schublade jungen - Evangelische Kirche der Pfalz

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Jungenarbeit
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1.
2.
Eine jungenbezogene Situationsanalyse ............................................................................................... 2
Verschiedene Bausteine (kurze Beschreibungen)................................................................................. 4
2.1.
17 kurze Vorschläge (Titel, Themen und Inhalte, mögliche Methoden) ...................................... 4
2.2.
10 Themen (Thema, Methode, Ziel, Zeit)..................................................................................... 7
3. Übungen und Spiele .............................................................................................................................. 9
3.1.
VÄTERPARTY ............................................................................................................................ 9
3.2.
WERBUNG/STEREOTYPIEN .................................................................................................. 11
3.3.
MANN-SEIN UND MANN-WERDEN..................................................................................... 13
3.4.
GEFÜHLSACTIVITY................................................................................................................ 14
3.5.
TAUSCHMARKT DER TALENTE .......................................................................................... 15
3.6.
JUNGEN-REDAKTION RAT AUF DRAHT............................................................................ 16
3.7.
WO BEKOMME ICH HILFE .................................................................................................... 17
3.8.
EINE NEUE STÄRKE FINDEN................................................................................................ 18
3.9.
IMMER, MANCHMAL, NIE..................................................................................................... 19
3.10.
GESCHICHTEN FORTSETZEN........................................................................................... 22
3.11.
TOLERANZGRENZE............................................................................................................ 24
3.12.
SEXUALITÄT, GRENZEN UND GEWALT........................................................................ 26
3.13.
DOMINANTES BEZIEHUNGSVERHALTEN .................................................................... 26
3.14.
Talkshow für Buben................................................................................................................ 26
3.15.
Handydrehen ........................................................................................................................... 26
3.16.
Jungenkochgruppe .................................................................................................................. 26
3.17.
Bauanleitung „Rough-Sticks“ ................................................................................................. 26
4. Filme und Internet Seiten.................................................................................................................... 26
4.1.
Filme ........................................................................................................................................... 26
4.1.1.
"Play Life" Ein Film übers Computerspielen...................................................................... 26
4.1.2.
"Gewalt No.3" ..................................................................................................................... 26
4.2.
Internet Seiten (Material, Projekte Texte, Literatur)................................................................... 26
4.2.1.
www.initiative-jungenarbeit.nrw.de ................................................................................... 26
4.2.2.
www.jungenarbeit.info........................................................................................................ 26
4.2.3.
www.lagjungenarbeit.de/ .................................................................................................... 26
4.2.4.
www.socialnet.de/branchenbuch/2433.html ....................................................................... 26
4.2.5.
www.mannigfaltig.de/......................................................................................................... 26
4.2.6.
www.neue-wege-fuer-jungs.de ........................................................................................... 26
4.2.7.
www.switchboard-online.de Zeitschrift für Männer und Jungenarbeit .............................. 26
4.2.8.
www.jungenwege.de/downloads/schmidt_sb162.pdf......................................................... 26
4.2.9.
www.risflecting.at/pages/praxisprojekte/index_praxisprojekte.htm Entwicklungspool
für Rausch- und Risikokompetenz...................................................................................... 26
4.3.
Wissenschaftliche Grundlagen und Texte................................................................................... 26
4.3.1.
„Wissenschaftliche Grundlagen der Buben- und Burschenarbeit“ ..................................... 26
4.3.2.
Arme Jungs oder kleine Machos? Die Lebenswelten von Jungen als religionspädagogische Herausforderung, Dr. Annebelle Pithan, Comenius-Institut Münster.......... 26
5. Warum Jungen nicht mehr lesen ......................................................................................................... 26
Jungenarbeit
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1. Eine jungenbezogene Situationsanalyse
1. Element:
Ein Junge, der mich beschäftigt (Austausch zu zweit/zu dritt)
Aufgabe ist es, sich gegenseitig möglichst detailliert einen Jungen aus der eigenen
Gruppe vorzustellen. Das kann ein Junge sein, der mir auffällt, der mich »stört«
oder nervt, der in der Gruppe der Jungen etwas untergeht, oder ein Junge, den ich
einfach mag (vgl. Rohrmann/Thoma 1998, S. 50). Das Ziel ist dabei, den einzelnen
Jungen in den Blick zu nehmen – und damit letztlich die ganze Bandbreite der (ganz
unterschiedlichen) Jungen. Die Austauschpartnerin kann eine Rückmeldung geben,
was ihr bei der Vorstellung auffällt.
2. Element:
Reflexionsfragen (Einzelarbeit)
• Wo halten sich »die« Jungen überwiegend auf? (Und wo nicht?)
• Welche Spiele, Spielsachen, Materialien usw. bevorzugen sie?
• Wann bzw. in welchen Situationen suchen sie Kontakt zu mir?
• Was beschäftigt »die« Jungen?
• Womit fallen »die« Jungen auf?
• Was mag ich an »den« Jungen?
• Welche Fähigkeiten und Kompetenzen bringen sie zum Ausdruck?
3. Element:
Jungenräume, Jungenzeiten (auch als Teamaufgabe möglich)
• Jungenräume: Skizze der Gruppenräume bzw. der ganzen Einrichtung anfertigen
- Was sind die Räume von Jungen, welche Orte meiden sie?
- Markieren: Wo kommt es zu Konflikten, wo läuft es gut?
ggf. In die verschiedenen Räume und Funktionsbereiche gehen und sie aus der
Perspektive von Jungen beschreiben und bewerten.
• Jungenzeiten: Wochenübersicht anfertigen (jeder Tag eine Spalte)
- Was machen »die« Jungen zu den verschiedenen Zeiten?
- Markieren: Was sind kritische, was sind entspannte Zeiten?
4. Element:
Austausch, Bewertung der Ergebnisse, Veränderungswünsche und
-perspektiven (gemeinsam oder zunächst in Kleingruppen)
• Welche Themen stehen an?
• In welchen Bereichen brauchen Jungen gezielte Förderung?
• Wo fordern Jungen Begleitung und Unterstützung ein?
Zugangsfragen für eine auf Sexualität bezogene Situations- und Institutionsanalyse Jungen:
• Wie präsentieren die Jungen männliche Sexualität? (Gibt es dabei Unterschiede
– unter den Jungen und situativ?)
• Wie gehen sie mit unterschiedlichen sexuellen Orientierungen um?
• Wo liegen ihre Bewältigungsstärken, wo ihre Entwicklungspotentiale?
Jungenarbeit
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Einrichtung:
• Welches Material- und Medienangebot, welche gezielten Angebote bietet die
Einrichtung an?
• Welches erotische Klima herrscht in der Einrichtung? Ist die Einrichtung sexualfreundlich?
• Was ermöglicht, was verhindert das Setting der Einrichtung?
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter:
• Wird (in) der Kindheit bzw. (in) der Jugendphase eine »eigene« Sexualität zugestanden?
• Wird Sexualität auch als Thema der Generationenauseinandersetzung gesehen?
• Wird Sexualität vor allem in Verbindung mit Fortpflanzung/Verhütung, Gefährdung/Aids oder Übergriffen/Gewalt thematisiert, oder spielt auch Sinnlichkeit, Erotik, spielen Lustaspekte eine Rolle?
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2. Verschiedene Bausteine (kurze Beschreibungen)
2.1. 17 kurze Vorschläge (Titel, Themen und Inhalte, mögliche Methoden)
Titel (Vorschlag)
Themen und Inhalte
(Mögliche) Methoden
Ich bin’s!
Selbstreflexion, -bezüge, Identität, Selbstvergewisserung und
-darstellung; Eigen- und Fremdwahrnehmung
Übungen, Soziometrie (SelbstbildFremdbild), Arbeit mit Bildkarteien,
Foto- oder Videoaktionen, Gespräche
Fit, fun & action
Erleben, Erfahren, Reflektieren
Jungenbezogene Erlebnispädagogik, z. B.: Klettern, Kajak, Rafting,
Segeln, Geländespiel, Survival,
Cart-Fahren, Inlinern ...
Noch ganz dicht?
Dichtung und Texte
Selbstvergewisserung und
-darstellung in Texten
Gedichte, Textcollagen, Haikus,
kreatives Schreiben, Setzen und
Drucken
Mit mir nicht?!
Hausarbeiten: Kochen, Spülen,
Putzen - Hausarbeit als männliche
Fürsorglichkeit
Hausarbeit mit Spaß; Kochkurs
(incl. Spülen), Stil und Atmosphäre
schaffen, Grundkurs »Putzen«
Wie helfe ich mir
selbst?
Reparieren, Reparaturkurs
z. B.: Fahrradreparatur, Autopannenkurs, Umgang mit Maschinen,
Bohren, Nageln, Schweißen
Die Liebesschule
Alles rund um Liebe, Sex, Beziehung, Anmache und was noch so
dazu gehört
Sexualpädagogische Methoden,
Bennis Beziehungskiste, Gespräche
mit Fachfrauen und -männern jeder
Art
Platz da!?
Räume und Träume.
Träume Räume!
Raumerleben, Raumerfahrungen,
Räume erweitern, eigene Räume
(mein Zimmer, unserer Jungenraum)
Raumbezogene Erlebnisse in Innenund Außenräumen, virtuelle Räume
(Internet), Phantasie; sich einrichten, sich’s schön machen, Atmosphäre schaffen
Radiodayz:
Boyz on air!
Selbstreflexion, -thematisierung,
-darstellung, Jugendkultur und
Cliquenbezüge
Produktion einer Radiosendung und
Live-Ausstrahlung
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Transzendenzen der liebe Gott ist
auch nicht mehr das
...
Transzendenz, Glauben, Religionen, übersinnliche Erfahrungen
Meditation, Gespräche, Sammeln
persönlicher »Heiligtümer«, lebende Heilige (be-) suchen
Big Brothers: Video,
Computer & Co.
Beschäftigung mit reziptiven Medien (Thema Größe, Dabeisein;
aber auch Angst, Scham, Ekel)
Computerspiele ausprobieren, testen
und kritisieren; Indizierung/Altersfreigaben bei Spielen und Filmen/Videos; Videonacht; InternetSurfen und bewerten
Waschbrett, Wampe,
Wackelpudding ...
Körpererfahrungen, Körperbezüge, Wohlfühlen (Sauna, Massage, YoFitness, Fitsein, Gesundheit
ga), Ernährung (Kochen, Essen und
Abwaschen); Besuch im FitnessStudio und im Sportverein; Körperbemalung; Tanz
Beruf und Berufung
Arbeitsfelder in Mythos und Reali- Testen und Kennenlernen von typität, eigene Berufs- und Lebensper- schen »Männerberufen« (Fußballer,
Polizist, Lokführer, Feuerwehr,
spektive
Pilot ...) Ausprobieren verschiedener Tätigkeiten (Malern, Renovieren; mit nützlichem Zweck
verbinden; Neue Arbeit, Bürgerbüro, Forstamt)
Risiko und Schattenseiten
Risikoverhalten, Fehler gemacht
haben, Gewalt, Übergriffe, Kriminalität, Absturzgefahren, Angst
Rollenspiele, Übungen, Gespräche
mit Opfern und Ex-Usern; Besuch
bei der Polizei, im Gefängnis, im
Gericht ...
Lebens-Bilder
Bilder machen, Abbilden, Selbstthematisierung
Fotos machen und entwickeln; Videos produzieren; kulturelle Produktionen (Musik, bildende Kunst,
Texte, Schweißen)
Männerwelten
Erwachsenes Mannsein in Freizeitwelten
Fußball, Stammtisch, Vereine,
Männerbünde
Held-Sein für einen
Tag
Held-Sein-Dürfen, Beschäftigung
mit Großenphantasien
Arbeit mit Spielfiguren (Jungenpuppen), Theaterinszenierungen,
Rollenspiele, Psychodrama
Heavy metal
Metall bearbeiten, Schweißen,
Schmieden, Handwerkern, Anpacken, Arbeit mit Glut und Feuer,
Konzentration, künstlerische Pro-
Herstellen von Objekten (Skulpturen) oder Gebrauchs-gegenständen
(Stuhl, Kerzen-ständer, Bücherständer, Aschen-becher, Türschild) aus
Jungenarbeit
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duktion
Metallschrott
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2.2.
Thema
Fragen zum
Vater
„Wie fühlen
sich Jungen in
ihrem Körper?“
Übung mit den
vier „Urtypen“
König, Liebhaber, Krieger,
Narr/Magier
Vater-Boss-
10 Themen (Thema, Methode, Ziel, Zeit)
Methode
Fragebogeninterview: Die Teilnehmer bilden einen
Doppelkreis, d. h. Innen- und Außenkreis. Jede
Person sitzt einer anderen gegenüber, fragt oder
antwortet nur. Sie folgen nach und nach vorgegebenen Fragebereichen und stellen die entsprechenden
Fragen.
Die Teilnehmer werden aufgefordert, sich einen
Jungen vorzustellen und zu versuchen zu spüren,
wie dieser sich in seinem Körper fühlen könnte.
Dazu werden zuerst Zuschreibungen wie z. B.
Macho, Looser, Winner, Beschützer usw. gesammelt.
Die Gruppe wird dann in zwei Kleingruppen unterteilt. Eine Kleingruppe spielt einzelne Zuschreibungen (ein bis zwei Minuten);
danach berichten die Spieler, wie sie sich gefühlt
haben, wie es ihnen erging. Die beobachtende
Gruppe berichtet, was ihnen aufgefallen ist („Sharing“).
Danach Tausch der Gruppen.
Am Ende: Auswertung in der Großgruppe.
Zuerst werden die vier männlichen „Urtypen“ vorgestellt. Ein Bild jedes „Urtyps“ kommt auf einen
Stuhl im Raum. Dort wird dann erklärt, wofür er
steht, welche Eigenschaften er besitzt, was er symbolisiert, welche Assoziationen mit ihm verbunden
sind. Frage: „Wer steht heute für die Figuren?“
Jeder Teilnehmer versetzt sich einmal in jeden der
vier „Urtypen“. Nach dem Austausch über die
„Urtypen“ malt jeder Teilnehmer ein Symbol auf
der Rückseite des kopierten „Urtypen“. Austausch
in Kleingruppen.
Danach soll jeder Teilnehmer überprüfen, inwieweit in seiner Arbeit mit den Jungen die „Urtypen“
wichtig sind:
1. Schritt: Die Teilnehmer malen anhand einer
Präsenztorte, wie groß die jeweiligen Anteile der
„Urtypen“ in der Arbeit mit Jungen sind. Austausch in Kleingruppen.
2. Schritt: Die Teilnehmer malen anhand einer
Präsenztorte , wie groß die (vermuteten) Wünsche der Jungen an die „Urtypen“ sind. Austausch in Kleingruppen.
3. Schritt: Gesamtauswertung: Wie gehe ich als
Jungenarbeiter mit den verschiedenen (vermuteten) Erwartungen und Wünschen um?
Zunächst werden in der Gesamtgruppe unterschied-
Ziel
„Welche Aufgabe haben wir als Jungenarbeiter gegenüber den Vätern?“ Es
gilt zu erkennen, dass „man“ den Vater
nicht ersetzen, jedoch dazu beitragen
kann, ihn ins rechte Licht zu rücken.
Dabei kann für einen Jungen das „bevatern“ eine Hilfe sein, um den eigenen
Vater so anzunehmen, wie er ist.
Reflexion über die Fragen:
„Wie nehme ich Jungen wahr? Was
fällt mir auf? Welche Verhaltensweisen
neige ich zu übersehen?“
Die Jungenarbeiter sollen ein Gespür
dafür bekommen können, wie Jungen
sich „in ihrer Haut“ erleben und fühlen.
Oft konzentriert sich die Aufmerksamkeit der Jungenarbeiter auf die verbal
starken Jungen in einer Gruppe. Reagiert wird zudem sehr oft nur auf der
verbalen Ebene. Der so angesprochene
Zugang zu den nonverbalen Signalen,
zur Körpersprache eröffnet neue Perspektiven im Verstehen der Jungen.
Zeit (ca.)
2 Std.
5 Min.
Vorstellen, einfühlen und vertraut machen mit den verschiedenen „Urtypen“.
Mögliche Rollen von Männlichkeit
erleben und die Koordination der Kräfte
und Begabungen verbessern.
Klärungsprozesse zu den Fragen:
1. „Mit welchen Anteilen bin ich im
Kontakt mit den Jungen präsent?“
2. „Wie komme ich mit den Erwartungen und Wünschen der Jungen an den
Jungenarbeiter zurecht?“
3. „Wie kann ich meine eigenen Anteile
besser mit den Erwartungen und
Wünschen der Jungen vereinbaren?“
4 Std.
An Beispielen Übertragung und Gegen-
2 Std.
Jungenarbeit
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Kumpel-Mann
Präsenztorte
Thema
Das magische
Dreieck
Raumerkundung aus Jungensicht
Geschlechtsbezogene Pädagogik
Fangen mit
Rettungsinsel
Entwicklung
der eigenen
männlichen
Sozialisation
liche Rollen von Jungenarbeitern im Umgang mit
Jungen rekonstruiert und reflektiert. Den Erwartungen der Jungen an die Jungenarbeiter stehen deren
Erwartungen an Jungen gegenüber, die sich im
Zusammenhang mit der eigenen Lebensgeschichte
gebildet haben.
Jeder Teilnehmer soll einschätzen, wie groß die
Anteile der jeweiligen Rollen in seiner Arbeit mit
Jungen sind. Dazu malt jeder Teilnehmer eine
„Torte“, in die er die Größe der vier „Tortenstücke“
Vater-Boss-Kumpel-Mann einträgt. Austausch in
Kleingruppen.
Erkenntnisse zu den Fragen:
„Welchen Anteil haben die jeweiligen
Aspekte meiner Person im Alltag mit
den Jungen?“ „Wo passen Erwartungen
von Jungen und eigenen Bedürfnisse
zusammen, wo gibt es Konflikte?“
2 Std.
Methode
Ziel
Zeit (ca.)
Anhand eines Dreiecks (Folie) wird über den Kontext von Jungenarbeit gesprochen. Die Teilnehmer
aus gleichen Arbeitsfeldern gehen in Kleingruppen
zusammen und bekommen Fragen zum „magischen
Dreieck“.
Danach Vorstellung der Ergebnisse in der Großgruppe.
Ausgangspunkt ist sich vorzustellen, wie sich Jungen fühlen. Danach laufen die Teilnehmer „in ihrer
Phantasie“ durch ihre Einrichtung und bekommen
die Fragen: „Wo fühlst du dich als Junge besonders
wohl? Was würdest du als Junge verändern? Was
fehlt dir?“ Auswertung in Kleingruppen mit Mitarbeitern aus gleichen Arbeitsfeldern.
Die Teilnehmer vervollständigen die Aussage: „Für
mich bedeutet geschlechtsbezogene Pädagogik ...“
Nachdem die Aussagen vervollständigt sind, werden sie umgedreht und in die Mitte auf den Boden
gelegt. Die Teilnehmer ziehen Zettel, lesen die
Thesen laut vor und hängen sie an die Wand.
Einige Spieler einer Gruppe werden als Fänger
auserkoren, alle anderen sind Läufer. Gerät ein
Läufer durch einen Fänger in Bedrängnis, so kann
er sich retten, indem er sich mit einem weiteren
Läufer zusammentut, d. h. körperlich Kontakt hält.
Ist dies der Fall, so muss der Fänger abdrehen und
sich ein neues „Opfer“ suchen. Wird ein Läufer von
einem Fänger erwischt, so tauschen beide Spieler
ihre Rolle.
Reflexion: „Wie passen die Wünsche
und Vorstellungen der Jungen mit dem
Leitbild der Institutionen zusammen?“
„Was ist für den Jungenarbeiter wichtig, wenn er mit der Arbeit anfängt?“ Überprüfung des Leitbildes der Einrichtung und des Jungenarbeiters.
1,5 Std.
Reflexion und Perspektivenwechsel:
„Was könnten Jungen gebrauchen?“
Erkenntnis: Was könnten die Teilnehmer mit vertretbarem Aufwand konkret
verändern? Was würde ihnen selbst im
Umgang mit Jungen Spaß machen?
1 Std.
Auseinandersetzung mit den eigenen
Vorstellungen von geschlechtsbezogener Arbeit
30 Min.
Freundschaften, sich gegenseitig helfen
20 Min.
Das Bewusstmachen der eigenen männlichen Sozialstation soll den Blick
schärfen auf die Jungen heute;
Zugang über die eigene Biografie zu
Problemen, Wünschen und Hoffnungen
von Jungen: „Welche männlichen Vorbilder hatte ich, wie haben sie mich
geprägt?“
4 Std.
Entspannung mit gelenkter Phantasiereise
übertragung deutlich machen
Jungenarbeit
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3. Übungen und Spiele
3.1.
VÄTERPARTY
ZIEL: Humorvolle und spielerische Auseinandersetzung mit dem Thema „Wie ich
meinen Vater sehe“; Reflexion der Bilder und Entwürfe von Mann-Sein, die Väter an
Jugendliche vermitteln bzw. die Jugendliche wahrnehmen, aufnehmen oder auch
ablehnen; weiters geht es um das Üben von Empathiefähigkeit (Einfühlen in den anderen
und – mit Hilfe des Rollentausches – in dessen Rolle schlüpfen) und Distanzierungsmöglichkeiten von vorgegebenen Rollenmustern; Themen: Männerbilder, „Vorbilder“,
„Väterbilder“
DAUER: 3 bis 5 Stunden
MATERIAL: Voraussetzung für dieses szenische Rollenspiel mit Rollentausch ist ein
genügend großer Raum (z.B. Klassenzimmer), in dem die Stühle an den Rand gestellt
werden können. Weiteres Material wird nicht gebraucht.
DURCHFÜHRUNG
Wichtig ist es bei dieser Übung, dass die Jungen bereits „aufgewärmt“ sind (z. B. Körperübungen, verschiedenste Bewegungsspiele oder Rollenspiele in der Gruppe) bzw. bereits
mit dem Thema gearbeitet haben. Die Gruppengröße sollte bei maximal 12 Teilnehmern
liegen. (Bei größeren Gruppen sollten zwei Leiter gemeinsam arbeiten – was freilich auch
bei „kleineren“ Gruppen zu empfehlen ist.) Vorerst wird – am besten im Sitzkreis – das
Thema vorgestellt (z. B. mit Erläuterungen darüber, dass das Thema „Männlichkeit und
Männerbilder“ auch unsere Väter betrifft und wir uns in dieser Übung mit ihnen beschäftigen möchten, sie quasi in den Raum einladen). Technisch funktioniert die Übung
so, dass jeder hinter seinen Sessel tritt und seinen Vater vorstellt, der nun (imaginär) im
Sessel sitzt. Am besten Sie zeigen die Übung selbst vor (überlegen Sie vorher, wie Sie
Ihren Vater vorstellen möchten, was Sie von ihm einbringen möchten und wie Sie vielleicht auch Kritik in positiver Art und Weise formulieren möchten). Beginnen Sie am besten
mit den Sätzen: „Darf ich euch meinen Vater vorstellen. Er heißt Herbert, ist 72 Jahre alt
usw.“ (Möglichkeiten: Was gefällt mir an ihm, was weniger, was kann er gut, wie kann er
mich nerven, wo war/ist er mir Vorbild usw.) Gehen Sie davon aus, dass sich die Jugendlichen im Folgenden an Ihren Aussagen orientieren werden, d. h. Sie können die Richtung
und „Tiefe“ der Übung mehr oder weniger selbst mitbestimmen. Es ist wichtig, neben der
I d e n t i fizierung mit dem Vater (die durch den Rollentausch in dieser Übung verstärkt wird)
den flexiblen Umgang mit dessen Rolle zu üben (was durch das Rollenspiel ermöglicht
wird). Im Weiteren stellt jeder in der Runde seinen Vater vor und bleibt danach hinter
seinem Sessel stehen. Wenn alle Väter eingeladen wurden, bitten Sie die Jungen, sich
wieder in den Sessel zu setzen – mit dem Hinweis, dass sie jetzt selbst ihre Väter sind, in
deren Rolle sie schlüpfen können. Es folgt eine Vorstellrunde, in der sich jeder nun in der
Rolle des Vaters vorstellt. Laden Sie nun alle Väter zu einer Party ein (z. B. Cocktailparty,
Firmenfeier, After-Work-Clubbing, Heuriger, Polterabend usw.). Bedenken Sie, dass der
Ort des Geschehens die Inhalte mitbestimmen wird. Wenn Sie merken, dass die Jugendlichen noch zu wenig „aufgewärmt“ sind, können Sie noch eine kurze Abholrunde initiieren, in der die Jugendlichen (jetzt die „Väter“) erörtern, was sie zu dieser Party bringt
oder auch mit welcher Stimmung sie hier sind usw. Das ermöglicht den Jugendlichen sich
in die Rolle einzuspielen. Es geht nun darum, dass die Väter bei dieser Party in Kontakt
mit anderen kommen (oder auch nicht). Erfahrungsgemäß dauert es nicht lange, bis die
Jungenarbeit
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ersten Gespräche in Szene gesetzt werden. Eröffnen Sie die Übung z. B. mit den Worten
„Bühne frei!“ Die Dauer des Rollenspiels ist unbegrenzt. Wenn Sie als Leiter und Beobachter
der Szene das Gefühl haben, dass die Jungen bereits aus ihren Rollen aussteigen, bzw. die
Gespräche und Kontakte unter den „Vätern“ sich erschöpft haben, beenden Sie die Szene.
In der Na c h b e s p r e c h u n g im Sesselkreis haben die Jugendlichen die Möglichkeit sich darüber auszutauschen, was sie in der Szene als Mitspieler wahrgenommen haben, wie es
ihnen in der Rolle des Vaters ergangen ist, mit wem sie in Kontakt gekommen sind, über
welche Themen oder Gesten usw. Wichtig ist, dass jeder zu Wort kommt und seine Erlebnisse in der Rolle einbringen kann. Nach diesem Rollenfeedback werden die Mitspieler
quasi aus ihrer Rolle entlassen, dürfen wieder „sie selbst sein“. Bewährt hat sich dazu, dass
alle aufstehen, Beine und Arme fest ausschütteln, dabei am Stand springen und jeder laut
seinen Namen sagt. Die Richtung der weiteren Themen und Aktivitäten in der Gruppe ist
nun meist sehr offen. Wichtig ist sich zu bemühen, alle eingebrachten Themen und Feedbacks wahrzunehmen (Mitschreiben am Flipchart ist dabei sehr hilfreich). Falls in der
Gruppe Jugendliche mit verstorbenen oder abwesenden Vätern sind, können auch diese
Rollen auf die Bühne gebracht werden. Die Entscheidung zum Mitspielen sollte jedoch
jeder in der Gruppe für sich treffen. Eine zwangs- und druckfreie Atmosphäre ist Voraussetzung für die Übung. Wichtig ist, dass der Gruppenleiter „sich seiner Sache sicher ist“,
d. h., genügend Vertrauen in sich selbst und die Jungengruppe hat. Gerade diese Übung
erfordert ein „Gespür“ für ihre Anwendbarkeit, eine Einschätzung der Situation sowie der
aktuellen Gruppenatmosphäre.
Jungenarbeit
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3.2.
WERBUNG/STEREOTYPIEN
ZIEL: Erkennen von Zusammenhängen zwischen Werbung und Produkt; Erkennen von Vorurteilen und
Mythen, die in der Werbung verwendet werden; Erkennen von sexistischer Werbung
DAUER: 3 Stunden
MATERIAL: Werbung aus Zeitschriften, (schwarzes) Naturpapier, Schere, Klebstoff, A4-Klarsichthüllen
VORBEREITUNG DURCH DEN ÜBUNGSLEITER:
Anzeigen – in denen Frauen oder Männer bzw. Frauen- oder Männerprodukte vorkommen – aus Zeitschriften herausschneiden. Die Werbung wird mit einem Rahmen aus Naturpapier so abgedeckt, dass nichterkennbar ist, wofür
geworben wird, vom Bild aber möglichst viel zu sehen ist. Da nachdem „Raten“ die gesamte Anzeige verfügbar
sein muss, darf der Rahmen nicht aufgeklebt werden.
EMPFEHLUNG:
Es hat sich bewährt, aus Naturpapier eine Mappe zu machen. Das Werbebild klebt im Inneren der Mappe und der
Mappendeckel bildet den Abdeckrahmen. Aus dem Naturpapier Blätter in A3-Format (große Zeichenblätter) zuschneiden. Aus diesen Bögen durch Zusammenfalten Mappen herstellen. (Diese Mappe besteht jetzt aus vier A4Seiten.). Die Werbung außen auf den Mappendeckel (Seite 1) auflegen. Mit einem stumpfen Gravierstift den Teil
des Bildes umfahren, der sichtbar bleiben soll – es drücken sich die Konturen auf dem Naturpapier ab. Nun den
Teil innerhalb der Konturen herausschneiden – der Mappendeckel wird zum Abdeckrahmen. Die Werbung jetzt im
Mappen-inneren auf der rechten Seite (Seite 3) so aufkleben, dass bei geschlossener Mappe durch den Rahmen
jener Teil abgedeckt wird, der das Produkt verrät. Die geschlossene Mappe in eine Klarsichthülle stecken.
DURCHFÜHRUNG
Die Plastikhüllen mit den Werbungen liegen auf dem Boden. Jeder Bursche nimmt eine Plastikhülle.
Paarweise sollen sich die Jungen über die Bilder zu folgenden Fragen austauschen:
Warum habe ich zu diesem Bild gegriffen?
Was verbinde ich mit diesem Bild?
Welche Träume, Sehnsüchte, Gefühle werden bei mir angesprochen?
Wofür wird mit diesem Bild geworben?
Danach können die Annahmen überprüft werden. Im Plenum wird die verdeckte Werbung hergezeigt, werden die
Vermutungen der anderen gesammelt und dann die Bilder enthüllt. Danach berichten die Arbeitsgruppen. Dabei
entscheidet jeder für sich, wie viel er von sich „zeigen“ will. Als Nächstes wird im Plenum die Werbung nach
Produktgruppen geordnet. Dann werden Kleingruppen gebildet, indem sich jeder Bursche einer Produktgruppe
seines Interesses zuordnet.
Jede Kleingruppe beschäftigt sich mit folgenden Fragen:
Welche Sehnsüchte werden in der Werbung angesprochen?
Wie werden durch die Werbung Träume und Hoffnungen geformt?
Wie werden durch die Werbung Bedürfnisse geschaffen?
In einem nächsten Schritt werden Vorurteile, Mythen, Männer- und Frauenbilder gesammelt, die dem bearbeiteten
Werbematerial zugrunde liegen. Dies erfolgt (je nach Gruppengröße) gemeinsam im Plenum oder aber in Kleingruppen.
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Mögliche Fragen:
Ist es möglich Parallelen zu anderen Lebenssituationen ausfindig zu machen, wo wir auf diese Vorurteile, Mythen
und Männerbilder/Frauenbilder treffen?
Wo begegnen wir diesen Vorurteilen, Mythen und Männerbildern/Frauenbildern noch
außer in der Werbung?
Wer hat am Weiterbestand dieser Vorurteile, Mythen und Männerbilder/Frauenbilder
Interesse?
Was sind die Vor- und Nachteile, die sich daraus für Männer bzw. Frauen ergeben?
Jungenarbeit
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3.3.
MANN-SEIN UND MANN-WERDEN
Interviewfragen
Mögliche Fragen könnten etwa lauten:
Von wem hast du am meisten darüber gelernt ein Mann zu sein?
Was bedeutet es für dich ein Mann zu sein?
Was wird deiner Meinung nach von Männern erwartet?
Welcher Mann hat dich in deinem Leben am meisten beeinflusst und auf welche We i s e ?
Welche Frau hat dich in deinem Leben am meisten beeinflusst und auf welche Weise?
Was hat sich in all den Jahren alles für die Männer geändert?
Was hat in all den Jahren alles für die Frauen geändert?
Was würdest du in der Beziehung zwischen Frauen und Männern ändern, wenn du das
könntest?
Was würdest du in der Beziehung von Männern untereinander ändern, wenn du das
könntest?
Was hättest du dir gewünscht, dass man dir gesagt hätte, als du in meinem Alter warst?
Was magst du am meisten daran, ein Mann zu sein, und was nicht?
Anschließend sollen die Jungen ihren eigenen Interview-Fragebogen zusammenstellen.
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3.4.
GEFÜHLSACTIVITY
ZIEL: Wahrnehmung und Ausdruck von Gefühlsqualitäten stärken.
DAUER: etwa 20 Minuten
MATERIAL: in Streifen geschnittene „Gefühlszettel“ (s. u.)
DURCHFÜHRUNG
Bereiten Sie die „Gefühlszettel“ in einem Kuvert vor. Erklären Sie den Jungen, dass es in der
folgenden Übung darum geht, Gefühle pantomimisch (d. h. ohne Worte) darzustellen und
diese zu erraten. Dazu zieht ein Junge einen Zettel mit einem Gefühl und soll dieses dann
vor der Gruppe darstellen. Die Gruppe versucht das dann zu erraten. Je nachdem, ob alle
Jungen etwas vorstellen wollen oder nur einige, wird der nächste Darsteller bestimmt, z. B.
wer es errät, der kann es mit dem nächsten Begriff versuchen, oder jemanden auswählen,
der noch nicht gespielt hat; es ist auch eine alphabetische Abfolge möglich usw. Den konkreten Ablauf sollte sich der Gruppenleiter je nach angestrebtem Ziel im Vorfeld überlegen.
Sie können im Anschluss an die Übung eine kurze Reflexion dazu machen, welche Darstellungen den Jungen leicht gefallen sind, welche sie gut kennen und erkennen können,
aber auch wo es schwieriger war. Auf Grund der meist sehr lebendigen und witzigen
Dynamik empfiehlt es sich, die Übung nicht allzusehr zu „zerreden“. Der Effekt liegt hier
mehr im Schauspiel und dem szenischen Ausprobieren an sich bzw. in der Herausforderung der Fremdwahrnehmung.
VARIATIONEN: Statt der vorbereiteten Gefühlszetteln können Sie die Jungen auch bitten,
selbst solche Zettel zu verfassen (hier kann es allerdings viele Wiederholungen geben). Es
ist auch gut möglich, die Gefühle einmal in einer „männlichen“ und einmal in einer „w e i blichen“ Version zu spielen (Gibt es hier Unterschiede, wie sehen diese aus, was ist bei wem
leichter zu erkennen, usw.). Bei älteren Jungen kann die Übung auch in einer r e d u z i e r t e n
pantomimischen Form durchgeführt werden: z. B. ein Gefühl in einer einzigen typischen
Handbewegung ausdrücken; es kann auch ein „Fernsehrahmen“ herangezogen werden,
den die Darsteller vor sich halten; das Gefühl muss dann nur mit dem Gesichtsausdruck
dargestellt werden. Drei Jungen wählen Gefühlsbefindlichkeiten, die recht ähnlich sind
(z. B. Freude, Stolz, Zufriedenheit), die der Gruppe mitgeteilt werden und von denen jeder
Junge eine darstellt. Die Gruppe versucht herauszufinden, wer welches Gefühl darstellt
(Darstellung parallel) bzw. dargestellt hat (Darstellung hintereinander).
VORSCHLAG GEFÜHLSZETTEL
LIEBE
WUT
TRAURIGKEIT
HASS
ANGST
AUFREGUNG
EINSAMKEIT
VERZWEIFLUNG
FREUDE
EIFERSUCHT
LANGEWEILE
HILFLOSIGKEIT
VERWUNDERUNG
NEUGIER
NACHDENKLICHKEIT
ERREGUNG
SCHOCK
ÜBERRASCHUNG
SCHAM
STOLZ
Jungenarbeit
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3.5.
TAUSCHMARKT DER TALENTE
ZIEL: Eigene Stärken und die der anderen erkennen; Üben von Feedback-geben;
Spielerische Auseinandersetzung mit Gemeinsamkeiten und Differenzen in der Gruppe
sowie Konkurrenz, Hierarchie und Gruppendruck.
DAUER: 30 bis 60 Minuten
MATERIAL: Ausgangspunkt der Übung ist ein genügend großer Sesselkreis. Die
Übung eignet sich auch gut als Warming-up für weitere Gruppenaktivitäten. Weiteres
Material wird nicht benötigt.
DURCHFÜHRUNG
Für Jugendliche ist die eigene Klasse oder die Peer-Gruppe ein wichtiges soziales
Bezugssystem in ihrem Leben. Sie verbringen oft Jahre in meist von ihnen nicht freiwillig
gewählten Gruppen, in denen sie sich in ihren Rollen oft als starr und festgelegt erleben.
Die Übung kann dazu beitragen, dass Jugendliche aus eigener Kraft und mit Hilfe der
Gruppe ihre Rollen selbst gestalten, erweitern oder verändern. Im ersten Schritt überlegt
sich jeder Gruppenteilnehmer für sich, welche Fähigkeiten und Stärken er zu haben glaubt
oder einfach, was er besonders gut kann. Der Gruppenleiter sollte erwähnen, dass es dabei
vielleicht auch um Qualitäten wie „zuhören können“, „über sich selbst lachen können“,
„ Hi l f s b e r e i t s c h a ft“ etc. geht. In der Mitte des Sesselkreises wird nun ein ganz spezieller
Markt (Basar) eröffnet: Da gibt es nichts zu kaufen, nur zu tauschen. Diese Tauschgüter sind
allerdings nicht materieller Na t u r, sondern eben Eigenschaften, Stärken, Fä h i g k e i t e n ,
Qualitäten. Der Gruppenleiter selbst eröffnet das Spiel, indem er den Ma r k t p l a t z betritt und
seine „Ware“ anbietet. Das könnte z. B. so aussehen:
Ich habe 100 Gramm „Ordnungssinn“ anzubieten. Davon habe ich genug. Wer tauscht mit mir?
Ich könnte ein paar Gramm „Schlampigkeit“ brauchen. Wer hat da vielleicht genug oder gar
zuviel davon?
Falls sich niemand findet, der zum Tauschen bereit ist, besteht die Möglichkeit, direkt
auf jemanden zuzugehen, von dem man annimmt, dass er die gewünschte Qualität
besitzt.
VA R I AT I O N : mit jemand „sofort ins Ge s c h ä ft zu kommen“, indem man ihm seine „Wa r e “
zeigt und fragt, ob er was davon gebrauchen könnte und was er so dafür anzubieten habe.
Dabei wird Empathiefähigkeit geübt, geht es doch darum, den anderen und seine Stärken
zu (er)kennen.
Erfahrungsgemäß kommt das Spiel „schnell in Fahrt“. Wichtig ist, dass nur Ressourcen
und Stärken und nicht „Defizite“ gehandelt werden, und – wenn möglich – alle Te i l n e h m e r
ins Spiel integriert werden, denn: Stärken zum Anbieten hat jeder (der Gruppenleiter sollte
auf die „Vergessenen“ achten und sie ins Spiel bringen). Zu beachten ist jedoch, dass
niemand gegen seinen Willen mitspielen soll. Nach dem ersten Tauschhandel geht es
staffettenmäßig weiter: Nun ist der zum Tauschen eingeladene Junge dran, selbst seine
„Ware“ anzubieten, um mit jemand „ins Ge s c h ä ft zu kommen“.
Jungenarbeit
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3.6.
JUNGEN-REDAKTION RAT AUF DRAHT
ZIEL: Bei dieser Übung geht es darum, dass sich die Jungen als Berater in persönlichen Angelegenheiten erleben können. Das Wahrnehmen und Erkennen eigener sozialer
Kompetenz und dessen Stärkung sind Ziel dieser Übung.
DAUER: je nach Gruppengröße und Anzahl der Briefe (etwa 30 Minuten Besprechung
der Briefe; etwa 30 Minuten Präsentation/Diskussion pro Brief)
MATERIAL: gesammelte Leserbriefe in Briefkuverts, Papier, Stifte
DURCHFÜHRUNG
Sammeln Sie als Vorarbeit über einen längeren Zeitraum hinweg LeserInnen-Anfragen
zu persönlichen Problemen, wie dies in vielen Zeitschriften und Zeitungen üblich ist.
Sie können dazu auch diverse Problemgeschichten heranziehen, und daraus eine Anfrage
formulieren. Wählen Sie die Fragen und Inhalte so, wie Sie Ihnen für die Arbeit mit den
Jungen passend erscheinen. Achten Sie dabei sowohl auf die Palette der Inhalte als auch auf
eine Fächerung der Brisanz. Mögliche Themen könnten etwa sein: wenig Selbstvertrauen,
Alltagsprobleme, Beziehungsprobleme, Identität, Sexualität/sexuelle Orientierung, Gr u p p e ndruck, Gewalt in der Familie oder unter Jugendlichen usw. Geben Sie diese gesammelten
LeserInnenbriefe anschließend in Kuverts, die sie zukleben und evt. auch mit einer Redaktionsadresse versehen (an die „Rat aufdraht“-Redaktion u. Ä.). Losen Sie zu Beginn die
Jungen zu Gruppen von drei bis fünf Personen (wie im „richtigen Leben“, so können sich
auch diese Redaktionsteams ihre Kollegen nicht aussuchen). Erklären Sie anschließend,
dass jede Kleingruppe ein Teil der „Rat aufdraht“-Zeitungsredaktion ist, die die Aufgabe
hat, Briefe von LeserInnen zu beantworten, die um Hilfe und Rat bitten. Teilen Sie nun
die vorbereiteten Briefe an die Kleingruppen aus, diese bekommen die Aufgabe, eine
Antwort zu schreiben. Erklären Sie den Jungen, dass diese Antworten für die anfragenden
Personen wichtig sind. Es bleibt dem Gruppenleiter überlassen, ob er den Gruppen jeweils
einen oder auch mehrere Briefe zur Beantwortung gibt. Wenn die Jungen fertig sind,
finden sie sich wieder in der Großgruppe zusammen und stellen die Anfrage und ihre
Antwort vor. Bei der Besprechung der Antworten und Meinungen dazu können Sie nun
die unterschiedlichen Ebenen eines Problems diskutieren: Welcher Aspekt erschien für
die Jungen am dringlichsten, was haben sie zur „Lösung“ vorgeschlagen usw. Es ist
weiters spannend zu besprechen, wie sich die Geschichte weiterentwickeln könnte, und
was einzelne Jungen wohl an der Stelle des/der Hilfesuchenden tun würden.
Jungenarbeit
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3.7.
WO BEKOMME ICH HILFE
ZIEL: Erkennen von alltäglichen Hilfesituationen; Differenzierung von Hilfsangeboten
und Unterstützungsbedarf; Informationen über Institutionen, die Unterstützung anbieten.
DAUER: etwa 45 Minuten
MATERIAL: Flipchart, Stifte, Moderationskarten
DURCHFÜHRUNG
Sie schreiben das Wort Hilfe auf einen Papierbogen, legen den Bogen und Stifte in die
Mitte des Sesselkreises und laden die Jungen zu einem schriftlichen Brainstorming ein.
Geben Sie genügend Zeit, damit die Jungen sich mit der Thematik vertraut machen können.
Im Sesselkreis sitzend leiten Sie mit den Fragen ein:
In welchen Situationen holt ihr euch Hilfe?
In welchen Situationen holen sich Erwachsene, die ihr kennt, Hilfe?
Sollten in den Antworten alltägliche Probleme fehlen, dann können Sie darauf hinweisen,
dass man sich z. B. bei Problemen mit dem Durchlauferhitzer an einen Installateur/eine
Installateurin wendet. Durch diese Übung soll deutlich werden, dass es eine breite Palette
von Situationen gibt, in denen es absolut üblich ist jemanden um Unterstützung zu
ersuchen. In einem weiteren Durchgang können Sie mit den Jungen erarbeiten, was die
unterschiedlichen Kriterien sind, die helfende Personen zu erfüllen haben. Dabei können
folgende Fragen hilfreich sein:
Welche Fähigkeiten erwarte ich mir von einem Handwerker/einer Handwerkerin, von
einem Arzt/einer Ärztin oder von einem Drogenberater/einer Drogenberaterin?
Wenn ich eine Person nach dem Weg frage oder mit einer Person über meinen Liebeskummer reden möchte – was unterscheidet meine Beziehungen zu diesen Personen?
Halten Sie jedes Kriterium auf einer Moderationskarte fest und legen Sie diese in den
Sesselkreis auf den Boden. Wenn das Sammeln beendet ist, lassen Sie die Jungen die
einander entsprechenden Kriterien zu Kategorien zusammenfassen. Durch diese Übung
soll deutlich werden, dass wir an helfende Personen je nach Art der Unterstützung unterschiedliche Erwartungen haben. Als mögliche „Hausübung“ können die Jungen den
Au ftrag bekommen, sich über Institutionen kundig zu machen, die Unterstützungsangebote
für Jugendliche anbieten.
Jungenarbeit
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3.8.
EINE NEUE STÄRKE FINDEN
ZIEL: Die Jungen können im Rollenspiel verschiedene Strategien der Selbstbehauptung
ausprobieren und so auch die verschiedenen Konsequenzen „erleben“.
DAUER: 60–90 Minuten
MATERIAL: „Was nun?“-Szenen oder eigene vorbereitete Szenen
DURCHFÜHRUNG
Teilen Sie die Jungengruppe in Kleingruppen. Jede Gruppe bekommt nun eine der unten
stehenden Situationen, in denen ein Problem zu lösen ist. Als Übungsleiter empfiehlt es
sich, selbst im Vorfeld Szenen zu aktuellen Themen oder Konflikten zu entwickeln. Jede
Gruppe bekommt die Aufgabe, sich für die Szene (mindestens) zwei verschiedene Möglichkeiten zu überlegen, wie sich die Situation weiterentwickeln könnte. Anschließend spielen
die Gruppen diese beiden Szenen vor. Diskutieren Sie danach den Verlauf der Szenen,
was die einzelnen Personen in ihren Rollen zur weiteren Entwicklung beigetragen haben
usw. Wichtige Fragen können hier sein:
Was sind die Vorteile der ersten und zweiten Lösung?
Was haben die Personen erreicht und auf welche Weise?
War Gewalt im Spiel? Wenn ja, wo und von wem?
Von welcher Figur in welcher Szene könnte man sich was „abschauen“?
WAS NUN?
Dein Bruder telefoniert gerade und du musst einen wichtigen und dringenden Anruf machen.
Du hast dich schon seit Stunden für Konzerttickets angestellt, als sich jemand vor dir in
die Reihe drängeln will.
Ein Lehrer beschuldigt dich ungerechterweise, dass du bei einem Test geschummelt hast
– und nimmt ihn dir weg.
Deine Freunde drängen dich eine Party bei dir zu Hause zu feiern, weil deine Eltern
gerade auf Urlaub sind. Du hast den Eltern aber versprochen, das nicht zu tun.
Du freust dich schon seit Tagen auf einen Film im Fernsehen. Am Abend kommt deine
Schwester mit Freunden/Freundinnen nach Hause, die sich auf eurem Fernseher ein
Video ansehen wollen.
Jungenarbeit
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3.9.
IMMER, MANCHMAL, NIE
ZIEL: Mit den Jungen über sexuelle Belästigung und andere Formen von übergriffigem
Verhalten reden, um darzustellen, dass Belästigungen oft vom Kontext abhängen, in dem
sie geschehen; thematisieren, dass ungleiche Machtverhältnisse eine Schlüsselbedingung
für Belästigungen sind.
DAUER: etwa 60 Minuten
MATERIAL: Arbeitsblätter zum Thema sexuelle Belästigung; Manchmal-Immer-NieZettel im Raum; Flipchart
DURCHFÜHRUNG
Erklären Sie den Jugendlichen, dass es um das Thema (sexuelle) Belästigung und Übergriffe gehen wird. Die Menschen haben oft unterschiedliche Ansichten davon, welches
Benehmen und Verhalten eine Form der (sexuellen) Belästigung darstellt. Geben Sie das
erste Arbeitsblatt aus, das die Jugendlichen in Zweiergruppen bearbeiten sollen. Darin
finden die Jungen eine Liste von Situationen, die eine solche Belästigung / einen solchen
Übergriff darstellen können. In den Zweierteams sollen sie diskutieren und einschätzen,
ob das Verhalten ihrer Meinung nach „Immer“, „Manchmal“ oder „Nie“ eine Belästigung
darstellt. Geben Sie den Jungen zehn Minuten Zeit, das Arbeitsblatt auszufüllen.
WeisenSie auch darauf hin, dass es hier nicht um richtige oder falsche Antworten geht. Falls sich
die Jungen beim Beantworten uneinig sind, sollen sie versuchen zu einer gemeinsamen
Lösung zu kommen. Während die Jungen das Blatt beantworten, markieren Sie im Raum
eine „Manchmal“-, eine „Immer“- und eine „Nie“-Ecke. Gehen Sie nun mit der Gr o ß g r u p p e
die Liste durch und fragen Sie bei jedem Verhalten, welche Meinungen vertreten werden.
Je nach Meinung sollen sich die Jungen in die entsprechende Ecke im Raum stellen. Anschließend sollen sie ihre Position argumentieren. Die Dreiteilung bietet hier den Vorteil,
dass bei hitzigen Diskussionen zwischen zwei Parteien, eine Ecke eine Beobachterrolle
einnehmen kann
(als Variation können Sie vor dem Diskutieren eine Rotation der Gr u p p e n
im Uhrzeigersinn machen, die Jungen sollen dann unabhängig von ihrer Meinung Argumente für den Platz sammeln, auf dem sie stehen). Schreiben Sie während der Diskussion
die Schlagwörter oder Phrasen auf, mit denen die Jungen die genaueren Umstände ihrer
Antwort beschreiben (etwa: „Kommt darauf an, wer es sagt?“; „Der Tonfall ist wichtig“;
„Wo es passiert, ist wichtig“; „Ist eine Anspielung enthalten?“; „Wer hat die Macht in der
Situation?“).
Sie können die Antworten kurz kommentieren oder bestimmte Inputs liefern,
versuchen Sie aber nicht zu jedem Punkt ein langes Statement abzugeben. Die Dinge sollen
von selbst sichtbar werden, wenn der Fragebogen durchgegangen wird. Es empfiehlt sich
bei dieser Übung, als Gruppenleiter die Ergebnisse abschließend auf dem Flipchart noch
einmal zusammenzufassen. Sie werden vermutlich sehr viele Ergebnisse in der „Ma n c h m a l “ Kategorie haben.
Es geht insgesamt darum festzustellen, dass es nicht immer eine genau
abgegrenzte Sachlage gibt. Sie sollten dabei besonders betonen, dass es der entscheidende
Punkt bei der Frage der Belästigung ist (unabhängig ob diese in einer sexuellen und/oder
gewalttätigen Form auftritt), ob das Verhalten von der betroffenen Person erwünscht ist
oder nicht. Die Si t u a t i o n s d e fi n i t i o n der handelnden Person spielt dabei keine bzw. eine
untergeordnete Rolle. Machen Sie bei der Besprechung und Rückmeldung klar, dass
Jungenarbeit
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(sexuelle) Belästigung Aussprüche und Taten inkludiert, die
von der angesprochenen Person unerwünscht sind;
die Arbeits- und Lernmöglichkeiten einer Person einschränken (etwa in Form eines
vergifteten Arbeitsklimas);
eine Form der sexuellen Diskriminierung darstellen, etwa als Sexismus oder als
Abwertung bestimmter sexueller Orientierungen;
einen Ausdruck von geschlechtsrollenbezogener Macht, Kontrolle und Autorität
darstellen;
Menschen und insbesondere Frauen auf ihren Körper reduzieren.
Achten Sie darauf, dass es für einige Jugendliche in der Gruppe überraschend und neu
sein kann, dass bestimmte Verhaltensweisen eine Belästigung darstellen können (etwa
Aktbilder an der Wand).
WAS IST BELÄSTIGEND?
Arbeitsblatt zu Übung
Bitte beurteilt auf dem folgenden Arbeitsblatt (
), ob ihr das Verhalten „Immer“,
„Manchmal“ oder „Nie“ als belästigend bezeichnen würdet. Bitte überlegt euch auch die
Gründe für eure Antwort.
Immer | Manchmal | Nie
1. Kommentare über das Aussehen, den Körper oder die Kleidung
2. Gelegentlicher Körperkontakt, z. B. Umarmen, Tätscheln
3. Abfällige Kommentare über Schwule und Lesben
4. Witze mit sexuellem Inhalt
5. Jemandem nachpfeifen
6. Anstarren des Körpers einer anderen Person
7. Einladungen miteinander auszugehen
8. Obszöne Telefonanrufe
9. Verwenden von Worten wie „Hure“‚ „Fotze“, „Beidl“ usw.
10. Aktfotos in Schränken oder an der Wand
11. Schmierereien/Graffiti über Frauen oder Schwule
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Bitte beurteilt auf dem folgenden Arbeitsblatt (x), ob ihr das Verhalten „Immer“, „Manchmal“ oder „Nie“ als
belästigend bezeichnen würdet.
Bitte überlegt euch auch die Gründe für eure Antwort.
Immer
Manchmal
Nie
2. Gelegentlicher Körperkontakt, z. B. Umarmen, Tätscheln
3. Abfällige Kommentare über Schwule und Lesben
4. Witze mit sexuellem Inhalt
5. Jemandem nachpfeifen
6. Anstarren des Körpers einer anderen Person
7. Einladungen miteinander auszugehen
8. Obszöne Telefonanrufe
9. Verwenden von Worten wie „Hure“, „Fotze“, „Beidl“ usw.
10. Aktfotos in Schränken oder an der Wand
11. Schmierereien/Graffiti über Frauen oder Schwule
1.
Kommentare über das Aussehen, den Körper oder die Kleidung
Jungenarbeit
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3.10. GESCHICHTEN FORTSETZEN
ZIEL: Einüben einer empathischen Haltung; Erkennen und Differenzieren von verbalen, psychischen und physischen Grenzverletzungen; Wahrnehmung des alltäglichen
Se x i s m u s .
DAUER: etwa 50 bis 100 Minuten
MATERIAL: Arbeitsblätter 1 bis 4
DURCHFÜHRUNG
Teilen Sie die Gruppe in vier Kleingruppen und geben Sie jeder eines der vorbereiteten
Arbeitsblätter. Jede Gruppe soll nun für die vorgegebene Situation Fortsetzungen finden.
Diese sind in Stichworten festzuhalten. Nach Fertigstellung einigt man sich darüber, wer
welche Fortsetzung im Plenum präsentiert. Nach der Präsentation sollen einige der
Szenen gespielt werden. Dabei bestehen verschiedene Möglichkeiten:
Eine Szene wird mehrere Male in unterschiedlicher Besetzung gespielt.
Der gleiche Beginn wird mit mehreren Fortsetzungen (auch spontanen) gespielt.
Die gleiche Szene wird mit Rollentausch gespielt.
Eine Szene wird gespielt, reflektiert und mit den Reflexionsergebnissen in gleicher
Besetzung noch einmal gespielt.
GESCHICHTE 1
Arbeitsblatt zu Übung 15
Maria ist Studentin. Sie hat vor kurzem einen Job als Kellnerin in einem Restaurant in der
Nähe der Uni angenommen. Jason – ihr Vorgesetzter und etwa zehn Jahre älter – ist Maria
beim Einarbeiten sehr behilflich. Er nimmt jede Gelegenheit wahr, sie in die Abläufe des Betriebes
einzuweihen, ihr Dinge zu erklären und dafür zu sorgen, dass sie sich wohl fühlt. An einigen
Nachmittagen in den ersten beiden Wochen hat Jason sie um Aushilfe gebeten, weil viel zu tun
war. Maria hat gerne zugesagt und geholfen. Am Anfang ging alles gut. Maria hat viel gelernt
und sie haben gemeinsam eine Menge Papierkram erledigt. Am dritten Nachmittag – als er mit
Maria alleine war – sagt Jason: „Schon seit ein paar Tagen will ich dir sagen, wie hübsch du bist.
Auch die anderen Männer haben das schon gesagt. Und unlängst ist sogar ein Gast zu mir
gekommen und hat mir zu der Kellnerin mit der tollen Figur gratuliert.“
Wie könnte sich diese Geschichte weiterentwickeln?
Versucht eine Fortsetzung zu finden, die für Maria unangenehm wird.
Versucht eine Fortsetzung zu finden, die für Jason unangenehm wird.
Gibt es eine „gute Lösung“?
GESCHICHTE 2
Arbeitsblatt zu Übung 15
Peter und Karola gehen in die 5. Klasse. Peter wollte von Anfang an einmal mit Karola ausgehen. Immer wieder versucht er sich mit ihr zu verabreden. Sie hat kein Interesse an Peter und
möchte mit ihm nicht ausgehen. Mit allen möglichen Ausreden und Entschuldigungen versucht
sie ihm das zu vermitteln. Obwohl Karola auch schon einmal klipp und klar „nein“ zu Peter
gesagt hat, wird er immer ungehaltener und lässt nicht locker. Eines Tages steht Karola bei ihrem
Garderobenkästchen, als Peter entschlossen auf sie zukommt.
Wie könnte sich diese Geschichte weiterentwickeln?
Versucht eine Fortsetzung zu finden, die für Karola unangenehm wird.
Versucht eine Fortsetzung zu finden, die für Peter unangenehm wird.
Gibt es eine „gute Lösung“?
Jungenarbeit
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GESCHICHTE 3
Arbeitsblatt zu Übung 15
Herr Huber ist ein beliebter Englischlehrer. Im letzten Jahr hat er eine besondere Aufmerksamkeit
für Manuela entwickelt. Er ist stets in ihrer Nähe, beugt sich über sie oder legt seinen Arm über
ihre Schulter, wenn er ihr etwas erklärt. Eines Nachmittags bittet er sie nach dem Unterricht
noch kurz zu bleiben, weil er vom letzten Test noch etwas mit ihr besprechen wolle. Als sie alleine
sind, meint er, dass er wegen ihrer Noten in letzter Zeit besorgt sei und ihr gerne helfen würde
ihre Schreibleistungen zu verbessern. Während Herr Huber spricht, kommt er immer näher an
Manuela heran.
Wie könnte sich diese Geschichte weiterentwickeln?
Versucht eine Fortsetzung zu finden, die für Manuela unangenehm wird.
Versucht eine Fortsetzung zu finden, die für Herrn Huber unangenehm wird.
Gibt es eine „gute Lösung“?
GESCHICHTE 4
Arbeitsblatt zu Übung 15
Herr Müller ist ein Mathematiklehrer, den fast niemand leiden kann. Er ist nicht nur langweilig,
äußerst streng und ohne Einfühlungsvermögen, sondern auch noch extrem sarkastisch. Er neigt
dazu, die Mädchen in der Klasse abwertend zu behandeln. Bei verschiedenen Gelegenheiten sagt
er, dass er nicht wisse, weshalb man Mädchen überhaupt in Mathematik unterrichtet. Auch
heute steht Herr Müller vor der Klasse und hält einen Vortrag darüber, dass jedermann weiß,
dass Frauen kein Raumvorstellungsvermögen besitzen und sie nach der Schule Mathematik
sowieso nicht mehr brauchen würden, weil sie dann ohnehin heiraten und Kinder kriegen.
Plötzlich meldet sich ein(e) Schüler(in) zu Wort: „…“
Wie könnte sich diese Geschichte weiterentwickeln?
Versucht eine Fortsetzung zu finden, die für die Mädchen unangenehm wird.
Versucht eine Fortsetzung zu finden, die für die Burschen unangenehm wird.
Versucht eine Fortsetzung zu finden, die für Herrn Müller unangenehm wird.
Gibt es eine „gute Lösung“?
Jungenarbeit
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3.11. TOLERANZGRENZE
ZIEL: gewalttätige Verhaltensweisen und Grenzüberschreitungen erkennen lernen.
DAUER: etwa 60 Minuten
MATERIAL: Die in Streifen geschnittenen Verhaltensweisen des Arbeitsblattes in
einem Umschlag (halb so viele Umschläge wie Gruppenteilnehmer), vorbereitetes
Flipchart-Papier mit „OK–Nicht-OK“-Kontinuum, einen Stift pro Kleingruppe, genügend
Klebeband oder Kleber für die Kleingruppen.
DURCHFÜHRUNG
Bereiten Sie für diese Übung für jedes Zweierteam einen großen Papierbogen vor, auf
dem Sie eine lange Linie mit den beiden Polen „OK“ zu „Nicht-OK“ eingezeichnet haben.
Markieren Sie auch die Mitte dieses Kontinuums.
Skizze:
OK
NICHT OK
Teilen Sie die Gruppe in Zweierteams. Jede Gruppe erhält einen Bogen vorbereitetes
Flipchart-Papier, einen Stift und einen Umschlag mit den angeführten Verhaltensweisen
eines erfundenen Mannes Hombre, die sie aus dem Arbeitspapier ausgeschnitten haben.
Erklären Sie den Jungen, dass dies eine Strecke mit zwei Polen ist, von einem „O K “ - Pol auf
der linken Seite zu einem „Nicht-OK“-Pol ganz rechts auf der anderen Seite. Nun sollen
die Zweierteams die angeführten Verhaltensweisen aus dem Kuvert nehmen. Die Jungen
haben die Aufgabe, das Verhalten eines erfundenen Mannes (Hombre) zu beurteilen, je
nachdem ob sie dieses eher „OK“ oder eher „Nicht-OK“ finden. Der Strich in der Mitte markiert
den Umschlagspunkt von der einen zur anderen Seite. Die Jungen sollen den Papierstreifen
mit dem jeweiligen Verhalten entlang der aufgezeichneten Strecke an der Position aufkleben, die für sie passend erscheint (je eher sie das Verhalten „Nicht-OK“ finden, desto
weiter rechts sollen sie den Streifen aufkleben etc.). Sollten sich die beiden Jungen im
Team uneinig sein, sollen sie versuchen zu einer gemeinsamen Lösung kommen.
Die Zweierteams sollen sich jetzt in der Großgruppe zusammenfinden und ihre Plakate
vorstellen bzw. vergleichen. Folgende Fragen können bei der Auswertung interessant sein:
Welche Unterschiede gab es in der Reihung der Verhaltensweisen und weshalb?
Bei welchem Verhalten waren sich alle eher einig und wo nicht? Woran liegt das?
Inwiefern handelt es sich beim Verhalten auf der rechten (der „Nicht-OK“) Seite um
Gewalt?
TOLERANZGRENZEN
Vorlage zu Übung
Hombre wird trotzig und reagiert beleidigt, wenn seine Partnerin mit einem anderen Mann spricht.
Hombre kritisiert die Kleidung seiner Partnerin.
Hombre zieht sich wortlos zurück, wenn er mit seiner Partnerin Streit hat.
Hombre mag es Freunde zu erschrecken, indem er waghalsig mit dem Auto fährt.
Hombre regt sich über Kleinigkeiten fürchterlich auf.
Hombre denkt, es ist die Aufgabe des Mannes, für sich und seine Partnerin Entscheidungen zu fällen.
Hombre beschimpft seine Partnerin, wenn sie einen Fehler gemacht hat.
Hombre ist der Meinung, dass er über die Freizeit seiner Partnerin bestimmen kann.
Hombre benimmt sich extrem behütend gegenüber seiner Partnerin.
Hombre will immer genau wissen, was seine Partnerin tut.
Jungenarbeit
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Hombre droht damit seine Partnerin zu schlagen.
Hombre bedroht die Freunde und Freundinnen seiner Partnerin.
Hombre schlägt die Haustiere.
Hombre zertrümmert öfters zu Hause Gegenstände.
Hombre schlägt seine Partnerin zum ersten Mal.
Jungenarbeit
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3.12. SEXUALITÄT, GRENZEN UND GEWALT
ZIEL: Sexistische Mythen und Vorannahmen rund um Sexualität;
Grenzüberschreitungen und Gewalt transparent zu machen.
DAUER: etwa 90 Minuten
MATERIAL: Ja/Nein-Seiten im Raum; Arbeitsblatt Mythenquiz
DURCHFÜHRUNG
Diese Übung kann dafür genützt werden, sexistische und gewalthaltige Mythen bezüglich
Sexualität und sexueller Gewalt zur Diskussion zu stellen. Wichtig ist, dass die Jungen im
Laufe der Diskussion darüber nachdenken, ob es sich bei der einen oder anderen Me i n u n g
nicht vielleicht um einen Mythos handelt: eine – sachlich unrichtige – Überzeugung oder
Einstellung, die viele Menschen im Geheimen teilen, ohne sich kritisch damit auseinanderzusetzen. Es ist wichtig darauf hinzuweisen, dass jeder in seinem Leben immer wieder bestimmten Mythen und allgemeinen Vorurteilen aufsitzt, weshalb es wichtig ist, bestimmte
Themen immer wieder zu reflektieren. Teilen Sie den Raum in eine „Ja“- und eine „Nein“Seite (am besten wird dies mit jeweils einem A4-Zettel markiert, der auf die jeweilige Seite
gehängt wird). Anschließend sollen sich die Jungen zunächst in der Mitte des Raumes
aufstellen. Erklären Sie den Jungen, dass bei den folgenden Diskussionen für jede Seite
ein Gruppensprecher bestimmt wird, die beiden Sprecher diskutieren danach in der Mitte
miteinander. Jeder Junge in der Gruppe aber auch die Sprecher haben die Möglichkeit
eine „Aus-Zeit“ zu beantragen, die für weitere Beratungen mit der Gruppe genutzt werden
kann. Der Übungsleiter liest nun jeweils ein Statement vor, die Jungen sollen sich je nach
ihrer Meinung dazu auf die entsprechende Seite im Raum stellen. Danach sammelt die
Gruppe für ihre Position Argumente, bestimmt einen Gruppensprecher – diese treffen
sich in der Mitte zur Diskussion (s. o.). Wenn die Diskussion erschöpft scheint, sammeln
sich die Jungen wieder in der Mitte (das ist gut, um innerlich wieder etwas Abstand zu
gewinnen, die Jungen können sich auch kurz zur Entspannung ausschütteln). Sollte die
ganze Gruppe einer Meinung sein, kann ein Junge oder der Übungsleiter die Ge g e n p o s i t i o n
vertreten („advocatus diavoli“). Sie können auch einige Fragen in die Diskussion einwerfen – etwa welche Folgen es hat, wenn „Mann“ mit dieser oder jener Einstellung durch die
Welt läuft (etwa im Umgang mit dem anderen Geschlecht). Wenn es angemessen erscheint,
können auch die Jungen eigene Mythen zur „Abstimmung“ stellen. All dies kann auch
einen Ausgangspunkt für Rollenspiele bieten, wo mit verschiedenen Vorannahmen unterschiedlich verlaufende Szenen durchgespielt werden.
SEXUALITÄT, GRENZEN UND GEWALT
Vorlage zu Übung
Wenn ein Mädchen mit einem Jungen nach Hause geht, will es Sex haben.
Mädchen sind beeindruckt, wenn die Jungen den „Ton“ angeben.
Eine Frau kann von ihrem Ehemann/Partner vergewaltigt werden.
Sex ist ein Zeichen für Liebe.
Eifersucht ist ein Zeichen von Liebe.
Wenn ein Mädchen aufreizend gekleidet ist, dann ist es auf Sex aus.
Mädchen stört es, wenn Jungen besonders wild sind.
Man kann einen Vergewaltiger nicht an seinem Äußeren erkennen.
Wenn eine Frau oder ein Mädchen sich beim Sex nicht wehrt, dann kann es keine Vergewaltigungs sein.
Buben können Opfer von sexueller Gewalt werden.
Die meisten sexuellen Übergriffe werden von Fremden begangen.
Jungenarbeit
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Ist ein Junge einmal erregt, dann muss er Sex haben.
Mädchen macht es Spaß, wenn Jungen sie ausgreifen.
Mädchen stört es nicht, wenn man sie als „Hure“ oder „Fotze“ bezeichnet.
Wenn jemand auf eine Beleidigung nicht reagiert, stört es ihn/sie nicht.
WEITERE MYTHEN UND THESEN:
Jungenarbeit
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3.13. DOMINANTES BEZIEHUNGSVERHALT E N
ZIEL: Grenzverletzungen und dominantes Verhalten in Beziehungen thematisieren
DAUER: etwa 60 Minuten
MATERIAL:,Arbeitsblatt Stopp-Geschichte Schulfest; „Sabine“-, „Karl“- und „Gerhard“Ecken im Raum
DURCHFÜHRUNG
Bilden Sie drei Kleingruppen, die sich jeweils in einer Ecke des Raumes aufstellen. Diese
drei Positionen stehen für drei Personen: Sabine, Karl und Gerhard. Erklären Sie den
Jungen, dass Sie nun eine Geschichte vorlesen werden, wobei Sie diese immer wieder
kurz unterbrechen werden. Die Gruppen haben die Aufgabe, sich in „ihre“ Figur hineinzuversetzen d. h. sich zu überlegen, wie es der Person wohl geht usw. Sie werden bei jeder
Unterbrechung die Meinungen zum Befinden der Personen erfragen. Beginnen Sie nun
die Geschichte bis zum ersten Stopp vorzulesen. Fragen Sie anschließend jede Gruppe:
Wie geht es der Person wohl gerade?
Was würde sie gerne als nächstes tun?
Wie könnte die Geschichte weitergehen?
Wenn Sie alle drei Positionen befragt haben, setzen Sie die Geschichte bis zum nächsten
„Stopp“ fort, und wiederholen Sie das Befragen. Wenn die Geschichte zu Ende ist, kann in
der Großgruppe noch einmal über die Szene diskutiert werden:
Was genau ist in der Szene passiert?
Welche Grenzverletzungen sind passiert?
War Gewalt im Spiel und wo war das?
Ist die Geschichte zu einem „guten“ Ende gekommen?
Wann und wo hättet ihr euch anders verhalten?
Die Diskussion in der Großgruppe kann zu einigen „Aha“-Erlebnissen in Bezug auf
Grenzverletzungen und Gewalt führen. Sie können mit den Jungen auch darüber reden,
ob sie selbst solche oder ähnliche Situationen schon erlebt haben.
STOPP-GESCHICHTE SCHULFEST
Arbeitsblatt zu Übung
Sabine und Karl sind seit einiger Zeit zusammen. Diesen Freitag gehen sie zu einem Fest. Karl verbringt an diesem
Abend die meiste Zeit mit seinen Freunden. Als Sabine gerade mit ihren Freundinnen spricht, fordert sie ihr Schulkollege Gerhard zum Tanzen auf. STOPP
Sie tanzen zu einem schnellen Lied. Danach besorgt sich Sabine Popcorn und setzt sich zu Freunden an den Tisch.
Gerhard blickt ihr nach, bleibt aber auf der Tanzfläche. STOPP
Karl setzt sich zu Sabine. Er befiehlt ihr ihren Pullover anzuziehen, da ihre Bluse zu eng sei. STOPP
Sabine gehorcht und zieht ihren Pullover an. Karl fragt, ob sie diese Bluse für Gerhard trägt. STOPP
Sabine sagt ihm, er soll aufhören, sich wie ein Trottel zu benehmen. Als sie aufsteht, um zu gehen, hält sie Karl am
Arm fest. Sabine reißt sich los und verlässt das Lokal. Gerhard beobachtet die Szene aus einiger Entfernung.
STOPP
Kurz darauf läuft ihr Karl nach und bittet sie um Verzeihung und sagt, dass er das nicht so gemeint habe, aber er
hat gesehen, wie Gerhard sie angestarrt hat. Karl verspricht, dass das nie
wieder passiert. STOPP
Sie umarmen einander. Beim Weitergehen sagt Karl: „Wenn du mich nicht so verrückt machen
würdest, würde ich nicht so ausrasten.“ STOPP
Jungenarbeit
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3.14. Talkshow für Buben
Materialien: Rollenkärtchen, Notizzetteln und Stifte. Eventuell
Materialien zum Verkleiden und wenn vorhanden eine Videokamera.
Für die Talkshow sind 6 verschiedene Rollen vorzubereiten:
➏ Moderator
➏ Leo, 15 Jahre
➏ Vater, 41 Jahre
➏ Mutter, 40 Jahre
➏ Stefan, 15 Jahre, bester Freund
➏ Katrin, 28 Jahre, Leiterin eines Kindergartens
Die Rollen werden vorgestellt und verteilt.
Alle diejenigen, die sich dieselbe Rolle aussuchen bilden eine Kleingruppe
und erarbeiten gemeinsam auf Notizblättern alle Argumente, die
Ihnen einfallen, um ihre Rolle möglichst gut zu spielen.
Die Rolle des Moderators ist eine ganz entscheidende, von ihm hängt das
Gelingen der Show maßgeblich ab.
Danach wird die Talkshow so oft durchgeführt, bis alle Buben an die Reihe
gekommen sind. Sollte die Schülerzahl nicht passen, können Rollen
weggelassen oder zweimal von demselben Buben gespielt werden.
Vorschläge zum Weiterarbeiten
➏ Zum Abschluss werden im Plenum noch einmal die gefallenen Argumente
rekapituliert, bzw. wird die Videoaufzeichnung durchgesehen
und bei entscheidenden Argumenten kurz gestoppt und besprochen.
Jungenarbeit
30/60
3.15. Handydrehen
Organisatorisches:
Alter:
Gruppengröße:
Zahl der benötigten Helfer:
Dauer der Aktion:
Material:
egal, 14 – 18 Jahre geht gut
10 bis 15 ist ideal
10 bis 15 ist ideal
30 – max. 60 Minuten
Handy und vorbereitete Karten mit Stichwörtern, Blatt für Plan oder
angefertigtes Spielbrett
Ziel:
Es gibt Situationen, in denen soll aus pädagogischen Gründen in der Jungengruppe über spezielle Themen
gesprochen werden. Die Übung hat das Ziel, die Jungen zu ersten Gedanken hinsichtlich verschiedener
Stichworte eines Themas zu motivieren und in der Gruppe mitzuteilen.
Zielerreichung:
Die Übung ist hinsichtlich des Aktivierungs- und Motivationsziels erfolgreich, wenn sich relativ schnell
jemand findet, der das Handy drehen möchte oder eine Gruppendynamik entsteht, dass die Jungs untereinander spontan ausmachen, wer als Nächster an der Reihe ist. Erfolgreich ist die Übung außerdem dann,
wenn die Jungs spontan ihre Meinungen / Erfahrungen / Ideen / Wünsche äußern und die Form der „Moderation“ durch das Handydrehen mehr in den Hintergrund rückt.
Umsetzung:
Es wird ein Spielplan vorbereitet, der ähnlich wie eine Torte in Felder aufgeteilt ist. In den Feldern befinden sich mehrere Karten. Die Karten sind auf einer Seite mit Stichworten zum entsprechenden Thema
beschriftet.
In die Mitte kommt ein Handy. Das Handy wird gedreht. Kommt es zum Stillstand, wird die Karte vom
Feld genommen, auf die das Handy zeigt.
Zunächst macht das ein Junge, der dem angezeigten Feld am nächsten sitzt. Er liest das Stichwort vor.
Der Betreuer stellt zum Stichwort eine Frage. Danach erfolgt ein kleiner Austausch. Der Junge, der die
Karte gezogen hat, dreht nun erneut das Handy usw. Sonstiges Mit dem Handy kann man Jungs sehr
leicht gewinnen, in Kommunikation zu treten. Es kann eine Art Türöffner sein. Arnfried Böker von der
Landesstelle Kinder- und Jugendschutz hat viele spiel- und medienpädagogische Übungen entwickelt und
erprobt, die für die sozialpädagogische Arbeit / Freizeitarbeit hilfreich sein können.
Die Methoden wurden in zwei Büchern veröffentlicht:
- "Spiel-Spaß-Wissen - Das Handy-Spielebuch"
Die ISBN lautet 3-938142-70-7. (7,20 Euro).
- "Spiel-Spaß-Wissen - Das Handy-Projektebuch"
Die ISBN lautet 978-3-939665-29-8. (8,00 Euro).
Kontaktdaten:
Landesstelle Kinder- und Jugendschutz Sachsen-Anhalt e.V.
Arnfried Böker
Freiligrathstraße 11
39108 Magdeburg
Jungenarbeit
31/60
Tel.: 0391 - 73 46 2 46, Handy: 0177 437 6006
www.jugend-lsa.de/jugendschutz, www.handywissen.info,
Sie wollen vergleichen? --> www.jugendschutz-uebersicht.de
Quelle:
Kompetenzzentrum geschlechtergerechte Kinder- und Jugendhilfe LSA e.V.
Liebigstraße 5, 39104 Magdeburg,
Telefon: 0391/6310556,
E-Mail: [email protected]
Jungenarbeit
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3.16. Jungenkochgruppe
Jungenkochgruppe
Getragen von dem Grundsatz »Kochen ist kommunikativ,
macht Spaß, schmeckt gut und tut gut.«
existierte knapp 5 Jahre lang eine Kochgruppe
der Evangelischen Jugend Worpswede von anfangs
sieben Jungen im Alter von 15 Jahren. Die
Gruppe fand sich eher zufällig: Ich wollte mit einer
Jungengruppe für ein Wochenende wegfahren. Es
meldeten sich jedoch nur diese sieben Jungen. Zu
wenige, um wegzufahren. Stattdessen trafen wir
uns und haben Pizza gebacken. Von dem Kochergebnis
waren wir alle so begeistert, dass wir uns
wieder verabredeten, um zu kochen.
Und so ging es weiter. Wir haben gekocht, uns
dabei unterhalten, gegessen und uns überlegt,
was wir beim nächsten Mal kochen wollen. Anfangs
besorgte ich das Rezept und kaufte ein.
Später übernahm immer einer der Jungen diese
Aufgaben. Höhepunkte der Kochgruppe waren so
genannte »Bistro-Abende« in der »Scheune«, dem
Ev. Jugendzentrum. Hier ging die Gruppe mit ihren
Kochkünsten an die Öffentlichkeit und präsentierte
französische, italienische und asiatische Küche.
Dort erhielten die Jungen viel Anerkennung von
den Gästen. Außerdem war es der lokalen Presse
jedes Mal wert, über die Gruppe im Rahmen der
Bistro-Abende ausführlich zu berichten.
Neben Grünkohl, Spaghetti, Reispfanne, Kartoffelsuppe
oder Gulasch waren jedes Mal die
Gespräche beim Kochen wichtig. Schule, Klassenfahrt,
Freundin, Auseinandersetzungen mit den
Eltern und später Ausbildung oder Berufswahl
waren Themen, die die Treffen bestimmten.
In dieser Jungengruppe konnte ich mehrere
Ziele verfolgen. Mit dem Thema der Gruppe
bewegten wir uns in einem Feld, das traditionell
den Mädchen und Frauen zugeschrieben wird. So
wurde die Gruppe von außen anfangs auch skeptisch
betrachtet und belächelt. Als sie sich mit
den Bistro-Abenden jedoch etabliert hatte, gab
es eher anerkennende Bemerkungen. Hiermit ließ
sich das traditionelle Männerbild in diesem kleinen
Ausschnitt in Frage stellen und das Rollenbild von
Jungen und Männern erweitern. Die Jungen konnten
das Kochen als Fähigkeit verbuchen und haben
mit dieser praktischen Tätigkeit etwas »für‘s Leben
gelernt, was sie auch gebrauchen können.«
Die Kochgruppe bot den Jungen einen Raum,
in dem sie von mir, einem erwachsenen Mann,
begleitet wurden. Sie konnten Hilfe und Unterstützung
bei den Problemen des Jungeseins und
Mannwerdens bekommen. Zu den oben schon
genannten Themen gab es Gespräche, Fragen und
Tipps, die die Jungen untereinander austauschten
oder zu denen sie ausdrücklich meine Einstellung
wissen wollten.
So ist in der Kochgruppe ein Raum entstanden,
in dem die Jungen sich für Leib und Seele versorgt
haben. Dabei entdeckten sie, dass gemeinsam zu
kochen sehr kommunikativ ist, Spaß macht, gut tut,
und dass das Zubereitete gut schmeckt.
Heiko Lucht, Diakon, Worpswede
Jungenarbeit
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3.17. Bauanleitung „Rough-Sticks“
Ich unterrichte als Lehrer an einem Gymnasium
im Sauerland und bin seit 2 Jahren in der
Jungenarbeit tätig. Im Laufe verschiedener
Fortbildungen habe ich auch die Original "Batakas"
kennen gelernt. Für die Jungenarbeit
fand ich sie sehr geeignet aber unser immer
viel zu knappes Schulbudget erlaubte nicht den
Kauf der (recht teueren und auch etwas empfindlichen)
Geräte. Nach längerem Überlegen
und probieren habe ich deshalb die so genannten
"Rough-Sticks" entwickelt. Sie sind billig
und einfach mit Materialien aus dem Baumarkt
herzustellen, die Jungs können sie selbst anfertigen
(man kann sie ihnen sogar nach den Projekttagen
mit nach Hause mitgeben!).
Nachbesprechungen mit Jungengruppen haben
ergeben, dass genau dieser Aspekt den Jungs
besonders gut gefallen hat.
Die Bauanleitung stellt im Wesentlichen einen
Vorschlag dar, da die Sticks technisch sicherlich
noch viele Möglichkeiten bieten. So hat
z.B. ein Junge den Kampfstock komplett mit
Klebeband eingewickelt - was die Haltbarkeit
deutlich erhöht (im Normalfall hält ein RoughStick ca. 3 Vormittage harten Einsatz aus) aber
die Schläge deutlich schmerzhafter macht (was
in bestimmten Jungengruppen durchaus sinnvoll
sein kann).
Ich wünsche jedem Jungenarbeiter viel Spaß
beim kreativen Einsatz und würde mich über
Rückmeldungen aus der Praxis freuen.
Material für 2 Stöcke
3 Stück Schaumstoff-Rohrisolierung zu je 1 m oder 1 Stück Schaumstoff-Rohrisolierung
aus dem Installationsbedarf (Innendurchmesser passend für Isolierrohr!) =
Elektro-Isolierrohr 25 mm x 2 m (reicht für 6 Stöcke) =
Kleber (UHU o.ä.) =
1 Rolle Kunststoff-Klebeband, 10 m (reicht für ca. 6 Stöcke) =
1 Kartusche Billigst-Silikon oder Acryl (hierfür kann man auch abgelaufene und daher
verbilligte Ware verwenden!) =
Summe / ca. Preis pro Stockpaar
ca. 3,00 ø
1,99 ø
1,95 ø
3,99 ø
ca. 0,99 ø
11,92 ø ø / 5,00 ø
Als Werkzeug reichen:
eine kleine Handbügelsäge ein Zollstock
eine Schere eine Kartuschenpistole
Bauanleitung
• Das Isolierrohr auf 2 Stücke mit jeweils ca. 30 cm Länge kürzen.
• Die untere Hälfte des Rohrstückes mit Silikon ausspritzen (nicht mehr, da das Rohr sonst nicht mehr flexibel ist
und beim Schlag schmerzhaft wirkt!).
• Die Schaumstoffrohre auf 6 Stücke mit jeweils ca. 40 cm Länge zurechtschneiden.
• Am Ende eines Schaumstoffrohrs innen gut (!) Kleber auftragen und auf ca. 1/2 der Länge des Isolierrohrs
aufschieben (als zusätzliche Sicherung eventuell noch kräftig mit Klebeband umwickeln – manchmal lösen
sich nämlich die Rohre beim Kampf vom Griff, z.B. bei ungenügender Trocknung oder einem ungeeigneten
Kleber!).
• Nach dem Antrocknen des Klebers das zweite und dritte Stück Schaumstoffrohr der Länge nach an der vorhandenen "Sollbruchstelle" auftrennen. Bei einem auf ganzer Länge ca. 2 cm vom Durchmesser abschneiden.
Jungenarbeit
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•
•
Dann beide Stücke innen ganzflächig mit Kleber bestreichen und kräftig um das erste Rohrstück herumwickeln, so dass sie bündig aneinander anschließen.
Sofort danach die ganze Konstruktion am Übergang der Rohre zum Griffstück, in der Mitte und an der Spitze
kräftig mit Klebeband umwickeln, damit der Kleber hält.
Die Stöcke brauchen mindestens einen Tag zum vollständigen Austrocknen (v.a. das Acryl – das kann beim
Kampf bei zu kurzer Trockenzeit dann schon mal herausspritzen!)
Jungenarbeit
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4. Filme und Internet Seiten
4.1.
Filme
4.1.1. "Play Life" Ein Film übers Computerspielen
http://www.medienprojekt-wuppertal.de
2007, 40 Min, freigegeben ab 12 Jahren, als DVD oder Video erhältlich. Kaufpreis jeweils 30.- €, Ausleihe 10.- €
Der Film porträtiert verschiedene Computerspieler im Alter von 15 bis 25 Jahren. Sie beschreiben was
und wie häufig sie spielen und was sie motiviert: Von Egoshooter- über Onlinerollenspiele bis hin zum
Partyspiel stellen sie die Games vor, mit denen sie sich beschäftigen. Im Vordergrund steht für sie der
emotionale Kick, Spaß zu haben, Stress zu vergessen, abzuschalten. Bezüglich des Abtauchens in »andere« Welten werden die Zusammenhänge und Wirkungsfolgen zwischen der realen und der virtuellen Welt
reflektiert und problematisiert.
Die Jugendlichen beschreiben ihre unterschiedlichen Spiel-Settings auf LAN-Partys mit und gegen »reale« Freunde, in weltweiten Clans im Internet, beim Zocken im Internetcafe oder alleine zu Hause.
Der Film problematisiert zwei entscheidende Fragen des Computerspielens: Wie steht die Computerspielsucht im Zusammenhang mit der Vernachlässigung des Sozialen. Spielen die Jugendlichen, weil sie wenig soziale Kontakte haben oder schafft das exzessive Spielen diese Vereinsamung erst?
Zum anderen befragen sich die Jugendlichen zu gewaltimmanenten Computerspielen: zur Darstellung
von Gewalt, zum Töten, zur eigenen Teilnahme daran. Sie erzählen, dass und wie diese Gewaltdarstellungen ihnen Spaß machen, weil sie nicht real sind. Für das Ausleben von Phantasien in virtuellen Welten
sind das Schocken und der Kick durch Gewalt wichtige Spielmotivationen. Die Selbsteinschätzung der
jugendlichen Spieler ist: Sie selber werden nicht aggressiv, wenn sie aggressive Spiele spielen. Die Altersfreigabe der Spiele erzeugt aus Sicht der Jugendlichen kaum Schutz, da jeder bekommt, was er will
und »Verbotenes« erhöhte Spannung schafft.
Neben den jugendlichen Spielern kommen auch Eltern zu Wort. Sie problematisieren die Vernachlässigung sozialer Kontakte und der schulischen Leistungen ihrer Kinder.
In einem Interview mit dem Medienwissenschaftler Jürgen Sorg beschreibt dieser Computerspiele als
kulturelles Repertoire: Als Kunst, als Filme, als Geschichten der Neuzeit mit der Möglichkeit zum Teilnehmen: Es handele sich um neue Medien, die nicht nur zum Konsum auffordern, in denen vielmehr das
Mitmachen, das Gestalten, und interaktive Prozesse in realen oder virtuellen Gruppen mit realen oder
virtuellen Gegnern zählen.
Jungenarbeit
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4.1.2. "Gewalt No.3"
Thematische Zusammenstellung von Jugendvideoproduktionen.
150 Min, freigegeben ab 12 Jahren, als DVD oder Video erhältlich. Kaufpreis jeweils 40.- €, Ausleihe
15.- €
Titel der Einzelproduktionen:
Thema "Gewalt unter Jugendlichen":
1. Meine Erfahrungen mit Gas- Pistolen "Ich bin ein lieber und friedvoller Junge in einem jugendlichen
Alter, und doch empfand ich den Morgen als etwas zu kühl, an dem ich mir die Frage stellte, ob Gaspistolen eine aggressive Stimmung hervorrufen könnten." Ein Selbstversuch
2. King of the beats Zwei Gruppen batteln beim Breakdance-Contest. Weil die "Grossen" dabei losen,
nehmen sie sich einen der "Kleinen" vor. Zwar kommt dieser dadurch in den Rollstuhl, doch rächt er sich
dann...
3. Der Unschuldsknabe Er ist der größte Fan und der größte Feind von Batman, der nette Junge von nebenan, der die einzige böse Tat seines Lebens plant: Den Mord an Batman als perfektes, weil motivloses
Verbrechen
4. Ein ganz normales Wochenende "Junge, attraktive, intelligente und aufgeschlossene Frauen möchten
was mit Dir erleben" - Mit diesem Text werben 5 junge Frauen jedes Wochenende in ihrer Kontaktanzeige. Doch Jungs, die sich darauf natürlich gerne melden, müssen sterben...
5. Wissen sie, was sie tun Eine ganz normale Abziehstory, doch diesmal mit Folgen. Ein Video über Jugendkriminalität und was manchmal danach passiert
Thema "Selbstmord":
6. Gedicht einer Selbstmörderin "Der Mond hängt wie Fieber über dieser Stadt, ihre Flammen umarmen
mich, mein Puls ist matt..." Ein Liebesgedicht von fehlender Liebe
Thema "Gewalt in der Familie":
7. Ein Leben lang sterben? Als seine Verlobte nach einem Autounfall schwerverletzt im Koma liegt, muß
er überlegen, ob er ihr auf der Intensivstation aktive Sterbehilfe leistet
8. Murdered Eine nackte Frau dreht sich, zeigt erst ihren dicken, dann ihren normalgroßen Bauch. Ist Abtreibung Mord?
Jungenarbeit
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9. Die Rache der Kuscheltiere "Wer Böses tut muß sterben!" Timo metzelt seine Kuscheltiere im Spiel
ab. Doch diese sinnen nachts, als er schläft, nach Vergeltung. "Aber das können wir doch nicht tun, er hat
uns doch alle lieb", bleibt eine Einzelmeinung des Hasen -"Rächen wir unsere geschundenen Freunde!"
10. Ohne meine Mutter In´s Heim? Alleine wohnen? Zurück nach Hause? Wenn Jugendliche nicht mehr
zuhause leben können, weil sie den Eltern oder die Eltern ihnen zu viele Probleme machen
Thema "Sexualisierte Gewalt":
11. Seelenmord "Er ist tot, ich lebe. Lebe ich wirklich? Er hat mich vergewaltigt. Er mordete meine Seele
und ich ermordete ihn. Hatte er eine andere Möglichkeit zu handeln, hatte ich eine andere Möglichkeit
mich zu wehren?" Eine Erinnerung
12. Mit Körper und Seele "Harald hat mir wehgetan", sagt das Mädchen und zeigt ihrer Mutter den Spermafleck auf dem Bettlaken. "Nein, das macht der nicht", sagt die Mutter und schlägt sie beim Auswaschen des blutigen Slips. Doch nun wehrt sich das Mädchen.
13. Eine Mörder-Story "Meine Schwester ist in Gefahr!"- "Wie heißt Ihre Schwester?" - "Sie hat sich mit
einem Gangster eingelassen." Wenn Frauen sich so wehren, daß ihre Verfolger so etwas nie wieder tun
14. Horrortrip in der Schule "Eins, zwei, die Jungs kommen gleich vorbei; drei, vier, ich glaub, gleich
sind sie hier; fünf, sechs, sie schreien, sie wollen Sex; sieben, acht, jeder weiß es geht um Macht; neuen
zehn, ich will nicht zur Schule gehen!" Wenn Mädchen sich in der Schule gegen unerwünschte Anmache
wehren. Ein Mädchenvideo gegen sexualiserte Gewalt
Thema "Rassismus/ Faschismus":
15. Wenn er geblutet hätte Ein ausländischer Jugendlicher wird in der Fußgängerzone überfallen, eine
Kamera beobachtet die Reaktionen der PassantInnen. Doch dann er selbst durch...
Jungenarbeit
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4.2.
Internet Seiten (Material, Projekte Texte, Literatur)
4.2.1. www.initiative-jungenarbeit.nrw.de
Herzlich willkommen auf der Internetplattform der Landesinitiative Jungenarbeit NRW!
Wir laden Sie herzlich ein, sich auf diesen Seiten zu Hintergründen, Zielen und Maßnahmen der Landesinitiative zu informieren. Sie finden zudem Informationen zu den Grundlagen der Jungenarbeit und zu
Möglichkeiten der praktischen Umsetzung in Jugendhilfe und Schule. Neben ausführlich beschriebenen
Modellprojekten bietet die im Aufbau befindliche Datenbank Einblicke in die vielfältige Projektlandschaft
4.2.2. www.jungenarbeit.info
Sie befinden sich auf der Internetseite der Dokumentationsstelle Jungenarbeit für die Metropolregion
Hamburg!
Die Dokumentationsstelle Jungenarbeit hat es sich zur Aufgabe gemacht, über die Aktivitäten rund um
geschlechtsbewußte und geschlechtssensible Jugendarbeit / Jungenpädagogik mit dem Hauptaugenmerk
auf Jungen zu informieren.
4.2.3. www.lagjungenarbeit.de/
Die LAG Jungenarbeit will geschlechtsbezogene Jungenarbeit systematisch fördern und qualifizieren
sowie die erforderliche Lobbyarbeit für deren Anerkennung als notwendiger Bestandteil geschlechtsbezogener Arbeit in Jugendhilfe, in Politik und Administration leisten.
4.2.4. www.socialnet.de/branchenbuch/2433.html
Jungenarbeit hat sich zu einem anerkannten Arbeitsansatz und Qualitätsmerkmal in der Jugendhilfe entwickelt. Man versteht darunter geschlechtsbewusste Ansätze in der pädagogischen und sozialen Arbeit
mit Jungen und jungen Männern. Jungenarbeit ist ein Beitrag zur Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern.
Jungenarbeit
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4.2.5. www.mannigfaltig.de/
ist eine Fachstelle für Jungenarbeit, insbesondere zu Fragen von Jungensozialisation, Gewalt(prävention),
zum Mann-Sein im Geschlechterverhältnis, Genderperspektiven ... ein Herausgeber von Fachliteratur und
Materialien.
Olaf Jantz:
Endlich wirklich wirksam!
Jungen und die Welt der Computerspiele – (k)eine Gewaltfalle?
4.2.6. www.neue-wege-fuer-jungs.de
Bundesweites Netzwerk von Initiativen zur Berufswahl und Lebensplanung von Jungen. Empfehlenswert
für eigene Projekte ist die Gute-Beispiele-Datenbank als Ideensammlung und Recherchemöglichkeit.
4.2.7. www.switchboard-online.de Zeitschrift für Männer und Jungenarbeit
Zeitschrift für Männer und Jungenarbeit - auf der Website findet man ausgewählte Materialien aus den
Printausgaben.
Wir verstehen unseren Informationsdienst als Beitrag zur Frage, was Männer heute bewegt und was sie
selbst bewegen.
Wir wollen v.a. praxisbezogene Impulse aufgreifen und die Entwicklungen der Männer- und Jungenarbeit
dokumentieren.
4.2.8. www.jungenwege.de/downloads/schmidt_sb162.pdf
Good Guys und Bad Boys in einer Mission Impossible!?
Erlebnisorientierte politische Bildung mit Jungen und Männern im City Bound
Über den Versuch, jungen Männern mit Polaroidkamera, Kletterseil und Rock die gesellschaftspolitische
Bedeutung der Geschlechterverhältnisse zu vermitteln. Und was das Ganze mit ihnen selbst zu tun hat.
4.2.9. www.risflecting.at/pages/praxisprojekte/index_praxisprojekte.htm Entwicklungspool für Rausch- und Risikokompetenz
HUBERT FISCHER:
SPIELE DAS SPIEL – EINE HELDENREISE ALS RAUSCH- UND RISIKO-ABENTEUER
JUNGER MÄNNER
Jungenarbeit
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Jede(r) will ein(e) HeldIn sein! Wir wissen, Helden sind mutig, stark, unerschrocken, geistig „normal“ –
das ist das bekannte Bild der Helden. Manche sind zu Helden geboren, manche werden zu Helden gemacht. Es gibt aber auch die stummen und schwachen Helden, nur passt das nicht zum gängigen Heldenbild. „Richtige“ Helden dürfen auch ängstlich, schwach, kreativ, langweilig, hilflos, unordentlich ... sein.
Gerade Jugendliche auf dem Weg zum Erwachsen werden und zu sich selbst, brauchen Unterstützung,
um zu ihrem persönlichen, ganz individuellen Heldenbild zu finden.
Diese inszenierte Heldenreise soll Möglichkeiten aufzeigen, wie viele kreative Wege über die Form des
Spieles sich auftun, um so vielleicht etwas ganz eigenes zu entdecken: dass eigentlich jeder für sich ein
Held ist.
Die Natur ist unser „Rausch- und Risiko“-Partner, wenn es darum geht, uns zurückzuziehen, uns die Zeit
zurükkzuholen, die uns tagtäglich genommen wird, in der von uns verlangt wird, zu funktionieren. Wir
werden eintauchen, Kinderträume wach werden lassen. Wir gönnen uns Langsamkeit. Schon das Verweilen an einer Quelle, Ursprung allen Lebens, gibt uns die Möglichkeit, Raum und Zeit in einer neuen Dimension wahrzunehmen, und vielleicht erleben wir so noch einen anderen Teil in uns. Grenzerfahrungen
nach innen und nach außen ändern unsere innere und äußere Identität. Wir treten in Beziehung mit uns,
schaffen so Heimat, um dann Beziehung zum „Anderen“ genießen zu können.
Der öffentliche Platz als „Rausch- und Risiko“-Partner, wenn es darum geht, das Spiel als Mittel zum
Zweck einzusetzen.
Das inszenierte Spiel, das wir als Kind schon erfolgreich eingesetzt haben, um miteinander in Kontakt
zu treten, gilt es wieder neu zu entdecken. Es ist eine ewige Herausforderung, uns über das Spiel zu formen, zu fordern, andere damit so zu involvieren, dass es ein gemeinsames werden kann. Wir erfahren,
lernen und geben weiter. Mit dem Spiel wollen wir in Kommunikation treten, mit anderen Menschen, die
eigene und die andere Fremde überwinden, in Beziehung treten, das Risiko nicht scheuen, den Mut haben
auch zu versagen, aber nichts unversucht zu lassen. Wir treten auf und hinein, wir sind wir, wir lassen uns
ein, wir treten in Kontakt, wir überwinden die Angst, Kommunikation wird möglich durch Provokation.
INGRID HÖCHTLER, CHRISTA PREINING:
QUADRATMETER ZU VERSCHENKEN – EIN PROJEKT IM ÖFFENTLICHEN RAUM
Ausgangslage:
Im Wiener Kaufpark Alt Erlaa ist es seit langen Jahren ungeschriebenes Gesetz, dass dieser Jugendlichen
als Treffpunkt nicht zur Verfügung steht. Der gesamte Wohnpark mit 10.000 Einwohnern hat mittels Unterschriftensammlung vor einigen Jahren auch die Errichtung eines Polytechnischen Lehrgangs in unmittelbarer Nähe der Geschäftslokale verhindert. Die Jugendarbeit in dieser städtischen Region versuchte
mittels verschiedener Aktionen, Jugendlichen im öffentlichen Raum Möglichkeiten zur Gestaltung zu
geben – was aber immer damit verbunden war, dass diese kreativ tätig sein mussten. Im vorliegenden
Projekt ging es darum, Jugendlichen ein Erlebnis der Akzeptanz ohne Leistungsdruck zu ermöglichen.
Das Projekt:
Zu diesem Zweck verschenkten die Projektleiterinnen einzelne Quadratmeter im Kaufpark an Jugendliche
– für 3 Stunden an einem Nachmittag. Dort sollten sie tun können, was sie wollten: sich wohlfühlen, Spaß
haben, den Platz als Bühne einnehmen.
" Break the shake & mix your drink"
Jungenarbeit
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Projektbeschreibung:
"Break the shake & mix your drink" - der Barmixworkshop bei einem
Mega-Rave im Rathaus Wien. Die vielfältige und farbenprächtige Welt der Drinks löst Faszination aus,
die entführt in eine heitere Welt der Lebensfreude.
Die Bar ist ein besonderer Ort der Begegnung und Kommunikation. Das Projekt "Break the shake,..." hat
sich dies zu Nutzen gemacht und einen neuen pädagogischen Ansatz entwickelt. Einen Break zum Alltag
und zur Ausgehkultur erlebten die großteils jugendlichen Veranstaltungsbesucher an der Bar zum Selbermixen. An dieser Cocktailbar im Chill Out Bereich konnten nicht Drinks im gewohnten Stil bestellt
werden, die Gäste wurden vielmehr eingeladen, unter Begleitung von TrainerInnen einen alkoholischen
oder alkoholfreien Cocktail selbst zu mixen. Unter fachkundiger Begleitung nicht nur erfahren, wie mein
Drink entsteht, was er enthält (bei alkoholischen auch die Dosis, die ich als Gast zu mir nehme), und
Tipps und Ideen für zuhause mitbekommen:
"Break the shake & mix your drink" ist ein Versuch, Trinkkultur durch die Begegnung mit dem Jugendlichen und durch aktive Beteiligung zu vermitteln.
4.3.
Wissenschaftliche Grundlagen und Texte
4.3.1. „Wissenschaftliche Grundlagen der Buben- und Burschenarbeit“
https://broschuerenservice.bmsg.gv.at/PubAttachments/Burschenarbeit.pdf
Im Auftrag des
Bundesministeriums für soziale Sicherheit,
Generationen und Konsumentenschutz Österreich
Sektion V, Männerpolitische Grundsatzabteilung
VORWORT
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit der vorliegenden Studie können sich Eltern, Elternbildner/innen und Erzieher/
innen im schulischen und außerschulischen Bereich, Jugendarbeiter/innen, Familienund Männerberatungsstellen sowie Jugendgruppen und die Jugendlichen
selbst ein Bild über die heutige Situation und Befindlichkeit Jugendlicher und junger
Männer machen.
Gerade die männliche Jugend ist heute durch die neuen Anforderungen und Rollenbilder
oft verunsichert, nicht zuletzt auch durch die unzureichende geschlechtsspezifische
Erziehung und fehlende männliche Leitbilder.
Deshalb freut es mich, Ihnen mit dieser umfassenden und aktuellen Grundlagenstudie
wichtige Erkenntnisse - auch im Sinne des Gender Mainstreaming - überreichen
zu können.
Jungenarbeit
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4.3.2. Arme Jungs oder kleine Machos? Die Lebenswelten von Jungen als religionspädagogische Herausforderung, Dr. Annebelle Pithan, Comenius-Institut
Münster
Dr. Annebelle Pithan
Comenius-Institut Münster
[email protected]
Vortrag an der Universität Tübingen, 27.6.2007
Kaum eine Woche vergeht, in der nicht etwas über Jungen, über Männlichkeit
oder die Geschlechter in den Zeitungen steht oder in Radio und Fernsehen
verhandelt wird. Kein Zweifel – die Medien haben sich des Themas Jungen und
Geschlecht angenommen. Da ist etwa die Rede von den kleinen Machos, von
unkontrolliert gewaltbereiten Jungen oder sogar von wandelnden Zeitbomben.
Gleichzeitig liest man von den „vergessenen Jungen“ oder von den „Jungen
als Bildungsverlierer“ oder es werden die benachteiligten Jungen beklagt.
Diese Artikel und Sendungen gehen häufig einher mit Aussagen über Mädchen
und Frauen: Für Mädchen werde alles getan – für Jungen nichts. Mädchen seien
die Gewinnerinnen. Die Mütter oder die Übermacht der Erzieherinnen und
Grundschullehrerinnen seien für die Misere der Jungen verantwortlich. Die Erziehungswissenschaftlerin
Ursula Müller formulierte, viele Artikel läsen sich wie
eine „Klagemauer des modernen Mannes (…) der durch die Frauenemanzipation
in seiner ‚Identität’ gefährdet und aus der Bahn geworfen wird“.2 Zuweilen
ist auch von den fehlenden Vätern, den neuen Männern oder vom Ende der
Geschlechter die Rede.
Es wird viel gesprochen, es wird viel geschrieben, die Sachkenntnis jedoch lässt
häufig zu wünschen übrig. Meinungen und persönliche Befindlichkeiten
bestimmen weithin die Debatte.
In der Tat stehen wir in der Jungenforschung noch ziemlich am Anfang. So
musste die Erziehungswissenschaftlerin Astrid Kaiser noch 2003 feststellen:
„Wir können noch nicht auf empirisch fundierte Beobachtungen zurück blicken“
3. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Lebenswelten von
1 Der Vortrag wurde mit Bildern und Folien begleitet, die hier nicht aufgenommen werden
konnten.
2 Müller, Ursula: Männerforschung in Bewegung. Zum Geleit, in: Connell, Robert W.: Der
gemachte Mann. Konstruktion und Krise von Männlichkeiten, (Geschlecht und Gesellschaft
Bd. 8), Wiesbaden 32006, 9-11, hier: 10.
3 Kaiser, Astrid: Vorwort. In: Kaiser, Astrid (Hg.): Koedukation und Jungen, Weinheim/Basel
22005, 9-12, hier: 10.
Jungenarbeit
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Dr. Annebelle Pithan Arme Jungs oder kleine Machos?
2
Jungen und Männern, zumal in der Religionspädagogik, ist noch gering. Viele
der bisherigen Erkenntnisse gehen auf die Studien zu Mädchen- und Frauenforschung
zurück, da diese häufig die Jungen und Männer als Folie betrachtet
haben, vor der sie die Benachteiligung und Andersartigkeit der Mädchen und
Frauen beschrieben.
Eine besondere Jungenforschung gibt es erst seit den 1990er Jahren. Sie entstand
im Gefolge der feministischen und allgemeinen Frauenforschung und
der daraus resultierenden Männerforschung. Die Beiträge zur Chancengleichheit
von Mädchen und die feministische Theologie und Pädagogik haben erst
darauf aufmerksam gemacht, dass dem Thema Geschlecht eine Bedeutung in
pädagogischen Prozessen zukommt. Nachdem sich der Fokus zunächst weitgehend
auf Mädchen und Frauen gerichtet hat, kommen nun die Jungen in
den Blick.
Meine Ausführungen gliedern sich in drei Teile:
1. Im ersten Teil frage ich nach den Lebenswelten von Jungen.
2. Im zweiten Teil stelle ich Konzepte von Männlichkeit vor.
3. Im dritten Teil ziehe ich Konsequenzen für die Religionspädagogik.
Ich hoffe, dass wir im Anschluss an meinen Vortrag zu Austausch und Diskussion
kommen.
Mein erster Teil:
1. Lebenswelten von Jungen
Ich möchte mit einer kurzen Imaginationsübung beginnen:
Stellen Sie sich vor Ihrem inneren Auge Jungen vor. Jungen, die sie kennen. Jungen,
die Ihnen begegnen. Beim Spielen, auf der Straße. In der Familie, im Kindergarten,
in der Grundschule, in der weiterführenden Schule oder im Kindergottesdienst.
Stellen Sie sich einen Jungen vor, den sie besonders mögen, der Ihnen sympathisch
ist, an dem Sie interessiert sind. Was tut er? Wie verhält er sich?
Stellen Sie sich einen Jungen vor, der Ihnen fremd ist, von dem sie wenig wissen.
Stellen Sie sich einen Jungen vor, der sie nervt, der Ihnen unsympathisch ist, der Sie
aggressiv macht oder Ihnen vielleicht sogar unheimlich ist.
Ich nehme an, es ist Ihnen gelungen, Jungen vor Ihrem inneren Auge entstehen
zu lassen. Um diese und viele andere Jungen geht es.
Wenn wir die Bilder jetzt hier zeigen und kommentieren könnten, würde deutlich:
Jungen sind höchst unterschiedlich. Sie alle sind Individuen.
Jungenarbeit
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Dr. Annebelle Pithan Arme Jungs oder kleine Machos?
3
Dennoch lassen sich allgemein gesprochen bestimmte Schwerpunkte und
Tendenzen erkennen, wenn man die Gesamtgruppe der Jungen in der Geschlechterperspektive
betrachtet.
Ich möchte nun meinerseits mit einem Beispiel beginnen. Ich zeige Ihnen ein
Bild von einem Kindergartenkind, das sich an Karneval oder Fasching als Prinzessin
verkleiden wollte. Das Kostüm hatte das Kind auch schon geplant. Ein
rosa Kleid, eine Krone und schwarze Lackschuhe. Und wirklich kam eine sehr
schöne Prinzessin heraus. Sie ahnen es bereits: Das Kind ist ein Junge, von vielleicht
5 Jahren, der es sich in den Kopf gesetzt hatte, Prinzessin zu werden. Der
Junge, Felix, ging stolz und freudig in den Kindergarten, mit sich und dem Kostüm
zufrieden. Als er mittags nach Hause kam, war er untröstlich. Was war geschehen?
Die anderen Kinder, insbesondere die Jungen, fanden sein Kostüm
überhaupt nicht passend. Sie fanden, dass es ein Mädchenkostüm sei und fragten
ihn, wie er als Junge sich mit einem Mädchenkostüm verkleiden könne.
Felix` Hochstimmung war verflogen, das Prinzessinnenkostüm verschwand. Im
nächsten Jahr verkleidete sich Felix als Leopard.
An diesem Beispiel von Felix, und Sie kennen vielleicht andere, wird deutlich,
dass es nach wie vor eine geschlechtsspezifische Sozialisation gibt. Wir leben –
um es mit dem klassischen Terminus von Carol Hagemann-White zu sagen – in
einem System der Zweigeschlechtlichkeit und Kinder lernen, sich darin zurechtzufinden.
Sie lernen, was es heißt ein Junge oder ein Mädchen zu sein.
Zwar ist in den letzten Jahren vieles im Wandel begriffen, die Zuordnungen zu
den Geschlechtern sind aufgeweicht worden, insbesondere für Mädchen. Doch
zeigt schon ein Blick in Kinderzimmer oder Spielwarenkataloge, dass es weiterhin,
und seit einigen Jahren wieder deutlicher, Jungenzimmer und Jungenspielsachen
gibt. Und die sind nicht rosa!
Ich möchte im Folgenden drei Aspekte für die Lebenswelten von Jungen etwas
genauer benennen, die mir für die öffentliche Diskussion und auch für die religionspädagogische
Arbeit besonders wichtig erscheinen.
Dabei ist zu bedenken, dass – ähnlich wie zu Beginn der Frauenbewegung und
Frauenforschung – vielfach vor allem die Probleme von und mit Jungen und
Männern in den Blick kommen, da die Probleme häufig zunächst die Beschäftigung
mit dem Thema motivieren und begründen. Dieser „Defizitansatz“ darf
aber nicht den Blick darauf verstellen, dass viele Jungen aufgeschlossene, soziale
Persönlichkeiten sind, die gut durchs Leben kommen. Dennoch stehen auch
sie vor bestimmten Herausforderungen der geschlechtsspezifischen Sozialisation
sowie der gesellschaftlichen Männerrealitäten und Männlichkeitskonstruktionen.
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Dr. Annebelle Pithan Arme Jungs oder kleine Machos?
4
Welche besonderen Voraussetzungen haben Jungen, vor welchen Entwicklungsaufgaben
stehen sie? Welche Probleme haben und verursachen sie? Ich
nenne drei Themenkomplexe: (1) Bewegungsverhalten, Körperempfinden und
Gesundheit; (2) Sozialverhalten, Aggression und Gewalt; (3) Bildungsverhalten.
Bewegungsverhalten, Körperempfinden und Gesundheit
Nach wie vor werden Jungen in ihren motorischen Fähigkeiten besonders gefördert.
Beobachtungen in Kindertagesstätten – ich beziehe mich hier insbesondere
auf die Forschungsergebnisse von Tim Rohrmann – haben gezeigt,
dass Jungen sich mehr bewegen als Mädchen, mehr draußen spielen und
raumgreifende Aktivitäten entfalten. Sie toben mehr, streifen unabgemeldet
durch Haus und Gelände. Sie kontrollieren größere Räume und entfernen sich
weiter von den Erwachsenen.4
Im Freispiel in der Kindertagesstätte ließ sich beobachten, dass Jungen häufiger
als Mädchen in größeren Gruppen spielen, insbesondere raumgreifende
Mannschaftsspiele, z.B. Fußball. Zudem sind Jungengruppen altersheterogener
und eher hierarchisch organisiert als Mädchengruppen.5 Der Status und die
Dominanz in der Gruppe müssen von den einzelnen Jungen erkämpft werden.6
Jungen weisen bei ihren Aktivitäten insgesamt ein höheres Risikoverhalten auf,
das mit zunehmendem Alter steigt. Besonders erwähnenswert ist in diesem
Zusammenhang die Tendenz zu gefährlichen, potentiell selbstverletzenden
oder extremen Sportarten, etwa Skaten, Klettern, S-Bahn-Surfen und Bungeespringen.
Insbesondere ältere Jungen neigen dazu, dem Körper das äußerste
abzuverlangen, ihn zu unterwerfen, seine Signale zu überhören.
Die Beobachtungen von Astrid Kaiser in niedersächsischen Grundschulen zeigen
zugleich, dass viele Jungen ein wenig entwickeltes Körpergefühl haben.7
Sie bewegen sich ungeschickt und in gering entwickelter Feinmotorik, sie
nehmen Intensitäten von körperlichen Berührungen eher undifferenziert wahr
und können kaum einschätzen, wie stark und möglicherweise schmerzhaft bestimmte
Bewegungen für andere sein können. Sie sind häufig nicht geübt, die
Signale des Körpers wahrzunehmen und zu nutzen. Das führt neben zahlreichen
großen und kleinen Verletzungen auch zu weiteren gesundheitlichen
Auffälligkeiten, die oft mit emotionalen Prozessen in Verbindung stehen.
Rohrmann, Tim: Jungen in Kindertagesstätten. In: Kaiser, Astrid (Hg.): Koedukation und
Jungen, Weinheim/Basel 22005, 24-33, hier: 27.
5 Vgl. z.B. Valtin, Renate: Koedukation macht Mädchen brav!? Der heimliche Lehrplan der
geschlechtsspezifischen Sozialisation. In: Pfister, Gertrud/ Valtin, Renate (Hg.): MädchenStärken. Probleme der Koedukation in der Grundschule. Frankfurt am Main 1993, 8-37.
6 „Insbesondere die älteren Jungen“ – so Rohrmann – „sondern sich gern von der Gesamtgruppe
ab und entziehen sich der Aufsicht.“ Rohrmann, Tim: Jungen in Kindertagesstätten.
In: Kaiser, Astrid (Hg.): Koedukation und Jungen, Weinheim/Basel 22005, 24-33, hier: 27.
7 Kaiser, Astrid/Nacken, Karola/Pech, Detlef: Mädchenstunden und Jungenstunden. Geschlechterbewusste
Pädagogik in der Praxiserprobung. In: Die Deutsche Schule 93 (2001),
H.4, 429-445, hier: 433.
4
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5
Eine Studie zum Gesundheitszustand von Jungen und Mädchen zwischen 11
und 15 Jahren, die Hurrelmann u.a. (2003) durchführten, zeigt, dass es geschlechtsspezifische
körperliche, psychische und soziale Ausprägungen gibt.8
Jungen rauchen heute – anders als früher – weniger als Mädchen, zeigen aber
ein geringeres Einstiegsalter. Jungen trinken jedoch regelmäßiger und früher
Alkohol (9). Jungen verbringen viel Zeit vor Fernseher und Computer (10). Dies
führt neben den Auswirkungen auf das Sozialveralten, auf die ich noch zu sprechen
komme, zu körperlichen Fehlhaltungen, zu Rückenbeschwerden sowie zu
Spannungskopfschmerz.
Jungen sind insgesamt bis zur Pubertät mehr krank als Mädchen und zeigen
eine höhere Suizidrate.9 Depressive Störungen sind im Schulalter häufiger bei
Jungen zu finden, Im späten Jugend- und frühen Erwachsenenalter doppelt so
häufig bei Mädchen. Dabei zeigen Jungen – so die Untersuchung von Hurrelmann
– vor allem sogenannte „externalisierende Störungen“ wie hyperkinetische
und dissoziale Störungen, also Störungen des Bewegungs- und Beziehungsverhaltens
(7). Hier sind ADS und ADHS, das heißt Aufmerksamkeitsdefizitstörung
und Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivität-Störung zu nennen.
Diese Jungen sind unruhig, können sich nicht konzentrieren und machen den
Eltern, den Erzieherinnen, und den Grundschullehrerinnen zu schaffen. Viele
Jungen werden aufgrund von ADHS in Beratungsstellen vorgestellt.
Auch zu dem sich wandelnden gesellschaftlichen Blick auf den männlichen
Körper müssen Jungen sich verhalten: Traditionell sind die Anforderungen an
den weiblichen Körper hinsichtlich gesellschaftlicher Schönheitsideale wesentlich
höher als bei Jungen. Doch zeigt sich in den letzten Jahren, dass auch Jungen
zunehmend mit Schönheitsidealen konfrontiert werden. Diese gehen besonders
von den Medien, insbesondere der Werbung aus, in Gestalt von gut
aussehenden, durchtrainierten Männerkörpern.
Mehr Jungen als Mädchen sind übergewichtig (11). Die Hurrelmann-Studie
zeigt, dass Übergewichtige vielfach mit sozialer Zurückweisung bis hin zur
Ausgrenzung (Mobbing) konfrontiert sind (12). Von Mädchen wissen wir, dass
psychosomatische Beschwerden und Selbstwertgefühl in den meisten Fällen
mit ihrem Körperideal korrespondieren. Die Tendenz bei Jungen, sich in ihrem
Körper unwohl zu fühlen und entsprechende Störungen, wie Essstörungen,
auszubilden, ist steigend.
Hurrelmann, Klaus u.a., WHO-Jugendgesundheitssurvey – Konzept und ausgewählte Ergebnisse
für die Bundesrepublik Deutschland 2003,
http://www.hbsc.org/countries/downloads_countries/Germany/Artikel%20Erziehungswise
nscha.pdf. Die in Klammern genannten Seitenzahlen beziehen sich auf diesen Text.
9 Mädchen unternehmen allerdings mehr Suizidversuche (Schnack, Dieter/ Neutzling, Rainer:
Kleine Helden in Not. Jungen auf der Suche nach Männlichkeit, Reinbek 1990, 101ff.).
8
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Sozialverhalten, Konfliktverhalten, Aggression und Gewalt
Pisa- und IGLU-Studien haben gezeigt, dass die Sprach- und Lesekompetenz
von Jungen weniger als bei Mädchen entwickelt ist. Das korrespondiert mit
Aussagen der Jungenpädagogik, dass Jungen häufig wenig geübt sind, ihre
Anliegen, insbesondere emotionale, verbal auszudrücken. Das hängt vermutlich
auch mit der Orientierung auf Gruppen vor Einzelpersonen zusammen. Im
Zusammenhang damit steht sicherlich auch die Tatsache, dass Jungen im
sprachlichen Ausdruck schwächer als Mädchen sind und weniger gewohnt, sich
verbal auszudrücken und auseinanderzusetzen. Schnack/Neutzling stellen fest,
dass es Jungenfreundschaften meist an Nähe, Intimität und Vertrautheit fehlt.10
Verstärkend kommt hinzu, dass Jungen große Teile ihrer Freizeit alleine am
Gameboy oder Computer verbringen.
In einer bereits vor zehn Jahren durchgeführten Untersuchung wurden Kinder
der 2., 4. und 6. Klasse zu ihrem Computerverhalten befragt. Nahezu 40%
[38,7%] der Jungen spielten täglich Computerspiele, bei den Mädchen waren
es weniger als 15% [12,4%]. Die Zahlen dürften heute sehr viel höher liegen. Ein
Fünftel der Jungen gab an, oft mit dem Spielen nicht aufhören zu können.11
Tim Rohrmann und andere haben in ihrem Projekt „Manns-Bilder“ Erzieherinnen
in Kindertagesstätten hinsichtlich des „Jungenverhaltens“ befragt. Die Erzieherinnen
beschrieben ein differenziertes Bild und vertraten teilweise sogar
die Auffassung ein „typisches Jungenverhalten“ gebe es gar nicht, dennoch –
so Rohrmann – „fiel auf, dass Bewegung und Aktivität sowie körperliche Auseinandersetzungen
als typische Verhaltensweisen von Jungen genannt wurden“
12 Auch andere Befragungen stellen fest, dass Erzieherinnen und Erzieher
über das „problematische und aggressive Verhalten von Jungen“13 berichten.
Jungen seien häufiger als Mädchen Thema von Fallbesprechungen und Fortbildungen.
14
Jungen werden dennoch insgesamt häufiger als verhaltensauffällig beschrieben.
In Konflikten verhalten sich Jungen eher aktiv und aggressiv als abhängig
und unsicher.15 In 100 Hamburger Grundschulen zeigte sich, dass 82% der beobachteten
Verhaltensauffälligkeiten bei Jungen und 18% bei Mädchen lagen.
Beide Geschlechter sind in gleichen Anteilen an Konflikten beteiligt, Jungen
verhalten sich aber aggressiver, Mädchen lösen Konflikte indirekter.
Schnack/Neutzling 1990, 228.
Fromme, Johannes/ Meder, Norbert/, Vollmer, Nikolaus: Computerspiele in der Kinderkultur,
Opladen 2000.
12 Rohrmann, Tim: Jungen in Kindertagesstätten. In: Kaiser, Astrid (Hg.): Koedukation und
Jungen, Weinheim/Basel 22005, 24-33, hier: 24.
13 Ebd.
14 Dieser Befund deutet zum einen auf die Perspektive der Erwachsenen hin, die als auffällig
das bezeichnen, was besonders stört oder im Alltag schwieriger zu bewältigen ist als es
beispielsweise in sich zurückgezogene Jungen sind. Es zeigt aber auch eine Tendenz der
Jungensozialisation, die immer noch anders verläuft als die von Mädchen.
15 Rohrmann, Tim: Jungen in Kindertagesstätten. In: Kaiser, Astrid (Hg.): Koedukation und
Jungen, Weinheim/Basel 22005, 24-33, hier: 27.
10
11
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7
Diese Tendenz setzt sich im Jugendalter fort. Jungen zeigen höhere Gewaltbereitschaft
und mehr körperliche Aggressionen. Bei sozial gefährdetem Status
nimmt direkte körperliche Aggression zu, auch bei Mädchen. Allerdings ist die
Gewaltrate von Jungen und Männern über drei Mal höher als diejenige von
Mädchen und Frauen.16
Dennoch wird in Medien, in Schulen und sogar in der Fachliteratur von Jugendgewalt
gesprochen, auch wenn Jungengewalt gemeint ist und damit das Phänomen
nicht adäquat angegangen. Ausgeblendet wird allerdings häufig auch,
dass Jungen nicht nur durch ihr Angriffsverhalten auffallen, sondern auch häufiger
Opfer von Aggression und Gewalt sind.17
In der wachsenden Beachtung der gewaltbereiten Schüler sollte gleichfalls
nicht übersehen werden, dass nicht wenige Jungen und Mädchen ihr Aggressionspotential
nach innen richten oder einen konstruktiven Umgang damit gefunden
haben.
Bildungsverhalten
Wie bereits erwähnt, werden Jungen als Bildungsverlierer gesehen. Hierbei
werden vor allem vier Aspekte genannt: die Wiederholungsquote, die Schulabschlüsse,
die Schulnoten und die Arbeitsformen.
Es lohnt sich hier, einen Blick in die Statistiken zu werfen. In der Tat haben mehr
Jungen als Mädchen eine Klasse wiederholt.18 Allerdings sind die Unterschiede
nicht so groß wie die Debatte vermuten lässt: Sie liegen allgemein bei maximal
1-2%.19
Deutlicher ist das Bild bei den Schulabschlüssen. Der deutsche Bildungsbericht
von 2006 stellt fest: „Weibliche Absolventen erreichen öfter höherwertige Abschlüsse
als männliche SchulabgängerInnen. 34% Hauptschulabgänger stehen
Vgl. z.B. die Statistik (für die alten Bundesländer) im Vergleich der Jahrgänge 1984 und
1997 (Pfeiffer, Christian/ Wetzels, Peter: Zur Struktur und Entwicklung der Jugendgewalt in
Deutschland. Ein Thesenpapier auf Basis aktueller Forschungsbefunde, in: Aus Politik und
Zeitgeschichte o. Jg. (1999), B26, 3-22, hier 15.
17 Vgl. Rohrmann, Tim: Jungen in Kindertagesstätten. In: Kaiser, Astrid (Hg.): Koedukation und
Jungen, Weinheim/Basel 22005, 24-33, hier: 27.
18 „Jungen und Mädchen sind unterschiedlich stark von Klassenwiederholungen betroffen.
Die Wahrscheinlichkeit, einmal oder mehrfach die Klasse zu wiederholen, ist bei Jungen in
allen Jahrgangsstufen durchweg höher. Besonders auffällig sind die Unterschiede in den
Wiederholeranteilen zwischen den Geschlechtern in den Jahrgangsstufen 7, 9 und 11 (Tab.
D2-2A). Überdurchschnittliche Wiederholungsquoten finden sich insbesondere bei Kindern
mit Migrationshintergrund (vgl. H3).“Bildung in Deutschland. Ein indikatorengestützter
Bericht mit einer Analyse zu Bildung und Migration"
Herausgeber: Konsortium Bildungsberichterstattung im Auftrag der Ständigen Konferenz
der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland und des Bundesministeriums
für Bildung und Forschung, Bielefeld 2006, 55. Im Folgenden zitiert als: Bildungsbericht
2006 (ausführlich). Vgl. auch Krohne, Julia Ann/ Meier, Ulrich/ Tillmann, Klaus-Jürgen
(2004): Sitzenbleiben, Geschlecht und Migration. In: Zeitschrift für Pädagogik, 50 (3), 373 ff.
19 Für das Schuljahr 2004/05 wiederholten im Sekundarbereich I 4,2% der Schüler und 3% der
Schülerinnen die Klasse, im Sekundarbereich II lag die Wiederholerquote bei den Jungen
bei 3,7%, während 2,3% der Mädchen wiederholten. Diese Zahlen sind der Tabelle D2-3A
des Bildungsberichts von 2006 entnommen.
16
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24% mit allgemeiner Hochschulreife gegenüber (bei Mädchen umgekehrt 26%
zu 32%). Etwa 12% verlassen die Schule ohne Abschluss (ca. 6% der Mädchen).20
Diese geschlechtsspezifischen Unterschiede bleiben auch bei einer Differenzierung
nach deutschen und ausländischen Abgängern in ihren Relationen insgesamt
bestehen.21 „Insgesamt verlassen doppelt so viele ausländische Schülerinnen
und Schüler die Schule ohne Abschluss wie deutsche. Bei den ausländischen
Jungen ist dieser Anteil mit 20% eines Altersjahrgangs besonders groß.“22
Jungen sind auch überproportional an den Förderschulen, insbesondere lernund
verhaltensbezogenen Förderschulen, zu finden. Dies hängt zum einen mit
den bereits beschriebenen Verhaltensstrategien von Jungen zusammen, die
sich häufig in Störungen, Aggression und Gewalt zeigen. Auch ein Bericht zur
Bildungsgerechtigkeit23 macht unter anderem die geschlechtsspezifische Sozialisation
für die Schulerfolge von Mädchen verantwortlich. So heißt es unter
Rückgriff auf Solga 2005 „Während sich Mädchen besser an schulische Verhaltensnormen
anpassen können, da sie eher zu Fleiß, Pflichtbewusstsein und Unterordnung
erzogen werden, weisen hier Jungen größere Anpassungsprobleme
auf“.24 Und mit Bezug auf Struck 2004: „Leistungserwartungen und Anpassungsdruck
führen bei Jungen häufiger als bei Mädchen zu aggressiven Verhaltensweisen
und Verweigerungen, die sich auf die schulischen Leistungen negativ
auswirken. Gerade was die Ausbildung von Jungen angeht, besteht zunehmend
Handlungsbedarf, damit nicht der Anteil männlicher Klassenwiederholer
und männlicher Absolventen ohne Schulabschluss immer größer wird, was ein
nicht zu unterschätzendes Gefahrenpotenzial für unsere Gesellschaft darstellt.“
25
Zusammenhänge bestehen auch mit den mangelnden Zukunfts- und Berufsperspektiven,
auf die Jungen auffälliger reagieren als Mädchen. Ich komme
darauf zurück.
Die große Zahl von Jungen in Haupt- und Förderschulen korrespondiert aber
auch – das haben insbesondere die Pisa-Studien gezeigt – mit dem sozialen
Status und den Herkunftskulturen. Bildungsverlierer gehören überproportional
unteren gesellschaftlichen Schichten an und haben einen Migrationshintergrund.
Anders ausgedrückt: Das katholische Mädchen vom Land wurde vom
türkischen Jungen aus der Großstadt abgelöst.
Bildungsbericht 2006 (ausführlich), 72f.
Ebd.
22 Bildungsbericht 2006 (Kurzzusammenfassung), 15.
23 Vbw/Aktionsrat Bildung (Hg.): Bildungsgerechtigkeit. Jahresgutachten 2007
(http://www.vbwbayern.
de/agv/data/media/_stories/7790/Bildungsgerechtigkeit%20Jahresgutachten%202007
%20-%20Aktionsrat%20Bildung.pdf?PHPSESSID=5806874c89526381dc07fea698cc0f43)
24 Vgl. Solga, Heike: Jugendliche ohne Schulabschluss und ihre Wege in den Arbeitsmarkt. In:
Cortina, Kai S. u.a. (Hg.): Das Bildungswesen der Bundesrepublik Deutschland, Reinbek
22005., 721f.
25 Vgl. Struck, Peter: Die 15 Gebote des Lernens, Darmstadt 2004.
20
21
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9
Weitere Faktoren machen Jungen jedoch partiell zu Bildungsgewinnern: Jungen
haben höhere Chancen einer Beteiligung am dualen System in der Berufsausbildung.
„An den traditionellen Verteilungen der Geschlechter auf die
drei Ausbildungssektoren verändert sich im Betrachtungszeitraum nichts. Die
männlichen Jugendlichen behalten mit in etwa gleichen Anteilen ihre Dominanz
im dualen und im Übergangssystem, die jungen Frauen ebenso im Schulberufssystem“
26 Zudem haben sie bessere Verdienst-27 und Aufstiegsmöglichkeiten.
In Leitungspositionen sind Männer stark überrepräsentiert („gläserne
Decke“).28
Ich komme zu meinem zweiten Teil:
2. Konzepte von Männlichkeit
Jungenpädagogik ist nicht zu verstehen und zu betreiben, ohne sich mit Vorstellungen
von Männlichkeit in der Gesellschaft auseinander zu setzen. Pädagogische
Handlungen, auch religionspädagogische und kirchliche Projekte,
sind immer davon bestimmt, welche Vorstellungen von Jungen wir Erwachsenen
(und auch die Kinder und Jugendlichen) haben. Wie nehmen wir Jungen
wahr? Wie meinen wir, sollten Jungen sein? Welches Verhalten unterstützen
wir, welches nicht? Soll ein Junge stark sein oder gerade nicht? Darf er toben
oder darf er lesen? Ist es „natürlich“, dass Jungen aggressiv sind, sexualisierte
Witze machen oder nicht? Diese Fragen stellen sich im Alltag ständig und wir
reagieren auf sie. Meist tun wir es intuitiv und damit auf der Basis der Männlichkeitsvorstellungen,
die wir gelernt haben bzw. die in unserer Gesellschaft,
der Schule, der Universität oder der Kirche oder in Peer-groups und Milieus
vorherrschen. Hilfreich, um zu einer reflektierteren Praxis und einem begründeten
theoretischen Standpunkt zu kommen, ist es, sich mit unterschiedlichen
Konzepten von Männlichkeit zu befassen.
Ich möchte im Folgenden Ansätze vorstellen, die mir besonders hilfreich für das
Verständnis von Jungen - und damit für pädagogische wie religionspädagogische
Perspektiven - erscheinen:
2.1 Kleine Helden in Not
Bahnbrechend waren und sind im Blick auf die kritische Aufarbeitung der
männlichen Sozialisation die Arbeiten von Dieter Schnack und Rainer Neutzling.
Ihr 1990 erschienenes Buch „Kleine Helden in Not“ ist in der JungenforBildungsbericht 2006 (ausführlich), 83.
„Im Vergleich der Geschlechter haben die Männer sowohl bei den Beschäftigten mit als
auch bei denen ohne Ausbildung zwischen 12% und 15% (bezogen auf die absoluten Zahlen)
höhere Durchschnittseinkommen“, Bildungsbericht 2006 (ausführlich), 97f.
28 Vgl. z.B. Lemmermöhle, Doris: Geschlechter(un)gleichheiten und Schule, in: Oechsle,
Mechthild/ Geissler, Birgit (Hg.): Die ungleiche Gleichheit. Junge Frauen und der Wandel im
Geschlechterverhältnis, Opladen 1998, 67-86, hier: 75. Heiliger, Anita: Mädchenarbeit im
Gendermainstream. Ein Beitrag zu aktuellen Diskussionen, München 2002, 16. Pressemitteilungen
des Statistischen Bundesamtes, z.B. vom 15.7.2004.
26
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schung und Jungenarbeit breit rezipiert worden.29 Die Autoren nehmen darin
eine einfühlsame Perspektive für Jungen ein, ohne jedoch die Diskriminierung
von Mädchen und Frauen fortzuschreiben.
Schnack/Neutzling zeigen auf, dass Jungen in der traditionellen geschlechtsspezifischen
Sozialisation zum „starken Mann“ erzogen werden. Sie sollen keine
Gefühle zeigen, nicht schwach sein, sich keine Blöße geben, nicht versagen.
Auch dann, wenn sie Angst haben. Angst und Unsicherheit müssen versteckt
oder verdrängt werden, damit sie nicht sichtbar wird. Denn – so Schnack/
Neutzling – „Die größte Angst des Jungen (und Mannes) ist die Angst vor der
Angst.“30
Um diesem Männlichkeitsideal zu entsprechen, markieren Jungen den „coolen
Macker“, der vor nichts Angst hat und auf keine Hilfe angewiesen ist. Sie betonen
ihre Leistung und Rationalität. Beziehungsfragen und Emotionalität werden
hingegen als „weiblich“ oder „schwul“ disqualifiziert.
Ich nenne ein Beispiel, das Schnack/Neutzling berichten31: Zweitklässler auf
Klassenfahrt; den ganzen Abend machen die Jungen Radau, ärgern die Mädchen,
toben und produzieren sich als Helden. Spät abends im Bett fürchten sie
sich vor Monstern und wollen nicht allein bleiben – bis schließlich ein Erwachsener
in ihrem Zimmer übernachtet. Am nächsten Tag wird dieser Widerspruch
nicht weiter aufgegriffen.
Schnack/Neutzling32 sehen in dieser Verdrängung eine der Hauptursachen für
die bereits erwähnten gesundheitlichen und psychischen Befunde und die
schlechteren Schulleistungen von Jungen. Das bestätigen auch andere Fachleute.
Eine Mitarbeiterin einer Beratungsstelle, mit der ich vor kurzem sprach,
berichtete, dass Jungen, die mit ADS in die Beratungsstellen kommen, häufig
viele Ängste haben, die bis zu dem Zeitpunkt keine Beachtung fanden.
Um mit ihren Angst- und Versagensgefühlen fertig zu werden, benötigen Jungen
Kompensationsstrategien, die Schnack/Neutzling u.a. vor allem in den Versuchen
erkennen, Stärke vorzuspiegeln.
Heute stehen Jungen vor der Herausforderung, dass das traditionelle Männerbild
gesellschaftlich häufig nicht mehr akzeptiert ist und Vorbilder und Begleitung
für alternatives Verhalten fehlen.
Die Psychoanalytikerin und Soziologin Nancy Chodorow hat die psychische
Entwicklung von Mädchen und Jungen untersucht. Unter Einbeziehung der
Tatsache, dass in unserer Gesellschaft Kinder wesentlich von Müttern aufgezoSchnack, Dieter/ Neutzling, Rainer: Kleine Helden in Not. Jungen auf der Suche nach Männlichkeit.
Reinbek 1990.
30 Dies.: „Der Alte kann mich mal gern haben!“. Über männliche Sehnsüchte, Gewalt und Liebe.
Reinbek 1997, 13.
31 Ebd., 15f.
32 Dies.: Kleine Helden in Not. Jungen auf der Suche nach Männlichkeit. Reinbek 1990, 101ff.
29
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gen werden, fand sie heraus: Mädchen entwickeln ihr psychisches Selbst, indem
sie sich mit dem Weiblichen / dem Gleichgeschlechtlichen identifizieren,
das ihnen in Gestalt der Mutter begegnet. Jungen entwickeln ihr psychisches
Selbst, indem sie sich von dem Weiblichen / dem Gegengeschlechtlichen ablösen.
Häufig wird der abwesende Vater idealisiert. So lernen Kinder von klein an
unterschiedlich: Mädchen suchen in der Beziehung die Identifikation, Jungen
suchen in der Beziehung das Gegenüber. Diese Entwicklung setzt sich im Kindergarten,
der wesentlich von Frauen geprägt ist, fort.
Schnack/Neutzling beleuchten nun das Dilemma des Jungen: Er sucht zunächst
immer die Nähe zur Mutter. Andererseits lernt er bald (schon im Kindergarten),
dass in der Gesellschaft andere Regeln gelten: Durchsetzung, Rivalität, stark
sein.
Schnack/Neutzling konstatieren in ihrem Buch „Kleine Helden in Not“, dass den
Jungen auch die Vorbilder für enge, vertraute Männerfreundschaften fehlen.
Jungenfreundschaften, so ihre Beobachtung, fehle es häufig an Nähe, Intimität
und Vertrautheit. Obwohl ein Wunsch nach männlicher Nähe bestehe, schreckten
die Jungen aus Angst vor Homosexualitätsverdacht zurück. „Der Mangel an
Intimität und Sicherheit mit den Geschlechtsgenossen – so die Autoren – ist zu
einem erheblichen Teil mitverantwortlich für die Neigung der Jungen, so zu
tun, als hätten sie überhaupt keine Probleme.“33
Schnack/Neutzling sehen einen entscheidenden Grund für diese Situation in
der Abwesenheit von männlichen Orientierungsfiguren in der Kindererziehung
in Familie und Kindergarten. Sie sprechen hier von einem „Mangel an erkennbarer
Männlichkeit“, weil Männer die Erziehungsverantwortung nicht übernehmen
oder ihre Männlichkeit nicht reflektieren.34 Durch ihre Abwesenheit
eignen sie sich für Idealisierungen. Notwendig wäre es aber, dass Jungen die
Gefühle von Männern wahrnehmen und sehen, wie Männer konstruktiv mit
ihren Gefühlen umgehen.
Diese grundlegenden Erkenntnisse haben bis heute nichts von ihrer Bedeutung
verloren und verhelfen dazu, Situationen besser einzuschätzen und Jungenverhalten
zu verstehen. Sie treffen jedoch nicht mehr so umfassend zu, wie
noch vor 15 Jahren. Heute ist das Männlichkeitsideal zwiespältig, was zur Verunsicherung
bei Jungen und Männern führt. Diese werden heute mit widersprüchlichen
Anforderungen (stark und sensibel zu sein) konfrontiert.35 In der
traditionellen Geschlechterhierarchie konnten (und können) sich Jungen und
Männer in der Dominanz über Mädchen und Frauen stabilisieren.36 Heute sind
Ebd., 228.
Ebd., 31.
35 Besorgniserregend ist, dass die Zahl derjenigen Jungen und Männer zunimmt, die Sicherheit
in festgefügten Rollen (z.B. der Neonazi-Szene) suchen oder zwischenmenschliche
Kontakte vermeiden und indirekt (über Medien) kommunizieren.
36 Meuser, Michael: Gefährdete Sicherheiten und pragmatische Arrangements. Lebenszusammenhänge
und Orientierungsmuster junger Männer, in: Oechsle, Mechthild/ Geissler,
Birgit (Hg.): Die ungleiche Gleichheit. Junge Frauen und der Wandel im GeschlechterverDr.
33
34
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sie dadurch verunsichert, dass traditionelle männliche Verhaltensrepertoires
und das hierarchische Geschlechterverhältnis keine eindeutige gesellschaftliche
Anerkennung mehr finden und von Mädchen und Frauen zunehmend abgelehnt
werden.
Hinzu kommt – darauf hat insbesondere Michael Meuser verwiesen – die „Krise
der Männlichkeit“, die vom Wandel der Arbeitsgesellschaft ausgeht. Der Mann
als Familienernährer ist kein tragfähiges Männerbild mehr. Daran haben der
Wandel der Geschlechterrollen und die Berufstätigkeit von Frauen mitgewirkt,
fundamental ist aber in der jüngsten Entwicklung die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit
sowie die zunehmend prekären Beschäftigungsverhältnisse, die die
Funktion des Familienernährers in einer wachsenden Zahl von Fällen gar nicht
mehr ermöglichen. An diese Stelle sind bisher aber noch kaum gesellschaftlich
adäquate und anerkannte Männerbilder getreten. Die resultierende Verunsicherung
führt daher häufig zu einem stärkeren Festhalten an traditionellen
Männlichkeitskonstruktionen.
Ein zweites Konzept, das viel zum Verständnis von Jungen beitragen kann, ist
das der hegemonialen Männlichkeit.
2.2 Hegemoniale Männlichkeit
Ich beziehe mich hier zunächst auf die grundlegenden Forschungen des australischen
Soziologen und Pädagogen Robert Connell. Sein 1995 in Englisch veröffentlichtes
Buch „Masculinities“ ist mittlerweile weltweit zu einem Standardwerk
geworden. In Deutschland liegt es unter dem Titel „Der gemachte Mann.
Konstruktion und Krise von Männlichkeiten“ nun in der 3. Auflage vor.
Connell kritisiert die essentialistischen, die positivistischen und die normativen
Definitionsansätze von Männlichkeit als unzureichend (Connell 2006, 88-91)
und legt eine Analyse der Gesellschaft zugrunde, die er auch mit qualitativen
Interviews belegt. Sein Hauptaugenmerk richtet er auf die Bereiche Macht, Produktion
und Beziehungsgefüge und untersucht jeweils wie sie sich zeigen, z.B.
in Über- und Unterordnungen.
Dabei geht er davon aus, dass in der „derzeitigen westlichen Geschlechterordnung
(…) die wichtigste Achse der Macht die allgegenwärtige Unterordnung
von Frauen und die Dominanz von Männern ist – eine Struktur, welche die
Frauenbewegung als ‚Patriarchat’ bezeichnet hat“.37 Connell geht es nun um
eine Differenzierung von Männlichkeit: Masculinities.
In der derzeitigen westlichen Geschlechterordnung unterscheidet Connell vier
Hauptformen von Männlichkeit: Hegemoniale Männlichkeit, untergeordnete
hältnis, Opladen 1998, 237-255. Meuser, Michael: Geschlecht und Männlichkeit. Soziologische
Theorie und kulturelle Deutungsmuster, Opladen 1998.
37 Connell, Robert W.: Der gemachte Mann. Konstruktion und Krise von Männlichkeiten, (Geschlecht
und Gesellschaft Bd. 8), Wiesbaden 32006, 94.
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Männlichkeit, komplizenhafte Männlichkeit und marginalisierte Männlichkeit.38
Ich werde diese vier Konzepte skizzieren.
Unter „Hegemonialer Männlichkeit“ versteht Connell eine gesellschaftliche
„Konfiguration geschlechtsbezogener Praxis (…) [die] die Dominanz der Männer
sowie die Unterordnung der Frauen gewährleistet (oder gewährleisten
soll).“39
Vereinfacht gesagt, handelt es sich um die Männlichkeit, die die gesellschaftliche
Macht hat und das Leitbild von Männlichkeit bestimmt. Die Hegemonie
wird durch einen erfolgreich erhobenen Anspruch auf Autorität (unter Umständen
gestützt durch Gewalt) hergestellt: „Die Führungsebenen von Wirtschaft,
Militär und Politik stellen eine recht überzeugende korporative Inszenierung
von Männlichkeit zur Schau, die von feministischen Angriffen und sich
verweigernden Männern immer noch ziemlich unberührt scheint.“40 Hegemoniale
Männlichkeit konstituiert sich auf Zeit und kann verändert werden. Sie
zeigt sich z.B. auch in Führungspositionen, wenn ein bestimmtes Leitbild konstitutiv
für die Besetzung von Lehrstühlen ist, z.B. männlich, weiß, nicht offen
homosexuell und kein allein erziehender Vater. Die hegemoniale Männlichkeit
funktioniert als Leitbild auch gegen die Realitäten und eigenen Erfahrungen,
wenn etwa das Modell des Familienernährers trotz langjähriger Arbeitslosigkeit
in der Familie und der Gesellschaft aufrecht erhalten wird.
„Strenggenommen – so Holger Brandes im Anschluss an Connell und Pierre
Bourdieu –„bezieht der Terminus ‚männliche Hegemonie’ sich auf die Gesamtgruppe
der Männer im Unterschied zu den Frauen, während Connells Kategorie
der ‚hegemonialen Männlichkeit’ sich auf Differenzierungen und Konkurrenz
unter Männern bezieht.“41
Mit „untergeordneter Männlichkeit“ bezeichnet Connell die Beziehungen
von Unter- und Überordnung zwischen Männern. Besonders deutlich wird dies
bei Hetero- und Homosexualität. Die Unterordnung funktioniert auf verschiedene
Weise, etwa durch Ausschluss, durch Gewalt, sei sie staatlich, manifest,
verbal oder latent, aber auch durch Verleugnung.42
Ebd., 97ff.
Ebd., 98.
40 Connell übernimmt das Konzept der Hegemonie von Antonio Gramsci. Es bezeichnet die
Dynamik mit welcher eine Gruppe, „eine Führungsposition im gesellschaftlichen Leben
einnimmt und aufrechterhält“. Ebd., 98.
Das müssen nicht die reichsten und mächtigsten Männer sein, es können auch Filmschauspieler
oder andere Vorbilder sein. Eine Entsprechung zwischen kulturellem Ideal und institutioneller
Macht ist aber notwendig.
41 Brandes, Holger: Hegemoniale Männlichkeit und männlicher Habitus, Thesen zu Connell
und Bourdieu
(Diskussionspapier zur 3. AIM-Gender-Tagung 2004), 2.
42 Connell, Robert W.: Der gemachte Mann. Konstruktion und Krise von Männlichkeiten, (Geschlecht
und Gesellschaft Bd. 8), Wiesbaden 32006, 98.
38
39
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Die „untergeordnete Männlichkeit“ wird in Jungen- und Männergruppen hergestellt,
z.B. indem heterosexuelle Jungen und Männer als schwul bezeichnet
oder als Weichei, Schlappschwanz beschimpft werden.
Mit seinem Konzept „komplizenhafter Männlichkeit“ stellt Connell dar, dass
die überwiegende Mehrzahl von Männern von der hegemonialen Männlichkeit
profitiert, obwohl nur wenige sie verkörpern. Alle Männer haben Teil an der
„patriarchalen Dividende“ – wie Connell sagt –.43 Dies meint, dass Männer vom
Patriarchat profitieren „durch einen Zugewinn an Achtung, Prestige und Befehlsgewalt“
und auch materiell.44 Es ist in diesem Konzept eingeschlossen, dass
Männer Kompromisse mit Frauen im Alltagsleben eingehen.45
Mit „marginalisierter Männlichkeit“ beschreibt Connell diejenigen Männer,
die aufgrund von Hautfarbe oder Klasse an den gesellschaftlichen Rand gedrängt
werden.46 In diesem Zusammenhang erinnere ich an den überproportionalen
Anteil von Jungen mit Migrationshintergrund bei den schlechteren
Schulabschlüssen.
Es dürfte bereits deutlich geworden sein, dass Connell dynamische, relationale
Männlichkeitskonzepte vertritt. Marginalisierung und Ermächtigung kann es
z.B. auch zwischen untergeordneten Männlichkeiten geben, etwa zwischen
etablierten homosexuellen Politikern und marginalisierten Transsexuellen oder
in Gestalt hegemonialer türkischer Rapper.47
Ich habe die neuere Theoriebildung von Männlichkeiten herangezogen, um
dem häufig essentialistischen, biologistischen Verständnis von Männlichkeit,
das die Männer grundsätzlich für gleich hält, etwas entgegen zu setzen. Männlichkeiten
sind soziale Phänomene, die hergestellt und wieder verändert werden
können und die untereinander in Spannung stehen.
Damit komme ich zu meinem – kurzen – dritten Teil:
3. Konsequenzen und Herausforderungen für
die Religionspädagogik
Im Blick auf eine jungenbezogene Religionspädagogik stehen wir noch am Anfang.
Ich möchte einige Herausforderungen und Konsequenzen benennen:
Zunächst halte ich es für unverzichtbar, dass diejenigen, die mit Kindern und
Jugendlichen religiöse Bildung betreiben, ihre eigenen GeschlechtererfahrunEbd., 100.
Ebd., 103.
45 Ebd., 100f. Die meisten Männer profitieren von der patriarchalen Dividende, setzen sich
„aber nicht den Spannungen und Risiken an der vordersten Frontlinie des Patriarchats“ aus.
46 „Marginalisierung entsteht immer relativ zur Ermächtigung hegemonialer Männlichkeit der
dominanten Gruppe.“ Ebd., 102.
47 Männlichkeit profiliert sich häufig durch Gewalt gegen Frauen (insbesondere deutlich
durch sexuelle Gewalt, steigende häusliche Gewalt und Kriegsvergewaltigungen), aber
auch von Männern untereinander. Ebd., 105.
43
44
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gen und -vorstellungen bewusst wahrnehmen, sie kontinuierlich reflektieren
und nach Erfordernis verändern. Dazu können Fragen dienen wie: Was durfte
ich als Junge, was nicht? Was durfte ich als Mädchen, was nicht? Was musste
ich tun als Junge, als Mädchen? Was gestehe ich Jungen und Männern zu, was
nicht? Worauf reagiere ich erfreut, worauf abwehrend?
Um eigenen (unbewussten) Verhaltensweisen und Vorstellungen auf die Spur
zu kommen, kann es sinnvoll sein, Dritte, zum Beispiel PraktikantInnen, beobachten
lassen, wie die Aufmerksamkeit zwischen Mädchen und Jungen verteilt
ist oder welche Kommentare zu dem Verhalten der Kinder gegeben werden.
Z.B.: Sage ich zu einem Jungen, der eine Puppe nimmt, er mache den
Mädchen nur etwas nach, oder nehme ich sein Bedürfnis ernst? Nehme ich
wahr, wie biblische Figuren auf Mädchen und Jungen wirken, oder konzentriere
ich mich auf die zu lernende Botschaft? Wiegle ich aggressives Verhalten von
Jungen als „normal“ ab oder suche ich Wege, damit konstruktiv umzugehen?
Damit ist nicht nur die Frage der Selbstreflexion angesprochen, sondern auch
die der Aus-, Fort- und Weiterbildung. Hier ist es notwenig, Elemente zu integrieren,
die eine Genderkompetenz fördern.
Ziel wäre eine Religionspädagogik der Vielfalt, wie ich sie in Anlehnung an Annedore
Prengels „Pädagogik der Vielfalt“ nennen möchte48. Sie geht von einer
Vielfalt der Kinder und Jugendlichen aus. Die Förderung von Jungen muss
dann nicht gegen die von Mädchen ausgespielt werden. Zu entwickeln wären
grundsätzlich differenzorientierte Unterrichtsarrangements und Methoden, wie
zum Beispiel Projektunterricht und Stationenlernen oder psycho- wie bibliodramatische
Elemente. Zumal bezogen auf die Jungenförderung sind körperorientierte
Lernformen aufzugreifen und weiterzuentwickeln.49
Die Schulversuche von Astrid Kaiser in Niedersachsen haben zahlreiche Vorschläge
erarbeitet, wie man mit Jungen andere Verhaltensweisen, zum Beispiel
zu Wahrnehmung, einüben kann. Methoden wie Stille-Übungen haben bereits
in den Religionsunterricht Eingang gefunden. Hier käme es darauf an, diese
auch im Zusammenhang der Jungenförderung zu verstehen. Hinsichtlich des
Umgangs mit Aggression und der Gewaltprävention kann man auf Übungen
und Überlegungen des Berliner Schulversuchs zur Gewaltprävention zurückgreifen.
50 Möglichkeiten negative Gefühle und Aggressionen aufzugreifen bestehen,
wie es Ingo Baldermann gezeigt hat, zum Beispiel darin, Psalmen als
48 Prengel, Annedore: Pädagogik der Vielfalt. Verschiedenheit und Gleichberechtigung in
Interkultureller, Feministischer und Integrativer Pädagogik. Opladen 21995.
49 Zu leiborientierten Arbeitsweisen z. B. Leonhardt, Silke: Leiblich lernen und lehren. Ein
religionsdidaktischer Diskurs (Praktische Theologie heute Bd. 79), Stuttgart 2006. Christine
Labusch hat z.B. eine Unterrichtseinheit entwickelt, die körperorientierte Arbeitsformen in
die Behandlung des Gleichnisses vom blinden Barthimäus einbezieht. Labusch, Christine:
Leibliche Zugänge zu Heilungsgeschichten. In: Beuers, Christoph u.a. (Hg.): Leibhaftig leben.
(Forum für Heil- und Religionspädagogik Bd. 4), Münster 2007, 142-150.
50 Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport Berlin (Hg.), Mädchen sind besser – Jungen
auch. Konfliktbewältigung für Mädchen und Jungen. Ein Beitrag zur Förderung sozialer
Kompetenzen in der Grundschule. 2 Bände, Berlin 1998.
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Form des Klagegebets oder des Wunsches nach Rache zu lesen und neu zu
formulieren. In kirchlichen Bildungszusammenhängen ist zudem die gewaltsame
und Gewalt verharmlosende biblische Tradition kritisch zu reflektieren.
In diesem Zusammenhang ist auch der Primat einer Theologie des Wortes und
die über weite Strecken körperfeindliche christliche Tradition kritisch aufzuarbeiten.
Notwendig ist die Analyse von Materialien für den Religionsunterricht, für Kindergottesdienst,
KU und Lehrerfortbildung. Wie werden Jungen dargestellt? In
welchen Rollen? Mit welchen Eigenschaften? Welche biblischen Geschichten
und Figuren werden gewählt? Werden Jungen und Männer in fragenden, beziehungsorientierten
Situationen vermittelt? Werden unterschiedliche Männerrealitäten
deutlich?51
Die Orientierungssuche zwischen traditioneller Männerrolle und neuen Männerbildern
kann nicht auf Verbote aufbauen, sondern muss Konflikte thematisieren
und Alternativen deutlich machen. So berichtet beispielsweise Redlef
Neubert-Stegemann über Erfahrungen im BRU, in dem Jungen und Mädchen
Szenen des Kontaktaufnehmens spielten. Durch Rollenspiele konnten Jungen
ihre Verunsicherung benennen, wahrnehmen, wie sie diese durch machohaftes
Verhalten zu überspielen suchen. Sie konnten den Mädchen deutlich machen,
dass sie Angst vor Zurückweisung haben und die Mädchen fragen, was sie von
Jungen erwarten. Die Mädchen konnten zeigen wie sie sich den Kontakt wünschen.
Gute Erfahrungen wurden auch mit phasenweise getrennten Jungenund
Mädchengruppen gemacht, die als „geschützter Raum“ und im Sinne einer
kompensatorischen Erziehung genutzt werden.52
Schließlich sind Religionspädagogik und Theologie herausgefordert, Bibel und
Theologie im Blick auf die Lebenssituationen von Jungen und Männern neu zu
lesen und eigene Perspektiven zu entwickeln. Die Feministische Theologie hat
hier viel vorgearbeitet, was hermeneutische Fragen u. ä. angeht. Eine „Männliche
Theologie“ – so z.B. in dem Buch „KU – weil ich ein Junge bin“53 – wird in
Deutschland vor allem in der kirchlichen Männerarbeit vorangebracht, fehlt
aber in der Religionspädagogik meines Wissens noch völlig. Sie kann ein spannendes
Unternehmen werden, das neue Einsichten in die biblisch-christliche
Tradition, nicht nur für Männer, eröffnet.
51 Kriterien zur Analyse von Sexismus in: Pithan, Annebelle: Religionsbücher geschlechtsspezifisch
betrachtet. Ein Beitrag zur Religionsbuchforschung. In: Der Evangelische Erzieher 45
(1993), 421-435. Vgl. auch: Pithan, Annebelle (mit Gerlinde Ehrenfeuchter und Charlotte
Hilger): Gerechtigkeit für Mädchen und Frauen. Perspektiven für eine geschlechtergerechte
Religionspädagogik in Schule und Gemeinde entwickelt von der Alpika-AG „Frauen in
Schule und Gemeinde, o.O. 1998. Pithan, Annebelle u.a. (Hg.): Geschlecht – Religion – Bildung.
Ein Lesebuch. Comenius-Institut: Münster 1999, 153-160. Auch: Volkmann, Angela:
"Eva, wo bist Du?". Die Geschlechterperspektive im Religionsunterricht am Beispiel einer
Religionsbuchanalyse zu biblischen Themen. Würzburg 2004.
52 Vgl. Knauth, Thorsten (Hg.), KU – weil ich ein Junge bin. Ideen – Konzeptionen – Modelle
für einen jungengerechten KU, Gütersloh 2002.
53 Siehe FN 52.
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Dringend notwendig sind Männer – Jugendliche und Erwachsene – die Verantwortung
in der Erziehung übernehmen: in der Familie, aber auch in Grundschule,
Kindergarten oder Kindergottesdienst. Nach wie vor ist es so, dass nur
wenige junge Männer die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in ihrer Lebensplanung
aufgreifen (die meisten Frauen hingegen schon); dass auch zunehmend
Männer keine Kinder wollen, da ihnen die Verantwortung zu hoch ist. Wir
brauchen Männer, die sich kritisch mit traditionellen und gegenwärtigen Männlichkeitsvorstellungen
auseinandersetzen und eigene Wege zu gehen versuchen.
Essentialistische, biologistische und normative Ansätze, die Jungen auf bestimmte
Eigenschaften festlegen, sind nicht weiterführend. In diesem Zusammenhang
halte ich es für wichtig, dass die sog. mythopoetischen Ansätze, die –
z.B. im Anschluss an Richard Rohr - an vermeintlich zeitlose männliche Eigenschaften,
wie der „wilde Mann“ oder der „Mann als Krieger“, anknüpfen, nicht
die Alleingeltung in der Kirche gewinnen. Sie können als Erfahrungshilfe nützlich
sein. Sie greifen jedoch – und das sollte mein Rekurs auf Connell deutlich
machen – bezüglich der Vielfalt von Männlichkeiten sowie der Macht- und
Herrschaftsfragen und ihrer sozialen Bedingungen zu kurz.
Arme Jungs – oder kleine Machos? Jungen möchten ernstgenommen und nach
ihren Interessen und Möglichkeiten gefördert werden. Gleichstellungspolitik,
feministische Pädagogik und Feministische Theologie verlieren deshalb nicht
ihre gesellschaftliche Bedeutung. Das konstruktive Gespräch zwischen kritischer
Frauen- und Männerforschung, der gendersensible Umgang mit Mädchen
und Jungen wirken mit bei der notwendigen Verankerung von Geschlechtergerechtigkeit
in Gesellschaft, Kirche und Religionspädagogik. Dazu
können wir im Sinne eines doing gender alle beitragen.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
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5. Warum Jungen nicht mehr lesen
www.warumjungennichtmehrlesen.de
In Vorbereitung des Buches Warum Jungen nicht mehr lesen und wie wir das ändern können wurden mit Unterstützung der
beiden Institute ijf, München und SKOPOS, Köln von Oktober 2003 - Mai 2004 mehr als 2000 deutsche Schülerinnen und Schüler nach Ihren Lesegewohnheiten befragt.
Ziel war es, Motivationspotential im Hinblick auf das Lesen von längeren Texten und Büchern insbesondere bei Jungen auszuloten. Neben lesehemmenden und lesefördernden Faktoren galt unsere Aufmerksamkeit vor allem Titeln, die die befragten
Schülerinnen und Schüler als lesens- und empfehlenswert einstuften.
"Lesen? Der doch nicht, der spielt doch den ganzen Tag Computer." Das ist eine der Standardantworten, die ich seit gut drei
Jahren immer wieder von Eltern bekomme, wenn ich sie nach den Lieblingsbüchern ihrer Söhne frage.
"An Jungen kommen wir im Deutschunterricht kaum noch ran." sagen die Lehrer. "Lesen gilt heute unter männlichen Jugendlichen als weibisch!"
Welcher echte Kerl wolle auf dem Weg zum Mann von seinen Peers schon gern ein "Weichei" genannt werden?
Jungen wollen lesen, auch wenn sie es nicht immer zugeben. Zweitens: Sie lesen, wenn auch anders als gemeinhin angenommen. Und: Sie lesen umso intensiver und anspruchsvoller, je besser wir es verstehen, ihnen in der mehrere Jahre anhaltenden
Leselustlernphase die richtigen, persönlich passenden Texte in die Hände zu geben.
www.wirlesenvor.de
Der bundesweite Vorlesetag am 22.11.2008
Vorlesen ist eine wunderbare Sache: Für alle, die vorgelesen bekommen – aber auch für diejenigen, die vorlesen. Daher möchten wir Sie herzlich einladen, bei der Initiative „Wir lesen vor“ der Wochenzeitschrift DIE ZEIT und der Stiftung Lesen mit dabei
zu sein. Ob beim diesjährigen bundesweiten Vorlesetag am 20. November 2008 oder das ganze Jahr über …
Alle Vorleser wurden in der ZEIT-Ausgabe vom 22. November namentlich genannt. Weiterhin finden Sie hier alle Veranstaltungen zum diesjährigen Vorlesetag.
In diesem Jahr wird der bundesweite Vorlesetag am 20. November stattfinden. Alle, die mitmachen möchten, können sich ab
Sommer auf dieser Internetseite anmelden. Und falls Sie schon jetzt mit der Planung beginnen möchten: Alles Wissenswerte
über das jährliche Projekt - darunter viele praktische Tipps für die Organisation einer eigenen Vorlese-Aktion, für Lehrkräfte,
Bibliothekare oder Buchhändler - finden Sie hier.
Die zwölf goldenen Regeln zum Vorlesen
1.
Suchen Sie sich einen ruhigen, angenehmen Ort, an dem Sie mit den Kindern gemütlich und bequem sitzen können.
2.
Wählen Sie einen günstigen Augenblick zum Vorlesen, z.B. während der Kleingruppenarbeit im Kindergarten oder während
einer Ruhepause. Versuchen Sie, das Lesen im Altag zu ritualisieren und gehen Sie auf die spontanen Bedürfnisse der Kinder
ein.
3.
Richten Sie sich bei der Auswahl der Bücher nach dem Alter der Kinder: großflächige Bilderbücher für die Jüngsten – längere
Vorlesegeschichten, auch als Fortsetzungs-Geschichten über mehrere Tage, für die Älteren.
4.
Bringen Sie Abwechslung beim Vorlesen und Erzählen: Wählen Sie mal fantastische Geschichten, mal lustige Sprachspiele,
mal Sachbücher, mal Märchen.
5.
Haben Sie Geduld mit Ihren Zuhörern: Betrachten Sie Zwischenfragen nicht als Störung, sondern als willkommene Anregung. Lassen Sie sich beim Vorlesen und Erzählen auf die Fantasie und die Bemerkungen der Kinder ein.
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6.
Sprechen Sie mit den Kindern über die Geschichte.
7.
Achten Sie bei der Auswahl der Bücher auf angemessene, passende Illustrationen und klare Schriftbilder.
8.
Lassen Sie auch die Kinder Bücher auswählen, und versuchen Sie, auch wenn Sie ein und das selbe Buch immer wieder vorlesen sollen, den Wunsch der jungen Zuhörer/innen zu akzeptieren.
9.
Seien Sie ein Vorbild. Je häufiger Sie sich selbst freudig mit Büchern beschäftigen, desto leichter werden die Kinder den Zugang zu Büchern finden.
10. Vermeiden Sie das „Runterleiern“, denn Kinder spüren, wenn Sie mit den Gedanken nicht dabei sind.
11. Nehmen Sie sich Zeit für ein Gespräch danach.
12. Versuchen Sie nicht, Fernsehen und Bücher gegeneinander auszuspielen. Bücher zu beliebten Fernsehsendungen können ein
guter Einstieg zum Vorlesen und Erzählen sein.
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