Prof. Dr. Moritz Kaßmann Fakultät für Mathematik Sommersemester 2016 Universität Bielefeld Übungsaufgaben zu Funktionalanalysis Lösungen von Blatt II vom 22.04.16 Aufgabe II.1 (6 Punkte) Untersuchen Sie die folgenden Teilmengen von `2 = `2 (C)1 auf Beschränktheit und Kompaktheit: √ −1 a) {(an ) ∈ `2 | |an | ≤ n für alle n ∈ N}, P ∞ 2 b) {(an ) ∈ `2 | n=1 |an | ≤ c} wobei c > 0, c) {(an ) ∈ `2 | |an | ≤ n−1 für alle n ∈ N}. Aufgabe II.2 (4 Punkte) Seien a < b, Ω = (a, b) und X = u ∈ C 1 (Ω) | u(a) = u(b) = 0 . Zeigen Sie, dass durch Z Z kuk1 = |u(t)| + u0 (t) dt bzw. kuk2 = u0 (t) dt Ω Ω zwei äquivalente Normen auf X definiert sind. Aufgabe II.3 (4 Punkte) Untersuchen Sie die folgenden Abbildungen auf Linearität und Stetigkeit: R1 a) T : C([0, 1]) → R, T (f ) = 0 f 2 (x) dx, R1 b) T : L2 ([0, 1]) → R, T (f ) = 0 f (x) sin2 (x) dx. Aufgabe II.4 (6 Punkte) a) Seien K ⊂ Rd eine konvexe abgeschlossene Menge, z ∈ Rd sowie dist(z, K) = inf kz −xk. Beweisen x∈K Sie: Es existiert genau ein Element x0 ∈ K mit kz − x0 k = dist(z, K). b) Zeigen Sie, dass die Aussage in Teilaufgabe a) im Allgemeinen nicht gilt, wenn man anstelle von Rd einen beliebigen Banachraum betrachtet. Hinweise: a) Betrachten Sie eine Folge (xn ) in K, für die kz − xn k → dist(z, K) für n → ∞ gilt. Zeigen Sie mit Hilfe der Parallelogrammidentität, dass (xn ) eine Cauchyfolge ist. Mit der Parallelogrammidentität können Sie ebenfalls ausschließen, dass es mehrere Elemente x ∈ K gibt, die den Abstand zu z minimieren. b) Betrachten Sie den RBanachraum (X, k · k∞ ) mit X = {f ∈ C([0, 1])| f (0) = 0}. Zeigen Sie, dass 1 durch K = {f ∈ X| 0 f (x)dx = 0} ein abgeschlossener Unterraum definiert ist. Zeigen Sie dann, R1 dass für jedes f ∈ X die Gleichung dist(f, K) = | 0 f (x)dx| gilt und schließen Sie hiermit die gewünschte Aussage. Lösungsvorschläge Aufgabe II.1 1 a) Betrachte die Folge (x(n) )n ∈ (`2 )N mit (√ −1 k , für k ≤ n, (n) xk = 0, sonst. Siehe Aufgabe I.1. Erreichbare Punktzahl: 20 Übungsblatt II – Lösungen Seite 2 Dann liegen alle Folgenglieder von (x(n) )n in A1 := {(an ) ∈ `2 | |an | ≤ √ −1 n für alle n ∈ N}. Es gilt für das n-te Folgenglied (n) k(xk )k k22 = n X 1 . k k=1 Dies ist die n-te Partialsumme der harmonische Reihe, die nicht konvergent ist. Folglich ist (x(n) ) und damit A1 unbeschränkt. Dies impliziert, dass A1 nicht kompakt ist. P∞ 2 b) Die Menge A2 := {(an ) ∈ `2 | n=1 |an | ≤ c} ist per Definition beschränkt. Betrachte folgende Folge (x(n) )n mit Folgengliedern in A1 : (n) xk = √ c · δnk . Für alle n 6= n0 gilt dann (n0 ) (n) k(xk )k − (xk )k k2 = √ 2c. Also besitzt (x(n) )n keine konvergente Teilfolge. Daher ist A2 nicht kompakt. c) Sei (x(n) )n eine beliebige Folge mit Folgengliedern in A3 := {(an ) ∈ `2 | |an | ≤ (n) n−1 für alle n ∈ N}. Dann ist (xk )n für jedes k ∈ N eine durch k1 beschränkte Folge in C. Mit dem Cantorschen Diagonalverfahren erhalten wir eine Teilfolge (x(nj ) ) von (x(n) ) derart, dass (nj ) lim xk j→∞ = xk (n ) für alle k ∈ N mit gewissen Zahlen xk . Aus |xk j | ≤ für alle k ∈ N. Also x = (xk )k ∈ A3 und weiterhin kx (nj ) − xk22 ≤ s X |k=1 folgt insbesondere |xk | ≤ 1 k ∞ 2 X 2 − xk | + . k k=s+1 {z } | {z } (n ) |xk j j→∞ 1 k 2 −→ 0 für jedes s∈N s→∞ −→0 Also kx(nj ) −xk2 → 0 für j → ∞. Deshalb ist die Menge A3 kompakt und beschränkt. Aufgabe II.2 Wir zeigen: ∃c > 1 ∀u ∈ X : 1c kuk2 ≤ kuk1 ≤ ckuk2 . Die Ungleichung k · k2 ≤ k · k1 ist offensichtlich. Zum Nachweis der umgekehrten Ungleichung verwenden wir den Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung und erhalten für u ∈ X Zb Zt Zb Zb 0 0 u (s) ds dt = (b − a)kuk2 . kuk1 − kuk2 = u (s) ds dt ≤ a a Also gilt kuk1 ≤ (b − a + 1)kuk2 . a a Übungsblatt II – Lösungen Seite 3 Aufgabe II.3 a) Diese Abbildung ist offensichtlich nicht linear, jedoch stetig. Dazu n→∞ sei (fn ) ∈ C([0, 1])N eine Folge mit fn −→ f ∈ C([0, 1]). Aus dieser gleichmäßigen n→∞ Konvergenz folgt insbesondere die punktweise Konvergenz fn (x) −→ f (x) für alle x ∈ [0, 1]. Es gilt |fn (x)2 | = |fn (x)|2 ≤ kfn k2∞ ≤ (kf k∞ + 1)2 für hinreichend große n ∈ N. Demnach ist (kf k∞ + 1)2 eine integrierbare Majorante auf [0, 1]. Der Satz von der majorisierten Konvergenz liefert nun Z1 lim Z1 2 (fn (x)) dx = n→∞ 0 2 Z1 lim (fn (x)) dx = n→∞ 0 f 2 (x) dx. 0 b) Die Abbildung ist offensichtlich linear. Die Stetigkeit zeigen wir wieder mittels n→∞ Folgenkriterium. Sei (fn ) ∈ L2 ([0, 1])N eine Folge mit fn −→ f ∈ L2 ([0, 1]). Mit der Cauchy-Schwarz Ungleichung erhalten wir 1 Z 2 |T (fn ) − T (f )| = (fn (x) − f (x)) sin (x) dx 0 1 Z ≤ (fn (x) − f (x)) dx 0 1 21 Z ≤ kfn − f k2 dx 0 n→∞ = kfn − f k2 −→ 0. Aufgabe II.4 a) Sei dist(z, K) = d. Aus der Infimumsdefinition folgt, dass es eine Folge (xn ) aus K gibt mit lim kxn − zk = d. Setze z − xm und z − xn in die n→∞ Parallelogrammidentität ein. Es folgt 2kz − xm k2 + 2kz − xn k2 = k2z − xm − xn k2 + kxn − xm k2 . (1) Da K konvex ist, liegt mit xn und xm auch (xn + xm )/2 in K. Aus der Infimumsdefinition von d erhalten wir x + x n m ≥ 2d. k2z − xm − xn k = 2 z − 2 Dann folgt aus (1) 2 xn + xm kxn − xm k = 2kz − xm k + 2kz − xn k − 4 z − 2 2 2 2 m,n→∞ ≤ 2kz − xm k2 + 2kz − xn k2 − 4d2 −→ 0. | {z } | {z } →d2 →d2 (2) Übungsblatt II – Lösungen Seite 4 Damit ist (xn ) eine Cauchy-Folge. Da (Rd , k · k) ein Banachraum ist, besitzt sie einen Grenzwert x0 , der aufgrund der Abgeschlossenheit von K selbst in K liegt. Wegen der Stetigkeit der Norm folgt d = lim kz − xn k = kz − x0 k, n→∞ womit die Existenz des x0 gezeigt ist. Sei y0 ∈ K ein weiteres Element mit kz − y0 k = d. Analog zu (2) folgt 2 x0 + y0 kx0 − y0 k = 2kz − x0 k + 2kz − y0 k − 4 z − 2 2 2 2 ≤ 2d2 + 2d2 − 4d2 = 0, woraus x0 = y0 folgt. R1 b) Sei X = {f ∈ C([0, 1])|f (0) = 0}. Wir zeigen, dass K = {f ∈ X| 0 f (x) dx} ein abgeschlossener Unterraum von X bzgl. k · k∞ ist. Die Unterraumeigenschaft ist dabei offensichtlich. Sie impliziert insbesondere, dass K eine konvexe Menge ist. Sei (fn ) eine Folge aus K, die bezüglich der Supremumsnorm gegen f ∈ X konvergiert. Dann 1 Z Z1 Z1 fn (x) dx − f (x) dx ≤ |fn (x) − f (x)| dx ≤ kfn − f k∞ n→∞ −→ 0, 0 0 0 R1 R1 d.h. 0 = lim 0 fn (x) dx = 0 f (x) dx. Damit liegt f ∈ K, was die Abgeschlossenn→∞ heit von K impliziert. Sei jetzt f ∈ X beliebig. Für jedes g ∈ K gilt 1 Z Z1 f (x) dx ≤ |f (x)| dx 0 0 Z1 ≤ Z1 |f (x) − g(x)| dx + 0 |g(x)| dx 0 Z1 |f (x) − g(x)| dx = 0 ≤ sup |f (x) − g(x)|. x∈[0,1] R 1 Also dist(f, K) ≥ 0 f (x) dx. Wir geben nun zu beliebigem f ∈ X eine Folge (gn )n≥2 = (f − vn n→∞ K an derart, dass kf − gn k∞ −→ 0. Definiere ( nx, falls x ∈ 0, n1 , vn (x) = n x + n(n−2) , falls x ∈ n1 , 1 . (n−1)2 (n−1)2 R1 0 f (x))n≥2 aus Übungsblatt II – Lösungen Seite 5 R1 Es gilt gn (0) = 0 für jedes n ≥ 2, da f (0) = vn (0) = 0. Um 0 gn (x) dx = 0 für R1 alle n ≥ 2 zu zeigen, reicht es aus 0 vn (x) dx = 1 für alle n ≥ 2 zu beweisen. Dies rechnet man leicht nach. Nun folgt 1 Z Z1 Z1 1 n→∞ kf −gn k∞ = sup vn (s) f (x) dx = 1 + f (x) dx −→ f (x) dx . n−1 s∈[0,1] 0 Dies beweist 0 0 1 Z dist(f, K) = f (x) dx 0 R 1 für jedes f ∈ X. Es wird von jetzt an unser Ziel sein kf − gk∞ 6= 0 f (x) dx für alle g ∈ K mittels eines Widerspruchbeweises zu zeigen. Angenommen es gibt g ∈ K R 1 mit kf − gk∞ = 0 f (x) dx. Dann ist die Funktion f (x) − g(x) h : [0, 1] → R, h(x) = R 1 0 f (s) ds als Kombination stetiger Funktionen selbst stetig. Sie besitzt die Eigenschaften (1) h(0) = 0, −1 R 1 (2) max |h(x)| = khk∞ = 0 f (s) ds kf − gk∞ = 1 und x∈[0,1] R 1 (3) 0 h(s) ds = 1. Eine Funktion, die diese drei Eigenschaften besitzt, kann aber niemals in C([0, 1]) sein, was wir wie folgt sehen. Angenommen h erfüllt (1) und (2). Aufgrund der Stetigkeit in 0 existiert ein δ > 0, so dass 1 1 h([0, δ)) ⊆ − , . 2 2 Dann zusammen mit Eigenschaft (2) 1 Z Z1 h(x) dx ≤ |h(x)| dx 0 0 Zδ Z1 |h(x)| dx + = 0 |h(x)| dx δ δ ≤ + (1 − δ)khk∞ 2 < δ + (1 − δ) = 1. Dies widerspricht also der dritten Eigenschaft.