Universität Bonn Physikalisches Institut Studien zu b-tagging in Gegenwart von Mehrfachwechselwirkungen am ATLAS-Experiment Henning Schories In this diploma thesis, the effects of a widely used pileup-repression technique on the ability to identify b-quark initiated jets has been studied. In particular the influence of a cut on the jet-vertex-fraction (JV F ), a variable used to reject pileup-jets, on quantities characterizing the quality of the identification of b-jets (b-tagging) has been investigated for four b-tag algorithms. In a tt̄ Monte Carlo sample the variation of b-tag efficiency and purity as well as rejection of c and light jets was studied as function of the cut value. A small but systematic dependence on the cut value as well as the number of proton-proton-interactions per bunch crossing has been found. The variation of the b-tag efficiency has also been studied in 35 pb−1 of ATLAS data using the prel T method. The dependence in data was found to agree with that predicted by Monte Carlo simulation. Finally it has been studied how the fraction of b-jets rejected by a cut on on JV F varies with characteristic jet and event observables. This fraction has been found not to depend on the jet based variables studied but showed a dependence on event variables that are sensitive to pileup. Physikalisches Institut der Universität Bonn Nußallee 12 D-53115 Bonn BONN-IB-2011-08 November 2011 Universität Bonn Physikalisches Institut Studien zu b-tagging in Gegenwart von Mehrfachwechselwirkungen am ATLAS-Experiment Henning Schories Dieser Forschungsbericht wurde als Diplomarbeit von der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Bonn angenommen. Angenommen am: Referent: Koreferentin: 05.07.2011 Prof. Dr. Norbert Wermes Prof. Dr. Jochen Dingfelder Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 1 2. Das ATLAS-Experiment am Large Hadron Collider 2.1. Der Large Hadron Collider . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2. Der ATLAS-Detektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1. Größen zur Beschreibung der Ereigniskinematik 2.2.2. Der Innere Detektor . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3. Das Kalorimetersystem . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4. Das Myonsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.5. Das Triggersystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 5 6 6 7 8 10 11 . . . . 13 15 17 19 20 4. Identifikation von Jets aus Pileup-Wechselwirkungen 4.1. Pileup . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2. Die Jet-Vertex-Assoziation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 23 24 5. Monte Carlo-Studien 5.1. Verwendete Datensätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2. Jetrekonstruktion und -Auswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3. Einfluss des JVF-Schnittes auf die flavour-Komposition . . . . . . . . . . . . . . 5.4. Abhängigkeit der untersuchten Größen vom JVF-Schnitt bei konstantem b-TagSchnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5. Abhängigkeit der untersuchten Größen vom JVF-Schnitt bei konstanter b-TagEffizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.6. Abhängigkeit vom Operationspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.7. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 28 28 31 6. Identifikation von b-Jets in Daten: Effizienzmessung und pileup-Studien 6.1. Verwendete Datensätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2. Ereignis-, Jet- und Myonselektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3. Umgewichtung der pT -und η-Verteilung in der Simulation . . . . . . . . 6.4. Messung der b-Tag-Effizienz als Funktion des JVF-Schnittes . . . . . . . 6.4.1. Konstruktion der Templates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.2. Anpassung der Templates an die prel T -Verteilung in Daten . . . . . 6.4.3. Abhängigkeit der b-Tag-Effizienz vom JVF-Schnittwert . . . . . . 49 50 52 53 54 54 57 59 3. Identifikation von b-Jets 3.1. Der TrackCounting- und der JetProb-Algorithmus 3.2. Der SV0-Algorithmus . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3. Der IP3D+SV1-Algorithmus . . . . . . . . . . . . . 3.4. Die prel T -Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 36 42 45 i Inhaltsverzeichnis 6.4.4. Abhängigkeit vom Operationspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.5. Vergleich mit Monte Carlo und Berechnung des Skalierungsfaktors 6.4.6. Abhängigkeit der Gesamteffizienz vom JVF-Schnittwert . . . . . . 6.5. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 62 65 66 7. Effizienz als Funktion von Jet- und Ereignisvariablen 69 8. Zusammenfassung und Ausblick 77 A. Test der Anpassung der b-Tag-Effizienz 79 Literaturverzeichnis 81 Abbildungsverzeichnis 83 Tabellenverzeichnis 85 ii Kapitel 1. Einleitung Die Frage nach der Beschaffenheit und dem Aufbau der Welt bis in ihre kleinsten Bestandteile beschäftigt die Menschheit schon seit mehreren Jahrtausenden. Bereits um 450 v. Chr. stellte der griechische Naturphilosoph Demokrit die Hypothese auf, dass alle Materie aus sehr kleinen nicht weiter teilbaren Konstituenten, den Atomen (griech. α̌τ oµoς, “das Unzerschneidbare”), aufgebaut seien. Obwohl seine Theorie allein auf rein philosophischen Überlegungen beruhte und zu jener Zeit noch nicht empirisch überprüfbar war, entsprachen seine Vorstellungen erstaunlich gut der Realität. Auf dem heutigen Stand der empirischen Physik ist das Standardmodell der Elementarteilchenphysik die akurateste Beschreibung zum Aufbau der Welt. Nach diesem kann man sich die grundlegenden Bausteine der Materie als punktförmige1 Elementarteilchen vorstellen, welche sich wiederum nach ihrem Spin in Fermionen (halbzahliger2 Spin) und Bosonen (ganzzahliger2 Spin) einteilen lassen. Die Fermionen kommen in drei Generationen vor, wobei sich die Teilchen der zweiten und dritten Generation nur in ihrer Masse von denen der ersten Generation unterscheiden. Die Atome und Moleküle, aus denen unsere Welt aufgebaut ist, werden aus Fermionen gebildet. Diese lassen sich weiter nach den Kräften, über die sie miteinander wechselwirken, in Leptonen und Quarks einteilen. Im Rahmen des Standardmodells wird die Wechselwirkung zwischen Elementarteilchen durch den Austausch von Spin 1-Teilchen, den Vektorbosonen, beschrieben: An der schwachen Wechselwirkung nehmen alle Elementarteilchen teil. Die Austauschteilchen sind die beiden elektrisch geladenen W -Bosonen sowie das elektrisch neutrale Z-Boson. Die schwache Wechselwirkung ist zum Beispiel verantwortlich für den radioaktiven β-Zerfall. An der elektromagnetischen Wechselwirkung nehmen die Quarks und die elektrisch geladenen Leptonen, nicht aber die elektrisch neutralen Neutrinos teil. Das Austauschteilchen ist das Photon, welches selber elektrisch neutral ist. Die elektromagnetische Wechselwirkung ist verantwortlich für die Bindung von Elektronen an Atomkerne. Desweiteren lassen sich alle makroskopischen Kräfte mit Ausnahme der Gravitation auf elektromagnetische Kräfte zurückführen. An der starken Wechselwirkung nehmen von den fundamentalen Fermionen ausschließlich die Quarks teil. Diese kommen jeweils in drei Farbladungszuständen vor und wechselwirken miteinander über den Austausch von acht Gluonen. Im Gegensatz zur elektromagnetischen Wechselwirkung besitzen die Austauschteilchen der starken Wechselwirkung selbst Farbladung und können somit auch untereinander stark wechselwirken. Die starke Wechselwirkung ist verantwortlich für die Bindung von Protonen und Neutronen. Auch die Kernkraft, die Atomkerne zusammenhält, kann auf die starke Wechselwirkung zurückgeführt werden. Die fundamentalen Fermionen im Stan1 2 Punktförmig heisst in diesem Zusammenhang dass bis 10−18 m keine erkennbare Substruktur vorhanden ist. Der Spin eines Elementarteilchens kann nur vielfache Werte von 1/2 ~ annehmen, wobei ~ das durch 2π dividierte Plancksche Wirkungsquantum bezeichnet. In der Elementarteilchenphysik wird ein Einheitensystem verwendet, in dem ~ = 1 gilt. 1 Kapitel 1. Einleitung dardmodell sind in Tabelle 1.1 aufgelistet. Darüber hinaus existiert zu jedem Fermion ein Antiteilchen mit entgegengesetzter Ladung und ansonsten identischen Eigenschaften. Ladung [e] Leptonen Quarks −1 0 +2/3 −1/3 1. Generation Elektron e-Neutrino Up-Quark Down-Quark 2. Generation e νe u d Myon µ-Neutrino Charm-Quark Strange-Quark 3. Generation µ νµ c s Tau τ -Neutrino Top-Quark Bottom-Quark τ ντ t b Tabelle 1.1.: Fermionen im Standardmodell Masse erhalten die Teilchen durch den Higgsmechanismus. Als Konsequenz wird die Existenz eines weiteren Teilchens mit Spin 0, das sogenannte Higgs-Boson, vorhergesagt. Dieses konnte zwar bisher in keinem Experiment beobachtet werden, der Bereich möglicher HiggsMassen wurde jedoch erfolgreich eingeschränkt. Supersymmetrische Erweiterungen des Standardmodells sagen die Existenz von mehr als einem Higgs-Boson vorher. In der minimal supersymmetrischen Erweiterung des Standardmodells3 sind dies die Teilchen A und H ± . Eines der Hauptziele am Large Hadron Collider (LHC) ist die Suche nach diesen Teilchen sowie die Vermessung ihrer Eigenschaften. Ein weiteres Ziel ist neben der Suche nach neuen Teilchen die präzise Vermessung von Eigenschaften des Top-Quarks, das am LHC erstmals in großer Frequenz erzeugt wird. √ Am LHC werden Protonen bei einer Schwerpunktsenergie von derzeit s = 7 TeV zur Kollision gebracht, wobei in Prozessen der starken Wechselwirkung hochenergetische Quarks und Gluonen, zusammenfassend als Partonen bezeichnet, erzeugt werden. Im Gegensatz zu den Leptonen sind Quarks nicht als freie Teilchen beobachtbar, sondern treten nur in Form farbloser4 gebundener Zustände, den Hadronen, auf5 . Die erzeugten Partonen üben als farbgeladene Teilchen Kräfte aufeinander aus, deren Stärke mit anwachsender Entfernung zwischen den Teilchen zunimmt. Dies vergrößert die Wahrscheinlichkeit für die Abstrahlung weiterer Gluonen, die aufgrund der hohen Energien der ursprünglichen Partonen weitgehend kollinear zu deren Flugrichtung erfolgt. Die abgestrahlten Gluonen besitzen genug Energie zur Erzeugung weiterer q q̄-Paare. Diese Prozesse, bei dem ausgehend von farbgeladenen Partonen farbneutrale Hadronen entstehen, werden als Fragmentation und Hadronisation bezeichnet. Was im Detektor nachgewiesen wird ist ein je nach der Energie des ursprünglichen Partons mehr oder weniger kollimiertes Bündel von Hadronen, das als Jet bezeichnet wird. Aus den Eigenschaften dieses Jets muss auf die Eigenschaften des Partons geschlossen werden. Dabei ist die Identifikation von Jets aus der Hadronisation von b-Quarks, den b-Jets, von großer Bedeutung für viele der am LHC untersuchten Bereiche der Physik. Diese Bereiche beinhalten neben der Top-Quark-Physik die genannten Suchen nach Higgs-Teilchen, die vom Standardmodell, Supersymmetrie oder anderen Modellen neuer Physik vorhergesagt werden, oder einem anderen Verfahren der Brechung der elektroschwachen Symmetrie. Darüber hinaus spielt die Identifikation von b-Jets auch für die Suche nach anderen neuen Teilchen, die von Modellen jenseits des Standardmodells vorhergesagt werden, eine große Rolle. 3 engl.: Minimal Supersymmetric Standard Model (MSSM) d. h. dass sich ihre Farbladungen zu Null addieren 5 diese empirische Tatsache wird als confinement bezeichnet 4 2 Berechnungen zufolge sind die Wirkungsquerschnitte6 für die Erzeugung von Higgs-Bosonen und anderer neuer Teilchen, nach denen am LHC gesucht wird, sehr viel kleiner als die der am häufigsten erzeugten Teilchen. Daher ist eine hohe Luminosität7 erforderlich. Als Konsequenz treten jeweils mehrere pp-Kollisionen simultan auf. Dieser Effekt wird als pileup bezeichnet. pileup äußert sich in Form zusätzlicher Primärvertizes und zusätzlicher, in der Regel niederenergetischer Jets. Bei der Rekonstruktion der Ereignisse lassen sich Jets nicht immer auf eindeutige Weise einem Vertex zuordnen und aufgrund der begrenzten Spur- und Vertexauflösung werden Fehler bei der Zuordnung von Jets zu Vertizes gemacht. Darüber hinaus können Jets Spuren, die von anderen Vertizes ausgehen, aufnehmen, wodurch Energie und Richtung des Jets geändert werden. Das Ziel dieser Diplomarbeit ist es einige der Auswirkungen dieses Untergrundes auf die Identifikation von b-Jets zu untersuchen. Es wurde außerdem versucht, Verfahren zur Erkennung von pileup-Jets so zu optimieren, dass die Beeinträchtigung der b-Jet-Identifikation minimiert wird. In Analysen der 2010 am ATLAS-Experiment aufgenommenen Daten wird zur pileup-Unterdrückung ein am Tevatron entwickeltes Verfahren [1] verwendet, das auf der Kombination von Spur- und Kalorimeter-Information beruht. Als Diskriminante für die Erkennung von pileup-Jets wird die Jet-Vertex-Fraction (JV F ) verwendet. Diese ist ein Maß dafür, welcher Anteil des einem Jet zugeordneten Spur-Transversalimpulses von Spuren beigetragen wird, die vom Hauptprimärvertex8 ausgehen. Die Auswirkungen verschiedener Schnitte in dieser Diskriminante auf die Identifikation von b-Jets wurden in dieser Arbeit systematisch verglichen und es wurde untersucht, ob es möglich ist, einen Schnittwert zu bestimmen, der den Einfluss von pileup auf die b-Jet-Identifikation minimiert. Die Arbeit ist in folgende Teile gegliedert: In Kapitel 2 wird der LHC und das ATLASExperiment beschrieben. Kapitel 3 befasst sich mit der Identifikation von b-Jets. Das erwähnte Verfahren zur pileup-Unterdrückung wird in Kapitel 4 erläutert. Kapitel 5 beschäftigt sich mit der Untersuchung möglicher Korrelationen zwischen JV F -Schnitt und b-Jet-Identifikation in simulierten tt̄-Ereignissen. In Kapitel 6 wird diese Studie auf 2010 aufgenommene ATLASDaten ausgedehnt. Hierzu wird die Effizienz der b-Jet-Identifikation bei Anwendung eines JV F -Schnittes in Daten bestimmt. Dies geschieht mit einem der Standardverfahren zur Effizienzbestimmung, dem prel T -Verfahren. Kapitel 7 beschreibt die detaillierte Untersuchung der durch den JV F -Schnitt verursachten Verluste an b-Jets. In Kapitel 8 werden die wichtigsten Ergebnisse zusammengefasst. 6 der Wirkungsquerschnitt ist ein Maß für die Wahrscheinlichkeit, mit der sich ein bestimmter Prozess ereignet oder ein bestimmtes Teilchen erzeugt wird. Er besitzt die Dimension einer inversen Fläche. 7 die Luminosität L ist die Größe, die die Ereignisrate Ṅ mit dem Wirkungsquerschnitt σ in Verbindung setzt. Es gilt: Ṅ = L · σ 8 für eine Definition dieses Begriffs siehe 4.2 3 Kapitel 2. Das ATLAS-Experiment am Large Hadron Collider 2.1. Der Large Hadron Collider Der Large Hadron Collider (LHC) ist ein Proton-Proton-Ringbeschleuniger, der vom Europäischen Kernforschungs-Zentrum CERN (Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire) nahe Genf im Tunnel des ehemaligen LEP-Beschleunigers (Large Electron-Positron Collider) gebaut wurde. Dieser befindet sich in einer Tiefe zwischen 45 m and 170 m unterhalb der Französisch-Schweizerischen Grenze und besitzt einen Umfang von 26,7 km. In ihm werden Protonen in zwei getrennten Strahlröhren in entgegengesetzter Richtung beschleunigt und an vier Wechselwirkungspunkten zur Kollision gebracht. An diesen vier Punkten befinden sich die vier Detektoren: LHCb (Large Hadron Collider beauty experiment), ATLAS (A Toroidal LHC ApparatuS), ALICE (A Large Ion Collider Experiment) und CMS (Compact Muon Solenoid). Die vier Experimente decken einen weiten Bereich an aktuellen physikalischen Forschungsgebieten ab: LHCb ist an die Erfordernisse der b-Quark-Physik angepasst. Die zentralen Themen sind die präzise Messung der CP-Verletzung und die Untersuchung seltener Zerfälle. ALICE nimmt nur Daten zu Schwerionenkollisionen auf und ist der Untersuchung der Physik stark wechselwirkender Materie unter extremen Energiedichten, bei denen ein Phasenübergang zu einem Quark-Gluon-Plasma erwartet wird, gewidmet. Die übrigen beiden Detektoren, ATLAS und CMS, sind als Vielzweckdetektoren ausgelegt und erlauben die Untersuchung eines breiteren Spektrums an phyksikalischen Themen. Ihre Hauptaufgaben sind die präzise Vermessung von Parametern des Standardmodells, z. B. im Bereich der Top-QuarkPhysik, sowie die Suche nach dem Higgs-Boson und nach Phänomenen jenseits des Standardmodells. Die Protonen, welche am LHC zur Kollision gebracht werden, werden durch Ionisation von Wasserstoffatomen gewonnen und durchlaufen mehrere Vorbeschleuniger bevor sie in den eigentlichen Beschleuniger injiziert werden. Im LHC erreichen diese eine Energie von √ 3,5 TeV, entsprechend einer Schwerpunktsenergie von s = 7 TeV. Diese soll in der Zukunft auf 14 TeV erhöht und damit eine Designluminosität von 1034 cm−2 s−1 erreicht werden. Wenn es soweit ist werden 2808 Pakete mit je 1011 Protonen im zeitlichen Abstand von 25 ns umlaufen können. Neben Protonen werden am LHC auch Schwerionen, insbesondere Bleikerne, zur Kollision gebracht. Die Schwerpunktsenergie pro Nukleonenpaar betrug im √ Jahr 2010 sN N = 2,76 TeV [2]. Insgesamt 1232 jeweils 14 m lange Dipolmagnete halten die umlaufenden Teilchen auf ihrer Sollbahn. Diese werden supraleitend betrieben und erzeugen ein Magnetfeld der Stärke 8,33 T. Die Strahlenergie ist durch die maximal erreichbare Magnetfeldstärke begrenzt. 5 Kapitel 2. Das ATLAS-Experiment am Large Hadron Collider Die Beschleunigung der Teilchen erfolgt in Hochfrequenzkavitäten mit einer Frequenz von 400 Hz. Eine Detaillierte Beschreibung des LHC und seiner Komponenten findet sich z. B. in [3]. 2.2. Der ATLAS-Detektor Der ATLAS-Detektor ist einer der beiden Vielzweckdetektoren am LHC. Er ist 44 m lang, 25 m hoch und besitzt eine Masse von etwa 7000 t. Abbildung 2.1 zeigt ein computergeneriertes Bild des ATLAS-Detektors. Seine drei Hauptbestandteile sind der innere Detektor, das Kalorimeter- und das Myonsystem. Diese werden im folgenden kurz beschrieben. Eine detaillierte Beschreibung findet sich zum Beispiel in [4]. c Abbildung 2.1.: ATLAS-Detektor (ATLAS Experiment2011 CERN) 2.2.1. Größen zur Beschreibung der Ereigniskinematik In diesem Abschnitt werden einige wichtige Größen zur Beschreibung der Ereigniskinematik an Hadron-Ringbeschleunigern eingeführt, die im Folgenden häufig verwendet werden. Abstände und Winkel werden bezüglich eines zylindrischen Koordinatensystems, dessen Ursprung durch den nominellen Wechselwirkungspunkt gegeben und dessen z-Achse durch die Strahlachse definiert ist, gemessen. Der Azimuthwinkel φ wird in der Ebene senkrecht zur Strahlachse gemessen, wobei φ = 0 der Richtung vom Koordinatenursprung zum Zentrum des LHC-Rings entspricht. Der Polarwinkel θ wird von der Strahlachse aus gemessen. Wie an Hadronkollidern üblich wird zur Beschreibung der Ereigniskinematik statt des Polarwinkels die Pseudorapidität η verwendet, die mit diesem über die Beziehung η = − ln tan(θ/2) 6 2.2. Der ATLAS-Detektor zusammenhängt. Für vernachlässigbar kleine Masse, was bei den typischerweise am LHC auftretenden Teilchenenergien eine gute Näherung darstellt, ist die Pseudorapidität η gleich der Rapidität 1 E + pz y = ln 2 E − pz des Teilchens. Als Abstandsmaß in der η- φ-Ebene wird q ∆R = (∆η)2 + (∆φ)2 verwendet. Da die in Proton-Proton-Kollisionen miteinander wechselwirkenden Quarks und Gluonen, aus denen die Protonen zusammengesetzt sind, einen unbekannten Anteil des jeweiligen Protonimpulses tragen und die Protonreste, die durch die Strahlröhre verschwinden, den grössten Impulsanteil hinfortführen ist die Summe der im Detektor gemessenen Impulse keine Erhaltungsgröße. Da allerdings der gesamte Impuls in der Ebene senkrecht zur Strahlachse vor der Kollision null ist, muss dies auch hinterher der Fall sein. Deshalb wird an Hadronkollidern üblicherweise statt des Impulses eines Teilchens dessen Transversalimpuls pT = p sin θ zur Beschreibung der Ereigniskinematik verwendet. Eine weitere verwandte Größe ist die ~ T : Da Neutrinos ausschließlich schwach wechselwirken verfehlende transversale Energie 6E lassen sie in praktisch allen Fällen den Detektor ohne Energiedeposition. Der Transversalimpuls des Neutrinos ist dann gleich X E 6~T = − E i sin θi ~ni,⊥ , i wobei über alle Energieeinträge im Kalorimeter summiert wird. ~ni,⊥ bezeichnet den Richtungvektor in der R– φ– Ebene, der zur Energiedeposition i im Kalorimeter zeigt. 2.2.2. Der Innere Detektor Der Innere Detektor erstreckt sich in radialer Richtung bis zu einem Abstand von 1,15 m von der Strahlachse und deckt einen Pseudorapiditätsbereich von |η| < 2, 5 ab. Er setzt sich aus drei ineinander geschachtelten Komponenten zusammen: Dem Pixeldetektor, dem Siliziumstreifendetektor (SCT - semiconductor tracker) und dem Übergangsstrahlungsdetektor (TRT transition radiation tracker). Diese bestehen jeweils aus einem Zentralbereich und zwei Endkappenbereichen. Im Zentralbereich sind die einzelnen Detektorkomponenten in zur Strahlachse konzentrischen Zylinderschalen und im Endkappenbereich in hintereinander liegenden kreisförmigen Scheiben angeordnet. Eine schematische Abbildung des gesamten Inneren Detektors zeigt Abbildung 2.2. Den innersten Teil bis zu einer radialen Ausdehnung von 24,2 cm von der Strahlachse bildet der Pixeldetektor. Er dient in erster Linie der präzisen Messung von Wechselwirkungs- bzw. Zerfallspunkten (Vertizes) und erlaubt das Auffinden von Sekundärvertizes zum Beispiel von b-Quark-Zerfällen. Er besteht aus drei Zylinder- und sechs Scheibenelementen und weist von den drei Komponenten die höchste Granularität mit einer minimalen Pixelgröße in R– φ und 7 Kapitel 2. Das ATLAS-Experiment am Large Hadron Collider c Abbildung 2.2.: Schnitt durch den Inneren Detektor (ATLAS Experiment2011 CERN) z von 50 × 400 µm auf. Die intrinsische Genauigkeit beträgt im Zentralbereich 10 µm in R– φ bzw. 115 µm in R. Der Pixeldetektor besitzt etwa 80.4 Millionen Auslesekanäle. An den Pixeldetektor schließt in radialer Richtung der Siliziumstreifendetektor an. Dieser erstreckt sich im Zentralbereich von R = 25,5 cm bis R = 54,9 cm und besteht aus vier Zylinder- und insgesamt 18 Scheibenelementen. Jede Schicht besteht aus zwei Lagen von jeweils 2,64 cm langen in Reihe geschalteten Sensoren mit einem Streifenabstand von 80 µm, die im Winkel von 90◦ gegeneinander orientiert sind. Die intrinsische Genauigkeit beträgt im Zentralbereich 17 µm in R– φ bzw. 580 µm in z und im Endkappenbereich 17 µm in R– φ bzw. 580 µm in R. Der Siliziumstreifendetektor besitzt etwa 6.3 × 106 Auslesekanäle. Der gesamte Innere Detektor ist von dem zentralen supraleitenden Solenoiden umgeben, welcher ein Magnetfeld der Stärke 2 T erzeugt und eine Krümmung der Teilchentrajektorien bewirkt. Die Kombination aller Elemente erlaubt eine effiziente Spur- und Vertexrekonstruktion sowie die präzise Messung von Impulsen geladener Teilchen. 2.2.3. Das Kalorimetersystem Das Kalorimetersystem des ATLAS-Detektors besteht aus einem elektromagnetischen Kalorimeter zum Nachweis von Elektronen, Positronen und Photonen und einem hadronischen Kalorimeter zum Nachweis stark wechselwirkender Teilchen (Hadronen). Diese sind jeweils so konzipiert dass sich passive Lagen, in denen die Teilchen elektromagnetische bzw. hadronische Schauer ausbilden, mit aktiven Lagen, in denen die Energie der Schauer gemessen wird, abwechseln. Hierbei ist es wichtig, dass möglichst die gesamte Energie der ursprünglichen Teilchen im Detektor deponiert wird. Eine charakteristische Größe zur Beschreibung der Ausbreitung elektromagnetischer Schauer ist die Strahlungslänge X0 . Diese ist definiert als die Strecke, auf der ein Elektron bzw. Photon durch Bremsstrahlungs- bzw. Paarbildungsprozesse seine ursprüngliche Energie bis auf 1/e an das Detektormaterial abgegeben hat. Als 8 2.2. Der ATLAS-Detektor Maß für die Ausdehnung hadronischer Schauer wird die Wechselwirkungslänge λ verwendet. Diese gibt die mittlere freie Weglänge von Hadronen zwischen zwei inelastischen Wechselwirkungen mit dem Detektormaterial an. Insgesamt wird der Pseudorapiditätsbereich bis |η| < 4, 9 abgedeckt. Abbildung 2.3 zeigt eine computergenerierte Darstellung des gesamten Kalorimetersystems des ATLAS-Detektors. Abbildung 2.3.: Innenansicht c Experiment2011 CERN) des Kalorimetersystems des ATLAS-Detektors (ATLAS Das Elektromagnetische Kalorimeter Das Elektromagnetische Kalorimeter ist ähnlich wie der Innere Detektor in einen zylindrischen Zentralbereich und zwei Endkappen unterteilt. Der Zentralbereich deckt dabei den Pseudorapiditätsbereich |η| < 1, 475 ab, der Endkappenbereich 1, 375 < |η| < 3, 2. Beide Teile sind jeweils in einem eigenen Kryostat untergebracht, wobei sich die zylindrische Komponente das Vakuumgefäß mit dem zentralen Solenoid teilt. Der Zylinder ist bei z = 0 in zwei identische Hälften unterteilt, mit einer 4 mm breiten Lücke dazwischen. Die beiden Endkappen sind jeweils bei η = 2, 5 in zwei konzentrische Räder gegliedert. Als aktives Material zur Messung der Schauerenergie dient hier flüssiges Argon (LAr), das sich mit Lagen aus Blei zur Schauerbildung abwechselt. Beide Lagen sind in φ in sich überlappende Segmente unterteilt, womit Spalten in azimuthaler Richtung vermieden werden. Die gesamte Dicke des Elektromagnetischen Kalorimeters gemessen in Strahlungslängen beträgt über 22 X0 im Zentralbereich und mehr als 24 X0 in den Endkappen. Das Hadronische Kalorimeter Auch das Hadronische Kalorimeter besitzt eine zylinderförmige Komponente, die von zwei Endkappen eingefasst wird. Anders als das Elektromagnetische besitzt das Hadronische Ka- 9 Kapitel 2. Das ATLAS-Experiment am Large Hadron Collider lorimeter zusätzlich ein Vorwärtskalorimeter. Der zylindrische Teil besteht aus einer zentralen (|η| < 1.0) und zwei äußeren (0, 8 < |η| < 1, 7) Komponenten, die jeweils azimuthal in 64 Segmente unterteilt sind. Sie besitzen eine radiale Ausdehnung von 2,28 m bis 4,25 m. Das entspricht 9,7 λ bei η = 0. Das aktive Material wird von Szintillatorkacheln1 gebildet, als Absorbermaterial kommt hier Stahl zum Einsatz. Die Endkappen sind jeweils aus zwei unabhängigen Scheiben, die ihrerseits in der Tiefe zweigeteilt sind, aufgebaut. Es ergeben sich somit vier Lagen pro Seite. Sie schließen in zRichtung direkt an die Endkappenkomponenten des Elektromagnetischen Kalorimeters an und teilen sich mit diesen jeweils das selbe Kryostat. Die Endkappenkomponenten des Hadronischen Kalorimeters decken den Pseudorapiditätsbereich 1, 5 < |η| < 3, 2 ab und überlappen damit sowohl mit der zylindrischen Komponente (|η| < 1, 7) als auch mit dem Forwärtskalorimeter (|η| > 3, 1). Die Nachweislagen bestehen wie beim Elektromagnetischen Kalorimeter aus flüssigem Argon. Zwischen diesen befinden sich Kupferplatten als Absorberschichten. Die Scheiben sind azimuthal in je 32 Sektoren gegliedert. Auch die Vorwärtskalorimeter sind in die selben Entkappenkryostate integriert. Sie sind in der Tiefe dreifach segmentiert und die innere Komponente, bestehend aus Kupfer, ist für die Energiemessung elektromagnetischer Schauer optimiert. Die nach außen anschließenden Komponenten bestehen aus Wolfram und dienen in erster Linie der Messung der Energie hadronischer Schauer. Als aktives Material dient auch hier flüssiges Argon. 2.2.4. Das Myonsystem Die äußersten Bereiche des ATLAS-Detektors bilden das Myonsystem. Hier werden die Trajektorien von Myonen, die als minimal ionisierende Teilchen als einzige das Kalorimetersystem durchdringen, mit Hilfe von Spurkammern rekonstruiert. Das Myonsystem verfügt über ein eigenes Magnetsystem, welches eine unabhängige Impulsmessung ermöglicht. Es nimmt mehr als die Hälfte des Volumens des gesamten Detektors ein. Eine schematische Übersicht über die einzelnen Komponenten enthält Abbildung 2.4. Im zentralen Pseudorapiditätsbereich |η| < 1, 4 wird das Magnetfeld von acht symmetrisch zur z-Achse angeordneten und gleichmäßig über den vollen Azimuthalwinkelbereich verteilten großen Toroidspulen erzeugt. Diese werden supraleitend betrieben und sind jeweils in eigenen Kryostaten untergebracht. Sie erzeugen ein Ablenkvermögen2 von 1,5 Tm bis 5,5 Tm. Der Pseudorapiditätsbereich 1, 4 < |η| < 1, 6 wird dabei als Übergangsbereich bezeichnet. Das Magnetfeld setzt sich aus den Feldern beider Komponenten zusammen, das Ablenkvermögen ist hier geringer. Im zentralen Bereich sind die Spurkammern in drei zylindrischen Lagen um die Strahlachse, im Übergangs- und Endkappenbereich ebenfalls in jeweils drei Lagen, aber senkrecht zur Strahlachse angeordnet. Zur präzisen Vermessung von Spurkoordinaten im Pseudorapiditätsbereich |η| < 2, 7 dienen Driftröhren (MDTs - Monitored Drift Tubes), im Bereich 2, 0 < |η| < 2, 7 zusätzlich Kathodenstreifenkammern (CSCs - Cathode Strip Chambers). Bei letzteren handelt es sich um Vieldrahtproportionalkammern mit in Streifen segmentierten Kathoden. Sie werden in der innersten Lage verwendet und weisen eine gröbere Granularität auf. Darüber hinaus verfügt 1 2 daher die englische Bezeichnung tile calorimeterR Das Ablenkvermögen wird durch das Integral B⊥ ds charakterisiert, wobei B⊥ die Komponente des Magnetfeldes senkrecht zur Myontrajektorie bezeichnet und entlang einer Myontrajektorie mit unendlichem Impuls über den gesamten sensitiven Bereich des Detektors integriert wird 10 2.2. Der ATLAS-Detektor c Abbildung 2.4.: Das Myonsystem des ATLAS-Detektors (ATLAS Experiment2011 CERN) das Myonsystem im Pseudorapiditätsbereich |η| < 2.4 über eigene Triggerkammern3 mit einer Zeitauflösung von 1,5 ns bis 4 ns. 2.2.5. Das Triggersystem Bei der Designluminosität des LHC von 1034 cm−2 s−1 werden Proton-Proton-Wechselwirkungen mit einer Rate von etwa 1 GHz erwartet. Die Rate mit der Ereignisse aufgezeichnet werden können ist jedoch aus technischen Gründen auf 200 Hz beschränkt. Es kann also nur ein Ereignis aus 5 × 106 weiterverarbeitet werden. Die Aufgabe des Triggersystems ist es für jedes Ereignis die Entscheidung, ob es entweder weiterverarbeitet oder verworfen wird, so zu treffen, dass interessante Ereignisse, die zum Beispiel Hinweise auf neue Phänomene enthalten, mit maximaler Effizienz ausgewählt werden. Dieses Triggersystem besteht aus drei Teilsystemen: Dem Level-1 (L1)- und Level-2 (L2)-Triggersystem sowie dem Ereignisfilter. Das Level-1-Triggersystem sucht in einem ersten Schritt auf der Grundlage einer Teilmenge der gesamten Detektorinformation z. B. nach Leptonen oder Jets mit hohem Transversalimpuls oder nach Ereignissen mit hoher fehlender transversaler Energie und definiert dabei interessante Regionen im Detektor, sogenannte RoI (Regions of Interest). Die Koordinaten dieser RoI werden dann an die nächste Stufe weitergegeben. Dabei wird die Ereignisrate auf 75 kHz reduziert, limitiert durch die Bandbreite des Auslesesystems. Dies geschieht innerhalb von 2,5 µs. Das Level-2-Triggersystem trifft dann eine Entscheidung auf der Grundlage der vollständigen Detektorinformation für die RoI und wendet dafür in der Regel zusätzliche Auswahlbe3 Resistive Plate Chambers (RPCs) im Zentral- und Thin Gap Chambers (TGCs) im Endkappenbereich 11 Kapitel 2. Das ATLAS-Experiment am Large Hadron Collider dingungen an. Die Ereignisrate wird hierbei weiter auf 3,5 kHz reduziert. Die Bearbeitungszeit für ein Ereignis beträgt im Mittel 40 ms. Im letzten Schritt trifft der Ereignisfilter auf der Grundlage der vollständigen Detektorinformation die entgültige Entscheidung, ob das Ereignis dauerhaft gespeichert werden soll. Dabei wird die Ereignisrate nochmals auf 200 Hz reduziert. Die Bearbeitungszeit für ein Ereignis beträgt etwa 4 s. 12 Kapitel 3. Identifikation von b-Jets Als b-Jets bezeichnet man Jets, die durch die Hadronisation von b-Quarks entstehen. Deren Identifikation, b-tag genannt, ist von großer Bedeutung für viele der am ATLAS-Experiment zentralen Gebiete der Hochenergiephysik, z. B. für die Top-Quark-Physik und für die Suche nach dem vom Standardmodell der Elementarteilchenphysik vorhergesagten Higgs-Boson sowie nach den Higgs-Bosonen, die von supersymmetrischen Erweiterungen des Standardmodells vorhergesagt werden. Als Beispiel sei hier die Erzeugung eines leichten Standardmodell-Higgs-Bosons in Assoziation mit einem tt̄-Paar erwähnt. Für mH < 130 GeV ist der dominante Zerfallskanal der in ein bb̄-Paar. Da das Top-Quark mit nahezu hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit in W und b zerfällt zeichnet sich der Endzustand je nach dem Zerfallsmodus der beiden W -Bosonen durch mindestens vier b-Jets aus. Wichtige Größen, die die Qualität der Identifikation von b-Jets charakterisieren, sind die Effizienz der b-Jet-Identifikation (b-Tag-Effizienz), sowie die Unterdrückung von c- und leichten Jets1 . Die b-Tag-Effizienz b ist definiert als der Quotient aus der Anzahl der b-Jets, die von einem bestimmten b-Tag-Algorithmus getagged worden sind, und der Anzahl der b-Jets insgesamt. Die Unterdrückung leichter Jets Rl ist definiert als der Quotient aus der Anzahl der leichten Jets insgesamt und der Anzahl der leichten Jets, die von einem bestimmten b-TagAlgorithmus getagged, also fälschlicherweise als b-Jets identifiziert worden sind. Die Unterdrückung von c-Jets Rc ist analog zu der leichter Jets definiert. Bezeichnet Ni , mit i = b, c, l, die tag Anzahl an b-, c- bzw. leichten Jets und Ni die jeweilige Anzahl der als b-Jets identifizierten Jets, so gilt: tag N Nl Nc b = b , Rc = tag , Rl = tag . Nb Nc N l Für die Identifikation von b-Jets sind die folgenden Eigenschaften von b-Hadronen von Bedeutung: • harte Fragmentation: b-Hadronen erhalten etwa 70 % des ursprünglichen Impulses des b-Quarks. • große Masse: b-Hadronen besitzen im Vergleich zu anderen Hadronen große Massen von mehr als 5 GeV. Ihre Zerfallsprodukte weisen daher im Allgemeinen größere Impulse relativ zur Jetachse auf. Für nicht zu große Impulse der b-Jets ist der Öffnungswinkel groß genug, dass eine Unterscheidung zwischen b- und leichten Jets möglich ist. 1 Jets, die durch die Hadronisation von u-, d-, s-Quarks oder Gluonen entstehen 13 Kapitel 3. Identifikation von b-Jets • lange Lebensdauer: Desweiteren zeichnen sich b-Hadronen durch eine relativ lange Lebensdauer von τ ≈ 1,5 ps aus. Die Strecke, die ein b-Hadron im Laborsystem vor seinem Zerfall zurücklegen kann, ist durch hli = βγcτ gegeben. Bei einem ursprünglichen Transversalimpuls des b-Jets von pT = 50 GeV legen b-Hadronen im Detektor in der Ebene senkrecht zur Strahlachse im Mittel etwa 3 mm zurück bevor sie zerfallen. Dies führt zur Ausbildung signifikant vom Primärvertex entfernter Sekundärvertizes. Der Abstand L zwischen Primär- und Sekundärvertex wird als Zerfallslänge bezeichnet. In Folge einer großen Zerfallslänge weisen die Spuren der Zerfallsprodukte von b-Hadronen im Allgemeinen auch große Stoßparameter bezüglich des Primärvertex auf. Als Stoßparameter einer Spur wird der gerinste Abstand dieser Spur oder deren Extrapolation zum Primärvertex bezeichnet. Zur Veranschaulichung der Grössen Zerfallslänge und Stoßparameter enthält Abbildung 3.1 die schematische Darstellung der Geometrie eines b-Jets. • semileptonischer Zerfall: Etwa 10 % aller b-Hadronen zerfallen semileptonisch [5]. Aufgrund der harten Fragmentation und der großen Masse der b-Hadronen erhalten die Leptonen große Impulse relativ zur Jetachse. Abbildung 3.1.: Geometrie eines b-Jets [6]. Eingezeichnet ist der Zerfallsvertex des b-Hadrons sowie die Zerfallslänge und der Stoßparameter einer Spur Diese Eigenschaften werden von verschiedenen b-Tag-Algorithmen für die Unterscheidung zwischen b-Jets und c- sowie leichten Jets ausgenutzt. Die in dieser Diplomarbeit verwendeten b-Tag-Algorithmen werden in den Abschnitten 3.1 bis 3.3 kurz beschrieben. Dabei handelt es sich überwiegend um einfache und robuste Algorithmen, die in Analysen von 2010 genommenen Daten verwendet werden. Obwohl diese weniger leistungsstark als die komplexeren Algorithmen sind, erlaubt gerade ihre Einfachheit eine frühe Anwendung. In Abschnitt 3.4 14 3.1. Der TrackCounting- und der JetProb-Algorithmus wird die in dieser Arbeit angewandte Methode zur Bestimmung der b-Tag-Effifienz in Daten vorgestellt. 3.1. Der TrackCounting- und der JetProb-Algorithmus Die b-Tag-Algorithmen TrackCounting und JetProb [7] basieren auf der präzisen Vermessung von Stoßparametern von Jets zugeordneten Spuren im Inneren Detektor. Die Spurzuordnung erfolgt dabei durch einen Schnitt in ∆R: Spuren, deren Abstand in ∆R zum nächsten Jet einen bestimmten Grenzwert unterschreitet, werden mit diesem Jet assoziiert. Der Grenzwert variiert dabei mit dem Transversalimpuls des Jets, um der stärkeren Kollimation von Jets mit großen Transversalimpulsen Rechnung zu tragen. Die Jetrichtung wird kalorimetrisch bestimmt. Wie bereits erwähnt unterscheidet sich die Verteilung der Stoßparameter für b-, c und leichte Jets. Die Spuren, die den Algorithmen als Input dienen, müssen außerdem bestimmte Qualitätsmerkmale aufweisen. Diese gelten für alle b-Tag-Algorithmen, die auf der Messung von Stoßparametern basieren, und sind in Tabelle 3.1 aufgelistet. Die Kriterien zielen darauf ab, gut vermessene Spuren auszuwählen und falsch rekonstruierte Spuren sowie Spuren langlebiger Teilchen wie z. B. KS0 oder Λ als auch von Photonkonversionen, die auf Wechselwirkung mit dem Detektormaterial hinweisen, zu verwerfen. pT |d0 | |z0 sin θ| Anzahl rekonstruierter Punkte in Pixeldetektor und SCT Anzahl rekonstruierter Punkte im Pixeldetektor davon in innerster Lage > 1 GeV < 1,0 mm < 1,5 mm ≥7 ≥2 ≥1 Tabelle 3.1.: Spurauswahlkriterien für b-Tag-Algorithmen, die auf der Messung von Stoßparametern basieren: d0 und z0 bezeichnen jeweils den transversalen bzw. longitudinalen Stoßparameter bzgl. des Primärvertex. Beide Algorithmen verwenden nur den transversalen Stoßparameter d0 einer Spur: Das ist die Projektion des Stoßparameters auf die Ebene senkrecht zur Strahlachse. Der Stoßparameter wird bezüglich des Primärvertex berechnet. Um die Sensitivität auf das Jet-flavour zu vergrößern, wird der transversale Stoßparameter mit einem Vorzeichen versehen. Dieses ist Abhängig von der Größe des Winkels ψ, den die Verbindungslinie zwischen dem Primärvertex und dem Punkt der Spur, der den geringsten Abstand zum Primärvertex aufweist, mit der Jetrichtung einschließt. Beträgt dieser weniger als 90◦ , so ist d0 positiv, andernfalls negativ. Die experimentelle Auflösung liefert ein zufälliges Vorzeichen von d0 für Spuren, die vom Primärvertex ausgehen, während Spuren der Zerfallsprodukte von b-Hadronen zu positiven Vorzeichen neigen. Der TrackCounting-Algorithmus verwendet, um präziser vermessenen Spuren mehr Gewicht zu verleihen, statt des transversalen Stoßparameters selbst dessen Signifikanz Sd0 = d0 σ(d0 ) als Diskriminante zur Unterscheidung von b-, c- und leichten Jets. σ(d0 ) bezeichnet hier die 15 Kapitel 3. Identifikation von b-Jets Messunsicherheit von d0 . Der Algorithmus verlangt nach einer Mindestanzahl von Spuren, die die in Tabelle 3.1 genannten Kriterien erfüllen und deren transversale Stoßparametersignifikanz Sd0 einen bestimmten Minimalwert überschreitet, und ordnet diese nach abnehmendem Wert von Sd0 . Ein Jet gilt als getagged wenn der zweitgrößte Wert von Sd0 einen bestimmten Grenzwert überschreitet. Abbildung 3.2 zeigt die Verteilung dieser Diskriminante in simulierten tt̄-Ereignissen, getrennt für b-, c- und leichte Jets. Der zugrundeliegende Datensatz sowie die flavour-Kennzeichnung von Jets in simulierten Ereignissen sind in Kapitel 5 beschrieben. Man erkennt dass die Werte für leichte Jets symmetrisch um Null verteilt sind, während b-Jets wie erwartet im Mittel positive Werte aufweisen. Abbildung 3.2.: Verteilung des zweitgrößten Wertes von Sd0 in simulierten tt̄-Ereignissen, getrennt für b-, c- und leichte Jets Der JetProb-Algorithmus, der auf dem ALEPH Tag-Algorithmus [8], der ausgiebig am LEP und später am Tevatron verwendet wurde, basiert, berechnet zunächst für jede Spur, die die in Tabelle 3.1 genannten Kriterien erfüllt, auf der Grundlage des Wertes von Sd0 eine Wahrscheinlichkeit für die Hypothese, dass die Spur vom Primärvertex ausgeht. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Spur i vom Primärvertex ausgeht, ist durch die folgende Formel gegeben: Z Ptrki = −|di0 /σdi | 0 R(x)dx . −∞ R ist dabei eine Auflösungsfunktion, die aus Daten gewonnen werden kann. Dazu wird der negative Bereich der d0 -Verteilung an der Ordinate gespiegelt. Hierbei wird angenommen dass der Anteil an Spuren aus b-Hadron-Zerfällen vernachlässigbar ist. In einem zweiten Schritt wird anschließend aus den individuellen Spurwahrscheinlichkeiten Ptrki eine Wahrscheinlichkeit Pjet für den Jet berechnet: Pjet = P0 N −1 X j=0 mit P0 = N Y i=1 16 (− ln P0 )j , j! Ptrki . 3.2. Der SV0-Algorithmus Pjet ist demnach das Produkt der Einzelwahrscheinlichkeiten, gewichtet mit einem Faktor, der von der Spurmultiplizität des Jets abhängt. Ein Jet gilt als getagged wenn Pjet einen bestimmten Grenzwert überschreitet. Abbildung 3.3 (a) zeigt die Verteilung von Pjet in simulierten tt̄-Ereignissen, getrennt für b-, c- und leichte Jets. Der zugrundeliegende Datensatz sowie die flavour-Kennzeichnung von Jets in simulierten Ereignissen sind in Kapitel 5 beschrieben. Die Verteilung von Pjet ist relativ flach für leichte Jets, während sie für b-Jets zu kleinen Werten hin stark ansteigt. Statt Pjet wird − log10 (Pjet ) als Diskriminante verwendet. Die entsprechende Verteilung von − log10 (Pjet ) zeigt Abbildung 3.3 (b). In Abhängigkeit dieser Diskriminanten fallen die Verteilungen für leichte und c-Jets stark ab, während die Verteilung für b-Jets bei Werten um zwei ein lokales Maximum aufweist und zu größeren Werten deutlich schwächer abfällt als die Verteilungen für leichte und c-Jets. (a) (b) Abbildung 3.3.: Verteilung von (a) Pjet und (b) − log10 (Pjet ) in simulierten tt̄-Ereignissen, getrennt für b-, c- und leichte Jets 3.2. Der SV0-Algorithmus Der SV0-Algorithmus [6] basiert auf der expliziten Rekonstruktion von Sekundärvertizes. Als Input dienen auch hier im Inneren Detektor präzise vermessene dem jeweiligen KalorimeterJet zugeordnete Spuren, die bestimmte Qualitätskriterien erfüllen. Diese unterscheiden sich etwas von denen, die für b-Tag-Algorithmen, die auf der Messung von Stoßparametern von Spuren basieren, gelten (siehe Tabelle 3.1) und sind in Tabelle 3.2 aufgelistet. Die Sekundärvertexrekonstruktion erfolgt in vier Schritten: • Zunächst werden Vertizes aus jeweils zwei Spuren, die einen signifikanten Abstand zum Primärvertex aufweisen, rekonstruiert. Hierfür werden nur Spuren verwendet deren dreidimensionale Stoßparametersignifikanz den Wert 2,3 überschreitet. Die Summe der Stoßparametersignifikanzen beider zu einem Zweispurvertex zugeordneten Spuren muß mindestens 6,6 betragen. Die Zweispurvertizes müssen darüber hinaus einen Wert von χ2 < 4, 5 und der Abstand des Vertex zum Primärvertex muß einen Wert von χ2 > 6, 25 haben. 17 Kapitel 3. Identifikation von b-Jets pT |d0 | |z0 sin θ| σ(d0 ) σ(z0 ) χ2 /ndof Anzahl rekonstruierter Punkte im Pixeldetektor Anzahl rekonstruierter Punkte im SCT Anzahl rekonstruierter Punkte in Pixeldetektor und SCT > 0,5 GeV < 2,0 mm < 2,0 mm < 1,0 mm < 5,0 mm < 3,0 mm ≥2 ≥4 ≥7 Tabelle 3.2.: Spurauswahlkriterien für b-Tag-Algorithmen, die auf der Rekonstruktion von Primärvertizes basieren: d0 und z0 bezeichnen jeweils den transversalen bzw. longitudinalen Stoßparameter bzgl. des Primärvertex, σ(d0 ) und σ(z0 ) deren Messunsicherheiten. χ2 /ndof bezieht sich auf den Spur-Fit • Anschließend werden diejenigen Zweispurvertizes, die mit Photonkonversionen konsistent sind oder deren invariante Massen derer langlebiger Hadronen wie z. B. KS0 oder Λ entspricht, wieder entfernt. Desweiteren werden alle Zweispurvertizes verworfen, deren Abstände zum Primärvertex in der transversalen Ebene grob mit einem der Radien der drei Pixellagen des Inneren Detektors übereinstimmen, da es sich bei diesen mit großer Wahrscheinlichkeit um Wechselwirkungen mit dem Detektormaterial handelt. • Im nächsten Schritt werden für jeden Jet die verbliebenen Zweispurvertizes zu einem einzelnen Sekundärvertex gefittet. Dann werden iterativ die Spuren, die den größten χ2 -Beitrag liefern, entfernt, bis die Fitwahrscheinlichkeit größer als 0,001, die invariante Masse des Vertex kleiner als 6 GeV und der größte χ2 -Beitrag einer Spur höchstens 7 ist. • Zuletzt wird versucht, diejenigen Spuren, die nicht die Kriterien, die bei der Bildung der Zweispurvertizes angewandt wurden, erfüllten, in den Vertexfit zu integrieren. Als Diskriminante dient beim SV0-Algorithmus die Signifikanz der dreidimensionalen Zerfallslänge L/σ(L), wobei die Zerfallslänge L als der Abstand vom Primär- zum rekonstruierten Sekundärvertex definiert ist, und σ(L) dessen Messfehler bezeichnet. Die Zerfallslänge ist ähnlich wie der Stoßparameter mit einem Vorzeichen versehen: Beträgt der Winkel, den die Verbindungslinie vom Primär- zum Sekundärvertex mit der Jetachse einschließt, weniger als 90◦ , so erhält die Zerfallslänge ein positives Vorzeichen, andernfalls ein negatives. Ein Jet gilt als getagged wenn seine dreidimensionale Zerfallslängensignifikanz einen gegebenen Grenzwert überschreitet. Abbildung 3.2 zeigt die Verteilung der Zerfallslängensignifikanz in simulierten tt̄-Ereignissen, getrennt für b-, c- und leichte Jets. Der zugrundeliegende Datensatz sowie die flavour-Kennzeichnung von Jets in simulierten Ereignissen sind in Kapitel 5 beschrieben. Man erkennt dass die Verteilung für kleine Werte von L/σ(L) von c- und leichten, für große Werte von b-Jets dominiert wird. Hierbei ist zu beachten dass die Zerfallslänge nur für wenige Jets definiert ist, nämlich für die, die einen rekonstruierten Sekundärvertex aufweisen. Für alle anderen Jets erhält die Diskriminante den Wert Null. 18 3.3. Der IP3D+SV1-Algorithmus Abbildung 3.4.: Verteilung von L/σ(L) in simulierten tt̄-Ereignissen, getrennt für b-, c- und leichte Jets 3.3. Der IP3D+SV1-Algorithmus Bei IP3D+SV1 [9]. handelt es sich um die Kombination zweier b-Tag-Algorithmen. Beide sind im Vergleich mit den in den vorangegangenen Abschnitten beschriebenen komplexere Algorithmen, die nicht für frühe Daten vorgesehen sind. Der SV1-Algorithmus basiert auf dem selben Verfahren zur Rekonstruktion sekundärer Vertizes wie der in Abschnitt 3.2 beschriebene SV0-Algorithmus. Als Diskriminante wird allerdings nicht die Zerfallslängensignifikanz verwendet. Stattdessen basiert die Unterscheidung zwischen b- und c- sowie leichten Jets auf zwei Verteilungen: die erste ist die zweidimensionale Verteilung der invarianten Masse und dem Verhältnis aus der Summe der Energien der mit dem Sekundärvertex assoziierten Spuren und der Energie aller mit dem Jet assoziierten Spuren. Bei der zweiten handelt es sich um die eindimensionale Verteilung der Anzahl der während der Sekundärvertexrekonstruktion gebildeten Zweispurvertizes. Der IP3D-Algorithmus basiert wie die beiden in Kapitel 3.1 beschriebenen b-Tag-Algorithmen auf der Messung von Stoßparametern von mit Jets assoziierten Spuren im Inneren Detektor. Die Unterscheidung zwischen b- und c- sowie leichten Jets basiert auf zweidimensionalen Histogrammen, in denen die longitudinalen und die transversalen Stoßparameter gegeneinander aufgetragen sind. Auf diese Weise werden Korrelationen zwischen beiden Größen ausgenutzt. In beiden Fällen wird der gemessene Wert Si der jeweiligen Diskriminanten für eine Spur i mit Verteilungen, die die jeweilige Hypothese für b- und leichte Jets, b(Si ) bzw. u(Si ), repräsentieren, verglichen. Der Spur wird dann ein Gewicht Wi = b(Si )/u(Si ) gegeben. Das Gewicht für den Jet ergibt sich daraus durch Aufsummieren der Logarithmen der Beiträge der einzelnen Spuren zu N N X X b(Si ) WJet = ln Wi = ln , u(Si ) i=1 i=1 wobei N die Anzahl der verwendeten Spuren bezeichnet. Der Jet gilt als getagged wenn WJet einen gegebenen Wert überschreitet. Die Verteilung dieser Diskriminanten in simulierten tt̄-Ereignissen zeigt Abbildung 3.5, getrennt für b-, c- und leichte Jets. Der zugrundeliegende Datensatz sowie die flavour-Kennzeichnung von Jets in simulierten Ereignissen sind in Kapitel 5 beschrieben. Es ist zu erkennen 19 Kapitel 3. Identifikation von b-Jets dass die Werte für c- und leichte Jets im Mittel negative, die für b-Jets im Mittel positive Werte aufweisen. Abbildung 3.5.: Verteilung der Diskriminante des IP3D + SV1 - Algorithmus in simulierten tt̄Ereignissen, getrennt für b-, c- und leichte Jets 3.4. Die prel T -Methode Damit b-Tagging in Physikanalysen verwendet werden kann muss die b-Tag-Effizienz, das ist die Effizienz, mit der b-Jets von einem gegebenen b-Tag-Algorithmus korrekt als solche identifiziert werden, bekannt sein. Hierbei kann man sich nicht in erster Linie auf Monte Carlo-Simulationen verlassen. Daher muss die b-Tag-Effizienz in Daten bestimmt werden. Beim ATLAS-Experiment werden mehrere Verfahren zur Messung der b-Tag-Effizienz parallel zueinander entwickelt. In Zukunft ist eine Kombination der verschiedenen Verfahren geplant. Die in dieser Diplomarbeit angewendete Methode, das prel T -Verfahren [10], wird im folgenden kurz beschrieben. Mit Hilfe des prel T -Verfahrens kann die b-Tag-Effizienz in einer Teilmenge der Daten, nämlich der mit Jets, die Myonen enthalten, gemessen werden. prel T bezeichnet den Impuls des Myons senkrecht zur gemittelten Richtung von Jet und Myon: prel T = p sin(θµ,(Jet+µ) ) . Das prel T -Verfahren beruht auf der Beobachtung, dass sich die Verteilung dieser Größe für Myonen in b-Jets, die beim semileptonischen Zerfall von b-Hadronen entstehen, für nicht zu große Jettransversalimpulse deutlich von der Verteilung für c- und leichte Jets unterscheidet. Zur Messung der b-Tag-Effizienz wird zunächst jeweils der Anteil von b-, c- und leichten Jets im zugrundeliegenden Datensatz vor und nach Anwendung eines Schnitts auf die Verteilung der diskriminierenden Variable des untersuchten b-Tag-Algorithmus bestimmt. Dazu werden Templateverteilungen für b-, c- und leichte Jets getrennt konstruiert und an die Datenverteilung angepasst. Die relativen Anteile von b-, c- und leichten Jets werden dabei so bestimmt, dass die Form der Summe der prel T -Verteilungen von b-, c- und leichten Jets mit der prel -Verteilung in Daten möglichst gut übereinstimmt und dass die Abweichung minimiert T wird. Die Templates für b- und c-Jets werden dabei aus Monte Carlo-Simulationen gewonnen. 20 3.4. Die prel T -Methode Für die Templates für leichte Jets ist dies aus statistischen Gründen nicht möglich, sodass diese aus Daten bestimmt werden müssen. Hierzu können Daten mit leichten Jets angereichert werden, indem gefordert wird, das der Wert der diskriminierenden Variable eines anderen bTag-Algorithmus einen bestimmten Grenzwert nicht überschreitet. Die b-Tag-Effizienz kann dann aus der jeweiligen Anzahl an Jets vor bzw. nach der Anwendung des b-Tag-Schnitts tag N (N tag ) und dem jeweiligen Anteil an b-Jets fb (fb ) gemäß der Formel tag data = b fb · N tag fb · N berechnet werden. Um die Abhängigkeit der b-Tag-Effizienz von der Ereigniskinematik zu berücksichtigen kann die b-Tag-Effizienz in Intervallen von pT und η getrennt bestimmt werden. Desweiteren hängt sie von der Topologie des Ereignisses ab und kann zwischen verschiedenen Datensätzen leicht variieren. Um dem Rechnung zu tragen, werden Ergebnisse der Kalibrierung von b-Tag-Algorithmen in Form von Skalierungsfaktoren angegeben, die die in einem bestimmten Datensatz gemessene Effizienz data zu der aus Monte Carlo-Simulationen bestimmten b sim ins Verhältnis setzten, b data κdata/sim = bsim . b b Dabei wird angenommen, dass die Skalierungsfaktoren für unterschiedliche Datensätze übereinstimmen. 21 Kapitel 4. Identifikation von Jets aus Pileup-Wechselwirkungen 4.1. Pileup Unter pileup versteht man die Anwesenheit von Signalen im Detektor, die nicht vom Hauptwechselwirkungspunkt ausgehen, sondern ihren Ursprung in zusätzlichen, simultan aufgezeichneten Proton-Proton-Kollisionen haben. Hierbei kann man zwei Effekte unterscheiden: in time und out of time pileup. Bei in time pileup handelt es sich um das Auftreten von mehr als einer inelastischen Proton-Proton-Kollision während desselben Aufeinandertreffens zweier Teilchenbündel, die mit Teilchenproduktion einhergehen. Die Anzahl der zusätzlich auftretenden Kollisionen steigt dabei mit der Anzahl der Protonen pro Bündel und mit abnehmender Querschnittsfläche des Strahls an. Die Anzahl der Protonen pro Bündel bertägt derzeit am LHC etwa 0, 9 × 1011 , die effektive transversale Ausdehnung des Protonenstrahls etwa 30 µm bis 40 µm [11]. Bei Erreichen der Designluminosität des LHC von 1034 cm−2 s−1 werden schließlich 23 zusätzliche inelastische Kollisionen pro Ereignis vorhergesagt [4]. Als out of time pileup dagegen bezeichnet man die Beiträge mehrerer aufeinander folgender Aufeinandertreffen von Teilchenbündeln. Der zeitliche Abstand aufeinandertreffender Bündel wurde während des Jahres 2010 auf 150 ns verringert [11]. Ausgelegt ist der LHC für einen zeitlichen Abstand von 25 ns [3]. Das ist deutlich geringer als die Integrationszeit einiger Detektorkomponenten. Bei einem zeitlichen Abstand zweier Protonenbündel von 25 ns sind z. B. die Flüssigargonszintillatoren des elektromagnetischen Kalorimeters sensitiv auf 38 aufeinander folgende Kreuzungen von Protonbündeln [4]. pileup beeinflusst durch den Beitrag von Spuren geladener Teilchen mit meist geringen Transversalimpulsen die Jetenergie-Kalibration (engl. jet energy scale (JES) calibration)1 . Desweiteren wird die Winkelauflösung durch zusätzliche Spuren mit geringem pT beeinträchtigt. Jets von pileup-Vertizes erhöhen die Jetmultiplizität und vergrößern die Anzahl an dicht benachbarten (engl. close-by jets) sowie nicht-isolierten Jets. Dies wiederum limitiert die erreichbare Präzision der Jetenergie-Kalibration. Neben der Jetrekonstruktion beeinträchtigt pileup auch die E 6 ~ T -Auflösung und stellt eine Quelle für falsch gemessene fehlende transversale Energie dar. Damit ist nahezu jede Analyse, die Jets oder fehlende transversale Energie verwendet, von pileup betroffen. Die Identifikation von pileup-Jets und eine Korrektur der durch pileup verursachten Effekte ist auf statistischer Ebene mit Hilfe der Jet-Vertex-Assoziation möglich. Diese wird im folgenden Abschnitt beschrieben. 1 Die Korrektur der im Detektor gemessenen Energie eines Jets um Detektor-Effekte. Eine detailliertere Beschreibung findet sich z. B. in [12] 23 Kapitel 4. Identifikation von Jets aus Pileup-Wechselwirkungen 4.2. Die Jet-Vertex-Assoziation Die Jet-Vertex-Assoziation basiert auf einer von der D∅-Kollaboration entwickelten Methode zur Identifikation von Jets, die von pileup-Vertizes ausgehen [1]. Der Jet-Vertex-Assoziationsalgorithmus [13] verwendet im Inneren Detektor vermessene Spuren, um Kalorimeterjets jeweils einem rekonstruierten Primärvertex zuzuordnen. Diese Zuordnung erfolgt in mehreren Schritten. Zunächst werden nur Spuren verwendet, die bestimmte Qualitätskriterien erfüllen. Anschließend wird jeweils eine Spur, ein Vertex und ein Kalorimeterjet betrachtet. Die Spur wird zu dem Punkt, an dem sie den kleinsten Stoßparameter bezüglich des betrachteten Vertex hat, extrapoliert. Dort wird dann geprüft ob der Abstand in ∆R der Spur bezüglich der Jetachse kleiner als ein bestimmter Maximalwert ist. Ist dies der Fall, so wird ferner geprüft ob die Spur dem Vertex zugeordnet werden kann. Schließlich wird geprüft ob es möglich ist, die Spur zu einer Energiedeposition im Kalorimeter zu extrapolieren. Falls dies nicht möglich ist wird die Spur verworfen. Sämtliche im Jet-Vertex-Assoziationsalgorithmus verwendeten Auswahlkriterien sind in Tabelle 4.1 zusammengefasst. Kinematik ∆R(Jet, Spur) z0 d0 /σ(d0 ) d0 pT pT |η| ≤ 0, 4 ≤ 200 mm ≤ 100 ≤ 5 mm ≥ 0,5 GeV ≤ 50000 GeV < 2.5 Spurauswahl χ2 /ndof ≤ 5 1 ≤ NPix ≤ 5 4 ≤ NSCT ≤ 20 0 ≤ NTRT ≤ 40 6 ≤ NSi Spur-Vertex-Zuordnung ∆Z(Spur, Vtx) ∆Z(Spur, Vtx)/σ(Z) d0 d0 /σ(d0 ) ≤ 2 mm ≤ 1000 ≤ 2 mm ≤ 1000 Tabelle 4.1.: Spurauswahlkriterien im Jet-Vertex-Assoziationsalgorithmus [14]. Die Spurparameter sind bezüglich (x, y, z) = (0, 0, 0) berechnet. d0 und z0 bezeichnen jeweils den transversalen bzw. longitudinalen Stoßparameter, siehe Kapitel 3, NPix , NSCT , und NTRT jeweils die Anzahl der rekonstruierten Punkte im Pixel-, Siliziumstreifen- und Übergangsstrahlungsdetektor, siehe Kapitel 2. NSi bezeichnet die Summe aus NPix und NSCT Die resultierende Diskriminante ist die Jet-Vertex-Fraktion (JV F ). Sie ist definiert für jeden Jet bezüglich jedes Primärvertex als das Verhältnis der Summe der Transversalimpulse der einem gegebenen Kalorimeterjet zugeordneten Spuren, die von einem gegebenen Primärvertex ausgehen, zur Summe der Transversalimpulse aller diesem Jet zugeordneten Spuren. Die JV F von Jet Jeti bezüglich Vertex V txj ist gegeben durch Jeti k pT (Spurk , V txj ) JV F (Jeti , V txj ) = P P . Jeti , V txn ) n l pT (Spurl P Hier bezeichnet SpurkJeti die k-te Spur, die Jet Jeti zugeordnet ist. Kalorimeterjets, denen keine Spuren zugeordnet werden können, wird der Wert JV F = −1 zugewiesen. Zur Veranschaulichung der Bedeutung der JV F zeigt Abbildung 4.1 die Situation im Fall von zwei Jets, die von zwei verschiedenen Primärvertizes ausgehen. Sämtliche Jet 2 zugeordnete Spuren gehen von Primärvertex 2 aus. Daher beträgt die JV F von Jet 2 bezüglich Vertex 2 eins und bezüglich Vertex 1 null. Zu Jet 1 hingegen sind auch Spuren zugeordnet, die von Vertex 2 ausgehen. Beträgt der Anteil, den diese Spuren zur Summe der Transver- 24 4.2. Die Jet-Vertex-Assoziation Abbildung 4.1.: Zur Bedeutung der Jet-Vertex-Fraktion [14] salimpulse aller diesem Jet zugeordneten Spuren beitragen, f , so beträgt die JV F von Jet 1 bezüglich Vertex 1 lediglich 1 − f , sofern eine eindeutige Zuordnung von Spuren zu Vertizes möglich ist2 . Abbildung 4.2 zeigt die Verteilung der JV F für simulierte tt̄-Ereignisse (a) ohne und (b) mit pileup, getrennt für b-, c- und leichte Jets. Die entsprechenden Datensätze sind in Kapitel 5.1 beschrieben. Die JV F wurde jeweils bezüglich des Hauptprimärvertex3 berechnet. Man kann hier vier Fälle unterscheiden: • JVF = −1 : Jets, denen vom Jet-Vertex-Assoziationsalgorithmus keine Spuren zugeordnet wurden, wird der Wert JV F = −1 zugewiesen. Dies gilt insbesondere für Jets, die ausschließlich Spuren außerhalb des sensitiven η-Bereichs des Übergangsstrahlungsdetektors (|η| < 2.0) enthalten. • JVF = 0 : Jets, denen ausschließlich von pileup-Vertizes ausgehende Spuren zugeordnet wurden, haben einen Wert von JV F = 0. • JVF = 1 : Jets, denen ausschließlich von der harten Streureaktion stammende Spuren zugeordnet wurden, haben einen Wert von JV F = 1. • 0 < JVF < 1 : Jets, deren zugeordnete Spuren teilweise von pileup-Vertizes ausgehen, weisen je nach dem Anteil dieser Spuren Werte von 0 < JV F < 1 auf. Durch Schnitt auf die JV F können pileup-Jets verworfen werden. Dabei werden allerdings auch Jets, die vom Hauptprimärvertex ausgehen, verworfen, insbesondere in Fällen falscher Spurzuordnung zu Jets und Vertizes und in Fällen von Missidentifikation des Hauptprimärvertex. Außerdem steigt mit der Anzahl zusätzlicher Proton-Proton-Kollisionen die Wahrscheinlichkeit dafür, dass Jets, die vom Hauptprimärvertex ausgehen, zusätzliche Spuren von pileup-Vertizes zugeordnet werden und diese somit JV F -Werte kleiner als eins erhalten. Desweiteren kann es auch in Ereignissen ohne pileup zur Rekonstruktion von mehr als einem 2 Im Algorithmus wird geprüft, ob eine gegebene Spur mit dem jeweiligen Vertex kompatibel ist. Dabei wird nicht zwangsläufig eine eindeutige Zuordnung vorgenommen. P 3 Als Hauptprimärvertex wird im Folgenden der Vertex bezeichnet, für den p2T,Spur den größten Wert annimmt. Es wurde gezeigt, dass dieser Vertex in den meisten Fällen mit dem Vertex der pp-Kollision, die den Trigger ausgelöst hat, übereinstimmt. 25 Kapitel 4. Identifikation von Jets aus Pileup-Wechselwirkungen (a) (b) Abbildung 4.2.: Verteilung der JV F für simulierte tt̄-Ereignisse (a) ohne und (b) mit pileup, getrennt für b-, c- und leichte Jets. Die JV F wurde jeweils bezüglich des Hauptprimärvertex berechnet. hnMB i bezeichnet die mittlere Anzahl an der harten Streureaktion überlagerten weichen Proton-ProtonKollisionen, siehe Kapitel 5.1 Primärvertex kommen: Zum einen kann ein einzelner Vertex aufgrund periphär verlaufender Spuren geteilt werden, sodass mehrere Vertizes rekonstruiert werden. Man spricht in solchen Fällen von geteilten Vertizes4 . Zum anderen können Sekundärvertizes von Algorithmen zum Auffinden von Primärvertizes als gute Primärvertexkandidaten angesehen werden. Die Wahrscheinlichkeit für die zweite Möglichkeit ist nur deshalb gering, da bei der Primärvertexrekonstruktion [15] verlangt wird, dass alle Primärvertizes mit dem beamspot vereinbar sind. Der beamspot wird alle 10 Minuten durch Anpassung der räumlichen Vertexverteilung als ein Gebiet erhöhter Luminosität bestimmt [16]. Verwechslungen sind also besonders bei geringen Abständen zwischen Sekundär- und Primärvertex zu erwarten. 4 engl.: split vertices 26 Kapitel 5. Monte Carlo-Studien Zur Unterdrückung von pileup-Jets werden Schnitte auf JV F bei Werten um 0, 75 angewendet. Dadurch werden auch Jets verworfen, die ihren Ursprung im Hauptprimärvertex haben. b-Jets könnten hiervon in anderem Maße betroffen sein als c- und leichte Jets. Das Ziel dieser Studie ist die Untersuchung von Auswirkungen eines solchen JV F -Schnittes auf die Identifikation von b-Jets. Außerdem sollte untersucht werden, ob ein spezieller Schnittwert gefunden werden kann, der den Einfluss von pileup auf die b-Jet-Identifikation minimiert. Um die Auswirkung des JV F -Schnittes auf die Identifikation von b-Jets abzuschätzen wurden Korrelationen zwischen dem JV F -Schnitt und Größen, die die Qualität der Identifikation von b-Jets charakterisieren, untersucht. Dazu wurden folgende Größen betrachtet: Die Effizienz der b-Jet-Identifikation (b-Tag-Effizienz), die Unterdrückung von c- und leichten Jets sowie die Reinheit des nach Schnitt auf die jeweilige Diskriminante des betrachteten b-TagAlgorithmus (b-Tag-Schnitt) verbleibenden Datensatzes an b-Jets (b-Jet-Reinheit). Die ersten drei Größen wurden in Kapitel 3 eingeführt; die b-Jet-Reinheit Pb 1 ist definiert als das Verhälttag nis aus der Anzahl Nb der nach Anwendung des b-Tag-Schnittes verbleibenden b-Jets zur tag Anzahl N aller nach dem Schnitt verbleibenden Jets: tag N Pb = btag . N Als b-Tag-Algorithmen wurden die in Kapitel 3 beschriebenen verwendet: TrackCounting2D, JetProb, SV0 sowie die Kombination aus IP3D und SV1. Zur Untersuchung der Abhängigkeit der genannten Größen vom JV F -Schnitt wurde zunächst jeweils der Schnittwert auf die Diskriminanten der betrachteten b-Tag-Algorithmen vor Anwendung des JV F -Schnittes so bestimmt, dass dieser eine bestimmte b-Tag-Effizienz ergab. Anschließend wurde der JV F -Schnittwert systematisch variiert. Dabei wurde der zuvor bestimmte b-Tag-Schnittwert konstant gehalten. Anschließend wurde die Studie wiederholt, wobei dieses Mal der b-Tag-Schnittwert nach jedem Schnitt auf JV F neu bestimmt wurde, so dass die b-Tag-Effizienz im nach Anwendung beider Schnitte verbleibenden Datensatzes jeweils den gewünschten Wert behielt. Die Studie wurde für verschiedene Operationspunkte2 durchgeführt und das Verhalten der untersuchten b-Tag-Algorithmen wurde miteinander verglichen. Dieses Kapitel ist wie folgt gegliedert: Abschnitt 5.1 gibt einen Überblick über die verwendeten Datensätze. In Abschnitt 5.2 ist die Rekonstruktion von Jets beschrieben. Der Einfluss des JV F -Schnittes auf die flavour-Zusammensetzung der verwendeten Datensätze ist in Ab1 2 engl.: purity Als Operationspunkt (engl. operating point) wird ein Schnittwert auf die Diskriminante eines b-TagAlgorithmus bezeichnet, der einer fest gewählten Effizienz in simulierten Ereignissen entspricht. 27 Kapitel 5. Monte Carlo-Studien schnitt 5.3 erläutert. Die Abhängigkeit der Größen, die die Qualität der b-Jet-Identifikation charakterisieren, vom JV F -Schnitt wird in den folgenden beiden Abschnitten dargestellt: Abschnitt 5.4 enthält die Ergebnisse bei konstant gehaltenem b-Tag-Schnitt, Abschnitt 5.5 enthält die Ergebnisse die sich bei Anpassung des b-Tag-Schnittes und somit konstant gehaltenem Operationspunkt ergeben. Abschnitt 5.6 beschreibt die Abhängigkeit der b-Tag-Effizienz vom Operationspunkt bei festem JV F -Schnitt. Abschließend gibt Abschnitt 5.7 eine Zusammenfassung der Resultate und zieht Schlussfolgerungen. 5.1. Verwendete Datensätze Für diese Studie wurden drei Datensätze simulierter tt̄-Ereignisse, die sich in der mittleren Anzahl überlagerter pileup-Kollisionen unterscheiden, verwendet. Die genauen Bezeichnungen enthält Tabelle 5.1. Die Ereignisse wurden mit den Monte Carlo-Ereignisgeneratoren HERWIG [17] und JIMMY [18] in Verbindung mit MC@NLO [19, 20] generiert. HERWIG verwendet einen Partonschauer-Ansatz für Gluon-Strahlung im Anfangs- und Endzustand sowie ein Cluster-Modell für die Fragmentation. JIMMY beschreibt Mehrfach-Partonwechselwirkungen und wird in Verbindung mit HERWIG zur Simulation des zugrundeliegenden Ereignisses (engl. underlying event) verwendet. Das zugrundeliegende Ereignis ist definiert als die Komponente der hadronischen Wechselwirkung, die nicht auf den harten Streuprozess, sondern auf die diesen begleitende Wechselwirkung der Protonreste zurückzuführen ist. Zur Veranschaulichung zeigt Abbildung 5.1 eine schematische Darstellung der verschiedenen Komponenten einer Proton-Proton-Kollision bei hoher Energie. Der dritte Ereignisgenerator, MC@NLO, erlaubt es, Matrixelemente in zweiter nichtverschwindender Ordnung (engl. next to leading order, NLO) auf konsistente Weise mit dem Partonschauer-Ansatz zu kombinieren. Für zwei der drei Datensätze wurden bei der Ereignisgeneration dem harten Streuprozess zusätzliche weiche inelastische Proton-Proton-Kollisionen, auch als minimum bias (MB)Wechselwirkungen bezeichnet, überlagert. Die Anzahl dieser zusätzlichen Kollisionen entspricht dabei einer Poissonverteilung; die Mittelwerte betragen für die beiden Datensätze hnMB i = 2 bzw. hnMB i = 5. Die Ereignisse wurden mit einem zeitlicher Abstand zwischen zwei aufeinander folgenden Protonenbündeln von 900 ns generiert. pileup-Effekte sind somit hauptsächlich durch in time pileup bedingt. Dies entspricht der Strahlkonfiguration des LHC für die 2010er Datennahme, für die keine out of time pileup-Effekte auftraten. 5.2. Jetrekonstruktion und -Auswahl Jets wurden aus topologischen Clustern [4] von Energie im Kalorimeter unter Verwendung des Anti-kt -Algorithmus [22] mit dem Abstandsparameter 0,4 rekonstruiert. Im Inneren Detektor rekonstruierte Spuren wurden dem nächstgelegenen Jet zugeordnet,falls ihr Abstand in ∆R von dessen Achse einen gegebenen Grenzwert nicht überschritt [9]. Für Monte Carlo-Datensätze ist das bei der Generierung verwendete Jet-flavour bekannt. Damit besteht die Möglichkeit die Anzahl der generierten b-Jets mit der Anzahl der mittels b-Tagging als solche erkannten zu vergleichen. Die flavour-Kennzeichnung der Jets erfolgte durch ∆R-Vergleich mit Partonen auf Generator-Ebene: Wurde innerhalb von ∆R < 0, 3 bezüglich der Jetachse auf Generator-Ebene ein b-Quark gefunden, so wurde der Jet als b-Jet 28 – 2 5 hnMB i 49966 89934 89934 Ereignisse Tabelle 5.1.: Datensätze, die in den Monte Carlo-Studien verwendet wurden. hnMB i bezeichnet die mittlere Anzahl der dem harten Streuprozess überlagerten weichen Proton-Proton-Kollisionen. mc09_7TeV.105200.T1_McAtNlo_Jimmy.merge.AOD.e510_s765_s767_r1302_r1306 valid1.105200.T1_McAtNlo_Jimmy.recon.AOD.e510_s765_s767_r1364 valid1.105200.T1_McAtNlo_Jimmy.recon.AOD.e510_s765_s767_r1358 Datensatz 5.2. Jetrekonstruktion und -Auswahl 29 Kapitel 5. Monte Carlo-Studien Abbildung 5.1.: schematische Darstellung einer Proton-Proton-Kollision [21]. gekennzeichnet. Wurde kein b-Quark gefunden, so wurde das Verfahren für c-Quarks und τ -Leptonen wiederholt. Wurde keins dieser Teilchen gefunden, so wurde der Jet als leichter Jet gekennzeichnet. In diesen Studien wurden ausschließlich Jets mit pT > 15 GeV und |η| < 2, 5 betrachtet. Weitere Bedingungen wurden nicht gestellt. Anmerkung zur Flavour-Kennzeichnung in simulierten Ereignissen Aufgrund eines Fehlers in der ATLAS-Software, die für die zentral durch die ATLAS-Kollaboration produzierten Monte Carlo-Datensätze verwendet wurde, wird die beschriebene flavour-Kennzeichnung nur für Jets, die ihren Ursprung im (wahren) Hauptprimärvertex haben, korrekt durchgeführt. Alle Jets aus pileup-Wechselwirkungen werden, ungeachtet ihres flavours, als leicht gekennzeichnet. Dieser Fehler bestand während des gesamten Zeitraums der Diplomarbeit; eine Korrektur wird erst für 2011er Daten zur Verfügung stehen. Zum Zeitpunkt, als die Studie durchgeführt wurde, war dieser Fehler noch nicht bekannt. Er führt möglicherweise dazu, dass der Anteil an b-Jets in simulierten Ereignissen leicht unterschätzt wird. 30 5.3. Einfluss des JVF-Schnittes auf die flavour-Komposition (a) (b) Abbildung 5.2.: Verteilung der JV F (a) für den Datensatz mit hnMB i = 2 und (b) für den Datensatz mit hnMB i = 5. 5.3. Einfluss des JVF -Schnittes auf die flavour-Komposition Abbildung 5.2 zeigt die Flavourkomposition der JV F -Verteilung für die beiden verwendeten Datensätze mit überlagerten pileup-Kollisionen. Bei genauerer Betrachtung lässt sich erkennen, dass sich die Verteilungen für b-, c- und leichte Jets voneinander unterscheiden: bund c-Jets weisen im Mittel höhere JV F -Werte auf als leichte Jets. Während die Verteilungen für b- und c-Jets zu kleinen Werten stark abfällt, ist sie für leichte Jets und Werte zwischen 0 und etwa 0,5 nahezu konstant, mit einem Maximum bei null. Aufgrund dieser Tatsache ändert sich mit einem Schnitt auf JV F zwangsläufig die Flavourkomposition des zugrunde liegenden Datensatzes. Für die hier verwendeten Datensätze ist die Abhängigkeit des Anteils an b- und leichten Jets vom JV F -Schnittwert in Abbildung 5.3 dargestellt. Danach steigt der b-Jet-Anteil mit dem JV F -Schnitt streng monoton an, während der Anteil der leichten Jets streng monoton abnimmt. Nicht gezeigt ist hier der Verlauf des c-Jet-Anteils, der jedoch durch den Anteil der b-Jets und den Anteil der leichten Jets eindeutig festgelegt ist. Dieser steigt ebenso wie der Anteil der b-Jets streng monoton an, die Steigung und die maximale Änderung sind hierfür jedoch geringer. Allgemein ist die Änderung der jeweiligen Anteile mit dem JV F -Schnitt größer für größere Werte von hnMB i. Für den Datensatz mit hnMB i = 5 liegt die maximale Änderung der Anteile von b- und leichten Jets im Bereich von 5 %. Die sich nach dem Schnitt bei JV F = 0, 05 ergebenen vergleichsweise großen Sprünge lassen sich anhand der JV F -Verteilungen in Abbildung 5.2 verstehen: Diese haben in den Bins bei JV F = 0 vergleichsweise große Werte, und diese Bins enthalten fast ausschließlich Einträge für leichte Jets. Hierbei handelt es sich um reine pileup-Jets, siehe Kapitel 4. Desweiteren fällt auf, dass für einen JV F -Schnittwert von 0,7 die Anteile von b-, c- und leichten Jets in allen drei Datensätzen übereinstimmen und somit für diesen speziellen JV F Schnitt unabhängig von der Anzahl zusätzlicher Primärvertizes im Ereignis sind. Insbesondere entsprechen sie alle den Werten, die sich ohne pileup ergeben. Dies lässt vermuten, dass auch für die erwähnten Größen, die die Qualität der b-Jet-Identifikation kennzeichnen, ein Wert gefunden werden kann, für den diese Größen von der Anzahl der Vertizes im Ereignis unabhängige Werte annehmen, oder für den zumindest der Einfluss durch pileup minimal ist. Die systematische Untersuchung der Abhängigkeit dieser Größen vom JV F -Schnittwert in 31 Kapitel 5. Monte Carlo-Studien (a) (b) Abbildung 5.3.: Anteil von (a) b- und (b) leichten Jets in Abhängigkeit des JV F -Schnittwertes für die drei verwendeten Datensätze mit unterschiedlichem hnMB i. simulierten tt̄-Ereignissen mit unterschiedlicher mittleren Anzahl zusätzlicher Primärvertizes wird in den folgenden Abschnitten beschrieben. 5.4. Abhängigkeit der untersuchten Größen vom JVF -Schnitt bei konstantem b-Tag-Schnitt Zur Untersuchung der Abhängigkeiten der b-Tag-Effizienz, der Unterdrückung von c- und leichten Jets sowie der b-Jet-Reinheit vom JV F -Schnitt wurden zunächst die b-Tag-Schnittwerte, die einem bestimmten Operationspunkt entsprechen, ermittelt. Dies geschah anhand der Verteilung der Diskriminanten des jeweils betrachteten b-Tag-Algorithmus für b-Jets. Zuerst wurden die benachbarten Bins k und k + 1 gesucht, für die die b-Tag-Effizienz z. B. für den 50 % entsprechenden Operationspunkt b (k) > 50% und b (k + 1) < 50% beträgt. Dabei ergab sich b hier nach der Formel P i>n f (i) b (n) = P , i f (i) wobei f (i) den Wert von Bin i bezeichnet und über alle Bins summiert wurde. Der genaue Schnittwert wurde dann durch Interpolation zwischen diesen beiden Bins ermittelt. Dieses Verfahren wurde für jeden der vier verwendeten b-Tag-Algorithmen getrennt angewendet. Die jeweils betrachteten Werte der b-Tag-Effizienz sind in Tabelle 5.2 zusammengestellt. Die Bestimmung der Schnittwerte wurde zudem für jeden der drei Datensätze separat durchgeführt. Anschließend wurden Schnitte auf JV F durchgeführt. Der JV F -Schnittwert wurde dabei zwischen 0,00 und 0,95 variiert. Der Unterschied zweier aufeinander folgender Schnittwerte betrug jeweils 0,05. Dann wurden die zuvor bestimmten b-Tag-Schnitte auf den jeweils nach Anwendung eines JV F -Schnittes verbleibenden Datensatz angewendet und bezüglich dieses Datensatzes die b-Tag-Effizienz, die Unterdrückung von c- und leichten Jets sowie die b-Jet-Reinheit berechnet. Zusätzlich wurde noch die Effizienz bezüglich des ursprünglichen 32 5.4. Abhängigkeit der untersuchten Größen vom JVF-Schnitt bei konstantem b-Tag-Schnitt b-Tag-Algorithmus b-Tag-Effizienzwerte TrackCounting2D JetProb SV0 IP3D + SV1 40%, 50%, 60%, 70%, 80% 40%, 50%, 60%, 70%, 80% 40%, 45%, 50%, 55% 40%, 50%, 60%, 70%, 80% Tabelle 5.2.: In der Monte Carlo-Studie betrachtete b-Tag-Effizienzwerte für die einzelnen b-TagAlgorithmen. Datensatzes vor Anwendung der JV F -Schnitte berechnet. Diese ist gleich dem Produkt aus der Effizienz des jeweiligen JV F -Schnittes und der b-Tag-Effizienz bezüglich des Datensatzes nach Anwendung dieses Schnittes. Diese Größe wird im Folgenden als Gesamteffizienz ges bezeichnet. Es gilt: ges = JV F · b . Im Folgenden werden die Ergebnisse für festen b-Tag-Schnittwert, der vor dem Schnitt auf JV F der Effizienz b = 50 % entsprach, beschrieben. Abbildung 5.4.: Abhängigkeit der b-Tag-Effizienz vom JV F -Schnitt bei konstantem b-Tag-Schnitt. Die Werte gelten für 50 % b-Tag-Effizienz vor Schnitt auf JV F . Abbildung 5.4 zeigt die Abhängigkeit der b-Tag-Effizienz vom JV F -Schnitt für festen bTag-Schnittwert, der vor dem Schnitt auf JV F der Effizienz b = 50 % entsprach. Die ein- 33 Kapitel 5. Monte Carlo-Studien gezeichneten Fehler wurden nach dem Gaußschen Fehlerfortpflanzungsgesetz aus den statistischen Fehlern der zugrunde liegenden Verteilungen berechnet. Dies gilt auch für die folgenden Abbildungen. Die gestrichelten Linien kennzeichnen hier wie auch in den folgenden Abbildungen jeweils den Wert, der sich ohne Schnitt auf JV F ergibt. Für hnMB i > 0 ist ein Anstieg der b-Tag-Effizienz mit dem JV F -Schnittwert zu erkennen. Alle untersuchten b-Tag-Algorithmen zeigen hierbei sowohl qualitativ als auch quantitativ das gleiche Verhalten. Desweiteren nimmt der Effekt mit hnMB i zu: Für den gleichen JV F -Schnittwert liegt die b-Tag-Effizienz umso höher, je größer der Wert von hnMB i ist. Abbildung 5.5.: Abhängigkeit der b-Jet-Reinheit vom JV F -Schnitt bei konstantem b-Tag-Schnitt. Die Werte gelten für 50 % b-Tag-Effizienz vor Schnitt auf JV F . Abbildung 5.5 zeigt die Abhängigkeit der b-Jet-Reinheit vom JV F -Schnitt. Für TrackCounting2D, SV0 und IP3D + SV1 ist die b-Jet-Reinheit bei Variation des JV F -Schnittes nahezu konstant. Nur für hnMB i = 5 ist bei großen Schnittwerten eine gringfügige Zunahme zu erkennen. Auch hier besteht eine eindeutige Ordnung nach hnMB i. Für JetProb hingegen steigt Pb für hnMB i > 0 monoton mit dem JV F -Schnitt an. Die drei Algorithmen, die geringe Abhängigkeit vom JV F -Schnitt zeigen, haben gemeinsam, dass sie Spuren verwenden, die mit großer Wahrscheinlichkeit von einem b-Hadron-Zerfall stammen. Dagegen prüft JetProb die Wahrscheinlichkeit dafür, dass alle Spuren vom Primärvertex ausgehen. Ist diese Wahrscheinlichkeit gering, wird der Jet als b-Jet getagged. Wenn aber nicht alle Spuren vom Primärvertex kommen, kann das am LHC auch daran liegen, dass einige Spuren von pileup-Vertizes stammen. Dies könnte eine stärkere Empfindlichkeit gegenüber pileup-Effekten und auch stärkere 34 5.4. Abhängigkeit der untersuchten Größen vom JVF-Schnitt bei konstantem b-Tag-Schnitt Effekte bei Schnitten auf JV F erklähren. Dies ließe sich möglicherweise durch eine Änderung der Spurselektion für JetProb beheben. In der Praxis wird dieser Algorithmus durch komplexere b-Tag-Algorithmen mit größerer Effizienz bei gleicher Unterdrückung von c- und leichten Jets ersetzt. Abbildung 5.6.: Abhängigkeit der Unterdrückung von c-Jets vom JV F -Schnitt bei konstantem b-TagSchnitt. Die Werte gelten für 50 % b-Tag-Effizienz vor Schnitt auf JV F . Abbildungen 5.6 und 5.7 zeigen jeweils die Abhängigkeit der Unterdrückung von c- und leichten Jets, vom JV F -Schnitt. Beide Größen fallen für hnMB i > 0 mit zunehmenden Schnittwert ab. Hier zeigen wieder alle vier b-Tag-Algorithmen das gleiche Verhalten. Dies lässt sich folgendermaßen erklähren: c- und leichte Jets werden bereits durch den JV F -Schnitt mit größerer Wahrscheinlichkeit verworfen als b-Jets. Dies kann man den in den Abbildungen 4.2 und 5.2 gezeigten Verteilungen der JV F für die verschiedenen Teildatensätze entnehmen. Jets, die den b-Tag-Schnitt nicht passieren würden, werden also Teilweise bereits durch den JV F -Schnitt entfernt. Da hier nach jedem JV F -Schnitt auf den Datensatz nach dem Schnitt normiert wird, nimmt die durch den b-Tag-Schnitt erreichte Unterdrückung von c-und leichten Jets ab. Abbildung 5.8 zeigt die Abhängigkeit der Gesamteffizienz der Kombination von b-TagSchnitt und Schnitt auf JV F vom JV F -Schnitt. Auch die Gesamteffizienz fällt für hnMB i > 0 mit anwachsendem Schnittwert deutlich ab, obwohl die b-Tag-Effizienz, berechnet jeweils im Datensatz nach Anwendung des JV F -Schnittes, mit dem Schnittwert ansteigt. Der Effekt wächst auch hier mit hnMB i an. Verglichen mit den zuvor betrachteten Größen fällt die 35 Kapitel 5. Monte Carlo-Studien Abbildung 5.7.: Abhängigkeit der Unterdrückung von leichten Jets vom JV F -Schnitt bei konstantem b-Tag-Schnitt. Die Werte gelten für 50 % b-Tag-Effizienz vor Schnitt auf JV F . Änderung der Gesamteffizienz durch den JV F -Schnitt deutlich größer aus. Während sich die Werte von b-Tag-Effizienz, b-Jet-Reinheit und Unterdrückung von c- und leichten Jets mit dem JV F -Schnitt maximal um wenige Prozent ändern, beträgt die maximale Änderung der Gesamteffizienz etwa 20 % für den hier betrachteten Operationspunkt. Dies zeigt dass auch b-Jets durch Schnitt auf JV F , besonders bei großen Schnittwerten, verworfen werden. 5.5. Abhängigkeit der untersuchten Größen vom JVF -Schnitt bei konstanter b-Tag-Effizienz Wie im vorangegangenen Kapitel 5.4 beschrieben ist mit der Anwendung eines Schnittes auf JV F eine Verschiebung des Operationspunktes verbunden, wenn man für b-Tagging dieselben Schnittwerte verwendet, die ohne Schnitt auf JV F eine gewünschte b-Tag-Effizienz ergeben. Deshalb entsprechen die Werte der b-Jet-Reinheit sowie der Unterdrückung von cund leichten Jets in den Abbildungen 5.5 bis 5.7, die zu verschiedenen JV F -Schnittwerten gehören, unterschiedlichen Werten der b-Tag-Effizienz. Soll trotz Anwendung eines Schnittes auf JV F eine Verschiebung des Operationspunktes vermieden werden, muss der Wert, bei dem auf die Diskriminante des verwendeten b-Tag-Algorithmus geschnitten wird, angepasst werden. Diese Anpassung des b-Tag-Schnittwertes muss dabei so erfolgen, dass die b-Tag- 36 5.5. Abhängigkeit der untersuchten Größen vom JVF-Schnitt bei konstanter b-Tag-Effizienz Abbildung 5.8.: Abhängigkeit der Gesamteffizienz vom JV F -Schnitt bei konstantem b-Tag-Schnitt. Die Werte gelten für 50 % b-Tag-Effizienz vor Schnitt auf JV F . Effizienz im nach Anwendung des JV F -Schnittes verbleibenden Datensatz 50 % beträgt. So würde man beispielsweise vorgehen, falls der JV F -Schnitt ein fester Bestandteil der Jetqualitätsschnitte wäre. Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass in naher Zukunft so verfahren werden wird, da Analysen mit unterschiedlich starker pileup-Empfindlichkeit unterschiedliche JV F -Schnitte erfordern. Zur Untersuchung der Abhängigkeiten der Unterdrückung von c- und leichten Jets sowie der b-Jet-Reinheit vom JV F -Schnitt am gleichen Operationspunkt, d. h. bei konstanter b-TagEffizienz, wurden zuerst die Schnitte auf JV F durchgeführt. Der JV F -Schnittwert wurde dabei wie beim im vorangegengenen Kapitel 5.4 beschriebenen Verfahren zwischen 0,00 und 0,95 variiert. Der Unterschied zweier aufeinander folgender Schnittwerte betrug auch hierbei jeweils 0,05. Nach jedem JV F -Schnitt wurden dann die b-Tag-Schnittwerte, die den in Tabelle 5.2 genannten b-Tag-Effizienzen entsprechen, neu ermittelt. Dies geschah analog zu dem im vorangegengenen Kapitel 5.4 beschriebenen Verfahren, wobei hier die Verteilungen der Diskriminanten der betrachteten b-Tag-Algorithmen für Jets, deren JV F den jeweiligen JV F -Schnittwert übertraf, verwendet wurden. Im Folgenden werden, wie im vorangegengenen Abschnitt, die Ergebnisse für den Operationspunkt, der einer b-Tag-Effizienz von 50 % entspricht, beschrieben. Der Verlauf des b-Tag-Schnittwertes, der jeweils 50 % b-Tag-Effizienz entspricht, ist für die verwendeten b-Tag-Algorithmen in Abhängigkeit vom JV F -Schnittwert in Abbildung 5.9 37 Kapitel 5. Monte Carlo-Studien dargestellt. Ohne Schnitt auf JV F sind die b-Tag-Schnittwerte umso geringer, je größer der Wert von hnMB i ist. Das bedeutet, dass pileup dazu führt, dass Jets im Mittel kleinere Werte der Diskriminanten der hier betrachteten b-Tag-Algorithmen aufweisen. Somit wird die Identifikation von b-Jets durch pileup beeinträchtigt. Ein mögliches Szenario wäre dass zusätzliche Spuren von pileup-Vertizes die Vertexauflösung mindern. Damit sänke im Mittel die Signifikanz von Stoßparametern von Spuren und von der Zerfallslänge, falls ein Sekundärvertex rekonstruiert worden wäre. Der Anstieg des b-Tag-Schnittwertes mit dem JV F -Schnittwert kann auf ähnliche Weise erklärt werden: b-Jets mit geringen JV F -Werten werden von Spuren von pileup-Vertizes in großem Maße beeinflusst. Solche Jets weisen in der Regel kleinere Werte der Diskriminanten von b-Tag-Algorithmen auf, und der b-Tag-Schnitt muss entsprechend kleiner gewählt werden, um die gewünschte Effizienz zu erhalten. Abbildung 5.9.: Abhängigkeit des b-Tag-Schnittwertes vom JV F -Schnitt bei angepasstem b-TagSchnitt. Die Werte gelten für den 50 % b-Tag-Effizienz entsprechenden Operationspunkt. Die Anwendung eines Schnittes auf JV F bei etwa 0, 75 führt dazu, dass der b-Tag-Schnittwert näherungsweise unabhängig von der mittleren Anzahl an Primärvertizes hnMB i gewählt werden kann. Dies gilt näherungsweise für alle in dieser Studie betrachteten b-Tag-Algorithmen und Operationspunkte. Ein Vergleich mit Abbildung 5.3 zeigt zudem, dass durch diesen speziellen Schnitt die Unterschiede in der flavour-Komposition der einzelnen Datensätze beseitigt werden. Es sei allerdings bereits hier darauf hingewiesen, dass für diesen JV F -Schnitt die übrigen betrachteten Größen nicht unabhängig von pileup sind. So hängt beispielsweise die Unterdrückung leichter Jets auch für diesen speziellen JV F -Schnitt weiterhin von hnMB i 38 5.5. Abhängigkeit der untersuchten Größen vom JVF-Schnitt bei konstanter b-Tag-Effizienz ab. Zur Kontrolle ob dass angewendete Verfahren das gewünschte Ergebnis liefert, dass also die resultierende b-Tag-Effizienz tatsächlich konstant ist und den richtigen Wert hat, wurde auch diese Größe in Abhängigkeit des JV F -Schnittes dargestellt. Das Ergebnis zeigt Abbildung A.1 in Anhang A. Daraus ist zu erkennen dass dies der Fall ist. Die b-Tag-Effizienz kann also für die in den folgenden Abbildungen gezeigten Abhängigkeiten der b-Jet-Reinheit sowie der Unterdrückung von c- und leichten Jets vom JV F -Schnittwert als konstant angesehen werden. Abbildung 5.10 zeigt die Abhängigkeit der b-Jet-Reinheit vom JV F -Schnitt bei angepasstem b-Tag-Schnitt. Die Abhängigkeit der b-Jet-Reinheit ähnelt qualitativ der des b-Tag-Schnittwertes: Vor Schnitt auf JV F liegen die Werte der b-Jet-Reinheit umso tiefer, je größer der Wert von hnMB i im jeweiligen Datensatz ist. Für die Datensätze mit hnMB i > 0 ist ein Anstieg der b-Jet-Reinheit mit dem JV F -Schnittwert zu erkennen. Das bedeuted dass durch den JV F Schnitt im Mittel ein größerer Anteil an c- und leichten als an b-Jets verworfen wird. Der Anstieg nimmt zudem mit der mittleren Anzahl zusätzlicher Primärvertizes pro Ereignis hnMB i zu. Abbildung 5.10.: Abhängigkeit der b-Jet-Reinheit vom JV F -Schnitt bei angepasstem b-Tag-Schnitt. Die Werte gelten für den 50 % b-Tag-Effizienz entsprechenden Operationspunkt. Auch hier führt die Anwendung eines Schnittes auf JV F um 0, 75 näherungsweise zu einem Wert der b-Jet-Reinheit, der unabhängig von nPV ist. Allerdings ist hier die Näherung im Vergleich zu der im Fall des b-Tag-Schnittwertes eine deutlich gröbere. Eine genaue Aussage 39 Kapitel 5. Monte Carlo-Studien lässt sich hier aufgrund der statistischen Unsicherheit nicht treffen. Die Abbildungen 5.11 und 5.12 zeigen jeweils die Abhängigkeit der Unterdrückung von c- und leichten Jets vom JV F -Schnitt bei angepasstem b-Tag-Schnitt. für hnMB i > 0 ist für TrackCounting2D, JetProb und IP3D+SV1 ein deutlicher Anstieg der Unterdrückung leichter Jets zu erkennen. Die Größe dieses Anstiegs nimmt mit hnMB i zu. Dieses Verhalten steht im Gegensatz zu dem, dass sich bei konstantem b-Tag-Schnitt zeigt: Dort nimmt die Unterdrückung von c-Jets monoton mit dem JV F -Schnitt ab, siehe Abbildung 5.6. Diese Abnahme wird hier jedoch durch die Zunahme von Rc mit dem b-Tag-Schnitt überkompensiert, sodass sich insgesamt ein Anstieg ergibt. Der SV0-Algorithmus weicht jedoch von diesem Verhalten ab: Dessen c-Jet-Unterdrückung ist für sämtliche JV F -Schnittwerte nahezu konstant. Die Ursache dafür ist nicht verstanden, ebenso die Tatsache dass die Werte von Rc keine eindeutige Ordnung nach nPV aufweisen. Abbildung 5.11.: Abhängigkeit der Unterdrückung von c-Jets vom JV F -Schnitt bei angepasstem bTag-Schnitt. Die Werte gelten für den 50 % b-Tag-Effizienz entsprechenden Operationspunkt. Die Unterdrückung leichter Jets weist für hnMB i > 0 bei mittleren JV F -Schnittwerten minimale Werte auf und steigt sowohl zu großen als auch zu kleinen Schnittwerten an. Auch dieses Verhalten unterscheidet sich von dem, dass sich bei konstantem b-Tag-Schnitt ergibt, siehe Abbildung 5.7. Der Anstieg zu großen Werten hin lässt sich analog zu dem Anstieg der Unterdrückung von c-Jets erklären. Bei kleinen JV F -Schnitten ist die Erhöhung des bTag-Schnittes jedoch noch sehr gering, und es zeigt sich hier das gleiche Verhalten wie im Fall des konstanten b-Tag-Schnittes. Dieser Effekt ist im Fall der c-Jet-Unterdrückung nicht 40 5.5. Abhängigkeit der untersuchten Größen vom JVF-Schnitt bei konstanter b-Tag-Effizienz beobachtbar, da der Anteil an c-Jets mit JV F < 0.5 im Gegensatz zum Anteil an leichten Jets vernachlässigbar klein ist. Abbildung 5.12.: Abhängigkeit der Unterdrückung von c- und leichten Jets vom JV F -Schnitt bei angepasstem b-Tag-Schnitt. Die Werte gelten für den 50 % b-Tag-Effizienz entsprechenden Operationspunkt. Abbildung 5.13 zeigt die Abhängigkeit der Gesamteffizienz der Kombination von b-TagSchnitt und Schnitt auf JV F vom JV F -Schnitt bei angepasstem b-Tag-Schnitt. Für hnMB i > 0 ergibt sich wie bei konstantem b-Tag-Schnitt eine starke Abnahme mit dem JV F -Schnitt. Diese ist um so größer, je größer der Wert von hnMB i ist. Die starke Abnahme der Gesamteffizienz ergibt sich hier trotz konstanter b-Tag-Effizienz im Datensatz nach Anwendung des jeweiligen JV F -Schnittes. Mit maximal 24 % fällt die Abnahme der Gesamteffizienz mit dem JV F -Schnitt bei konstanter b-Tag-Effizienz sogar noch etwas größer aus als bei konstantem b-Tag-Schnitt. Dort beträgt die maximale Abnahme 20 %. Das bedeutet, dass bei Anpassung des b-Tag-Schnittes nach jedem JV F -Schnitt mehr b-Jets verloren gehen als wenn der b-TagSchnitt nicht verändert wird. Dies ist konsistent mit der Beobachtung, dass der b-Tag-Schnitt mit jedem JV F -Schnitt härter gewählt werden muss, damit im nach dem JV F -Schnitt verbleibenden Datensatz die gewünschte b-Tag-Effizienz erreicht wird, siehe Abbildung 5.9. 41 Kapitel 5. Monte Carlo-Studien Abbildung 5.13.: Abhängigkeit der Gesamteffizienz vom JV F -Schnitt bei angepasstem b-Tag-Schnitt. Die Werte gelten für den 50 % b-Tag-Effizienz entsprechenden Operationspunkt 5.6. Abhängigkeit vom Operationspunkt In Kapitel 5.5 wurde die Abhängigkeit der b-Jet-Reinheit sowie der Unterdrückung von cund leichten Jets vom JV F -Schnittwert bei konstanter b-Tag-Effizienz am Beispiel des Operationspunktes, der einem Wert der b-Tag-Effizienz von 50 % entspricht, beschrieben. In diesem Kapitel werden b-Jet-Reinheit sowie Unterdrückung von c- und leichten Jets in ihrer Abhängigkeit vom JV F -Schnitt bei konstanter b-Tag-Effizienz an verschiedenen Operationspunkten verglichen. Dazu wird zunächst ein fester JV F -Schnittwert gewählt. Für diesen werden dann die durch den JV F -Schnitt verursachten Änderungen der Werte der betrachteten Größen gegenüber ihren Werten vor Anwendung des JV F -Schnittes betrachtet. Diese relative Änderung ist in den folgenden Abbildungen für die betrachteten Größen in Abhängigkeit vom Operationspunkt dargestellt. Als JV F -Schnittwert wurde hierzu 0,8 verwendet. Abbildung 5.14 zeigt die relative Änderung der b-Jet-Reinheit mit dem JV F -Schnitt in Abhängigkeit vom Operationspunkt. Hier ist zu erkennen, dass die relative Änderung der b-JetReinheit in den Datensätzen mit hnMB i > 0 für alle verwendeten b-Tag-Algorithmen positiv ist und mit der b-Tag-Effizienz ansteigt, während sie im Datensatz mit hnMB i = 0 für alle Operationspunkte konstant und mit null verträglich ist. Der Anstieg für hnMB i > 0 ist dabei umso größer, je größer die mittlere Anzahl zusätzlicher Primärvertizes pro Ereignis hnMB i ist. Für den Schnitt auf JV F bei 0,8 variiert die relative Änderung der b-Jet-Reinheit an unterschied- 42 5.6. Abhängigkeit vom Operationspunkt lichen Operationspunkten für TrackCounting2D, JetProb und IP3D + SV1 im Datensatz mit hnMB i = 5 zwischen weniger als 1 % und etwa 5,5 %. Für SV0 fällt die Variation geringer aus: Die Werte der relativen Änderung der b-Jet-Reinheit bleiben für alle betrachteten Operationspunkte unterhalb von 1 %. Zu beachten ist hier, dass für SV0 der Abzissenbereich von dem der anderen b-Tag-Algorithmen abweicht: Der größte betrachtete Wert der b-Tag-Effizienz beträgt im Fall von SV0 55 %. Abbildung 5.14.: Abhängigkeit der relativen Änderung der b-Jet-Reinheit mit dem JV F -Schnitt vom Operationspunkt. Die Werte gelten für den JV F -Schnitt bei 0,8. Der b-Tag-Schnitt wurde nach dem Schnitt auf JV F so angepasst, dass die b-Tag-Effizienz nach dem Schnitt auf JV F den jeweils angegebenen Wert hat. Abbildung 5.15 zeigt die relative Änderung der c-Jet-Unterdrückung mit dem JV F -Schnitt in Abhängigkeit vom Operationspunkt. Auch die relative Änderung der Unterdrückung von c-Jets ist größer für Datensätze mit größerer Anzahl zusätzlicher Primärvertizes pro Ereignis hnMB i. Anders als für die relative Änderung der b-Jet-Reinheit ist hier keine für alle verwendeten b-Tag-Algorithmen gültige eindeutige Abhängigkeit vom Operationspunkt erkennbar. Für TrackCounting2D ist die relative Änderung der c-Jet-Unterdrückung am größten für die beiden Operationspunkte, die jeweils Werten der b-Tag-Effizienz von 60 % und 70 % entsprechen, und nimmt sowohl zu Operationspunkten geringerer als auch höherer Effizienz deutlich ab. Für IP3D + SV1 nimmt die Änderung der c-Jet-Unterdrückung zwar monoton, aber nur schwach ab. Für JetProb und SV0 ist keine Abhängigkeit der c-Jet-Unterdrückung vom Operationspunkt erkennbar. Auch die Größe der relativen Änderung variiert mit den 43 Kapitel 5. Monte Carlo-Studien verwendeten b-Tag-Algorithmen: Sie beträgt maximal etwa 4 % für TrackCounting und liegt für alle Operationspunkte unter 1 % für SV0. Abbildung 5.15.: Abhängigkeit der relativen Änderung der Unterdrückung von c-Jets mit dem JV F Schnitt vom Operationspunkt. Die Werte gelten für den JV F -Schnitt bei 0,8. Der b-Tag-Schnitt wurde nach dem Schnitt auf JV F so angepasst, dass die b-Tag-Effizienz nach dem Schnitt auf JV F den jeweils angegebenen Wert hat. Abbildung 5.16 zeigt die relative Änderung der Unterdrückung leichter Jets mit dem JV F Schnitt in Abhängigkeit vom Operationspunkt. Diese ist ebenfalls größer für Datensätze mit größerer mittlerer Anzahl zusätzlicher Primärvertizes pro Ereignis hnMB i, und ist in den meisten Fällen näherungsweise proportional zu hnMB i. Sie besitzt die größten Werte für den Operationspunkt, der der geringsten b-Tag-Effizienz nach Anwendung des JV F -Schnittes entspricht, und nimmt zunächst zu mittleren Werten der b-Tag-Effizienz hin ab. Die größten Änderungen in der Unterdrückung leichter Jets liegen je nach b-Tag-Algorithmus für den JV F Schnitt bei 0,8 zwischen 7 % und 12 %. Das Fehlen einer eindeutigen Tendenz für Operationspunkte, die großen Werten der b-Tag-Effizienz entsprechen, lässt sich mithilfe der Abhängigkeiten der Unterdrückung leichter Jets vom JV F -Schnittwert für die verschiedenen Operationspunkte verstehen: Der JV F -Schnittwert, für den die Unterdrückung leichter Jets erneut den Wert, den sie vor dem Schnitt auf JV F hatte, erreicht, verschiebt sich mit steigender bTag-Effizienz hin zu niedrigeren Werten. Für die Operationspunkte, die den geringsten Werten der b-Tag-Effizienz entsprechen, wird dieser Ausgangswert teilweise gar nicht erreicht. Für große Werte der b-Tag-Effizienz schwankt der JV F -Wert, für den die Unterdrückung 44 5.7. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen leichter Jets ihren Ausgangswert vor Schnitt auf JV F überschreitet, um den hier gewählten JV F -Schnittwert bei 0,8. Für diesen liegen die Werte der Unterdrückung leichter Jets je nach betrachtetem b-Tag-Algorithmus entweder oberhalb oder unterhalb des Ausgangswertes. Die relativen Abweichungen von diesem Wert sind betragsmäßig in beiden Fällen geringer als für Operationspunkte, die kleineren Werten der b-Tag-Effizienz entsprechen. Abbildung 5.16.: Abhängigkeit der relativen Änderung der Unterdrückung von leichten Jets mit dem JV F -Schnitt vom Operationspunkt. Die Werte gelten für den JV F -Schnitt bei 0,8. Der b-Tag-Schnitt wurde nach dem Schnitt auf JV F so angepasst, dass die b-Tag-Effizienz nach dem Schnitt auf JV F den jeweils angegebenen Wert hat. Abbildung 5.17 zeigt die relative Änderung der Gesamteffizienz mit dem JV F -Schnitt in Abhängigkeit vom Operationspunkt. Diese ist für alle drei Datensätze mit unterschiedlichen Werten von hnMB i und alle verwendeten b-Tag-Algorithmen unabhängig vom Operationspunkt. Bei gleicher b-Tag-Effizienz ist die relative Änderung der Gesamteffizienz für alle drei Datensätze negativ. Betragsmäßig ist die relative Änderung umso größer, je größer der Wert von hnMB i im jeweiligen Datensatz ist. Sie beträgt etwa -4,8 % für hnMB i = 5 und den hier betrachteten JV F -Schnitt bei 0,8. 5.7. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen Die Ergebnisse dieses Kapitels lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Die Identifikation von b-Jets wird durch die Anwesenheit zusätzlicher pp-Kollisionen beeinträchtigt: Bei glei- 45 Kapitel 5. Monte Carlo-Studien Abbildung 5.17.: Abhängigkeit der relativen Änderung der Gesamteffizienz mit dem JV F -Schnitt vom Operationspunkt. Die Werte gelten für den JV F -Schnitt bei 0,8. Der b-Tag-Schnitt wurde nach dem Schnitt auf JV F so angepasst, dass die b-Tag-Effizienz nach dem Schnitt auf JV F den jeweils angegebenen Wert hat. cher b-Tag-Effizienz fallen b-Jet-Reinheit und c-Jet-Unterdrückung geringer aus. Eine Steigerung der Unterdrückung leichter Jets ist vollständig auf zusätzliche Jets aus pileup-Kollisionen zurückzuführen. Dieser Effekt kann durch Schnitte auf JV F abgeschwächt werden. Für sehr große Schnittwerte werden pileup-Effekte sogar überkompensiert. Dies ist jedoch mit einem deutlichen Verlust an b-Jets verbunden und kann zur Reduzierung der Menge an Jets in Analysen, die b-tagging anwenden, führen. Die mit unterschiedlichen b-Tag-Algorithmen erhaltenen Ergebnisse stimmen qualitativ miteinander überein. Es zeigt sich, dass bei einem Schnitt auf JV F um 0,7 der b-Tag-Schnittwert unabhängig von hnMB i gewählt werden kann,um 50 % b-Tag-Effizienz zu erhalten. Für diesen speziellen Schnitt wird die Herabsetzung der b-Jet-Reinheit in Anwesenheit von pileup gerade kompensiert. Dies ist ähnlich für andere Operationspunkte. Die Unterdrückung leichter Jets ist jedoch in diesem Bereich von JV F -Schnitten minimal. Somit handelt es sich hierbei nicht um einen hinsichtlich b-tagging optimalen Schnittwert. Da die Unterdrückung leichter Jets als Funktion des JV F -Schnittes bei konstanter b-Tag-Effizienz in Anwesenheit von pileup ein Minimum aufweist, muss bei der Wahl eines JV F -Schnittes eine Abwägung zwischen hoher Gesamteffizienz und hoher b-Jet-Reinheit erfolgen. Für typische JV F -Schnittwerte, die in Analysen von 2010er Daten Anwendung finden 46 5.7. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen (0,5–0,8), sind die Auswirkungen auf die Identifikation von b-Jets beim hier betrachteten Grad an pileup gering. Da das Ausmaß der beobachteten Effekte jedoch mit der Anzahl zusätzlicher pp-Kollisionen zunimmt, ist zu erwarten, dass mit zunehmendem Grad an pileup die Auswirkungen auf die b-Jet-Identifikation deutlich stärker ausfallen. Dies gilt insbesondere bei Erreichen der Designluminosität des LHC von 1034 cm−2 s−1 , für die ein Wert von hnMB i = 23 erwartet wird [4]. 47 Kapitel 6. Identifikation von b-Jets in Daten: Effizienzmessung und pileup-Studien In diesem Kapitel wird die Untersuchung der Abhängigkeit der b-Tag-Effizienz vom angewandten JV F -Schnitt in Daten beschrieben. Für Physikanalysen, die b-Tagging-Verfahren einsetzen, müssen b-Tag-Effizienz und Wahrscheinlichkeit der Fehlidentifikation (engl. mistag rate) leichter Jets als b-Jets mit hoher Genauigkeit bekannt sein. Da Monte Carlo-Simulationen die betreffenden Größen nur eingeschränkt beschreiben, muss die b-Tag-Effizienz aus den Daten bestimmt werden. Zur Messung der b-Tag-Effizienz in Daten wurde das in Kapitel 3.4 beschriebene prel T -Verfahren benutzt. Dieses basiert darauf, dass sich b-Jets in der Verteilung des Transversalimpulses von in Jets enthaltenen Myonen relativ zur Jet-Richtung von c- und leichten Jets unterscheiden. Als b-Tag-Algorithmen wurden hier SV0 und TrackCounting2D betrachtet1 (für eine Beschreibung siehe Kapitel 3). Die Effizienzmessung wurde darüber hinaus für verschiedene Arbeitspunkte durchgeführt und das Verhalten der verwendeten b-TagAlgorithmen miteinander verglichen. Auch die hier verwendeten Arbeitspunkte stimmen mit denen, die in der Monte Carlo-Studie verwendet wurden, überein (siehe Tabelle 5.2). Der JV F -Schnitt wurde wie in der Monte Carlo-Studie systematisch zwischen 0,00 und 0,90 in Schritten von 0,05 variiert und die Effizienzmessung für jeden JV F -Schnitt separat durchgeführt. Hier wurde statt der mittleren Anzahl zusätzlicher Vertizes hnMB i, die in Kapitel 5 verwendet wurde, die Anzahl rekonstruierter Primärvertizes im jeweiligen Ereignis nPV betrachtet und die Messung der b-Tag-Effizienz für Ereignisse mit festem Wert von nPV separat durchgeführt. Die mithilfe der prel T -Methode bestimmten Werte der b-Tag-Effizienz wurden ferner mit den unter Zuhilfenahme der flavour-Kennzeichnung in Monte Carlo-Ereignissen bestimmten Werten verglichen und jeweils der in Kapitel 3 eingeführte Skalenfaktor berechnet. Schließlich wurde die Abhängigkeit des Skalenfaktors vom JV F -Schnittwert mit der der b-Tag-Effizienz verglichen. Dieses Kapitel ist wie folgt gegliedert: Kapitel 6.1 beschreibt die zur Messung der b-TagEffizienz verwendeten Datensätze. Kapitel 6.2 beschreibt die angewendeten Auswahlkriterien für Ereignisse, Jets und Myonen. Kapitel 6.3 beschreibt Korrekturen, die an den verwendeten Monte Carlo-Datensätzen durchgeführt wurden, um eine bessere Übereinstimmung mit den Daten zu erhalten. Kapitel 6.4 beschreibt die eigentliche Messung der b-Tag-Effizienz in Daten mit der prel T -Methode. Die wichtigsten Ergebnisse werden abschließend nochmals in Kapitel 6.5 zusammengefasst. 1 Aufgrund eines Fehlers, der erst kurz vor der Abgabe der Arbeit bemerkt wurde und sich in der verbleibenden Zeit nicht mehr korrigieren ließ, kann die Gültigkeit der Ergebnisse für JetProb und IP3D+SV1 hier nicht garantiert werden. Basierend auf einer früheren Version dieser Studie kann jedoch davon ausgegangen werden, dass die Ergebnisse, die unter Verwendung von IP3D+SV1 und JetProb erhalten worden währen, qualitativ mit denen für SV0 und TrackCounting2D übereinstimmen würden 49 Kapitel 6. Identifikation von b-Jets in Daten: Effizienzmessung und pileup-Studien 6.1. Verwendete Datensätze In dieser Studie wurden Daten aus Proton-Proton-Kollisionen bei einer Schwerpunktsener√ gie von s = 7 TeV verwendet, die während des Jahres 2010 mit dem ATLAS-Detektor aufgezeichnet wurden. Die Datenmenge entspricht etwa einer integrierten Luminosität von 35 pb−1 . Es wurden die offiziell produzierten NTUB_BTAG Physik-Container mit der Kennzeichnung (engl. production tag) p400 verwendet. Die Datennahme eines Jahres wird in mehrere Datennahmeperioden unterteilt. Diese werden jeweils mit Großbuchstaben gekennzeichnet. Jedes Jahr beginnt neu mit Periode A. Die Daten wurden mit Triggern ausgewählt, die von Myonen innerhalb von KalorimeterJets ausgelöst werden. Die Jets müssen dabei eine Mindestenergie von 5 GeV besitzen. Die Myonen werden aus Spurpunkten, die mit dem Myonsystem des ATLAS-Detektors gemessen wurden, rekonstruiert. Bei der Zuordnung zu einem Jet wird verlangt, dass der Abstand in der η-φ-Ebene ∆R einen bestimmten Grenzwert nicht überschreitet. Die genauen Bezeichnungen enthält Tabelle 6.1, zusammen mit deren Einsatzbereichen. Trigger Einsatzbereich L2_mu4_L1J5_matched L2_mu4_j5_matched Perioden E - I Perioden A - B, Monte Carlo Tabelle 6.1.: Verwendete µ +Jets-Trigger und ihre Einsatzbereiche Es wurden nur Daten verwendet, während deren Aufzeichnung der Innere Detektor, das Kalorimeter- und das Myonsystem vollständig funktionsbereit waren und die Siliziumdetektoren mit voller Verarmungsspannung (engl. depletion voltage) betrieben wurden2 . Dies wurde durch die Verwendung einer good runs list (GRL) sichergestellt. Die GRL enthält nur Läufe (engl. runs)3 , die von der ATLAS Datenqualitätsgruppe als gut gekennzeichnet und damit zur Analyse freigegeben wurden. Zusätzlich zu den mit dem ATLAS-Detektor aufgezeichneten Daten wurden auch simulierte Ereignisse verwendet. Hierbei handelt es sich um von der ATLAS-Kollaboration zentral produzierte Dijet-Ereignisse, die mit PYTHIA 6.4.21 [23] generiert wurden. Dabei wurde von der ATLAS Monte Carlo-Abstimmung für MC094 [24] zur Beschreibung des zugrunde liegenden Ereignisses (engl. underlying event) und von minimum bias-Ereignissen Gebrauch gemacht. Diese verwenden die MRST LO* Partondichtefunktionen (engl. parton density functions, PDFs) [25] und den pT -geordneten Partonenschauer. Die Simulation wurde in Intervallen von p̂⊥ , dem Impuls der an der harten Streureaktion beteiligten Partonen senkrecht zur Strahlachse, ausgeführt [23], beginnend bei p̂⊥ > 8 GeV. Mit einer GEANT4 [26]-Simulation des ATLAS-Detektors wurden die Detektorsignale für die generierten Ereignisse simuliert. Auf diese simulierten Ereignisse wurde eine µ-Filterung angewendet: Es wurde verlangt, dass mindestens ein Myon mit pT > 3 GeV auf Generatorebene existiert. Diese Filterung ist notwendig, um genügend Statistik für die Konstruktion der prel T -Templates zu erhalten, führt aber auch dazu, dass anteilmäßig zu wenig Myonen aus Zerfällen von Pionen oder Kaonen vorhanden sind, da diese Teilchen auf Generatorebene als stabil angenommen werden. Die Monte Carlo-Datensätze liegen im gleichen Format vor 2 sog. stable beam-Perioden hierbei handelt es sich um eine Unterstruktur der Datennahmeperioden 4 die im Herbst des Jahres 2009 begonnene ATLAS Monte Carlo-Produktion 3 50 6.1. Verwendete Datensätze wie die Daten und werden als JXµ bezeichnet, wobei X die Werte 0 bis 4 annimmt und das jeweils zugrundeliegende p̂⊥ -Interwall kennzeichnet. Tabelle 6.2 fasst einige Informationen über die JXµ-Datensätze zusammen. Diese JXµ-Datensätze wurden im Verhältnis der ihnen entsprechenden Wirkungsquerschnitte addiert, um einen inklusiven Monte Carlo-Datensatz zu bilden. Datensatz J0 J1 J2 J3 J4 Ereignisse σ[nb−1 ] p̂⊥ -Intervall 4997181 1999658 1415615 998507 996145 9, 8605 · 106 8 < p̂⊥ ≤ 17 GeV 17 < p̂⊥ ≤ 35 GeV 35 < p̂⊥ ≤ 70 GeV 70 < p̂⊥ ≤ 140 GeV 140 < p̂⊥ ≤ 280 GeV 6, 7803 · 105 4, 0967 · 104 2, 1929 · 103 8.7678 · 101 Tabelle 6.2.: Verwendete Monte Carlo-Datensätze. Angegeben sind jeweils die Anzahl an Ereignissen, der entsprechende Wirkungsquerschnitt sowie das zugrundeliegende p̂⊥ -Intervall. Die für die prel T -Methode zentralen Objekte sind Kalorimeter-Jets sowie Spuren von Jets zugeordneten Myonen. Jets wurden aus topologischen Clustern [4] von Energie im Kalorimeter unter Verwendung des Anti-kt -Algorithmus [22] mit dem Abstandsparameter 0,4 rekonstruiert. Im Inneren Detektor rekonstruierte Spuren wurden dem nächstgelegenen Jet zugeordnet, falls ihr Abstand in ∆R von dessen Achse einen gegebenen Grenzwert nicht überschreitet [9]. Für simulierte Ereignisse erfolgte die Zuordnung der Quark-flavours zu den Jets wie folgt: wurde innerhalb von ∆R < 0, 3 bezüglich der Jetachse auf Generator-Ebene ein b-Quark gefunden, so wurde der Jet als b-Jet gekennzeichnet. Wurde kein b-Quark gefunden, so wurde das Verfahren für c-Quarks und τ -Leptonen wiederholt. Wurde keines dieser Teilchen gefunden, so wurde der Jet als leichter Jet gekennzeichnet. Die Myonen, die im prel T -Verfahren verwendet wurden, wurden mit dem STACO-Algorithmus [9] rekonstruiert. Hierbei handelt es sich um einen Algorithmus zur Rekonstruktion von kombinierten Myonen (engl. combined muons). Er verwendet sowohl allein im Inneren Detektor als auch im Myonspektrometer rekonstuierte Spuren und versucht diese miteinander in Verbindung zu setzen. Bei der Zuordnung zu einem Jet wird verlangt, dass der Abstand in der η-φ-Ebene ∆R einen bestimmten Grenzwert nicht überschreitet. Aufgrund der Beobachtung, dass Jets mit zunehmendem Transversalimpuls immer stärker kollimiert sind, wird dieser Grenzwert pT -abhängig gewählt. Er ergibt sich aus folgender Formel [27]: R = 0, 239 + exp(−1, 22 − 1, 64 · 10-5 · pJet T ). Für Jets mit geringen Transversalimpulsen wurde dieser Wert zusätzlich durch die Forderung ∆R ≤ 4 begrenzt. Unterschied in der Definition der JVF zwischen den Athena-Versionen 15 und 16 Beim Übergang zwischen Version 15 und 16 der ATLAS-Software Athena [28] erfolgte eine Änderung in der Definition der Jet-Vertex-Fraction.P In Version 15 war die JV F für jeden Jet bezüglich des Vertex mit dem größten Wert von p2T,Spur im Ereignis berechnet. In Version 16, die zur Erzeugung der hier verwendeten Datensätze zum Einsatz kam, erfolgte die Berechnung der JV F eines Jets bezüglich des Vertex, für den die JV F den größten Wert annimmt, 51 Kapitel 6. Identifikation von b-Jets in Daten: Effizienzmessung und pileup-Studien P d. h. der den größten Anteil von pT,Spur geladener Teilchen beisteuert. Die Information, für welchen Vertex der Vertexkollektion eines Ereignisses die JV F berechnet wurde, ist in einer anderen Variable, OriginIndex, gespeichert. Anhand dieser Variable lässt sich überprüfen, ob der Wert der JV F eines Jets in Bezug auf den Hauptprimärvertex des Ereignisses berechnet wurde. Ein Schnitt auf die JV F war daher immer mit der Forderung “OriginIndex = 0” verbunden. Ist diese nicht erfüllt, so handelt es sich um einen pileup-Jet, und der Jet wurde ungeachtet seines Wertes der JV F verworfen. 6.2. Ereignis-, Jet- und Myonselektion Für b-Tagging ist ein gut rekonstruierter Primärvertex von großer Wichtigkeit. Um eine gute Primärvertexauflösung zu gewährleisten wurde verlangt dass dem Hauptprimärvertex im Ereignis mindestens zehn Spuren zugeordnet werden konnten. Anderenfalls wurde das Ereignis nicht verwendet. Von Jets wurde ein Transversalimpuls von pT > 20 GeV verlangt. Darüberhinaus wurden für die Messungen der b-Tag-Effizienz mit der prel T -Methode nur Jets mit 20 GeV < pT ≤ 140 GeV verwendet. Dies hat den Grund, dass Jets mit größerem Transversalimpuls stärker kollimiert sind als Jets mit geringerem Transversalimpuls. Für sehr große pT -Werte verlaufen deshalb die Spuren der dem Jet zugeordneten Myonen praktisch kollinear zur Jetachse. Die Werte der Impulse dieser Spuren senkrecht zur Jetachse werden durch Effekte der begrenzten Auflösung der Jetrichtung bestimmt und die prel T -Verteilungen für b-Jets können nicht mehr von denen von c- und leichten Jets unterschieden werden. Da Spurinformationen für b-Tagging notwendig sind, wurden Jets nur dann verwendet, wenn ihr Wert der Pseudorapidität im Bereich |η| < 2, 5 liegt. In der Analyse wurden nur Ereignisse berücksichtigt, die keine “schlechten” (engl. bad jets) Jets enthalten. Ein Jet wird dabei als “schlecht” gekennzeichnet, wenn er mindestens eine der in Tabelle 6.3 aufgeführten Bedingungen erfüllt. Bei “schlechten” Jets handelt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um Energiedepositionen im Kalorimeter, die ihren Ursprung nicht in Proton-Proton-Kollisionen haben. Mögliche Ursachen können Hardwareprobleme (HECSpitzen, kohärentes EM-Rauschen) sein, aber auch echte Energiedepositionen durch kosmische Strahlung und andere Teilchen, die ihren Ursprung nicht in der Wechselwirkung kollidierender Protonen haben. Von zu Jets zugeordneten Myonen wurde ein Transversalimpuls von pT > 4 GeV verlangt. Dieser Wert wurde gewählt, da Myonen mit geringeren pT -Werten mit dem ATLAS-Detektor nicht getriggert werden können. Auch an Myonen wurde die Bedingung |η| < 2, 5 gestellt. Zudem mussten die Spuren der Myonen aus Gründen der Konsistenz die Spurauswahlkriterien des jeweils verwendeten b-Tag-Algorithmus erfüllen. Diese sind in Kapitel 3 in den Tabellen 3.1 und 3.2 aufgelistet. Um den Einfluss der Modellierung der prel T -Verteilung von Myonen innerhalb leichter Jets auf die Messung der b-Tag-Effizienz zu reduzieren, wurde der verwendete Datensatz mit bund c-Jets angereichert. Dazu wurde gefordert, dass in jedem Ereignis mindestens ein Jet einen Wert von SV 0 > 1 besitzt, also einen rekonstruierten Sekundärvertex mit Zerfallslängensignifikanz L/σ(L) > 1 aufweist. Andernfalls wurde das Ereignis nicht berücksichtigt. Um zu vermeiden, dass sich die Verteilung dadurch zu größeren Werten von L/σ(L) hin verschiebt, wurde ein Jet mit Zerfallslängensignifikanz L/σ(L) > 1 verworfen. Um sicherzustellen, dass genügend Myonen für eine Bestimmung der Templates im Datensatz verbleiben, 52 6.3. Umgewichtung der pT -und η-Verteilung in der Simulation HEC-Spitzen HECf > 0, 5 und |HECQ| > 0, 5 oder |neg.E| > 60 GeV kohärentes EMRauschen EMf > 0, 95 und |LArQ| > 0, 8 und |η| > 2, 8 nicht aus Kollisionen stammender Untergrund und kosmische Strahlung |t| > 25 ns oder EMf < 0, 05 und Chf < 0, 05 und |η| < 2 oder EMf < 0, 05 und |η| ≥ 2 oder FMax > 0, 99 und |η| < 2 Tabelle 6.3.: Definition von “schlechten” Jets. Die Variablen haben folgende Bedeutung: EMf/HECf: Anteil der im Elektromagnetischen Kalorimeter bzw. im HEC deponierten Energie; FMax: maximaler Anteil der in einer Kalorimeterschicht deponierten Energie; LArQ/HECQ: Anteil der LArKalorimeter- bzw. der HEC-Zellen mit Q > 4000, wobei Q ein Maß für den Unterschied zwischen der gemessenen und der vorhergesagten Pulsform ist; neg.E: Summe der Zellen mit Energie E < 2,5 GeV im Jet; t: Jet-Zeit; Chf: pT -Anteil, der von geladenen Teilchen getragen wird. wurden dabei falls möglich Jets verworfen, die kein Myon enthielten. Diese Anreicherung mit b- und c-Jets wurde sowohl in dem Datensatz, in dem die b-Tag-Effizienz gemessen wurde, als auch in den Monte Carlo-Ereignissen durchgeführt. Zur Untersuchung des Einflusses von pileup auf die b-Tag-Effizienz in Daten wurden sowohl Daten als auch Monte Carlo-Ereignisse nach der Anzahl rekonstruierter Primärvertizes nPV sortiert. Es wurden jeweils vier Teildatensätze mit festem Wert von nPV betrachtet, mit nPV = 1, 2, 3 oder ≥ 4. Die Messungen der b-Tag-Effizienz bei systematischer Variation des JV F -Schnittes wurde in den vier Teildatensätzen separat durchgeführt. 6.3. Umgewichtung der pT -und η-Verteilung in der Simulation Da bei der Messung der b-Tag-Effizienz mit der prel T -Methode Templates, die teilweise aus Monte Carlo-Ereignissen gebildet werden, an Daten angepasst werden, ist es wichtig, dass die Kinematik der Jets in Monte Carlo-Ereignissen mit der in Daten gut übereinstimmt. Die sich nach der im vorangegangenen Kapitel 6.2 beschriebenen Ereignis- und Jetselektion ergebenen pT -Verteilungen der Jets hatten in den Monte Carlo-Datensätzen mit nPV = 1 und nPV = 2 geringfügig kleinere Mittelwerte als in den entsprechenden Datenverteilungen. In den übrigen beiden Teildatensätzen ist dies umgekehrt. Desweiteren war die η-Verteilung in den Monte Carlo-Datensätzen, besonders für nPV = 1 und nPV = 2, geringfügig schmaler5 als die entsprechenden Datenverteilungen. Zur Korrektur dieser Abweichungen wurden die Teildatensätze mit unterschiedlichen Werten von nPV jeweils weiter in pT - und η-Intervalle unterteilt. Die jeweiligen Intervallgrenzen sind in Tabelle 6.4 dargestellt. In jedem der vier Monte Carlo-Datensätze mit unterschiedlichen Werten von nPV wurde die Anzahl an Jets 5 d. h. Jets neigen zu kleineren Werten von |η| 53 Kapitel 6. Identifikation von b-Jets in Daten: Effizienzmessung und pileup-Studien in jedem (zweidimensionalen) pT -η-Intervall separat auf die entsprechende Anzahl in Daten normiert. Auf diese Weise können Korrelationen zwischen der pT - und der η-Verteilung mitberücksichtigt werden. pT -Intervalle η-Intervalle 20 < pT ≤ 30 GeV 30 < pT ≤ 60 GeV 60 < pT ≤ 90 GeV 90 < pT ≤ 140 GeV pT ≥ 140 GeV 0, 0 < |η| ≤ 1, 2 1, 2 < |η| ≤ 2, 5 Tabelle 6.4.: pT - und η-Intervalle. Abbildung 6.1 zeigt den Vergleich der pT - und η-Verteilungen zwischen Daten und Monte Carlo-Ereignissen in den vier Teildatensätzen mit verschiedenen Werten von nPV nach der beschriebenen Korrektur. Die erreichte Übereinstimmung hat sich gegenüber derjenigen vor Anwendung der (pT , η)-Umgewichtung verbessert. Die Übereinstimmung ist etwas besser in den Teildatensätzen mit nPV = 2 und nPV ≥ 3 als in denen mit geringeren Werten von nPV . 6.4. Messung der b-Tag-Effizienz als Funktion des JVF -Schnittes In allen vier Datensätzen mit unterschiedlichen Werten von nPV wurde bei systematischer Variation des JV F -Schnittes die b-Tag-Effizienz bestimmt. Hierzu wurde das in Kapitel 3.4 beschriebene prel T -Verfahren angewendet, dass auf Unterschieden zwischen b-Jets und Jets anderen Quark-flavours in der Form der prel T -Verteilung von Myonen innerhalb von Jets basiert. prel bezeichnet den Impuls von in Jets enthaltenen geladenen Teilchen relativ zur Jetachse. T Da die Jetachse anhand von mit dem Jet assoziierten Energiedepositionen im Kalorimeter bestimmt wird [4] und Myonen als minimal-ionisierende Teilchen (engl. minimum ionizing particle, MIP) den Detektor ohne beträchtlichen Energieverlust durchdringen muss die Jetachse um den Impuls des Myons korrigiert werden. Für die Messungen der b-Tag-Effizienz wurden Jets ausgewählt, die mindestens ein Myon mit pT (µ) > 4 GeV enthalten. Mit dem prel T Verfahren gemessene Werte der b-Tag-Effizienz gelten daher strenggenommen nur für b-Jets mit semileptonisch zerfallendem b-Hadron. 6.4.1. Konstruktion der Templates Die Templates der prel T -Verteilung für b- und c-Jets wurden aus den beschriebenen Monte Carlo-Datensätzen bestimmt. Dazu wurde die prel T -Verteilung von Myonen verwendet, die mit Jets assoziiert sind, wobei verlangt wurde, dass die Jets jeweils als b- bzw. c-Jet gekennzeichnet waren. Die Templates der prel T -Verteilung für leichte Jets wurde aus Daten gewonnen. Hierzu werden bei ATLAS mehrere Methoden angewendet. Eine Möglichkeit besteht darin, die prel T -Werte aller mit Jets assoziierten Spuren zu verwenden, die die Spurselektionskriterien des jeweils verwendeten b-Tag-Algorithmus mit der zusätzlichen Bedingung pT > 4 GeV erfüllen [10]. Dabei wird die Annahme gemacht, dass alle diese Spuren mit gleicher Wahrscheinlichkeit Myonen imitieren. Eine andere Methode besteht in der Verwendung 54 6.4. Messung der b-Tag-Effizienz als Funktion des JVF-Schnittes Abbildung 6.1.: Daten-Monte Carlo-Vergleich der pT - und η-Verteilungen für die Teildatensätze mit unterschiedlichen Werten von nPV nach erfolgter Umgewichtung. 55 Kapitel 6. Identifikation von b-Jets in Daten: Effizienzmessung und pileup-Studien “echter” rekonstruierter Myonen, die die Spurselektionskriterien des jeweils verwendeten bTag-Algorithmus mit der zusätzlichen Bedingung pT > 4 GeV erfüllen, wobei allerdings die hierzu verwendeten Daten mit leichten Jets angereichert werden. Die erste Methode hat den Vorteil, dass sie in einer größeren Menge an Ereignissen resultiert. Allerdings werden auch Spuren von b-Jets verwendet. Die zweite Methode hat zum Vorteil, dass sie durch die Verwendung von Myonen von weniger Annahmen abhängig ist. Die Menge an Ereignissen ist hierbei allerdings deutlich geringer. In dieser Diplomarbeit wurde die zweite Methode angewendet. Im zur Bestimmung der prel T -Templates leichter Jets verwendeten Datensatz wurde die in Kapitel 6.2 beschriebene Anreicherung mit b- und c-Jets nicht durchgeführt. Stattdessen wurde verlangt, dass kein Jet im Ereignis mit positivem b-Tag vorhanden ist. Andernfalls wurde das Ereignis bei der Bildung der Templates nicht berücksichtigt. Hierzu wurde jeweils ein anderer b-Tag-Algorithmus als der, für den die b-Tag-Effizienz gemessen wurde, verwendet. Hierfür wurde IP3D+SV1 verwendet. Zur möglichst starken Reduktion der Anteile von b- und c-Jets wurde ein Operationspunkt gewählt, der in simulierten tt̄-Ereignissen einer b-Tag-Effizienz von 80 % entspricht. Der genaue Schnittwert ist −0, 85. Der JV F -Schnitt wurde zwischen 0,5 und 1,0 in Schritten von 0,05 systematisch erhöht und im nach Anwendung des jeweiligen JV F -Schnittes verbleibenden Datensatz erneut die b-Tag-Effizienz gemessen. Dieses Verfahren wurde darüber hinaus für jeden der verwendeten Teildatensätze mit jeweils unterschiedlichen Werten von nPV , jeden der vier verwendeten bTag-Algorithmen und jeden der betrachteten Operationspunkte getrennt durchgeführt. Eine Übersicht über die betrachteten Operationspunkte gibt Tabelle 6.5. Operationspunkte b-Tag-Algorithmus TrackCounting2D SV0 0.35 (80 %) 3.30 (55 %) 0.90 (70 %) 5.85 (50 %) 1.50 (60 %) 7.85 (45 %) 2.40 (50 %) 10.05 (40 %) 3.80 (40 %) Tabelle 6.5.: Verwendete Operationspunkte zur Messung der b-Tag-Effizienz in Daten. Die Werte entsprechen den Schnittwerten auf die Diskriminante des jeweiligen b-Tag-Algorithmus. In Klammern mit angegeben sind gerundete Werte der sich damit in simulierten tt̄-Ereignissen ergebenenen b-TagEffizienz. Die Templates der prel T -Verteilung der Myonen in b-, c- bzw. leichten Jets wurden in jedem der vier Teildatensätze getrennt und nach Anwendung jedes JV F -Schnittes neu konstruiert. Darüber hinaus wurden alle Templates auf Einheitsfläche normiert. Abbildung 6.2 zeigt beispielhaft verschiedene Sätze von Templates, d. h. je eins für b-, c- und leichte Jets, für SV0 und den Teildatensatz mit nPV ≥ 4. Abbildung (a) zeigt die Templates für den Datensatz vor Anwendung eines JV F - und eines b-Tag-Schnittes, Abbildung (b) den entsprechenden Satz von Templates für den Datensatz vor Anwendung eines JV F -Schnittes, aber nach Schnitt auf SV0 bei 5.85. Die Abbildungen (c) und (d) zeigen die Templates, die sich in diesen zwei Fällen nach einem zusätzlichen Schnitt auf die JV F bei 0,9 ergaben. Allgemein fällt auf, dass sich wie erwartet die Templates für c- und leichte Jets nicht sehr deutlich in ihrer Form voneinander unterscheiden. Daher können die relativen Anteile an c- und leichten Jets mit dem prel T -Verfahren nicht verlässlich ermittelt werden. Dies ist anders im Fall von b-Jets: deren Templates unterscheiden sich deutlich in ihrer Form von denen von c- und leichten Jets. Darüber hinaus ist zu erkennen, dass die Templates für b- c- und leichte Jets für den ursprünglichen Datensatz mit den entsprechenden Templates für den nach Anwendung eines b-Tag-Schnittes 56 6.4. Messung der b-Tag-Effizienz als Funktion des JVF-Schnittes verbleibenden Datensatz im Rahmen ihrer statistischen Fehler gut miteinander übereinstimmen. Für leichte Jets ist allerdings die Statistik nach Anwendung des b-Tag-Schnittes sehr gering6 . Daher wurden die Templates für b-, c- und leichte Jets, die vor Anwendung der b-TagSchnitte gebildet wurden, auch zur Anpassung der prel T -Verteilung in Daten nach Anwendung eines b-Tag-Schnittes verwendet. Außerdem wird der geringe Beitrag von b-Jets zu den Templates für leichte Jets durch den b-Tag-Schnitt relativ zu den Anteilen von c- und leichten Jets verstärkt. Aufgrund der guten Übereinstimmung der Templates für b- und c-Jets für den ursprünglichen Datensatz mit den entsprechenden Templates für den nach Anwendung eines b-Tag-Schnittes verbleibenden Datensatz ist jedoch anzunehmen, dass dies für ein reines Template leichter Jets ebenso gelte. Auch zwischen einander entsprechenden Templates, die vor und nach dem Schnitt auf die JV F gebildet wurden, sind keine großen Unterschiede zu erkennen. Die Templates wurden dennoch nach jedem Schnitt auf die JV F neu konstruiert. Da die Unterschiede zwischen den Templates für b-, c- und leichte Jets mit zunehmendem Wert von prel T stark abnehmen und für große Werte von statistischen Schwankungen bestimmt sind, rel wurden die prel T -Templates nur für pT < 2,5 GeV bestimmt und die Anpassung der Templates rel an die pT -Verteilung in Daten wurde nur in diesem Bereich durchgeführt. 6.4.2. Anpassung der Templates an die prel T -Verteilung in Daten rel Zur Anpassung der prel T -Templates für b-, c- und leichte Jets an die pT -Verteilung in Daten wurde eine gebinnte maximum likelihood-Methode angewendet. Dabei wurde die Anzahl der Ereignisse in jedem Intervall als unabhängige Poisson-Variable behandelt. In jedem Intervall i wurde der an die Anzahl ni in Daten anzupassende Wert fi wie folgt parametrisiert: fi = p0 · fib + p1 · fic + p2 · fil , wobei fib , fic und fil die jeweiligen Werte der prel T -Templates für b-, c- und leichte Jets im Intervall i bezeichnen. p0 , p1 und p2 sind freie Parameter, die durch die Anpassung bestimmt werden. Die folgende likelihood-Funktion wurde minimiert: F =− N X ni ln fi + fi . i=1 Zur Minimierung wurde das MINUIT [29]-Softwarepaket verwendet. Die Anpassungen unter Verwendung aller drei prel T -Templates erwiesen sich als instabil: sie resultierten für einige Operationspunkte und Werte von nPV in relativ großen, unphysikalischen Sprüngen im Verlauf der gemessenen b-Tag-Effizienz mit dem JV F -Schnittwert. Dies wird durch die große Ähnlichkeit in der Form der prel T -Templates für c- und leichte Jets verursacht. Statt mit allen drei Templates wurden die Anpassungen an die prel T -Verteilung in Daten nur mit jeweils zwei Templates durchgeführt: entweder mit den Templates für b- und c-Jets oder mit denen für b- und leichte Jets. Abbildung 6.3 zeigt Beispiele für die Resultate der Anpassung unter Verwendung von prel T 6 Dies ist eine direkte Folge der durchgeführten Anreicherung des Datensatzes, aus denen die Templates für leichte Jets gebildet wurden, mit leichten Jets. Im Falle vollständiger Korrelation der zur Messung der b-TagEffizienz und der zur Konstruktion der Templates für leichte Jets verwendeten b-Tag-Algorithmen verschwänden die Templates für leichte Jets nach Anwendung eines beliebigen b-Tag-Schnittes bei dem gewählten Operationspunkt ganz. 57 Kapitel 6. Identifikation von b-Jets in Daten: Effizienzmessung und pileup-Studien (a) (b) (c) (d) Abbildung 6.2.: Beispiel-Templates für SV0, (a) vor Anwendung eines JV F - und eines b-Tag-Schnittes, (b) vor Anwendung eines JV F -Schnittes, aber nach Schnitt auf SV0 bei 5,85, (c) nach Schnitt auf die JV F bei 0,9, aber vor Anwendung eines b-Tag-Schnittes, und (d) nach Anwendung sowohl eines Schnittes auf die JV F bei 0,9 als auch auf SV0 bei 5,85. Templates für b- und leichte Jets. Diese ergaben sich bei Verwendung des SV0-Algorithmus im Teildatensatz mit hnMB i ≥ 4. Abbildung 6.3 (a) zeigt das Ergebnis der Anpassung vor Anwendung eines JV F - und eines b-Tag-Schnittes. Abbildung 6.3 (b) zeigt das Ergebnis ebenfalls vor Anwendung eines JV F -Schnittes, aber nach Schnitt auf SV0 bei dem extremen Wert von 10,05, der einer b-Tag-Effizienz von 40 % in simulierten tt̄-Ereignissen entspricht. Die Abbildungen 6.3 (c) und 6.3 (d) zeigen die entsprechenden Ergebnisse nach Schnitt auf die JV F bei dem extremen Wert von 0,9. Das Ergebnis der Anpassung der prel T -Templates für b- und leichte rel Jets beschreibt die pT -Verteilung in Daten insgesamt recht gut. Die Übereinstimmung ist etwas besser für die rechte Flanke der prel T -Verteilung. Für kleine Werte auf der linken Seite des Maximums ist eine leichte systematische Abweichung zwischen der Summe der TemplateVerteilungen und der Datenverteilung zu erkennen. Der Schnitt auf SV0 bei 10,05 bewirkt eine deutliche Reduktion des Anteils des Templates für leichte Jets. Auch ohne Anwendung des b-Tag-Schnittes erhält das Template für b-Jets einen relativ großen Anteil. Dies ist eine Folge der zuvor durchgeführten Anreicherung des Datensatzes, in dem die b-Tag-Effizienz gemessen wurde, mit b-Jets. Der JV F -Schnitt bei 0,9 bewirkt eine leichte Reduktion der Hi- 58 6.4. Messung der b-Tag-Effizienz als Funktion des JVF-Schnittes stogrammstatistik. Die Form der prel T -Verteilung ändert sich dabei jedoch nur geringfügig. (a) (b) (c) (d) Abbildung 6.3.: Beispielergebnisse der Template-Anpassung an die prel T -Verteilung in Daten für SV0 unter Verwendung der Templates für b- und leichte Jets, (a) vor Anwendung eines JV F - und eines b-Tag-Schnittes, (b) vor Anwendung eines JV F -Schnittes, aber nach Schnitt auf SV0 bei 5,85, (c) nach Schnitt auf die JV F bei 0,9, aber vor Anwendung eines b-Tag-Schnittes, und (d) nach Anwendung sowohl eines Schnittes auf die JV F bei 0,9 als auch auf SV0 bei 5,85. Zum Vergleich zeigt Abbildung 6.4 die entsprechenden Ergebnisse der Anpassung der prel T Templates an die prel -Verteilung in Daten unter Verwendung der Templates für bund c-Jets. T Hier ist die Übereinstimmung besonders für kleine Werte von prel T besser als bei der Verwendung der Templates für b- und leichte Jets. Dies ist jedoch nicht für alle Operationspunkte sowie Werte von nPV und JV F -Schnittwerte der Fall. Im Allgemeinen ergaben beide Vorgehensweisen gleich gute Ergebnisse hinsichtlich der Übereinstimmung zwischen der Summe der verwendeten Templates und der prel T -Verteilung in Daten. 6.4.3. Abhängigkeit der b-Tag-Effizienz vom JVF -Schnittwert Die b-Tag-Effizienz wurde für die verschiedenen b-Tag-Algorithmen, Operationspunkte, Werte von nPV sowie JV F -Schnittwerte sowohl unter Verwendung der Templates für b- und c-Jets als auch unter Verwendung der Templates für b- und leichte Jets durchgeführt und jeweils der 59 Kapitel 6. Identifikation von b-Jets in Daten: Effizienzmessung und pileup-Studien (a) (b) (c) (d) Abbildung 6.4.: Beispielergebnisse der Template-Anpassung an die prel T -Verteilung in Daten für SV0 unter Verwendung der Templates für b- und c-Jets, (a) vor Anwendung eines JV F - und eines b-TagSchnittes, (b) vor Anwendung eines JV F -Schnittes, aber nach Schnitt auf SV0 bei 5,85, (c) nach Schnitt auf die JV F bei 0,9, aber vor Anwendung eines b-Tag-Schnittes, und (d) nach Anwendung sowohl eines Schnittes auf die JV F bei 0,9 als auch auf SV0 bei 5,85. Mittelwert aus beiden Messungen bestimmt. Die b-Tag-Effizienz wurde dabei aus den durch die Anpassung bestimmten Anteilen des Templates für b-Jets vor bzw. nach der Anwendung tag des b-Tag-Schnittes fb bzw. fb gemäß der Formel tag data = b fb fb berechnet. Beide Verfahren lieferten ähnliche Werte der b-Tag-Effizienz. Die Abweichungen zwischen diesen Werten betrugen je nach b-Tag-Algorithmus und Operationspunkt zwischen weniger als einem und drei Prozent und blieben bei der Variation des JV F -Schnittwertes konstant. Abbildung 6.5 zeigt die Abhängigkeit des gemittelten Wertes der b-Tag-Effizienz vom JV F Schnittwert sowie der Anzahl an Primärvertizes nPV für alle vier verwendeten b-Tag-Algorithmen. Sie gelten für den Operationspunkt, der in simulierten tt̄-Ereignissen einer b-Tag- 60 6.4. Messung der b-Tag-Effizienz als Funktion des JVF-Schnittes Effizienz von 50 % entspricht. Die gestrichelten Linien entsprechen jeweils den Werten der b-Tag-Effizienz, die sich ohne Schnitt auf die JV F ergab. Innerhalb jedes Teildatensatzes mit jeweils festem Wert von nPV steigt die b-Tag-Effizienz bei großen JV F -Schnittwerten leicht mit dem Schnittwert an. Dieser Anstieg ist umso größer, je größer die Anzahl der Primärvertizes nPV im jeweiligen Teildatensatz ist. Der maximale Anstieg der b-Tag-Effizienz beträgt für alle vier b-Tag-Algorithmen weniger als 1 %. Darüber hinaus ist eine Verschiebung der Werte der b-Tag-Effizienz von gleicher Größe zwischen den Teildatensätzen mit unterschiedlichen Werten von nPV zu erkennen. Diese ist allerdings nicht mit der Anzahl an Vertizes korreliert: Es ist keine eindeutige Reihenfolge in der Abfolge der Werte zu erkennen. Die eingezeichneten Fehlerbalken entsprechen den Unsicherheiten im Minimierungsprozess, der bei der Anpassung der Templates an die prel T -Verteilung in Daten durchgeführt wurde. Innerhalb der Fehler sind sämtliche Werte der b-Tag-Effizienz miteinander verträglich. Systematische Unsicherheiten sind hier nicht berücksichtigt. Abbildung 6.5.: Abhängigkeit der b-Tag-Effizienz vom JV F -Schnittwert und von nPV für die verwendeten b-Tag-Algorithmen. Die Werte gelten für den Operationspunkt, der in simulierten tt̄-Ereignissen einer b-Tag-Effizienz von 50 % entspricht. Um den Effekt des Anstiegs der b-Tag-Effizienz mit dem JV F -Schnittwert losgelöst von der Verschiebung mit nPV zu betrachten wurde ebenfalls für jeden verwendeten b-Tag-Algorithmus und jeden betrachteten Operationspunkt die relative Abweichung der b-Tag-Effizienz bezüglich des Wertes, der sich ohne Schnitt auf die JV F ergab, berechnet. Diese ist gleich der Differenz der Werte b nach bzw. 0b vor dem JV F -Schnitt, geteilt durch den Wert vor dem JV F -Schnitt: b − 0b ∆b = . 0b 0b Das Ergebnis zeigt Abbildung 6.6, ebenfalls für alle vier verwendeten b-Tag-Algorithmen und den Operationspunkt, der in simulierten tt̄-Ereignissen einer b-Tag-Effizienz von 50 % entspricht. Der systhematische Anstieg der b-Tag-Effizienz mit dem JV F -Schnittwert setzt etwa bei JV F = 0, 8 ein. Er nimmt zudem mit der Zahl der Vertizes nPV zu. 6.4.4. Abhängigkeit vom Operationspunkt Im vorangegangenen Abschnitt 6.4.3 wurde die Abhängigkeit der b-Tag-Effizienz in Daten vom JV F -Schnitt und von nPV am Beispiel eines festen Operationspunktes dargestellt. Dar- 61 Kapitel 6. Identifikation von b-Jets in Daten: Effizienzmessung und pileup-Studien Abbildung 6.6.: Abhängigkeit der relativen Änderung der b-Tag-Effizienz vom JV F -Schnittwert für die verwendeten b-Tag-Algorithmen. Die Werte gelten für den Operationspunkt, der in simulierten tt̄-Ereignissen einer b-Tag-Effizienz von 50 % entspricht. über hinaus wurden diese Abhängigkeiten auch für die anderen in Tabelle 6.5 enthaltenen Operationspunkte untersucht. Die beobachteten Effekte stimmen dabei in allen Fällen qualitativ mit den am Beispiel des 50 %-Operationspunkes Beschriebenen überein. Zum quantitativen Vergleich der Abhängigkeit der b-Tag-Effizienz vom JV F -Schnittwert zwischen unterschiedlichen Operationspunkten zeigt Abbildung 6.7 die Abhängigkeit der relativen Änderung der b-Tag-Effizienz ∆b /0b mit dem JV F -Schnittwert vom betrachteten Operationspunkt für die vier verwendeten b-Tag-Algorithmen bei konstantem JV F -Schnittwert 0,9. Darin ist für alle betrachteten b-Tag-Algorithmen ein Anstieg der durch den JV F -Schnitt verursachten relativen Änderung der b-Tag-Effizienz zu geringeren Effizienzen hin zu erkennen. Der Anstieg ist stärker für größere Werte von nPV . Die durch den Schnitt auf die JV F verursachte Änderung der b-Tag-Effizienz fällt also relativ umso größer aus, je geringer der Wert der b-Tag-Effizienz vor Anwendung des JV F -Schnittes ist. Für den JV F -Schnitt bei 0,9 liegt die relative Änderung der b-Tag-Effizienz für den Operationspunkt, der in simulierten tt̄-Ereignissen eine b-Tag-Effizienz von 40 % ergibt, für alle verwendeten b-TagAlgorithmen zwischen 1 und 2 %, fällt aber mit zunehmender b-Tag-Effizienz für diese unterschiedlich stark ab. Dabei ist zu beachten, dass demselben Wert der b-Tag-Effizienz entsprechende Operationspunkte für die verschiedenen b-Tag-Algorithmen bei der Messung mit dem prel T -Verfahren im Allgemeinen unterschiedliche Werte ergeben haben. 6.4.5. Vergleich mit Monte Carlo und Berechnung des Skalierungsfaktors Um die mit dem prel T -Verfahren bestimmte b-Tag-Effizienz mit Vorhersagen vergleichen zu können, wurde die b-Tag-Effizienz für die Monte Carlo-Datensätze mit Hilfe der in Abschnitt 6.1 beschriebenen flavour-Kennzeichnung bestimmt. Auch in diesem Schritt wurden alle bTag-Algorithmen, Operationspunkte, Teildatensätze mit unterschiedlichem Wert von nPV sowie JV F -Schnittwerte betrachtet. Die so bestimmten Monte Carlo-Effizienzen wurden darüber hinaus zur Berechnung des Skalierungsfaktors verwendet, der die in Daten gemessene b-Tag-Effizienz zu der in Monte Carlo-Ereignissen bestimmten in Relation setzt. Abbildung 6.8 zeigt den Vergleich der prel T -Verteilung in Monte Carlo-Ereignissen mit der in Daten. Abbildung (a) zeigt den Vergleich vor Anwendung eines JV F - und eines b-Tag- 62 6.4. Messung der b-Tag-Effizienz als Funktion des JVF-Schnittes Abbildung 6.7.: Abhängigkeit der relativen Änderung der b-Tag-Effizienz vom Operationspunkt für die verwendeten b-Tag-Algorithmen. Schnittes, Abbildung (b) den Vergleich ebenfalls vor Anwendung eines JV F -Schnittes, aber nach Schnitt auf SV0 bei 5,85, der einer b-Tag-Effizienz von 50 % in simulierten tt̄-Ereignissen entspricht. Die Abbildungen (c) und (d) zeigen die entsprechenden Vergleiche nach Schnitt auf die JV F bei dem extremen Wert von 0,9. Die prel T -Verteilung in Monte Carlo-Ereignissen tendiert zu im Mittel geringfügig größeren Werten von prel T . Dies weist darauf hin, dass der Anteil an b-Jets in den Monte Carlo-Ereignissen geringfügig größer ist als der in Daten. Insbesondere verschiebt sich das Maximum der Monte Carlo-Verteilung mit dem b-Tag-Schnitt hin zu größeren prel T -Werten. Abbildung 6.9 zeigt die Abhängigkeit der in Monte Carlo-Ereignissen berechneten b-TagEffizienz vom JV F -Schnittwert und von der Anzahl der Vertizes pro Ereignis nPV . Die b-TagEffizienz ergab sich dabei aus der Anzahl der als b-Jet gekennzeichneten Jets vor bzw. nach tag Anwendung des b-Tag-Schnittes Nb bzw. Nb nach der Formel tag b = Nb . Nb Die eingezeichneten Fehler ergeben sich aus den statistischen Unsicherheiten in den prel T Verteilungen dieser Jets nach der Formel s 1 1 ∆b = b tag + N . b Nb Ein Vergleich mit Abbildung 6.5 zeigt, dass die b-Tag-Effizienz in Monte Carlo-Ereignissen qualitativ die gleiche Abhängigkeit vom JV F -Schnitt und von der Anzahl an Primärvertizes pro Ereignis nPV zeigt wie die in Daten mit dem prel T -Verfahren gemessene. Auch hier ist eine Verschiebung zwischen den Werten der b-Tag-Effizienz für verschiedene Teildatensätze mit unterschiedlichen Werten von nPV zu beobachten. Wie nach den Ergebnissen der letzten beiden Abschnitte zu erwarten, zeigt diese ebenfalls keine Korrelation mit nPV . Insbesondere unterscheidet sich die Reihenfolge der Werte gegenüber der in Abbildung 6.5. Der systematische Anstieg der b-Tag-Effizienz mit dem JV F -Schnittwert beginnt hier bei etwas geringeren Schnittwerten, ist jedoch von ähnlicher Größe. Insgesamt ergeben sich in den hier verwen- 63 Kapitel 6. Identifikation von b-Jets in Daten: Effizienzmessung und pileup-Studien (a) (b) (c) (d) Abbildung 6.8.: Daten-Maonte Carlo Vergleiche der prel T -Verteilung, (a) vor Anwendung eines JV F und eines b-Tag-Schnittes, (b) vor Anwendung eines JV F -Schnittes, aber nach Schnitt auf SV0 bei 5,85, (c) nach Schnitt auf die JV F bei 0,9, aber vor Anwendung eines b-Tag-Schnittes, und (d) nach Anwendung sowohl eines Schnittes auf die JV F bei 0,9 als auch auf SV0 bei 5,85. deten Monte Carlo-Ereignissen etwas geringere Werte der b-Tag-Effizienz als in den Daten. data und Aus den in Daten mit dem prel T -Verfahren gemessenen Werten der b-Tag-Effizienz b den in Monte Carlo-Ereignissen bestimmten sim wurde der in Kapitel 3.4 eingeführte Skalieb rungsfaktor nach der Formel data b κdata/sim = b sim b berechnet. Abbildung 6.10 zeigt die Abhängigkeit des Skalierungsfaktors vom JV F -Schnittwert und von der Anzahl der Vertizes pro Ereignis nPV für den SV0-Algorithmus und den Operationspunkt, der in simulierten tt̄-Ereignissen einer b-Tag-Effizienz von 50 % entspricht. Auch hier ist wieder eine Verschiebung zwischen den Werten zu verschiedenen Teildatensätzen mit unterschiedlichen Werten von nPV zu beobachten. Diese zeigt ebenfalls keine Korrelation mit nPV . Allerdings ist im Gegensatz zur b-Tag-Effizienz, sowohl zu der in Daten mit dem prel T -Verfahren Gemessenen als auch zu der in Monte Carlo-Ereignissen Bestimmten, keine 64 6.4. Messung der b-Tag-Effizienz als Funktion des JVF-Schnittes Abbildung 6.9.: Abhängigkeit der b-Tag-Effizienz in Monte Carlo-Ereignissen vom JV F -Schnittwert und von nPV für die verwendeten b-Tag-Algorithmen. Die Werte gelten für den Operationspunkt, der in simulierten tt̄-Ereignissen einer b-Tag-Effizienz von 50 % entspricht. Abhängigkeit vom JV F -Schnittwert zu erkennen. Dies bedeutet, dass obwohl sich die Verteilungen der Diskriminanten der betrachteten b-Tag-Algorithmen in Daten und Monte CarloSimulationen voneinander unterscheiden, deren relative Veränderung durch den Schnitt auf die JV F durch die Simulation richtig beschrieben wird. In der Praxis bedeutet dies, dass bei Anwendung eines Schnittes auf die JV F , obwohl dieser sich in Daten und Monte CarloSimulationen unterschiedlich auswirkt, die ohne JV F -Schnitt bestimmten Skalierungsfaktoren verwenden kann, um die b-Tag-Effizienz in Daten zu ermitteln. Abbildung 6.10.: Abhängigkeit des Skalierungsfaktors κdata/sim in Monte Carlo-Ereignissen vom JV F b Schnittwert und von nPV für die verwendeten b-Tag-Algorithmen. Die Werte gelten für den Operationspunkt, der in simulierten tt̄-Ereignissen einer b-Tag-Effizienz von 50 % entspricht. 6.4.6. Abhängigkeit der Gesamteffizienz vom JVF -Schnittwert Abschließend wurde hier wie auch schon in den Monte Carlo-Studien mit simulierten tt̄Ereignissen die Abhängigkeit der Gesamteffizienz vom JV F -Schnittwert und von der Anzahl der Vertizes pro Ereignis nPV untersucht. Dies geschah wieder für alle betrachteten b- 65 Kapitel 6. Identifikation von b-Jets in Daten: Effizienzmessung und pileup-Studien Tag-Algorithmen und Operationspunkte. Die Gesamteffizienz ist in Kapitel 5.4 als die b-TagEffizienz bezüglich des ursprünglichen Datensatzes vor Anwendung des JV F -Schnittes definiert worden. Sie ist gleich dem Produkt aus der Effizienz des jeweiligen JV F -Schnittes und der b-Tag-Effizienz bezüglich des Datensatzes nach Anwendung dieses Schnittes. Hierzu wurde wieder die mit dem prel T -Verfahren in Daten gemessene b-Tag-Effizienz verwendet. Abbildung 6.11 zeigt die Abhängigkeit der Gesamteffizienz vom JV F -Schnittwert sowie der Anzahl an Primärvertizes nPV für alle vier verwendeten b-Tag-Algorithmen, wieder für den Operationspunkt, der in simulierten tt̄-Ereignissen einer b-Tag-Effizienz von 50 % entspricht. Obwohl die b-Tag-Effizienz bezüglich des nach Anwendung des JV F -Schnittes verbleibenden Datensatzes mit dem JV F -Schnitt leicht ansteigt, fällt die Gesamteffizienz bei großen JV F -Schnittwerten mit dem JV F -Schnittwert stark ab. Die Größe der Abnahme nimmt dabei mit der Anzahl an Vertizes pro Ereignis nPV zu. Im Teildatensatz mit nPV ≥ 4 beträgt sie für den JV F -Schnitt bei 0,9 über die verwendeten b-Tag-Algorithmen gemittelt etwa 3 %, für 9,5 knapp 10 %. Dies bedeutet, dass bei großen Schnittwerten auch zunehmend b-Jets verloren gehen. Dies könnte zu einer Herabsetzung der Statistik in Physikanalysen, in denen b-Tagging angewendet wird, führen. Abbildung 6.11.: Abhängigkeit der Gesamteffizienz vom JV F -Schnittwert und von nPV für die verwendeten b-Tag-Algorithmen. Die Werte gelten für den Operationspunkt, der in simulierten tt̄Ereignissen einer b-Tag-Effizienz von 50 % entspricht. 6.5. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen In diesem Kapitel wurde die Untersuchung der Abhängigkeit der b-Tag-Effizienz vom JV F Schnitt in Daten beschrieben. Zur Messung der b-Tag-Effizienz in Daten wurde das prel T -Verfahren angewendet. Die Resultate der in Kapitel 5 beschriebenen Monte Carlo-Studie, die die b-Tag-Effizienz betreffen, konnten auch in Daten beobachtet werden: die b-Tag-Effizienz steigt systematisch mit dem JV F -Schnitt an. Die Größe des Anstiegs nimmt dabei mit der Anzahl zusätzlicher pp-Kollisionen im Ereignis zu. Alle betrachteten b-Tag-Algorithmen lieferten qualitativ ähnliche Resultate. Darüber hinausgehend wurde hier zusätzlich die Abhängigkeit des Skalierungsfaktors, der die in Daten gemessene mit der aus Simulationen bestimmten b-Tag-Effizienz ins Verhältnis setzt, vom JV F -Schnitt untersucht. Als wichtiges Ergebnis ist hier festzuhalten, dass sich 66 6.5. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen der Einfluss des JV F -Schnittes auf die b-Tag-Effizienz nicht signifikant auf den Skalierungsfaktor auswirkt. Das bedeutet, dass man bei Anwendung eines JV F -Schnittes zur pileupUnterdrückung den ohne JV F -Schnitt bestimmten Skalierungsfaktor zur Bestimmung der b-Tag-Effizienz nach Anwendung des Schnittes verwenden kann. Zusätzlich zur b-Tag-Effizienz wurde die Gesamteffizienz der Kombination von b-Tag- und JV F -Schnitt als Funktion des JV F -Schnittes betrachtet. Auch hier wurde Übereinstimmung mit den Ergebnissen der Monte Carlo-Studie gefunden: Die Gesamteffizienz nimmt besonders bei großen JV F -Schnittwerten stark ab. Die Größe der Abnahme steigt dabei mit der Anzahl zusätzlicher pp-Kollisionen im Ereignis. Dies zeigt, dass mit einem Schnitt auf die JV F bei großen Schnittwerten ein deutlicher Verlust an b-Jets verbunden ist. Dies kann zu einer Abnahme der Anyahl an Jets in Analysen, die b-Tagging anwenden, führen. Wie nach der Monte Carlo-Studie erwartet ist der Grad an pileup in 2010er Daten gering. Der Einfluss eines Schnittes auf JV F ist für typische Schnittwerte, die in Physikanalysen Anwendung finden (0,5–0,8), vernachlässigbar. Deutliche Auswirkungen ergeben sich erst bei extremen Schnitten (JV F > 0, 9). Allerdings nimmt das Ausmaß des Effektes in Daten mit der Anzahl an Vertizes im Ereignis zu. Daher ist zu erwarten, dass mit zunehmendem Grad an pileup die Auswirkungen auf die b-Jet-Identifikation deutlich stärker ausfallen. Dies gilt insbesondere im Fall des Erreichens der Designluminosität des LHC von 1034 cm−2 s−1 , in dem ein Wert von hnMB i = 23 erwartet wird [4]. 67 Kapitel 7. Effizienz als Funktion von Jet- und Ereignisvariablen In Kapitel 6 wurde beschrieben, dass durch einen Schnitt auf die JV F besonders bei großen Schnittwerten auch b-Jets in zunehmendem Maße verworfen werden. b-Jets haben ihren Ursprung in der Regel im Hauptprimärvertex und sind von großer Bedeutung für viele am LHC untersuchte Bereiche der Physik. Ein Verlust an b-Jets kann daher mit einer Herabsetzung der Signifikanz in Physikanalysen, die b-Tagging-Methoden zur Identifikation von b-Jets anwenden, verbunden sein. Um genauer zu untersuchen, was für Eigenschaften die b-Jets haben, die durch Schnitte auf die JV F verworfen werden, wurde jeweils der Anteil der als b-Jets gekennzeichneten Jets, der mittels b-Tagging ausgewählt wird, und der Anteil davon, der durch Schnitte auf die JV F verworfen wird, in Abhängigkeit der folgenden Variablen betrachtet: • Transversalimpuls pT , • Pseudorapidität η, • Jetmultiplizität nJets , • Primärvertexmultiplizität nPV , • Spurmultiplizität im Hauptprimärvertex nSpur , • Unsicherheit in der z-Koordinate des Hauptprimärvertex σ(zPV ) sowie • Abstand der wahren von der rekonstruierten Position in z des Hauptprimärvertex wahr reko − zPV |. ∆(zPV ) = |zPV Der Anteil der als b-Jets gekennzeichneten Jets, der mittels b-Tagging ausgewählt wird, ist gleich der b-Tag-Effizienz b . Der Anteil dieser Jets, der durch Schnitte auf die JV F verworfen wird, ist der relative Effizienzverlust ∆b /b , wobei ∆b = b (0) − b (JV F ) die Differenz aus den Werten der b-Tag-Effizienz vor und nach Anwendung des JV F -Schnitts bezeichnet. Hierzu wurden die gleichen Monte Carlo-Datensätze verwendet wie bei der in Kapitel 6 beschriebenen Untersuchung der Abhängigkeit der b-Tag-Effizienz vom JV F -Schnittwert. Diese sind in Kapitel 6.1 beschrieben. Ferner wurden aus Gründen der Konsistenz die in 69 Kapitel 7. Effizienz als Funktion von Jet- und Ereignisvariablen Kapitel 6.2 beschriebenen Auswahlkriterien für Ereignisse und Jets auch hier angewendet. Diese beinhalten auch die in diesem Kapitel beschriebene Anreicherung des Datensatzes mit b-Jets. Es wurde hier allerdings nicht verlangt, dass ein Myon im Jet vorhanden ist. Verteilungen der verwendeten Jetvariablen zeigt Abbildung 7.1, die der Ereignisvariablen zeigt Abbildung 7.2, jeweils in logarithmischer Darstellung. Dabei sind die Anteile der Jets, die als b-, c- oder leichte Jets gekennzeichnet sind, angedeutet. Diese enthalten einen Eintrag für jeden Jet im Ereignis, auch für die nicht jetspezifischen Variablen nJets , nPV , nSpur , σ(zPV ) und ∆(zPV ). Dadurch erscheinen die Verteilungen zum Teil in ihrer Form etwas verzerrt, da Ereignisse mit vielen Jets mehr Gewicht erhalten. Abbildung 7.1.: Verteilungen der in diesem Kapitel verwendeten Jetvariablen Abbildung 7.3 zeigt die Abhängigkeit der b-Tag-Effizienz von pT und η für zwei verschiedene JV F -Schnittwerte. Als Beispiel wurde hier wieder der Operationspunkt von SV0, der in simulierten tt̄-Ereignissen einen Wert von b = 50 % entspricht, gewählt. Die schwarzen Punkte entsprechen den Werten von b vor, die grünen Kreise den Werten von b nach Anwendung des jeweiligen JV F -Schnitts. Die grünen Punkte im unteren Teil der graphischen Darstellungen entsprechen den Werten des durch den JV F -Schnitt verursachten relativen Effizienzverlust ∆b /b . Im Bereich kleiner Transversalimpulse (pT < 75 GeV) ist ein deutlicher Anstieg der b-TagEffizienz mit pT zu erkennen. Für den hier betrachteten Operationspunkt beträgt dieser knapp 20 %. Im Bereich großer Transversalimpulse ist die b-Tag-Effizienz in Abhängigkeit von pT konstant. Im Bereich kleiner Transversalimpulse fällt ∆b /b von einem Ausgangswert ausgehend zu wachsendem pT hin auf Werte ab, die mit Null verträglich sind. Der Ausgangswert ist dabei umso größer, je härter der JV F -Schnitt gewählt wird. Er beträgt für sehr große JV F Schnittwerte für den hier betrachteten Arbeitspunkt maximal wenige Prozent. Die Abnahme des Effizienzverlustes im Bereich kleiner Werte von pT entspricht der Erwartung, da der Einfluss einzelner zusätzlicher Spuren, die von pileup-Vertizes beigesteuert werden, auf den Wert der JV F eines Jets umso größer ist, je kleiner dessen Transversalimpuls ist. Der Anstieg des relativen Effizienzverlustes hin zu geringen Werten von pT lässt sich folgendermaßen erklären: Die JV F ist ein Maß für den Anteil am gesamten Transversalimpuls eines Jets, der von Spuren geladener Teilchen beigesteuert wird, die ihren Ursprung im Hauptprimärvertex haben1 . In Anwesenheit mehrerer Vertizes im Ereignis können Jets zu1 siehe den Kommentar am Ende von Kapitel 6.1 70 Abbildung 7.2.: Verteilungen der in diesem Kapitel verwendeten Ereignisvariablen sätzliche Spuren aufnehmen, die zwar von anderen Vertizes ausgehen, jedoch in Richtung des Jets verlaufen. Je geringer der gesamte Transversalimpuls eines Jets ist, desto stärker wirken sich im Allgemeinen einzelne zusätzliche Spuren von Pileup-Vertizes auf die JV F aus. Die Abnahme der b-Tag-Effizienz hin zu großen Werten von |η| ist hauptsächlich auf eine Zunahme der Anzahl von Mehrfachwechselwirkungen zurückzuführen: die Menge an Material im Bereich des Spurdetektors nimmt mit |η| signifikant zu. Außerdem wird die Auflösung der z-Position von Vertizes bei sehr großen |η|-Werten schlechter. Der Anteil der durch b-Tagging ausgewählten b-Jets, die durch unterschiedlich starke Schnitte auf die JV F verworfen werden, ∆b /b , ist für die jeweiligen JV F -Schnitte im Bereich |η| < 2 näherungsweise konstant. Für größere Werte von |η| sind die Anteile im Mittel größer. Dies gilt insbesondere für nicht zu große JV F -Schnittwerte. Eine mögliche Erklärung hierfür ist dass für Jets an der Grenze des Akzeptanzbereichs der beiden Siliziumdetektoren und jenseits des Akzeptanzbereichs des Übergangsstrahlungsdetektors nicht jedem geladenen Teilchen innerhalb des Jets eine rekonstruierte Spur entspricht. Somit ist der Einfluss einzelner zusätzlicher Spuren, die in Anwesenheit von Pileup vom Jet aufgenommen werden können, auf die JV F dieser Jets im Mittel größer als für solche im Zentralbereich (|η| < 2). Dieser Effekt würde sich in Übereinstimmung mit der Abbildung für große JV F -Schnittwerte relativieren, da von solchen auch zunehmend Jets im Zentralbereich betroffen sind. Abbildung 7.4 zeigt die Abhängigkeit der b-Tag-Effizienz von nJets und nPV , nSpur und σ(zPV ) für zwei verschiedene JV F -Schnittwerte. Die schwarzen Punkte entsprechen den 71 Kapitel 7. Effizienz als Funktion von Jet- und Ereignisvariablen Abbildung 7.3.: Abhängigkeit der b-Tag-Effizienz von pT und η für zwei verschiedene JV F Schnittwerte am Beispiel des 50 %-Operationspunktes von SV0. Die schwarzen Punkte entsprechen den Werten von b vor, die grünen Kreise denen nach Anwendung des jeweiligen JV F -Schnitts. Die grünen Punkte im unteren Teil der graphischen Darstellungen entsprechen den Werten des durch den JV F -Schnitt verursachten relativen Effizienzverlust ∆b /b . Werten von b vor, die grünen Kreise den Werten von b nach Anwendung des jeweiligen JV F -Schnitts. Die grünen Punkte im unteren Teil der graphischen Darstellungen entsprechen den Werten des durch den JV F -Schnitt verursachten relativen Effizienzverlustes ∆b /b . Zwischen den beiden Verteilungen der Effizienz ist eine starke Korrelation zu erkennen. Auch der relative Effizienzverlust zeigt als Funktion beider Variablen qualitativ das gleiche Verhalten. Auch das entspricht der Erwartung: Es ist anzunehmen, dass Ereignisse mit vielen Jets im Mittel mehr pileup enthalten. In diesem Fall ist zu erwarten, dass ein funktionierender JV F -Schnitt bei großer Jetmultiplizität auch mehr Jets verwirft, wie beobachtet. Im Vergleich mit Abbildung 7.3 fällt auf, dass als Funktion von nJets und nPV deutlich größere Werte des relativen Effizienzverlustes auftreten. Abbildung 7.5 zeigt die Abhängigkeit der b-Tag-Effizienz von nSpur und σ(zPV ) für zwei verschiedene JV F -Schnittwerte. Die schwarzen Punkte entsprechen den Werten von b vor, die grünen Kreise den Werten von b nach Anwendung des jeweiligen JV F -Schnitts. Die grünen Punkte im unteren Teil der graphischen Darstellungen entsprechen den Werten des durch den JV F -Schnitt verursachten relativen Effizienzverlustes ∆b /b . Mit zunehmender Anzahl an Spuren im Primärvertex bleibt b konstant. Der relative Ef- 72 Abbildung 7.4.: Abhängigkeit der b-Tag-Effizienz von nJets und nPV für zwei verschiedene JV F Schnittwerte am Beispiel des 50 %-Operationspunktes von SV0. Die schwarzen Punkte entsprechen den Werten von b vor, die grünen Kreise denen nach Anwendung des jeweiligen JV F -Schnitts. Die grünen Punkte im unteren Teil der graphischen Darstellungen entsprechen den Werten des durch den JV F -Schnitt verursachten relativen Effizienzverlust ∆b /b . fizienzverlust ∆b /b ist hier am größten bei sehr geringen Spurmultiplizitäten und nimmt zunächst mit nSpur ab. Dies kann folgendermaßen erklärt werden: Wird der Primärvertex aus einer großen Anzahl von Spuren bestimmt, kann seine Position mit geringerer Messungenauigkeit bestimmt werden. Dann ist zu erwarten, dass es bei der Zuordnung von Spuren zum Vertex für die Bestimmung der JV F seltener zu Fehlern kommt. In Abhängigkeit der Unsicherheit der z-Position des Hauptprimärvertex ist die b-Tag-Effizienz ebenfalls im Wesentlichen konstant. Als Funktion von σ(zPV ) ist keine eindeutige Abhängigkeit zu erkennen. In Abbildung 7.6 (a) ist der Abstand der wahren von der rekonstruierten z-Position des Hauptprimärvertex ∆(zPV ) gegen die Unsicherheit in der z-Koordinate des Hauptprimärvertex σ(zPV ) aufgetragen. Die Verteilung in Abbildung 7.6 (b) ergibt sich daraus durch Schnitt auf SV0 bei 5,85. Dies entspricht dem 50 %-Operationspunkt. Die Verteilung in Abbildung 7.6 (c) ergibt sich durch zusätzlichen Schnitt auf die JV F bei 0,9. Zu beachten ist, dass die yAchse logarithmisch dargestellt ist. Sehr große Werte von ∆(zPV ) entsprechen falsch rekonstruierten Hauptprimärvertizes. Zwischen beiden Größen ist eine deutliche Korrelation zu erkennen. Es ist jedoch weder durch b-Tagging noch durch die Anwendung des JV F -Schnitts eine Veränderung in der Form der Verteilung zu bemerken. 73 Kapitel 7. Effizienz als Funktion von Jet- und Ereignisvariablen Abbildung 7.5.: Abhängigkeit der b-Tag-Effizienz von nSpur und σ(zPV ) für zwei verschiedene JV F Schnittwerte am Beispiel des 50 %-Operationspunktes von SV0. Die schwarzen Punkte entsprechen den Werten von b vor, die grünen Kreise denen nach Anwendung des jeweiligen JV F -Schnitts. Die grünen Punkte im unteren Teil der graphischen Darstellungen entsprechen den Werten des durch den JV F -Schnitt verursachten relativen Effizienzverlust ∆b /b . In diesem Kapitel wurden ausschließlich die Ergebnisse für den SV0-Algorithmus gezeigt. Alle erläuterten Verteilungen wurden auch für die anderen drei in dieser Diplomarbeit verwendeten b-Tag-Algorithmen, JetProb, TrackCounting2D und IP3D + SV1, untersucht. Alle b-Tag-Algorithmen zeigten dabei qualitativ das gleiche Verhalten. Die Variation des relativen Effizienzverlustes in Abhängigkeit der Jetvariablen pT und η liegt in der Größenordnung eines Prozentes und ist damit deutlich geringer als die Variation in Abhängigkeit der Ereignisvariablen nJets , nPV , nSpur und σ(zPV ), die für den 50 %Operationspunkt von SV0 maximal bis zu 20 % betragen. 74 (a) (b) (c) Abbildung 7.6.: Abhängigkeit zwischen ∆(zPV ) und σ(zPV ), (a) vor, (b) nach Schnitt auf SV0 bei 5.85 und (c) nach zusätzlichem Schnitt auf die JV F bei 0,9. 75 Kapitel 8. Zusammenfassung und Ausblick In dieser Diplomarbeit wurde die Auswirkung von Schnitten auf die Fet-Vertex-Fraction (JV F ) in Anwesenheit von Mehrfachwechselwirkungen auf die Identifikation von b-Jets systematisch untersucht. Zudem wurde geprüft, ob der Schnittwert dahingehend optimiert werden kann, dass der Einfluss von pileup auf die b-Jet-Identifikation minimiert wird. Dabei wurden zur Identifikation von b-Jets mehrere b-Tag-Algorithmen verwendet und miteinander verglichen. In einer ersten Studie mit simulierten tt̄-Ereignissen wurde dazu zunächst die Abhängigkeit von Größen, die die Identifikation von b-Jets kennzeichnen, vom JV F -Schnitt untersucht: b-Tag-Effizienz, b-Jet-Reinheit, Unterdrückung von c- und leichten Jets und Gesamteffizienz der Kombination aus b-Tag- und JV F -Schnitt. Dabei wurde festgestellt, dass die Identifikation von b-Jets in Anwesenheit von pileup beeinträchtigt wird: Bei gleicher b-Tag-Effizienz fallen b-Jet-Reinheit und c-Jet-Unterdrückung geringer aus. Das Ausmaß der Beeinträchtigung nimmt mit dem Grad an pileup zu. Eine Steigerung der Unterdrückung leichter Jets ist vollständig auf zusätzliche Jets aus pileup-Wechselwirkungen zurückzuführen. Jeder dieser Effekte kann durch Schnitte auf JV F abgeschwächt werden. Auch diese Abschwächung fällt mit zunehmendem Grad an pileup größer aus. Für sehr große Schnittwerte können pileupEffekte unter Inkaufnahme deutlicher Verluste an b-Jets sogar überkompensiert werden. Der JV F -Schnitt kann jedoch nicht so gewählt werden, dass die Beeinträchtigung in jeder der betroffenen Größen simultan behoben wird. In der Praxis ist daher eine Abwägung zwischen hoher Gesamteffizienz und hoher b-Jet-Reinheit zu treffen. In einer fortführenden Studie wurde die Abhängigkeit der b-Tag-Effizienz vom JV F -Schnitt in Daten untersucht. Zur Messung der Effizienz wurde dabei das prel T -Verfahren angewendet. Diejenigen Resultate der ersten Studie, die die b-Tag-Effizienz betreffen, konnten auch in Daten festgestellt werden: auch dort steigt die b-Tag-Effizienz in Gegenward zusätzlicher ppKollisionen systematisch mit dem JV F -Schnitt. Die Größe des Anstiegs nimmt auch hier mit der Anzahl simultaner Wechselwirkungen pro Ereignis zu. Auch die Gesamteffizienz zeigt in Daten die gleiche Abhängigkeit vom JV F -Schnitt, wie sie in der Simulation gefunden wurde. Desweiteren wurde der Skalierungsfaktor, der die in Daten gemessene b-Tag-Effizienz zu der in Simulationen bestimmten in Relation setzt, als Funktion des JV F -Schnittes betrachtet. Hierbei zeigte sich, dass sich der Einfluss des JV F -Schnittes auf die b-Tag-Effizienz nicht signifikant auf den Skalierungsfaktor auswirkt. Das bedeutet, dass man bei Anwendung eines JV F -Schnittes zur pileup-Unterdrückung den ohne Schnitt auf JV F bestimmten Skalierungsfaktor verwenden kann, um die b-Tag-Effizienz im Datensatz nach Anwendung des JV F -Schnittes zu bestimmen. Für typische Schnittwerte im Bereich 0,5–0,8 ist der Einfluss des JV F -Schnittes auf die Identifikation von b-Jets in 2010er Daten vernachlässigbar. Deutliche Auswirkungen ergeben sich erst bei extremen Schnittwerten (JV F > 0, 9). Allerdings nimmt das Ausmaß der Effekte 77 Kapitel 8. Zusammenfassung und Ausblick mit der Anzahl zusätlicher pp-Kollisionen zu. Daher ist zu erwarten, dass mit zunehmendem Grad an pileup die Auswirkungen auf die b-Jet-Identifikation deutlich stärker ausfallen. Dies gilt insbesondere bei Erreichen der Designluminosität des LHC von 1034 cm−2 s−1 , für die ein Wert von hnMB i = 23 erwartet wird [4]. Im abschließenden Teil wurden die Eigenschaften derjenigen b-Jets, die “getagged”, jedoch durch den JV F -Schnitt verworfen werden, genauer untersucht. Dazu wurde dieser Anteil an b-Jets als Funktion von Variablen, die die Jetkinematik beschreiben, als auch von Ereignisvariablen, die sensitiv auf pileup sind, parametrisiert. In 2010er Daten fällt die Variation dieses Anteils an b-Jets als Funktion der Jetvariablen sehr gering aus. Als Funktion der Ereignisvariablen hingegen beträgt diese bis zu 20 %. 78 Anhang A. Test der Anpassung der b-Tag-Effizienz Abbildung A.1.: Abhängigkeit der b-Tag-Effizienz vom JV F -Schnitt bei angepasstem b-Tag-Schnitt. Die Werte gelten für den 50 % b-Tag-Effizienz entsprechenden Operationspunkt. 79 Literaturverzeichnis [1] Ariel Schwartzman. Medición de la vida media del mesón B ± e identificación de quarks top a partir de la reconstrucción de decaimientos de quarks b. PhD thesis, Universität von Buenos Aires, 2004. [2] G. Aad et al. Observation of a centrality-dependent dijet asymmetry in lead-lead collisi√ ons at sN N = 2.76 TeV with the atlas detector at the lhc. Phys. Rev. Lett., 105(25):252303, Dec 2010. [3] L. Evans and P. Bryant. LHC Machine. JINST 3 S08001, 2008. [4] Georges Aad et al. The ATLAS Experiment at the CERN Large Hadron Collider. JINST 3 S08003, 2008. [5] K. Nakamura et al. The review of particle physics. Journal of Physics G 37 075021, 2010. 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Zur Bedeutung der Jet-Vertex-Fraktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2. Verteilung der JV F . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 26 5.1. 5.2. 5.3. 5.4. 5.5. 5.6. 30 31 32 33 34 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . schematische Darstellung einer pp-Kollision. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . JV F -Verteilung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anteil von b- und leichten Jets in Abhängigkeit des JV F -Schnittes. . . . . . . . Abhängigkeit der b-Tag-Effizienz vom JV F -Schnitt bei konstantem b-Tag-Schnitt. Abhängigkeit der b-Jet-Reinheit vom JV F -Schnitt bei konstantem b-Tag-Schnitt. Abhängigkeit der Unterdrückung von c-Jets vom JV F -Schnitt bei konstantem b-Tag-Schnitt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.7. Abhängigkeit der Unterdrückung von leichten Jets vom JV F -Schnitt bei konstantem b-Tag-Schnitt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.8. Abhängigkeit der Gesamteffizienz vom JV F -Schnitt bei konstantem b-TagSchnitt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.9. Abhängigkeit des b-Tag-Schnittwertes vom JV F -Schnitt bei angepasstem bTag-Schnitt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.10. Abhängigkeit der b-Jet-Reinheit vom JV F -Schnitt bei angepasstem b-Tag-Schnitt. 5.11. Abhängigkeit der Unterdrückung von c-Jets vom JV F -Schnitt bei angepasstem b-Tag-Schnitt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.12. Abhängigkeit der Unterdrückung von c- und leichten Jets vom JV F -Schnitt bei angepasstem b-Tag-Schnitt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.13. Abhängigkeit der Gesamteffizienz vom JV F -Schnitt bei angepasstem b-TagSchnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.14. Abhängigkeit der relativen Änderung der b-Jet-Reinheit mit dem JV F -Schnitt vom Operationspunkt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.15. Abhängigkeit der relativen Änderung der Unterdrückung von c-Jets mit dem JV F -Schnitt vom Operationspunkt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.16. Abhängigkeit der relativen Änderung der Unterdrückung von leichten Jets mit dem JV F -Schnitt vom Operationspunkt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 83 Abbildungsverzeichnis 5.17. Abhängigkeit der relativen Änderung der Gesamteffizienz mit dem JV F -Schnitt vom Operationspunkt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 6.1. Daten-Monte Carlo-Vergleich der pT - und η-Verteilungen . . . . . . . . . . . . . 55 6.2. Beispiel-Templates für SV0 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 6.3. Beispielergebnisse der Template-Anpassung an die prel T -Verteilung in Daten für SV0 unter Verwendung der Templates für b- und leichte Jets . . . . . . . . . . . 59 6.4. Beispielergebnisse der Template-Anpassung an die prel T -Verteilung in Daten für SV0 unter Verwendung der Templates für b- und c-Jets . . . . . . . . . . . . . . 60 6.5. Abhängigkeit der b-Tag-Effizienz vom JV F -Schnittwert und von nPV . . . . . . 61 6.6. Abhängigkeit der relativen Änderung der b-Tag-Effizienz vom JV F -Schnittwert 62 6.7. Abhängigkeit der relativen Änderung der b-Tag-Effizienz vom Operationspunkt 63 6.8. Daten-Monte Carlo Vergleiche der prel 64 T -Verteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.9. Abhängigkeit der b-Tag-Effizienz in Monte Carlo-Ereignissen vom JV F -Schnittwert und von nPV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 6.10. Abhängigkeit des Skalierungsfaktors κdata/sim vom JV F -Schnittwert und von b nPV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 6.11. Abhängigkeit der Gesamteffizienz vom JV F -Schnittwert und von nPV . . . . . 66 7.1. 7.2. 7.3. 7.4. 7.5. 7.6. Verteilungen der Jetvariablen Kapitel 7 . . . . . . . . . . Verteilungen der Ereignisvariablen in Kapitel 7 . . . . . Abhängigkeit der b-Tag-Effizienz von pT und η . . . . . Abhängigkeit der b-Tag-Effizienz von nJets und nPV . . Abhängigkeit der b-Tag-Effizienz von nSpur und σ(zPV ) Abhängigkeit zwischen ∆(zPV ) und σ(zPV ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 71 72 73 74 75 A.1. Abhängigkeit der b-Tag-Effizienz vom JV F -Schnitt bei angepasstem b-Tag-Schnitt. 79 84 Tabellenverzeichnis 1.1. Fermionen im Standardmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1. Spurauswahlkriterien für b-Tag-Algorithmen, die auf der Messung von Stoßparametern basieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2. Spurauswahlkriterien für b-Tag-Algorithmen, die auf der Rekonstruktion von Primärvertizes basieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 15 18 4.1. Spurauswahlkriterien im Jet-Vertex-Assoziationsalgorithmus . . . . . . . . . . 24 5.1. Datensätze für die Monte Carlo-Studien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2. In der Monte Carlo-Studie betrachtete b-Tag-Effizienzwerte. . . . . . . . . . . . 29 33 6.1. 6.2. 6.3. 6.4. 6.5. 50 51 53 54 56 µ +Jets-Trigger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verwendete MC-Datensätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Definition von “schlechten” Jets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . pT - und η-Intervalle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verwendete Operationspunkte zur Messung der b-Tag-Effizienz in Daten . . . . . . . . . . . . . . . . 85