Z 0 , sonst ist nichts zu zeigen.
Nun ist aber jedes hi nirgends Null auf Z 0 , d.h. auf jeder Zusammenhangskomponente von Z 0 behält jedes hi sein Vorzeichen bei. Insbesondere gilt dann: Enthält
eine Zusammenhangskomponente Z̃ 0 von Z 0 einen Punkt aus Y , so ist sie ganz in
Y enthalten.
Daher ist Y die Vereinigung aller Zusammenhangskomponenten Z̃ 0 von Z 0 , die
einen Punkt aus Y enthalten. Da nach Satz A.3.8 Z 0 nahe p nur endlich viele
A.4 Der Beweis des Kurven-Auswahl-Lemmas
67
solche Zusammenhangskomponenten haben kann, muß nach Voraussetzung eine
dieser Komponenten p im Abschluß haben.
Anwendung des Kurven-Auswahl-Lemmas auf diese Zusammenhangskomponente von Z 0 liefert die Behauptung.
Anhang B
Hilfsmittel
B.1
B.1.1
Hilfsmittel aus der mengentheoretischen Topologie
Eigentliche Abbildungen
Der Begriff der Eigentlichkeit von Abbildungen ist quasi die Ausdehnung des Kompaktheitsbegriffes auf Abbildungen. Daher wollen wir uns zunächst mit dem Kompaktheitsbegriff beschäftigen.
Der Begriff der Kompaktheit soll für uns nicht unbedingt die Hausdorffeigenschaft umfassen, ein topologischer Raum heißt für uns also bereits kompakt, wenn
jede offene Überdeckung eine endliche Teilüberdeckung hat.
Wir benötigen für Umformulierungen des Kompaktheitsbegriffes zunächst den
Begriff des Filters.
Definition B.1.1 (Filter). Es sei X eine Menge. Ein System von Teilmengen
F ⊂ Pot(X) heißt ein Filter auf X, falls es folgenden Bedingungen genügt:
1. F ∈ F, G ⊃ F ⇒ G ∈ F.
2. Fi ∈ F ∀i ∈ I, |I| < ∞ ⇒
T
i∈I
Fi ∈ F.
3. ∅ ∈
/F
Sind F1 , F2 zwei Filter auf X, so heißt F1 feiner als F2 (und dann F2 gröber
als F1 ), falls F1 ⊃ F2 .
Ist X ein topologischer Raum und a ∈ X, so ist Menge U(a) aller Umgebungen
von a ein Filter auf X, der sogenannte Umgebungsfilter von a.
Ein Filter F auf dem topologischen Raum X heißt konvergent gegen a ∈ X,
falls er feiner ist als der Umgebungsfilter von a. Man schreibt dann F → a.
a ∈ X heißt Berührungspunkt von F, falls es einen gegen a konvergenten Filter
F0 gibt, der feiner ist als F.
Ein System von Teilmengen B ⊂ Pot(X) heißt eine Basis von F (und F dann
der von B erzeugte Filter), falls B ⊂ F und
F = {F ⊂ X : ∃B ∈ B mit B ⊂ F }.
68
B.1 Hilfsmittel aus der mengentheoretischen Topologie
69
Um das nicht ganz unkommentiert zu lassen: Filter sind (unter anderem) ein
Hilfsmittel, um gewisse Dinge, die man über Folgen in metrischen Räumen sagen kann, auf beliebige topologische Räume zu verallgemeinern. Eine Basis des
Umgebungsfilters eines Punktes ist natürlich nichts anderes als eine Umgebungsbasis. Definiert man für eine Folge (xn ) in X den sogenannten Fréchet-Filter
F := {F ⊂ X : ∃N ∈ N : xn ∈ F ∀n ≥ N } von (xn ), so konvergiert dieser
genau dann gegen a ∈ X, falls die Folge gegen a konvergiert, und a ist genau dann
Berührungspunkt dieses Filters, falls es Häufungspunkt der Folge ist. Ferner kann
man Bildfilter definieren. Mit diesen kann man dann zeigen, daß eine Abbildung
genau dann stetig ist, falls man für alle Filter sozusagen den Limes durchziehen“
”
kann.
Uns interessiert aber der Filterbegriff in Bezug auf Kompaktheit, daher wollen
wir diese Dinge unbewiesen lassen.
Lemma B.1.2. Es sei X ein topologischer Raum und F ein Filter auf X. Dann
ist die Menge aller Berührungspunkte von F der Durschnitt aller Mengen F mit
F ∈ F.
Beweis. Sei p ein Berührungspunkt von F. Dann existiert ein Filter F0 ⊃ F, der
gegen p konvergiert. Sei nun F ∈ F und U eine Umgebung von p. Dann folgt
U, F ∈ F0 und damit U ∩ F 6= ∅ (da ∅ ∈
/ F0 ). Daher folgt p ∈ F .
Sei umgekehrt p ∈ F ∀F ∈ F. Setze
F0 := {G ⊂ X : p ∈ G}.
Dann ist F0 ein Filter, der feiner ist als der Umgebungsfilter und F.
Der folgende Satz ist wieder eine Verallgemeinerung einer Tatsache, die man
von metrischen Räumen kennt (nämlich: Ein metrischer Raum ist genau dann
kompakt, wenn jede Folge einen Häufungspunkt besitzt).
Satz B.1.3. Ein topologischer Raum X ist genau dann kompakt, wenn jeder Filter
auf X einen Berührungspunkt besitzt.
Beweis. Sei X kompakt und F = {Fi : i ∈ I} ein Filter auf X. Setze Ai = Fi .
Dann ist für endliche Indexmengen {i1 , . . . , in } stets
T Ai1 ∩ · · · ∩ Ain 6= ∅ (da F ein
Filter ist). Aus der Kompaktheit von X folgt, daß i∈I Ai 6= ∅. Nach dem vorigen
Lemma ist dann jeder Punkt dieser Menge ein Berührungspunkt von F.
Es habe umgekehrt jeder Filter einen
T Berührungspunkt. Sei dann (Ai )i∈I eine
Familie abgeschlossener Mengen mit i∈I Ai = ∅. Angenommen X ist nicht kompakt, d.h. es existierten keine endlich vielen Indizes i1 , . . . , in , s.d. Ai1 ∩· · ·∩Ain = ∅.
Dann setze
F = {F ⊂ X : ∃i ∈ I mit Ai ⊂ F }.
Dann ist F ein Filter auf
T X. Nach dem vorigen Lemma folgt dann, da die Ai
abgeschlossen sind, daß i∈I Ai 6= ∅. Widerspruch.
70
B Anhang: Hilfsmittel
Der folgende Satz ist nun derjenige, weswegen wir den Aufwand mit den Filtern
betrieben haben. Er charakterisiert die Kompaktheit so, daß sie am einfachsten auf
den relativen Fall der Abbildungen verallgemeinert werden kann, was uns dann zum
Begriff der Eigentlichkeit führt.
Satz B.1.4. Ein topologischer Raum X ist genau dann kompakt, wenn für jeden
topologischen Raum T die Projektionsabbildung prT : X × T → T abgeschlossen
ist.
Beweis. Ist U ⊂ X × T , so definieren wir für x ∈ X eine Menge Ux := {t ∈ T :
(x, t) ∈ U } ⊂ T . Die Aussage, daß prT abgeschlossen ist,
T ist gerade äquivalent
dazu, daß
für
U
offen
in
X
×
T
auch
der
Durchschnitt
x∈X Ux ⊂ T offen ist.
T
(Denn x∈X Ux = T \ prT ((X × T ) \ U ).)
T
Sei also X kompakt und U ⊂ X × T offen. Weiter sei t ∈ x∈X Ux (fest
gewählt). Für jedes x ∈ X existiert dann eine Umgebung
Vx von x und Wx von t
S
mit Vx × Wx ⊂ U und Wx ⊂ Ux . Dann T
ist X = x∈X Vx = Vx1 ∪ · · · ∪ Vxt . Setzen
wir W = Wx1 ∩ · · · ∩ Wxt , so gilt W ⊂ x∈X Ux .
Sei nun umgekehrt prT für jeden topologischen Raum T abgeschlossen und F
ein Filter auf X. Wir konstruieren nun einen speziellen Raum T : Als Menge sei
T = X ∪ {∞}, wobei ∞ ein neuer, nicht in X enthaltener Punkt ist. Als Topologie
auf T definieren wir
T = {U : U ⊂ X offen} ∪ {U ∪ {∞} : U ∈ F offen}.
Dies ist eine Topologie auf T , so daß T = X. Sei nun ∆ = {(x, x) ∈ X ×T : x ∈ X}.
Dann ist prT (∆) = X, und daher, da prT abgeschlossen ist, T = X ⊂ prT (∆).
Insbesondere folgt ∞ ∈ prT (∆), d.h. es existiert ein x ∈ X mit (x, ∞) ∈ ∆. Dann
folgt aber x ∈ U für alle U ∈ F offen, also ist x Berührungspunkt von F (nach
obigem Lemma über Berührungspunkte).
Dies motiviert nun folgende Definition.
Definition B.1.5 (Eigentlich). Es seien X, Y topologische Räume und f : X → Y
stetig. f heißt eigentlich, falls für jeden topologischen Raum T die Abbildung
f × idT : X × T → Y × T abgeschlossen ist.
Eine Abbildung ist also eigentlich, wenn sie quasi so etwas wie universell abgeschlossen ist.
Bemerkung. Nach obigem Satz ist ein topologischer Raum X also genau dann
kompakt, wenn X → {pt} eigentlich ist.
Lemma B.1.6. Die Komposition zweier abgeschlossener Abbildungen ist wieder
abgeschlossen.
Ist f : X → Y abgeschlossen und Z ⊂ Y , so ist auch f |f −1 (Z) : f −1 (Z) → Z
abgeschlossen.
Ist f : X → Y abgeschlossen, y ∈ Y mit f −1 (y) 6= ∅ und U eine Umgebung von
−1
f (y), so existiert eine Umgebung V von y mit f −1 (V ) ⊂ U .
B.1 Hilfsmittel aus der mengentheoretischen Topologie
71
Beweis. Die erste Aussage ist klar.
Zur zweiten Aussage: Ist A ⊂ f −1 (Z) abgeschlossen, so existiert ein à ⊂ X
abgeschlossen mit à ∩ f −1 (Z) = A. Dann ist f (Ã) abgeschlossen, also auch f (Ã) ∩
Z = (f |f −1 (Z) )(A).
Zur dritten Aussage: O.B.d.A. sei U offen. Dann ist auch Y \ f (X \ U ) =: V
offen, da f abgeschlossen ist. Zudem ist y ∈ V .
Lemma B.1.7. Die Komposition zweier eigentlicher Abbildungen ist wieder eigentlich.
Ist f : X → Y eigentlich und Z ⊂ Y , so ist auch f |f −1 (Z) : f −1 (Z) → Z
eigentlich.
Beweis. Dies folgt einfach aus den entsprechenden Aussagen für abgeschlossene
Abbildungen. (Für die zweite Aussage: Es gilt (f ×idT )−1 (Z×T ) = f −1 (Z)×T .)
Satz B.1.8. Eine stetige Abbildung f : X → Y ist genau dann eigentlich, wenn
f abgeschlossen ist, und Urbilder f −1 (K) von kompakten Mengen K ⊂ Y wieder
kompakt sind. Dies ist wiederum genau dann der Fall, wenn f abgeschlossen ist,
und Urbilder f −1 (y) von Punkten kompakt sind.
Beweis. Sei f eigentlich. Mit einpunktigem T erhält man aus der Definition, daß
f abgeschlossen ist. Ist K ⊂ Y kompakt, so heißt das, daß K → {pt} eigentlich
ist. Nach obigem Lemma ist aber auch f −1 (K) → K eigentlich, also auch die
Komposition f −1 (K) → {pt}, was wiederum bedeutet, daß f −1 (K) kompakt ist.
Der dritte Fall folgt trivialerweise aus dem zweiten.
Nun sei f abgeschlossen und alle Fasern kompakt. Sei T topologischer Raum
und A ⊂ X × T abgeschlossen. Setze g = f × idT . Wir müssen zeigen, daß g(A)
abgeschlossen ist. Sei dazu (y, t) ∈ (X × T ) \ g(A). Ist y ∈
/ f (X), so existiert,
da f abgeschlossen ist, eine Umgebung W von y mit W ∩ f (X) = ∅. Dann ist
(W × T ) ∩ g(A) = ∅. Sei dagegen y ∈ f (X). Für jedes x ∈ f −1 (y) existieren
Umgebungen Ux von x und Vx von t mit (Ux × Vx ) ∩ A = ∅. Nach Annahme ist
f −1 (y) kompakt, also f −1 (y) ⊂ Ux1 ∪ · · · ∪ Uxt =: U . Setze V = Vx1 ∩ · · · ∩ Vxt ,
dann ist (U × V ) ∩ A = ∅. Nach Lemma B.1.6 existiert eine Umgebung W von Y
mit f −1 (W ) ⊂ U . Dann ist aber g −1 (W × V ) ∩ A = ∅, also W × V ∩ g(A) = ∅.
Besonders schön“ sind eigentliche Abbildungen in lokal kompakten Haus”
dorffräumen (genauso wie kompakte Mengen eigentlich erst richtig schön“ in Haus”
dorffräumen sind).
Lemma B.1.9. Es sei X ein lokal kompakter Hausdorffraum und A ⊂ X. Dann
ist A genau dann abgeschlossen, falls A ∩ K kompakt ist für alle K ⊂ X kompakt.
Beweis. Ist A abgeschlossen, so ist A ∩ K eine abgeschlossene Teilmenge eines
Kompaktums, also selbst kompakt.
Es gelte umgekehrt A ∩ K kompakt für K kompakt. Sei x ∈ X \ A. Wähle eine
kompakte Umgebung K von x. Da A∩K kompakt ist, existiert (da X hausdorffsch
und man in Hausdorffräumen Punkte von Kompakta trennen kann) eine Umgebung
U von x mit U ⊂ K und U ∩ (A ∩ K) = ∅, also U ∩ A = ∅. Also ist A abgeschlossen.
72
B Anhang: Hilfsmittel
Lemma B.1.10. Seien X, Y lokal kompakte Hausdorffräume und f : X → Y stetig. Dann ist f schon eigentlich, falls Urbilder kompakter Mengen wieder kompakt
sind.
Beweis. Wir müssen zeigen, daß in diesem Fall f auch abgeschlossen ist. Sei also
A ⊂ X abgeschlossen. Um zu zeigen, daß f (A) abgeschlossen ist, benutzen wir das
vorige Lemma. Sei also K ⊂ Y kompakt. Es gilt f (A) ∩ K = f (A ∩ f −1 (K)), und
nach Voraussetzung ist f −1 (K) kompakt, also ist A ∩ f −1 (K) kompakt. Stetige
Bilder von Kompakta sind aber wieder kompakt, also ist f (A) ∩ K kompakt, und
die Behauptung folgt.
Satz B.1.11 (Alexandroff-Kompaktifizierung). Es sei X ein lokal kompakter
Hausdorffraum. Dann gibt es einen kompakten Hausdorffraum X̂ ⊃ X, so daß
X̂ \ X nur aus einem Punkt besteht (den wir ∞ nennen), und so, daß die Spurtopologie von X in X̂ die ursprüngliche Topologie ist.
X̂ ist durch diese Eigenschaften eindeutig festgelegt (bis auf Umbenennung des
Punktes ∞).
Beweis. Wir definieren als Menge X̂ = X ∪ {∞}, wobei ∞ ein nicht in X enthaltener zusätzlicher Punkt ist. Als Topologie auf X̂ definieren wir
T = {U : U ⊂ X offen} ∪ {U ∪ {∞} : U = X \ K mit K kompakt}.
Die geforderten Eigenschaften von X̂ überprüft man leicht.
Die Topologie auf X̂ ist aber bereits durch die Eigenschaften von X̂ festgelegt:
Ist U ⊂ X̂ offen mit ∞ ∈ U , so ist X̂ \ U abgeschlossen, also (als Teilmenge eines
Kompaktums) kompakt.
Der Raum X̂ heißt
Kompaktifizierung von X.
Alexandroff-Kompaktifizierung
oder
Einpunkt-
Lemma B.1.12. Es seien X, Y lokal kompakte Hausdorffräume und f : X → Y
stetig. Setzen wir f zu einer Abbildung fˆ : X̂ → Ŷ mittels fˆ(∞) = ∞ fort, so ist
f genau dann eigentlich, falls fˆ stetig ist.
Beweis. Sei U offen in Ŷ . Ist ∞ ∈
/ U , so ist fˆ−1 (U ) immer offen, da f stetig ist.
Ist nun ∞ ∈ U , so ist Ŷ \ U = K kompakt. Wir haben fˆ−1 (U ) = X̂ \ f −1 (K), und
X̂ \ f −1 (K) ist genau dann offen, falls f −1 (K) kompakt ist. Mit anderen Worten:
fˆ−1 (U ) offen für alle U offen gilt genau dann, falls f −1 (K) kompakt ist für alle K
kompakt.
Eigentliche Abbildungen zwischen lokal kompakten metrischen Räumen kann
man auch gut mit Folgen charakterisieren. Wir benutzen folgende Schreibweise: Ist
X topologischer Raum und (xn ) eine Folge in X, so bedeute limn→∞ xn = ∞, daß
(xn ) jedes Kompaktum verlasse, also
∀K ⊂ X kompakt ∃N ∈ N : xn ∈
/ K ∀n > N.
B.1 Hilfsmittel aus der mengentheoretischen Topologie
73
Bemerkung. lim xn = ∞ bedeutet gerade, wenn wir (xn ) als Folge in X̂ auffassen,
daß lim xn = ∞ als echter“ Limes in X̂.
”
Lemma B.1.13. Sei X lokal kompakter Hausdorffraum und (xn ) eine Folge in X.
Dann ist lim xn = ∞ äquivalent dazu, daß (xn ) keinen Häufungspunkt besitzt.
Beweis. Es gelte lim xn = ∞. Hätte (xn ) einen Häufungspunkt x, so gäbe es eine
kompakte Umgebung von x, in der unendlich viele Folgenglieder lägen. Widerspruch.
Gilt dagegen nicht lim xn = ∞, so existiert ein Kompaktum K, so daß unendlich
viele Folgenglieder xn in K liegen, d.h. es existiert eine Teilfolge von (xn ), welche
komplett in K liegt. Diese hat dann aber einen Häufungspunkt, also erst recht
(xn ).
Ein topologischer Raum heißt folgenkompakt, falls jede Folge in ihm einen
Häufungspunkt hat. Eine Teilmenge heißt folgenkompakt, falls sie in der Spurtopologie folgenkompakt ist. Mit anderen Worten: Eine Teilmenge K ⊂ X heißt
folgenkompakt, falls jede Folge, welche komplett in K liegt, einen Häufungspunkt
in K hat.
In guten“ topologischen Räumen, so z.B. in metrischen Räumen oder topolo”
gischen Mannigfaltigkeiten, ist die Folgenkompaktheit zur Kompaktheit äquivalent
(in beliebigen topologischen Räumen folgt aber noch immer die Folgenkompaktheit
aus der Kompaktheit, nur im allgemeinen nicht umgekehrt).
Lemma B.1.14. Es sei X ein lokal kompakter Hausdorffraum, in dem eine Teilmenge genau dann kompakt ist, wenn sie folgenkompakt ist. Dann gilt dies auch
für die Einpunktkompaktifizierung X̂ diese Eigenschaft.
Beweis. Sei V ⊂ X̂ folgenkompakt. Wir müssen zeigen, daß V kompakt ist. Ist
∞ ∈
/ V , so folgt dies nach Voraussetzung. Sei also ∞ ∈ V . Wir müssen dann
zeigen, daß A := V \ {∞} abgeschlossen in X ist. Dazu benutzen wir Lemma
B.1.9, d.h. für K ⊂ X kompakt müssen wir zeigen, daß auch A ∩ K kompakt ist.
Sei dazu (xn ) eine Folge in A ∩ K. Dann ist (xn ) auch eine Folge in V , hat daher
einen Häufungspunkt in V , welcher allerdings nicht ∞ sein kann (da U = X̂ \ K
eine Umgebung von ∞ ist, in der kein Punkt der Folge liegt). Also hat (xn ) einen
Häufungspunkt in A. Da nun aber K ∩ A abgeschlossen in A ist, liegt dieser auch
in K. Damit ist A ∩ K folgenkompakt, nach Voraussetzung also auch kompakt.
Lemma B.1.15. Es seien X, Y lokal kompakte Hausdorffräume und f : X → Y
stetig. Dann gilt: Ist f eigentlich, so folgt: Ist (xn ) Folge in X mit lim xn = ∞, so
gilt auch lim f (xn ) = ∞.
Hat weiter X die Eigenschaft, daß eine Teilmenge V ⊂ X genau dann kompakt
ist, wenn sie folgenkompakt ist, so gilt auch die Umkehrung, d.h. die Eigentlichkeit
von f ist dann sogar äquivalent zu dem Folgenkriterium.
Beweis. Ist f eigentlich, so folgt nach Lemma B.1.12 das Folgenkriterium.
Nun sei X gut“ im obigen Sinn. Es gelte das Folgenkriterium. Ist dann K ⊂ Y
”
kompakt, so müssen wir zeigen, daß f −1 (K) folgenkompakt ist. Ist (xn ) eine Folge
74
B Anhang: Hilfsmittel
in f −1 (K), so ist (f (xn )) Folge in K, d.h. (f (xn )) konvergiert nicht gegen ∞. Nach
Voraussetzung konvergiert dann (xn ) auch nicht gegen ∞. Nach Lemma B.1.13
besitzt (xn ) dann einen Häufungspunkt.
Das Folgenkriterium im vorigen Lemma kann man in guten“ Räumen auch
”
etwas anders formulieren:
Lemma B.1.16. Es seien X, Y lokal kompakte Hausdorffräume und f : X → Y
stetig. Erfüllen X und Y das erste Abzählbarkeitsaxiom, so ist äquivalent:
• Ist (xn ) Folge in X mit lim xn = ∞, so gilt auch lim f (xn ) = ∞.
• Ist (xn ) Folge in X, so daß (f (xn )) konvergiert, so besitzt (xn ) eine konvergente Teilfolge.
Beweis. Wegen des ersten Abzählbarkeitsaxioms ist die Existenz eines Häufungspunktes einer Folge äquivalent zu der Existenz einer konvergenten Teilfolge.
Es gelte das erste Folgenkriterium. Sei dann (xn ) eine Folge in X, so daß (f (xn ))
konvergiert. Dann folgt insbesondere, daß nicht lim f (xn ) = ∞ gilt, also nach
Voraussetzung auch nicht lim xn = ∞. Nach Lemma B.1.13 besitzt (xn ) dann
einen Häufungspunkt, also eine konvergente Teilfolge.
Es gelte umgekehrt das zweite Folgenkriterium. Sei (xn ) eine Folge in X mit
lim xn = ∞. Ist (xnl ) eine Teilfolge, so gilt auch lim xnl = ∞, d.h. nach Lemma
B.1.13 besitzt (xnl ) keinen Häufungspunkt, also auch keine konvergente Teilfolge.
Nach Voraussetzung konvergiert dann (f (xnl )) nicht. Also konvergiert keine Teilfolge von (f (xn )), d.h. f ((xn )) hat auch keinen Häufungspunkt, und nach Lemma
B.1.13 folgt lim f (xn ) = ∞.
Insbesondere haben wir also:
Satz B.1.17. Es seien X, Y topologische Mannigfaltigkeiten und f : X → Y stetig.
Dann sind äquivalent:
• f ist eigentlich.
• Ist (xn ) Folge in X mit lim xn = ∞, so gilt auch lim f (xn ) = ∞.
• Ist (xn ) Folge in X, so daß (f (xn )) konvergiert, so besitzt (xn ) eine konvergente Teilfolge.
Ein spezieller Fall von eigentlichen Abbildungen sind die endlichen Abbildungen:
Definition B.1.18. Es seien X, Y topologische Räume und f : X → Y stetig. f
heißt endlich, falls f eigentlich ist und alle Fasern f −1 (y) (y ∈ Y ) endlich sind.
Nach den bisherigen Ausführungen ist dies äquivalent dazu, daß f abgeschlossen
ist und alle Fasern endlich sind.
Das folgende Lemma besagt, daß eine stetige Abbildung, für die eine Faser
kompakt ist, lokal (im richtigen Sinn) in der Nähe dieser Faser eigentlich ist.
B.2 Benutzte Fakten aus der Kohomologietheorie
75
Lemma B.1.19. Es seien X, Y lokal kompakte Hausdorffräume und f : X →
Y stetig. Ist für y ∈ Y die Faser f −1 (y) kompakt, so existieren beliebig kleine
offene Umgebungen U von f −1 (y), so daß eine Umgebung V von y existiert, so
daß f −1 (V ) ∩ U kompakt ist.
Beweis. Wähle U, W offene Umgebungen von f −1 (y) mit W ⊂⊂ U ⊂⊂ X (wobei
⊂⊂“ für relativ kompakt in“ stehe). Dabei kann U beliebig klein gewählt werden.
”
”
Dann ist U \W kompakt (oder leer), also auch f (U \W ). Da y ∈
/ f (U \W ) existiert
eine abgeschlossene Umgebung V von y mit V ∩ f (U \ W ) = ∅. (Denn in einem
Hausdorffraum kann man Punkte und kompakte Mengen voneinander trennen,
ferner enthält, da Y lokal kompakt ist, jede Umgebung von y eine abgeschlossene.)
Dies bedeutet aber: f −1 (V ) ∩ U ⊂ W , also erst recht f −1 (V ) ∩ U ⊂ W , d.h.
f −1 (V ) ∩ U ist kompakt.
B.2
Benutzte Fakten aus der Kohomologietheorie
In diesem Abschnitt wollen wir einige Rechenregeln“ aus der Garbentheorie
”
und Kohomologietheorie (sowie der Homologietheorie) zusammenstellen, welche
im Text benutzt werden.
B.2.1
Singuläre Homologie und Kohomologie
Singuläre Homologie
Sei R ein noetherscher Ring. Ist X topologischer Raum, so ist ein singuläres nSimplex in X eine stetige Abbildung φ : ∆n → X, wobei ∆n das Standard-nSimplex ist. Sei Sn (X) die Menge aller n-Simplizes in X und Sn (X, R) der durch
Sn (X) erzeugte freie R-Modul.
Mit Hilfe der Randoperationen auf den Standard-Simplizes können wir Randoperatoren
dn : Sn (X, R) → Sn−1 (X, R)
definieren (auf die genaue Definiton wollen wir hier nicht eingehen). Die Homologiegruppen des Komplexes
· · · → Sn (X, R) → Sn−1 (X, R) → . . .
sind die singulären Homologiegruppen Hnsing (X, R).
Ist A ⊂ X, so setzen wir weiter
Sn (X, A; R) = Sn (X, R)/Sn (A, R)
und erhalten einen induzierten Komplex
· · · → Sn (X, A; R) → Sn−1 (X, A; R) → . . . .
76
B Anhang: Hilfsmittel
Die Homologiegruppen dieses Komplexes sind die relativen singulären Homologiegruppen H n (X, A; R) des Paares (X, A).
Offenbar ist H sing (X, R) = H sing (X, ∅; R).
Unmittelbar aus der Definition erhalten wir eine lange exakte Homologiesequenz
sing
Hnsing (A, R) → Hnsing (X, R) → Hnsing (X, A; R) → Hn−1
(A, R).
Ist f : (X, A) → (Y, B) eine stetige Abbildung von Raumpaaren (d.h. f (A) ⊂
B), so erhalten wir induzierte Abbildungen auf der Homologie f∗ : Hnsing (X, A) →
Hnsing (Y, B), welche verträglich mit obiger langer exakter Sequenz sind, d.h. wir
erhalten eine kommutative Leiter
sing
(A, R)
Hnsing (A, R) - Hnsing (X, R) - Hnsing (X, A; R) - Hn−1
f∗
f∗
?
f∗
?
Hnsing (B, R)
- H sing (Y, R)
n
f∗
?
- H sing (Y, B; R)
n
?
- H sing (B, R)
n−1
Dies gilt funktoriell, d.h. (f ◦ g)∗ = f∗ ◦ g∗ .
Im Falle R = Z läßt man in den Bezeichnungen R oft weg, d.h man schreibt
z.B. H sing (X) für H sing (X, Z).
Singuläre Kohomologie
In Fortführung obiger Bezeichnungen setzen wir weiter
S n (X, A; R) = Hom(S n (X, A; Z), R)
und erhalten wieder einen Komplex
· · · → S n (X, A; R) → S n+1 (X, A; R) → · · · ,
n
dessen Kohomologiegruppen die singuläre Kohomologiegruppen Hsing
(X, A; R) von
(X, A) sind.
n
Definieren wir entsprechend S n (X, R) und Hsing
(X, R), so ist wieder einfach
n
n
Hsing (X, R) = Hsing (X, ∅; R).
Wiederum haben wir eine lange exakte Sequenz
n+1
n
n
n
Hsing
(X, A; R) → Hsing
(X, R) → Hsing
(A, R) → Hsing
(X, A; R).
Für eine stetige Abbildung f : (X, A) → (Y, B) erhalten wir induzierte Abbildungen auf der Kohomologie:
n
n
f ∗ : Hsing
(Y, B) → Hsing
(X, A)
und eine entsprechende kommutative Leiter. Auch dies ist funktoriell, d.h. (f ◦g)∗ =
g∗ ◦ f ∗.
B.2 Benutzte Fakten aus der Kohomologietheorie
77
Relative Homöomorphismen
f : (X, A) → (Y, B) heißt relativer Homöomorphismus, falls f −1 (B) = A, und f
einen Homöomorphismus von X \ A auf Y \ B induziert. (Dies ist schwächer als
der Begriff Homöomorphismus von Paaren“, da A und B nicht homöomorph sein
”
müssen.)
Man sieht leicht aus der Definition, daß in diesem Fall alle Homöomorphismen
f∗ und f ∗ Isomorphismen sind.
Homotope Abbildungen
Zwei stetige Abbildungen f, g : X → Y heißen homotop, falls eine Homotopie
H : X × [0, 1] → Y existiert, d.h. H ist stetig und mit Ht = H(·, t) gilt H0 = f
und H1 = g.
In Verallgemeinerung dazu heißen zwei stetige Abbildungen f, g : (X, A) →
(Y, B) von Raumpaaren relativ homotop, falls eine relative Homotopie H : X ×
[0, 1] → Y existiert, d.h. H ist Homotopie, so daß jedes Ht eine Abbildung der
entsprechenden Raumpaare ist (d.h. Ht (A) ⊂ B für alle t). Ist ferner f |A = g|A ,
so heißen f und g stark relativ homotop, falls eine Homotopie H existiert mit
Ht |A = fA für alle t.
Dies umfaßt wiederum den alten Begriff: f, g : X → Y sind homotop, falls sie
relativ homotop sind, wenn man sie als Abbildungen (X, ∅) → (Y, ∅) auffaßt.
Satz B.2.1. Seien f, g : (X, A) → (Y, B) zwei relativ homotope stetige Abbildungen. Dann sind die induzierten Abbildungen auf der singulären Homologie und
Kohomologie gleich, d.h.
f∗ = g∗ : Hnsing (X, A) → Hnsing (Y, B) und
n
n
f ∗ = g ∗ : Hsing
(Y, B) → Hsing
(X, A).
Als Anwendung erhalten wir, daß Deformationsretrakte die gleiche Homologie
und Kohomologie haben. Ist A ⊂ X, so heißt A Deformationsretrakt von X, falls
eine Retraktion r : X → A existiert, d.h. r ist stetig und r|A = idA , so daß idX und
i ◦ r : X → X homotop sind (wobei mit i : A ,→ X die Inklusion bezeichnet sei).
A heißt starker Deformationsretrakt von X, falls i ◦ r und idX als Abbildungen
(X, A) → (X, A) sogar stark relativ homotop sind. Dann gilt:
Lemma B.2.2. Sei A ⊂ X. Ist A Deformationsretrakt von X, so sind
i∗ : Hnsing (A) → Hnsing (X) und
n
n
i∗ : Hsing
(X) → Hsing
(A)
Isomorphismen.
Variationshomomorphismen
Sei (X, A) Raumpaar und f : (X, A) → (X, A) eine Selbstabbildung des Paares in
sich, so daß f |A = idA . Betrachte nun die induzierten Abbildungen auf der Homologie und der Kohomologie. Ist α ∈ Sn (X, A; R) ein relativer Zykel (d.h. dα = 0 in
78
B Anhang: Hilfsmittel
Sn−1 (X, A; R)), der eine relative Homologieklasse in Hnsing (X, A; R) repräsentiert,
so sieht man leicht, daß f∗ α − α einen absoluten Zykel in Sn (X, R) definiert. Wir
erhalten also einen Homomorphismus
var(f )∗ : Hnsing (X, A; R) → Hnsing (X, R),
so daß das folgende Diagram kommutiert:
Hnsing (X, R)
- H sing (X, A; R)
n
var(f )∗
f∗ − id
?
f∗ − id
?
- H sing (X, A; R)
n
Hnsing (X, R)
Ähnlich erhalt man auf der Kohomologie einen Homomorphismus
n
n
var(f )∗ : Hsing
(X, R) → Hsing
(X, A; R).
so daß das folgende Diagram kommutiert:
- H n (X, R)
sing
n
Hsing
(X, A; R)
var(f )∗
f ∗ − id
?
n
Hsing
(X, A; R)
f ∗ − id
?
- H n (X, R)
sing
Weiterhin gilt, daß var(f )∗ und var(f )∗ nur von der relativen Homotopieklasse
von f abhängen.
Ausschneidung
Satz B.2.3. Sei (X, A) ein Raumpaar und Z ⊂ X eine Teilmenge von X, so daß
◦
Z ⊂ A. Dann induziert die Inklusion (X \ Z, A \ Z) ,→ (X, A) Isomorphismen
Hnsing (X \ Z, A \ Z; R) →
˜ Hnsing (X, A; R) und
n
n
Hsing
(X, A; R) →
˜ Hsing
(X \ Z, A \ Z; R).
B.2.2
Garbenkohomologie
Unterräume
Sei X topologischer Raum und A ⊂ X lokal abgeschlossen. Sei i : A ,→ X die
Inklusion. Dann haben wir die vier Funktoren
i∗ , i! : Sh(A) → Sh(X) und i−1 , i! : Sh(X) → Sh(A).
Dabei sind i∗ und i−1 sowie i! und i! adjungierte Funktoren.
Ist A abgeschlossen, so ist i∗ = i! . Ist dagegen A offen, so ist i−1 = i! .
Setzen wir für eine Garbe F auf X: FA := i! i−1 F, so ist FA charakterisiert durch
folgende Eigenschaft: FA |A = F|A und FA |X\A = 0.
B.2 Benutzte Fakten aus der Kohomologietheorie
79
Umgekehrt gilt i−1 i! G = G für eine Garbe G auf A. (Und wir haben natürlich
noch i−1 i∗ G = G.)
Ist A ⊂ X abgeschlossen, so haben wir eine kurze exakte Sequenz
0 → FX\A → F → FA → 0.
Sind A und B abgeschlossen in X, so haben wir weiter eine kurze exakte Sequenz
0 → FA∪B → FA ⊕ FB → FA∩B → 0
und sind U und V offen, so ist auch
0 → FU ∩V → FU ⊕ FV → FU ∪V → 0
exakt.
Da für abgeschlossenes A ⊂ X gilt, daß H n (X, FA ) = H n (A, F), erhalten wir
aus der zweiten kurzen exakten Sequenz folgende lange exakte Meyer-VietorisSequenz:
H n (A ∪ B, F) → H n (A, F) ⊕ H n (B, F) → H n (A ∩ B, F) → H n+1 (A ∪ B, F).
Lemma B.2.4. Sei f : X → Y stetig und B ⊂ Y lokal abgeschlossen. Setze
A := f −1 (B) und g := f |A : A → B. Sind i : A ,→ X und j : B ,→ Y die
Inklusionen, so gilt
f −1 j! G = i! g −1 G
für alle Garben G auf B.
Stetige Abbildungen, homotope Abbildungen
Ist f : X → Y stetig, so haben wir die beiden Funktoren
f∗ : Sh(X) → Sh(Y ) und f −1 : Sh(Y ) → Sh(X).
Sind weiterhin X, Y lokal kompakte Hausdorffräume, so haben wir ferner den
Funktor
f! : Sh(X) → Sh(Y ).
Ist X lokal kompakt und A ⊂ X abgeschlossen, so erhalten wir mit der Inklusion
i : A ,→ X wieder die alte Definition für i! zurück.
Eine stetige Abbildung f : X → Y induziert Abbildungen auf der Kohomologie:
Ist G eine Garbe auf Y , so haben wir Abbildungen
f ∗ : H n (Y, G) → H n (X, f −1 G).
Im Fall, daß X und Y lokal kompakte Hausdorffräume sind, und f eigentlich ist,
haben wir genauso induzierte Abbildungen auf der Kohomologie mit kompakten
Träger
f ∗ : Hcn (Y, G) → Hcn (X, f −1 G).
80
B Anhang: Hilfsmittel
Man beachte, daß falls G = GY konstante Garbe ist, f −1 GY = GX ist, d.h. wir
erhalten induzierte Abbildungen f ∗ : H n (Y, G) → H n (X, G) bzw. im eigentlichen
Fall f ∗ : Hcn (Y, G) → Hcn (X, G).
Auch für die Garbenkohomologie mit Werten in konstanten Garben G gilt genauso wie im Falle der singulären Theorien, daß homotope Abbildungen die gleichen Abbildungen auf der Kohomologie induzieren:
Satz B.2.5. Es seien f, g : X → Y zwei homotope stetige Abbildungen. Dann gilt
f ∗ = g ∗ : H n (Y, G) → H n (X, G).
Im Falle der Kohomologie mit kompakten Träger müssen wir auch die Homotopie eigentlich voraussetzen: Sind X, Y lokal kompakte Hausdorffräume und
f, g : X → Y zwei eigentliche stetige Abbildungen, so heißen f und g eigentlich
homotop, falls eine Homotopie H : X ×[0, 1] → Y existiert, welche selbst eigentlich
ist. Mit dieser Definition gilt dann:
Satz B.2.6. Es seien X, Y lokal kompakte Hausdorffräume und f, g : X → Y zwei
eigentlich homotope eigentliche stetige Abbildungen. Dann gilt
f ∗ = g ∗ : Hcn (Y, G) → Hcn (X, G).
Relative Kohomologie und lokale Kohomologie
Sei (X, A) ein Raumpaar, A ⊂ X abgeschlossen. Dann ist die relative Kohomologie
des Paares (X, A) mit Werten in der Garbe F auf X wie folgt definiert:
H n (X, A; F) := H n (X, FX\A )
Aus den obigen kurzen exakten Sequenzen für die runtergeschnittenen
”
Garben erhalten wir wegen H n (X, FA ) = H n (A, F) entsprechende lange exak”
te Sequenzen:
H n (X, A; F) → H n (X, F) → H n (A, F) → H n+1 (X, A; F)
sowie die folgende Meyer-Vietoris-Sequenz für A, B ⊂ X abgeschlossen:
H n (X, A ∪ B; F) → H n (X, A; F) ⊕ H n (X, B; F) → H n (X, A ∩ B; F) → · · · .
Auch hier gilt: Ist f : (X, A) → (Y, B) eine stetige Abbildung von Raumpaaren
(A bzw. B abgeschlossen), so induziert f Abbildungen auf der relativen Kohomologie
f ∗ : H n (Y, B; F) → H n (X, A; f −1 F),
welche mit obiger erster langer exakter Sequenz verträglich sind (d.h. wir erhalten
wieder eine kommutative Leiter). Weiter gilt der entsprechende Satz für relative
homotope Abbildungen (und konstante Garben):
B.2 Benutzte Fakten aus der Kohomologietheorie
81
Satz B.2.7. Es seien f, g : (X, A) → (Y, B) zwei relativ homotope, stetige Abbildungen von Raumpaaren. Dann gilt
f ∗ = g ∗ : H n (Y, B; G) → H n (X, A; G)
Lemma B.2.8. Sei X kompakter Hausdorffraum, A ⊂ X abgeschlossen. Dann ist
H n (X, A; F) = Hcn (X \ A, F)
Beweis. Setze U = X \ A. Ist I Garbe auf X, so ist nach Definition von j! für die
Inklusion j : U ,→ X
Γ(X, j! j ∗ I) = {s ∈ Γ(U, I) : supp(s) abg. in X} = Γc (U, I).
Die Behauptung erhält man mit Hilfe einer injektiven Auflösung F → I• .
Für den Fall A ⊂ X abgeschlossen hat man ferner die lokalen lokalen Kohomologiegruppen HAn (X, F). Diese passen wie folgt in eine lange exakte Kohomologiesequenz:
HAn (X, F) → H n (X, F) → H n (X \ A, F) → HAn+1 (X, F).
Es seien X, Y zwei topologische Räume und A ⊂ X und B ⊂ Y abgeschlossen.
Ist f : (X, X \ A) → (Y, Y \ B) stetige Abbildung von Raumpaaren, so induziert
f Abbildungen auf der lokalen Kohomologie
f ∗ : HB (Y, F) → HA (X, f −1 F),
welche verträglich mit obiger langer exakter Sequenz sind.
Auch in diesem Fall erhalten wir wieder entsprechende Meyer-VietorisSequenzen.
Sequenzen für Kohomologie mit kompakten Träger
Die Kohomologie mit kompakten Träger verhält sich in gewisser Weise einfacher
also die normale Kohomologie, was die relative exakte Sequenz angeht, die der
Sequenz für die normale“ relative Kohomologie entspricht.
”
Sei X lokal kompakt und A ⊂ X abgeschlossen. Dann haben wir eine lange
exakte Sequenz
Hcn (X \ A, F) → Hcn (X, F) → Hcn (A, F) → Hcn+1 (X \ A, F).
Ebenso haben wir für offene Teilmengen eine Meyer-Vietoris-Sequenz für Kohomologie mit kompakten Träger.
82
B Anhang: Hilfsmittel
Variationshomomorphismen
Sei wie im Falle der singulären Theorien (X, A) ein Raumpaar und f : (X, A) →
(X, A) eine Selbstabbildung des Paares in sich, so daß f |A = idA . Auch hier erhält
man wieder (mit ähnlichen Methoden wie in der singulären Theorie) Variationshomomorphismen (für konstante Garben G):
var(f )∗ : H n (X, G) → H n (X, A; G)
so daß
- H n (X, G)
H n (X, A; G)
var(f )∗
f ∗ − id
?
H n (X, A; G)
f ∗ − id
?
- H n (X, G)
kommutiert.
Auch hier hängt var(f )∗ wieder nur von der relativen Homotopieklasse von f
ab.
Ist X im obigen Fall kompakt, so hatten wir gesehen, daß H n (X, A; G) =
n
Hc (X \ A; G), d.h. in diesem Fall können wir den Variationshomomorphismus
auch als eine Abbildung var(f )∗ : H n (X, G) → Hcn (X \ A; G) auffassen.
Vergleich der singulären Kohomologie mit der Garbenkohomologie
In guten Fällen stimmen die garbentheoretischen Kohomologiegruppen mit den
singulären überein:
Theorem B.2.9. Sei X topologischer Raum. Ist X parakompakt und lokal kompakt, so gilt für jeden noetherschen Ring R:
n
Hsing
(X, R) = H n (X, R)
(wobei letztere Kohomologiegruppe die garbentheoretische mit Werten in der konstanten Garbe RX sei). Ist weiter A ⊂ X abgeschlossen, so gilt auch
n
Hsing
(X, A; R) = H n (X, A; R).
Ebenso stimmen die induzierten Abbildungen auf den Kohomologiegruppen
beider Theorien überein.
Kompakte Teilmengen
Satz B.2.10. Sei X lokal kompakter Hausdorffraum und K ⊂ X kompakt. Dann
existiert für jede Garbe F auf X ein kanonischer Isomorphismus
lim H n (U, F) →
˜ H n (K, F),
−→
wobei der Limes über alle offenen Umgebungen U von K zu nehmen ist.
83
B.2 Benutzte Fakten aus der Kohomologietheorie
Ausschneidung
Genauso wie in der singulären Theorie haben wir für Garbenkohomologie einen
Ausschneidungssatz. Mit Hilfe des vorigen Abschnittes können wir den Satz noch
ein wenig verbessern.
Satz B.2.11. Sei (X, A) ein Raumpaar mit A abgeschlossen und V ⊂ X eine lokal
abgeschlossene Teilmenge von X. Es gelte
◦
• entweder: V ⊂ A,
• oder: X ist kompakt und hausdorffsch, V offen und V ⊂ A.
Dann induziert die Inklusion (X \ V, A \ V ) ,→ (X, A) Isomorphismen
H n (X, A; F) →
˜ H n (X \ V, A \ V ; F)
für alle n ∈ Z (F Garbe auf X).
Der erste Teil ist der normale Ausschneidungssatz für Garbenkohomologie (welchen wir hier nicht beweisen wollen).
Beweis der Verbesserung“. Ist X kompakt und V offen, so sind X \ V und A \
”
V kompakt, also können wir die Kohomologie dieser Räume nach dem vorigen
Abschnitt mittels Umgebungsbasen berechnen. Eine Umgebung U von X \ V ist
aber das gleiche wie eine abgeschlossene Teilmenge Z mit Z ⊂ V vermittels U =
X \ Z, genauso für A \ V .
Aus der Exaktheit des direkten Limes erhält man nun folgendes Diagramm:
...
...
- lim H n (X \ Z, A \ Z; F) - lim H n (X \ Z, F) - lim H n (A \ Z, F)
−→
..
..
..
..?
- H n (X \ V, A \ V ; F)
−→
−→
isom.
?
- H n (X \ V, F)
isom.
?
- H n (A \ V, F)
Dabei ist der Limes über alle abgeschlossenen Teilmengen Z mit Z ⊂ V zu nehmen.
Nach dem Fünferlemma ist der gepunktete Pfeil ein Isomorphismus. Nun ist aber
nach dem ersten Teil des Satzes
H n (X, A; F) →
˜ H n (X \ Z, A \ Z; F),
und die Behauptung folgt.
Cup-Produkt
Auf den Kohomologiegruppen kann man das Cup-Produkt einführen. Ist X topologischer Raum und sind F und G Garben auf X, so haben wir eine natürliche
Abbildung (zu Φ und Ψ siehe unten):
p+q
∪ : HΦp (X, F) ⊗ HΨq (X, F) → HΦ∩Ψ
(X, F ⊗ G).
84
B Anhang: Hilfsmittel
Dabei sei HΦp gleich H p , Hcp oder HAp für A ⊂ X abgeschlossen, HΨq entsprechend,
so daß wir folgende Abbildungen bekommen:
H p ⊗ H q → H p+q
Hcp ⊗ H q → Hcp+q
H p ⊗ Hcq → Hcp+q
Hcp ⊗ Hcq → Hcp+q
HAp ⊗ H q → HAp+q
H p ⊗ HBq → HBp+q
p+q
HAp ⊗ HBq → HA∩B
Das Cup-Produkt erfüllt folgende Rechenregeln: Für p = q = 0 ist das CupProdukt die kanonische Abbildung. Ist α ∈ HΦp (X, F) und β ∈ HΨq (X, G), so ist
β ∪ α = (−1)pq α ∪ β,
wobei wir G ⊗ F mit F ⊗ G identifiziert haben. Weiterhin ist das Cup-Produkt
assoziativ und es gilt:
Lemma B.2.12. Sind 0 → F0 → F → F00 → 0 und 0 → F0 ⊗ G → F ⊗ G →
F00 ⊗ G → 0 exakt und β ∈ HΨq (X, G), so ist
HΦp (X, F0 )
- H p (X, F)
Φ
- H p (X, F 00 )
Φ
·∪β
·∪β
?
δ-
·∪β
?
HΦp+1 (X, F0 )
·∪β
?
p+q
p+q
p+q
HΦ∩Ψ
(X, F ⊗ G) - HΦ∩Ψ
(X, F00 ⊗ G)
(X, F0 ⊗ G) - HΦ∩Ψ
δ-
?
p+q+1
HΦ∩Ψ
(X, F0 )
kommutativ.
Ein entsprechendes Lemma gilt bei Cup-Multiplikation von links, wobei dann
allerdings noch ein Vorzeichen ins Spiel kommt.
Weiterhin ist das Cup-Produkt verträglich mit stetigen Abbildungen:
Lemma B.2.13. Sei f : X → Y stetig. Dann gilt für α ∈ H p (Y, F) und β ∈
H q (Y, G):
(f ∗ α) ∪ (f ∗ β) = f ∗ (α ∪ β) ∈ H p+q (X, f −1 (F ⊗ G)) = H p+q (X, f −1 F ⊗ f −1 G).
Ein entsprechendes Lemma gilt für eigentliche Abbildungen und dem CupProdukt auf Kohomologie mit kompakten Trägern.
Ist A ⊂ X abgeschlossen und U := X \A, so bekommen wir auch Cup-Produkte
auf der relativen Kohomologie (wegen z.B. FU ⊗ G = (F ⊗ G)U ).
Lemma B.2.14. Sei A ⊂ X abgeschlossen und
δ : H p (X, A; F) → H p (X, F)
die natürliche Abbildung. Dann ist
δ(α) ∪ β = δ(α ∪ β) ∈ H p+q (X, F ⊗ G) für α ∈ H p (X, A; F), β ∈ H q (X, G).
B.2 Benutzte Fakten aus der Kohomologietheorie
85
Satz B.2.15. Sei X ein kompakter Hausdorffraum und A ⊂ X abgeschlossen. Wir
hatten gesehen, daß ein kanonischer Isomorphismus
λ : H p (X, A; F) →
˜ Hcp (X \ A, F)
existiert. Ist i : X \ A ,→ X die Inklusion des Komplementes von A, so gilt
λ(α) ∪ i∗ (β) = λ(α ∪ β) für α ∈ H p (X, A; F), β ∈ H q (X, G),
d.h. das folgende Diagram ist kommutativ:
H p (X, A; F) × H q (X, G)
∪-
H p+q (X, A; F ⊗ G)
i∗
λ
λ
?
∪
Hcp (X \ A; F)×H q (X \ A, G) - Hcp+q (X \ A; F ⊗ G)
?
?
Poincaré-Dualität 1
Theorem B.2.16. Sei X eine orientierte (differenzierbare) Mannigfaltigkeit der
reinen Dimension n und R ein noetherscher Ring. Dann existiert eine Linearform
tr : Hcn (X, R) → R,
so daß für jedes p ∈ Z die Bilinearform
(α, β) 7→ tr(α ∪ β) α ∈ H p (X, R), β ∈ Hcn−p (X, R)
einen Isomorphismus H p (X, R) →
˜ Hcn−p (X, R)∗ induziert (wobei durch den Stern
der R-Dualraum bezeichnet sei).
Die Linearform tr ist kanonisch (nach Wahl einer Orientierung) und ändert ihr
Vorzeichen bei Wechsel der Orientierung.
Satz B.2.17. Ist X eine orientierte Mannigfaltigkeit der Dimension n und zusammenhängend, so ist tr : Hcn (X, R) → R Isomorphismus.
Ist dagegen X rein n-dimensional und nicht orientierbar, so ist Hcn (X, R) = 0.
Der erste Teil des Satzes folgt natürlich sofort aus der Poincaré-Dualität.
Für eine zusammenhängende, orientierbare Mannigfaltigkeit der Dimension n
ist die Wahl einer Orientierung also nichts anderes als die Wahl eines Isomorphismus Hcn (X, Z) →
˜ Z.
Poincaré-Dualität 2
Poincaré-Dualität läßt sich auch, statt wie oben intrinsisch für die Kohomologie,
für Kohomologie und Homologie formulieren. Es gilt folgendes:
86
B Anhang: Hilfsmittel
Theorem B.2.18. Sei X eine orientierte (differenzierbare) Mannigfaltigkeit der
reinen Dimension n und R ein noetherscher Ring. Dann haben wir natürliche Isomorphismen
sing
P : Hcp (X, R) →
˜ Hn−p
(X, R).
Ist X zusammenhängend, so gilt, daß die Abbildungen
tr : Hcn (X, R) → R
und
µ ∩·
˜ R
Hcn (X, R) −−X−→ H0sing (X, R) →
übereinstimmen.
Auch hier gilt wieder, daß diese Form der Poincaré-Dualität von der Orientierung von X abhängt und bei Wechsel der Orientierung das Vorzeichen wechselt.
Mit Hilfe dieser Dualität und des Cup-Produktes bekommen wir ein Produkt
zwischen der Homologie und Kohomologie:
Korollar B.2.19. In der Situation des Theorems haben wir Produkte
sing
(X, R).
∩ : Hpsing (X, R) × H q (X, R) → Hp−q
Diese Produkte werden Cap-Produkt genannt. Sie sind unabhängig von der Orientierung.
Im Falle p = q erhalten wir hieraus mit Hilfe der natürlichen Abbildung
H0sing (X, R) → R
(welche dual zu tr : Hcn (X, R) → R ist und nichts anderes als Summenbildung über
die Zusammenhangskomponenten von X ist) eine Paarung
(·, ·) : Hpsing (X, R) × H p (X, R) → R,
welche perfekt ist, und ebenfalls nicht von der Orientierung von X abhängt.
Der zweite Teil dieses Korollars folgt aus der ersten Fassung der PoincaréDualität. Die Unabhängigkeit von der Orientierung folgt daraus, daß jeweils zweimal Poincaré-Dualität benutzt wird, so daß sich die beiden Vorzeichenwechsel bei
Orientierungswechsel gegenseitig aufheben.
Auch das Cap-Produkt erfüllt ähnlich wie das Cup-Produkt gewisse Rechen”
regeln“, welche wir hier aber nicht aufführen wollen.
Bemerkung. Sei X zusätzlich zu den Bedingungen des Theorems kompakt und
zusammenhängend. Dann besitzt X eine Fundamentalklasse
µX = [X] ∈ Hnsing (X, R),
welche das Bild der Eins unter
P
R→
˜ H 0 (X, R) = Hc0 (X, R) −
→ Hnsing (X, R)
ist.
Mit Hilfe der Fundamentalklasse und des Cap-Produktes erhält man die Poincaré-Dualität zurück:
sing
P = µX ∩ · : Hcp (X, R) → Hn−p
(X, R)
Eine Orientierung von X ist dann äquivalent zur Angabe einer Fundamentalklasse in Hnsing (X, Z).
B.2 Benutzte Fakten aus der Kohomologietheorie
87
Projektionsformel
Satz B.2.20. Es seien X und Y orientierte Mannigfaltigkeiten der reinen Dimension n bzw. m und R ein noetherscher Ring. Weiter sei f : X → Y stetig und
eigentlich. Für die Cap-Produkte auf X und Y gilt dann:
f∗ (ξ ∩ f ∗ α) = f∗ ξ ∩ α
für α ∈ H q (Y, R), ξ ∈ Hpsing (X, R).
Die Projektionsformel kann man auch umschreiben: Definiert man (unter den
Voraussetzungen des Satzes) Abbildungen f : Hcj (X) → Hcm−n+j (Y ) durch
sing
die Poincaré-Dualität für X ist, PY
f = PY−1 f∗ PX , wobei PX : Hcq (X) → Hn−q
entsprechend diejenige für Y , so ist die Projektionsformel äquivalent zu
f (α ∪ f ∗ β) = f α ∪ β.
Schnittprodukt
Sei X wieder orientierte Mannigfaltigkeit der reinen Dimension n. Mittels PoincaréDualität und dem Cup-Produkt erhalten wir ein Produkt auf der Homologie:
sing
(ξ, ζ) = tr P −1 (ξ) ∪ P −1 (ζ) ∈ R für ξ ∈ Hpsing (X, R), ζ ∈ Hn−p
(X, R).
In der Tat ist dies ein vernünfiges Schnittprodukt. Wir wollen nicht genau
darauf eingehen, nur soviel: Ist R = Z und sind A, B zwei orientierte kompakte
Untermannigfaltigkeiten, die sich in endlich vielen Punkten transversal schneiden,
so erhält man genau das richtige“ (erwartete) Schnittprodukt, wenn man von A
”
und B die Fundamentalklassen nimmt, diese Homologieklassen auf X ausdehnt
und obiges Produkt bildet.
Berandete Mannigfaltigkeiten
Für Aussagen über Homologie und Kohomologie berandeter Mannigfaltigkeiten ist
folgender Satz sehr nützlich.
Satz B.2.21. Sei X eine parakompakte berandete Mannigfaltigkeit mit Rand ∂X.
Dann besitzt X einen Kragen, d.h. es existiert ein Homöomorphismus (bzw. Diffeomorphismus im Falle von differenzierbaren Mannigfaltigkeiten) von ∂X × [0, 1[
auf eine offene Umgebung von ∂X in X, welcher ∂X × {0} mit ∂X identifiziert.
Für einen Beweis dieses Satzes im differenzierbaren Fall siehe z.B. Bröcker,
Jänich [22], im topologischen Fall siehe z.B. Hatcher [12].
Korollar B.2.22. Ist X eine parakompakte berandete Mannigfaltigkeit mit Rand
∂X und Innerem X, so gilt: Die natürlichen Abbildungen
Hpsing (X, R) → Hpsing (X, R) sowie
H p (X, G) → H p (X, G)
(R noetherscher Ring, G abelsche Gruppe aufgefaßt als konstante Garbe) sind Isomorphismen.
88
B Anhang: Hilfsmittel
Beweis. Wir benutzen obigen Satz über den Kragen. Bezeichnen wir den im Satz
verwendeten Homöomorphismus mit H, so setzen wir für 0 ≤ δ < 1
X δ := X \ H(∂X × [0, δ[) und Xδ := X \ H(∂X × [0, δ]).
(Insbesondere ist also X 0 = X und X0 = X.) Man sieht dann, daß X 1 starker
2
Deformationsretrakt von X ist, sowie X 1 von X. Betrachte nun die Inklusionen
2
X1
-X
2
@
@
R
@
X1
2
@
@
R
@
-X
sowie die dazugehörigen induzierten Abbildungen auf Homologie und Kohomologie.
Da die zu den waagerechten Pfeilen gehörenden induzierten Abbildungen Isomorphismen sind, sind auch die zu den diagonalen Pfeilen gehörenden Abbildungen
Isomorphismen und die Behauptung folgt.
Mit Hilfe dieser Tatsache läßt sich nun Poincaré-Dualität auf kompakte berandete Mannigfaltigkeiten verallgemeinern.
Satz B.2.23. Sei X orientierte, berandete Mannigfaltigkeit der reinen Dimension
n mit Rand ∂X. Dann hat man natürliche Isomorphismen
H p (X, ∂X; R) →
˜ Hcn−p (X, R)∗
(wobei durch den Stern der R-Dualraum bezeichnet sei), sowie
sing
P : Hcp (X, R) →
˜ Hn−p
(X, ∂X; R).
Beweis. Es sei X das Innere von X. Ist i : X ,→ X die Inklusion, so sind nach
dem Korollar eben die Abbildungen
˜ H p (X, R)
i∗ : Hqsing (X, R) →
˜ Hqsing (X, R) sowie i∗ : H p (X, R) →
Isomorphismen.
Unter Benutzung dieser Isomorphismen, der langen exakten Sequenz für Kohomologie mit kompakten Träger und Poicaré-Dualität für unberandete Mannigfaltigkeiten haben wir nun folgende Diagramme:
H p−1 (∂X, R)
- H p (X, ∂X; R)
- H p (X, R)
- H p (∂X, R)
Hcn−p (∂X, R)∗
..
..
..
..?
- H n−p (X, R)∗
c
?
- H p−n (X, R)∗ - H n−p−1 (∂X, R)∗
c
c
Hcp−1 (∂X, R)
- H p (X, R)
c
- H p (X, R)
c
P.D.
?
P.D. ◦ i∗
P.D.
?
sowie
- H p (∂X, R)
c
..
..
..
P
..?
?
?
?
sing
sing
sing
sing
Hn−p (∂X, R)
Hn−p (X, R)
Hn−p (X, ∂X; R)
Hn−p−1 (∂X, R)
P
i∗ ◦ P
Die Behauptung folgt nun mittels Fünferlemma.
89
B.2 Benutzte Fakten aus der Kohomologietheorie
Nehmen wir zusätzlich an, daß X kompakt ist, so können wir noch mehr aussagen:
Satz B.2.24. Sei X eine orientierte, kompakte berandete Mannigfaltigkeit der reinen Dimension n mit Rand ∂X. Dann haben wir eine natürliche Abbildung
tr : H n (X, ∂X; R) → R,
welche durch Komposition mit dem Cup-Produkt natürliche Paarungen
H p (X, R) × H n−p (X, ∂X; R) → R
liefert. Diese Paarungen sind perfekt.
Weiter haben wir natürliche Isomorphismen
sing
˜ Hn−p
(X, R) und
P : H p (X, ∂X; R) →
sing
P : H p (X, R) →
˜ Hn−p
(X, ∂X; R).
Beweis. Sei X das Innere von X.
Wir haben Isomorphismen
˜ H p (X, R) sowie H q (X, ∂X; R) = Hcq (X, R).
H p (X, R) →
Aus oben angegebenen Rechenregeln für das Cup-Produkt folgt, daß es egal ist, ob
wir das Cup-Produkt in der Form
∪ : H p (X, R) × H n−p (X, ∂X; R) → H n (X, ∂X; R)
oder mittels obiger Isomorphismen in der Form
∪ : H p (X, R) × Hcn−p (X, R) → Hcn (X, R)
nehmen. Damit folgt der erste Teil umittelbar aus dem entsprechenden Satz für
Poincaré-Dualität im unberandeten Fall.
Genauso folgt im zweiten Teil der erste Isomorphismus aus der entsprechenden
Poincaré-Dualität für unberandete Mannigfaltigkeiten:
P
sing
sing
(X, R).
→ Hn−p
(X, R) →
˜ Hn−p
H p (X, ∂X; R) = Hcp (X, R) −
Der zweite Isomorphismus ist nun (da H p (X, R) = Hcp (X, R)) der Isomorphismus
des vorigen Satzes.
Bemerkung. Der erste und zweite Isomorphismus des zweiten Teil des vorigen Satzes passen zusammen in folgendes kommutatives Diagramm:
H p−1 (∂X, R) - H p (X, ∂X; R)
- H p (X, R)
- H p (∂X, R)
P
P
P
P
?
?
?
?
sing
Hn−p
(∂X, R)
- H sing (X, R)
n−p
- H sing (X, ∂X; R) - H sing (∂X, R)
n−p
n−p−1
90
B Anhang: Hilfsmittel
Auch in diesem Fall erhalten wir einen Begriff einer Fundamentalklasse im
zusammenhängenden Fall, welche hier allerdings eine relative Fundamentalklasse
ist:
Bemerkung. Sei X zusätzlich zu den Bedingungen des vorigen Satzes zusammenhängend. Dann besitzt X eine Fundamentalklasse
µ(X,∂X) = [X, ∂X] ∈ Hnsing (X, ∂X; R),
welche das Bild der Eins unter
P
R→
˜ H 0 (X, R) −
→ Hnsing (X, ∂X; R)
ist.
Ebenso bekommen wir für den kompakten Fall Cap-Produkte durch Kombination beider Formen der Poincaré-Dualität:
sing
∩ : Hpsing (X, R) × H q (X, R) → Hp−q
(X, R) sowie
sing
(X, R).
∩ : Hpsing (X, ∂X; R) × H q (X, ∂X; R) → Hp−q
(Man beachte, daß die Paarung zweier relativer Klassen eine absolute Homologieklasse ergibt.) Diese liefern für p = q zusammen mit der natürlichen Abbildung
H0sing (X, R) → R wiederum perfekte Paarungen zwischen Kohomologie und Homologie.
Genauso erhalten wir Schnittprodukte für berandete Mannigfaltigkeiten auf
naheliegende Weise.
Borel-Moore-Homologie
Wir wollen hier nicht darauf eingehen, was Borel-Moore-Homologie eigentlich ist.
Diese wir nur kurz im nächsten Abschnitt gebraucht, um die Poicaré-Dualität noch
ein wenig zu verbessern. In der eigentlichen Formulierung des Satzes taucht diese
nicht auf, und ist daher quasi nur ein Griff in die Trickkiste“ für den dort vorzu”
nehmenden Beweis. Wir wollen daher nur die benötigten Rechenregeln aufführen.
In den meisten Belangen verhält sich die Borel-Moore-Homologie ähnlich wie die
Kohomologie mit kompakten Träger, nur dual dazu (was allerdings, wenn man die
Definition kennt, auch kein Zufall ist).
Sei X lokal kompakt, R noetherscher Ring. Dann können wir die Borel-MooreHomologie-Gruppen
HpBM (X, R) für p ∈ Z
einführen. Sind X und Y zwei lokal kompakte Räume und f : X → Y eigentlich,
so erhalten wir induzierte Abbildungen
f∗ : HpBM (X, R) → HpBM (Y, R).
Satz B.2.25. Sei X kompakt und hausdorffsch. Dann ist für alle p ∈ Z
HpBM (X, R) ∼
= Hpsing (X, R).
91
B.2 Benutzte Fakten aus der Kohomologietheorie
Ist A ⊂ X abgeschlossen, so haben wir eine lange exakte Sequenz
BM
HpBM (A) → HpBM (X) → HpBM (X \ A) → Hp−1
(A)
Satz B.2.26. Ist X eine orientierte Mannigfaltigkeit der reinen Dimension n,
so haben wir Poincaré-Dualität wie folgt: Wir haben für alle p ∈ Z natürliche
Isomorphismen
BM
P : H p (X, R) →
˜ Hn−p
(X, R)
Poicaré-Dualität 3
In diesem Abschnitt soll Poicaré-Dualität für lokale Kohomologie formuliert werden. Wir formulieren den Satz gleich etwas allgemeiner für berandete Mannigfaltigkeiten.
Satz B.2.27. Sei X eine orientierte, berandete Mannigfaltigkeit der reinen Dimension n mit Rand ∂X und Innerem X. Ferner sei K ⊂ X kompakt. Dann
haben wir für p ∈ Z natürliche Isomorphismen
p
sing
P : HK∩X
(X, R) →
˜ Hn−p
(K, K ∩ ∂X).
Beweis. Mittels Poicaré-Dualität für Borel-Moore-Homologie haben wir folgendes
Diagramm:
...
...
- Hp
K∩X (X, R)
- H p (X)
- H p (X \ K)
..
..
..
P
P
..?
?
?
- H BM (K ∩ X) - H BM (X) - H BM (X \ K)
n−p
n−p
n−p
- ...
- ...
Ebenso bekommen wir, da K und K ∩ ∂X kompakt sind, folgendes Diagramm:
...
- H BM (K ∩ ∂X)
q
- H BM (K)
q
k
...
k
- H BM (K ∩ X)
q
- ...
..
..
..
.?
- H sing (K ∩ ∂X) - H sing (K) - H sing (K, K ∩ ∂X)
q
q
q
- ...
Die Behauptung folgt mittels Fünferlemma aus beiden Diagrammen.
Ausschneidung für Homologie
Mittels Borel-Moore-Homologie kann ebenso der Ausschneidungssatz für die Homologie verbessert werden, um ihn in die gleiche Fassung wie Satz B.2.11 zu bringen.
Satz B.2.28. Sei (X, A) ein Raumpaar mit A abgeschlossen und V ⊂ X eine lokal
abgeschlossene Teilmenge von X. Es gelte
◦
• entweder: V ⊂ A,
92
B Anhang: Hilfsmittel
• oder: X ist kompakt und hausdorffsch, V offen und V ⊂ A.
Dann induziert die Inklusion (X \ V, A \ V ) ,→ (X, A) Isomorphismen
Hnsing (X \ V, A \ V ; R) →
˜ Hnsing (X, A; R)
für alle n ∈ Z.
Beweis. Der erste Teil ist einfach der alte“, normale Ausschneidungssatz (nur daß
”
wir V als lokal abgeschlossen angenommen haben).
Für den zweiten Teil betrachte das Diagramm
...
- H BM (A, R)
n
- H BM (X, R) - H BM (X \ A, R)
n
n
k
...
..
..
..
..?
sing
-H
n (X, A; R)
k
- H sing (A, R) - H sing (X, R)
n
n
- ...
- ...
Wir erhalten aus dem Fünferlemma einen Isomorphismus
Hnsing (X, A; R) ∼
= HnBM (X \ A, R).
Aus dem gleichen Diagramm für (X \ V, A \ V ) statt (X, A) erhalten wir aber
genauso (da auch X \ V und A \ V kompakt sind)
Hnsing (X \ V, A \ V ; R) ∼
= HnBM ( (X \ V ) \ (A \ V ), R) = HnBM (X \ A, R).
Damit folgt die Behautung.
Die Derivierte Kategorie und Abgeleitete Funktoren
Ist X ein topologischer Raum, so zeigt man, daß die Kategorie Sh(X) aller Garben
auf X genügend viele Injektive besitzt, d.h. jede Garbe F auf X erlaubt einen
Monomorphismus in eine injektive Garbe. Man zeigt relativ leicht, daß daraus
folgt, daß jeder nach unten beschränkte Garbenkomplex F• auf X eine injektive
Auflösung ϕ : F• → I• besitzt (d.h. I• ist ein nach unten beschränkter Garbenkomplex auf X, wobei alle Garben In injektiv sind, und ϕ ist ein Quasiisomorphismus,
d.h. ϕ induziert einen Isomorphismus auf der Kohomologie beider Komplexe). Man
zeigt weiter, daß gilt: Sind F• → I• und G• → J• zwei injektive Auflösungen und
ϕ : F• → G• ein Morphismus von Komplexen, so existiert ein bis auf Homotopie
eindeutiger Morphismus ψ : I• → J• , so daß
F•
- I•
ψ
ϕ
?
G•
?
- J•
bis auf Homotopie kommutiert. (Eine Homotopie zwischen ψ, ψ 0 : I• → J• ist eine
Familie von Morphismen sn : In → Jn−1 mit dsn + sn+1 d = ψ n − ψ 0 n .)
B.2 Benutzte Fakten aus der Kohomologietheorie
93
Dies bedeutet folgendes: Bezeichnen wir mit Kom + (X) die Kategorie aller nach
unten beschränkten Garbenkomplexe auf X, mit K + (X) die Homotopiekategorie
aller solchen Komplexe (d.h. Morphismen dieser Kategorie sind Homotopieklassen
von Garbenkomplex-Morphismen), und mit D + (X) die Homotopiekategorie aller
nach unten beschränkten Komplexe von injektiven Garben auf X, so haben wir
einen Funktor ρ : K + (X) → D + (X), welcher linksadjungiert zu der Inklusion
i : D + (X) ,→ K + (X) ist.
Mit Hilfe der natürlichen Funktoren
Sh(X) ,→ Kom + (X) und
Kom + (X) → K + (X)
erhalten wir durch Komposition mit ρ die beiden Funktoren injektive Auflösung
”
bilden“
ρ̃ : Sh(X) → D + (X) bzw. ρ̃ : Kom + (X) → D + (Y )
Ebenso konstruiert man die derivierte Kategorie D + (Ab) der Kategorie Ab aller
abelschen Gruppen (welche ja nichts anderes als Sh({pt}) ist).
Sei nun F : Sh(X) → Sh(Y ) ein additiver Funktor. Die uns interessierenden
Beispiele sind: f∗ : Sh(X) → Sh(Y ) für f : X → Y und Γ : Sh(X) → Ab (=
Sh({pt})) (genauer Γ(X, ·)) bzw. Γc oder ΓA für A ⊂ X abgeschlossen. Mit Hilfe
von ρ kann man nun leicht einen Funktor
RF : D + (X) → D + (Y )
definieren: Zunächsteinmal läßt F sich in offensichtlicher Weise zu einem Funktor
F + : K + (X) → K + (Y )
fortsetzen. Setze dann
RF = i ◦ F + ◦ ρ.
Mit Hilfe von ρ̃ können wir RF auch als Funktor
RF ◦ ρ̃ : Sh(X) → D + (Y ) bzw. RF ◦ ρ̃ : Kom + (X) → D + (Y )
auffassen. Im folgenden lassen wir ρ̃ einfach weg und schreiben RF (F) für RF (ρ̃F),
bzw. RF (F• ) für RF (ρ̃F• ).
Aus diesen Funktoren kann man nun die klassischen“ abgeleiteten Funktoren
”
gewinnen: Setze
Rp F (F) = H p (RF (F))
für eine Garbe F. Mit ein wenig Rechenarbeit sieht man dann, daß dies in der
Tat für linksexakte Funktoren die richtigen abgeleiteten Funktoren liefert. (Die
Definition, die wir hier gemacht haben, funktioniert zwar auch für Funktoren, die
nicht linksexakt sind, aber es gilt: Ist F linksexakt, so folgt R0 F = F , ansonsten
muß dies nicht der Fall sein.)
Im Falle von F = Γ erhalten wir insbesondere
H p (X, F) = H p (RΓ(X, F)),
entsprechend für Hcp und HAp .
94
B Anhang: Hilfsmittel
Hyperkohomologie und direkter Bild-Funktor
Mit Hilfe obiger Definition von abgeleiteten Funktoren läßt sich die Garbenkohomologie ein wenig verallgemeinern. Ist F• ein Garbenkomplex auf X, so setzt
man
Hp (X, F• ) = H p (RΓ(X, F• ))
und nennt dies die Hyperkohomologie von X mit Werten in F• . Faßt man eine
Garbe F als Garbenkomplex F• auf (d.h. F0 = F, Fp = 0 für p 6= 0), so bekommen
wir die alte Definition zurück:
Hp (X, F• ) = H p (X, F).
Nach obigen Prinzipien erhalten wir genauso einen abgeleiteten Funktor des
direkten Bild-Funktors: Ist f : X → Y stetig, so erhalten wir für eine Garbe F
bzw. einen Garbenkomplex F• die Garbenkomplexe
Rf∗ F ∈ D + (Y ) bzw. Rf∗ F• ∈ D + (Y ).
Es gilt nun:
Satz B.2.29. Sei f : X → Y stetig und F eine Garbe auf X. Dann gilt
H p (X, F) = Hp (Y, Rf∗ F).
Dieser Satz folgt mit obigen Prinzipien unmittelbar aus der Tatsache, daß der
Funktor f∗ injektive Garben in injektive Garben überführt. In diesem Fall folgt
nämlich, daß R(Γ ◦ f∗ ) = RΓ ◦ Rf∗ , und daraus sofort die Behauptung.
Dieser Satz wird eins unserer Hauptwerkzeuge sein. Er erlaubt es, bei einem
kompliziertem“ Raum X die Berechnung der Kohomologie von X auf einen evtl.
”
einfacheren Raum Y auszulagern, wobei man sich normalerweise dann allerdings
einen im allgemeinen wesentlich komplizierteren Garbenkomplex Rf∗ F einhandelt.
Direkter Bildfunktor
Leicht mittels injektiver Auflösung sieht man:
Satz B.2.30. Sei f : X → Y stetig, F eine Garbe auf X und n ∈ Z. Die Garbe
Rn f∗ F ist dann die zu der Prägarbe
V 7→ H n (f −1 (V ), F)
assoziierte Garbe.
Korollar B.2.31. Sei f : X → Y stetig und eigentlich. Dann ist für y ∈ Y der
Halm (Rn f∗ F)y gegeben durch
(Rn f∗ F)y ∼
= H n (f −1 (y), F)
B.2 Benutzte Fakten aus der Kohomologietheorie
95
Beweis. Folgt aus vorigem Satz, da f −1 (y) kompakt ist und daher die Kohomologie
mittels Umgebungsbasen berechnet werden kann.
Korollar B.2.32. Sei f : X → Y eine eigentliche Faserungsabbildung (d.h. es existiert ein kompakter topologischer Raum F , so daß für jedes x ∈ X eine Umgebung
U und ein Homöomorphismus f −1 (U ) ∼
= U × F über Y existiert).
Ist dann G eine abelsche Gruppe und bezeichnet GX die dazugehörige konstante
Garbe auf X, so ist für jedes n ∈ Z die Garbe Rn f∗ GX lokal konstant.
Čech-Kohomologie
Sei X topologischer Raum, F eine Garbe auf X und U = (Ui )i∈I eine offene Überdeckung von X.
Wir setzen für p ∈ Z
Y
C p (U, F) =
F(Ui0 ,...,ip )
(p ≥ 0),
(i0 ,...,ip )∈I p+1
wobei wir Ui0 ,...,ip = Ui0 ∩ · · · ∩ Uip setzen, und C p = 0 für p < 0. Ein Element in C p (U, F) heißt Čech-Kokette bezüglich U mit Koeffizienten in F. Weiter sei Cap (U, F) ⊂ C p (U, F) die Gruppe aller alternierenden Koketten (auf naheliegende Weise definiert). Durch Bildung von alternierenden Summen von Differenzen auf den Durchschnitten definiert man ein Differential d : Cap (U, F) →
Cap+1 (U, F) und erhält den sogenannten Čech-Komplex C • (U, F). Die Kohomologiegruppen dieses Komplexes werden mit Ȟ p (U, F) bezeichnet und heißen die
Čech-Kohomologiegruppen bezüglich U mit Werten in F.
Ist V ⊂ U eine Verfeinerung, so sieht man leicht, daß man eine natürliche
Abbildung
Ȟ p (U, F) → Ȟ p (V, F)
hat, welche unabhängig von der Verfeinerungsabbildung ist. Daher macht es Sinn,
den direkten Limes über alle Überdeckungen zu bilden. Wir setzen daher
Ȟ p (X, F) = lim Ȟ p (U, F),
−→
und nennen dies die Čech-Kohomologie von X mit Werten in F.
Satz B.2.33. Sei X parakompakt. Dann hat man natürliche Isomorphismen
Ȟ p (X, F) ∼
= H p (X, F).
In guten Fällen kann man auf die Limes-Bildung verzichten. Dies präzisiert
folgendes Theorem:
Theorem B.2.34 (Leray). Sei X parakompakt und U = (Ui )i∈I eine offene Überdeckung von X, so daß H q (X, Ui0 ,...,ip−1 ) = 0 für alle q = 1, . . . , p. Dann ist die
kanonische Abbildung
Ȟ p (U, F) → H p (X, F)
(welches die natürliche Limesabbildung kombiniert mit dem Isomorphismus des
obigen Satzes ist) ein Isomorphismus.
96
B Anhang: Hilfsmittel
Lokal konstante Garben
Die folgenden Aussagen in diesem Abschnitt gelten in einem wesentlich allgemeineren Kontext. Wir brauchen die Aussagen aber nur in den hier betrachteten Spezialfällen und da die Beweise dadurch einfacher werden, lassen wir es hierbei bewenden.
Ist I ⊂ R≥0 ein nicht-leeres Intervall, so setzen wir
∆I = {z ∈ C : |z| ∈ I}.
Satz B.2.35. Es seien I, J ⊂ R≥0 zwei nichtleere Intervalle mit J ⊂ I und 0 ∈
/ I.
Ist dann F eine lokal konstante Garbe auf ∆I , so sind die Einschränkungsabbildungen
H p (∆I , F) → H p (∆J , F)
Isomorphismen.
Beweis. Setze U = C \ R≤0 und V = C \ R≥0 . Dann gilt: U ∩ ∆I und V ∩ ∆I
sind zusammenziehbar, also ist F|U ∩∆I bzw. F|V ∩∆I konstant und daher nach der
Homotopieinvarianz H p (U, F ∩ ∆I ) = H p (V, F ∩ ∆I ) = 0 für p > 0. Der Schnitt
U ∩ V ∩ ∆I ist disjunkte Vereinigung zweier zusammenziebarer Komponenten, also
ist auch H p (U ∩ V ∩ ∆I , F) = 0 für p > 0. Daher berechnet sich H p (∆I , F) mittels
des Čech-Komplexes
0 → F(U ∩ ∆I ) ⊕ F(V ∩ ∆I ) → F(U ∩ V ∩ ∆I ) → 0.
Die gleichen Aussagen gelten mit J statt I, also berechnet sich H p (∆J , F) mittels
des Čech-Komplexes
0 → F(U ∩ ∆J ) ⊕ F(V ∩ ∆J ) → F(U ∩ V ∩ ∆J ) → 0.
Die Einschränkungsabbildungen induzieren nun aber wegen der Homotopieinvarianz Isomorphismen auf den Čech-Komplexen und die Behauptung folgt.
Satz B.2.36. Es sei I ⊂ R≥0 ein Intervall mit 0 ∈ I. Ist dann F eine Garbe auf
∆I , so daß F|∆I \{0} lokal konstant ist, so sind die Einschränkungsabbildungen
(
F0
H p (∆I , F) → H p ({0}, F) =
0
p=0
sonst
Isomorphismen.
Beweis. Der Fall I = {0} ist trivialerweise richtig. Ansonsten sei ε > 0, so daß
J := [0, ε[⊂ I. Setze I ∗ = I \ {0} und J ∗ = J \ {0}.
Nach dem Ausschneidungssatz ist
H p (∆I , ∆J ; F) →
˜ H p (∆I ∗ , ∆J ∗ ; F).
B.2 Benutzte Fakten aus der Kohomologietheorie
97
Nach dem vorigen Satz ist aber
H p (∆I ∗ , F) → H p (∆J ∗ , F)
Isomorphismus, also ist
H p (∆I , F) → H p (∆J , F)
ebenfalls Isomorphismus. Die ∆ε := ∆J bilden aber eine Umgebungsbasis der kompakten Menge {0}, d.h.
H p ({0}, F) = lim H p (∆ε , F)
−→
und die Behauptung folgt.
Mit der gleichen Methodik wie in obigen beiden Sätzen läßt sich noch folgender
Satz beweisen. Setze ∆ = ∆[0,1[ und ∆ = ∆[0,1] .
Satz B.2.37. Sei X = ∆ und Γ ⊂ ∆ ein Baum, d.h. Γ ist Vereinigung endlich vieler zum abgeschlossenen Einheitsintervall homöomorpher Unterräume, die
sich jeweils alle im Anfangspunkt treffen, und sich ansonsten nicht schneiden oder
berühren.
Sei F eine Garbe auf X, so daß die Einschränkung auf X \ Γ lokal konstant ist.
Dann sind die Einschränkungsabbildungen
H p (X, F) → H p (Γ, F)
Isomorphismen.
Beweis. Man betrachte hier eine Umgebungsbasis Uj von Γ, so daß jedes Uj
homöomorph zum (offenen) Einheitskreis ist (welche es offenbar gibt). Der Beweis
läuft dann analog zum ersten und zweiten obigen Satz.
Der springende Punkt ist nun, daß sich alle obigen Sätze auf Hyperkohomologie (unter verallgemeinerten Bedingungen an den Garbenkomplex) verallgemeinern
läßt. Wir formulieren die Analoga zu den beiden ersten Sätzen, der dritte verallgemeinert sich analog.
Satz B.2.38.
• Es seien I, J ⊂ R≥0 zwei nichtleere Intervalle mit J ⊂ I und 0 ∈
/ I. Ist dann
F• ein Garbenkomplex auf ∆I , so daß die Kohomologiegarben H q (F• ) lokal
konstant sind, so sind die Einschränkungsabbildungen
Hp (∆I , F• ) → Hp (∆J , F• )
Isomorphismen.
• Es sei I ⊂ R≥0 ein Intervall mit 0 ∈ I. Ist dann F• ein Garbenkomplex auf
∆I , so daß die Einschränkungen der Kohomologiegarben H q (F• ) auf ∆I \ {0}
alle lokal konstant sind, so sind die Einschränkungsabbildungen
Hp (∆I , F• ) → Hp ({0}, F• ) = H p (F0• )
Isomorphismen.
98
B Anhang: Hilfsmittel
Die Idee dabei ist folgende: Die Konstruktion für Čech-Kohomologie für Garben verallgemeinere man auf Garbenkomplexe. Man siehe dazu z.B. KashiwaraSchapira [17], Kapitel 2.8 (Cohomology of Coverings). Dort wird zwar auch nur
der Fall einer Garbe statt eines Garbenkomplexes behandelt, der dortige Zugang
erlaubt aber ziemlich leicht eine Verallgemeinung auf Garbenkomplexe. Bei der Verallgemeinerung des Leray’schen Theorems auf diesen Fall muß man natürlich die
Bedingung, daß die Garbe azyklisch auf den Schnitten sei, entsprechend anpassen.
Ohne dies genau angeben zu wollen, sei jedoch bemerkt, daß dies jedoch darauf
hinausläuft, daß man lokal konstante Garbe“ durch Garbenkomplex mit lokal
”
”
konstanten Kohomologiegarben“ in der Verallgemeinerung ersetzen muß. Ebenso
verallgemeinere man Homotopieinvarianz (auf den Fall von Garbenkomplexe mit
konstanten Kohomologiegarben) und Ausschneidung für Garbenkomplexe. Mit diesen Verallgemeinerungen beweise man nun ganz analog zu oben den Satz.
Die Verallgemeinerung auf Hyperkohomologie interessiert uns wegen folgender
Folgerung:
Korollar B.2.39. Sei f : X → ∆ stetig und eigentlich, so daß die Einschränkung
f |X\X0 : X \ X0 → ∆ \ {0} eine Faserungsabbildung ist (X0 := f −1 (0)). Dann gilt:
• Ist I ⊂]0, 1] nichtleeres Intervall, so sind die Einschränkungsabbildungen
H p (X \ X0 , G) → H p (f −1 (∆I ), G)
sind Isomorphismen.
• Die Einschränkungsabbildungen
H p (X, G) → H p (X0 , G)
sind Isomorphismen.
(Dabei sei G abelsche Gruppe).
Beweis. Wir haben
H n (X \ X0 , G) = Hn (∆ \ {0}, Rf∗ GX ) ∼
= Hn (∆I , Rf∗ GX ) = H n (f −1 (∆I ), G)
nach dem vorigen Satz, da nach Korollar B.2.32 Rf∗ GX über ∆\{0} lokal konstante
Kohomologiegarben Rp f∗ GX hat.
Der zweite Fall folgt analog.
Einen entsprechenden Satz erhält man genauso mit einem Baum Γ statt des
Nullpunktes als schlechte“ Menge.
”
B.3
Hilfsmittel aus der Differentialtopologie
Wir stellen hier ein paar Tatsachen zusammen, welche wir im kommenden Abschnitt im Beweis des Satzes von Ehresmann verwenden wollen.
B.3 Hilfsmittel aus der Differentialtopologie
B.3.1
99
Flüsse von Vektorfeldern
Definition B.3.1 (Fluß). Sei X eine differenzierbare Mannigfaltigkeit. Ein Fluß
(genauer lokaler Fluß ) auf X ist eine differenzierbare Abbildung
Φ:A→X
von einer offenen Teilmenge A ⊂ R×X mit {0}×X ⊂ A, so daß jedes A∩(R×{x})
zusammenhängend ist, und
Φ(0, x) = x sowie Φ(t + s, x) = Φ(t, Φ(s, x)),
sofern in der rechten Gleichung beide Seiten für t, s und x erklärt sind.
Ein globaler Fluß ist ein Fluß mit A = R × X.
Ist x ∈ X, so schreiben wir A ∩ (R × {x}) als ]ax , bx [×{x} = Ix × {x} und
bezeichnen die Abbildung
αx :]ax , bx [→ X
t 7→ Φ(t, x)
als die durch x gehende Flußlinie von Φ (hierbei ist durchaus ax = −∞ und bx = ∞
zugelassen).
Jeder Fluß Φ auf X bestimmt ein Vektorfeld v ∈ Γ(X, T X) auf X:
v(x) = α̇x (0),
auch geschrieben als Φ̇(0, x). Dieses Vektorfeld heißt Geschwindigkeitsfeld von Φ.
Es gilt nun folgende Umkehrung:
Satz B.3.2. Jedes Vektorfeld v ∈ Γ(X, T X) besitzt einen maximalen Fluß Φv mit
Φ̇v (0, x) = v(x).
Dabei bedeutet die Maximalität von Φ, daß für jedes x ∈ X der Definitionsbereich Ix maximal ist. Jedes αx löst dann offensichtlich die Differentialgleichung
α̇(t) = v(α(t)).
Dieser Satz ist nur eine Umformulierung des lokalen Existenz- und Eindeutigkeitssatzes aus der Theorie der gewöhnlichen Differentialgleichungen.
Im folgenden Lemma benutzen wir die Schreibweise limn→∞ xn = ∞“ aus
”
Abschnitt B.1.1.
Lemma B.3.3. Sei Φ ein Fluß auf einer Mannigfaltigkeit X. Ist dann αx Flußlinie
von Φ durch x ∈ X mit bx < ∞ (wobei wie oben ]ax , bx [ das maximale Definitionsintervall bezeichne), so folgt limt→bx αx (t) = ∞.
Die entsprechende Aussage gilt für ax > −∞.
Beweis. Angenommen, limt→bx αx (t) 6= ∞. Sei (tn ) Folge in ]ax , bx [ mit tn → bx .
Dann hat (yn ) mit yn := αx (tn ) eine konvergente Teilfolge nach Lemma B.1.13 (X
erfüllt das erste Abzählbarkeitsaxiom). Sei y der Grenzwert dieser Teilfolge und αy
die Flußlinie durch y. Setze
(
αx (t)
ax < t < b x
α̃x (t) =
.
αy (t − bx ) bx ≥ t < bx + by
Dann ist α̃x offensichtlich auch Flußlinie durch x, was zeigt, daß bx nicht maximal
sein konnte.
100
B.3.2
B Anhang: Hilfsmittel
Der Rangsatz
Wir verallgemeinern hier zunächst den Rangsatz (siehe z.B. BröckerJänich [22]).
Theorem B.3.4 (Rangsatz). Es seien X, S Mannigfaltigkeiten, Y ⊂ X eine Untermannigfaltigkeit, sowie f : X → S differenzierbar. Sei weiter x ∈ Y . Ist dann
sowohl f als auch f |Y von konstantem Rang r nahe x, so gibt es Karten (U, ϕ) von
X um x und (V, ψ) von S um f (x) mit
ϕ(U ∩ Y ) = {(a1 , . . . , an ) ∈ ϕ(U ) | am+1 = · · · = an = 0}
ψ ◦ f ◦ ϕ−1 (a1 , . . . , an ) = (a1 , . . . , ar , 0, . . . , 0).
und
Beweis. Wir folgen im wesentlichen [22].
O.B.d.A. können wir annehmen, daß X = Rn , Y = {a ∈ Rn | am+1 = · · · =
an = 0}, S = Rs , sowie x = 0 und f (0) = 0.
Der Einfachheit halber rechnen wir mit Keimen. Die Keime von Funktionen
f, g, . . . in 0 seien mit fb, gb, . . . bezeichnet.
Nachdem wir evtl. noch die Koordinaten vertauschen, können wir weiter
o.B.d.A. annehmen, daß die Matrix
∂f i
∂xj
1≤i,j≤r
regulär in 0 ist (dabei geht durchaus rang0 f |Y ≥ r ein). Betrachte nun h : Rn → Rn
mit
h(a) = (f1 (a), . . . , fr (a), ar+1 , . . . , an ).
Dann ist Dh in 0 regulär, also ist der Keim b
h von h in 0 invertierbar. Ferner bilden
h und h−1 (wo definiert) Punkte aus Y wieder nach Y ab. Der Keim gb := fb ◦ b
h−1
wird dann durch eine Abbildung
b 7→ (b1 , . . . , br , gr+1 (b), . . . , gn (b))
repräsentiert, die Jakobimatrix hat also die Form
∂g
Er
0
i
Dg(b) =
mit A(b) =
(b)
∗ A(b)
∂xj
r+1≤i,j≤n
(dabei ist Er die r × r-Einheitsmatrix). Da nun aber rang f = r in einer Umgebung
b = 0 sein, also ∂gi /∂xj = 0 für r + 1 ≤ i, j ≤ n.
von 0 ist, muß A
Definiere nun den Keim b
k : (Rs , 0) → (Rs , 0) durch
d 7→ (d1 , . . . , dr , dr+1 − gr+1 (d), . . . , ds − gs (d)).
Die Jakobimatrix ist dann
Dk =
Er
0
,
∗ Es−r
B.4 Der Satz von Ehresmann
101
also ist b
k invertierbar.
Nun ist b
k ◦ fb ◦ b
h−1 = b
k ◦ gb repräsentiert durch
b 7→ (b1 , . . . , br , 0, . . . , 0),
hat also die gewünschte Form, außerdem läßt der Kartenwechsel h−1 , wie oben
bemerkt, Y invariant.
Wir brauchen hier nur folgendes Korollar:
Korollar B.3.5. Es seien X eine berandete Mannigfaltigkeit, S eine (unberandete)
Mannigfaltigkeit, f : X → S differenzierbar und x ∈ ∂X, so daß f |∂X bei x
submersiv ist. Dann gibt es Karten (U, ϕ) nahe x (mit ϕ(U ) ⊂ Rn+ := {a ∈ Rn |
an ≥ 0}) und (V, ψ) nahe f (x), so daß
ψ ◦ f ◦ ϕ−1 (a1 , . . . , an ) = (a1 , . . . , as ).
Beweis. Wir können uns o.B.d.A. auf den Fall X = Rn+ , S = Rs und x = 0
beschränken. Nach Definition der Differenzierbarkeit von f in 0 existiert eine differenzierbare Fortsetzung von f auf eine Umgebung von 0, o.B.d.A. auf
B n (0, 1) := {a ∈ Rn : kak < 1}. Ferner ist diese Fortsetzung auf einer (evtl.
kleineren) Umgebung von 0 noch submersiv (Halbstetigkeit des Ranges). Anwendung des Satzes auf B n (0, 1) und B n (0, 1) ∩ {an = 0} liefert die Behauptung.
B.4
Der Satz von Ehresmann
Wir wollen hier den Satz von Ehresmann in folgender Fassung zeigen:
Satz B.4.1 (Ehresmann). Es seien X, S reelle, differenzierbare Mannigfaltigkeiten, X evtl. berandet, S zusammenhängend, f : X → S eine eigentliche Submersion, so daß auch f |∂X submersiv ist. Dann ist f eine (lokal triviale) differenzierbare
Faserungsabbildung.
Die Hauptidee des Beweises sind die beiden folgende Lemmata.
Lemma B.4.2. Es seien X, S wie eben und f : X → S eine Submersion, so daß
auch f |∂X submersiv ist. Ist dann v ∈ Γ(S, T S) ein Vektorfeld auf S, so existiert
ein Vektorfeld w ∈ Γ(X, T X) mit
(Tx f )(w(x)) = v(f (x)) ∀x ∈ X und
w(x) ∈ Tx (∂X) ∀x ∈ ∂X.
(B.1)
Beweis. Lokal folgt dies sofort aus Korollar B.3.5, global folgt dies dann mittels
Teilung der Eins.
Lemma B.4.3. Es seien X, S wie eben und f : X → S differenzierbar und eigentlich. Ferner seien w, v Vektorfelder auf X bzw. S, so daß (B.1) erfüllt ist. Ist dann
v global integrierbar, so auch w| ◦ und w|∂X . (Wegen (B.1) ist w|∂X Vektorfeld auf
X
∂X.)
102
B Anhang: Hilfsmittel
Beweis. Sei also v global integrierbar.
◦
Zuerst zu w| ◦ . Dazu sei x ∈ X, αx die Lösungskurve von w| ◦ durch x (mit
X
X
maximalen Definitionsintervall ]ax , bx [). Angenommen, αx ist nicht auf ganz R defi◦
niert, o.B.d.A. bx < ∞. Nach Lemma B.3.3 gilt dann limt→bx αx (t) = ∞ in X. Das
ist offenbar äquivalent dazu, daß entweder limt→bx αx (t) = ∞ in ganz X, oder daß
limt→bx αx (t) ∈ ∂X. Dieser zweite Fall scheidet aber aus, da nach Voraussetzung
w(x0 ) ∈ Tx0 (∂X) für alle x0 ∈ ∂X. Im ersten Fall folgt nach Satz B.1.17, daß auch
limt→bx f (αx (t)) = ∞. Da aber offenbar f ◦ αx Lösungskurve von v (durch f (x))
ist, steht dies im Widerspruch zur globalen Integrierbarkeit von v.
Nun ist mit f aber auch f |∂X : ∂X → S eigentlich. Wenden wir das eben
bewiesene auf f |∂X (und die unberandete Mannigfaltigkeit ∂X) an, so erhalten wir
die Aussage auch für w|∂X .
Bemerkung. Ist X berandete Mannigfaltigkeit und v ein Vektorfeld auf X mit
v(x) ∈ Tx (∂X) für alle x ∈ ∂X, so macht es offenbar Sinn, von einem Fluß Φv von
◦
v auf X zu reden, welcher sich dann aus den Flüssen von v| ◦ auf X und v∂X auf
X
∂X zusammensetzt. Dieser besitzt weiterhin die Eigenschaften eines Flußes, da die
Flußlinien in diesem Fall ja nicht in den Rand von X hereinlaufen können.
Beweis des Satzes von Ehresmann. Die Behauptung ist offenbar lokal bezüglich S
(der Zusammenhang von S sichert nur die Diffeomorphie der einzelnen Fasern), also
können wir o.B.d.A. S = Rs annehmen. Seien e1 , . . . , es die Einheitsvektorfelder
auf S. Nach den beiden vorangegangenen Lemmata existieren global integrierbare
Vektorfelder v1 , . . . , vs mit
(Tx f )(vi (x)) = ei ∀x ∈ X und
vi (x) ∈ Tx (∂X) ∀x ∈ ∂X
für i = 1, . . . , s.
Für i = 1, . . . , s sei Φi : R × X → X der zu vi gehörige (globale) Fluß. Definiere
nun σ : S × X0 → X mit X0 := f −1 (0) durch
σ((t1 , . . . , ts ), x) = Φ1 (t1 , Φ2 (t2 , . . . Φs−1 (ts−1 , Φs (ts , x)) . . . )).
Nach Konstuktion gilt offenbar f (σ((t1 , . . . , ts ), x) = (t1 , . . . , ts ).
Wir behaupten nun, daß σ ein Diffeomorphismus ist. Betrachte dazu τ : X →
S × X0 mit
τ (x) = t, Φs (−ts , Φs−1 (−ts−1 , . . . Φ2 (−t2 , Φ1 (−t1 , x)) . . . ))
für f (x) = t = (t1 , . . . , ts ).
Offenbar sind σ und τ differenzierbar und invers zueinander.
Bemerkung. Der Beweis zeigt noch ein wenig mehr: Hat X einen Rand, so ist,
wenn die Voraussetzungen des Satzes von Ehresmann erfüllt sind, (X, ∂X) als
Paar mittels f über S gefasert.
103
B.4 Der Satz von Ehresmann
Dabei heißt ein Paar (X, A), wobei A Untermannigfaltigkeit von X ist, mittels
f : X → S als Paar gefasert, falls gilt lokal Trivialisierungen von f existieren,
die jeweils Trivialisierungen für f |A induzieren. Genau heißt dies: Es existiert ein
Paar (F, E), wobei wieder E Untermannigfaltigkeit von F ist, so jedes y ∈ S eine
Umgebung U besitzt, so daß ein fasertreuer Diffeomorphismus η : f −1 (U ) →
˜ U ×F
−1
existiert, der einen Diffeomorphismus η|(f |A )−1 (U ) : (f |A ) (U ) →
˜ U × E induziert.
Lemma B.4.4. Es sei f : (X, A) → S ein Faserungspaar und f eigentlich. Ist
f |A trivialisierbar und σ : A →
˜ S × E eine Trivialisierung, so existiert zu jedem
s ∈ S eine Umgebung U von s und eine mit σ verträgliche lokale Trivialisierung
von f : X → S über U .
Das soll folgendes heißen: σ induziert für jedes s ∈ S einen Diffeomorphismus
αs : As →
˜ E. Dann soll eine lokale Trivialisierung η : XU →
˜ U × Xs existieren mit
(idU ×αs ) ◦ η|AU = σ|AU .
Beweis. Die Aussage ist lokal bzgl. S. Also können wir o.B.d.A. annehmen, daß
S = Rs .
In diesem Fall ist eine Trivialisierung η : X →
˜ Rs × F aber nach Wahl eines
Basispunktes s0 ∈ Rs äquivalent zu einem Isomorphismus Xs0 →
˜ F zusammen mit
global integrierbaren Vektorfeldern v1 , . . . , vs mit
(Tx f )(vi (x)) = ei ∀x ∈ X und
vi (x) ∈ Tx (∂X) ∀x ∈ ∂X
für i = 1, . . . , s,
wie wir im Beweises des Satzes von Ehresmann gesehen haben (dort wurde durch
Integration aus solchen Vektorfeldern eine Trivialisierung konstruiert, umgekehrt
liefert der Isomorpismus η natürlich solche Vektorfelder).
Die Trivialisierung σ ist ebenso äquivalent zu entsprechenden Vektorfeldern
wi auf A und unsere Aufgabe ist es daher, die Vektorfelder vi so zu finden, daß
vi |A = wi . Wir zeigen, daß dies lokal möglich ist, global folgt dies mittels Teilung
der Eins.
Wir nehmen zunächst X als unberandet an. Die Tatsache, daß (X, A) → S
Faserungspaar ist, impliziert insbesondere, daß f und f |A submersiv sind. Nach
dem Rangsatz können wir für x ∈ X Karten (U, ϕ) von X um x und (V, ψ) von S
um s = f (x) mit
ϕ(U ∩ A) = {(a1 , . . . , an ) ∈ ϕ(U ) | am+1 = · · · = an = 0}
ψ ◦ f ◦ ϕ−1 (a1 , . . . , an ) = (a1 , . . . , as )
und
finden. In dieser Beschreibung sind die Vektorfelder vi aber leicht durch triviale
Fortsetzung der wi zu konstruieren. Wegen Lemma B.4.3 sind diese dann auch
global integrierbar.
Hat X einen Rand, so funktioniert das Argument aber immer noch, falls man
X lokal um x ∈ ∂X wie im Beweis von Korollar B.3.5 ein wenig ausbeult“.
”
104
B.5
B Anhang: Hilfsmittel
Isolierte vollständige Durchschnitte
Ist (X, x) Keim einer analytischen Menge X ⊂ U ⊂ CN mit dimx X = n, so
braucht man stets mindestens N − n holomorphe Funktionen, so daß X bei x
Nullstellengebilde dieser Funktionen ist.
Im speziellen Fall, daß sich X bei x bereits durch N −n Funktionen beschreiben
läßt, heißt (X, x) vollständiger Durchschnitt (von Hyperflächen).
Dies macht auch im nicht-reduzierten Fall Sinn:
Definition B.5.1. Sei I ⊂ OCN ,x ein Ideal. Man sagt, I definiere einen vollständigen Durchschnitt, falls mit n = dim(OCN ,x /I) gilt, daß I sich durch N − n Keime
f1 , . . . , fN −n ∈ mCN ,x erzeugen läßt.
Diese Definition ist zunächst noch abhängig von der Einbettung von (X, x) in
ein CN . Diese Abhängigkeit beseitigt folgendes Lemma.
Lemma B.5.2. Es seien I ⊂ OCN ,0 und J ⊂ OCM ,0 zwei Ideale, so daß A =
OCN ,0 /I und B = OCN ,0 /J isomorph sind (d.h. I und J definieren den gleichen
Raumkeim). Dann gilt: Ist d(I) die minimale Anzahl von Erzeugern von I, entsprechend d(J), so ist
N − d(I) = M − d(J).
Beweis. Siehe z.B. Looijenga [1], Lemma 1.8.
Somit können wir nun definieren:
Definition B.5.3. (X, x) heißt vollständiger Durchschnitt, falls für eine Einbettung (und dann für alle) (X, x) ⊂ (CN , 0) mit definierendem Ideal I ⊂ OCN ,0 gilt,
daß I einen vollständigen Durchschnitt definiert.
(X, x) heißt isolierter vollständiger Durchschnitt (kurz icis für isolated complete intersection), falls (X, x) isolierte Singularität und vollständiger Durchschnitt
ist.
Lemma B.5.4. Seien f1 , . . . , fk ∈ mCN ,0 mit rang(df1 (y), . . . , dfk (y)) = k für alle
y 6= 0. (Es reicht, daß der Rang maximal für alle y ∈ X \ {0} ist mit X =
{x ∈ (CN , 0) : f1 (x) = · · · = fk (x) = 0}.) Dann definiert I = (f1 , . . . , fk ) einen
isolierten vollständigen Durchschnitt.
Beweis. Unter dieser Bedingung sind alle y ∈ X mit y 6= 0 nicht-singulär von der
Dimension N − k. Dann ist aber auch dim0 X = N − k (siehe Satz A.1.15) und die
Behauptung folgt.
Satz B.5.5. I ⊂ OCN ,0 definiert genau dann einen vollständigen Durchschnitt,
falls es Erzeuger f1 , . . . , fk von I gibt, welche eine OCN ,0 -Sequenz bilden, d.h.
fj ist kein Nullteiler in OCN ,0 /(f1 , . . . , fj−1 )OCN ,0 .
Beweis. Siehe z.B. Matsumura [19], Theorem 30.
Literatur
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1968.
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In: P. Holm (Hrsg.), Real and Complex Singularities, Sijthoff & Noordhoff, 1978,
S. 405–474.
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1984.
Reell-analytische Theorie
[10] R. Narasimhan, Introduction to the Theory of Analytic Spaces. Lecture Notes in
Mathematics 25, Springer, 1966.
Allgemeine Topologie und klassische (Ko-) Homologie
[11] E. Ossa, Topologie. Vieweg, 1992.
[12] A. Hatcher, Algebraic Topology. — Druck geplant bei Cambridge University Press.
(verfügbar auf http://www.math.cornell.edu/˜hatcher/)
[13] S. Mac Lane, Homology. Classics in Mathematics, Springer, 1995.
105
Garbentheorie
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G.E. Bredon, Sheaf Theory. Springer, 19972 .
S.I. Gelfand und Yu.I. Manin, Methods of Homological Algebra. Springer, 1996.
M. Kashiwara und P. Schapira, Sheaves on Manifolds. Springer, 1990.
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[18] D. Eisenbud, Commutative Algebra with a View Toward Algebraic Geometry.
Springer, 1995.
[19] H. Matsumura, Commutative Algebra. W. A. Benjamin Co., 19802 .
[20] R. Hartshorne, Algebraic Geometry. Springer, 1977.
[21] S. Lang, Algebra. Addison Wesley, 19933 .
Differentialgeometrie
[22] T. Bröcker und K. Jänich, Einführung in die Differentialtopologie. Springer,
1990.
106
Erklärung
Hiermit erkläre ich, daß ich diese Diplomarbeit selbständig verfaßt habe, und nur
die in der Arbeit angegebenen Hilfsmittel (siehe Dank und Literaturverzeichnis)
benutzt habe.
Hamburg, den 15. September 2005
Gunnar Dietz
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