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Titel:
Die Hornhaut lasern oder nicht?
Medium:
Ärztemagazin, S. 18
Datum:
15.09.2010
Text:
Die 43-jährige Anna S. ist kurzsichtig, allerdings mit einer starken Seitendifferenz. Während es links nur
eine halbe Dioptrie ist, hat sie rechts sechs Dioptrien, zudem besteht auf beiden Seiten ein regulärer
Astigmatismus.
„Wissen Sie, mir gehen meine Brillen auf die Nerven“, sagt Frau S., die in ihrem Beruf viel lesen muss,
andererseits aber auch viel mit dem Auto unterwegs ist.
„Ich habe jetzt von einer Freundin gehört, dass man so was mit Laser
behandeln kann. Nur konnte mir bis jetzt niemand sagen, ob das
Problem dann ein für alle Mal beseitigt ist oder nicht." Wie klären Sie diese Patientin auf?
Sollte sie sich zumindest das rechte, stärker kurzsichtige Auge lasern lassen? Welche anderen
Behandlungsmöglichkeiten gibt es, und wie ist die weitere Prognose?
„Eine Laserkorrektur des leicht kurzsichtigen Auges ist nicht zu empfehlen"
Dr. Mireille Schwaninger-Thill
FÄ f. Augenheilkunde u. Optometrie, Salzburg Eine Excimer-Laserkorrektur bei einer Kurzsichtigkeit mit
Astigmatismus von -6,0 Dioptrien ist grundsätzlich sehr gut für eine dauerhafte Behebung eines
einseitigen oder beidseitigen Sehfehlers für die Ferne geeignet. Voraussetzung ist selbstverständlich,
dass durch eine Voruntersuchung festgestellt wurde, dass es sich um einen stabilen Sehfehler handelt
und das betreffende Auge gesund ist. Ferner müssen die morphologischen Parameter wie Hornhautdicke
und -topografie, Pupillenweite etc. eine Femto-Lasik, die ich in diesem Fall durchführen würde, erlauben.
Im Fall von Frau Anna S. sind allerdings zwei weitere Kriterien besonders zu berücksichtigen:
■ Bei einem einseitig so hohen Sehfehler wie bei Frau S. liegt häufig eine Störung des
Binokularsehens und/oder eine Amblyopie vor. Vor einem Eingriff muss deshalb unbedingt sichergestellt
werden, dass eine Korrektur des stark kurzsichtigen Auges wirklich vertragen wird und angenehm ist.
Zusätzlich zu einer Prüfung des Binokularsehens führe ich in solchen Fällen deshalb immer einen
Kontaktlinsentrageversuch für einige Stunden oder Tage durch, um den Patienten zu simulieren, wie das
„Sehgefühl" nach der Behandlung sein kann. Das subjektive Empfinden ist somit für die Op-Indikation
mitentscheidend! Ein voll- oder gar unterkorrigiertes Brillenglas auf einem Auge ist nicht mit einer
Kontaktlinse oder einer Laserkorrektur vergleichbar, und Letztere werden gelegentlich sogar als
unangenehm empfunden.
■ Des Weiteren beginnt Anfang 40 die Alterssichtigkeit bzw. Presbyopie, die aus physikalischen
Gründen häufig bei kurzsichtigen Brillenträgern erst später wahrgenommen wird. Die Patienten müssen
informiert werden, dass sich die Sehfähigkeit für die Nähe zwischen dem 45. und 55. Lebensjahr auf
jeden Fall verändern wird und später für feinere Naharbeiten eine Lesebrille benötigt werden wird. Durch
eine leichte Unterkorrektur kann man allerdings erreichen, dass postoperativ bei nahezu
hundertprozentiger Sehschärfe für die Ferne trotz zunehmender Alterssichtigkeit am Bildschirm und bei
größeren Schriften unter Umständen ohne Nahbrille gearbeitet und gelesen werden kann. Diese Frage
ist jedoch immer individuell zu klären und auf die jeweiligen Bedürfnisse abzustimmen. Eine
Laserkorrektur des nur leicht kurzsichtigen linken Auges würde ich in diesem Fall keinesfalls empfehlen.
„Ich würde nur das rechte Auge wahrscheinlich mit dem Laser korrigieren"
OA Dr. Reinhard Schranz
FA f. Augenheilkunde, Augenlaserklinik Wien
Zuerst würde ich bei Frau S. eine eingehende Augenuntersuchung durchführen. Es wird dabei eine
Standarduntersuchung durchgeführt - ein genauer Sehtest, Augendruckmes-sung, Begutachtung des
vorderen und hinteren Augenabschnitts (Hornhaut, Netzhaut), Feststellung des Schielstatus mit
speziellen Geräten -, ob eine Fehlsichtigkeitskorrektur überhaupt möglich und sinnvoll ist.
Sollte dies möglich sein, würde ich bei Frau S. nur das rechte Auge - höchstwahrscheinlich mit dem
Laser - korrigieren. Dabei wird das rechte Auge in einer 15-minütigen Operation normalsichtig gemacht.
Damit ist Frau S. in der Lage, in den nächsten Jahren - bis zum Auftreten der Alterssichtigkeit - sowohl in
der Nähe als auch in der Ferne gut zu sehen. Das bedeutet, Frau S. kann ohne Brille Auto fahren,
PC-Arbeiten verrichten, lesen ect.
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Mit Einsetzen der Alterssichtigkeit zwischen dem 45. und 50. Lebensjahr könnte Frau S. dann in der
Nähe ohne Brille zurechtkommen, da Frau S. mit dem linken, etwas kurzsichtigen Auge die
Alterssichtigkeit ausgleichen kann.
Ab dem 50. Lebensjahr müsste Frau S. jedoch - wie jeder andere Normalsichtige auch, um kleine
Schriften lesen zu können - eine Lesebrille verwenden. Für die Ferne brauchte Frau S. auch dann keine
Brille.
Dasselbe Resultat kann auch durch die Implantation einer sogenannten phaken Kunststofflinse - die
Linse wird zusätzlich zur eigenen Linse in das Auge implantiert - erreicht werden.
Welche Methode nun die sinnvollere ist, kann nur nach einer eingehenden Augenuntersuchung wie zu
Beginn beschrieben und einem eingehenden persönlichen Gespräch entschieden werden.
„Konkret würde ich der Patientin eine Laserung mit Monovision anbieten"
Dr. Beatrix Neumaier-Ammerer
Augenabteilung d. Krankenanstalt Rudolfstiftung, Wien
Bei meiner Patientin würde ich zunächst abklären, ob eine Laserung der Hornhaut aufgrund ihrer
Beschaffenheit überhaupt möglich ist. Dazu sind eine Messung der Hornhautdicke (Pachymetrie) und
eine Topografie erforderlich. Wenn die Kriterien erfüllt sind, d.h. die Hornhautdicke zumindest 500um hat
und die Vorder- und Rückfläche der Hornhaut keine Pathologien aufweisen, würde ich wie folgt weiter
diagnostisch vorgehen: Visusbestimmung mit der besten Korrektur.
Aufgrund der großen Differenz der Fehlsichtigkeit beider Augen besteht die hohe Wahrscheinlichkeit,
dass es sich bei dem rechten, höher kurzsichtigen Auge um ein schwachsichtiges (amblyopes) Auge
handeln könnte. Außerdem ist die Patientin wahrscheinlich auf diesem Auge mit ihrer Brille nicht voll
auskorrigiert, da ein Unterschied von 5,5 Dioptrien-den Astigmatismus noch unberücksichtigt - mit einer
Brille nicht korrigiert werden kann. Eine volle Korrektur wäre nur mit Kontaktlinsen möglich, diese werden
aber offensichtlich nicht getragen.
Weiters ist die Bestimmung des Führungsauges wichtig. Bei unserer Patientin wird dies wahrscheinlich
das linke, weniger kurzsichtige Auge sein. Um etwaige postoperativ auftretende Probleme beim
Autofahren nachts vorherzusehen, ist auch eine Bestimmung der Pupillengröße im Dunklen notwendig.
Auf jeden Fall muss man die Patientin über eine ab dem 40. Lebensjahr einsetzende und zunehmende
Presbyopie aufklären. Durch eine Laserbehandlung der Hornhaut wird lediglich die Fehlsichtigkeit in die
Ferne korrigiert, die altersbedingte Akkomodationsschwäche wird dadurch nicht beeinflusst.
Es besteht jedoch die Möglichkeit, presbyopen Patienten die sogenannte Monovision als alternative
Variante anzubieten. Dabei wird das Führungsauge, in unserem Fall das linke Auge, in die Ferne
korrigiert und das nicht dominante Auge in die Nähe. D.h. dass man das rechte Auge der Patienten
etwas kurzsichtig, etwa -1,5 Dioptrien, lässt. Trotzdem wird sie mit zunehmendem Alter eine schwache
Lesebrille benötigen. Ob dieser Zustand (Monovision) von der Patientin als angenehm empfunden wird,
muss man vor einer Operation mit einem Kontaktlin-sentrageversuch abklären.
Ob das linke, weniger kurzsichtige Auge überhaupt gelasert werden soll, hängt von der Höhe des
Astigmatismus ab. Bei einer alleinigen Kurzsichtigkeit von einer halben Dioptrie würde ich an diesem
Auge keine Laserung durchführen.
Als alternative Behandlung könnte man der Patientin noch die Implantation einer phaken Intraokularlinse
anbieten. Auch hier muss man die Patientin über die verbleibende Presbyopie aufklären.
Konkret würde ich der Patientin - vorausgesetzt, alle Kriterien sind erfüllt und der
Kontaktlinsentrageversuch war positiv - eine Laserung mit Monovision anbieten. Dabei würde ich das
rechte Auge mit einer Restrefraktion von-1,5 Dioptrien belassen. Das linke Auge würde ich - unter der
Annahme, dass nur ein geringer Astigmatismus von 0,5 bis 1 Dioptrie besteht - vorerst einmal nicht
lasern. Auf jeden Fall muss man aber über eine mögliche Lesebrille im Laufe des Alters aufklären.
„Wichtig ist in diesem Fall eine genaue Abklärung der Patientenvorstellungen"
Univ.-Prof. Dr. Stefan Pieh
Univ.-Klinik f. Augenheilkunde u. Optometrie, MedUni Wien
Ich nehme an, die Patientin ist am rechten Auge -6,0 Dioptrien kurzsichtig und am linken Auge -0,5
Dioptrien, der Hornhautastigmatismus liegt beiderseits unter 0,5 Dioptrien. Die Patientin erreicht am
rechten Auge mit bester Korrektur eine normale Sehschärfe und am linken Auge ohne Korrektur eine
subjektiv zufriedenstellende Sehschärfe. Die Brillenkorrektur der Patientin wird, aufgrund des hohen
Dioptrienunterschieds zwischen beiden Augen, das rechte Auge sehr wahrscheinlich nicht voll
auskorrigieren.
Die erste Behandlungsvariante wäre eine Kontaktlinse nur für das rechte Auge, mit dem Vorteil einer
vollen Korrektur für das rechte Auge, wahrscheinlich im Gegensatz zur derzeitigen Brillenkorrektur. Wenn
die Patientin die Brillenkorrektur nicht vollkommen ablehnt, wäre die Verwendung einer
Einmalkontaktlinse für das rechte Auge aufgrund der einfacheren Handhabung eine gute Lösung. Die
Patientin könnte dann die Kontaktlinse mit der Brillenkorrektur abwechseln und würde sich einen
operativen Eingriff ersparen.
Bei regelrechten Voruntersuchungsergebnissen sind sechs Dioptrien Kurzsichtigkeit gut mit einem
Excimer-Lasereingriff korrigierbar, wobei es im Wesentlichen zwei operative Laserverfahren gibt, die
jeweils Vor- und Nachteile aufweisen.
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Als eine dritte Möglichkeit könnte man noch die einseitige Implantation einer sogenannten phaken
Vorderkammerlinse in das rechte Auge in Erwägung ziehen, wieder unter der Voraussetzung
regelrechter Voruntersuchungsergebnisse. Hierbei handelt es sich um eine hauchdünne Kunststofflinse,
die in die Vorderkammer implantiert wird. Dies ist zwar ein operativer Eingriff mit einer Bulbuseröffnung,
hätte aber den Vorteil, dass dieser Eingriff reversibel ist. Sollte die Patientin in einem höheren
Lebensalter eine Kataraktoperation benötigen, was wahrscheinlich ist, könnte man dieses Implantat
entfernen und durch die entsprechende Wahl der Dioptrienstärke der Intraokularlinse die Kurzsichtigkeit
wieder korrigieren.
Sollte die Patientin am linken Auge ohne Korrektur keine ausreichende Sehschärfe erreichen, müsste
man das linke Auge ebenfalls mit einer Kontaktlinse oder einer Laserkorrektur behandeln. Ebenso könnte
sich das Behandlungsregime ändern, wenn die Patientin am rechten Auge trotz bester Korrektur nicht die
volle Sehschärfe erreicht oder der Hornhautastigmatismus wesentlich höher ist als angenommen. Die
Prognose ist bei allen angeführten Möglichkeiten gut. Wichtig ist bei diesem Fall eine genaue Abklärung
der Patientenvorstellungen. Es ist durchaus möglich, dass nur eine Reduktion der Kurzsichtigkeit am
rechten Auge die Patientin zufrieden stellt. ■
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