Druckversion Was Studien sagen: Sind kurzwirksame Insulinanaloga besser als Humaninsulin? Ob kurzwirksame Insulinanaloga für Menschen mit Typ-1-Diabetes gesundheitliche Vorteile gegenüber Humaninsulin haben, lässt sich nicht beurteilen. Dass ihre Anwendung den alltäglichen Umgang mit der Erkrankung erleichtert, ist nicht belegt. Menschen mit Diabetes, die Insulin spritzen müssen, können zwischen verschiedenen Insulinen wählen. Nur noch wenige Menschen benutzen Insulin, das aus der Bauchspeicheldrüse von Schweinen gewonnen wird. Die meisten verwenden heute gentechnisch hergestelltes Humaninsulin, dessen chemische Struktur dem menschlichen Insulin entspricht. Eine Alternative sind die ebenfalls gentechnisch hergestellten Insulinanaloga. Ihre chemische Grundstruktur wurde verändert. Bei einigen Insulinanaloga setzt die Blutzucker senkende Wirkung deshalb schneller ein und hält kürzer an, andere Insulinanaloga wirken hingegen länger als Humaninsulin. Insuline werden nach ihrer Wirkungsdauer in drei Hauptgruppen eingeteilt. Dies sind: kurzwirksames, mittellang wirksames (intermediäres) und langwirksames Insulin. Kurzwirksame Insuline regulieren kurzfristige Blutzuckerschwankungen, die nach einer Mahlzeit auftreten. Mittellang- und langwirksame Insuline decken den Grundbedarf an Insulin ab, die sogenannte Basalrate. Es stehen zudem vorgefertigte Mischungen aus unterschiedlichen Insulinen zur Verfügung. Aus der Gruppe der Insulinanaloga sind in Deutschland seit Mitte der 1990er Jahre drei kurzwirksame Insuline auf dem Markt: Dies sind Insulin Lispro (Handelsnamen „Humalog“ und „Liprolog“), Insulin Aspart (Handelsname „NovoRapid“) und Insulin Glulisin (Handelsname „Apidra“). Für Kinder sind nur Insulin Aspart und Insulin Lispro zugelassen. Insuline im Vergleich Forscherinnen und Forscher des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen ( IQWiG) haben untersucht, ob kurzwirksame Insulinanaloga für Menschen mit Typ-1-Diabetes Vorteile gegenüber kurzwirksamem Humaninsulin haben. Ein Vorteil wäre es zum Beispiel, wenn sich durch die Verwendung eines Insulinanalogons schwere Unterzuckerungen, andauernde Überzuckerungen oder Folgeerkrankungen durch schlecht eingestellten Blutzucker besser vermeiden ließen als bei der Verwendung eines Humaninsulins. Ein weiterer Vorteil wäre es, wenn Insulinanaloga den alltäglichen Umgang mit der Erkrankung erleichtern könnten. Studien mit Erwachsenen Die Wissenschaftlergruppe konnte acht Studien mit insgesamt rund 2500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern berücksichtigen, in denen kurzwirksame Insulinanaloga mit Humaninsulin verglichen wurden. In zwei Studien wurde Insulin Aspart verwendet und in sechs Studien Insulin Lispro. Eine weitere Studie mit knapp 700 Teilnehmenden verglich zwei Insulinanaloga, Insulin Glulisin und Insulin Lispro, miteinander. Alle Studien überprüften die Anwendung kurzwirksamer Insulinanaloga im Rahmen einer intensivierten Insulintherapie, bei der mehrmals täglich Insulin gespritzt wird. Bei einem Teil der Untersuchungen waren die Personen, die Humaninsulin erhielten, allerdings benachteiligt: Sie erhielten die Auflage, das Humaninsulin 30 bis 45 Minuten vor dem Essen zu spritzen. Die Teilnehmenden, die Insulinanaloga erhielten, mussten dagegen keinen solchen Spritz-Ess-Abstand einhalten. Diese Vorschrift entspricht nicht der alltäglichen Anwendungspraxis; auch die Mehrheit der Menschen, die Humaninsulin spritzen, hält keinen festen Spritz-Ess-Abstand ein. Kurzwirksame Insulinanaloga bei Erwachsenen: Keine Vor- oder Nachteile erkennbar Insgesamt lässt sich anhand der Studien nicht beurteilen, ob eine Langzeitbehandlung mit kurzwirksamen Insulinanaloga im Vergleich zu kurzwirksamem Humaninsulin das Risiko für Folgeschäden des Typ-1-Diabetes verringert, Krankenhausaufenthalte zu vermeiden hilft oder ob sie die Lebensdauer von Menschen mit Typ-1-Diabetes beeinflusst. Obwohl es sich bei der Insulintherapie um eine lebenslange Behandlung handelt, dauerte keine der vorhandenen Studien länger als zwölf Monate. Die Ergebnisse im Einzelnen: HbA1c-Wert: Dieser Wert zeigt die mittlere Blutzuckerhöhe der letzten zwei bis drei Monate an und gilt als Gradmesser für die Güte der Diabeteseinstellung. Wenn der HbA1c-Wert über lange Zeiträume hoch ist, ist auch das Risiko für diabetesbedingte Folgeerkrankungen erhöht. Studienteilnehmer, die Insulinanaloga verwendeten, wiesen im Vergleich zu denen, die Humaninsulin spritzten, keine wesentlichen Unterschiede in den HbA1c-Werten auf. Auch im Vergleich von Insulin Glulisin mit Insulin Lispro zeigten sich keine Unterschiede. Überzuckerungen (Hyperglykämien): Sehr hohe Blutzuckerspiegel traten in allen Studien nur sehr selten auf. Ob es Unterschiede gibt, ließ sich nicht beurteilen. Unterzuckerungen (Hypoglykämien): Hier ließen die Studien nur Aussagen zu schwerwiegenden Ereignissen zu. In keiner der Studien zeigte sich ein Vorteil für eines der Insulinanaloga gegenüber Humaninsulin. Für nachts auftretende Unterzuckerungen ergab sich lediglich ein Hinweis auf eine leichte Überlegenheit von Insulin Lispro im Vergleich zu Insulin Glulisin. Lebensqualität und Behandlungszufriedenheit: Nur in drei der Studien fanden sich Angaben zu diesen Kriterien. Die Teilnehmenden, die Insulin Aspart erhielten, bewerteten die Behandlung etwas besser als die, die Humaninsulin erhielten. Es ist allerdings fraglich, ab das tatsächlich an dem Insulin lag, da die Teilnehmenden in der Humaninsulin-Gruppe im Unterschied zur Insulinanalogon-Gruppe einen festen Spritz-Ess-Abstand einhalten mussten. Gewichtszunahme: Für Menschen, die sich Insulin spritzen müssen, ist das Gewicht ein wichtiger Aspekt ihrer Therapie. Auch hier ergab sich aus den Studien kein Unterschied: Die Teilnehmer, die kurzwirksame Insulinanaloga gespritzt hatten, nahmen im Verlauf der Studien im Durchschnitt ebenso viel oder wenig zu wie diejenigen, die Humaninsulin einsetzten (im Mittel etwa 0,1 bis 6 kg). Insgesamt kam das IQWiG zu der Bewertung, dass für Menschen mit Typ-1-Diabetes keine gesundheitlichen oder anderen Vorteile durch Insulinanaloga belegt sind. Die untersuchten Insuline scheinen zumindest über kürzere Zeiträume ähnlich wirksam zu sein. Studien mit Kindern und Jugendlichen D a s IQWiG konnte vier Studien mit einer Dauer von mindestens 24 Wochen finden. An diesen Studien nahmen insgesamt 1029 Kinder und Jugendliche teil. Drei der Studien mit zusammen fast 1000 Kindern und Jugendlichen dauerten zwischen 24 und 26 Wochen. Lediglich eine Studie mit nur 38 Heranwachsenden hatte mit 12 Monaten eine längere Laufzeit. Alle Studien überprüften die Anwendung kurzwirksamer Insulinanaloga im Rahmen einer intensivierten Insulintherapie, bei der man sich mehrmals täglich Insulin spritzt. Zur Insulinpumpentherapie mit kurzwirksamen Insulinanaloga wurden keine aussagekräftigen Studien mit mindestens 24 Wochen Laufzeit gefunden. Auch in diesen Studien mussten die Kinder und Jugendlichen, die Humaninsulin verwendeten, einen Spritz-Ess-Abstand von 15 bis 45 Minuten einhalten. Bei kurzwirksamen Humaninsulinen ist es nach dem Spritzen aber nicht nötig, mit dem Essen zu warten. Es wird lediglich empfohlen, innerhalb von 30 Minuten nach dem Spritzen eine Mahlzeit einzunehmen. Auch für Kinder und Jugendliche keine Vor- und Nachteile erkennbar In den Studien mit mindestens 24 Wochen Laufzeit wurde nur ein Teil der wichtigen Fragen untersucht. So wurden lediglich Daten zum HbA1c-Wert, zur Häufigkeit von Unterzuckerungen und zu anderen Nebenwirkungen erhoben. Hier zeigten die Studien keine Unterschiede zwischen den kurzwirksamen Insulinanaloga und Humaninsulin. Aufgrund ihrer kurzen Laufzeit lassen die Studien auch keine Aussagen über langfristige Effekte und Sicherheit der Insulinanaloga zu. Andere wichtige Aspekte wie die Lebensqualität oder die Therapiezufriedenheit blieben offen, weil sie in den Studien nicht untersucht wurden. Ergänzend zu den Studien von mindestens 24 Wochen Laufzeit wertete das IQWiG auch neun Studien mit einer kürzeren Laufzeit (12 bis 24 Wochen) aus. Sie zeigten ebenfalls keine Unterschiede zwischen den Insulinanaloga und Humaninsulin. Quellen Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen ( IQWiG). Kurzwirksame Insulinanaloga zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 1. Abschlussbericht; Auftrag A05-02. 30.07.2007 [Zugriff: 23.07.2013]. (IQWiG-Berichte; Band 22). Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen ( IQWiG). Kurzwirksame Insulinanaloga bei Kindern und Jugendlichen mit Diabetes Mellitus Typ 1: Abschlussbericht; Auftrag A08-01. 24.09.2009 [Zugriff: 18.07.2013] (IQWiG-Berichte; Band 66). Im Juni 2013 haben wir die Aktualität dieser Information geprüft. Dabei haben wir keine neueren Forschungsergebnisse gefunden, die Anlass zu einer Änderung unserer Aussagen geben. IQWiG-Gesundheitsinformationen sollen helfen, Vorund Nachteile wichtiger Behandlungsmöglichkeiten und Angebote der Gesundheitsversorgung zu verstehen. Ob eine der von uns beschriebenen Möglichkeiten im Einzelfall tatsächlich sinnvoll ist, kann im Gespräch mit einer Ärztin oder einem Arzt geklärt werden. Wir bieten keine individuelle Beratung. Unsere Informationen beruhen auf den Ergebnissen hochwertiger Studien. Sie sind von einem Team aus Medizin, Wissenschaft und Redaktion erstellt und von Expertinnen und Experten außerhalb des IQWiG begutachtet. Wie wir unsere Texte erarbeiten und aktuell halten, beschreiben wir ausführlich in unseren Methoden. BIG direkt gesund 2017 - 0800 54565456 Kostenloser 24h-Direktservice