Kapitel 12 Topologische Grundlagen

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Kapitel 12
Topologische Grundlagen
12.1
Topologische Grundbegriffe
Wir wollen in diesem und in den nächsten Abschnitten die Konvergenztheorie, wie wir
sie für metrische Räume entwickelt haben, verallgemeinern. Dabei werden wir Räume
betrachten, die gerade noch soviel Struktur tragen, dass wir von stetigen Funktionen,
Grenzwerten, Kompaktheit etc. sprechen können.
12.1.1 Beispiel (Metrische Räume). Sei hX, di ein metrischer Raum; vgl. Definition 3.1.1.
Weiters sei O die Menge aller offenen Teilmengen von X. Dabei haben wir eine Teilmenge
O von X gemäß Definition 5.1.4 offen genannt, wenn es zu jedem x ∈ O ein > 0 gibt,
sodass die -Kugel U (x) = {y ∈ X : d(y, x) < } ganz in O enthalten ist.
Wir haben in Beispiel 5.1.5 bzw. in Proposition 5.1.6 gesehen, dass ∅, X ∈ O, dass für
O1 , O2 ∈ O auch O1 ∩ O2 ∈ O, und dass mit Oi ∈ O, i ∈ I für eine beliebige Indexmenge I
S
auch i∈I Oi ∈ O.
Wir nehmen diese aufgezählten Eigenschaften als Ausgangspunkt unserer angestrebten
Verallgemeinerung.
12.1.2 Definition. Sei X eine nichtleere Menge und T ⊆ P(X) ein System von Teilmengen
von X. Erfülle T die Eigenschaften:
(01) ∅ ∈ T , X ∈ T .
(02) Aus O1 , . . . , On ∈ T folgt für beliebiges n ∈ N, dass
Tn
Oi ∈ T .
S
(03) Aus Oi ∈ T , i ∈ I, mit einer beliebigen Indexmenge I folgt i∈I Oi ∈ T .
i=1
Dann heißt T eine Topologie auf X. Die Elemente von T heißen offene Mengen, und man
nennt (X, T ) einen topologischen Raum.
12.1.3 Bemerkung. Mittels Vollständiger Induktion sieht man sofort, dass (O2) äquivalent
zu der Tatsache ist, dass aus O1 , O2 ∈ T auch O1 ∩ O2 ∈ T folgt.
414
12 Topologische Grundlagen
12.1.4 Beispiel.
(i) Wir haben oben daran erinnert, dass die Menge O aller offenen Mengen eines metrischen Raumes hX, di die Axiome (01)-(03) erfüllt. Damit ist (X, O) ein topologischer
Raum. Man sagt, O ist die von der Metrik d induzierte Topologie. Wir schreiben auch
T (d) für O.
(ii) Ist Y = R p versehen mit der Metrik d2 , so heißt die von d2 induzierte Topologie T (d2 )
Euklidische Topologie. Die Metriken d1 und d∞ induzieren ebenfalls die Euklidische
Topologie.
(iii) Das Mengensystem T := P(X) erfüllt klarerweise (01)-(03), und ist somit eine
Topologie auf X. Man spricht von der diskreten Topologie. Diese Topologie wird
übrigens von der diskreten Metrik induziert; siehe Beispiel 3.1.5.
(iv) Sei T := {∅, X}. Wieder sind (01)-(03) trivialerweise erfüllt. Man spricht von der
Klumpentopologie.
(v) X = [−∞, +∞) versehen mit T< := {[−∞, a) : a ∈ [−∞, +∞]} ist ebenfalls ein
topologischer Raum, wie man sich leicht überzeugen kann.
Eines unserer Ziele wird es sein, Konvergenz gegen einen Punkt oder Stetigkeit bei einem
Punkt für unsere Räume zu verallgemeinern. Dazu benötigen wir ein Analogon zum Begriff
der -Kugel.
12.1.5 Definition. Sei (X, T ) ein topologischer Raum und x ∈ X. Eine Menge U ⊆ X heißt
Umgebung von x, wenn es eine offene Menge O ∈ T mit x ∈ O ⊆ U gibt. U(x) bezeichne
die Menge aller Umgebungen von x, also den sogenannten Umgebungsfilter von x.
Der Begriff Filter ist ein allgemeines mengentheoretisches Konzept.
12.1.6 Definition. Sei M eine nichtleere Menge. Dann heißt ein Mengensystem F ⊆ P(M)
ein Filter, wenn
(F1) F , ∅ und ∅ < F,
(F2) F1 , F2 ∈ F ⇒ F1 ∩ F2 ∈ F,
(F3) F1 ∈ F, F1 ⊆ F2 ⊆ M ⇒ F2 ∈ F.
Ist (X, T ) ein topologischer Raum, so ist der Umgebungsfilter U(x) tatsächlich ein Filter:
(F1): Es gilt X ∈ U(x), und jede Menge U ∈ U(x) enthält x und ist damit nicht leer.
(F2): Aus U1 , U2 ∈ U(x) folgt die Existenz von O1 , O2 ∈ T mit x ∈ O1 ⊆ U1 und
x ∈ O2 ⊆ U2 , und somit x ∈ O1 ∩ O2 ⊆ U1 ∩ U2 , wobei wegen (O2) sicherlich
O1 ∩ O2 ∈ T , und daher U1 ∩ U2 ∈ U(x).
12.1 Topologische Grundbegriffe
415
(F3): Aus U1 ∈ U(x) und U1 ⊆ U2 ⊆ X folgt die Inklusion x ∈ O ⊆ U1 für ein gewisses
O ∈ T , und somit x ∈ O ⊆ U2 bzw. U2 ∈ U(x).
Die passende Verallgemeinerung des Systems aller -Kugeln um einen festen Punkt
in einem metrischen Raum für topologische Räume ist der Begriff der Filterbasis des
Umgebungsfilters.
12.1.7 Definition. Sei M eine nichtleere Menge und F ein Filter. Dann heißt ein Mengensystem B ⊆ F eine Filterbasis von F, wenn man zu jeder Menge F ∈ F ein B ∈ B findet,
sodass B ⊆ F.
12.1.8 Definition. Man sagt ein topologischer Raum (X, T ) erfüllt das erste Abzählbarkeitsaxiom (ABI), wenn für jedes x ∈ X der Umgebungsfilter U(x) eine Filterbasis bestehend aus abzählbar vielen Mengen hat.
12.1.9 Beispiel.
(i) Klarerweise ist ein Filter eine Filterbasis von sich selbst.
(ii) Für einen topologischen Raum (X, T ) und x ∈ X ist {O ∈ T : x ∈ O} eine Filterbasis
von U(x).
(iii) Sei hX, di ein metrischer Raum und T (d) die von der Metrik erzeugte Topologie. Für
x ∈ X ist {U (x) : > 0} eine Filterbasis von U(x):
U (x) ist eine Umgebung, weil alle offene -Kugeln offen sind; vgl. Beispiel 5.1.5,
(iii). Ist U ∈ U(x) beliebig, so gibt es eine offene Menge O ∈ T (d), sodass x ∈ O ⊆ U.
Aus der Definition offener Mengen in metrischen Räumen folgt U (x) ⊆ O ⊆ U für
ein gewisses > 0. Damit ist obiges Mengensystem eine Filterbasis.
Auf ähnliche Weise sieht man, dass {K (x) : > 0} oder auch {Un (x) : n ∈ N},
wenn (n )n∈N eine Nullfolge aus (0, +∞) ist, eine Basis des Umgebungsfilter U(x) ist.
Insbesondere erfüllt jeder metrische Raum das erste Abzählbarkeitsaxiom.
12.1.10 Lemma. Sei (X, T ) ein topologischer Raum, und sei für jeden Punkt x ∈ X eine
Filterbasis W(x) von U(x)1 gegeben. Eine Menge O ⊆ X ist genau dann offen, also O ∈ T ,
wenn
∀x ∈ O ⇒ O ∈ U(x) ,
(12.1)
bzw. genau dann, wenn
∀x ∈ O ∃W ∈ W(x) : W ⊆ O .
(12.2)
Beweis. Für feste x ∈ X und O ⊆ X bedeutet die Tatsache ∃W ∈ W(x) : W ⊆ O gemäß
der Definition einer Filterbasis nicht anderes als O ∈ U(x). Also sind (12.1) und (12.2)
äquivalent.
1
Es ist nicht ausgeschlossen, dass W(x) = U(x).
416
12 Topologische Grundlagen
Ist O ∈ T und x ∈ O, so folgt daraus O ∈ U(x); vgl. Beispiel 12.1.9, (ii). Gilt umgekehrt
O ∈ U(x) für alle x ∈ O, so gibt es wegen der Definition von U(x) zu jedem x ∈ O eine
offene, x enthaltende Teilmenge O x von O, und daher
[
[
O=
{x} ⊆
Ox ⊆ O .
x∈O
x∈O
Als Vereinigung der offenen Mengen O x muss O nach (O3) selber offen sein.
q
Nun können wir den Grenzwert eines Netzes auch für topologische Räume definieren.
12.1.11 Definition. Sei (I, ) eine gerichtete Menge und (xi )i∈I ein Netz in X, wobei
(X, T ) ein topologischer Raum ist. Man sagt, dass dieses Netz gegen einen Punkt x ∈ X
i∈I
konvergiert, in Zeichen xi −→ x, falls
∀U ∈ U(x) ∃i0 ∈ I : ∀i i0 ⇒ xi ∈ U ,
also falls in jeder beliebigen Umgebung ab einem gewissen Index alle Glieder xi des Netzes
enthalten sind.
12.1.12 Fakta.
1. Offenbar konvergieren in jedem topologischen Raum konstante Netze (xi )i∈I , xi = x
für alle i ∈ I, gegen x.
2. Ist W(x) eine Filterbasis von U(x), so ist die Konvergenzbedingung aus Definition
12.1.11 äquivalent zu
∀W ∈ W(x) ∃i0 ∈ I : ∀i i0 ⇒ xi ∈ W ,
da einerseits wegen W(x) ⊆ U(x) diese Bedingung sicherlich eine Konsequenz aus
der in Definition 12.1.11 ist, und da andererseits aus U ∈ U(x) die Existenz eines
W ∈ W(x) mit W ⊆ U folgt, und dann mit der gegenwärtigen Bedingung, dass
xi ∈ W ⊆ U für alle i i0 mit einem gewissen i0 ∈ I.
3. Ist (xi( j) ) j∈J ein Teilnetz von (xi )i∈I , also i : J → I, wobei auch (J, J ) eine gerichtete
Menge ist, mit
∀i ∈ I ∃ j0 ∈ J : ∀ j J j0 ⇒ i( j) i ,
und konvergiert (xi )i∈I gegen x, so konvergiert auch (xi( j) ) j∈J gegen x. Um das zu
sehen, sei U ∈ U(x) und i0 ∈ I, sodass i i0 ⇒ xi ∈ U. Ist nun j0 ∈ J, sodass
j J j0 ⇒ i( j) i0 , so folgt auch xi( j) ∈ U für alle j J j0 .
12.1.13 Bemerkung. Wir sehen nun aus Fakta 12.1.12, dass diese Definition der Konvergenz mit der in metrischen Räumen konform geht. In der Tat haben wir x = limi∈I xi in
einem metrischen Raum hX, di genau dann, wenn
∀ > 0 ∃i0 ∈ I : ∀i i0 ⇒ xi ∈ U (x) .
12.1 Topologische Grundbegriffe
417
Da {U (x) : > 0} eine Filterbasis von U(x) ist, stimmt diese Bedingung mit der aus Fakta
12.1.12, 2, überein.
Wir sehen insbesondere, dass die Konvergenz nicht von der konkreten Metrik, sondern nur
von der von ihr erzeugten Topologie abhängt; vgl. Beispiel 12.3.11.
Wir haben in der Definition der Konvergenz absichtlich nicht die Schreibweise x = limi∈I xi
verwendet, denn es kann sein, dass x nicht der einzige Grenzwert ist.
12.1.14 Beispiel.
(i) Man betrachte eine Menge X mit mindestens zwei Elementen versehen mit der
Klumpentopologie. Dann ist U(x) = {X} für alle x ∈ X. Damit konvergiert aber jedes
Netz gegen jeden Punkt x ∈ X.
(ii) Sei X = [−∞, +∞) versehen mit der Topologie T< = {[−∞, a) : a ∈ [−∞, +∞]};
vgl. Beispiel 12.1.4, (v). Ein Netz (xi )i∈I aus [−∞, +∞) konvergiert gegen ein x ∈
[−∞, +∞) bzgl. T< genau dann, wenn x ≥ lim supi∈I xi , wobei
lim sup xi = inf sup xi (∈ [−∞, +∞]) .
k∈I I3ik
i∈I
Insbesondere sind mit x auch alle t ≥ x Grenzwerte von (xi )i∈I . Also sind auch auf
diesem Raum Grenzwert nicht eindeutig.
Man muss eine zusätzliche Eigenschaft vom gegebenen topologischen Raum fordern,
damit Grenzwerte eindeutig sind.
12.1.15 Definition. Ein topologischer Raum (X, T ) heißt T 2 -Raum (oder Hausdorff-Raum),
wenn gilt:
(T 2 ) Zu je zwei Punkten x, y ∈ X, x , y, gibt es disjunkte offene Mengen O x und Oy ,
sodass x ∈ O x , y ∈ Oy .
Oy
Ox
y
x
Abbildung 12.1: Zweites Trennungsaxiom (T 2 )
Man sieht unmittelbar, dass diese Eigenschaft zu der Tatsache äquivalent ist, dass es
zu zwei verschiedenen Punkten x, y zwei Umgebungen U ∈ U(x), V ∈ U(y) gibt mit
U ∩ V = ∅.
418
12 Topologische Grundlagen
12.1.16 Beispiel. Die von einer Metrik d auf einer Menge X induzierte Topologie ist
Hausdorff. Sind nämlich x, y ∈ X, x , y, so gilt d(x, y) > 0. Setze := 13 d(x, y) und
betrachte die Umgebungen
U := U (x), V := U (y) .
Angenommen es wäre z ∈ U ∩ V, dann erhielten wir den Widerspruch
1
1
2
d(x, y) ≤ d(x, z) + d(z, y) < d(x, y) + d(x, y) = d(x, y) .
3
3
3
Der Beweis der Eindeutigkeit des Grenzwertes eines Netzes wird nun fast wörtlich vom
metrischen Fall übertragen.
12.1.17 Lemma. Sei (xi )i∈I ein konvergentes Netz in einem topologischen (T 2 )-Raum. Dann
ist der Grenzwert von (xi )i∈I eindeutig.
Beweis. Wären x, y zwei verschiedene Grenzwerte, so wähle man disjunkte Umgebungen
U ∈ U(x) und V ∈ U(y). Dann wähle man i1 ∈ I und i2 ∈ I mit i i1 ⇒ xi ∈ U und
i i2 ⇒ xi ∈ V. Da I gerichtet ist, gibt es ein i ∈ I, i i1 , i i2 , und somit xi ∈ U ∩ V,
was aber ein Widerspruch zu U ∩ V = ∅ ist.
q
12.2
Abgeschlossene Mengen
12.2.1 Definition. Sei (X, T ) ein topologischer Raum. Eine Menge A ⊆ X heißt abgeschlossen, wenn Ac offen ist.
12.2.2 Lemma. Sei X eine Menge. Ist T eine Topologie auf X und bezeichnet A die Menge
aller abgeschlossenen Mengen in (X, T ), so gilt:
(A1) ∅ ∈ A, X ∈ A.
(A2) Aus A1 , . . . , An ∈ A folgt für beliebiges n ∈ N, dass A1 ∪ . . . ∪ An ∈ A.
T
(A3) Aus Ai ∈ A, i ∈ I, folgt i∈I Ai ∈ A.
Beweis. Die Axiome (A1) - (A3) gehen bei Komplementbildung genau in die Axiome
(O1) - (O3) über.
q
12.2.3 Definition. Sei (X, T ) ein topologischer Raum, und sei B ⊆ X. Die Menge
\n
o
B :=
A ⊆ X : A abgeschlossen, A ⊇ B
(12.3)
heißt der Abschluss von B. Wenn man explizit klarstellen will, bezüglich welcher Topologie
T
der Abschluss gebildet wird, dann schreibt man für B auch B .
Gilt C ⊆ B ⊆ X und B ⊆ C, so heißt C dicht in B. Ist C dicht in X, so sagt man kurz, C ist
dicht.
12.2 Abgeschlossene Mengen
419
12.2.4 Lemma. Sei (X, T ) topologischer Raum und B ⊆ X. Dann ist B die kleinste
abgeschlossene Menge, die B umfasst.
Beweis. Wegen (A1) ist die Menge, über die in (12.3) der Durchschnitt gebildet wird, nicht
leer. Wegen (A3) ist B abgeschlossen. Ist A abgeschlossen und A ⊇ B, so kommt A auf der
rechten Seite von (12.3) vor, also gilt A ⊇ B.
q
12.2.5 Lemma. Sei (X, T ) topologischer Raum. Dann gilt:
(i) Für B ⊆ X gilt B ⊆ B.
(ii) Ist C ⊆ B ⊆ X, so folgt C ⊆ B.
(iii) Für C, B ⊆ X folgt C ∪ B = C ∪ B.
(iv) Eine Menge B ⊆ X ist genau dann abgeschlossen, wenn B = B.
Beweis.
(i) Folgt unmittelbar aus der Definition.
(ii) Wegen B ⊇ B ⊇ C ist B eine abgeschlossene Menge, die C umfasst, und da C die
kleinste derartige Menge ist, gilt B ⊇ C.
(iii) Die Menge C ∪ B ist eine abgeschlossene Menge, die C ∪ B umfasst. Also gilt
C ∪ B ⊆ C ∪ B.
Andererseits folgt aus C ⊆ C ∪ B, dass C ⊆ C ∪ B, und genauso B ⊆ C ∪ B. Damit
gilt auch C ∪ B ⊆ C ∪ B.
(iv) B = B gilt genau dann, wenn B die kleinste abgeschlossene Menge ist, die B enthält.
Somit ist das genau dann der Fall, wenn B abgeschlossen ist.
q
Wenn man sich an die Definition von Abschluss und abgeschlossener Menge in metrischen
Räumen zurück erinnert, so haben wir dort einen Zugang über Häufungspunkte gewählt. In
Proposition 12.2.7 werden wir sehen, dass auch in allgemeinen topologischen Räumen der
Abschluss bzw. der Begriff der abgeschlossenen Menge auf ähnliche Weise charakterisiert
werden kann. Davor wollen wir ein kanonisches Netz konstruieren, das gegen einen
gegebenen Punkt konvergiert.
12.2.6 Lemma. Sei (X, T ) topologischer Raum, B ⊆ X und x ∈ X, sodass U ∩ B , ∅ für
alle U ∈ U(x). Wir versehen die Menge
I = {(y, U) : U ∈ U(x), y ∈ U ∩ B} ,
mit der Relation (y1 , U1 ) (y2 , U2 ) :⇔ U1 ⊇ U2 . Ist (xi )i∈I das Netz definiert durch xi := y,
wenn i = (y, U), so konvergiert es gegen x.
420
12 Topologische Grundlagen
Beweis. Die Relation ist offensichtlich reflexiv und transitiv. Sind (z, V), (y, U) ∈ I,
so folgt U ∩ V ∈ U(x). Voraussetzungsgemäß gibt es ein b ∈ U ∩ V ∩ B, und daher
(z, V), (y, U) (b, U ∩ V). Somit ist (I, ) gerichtet.
Definitionsgemäß ist immer xi ∈ B. Da zu U ∈ U(x) und beliebigen y ∈ U ∩ B aus i =
(z, V) (y, U) folgt, dass xi = z ∈ V ⊆ U, sehen wir, dass (xi )i∈I gegen x konvergiert. q
12.2.7 Proposition. Sei (X, T ) topologischer Raum, B ⊆ X, x ∈ X und W(x) eine beliebige
Filterbasis von U(x). Dann sind folgende Aussagen äquivalent.
(i) x ∈ B.
(ii) Für alle U ∈ U(x) gilt B ∩ U , ∅.
(iii) Für alle W ∈ W(x) gilt B ∩ W , ∅.
(iv) Es gibt ein Netz (xi )i∈I mit xi ∈ B, sodass x ein Grenzwert davon ist.
Beweis. Laut Definition ist x < B zur Existenz einer abgeschlossenen Menge A mit x <
A, A ⊇ B äquivalent. Da die offenen Mengen genau die Komplemente der abgeschlossenen
sind, ist das äquivalent zur Existenz einer Menge O ∈ T mit x ∈ O, O ∩ B = ∅. Geht man
zu den Negationen über, so erhalten wir, dass
(x ∈ B) ⇔ (∀O ∈ T , x ∈ O ⇒ B ∩ O , ∅) .
Man erkennt sofort, dass die rechte Seite zu (ii) äquivalent ist. (ii) ⇔ (iii) folgt unmittelbar
aus der Tatsache, dass W(x) eine Filterbasis von U(x) ist, und (ii) ⇒ (iv) erhalten wir aus
Lemma 12.2.6.
Gilt schließlich (iv) und ist U ∈ U(x), so folgt xi ∈ U ∩ B für alle i i0 mit einem gewissen
i0 . Also haben wir U ∩ B , ∅.
q
In Analogie zum Begriff des Häufungspunktes / isolierten Punktes einer Menge in metrischen Räumen in Definition 5.1.7 definieren wir:
12.2.8 Definition (*). Sei (X, T ) topologischer Raum und B ⊆ X. Ein x ∈ X heißt
Häufungspunkt von B, wenn
(B \ {x}) ∩ U , ∅ für alle U ∈ U(x) .
Ein x ∈ B heißt isolierter Punkt von B, wenn es ein U ∈ U(x) gibt, sodass U ∩ B = {x}.
Man erkennt leicht, dass x ∈ X genau dann isoliert ist, wenn {x} ∈ T .
12.2.9 Bemerkung (*). Aus Proposition 12.2.7 erkennt man sofort, dass x genau dann
Häufungspunkt von B ist, wenn x ∈ B \ {x}, bzw. wenn (xi )i∈I → x für ein Netz aus B \ {x};
vgl. Lemma 5.1.12.
Man erkennt auch leicht aus Proposition 12.2.7, dass B mit der Vereinigung von B und der
Menge aller Häufungspunkte von B übereinstimmt.
12.2 Abgeschlossene Mengen
421
12.2.10 Bemerkung. Ist hX, di ein metrischer Raum, B ⊆ X und nimmt man als W(x) die
Menge aller offenen -Kugeln um x, so sieht man durch einen Vergleich von Proposition
12.2.7 und (5.1), dass x ∈ B genau dann, wenn x ∈ c(B). Also stimmt der Abschluss in
metrischen Räumen mit dem topologischen Abschluss überein.
Der Grund, warum man in metrischen Räumen das Auslangen mit Folgen findet, daher
x ∈ B genau dann, wenn xn → x für eine Folge aus B, ist die Gültigkeit des ersten Abzählbarkeitsaxioms. In der Tat, kann man unter der Voraussetzung (ABI) die Konstruktion in
Lemma 12.2.6 folgendermaßen abändern:
Ist W(x) = {Wn : n ∈ N} eine abzählbare Filterbasis von U(x), und wählen wir xn ∈
B ∩ W1 ∩ · · · ∩ Wn , so erhält man eine Folge (xn )n∈N in B, sodass zu vorgegebenem U ∈ U(x)
ein N ∈ N mit WN ⊆ U existiert, und daher
xn ∈ W1 ∩ · · · ∩ WN ∩ · · · ∩ Wn ⊆ U für alle n ≥ N .
Also konvergiert (xn )n∈N für n → ∞ gegen x.
Genauso wie die abgeschlossenen Mengen via Komplementbildung den offenen Mengen
entsprechen, ist das duale Analogon des Abschlusses das sogenannte Innere.
12.2.11 Definition. Das Innere B◦ einer Teilmenge B eines topologischen Raumes (X, T )
ist definiert durch
[
B◦ =
{O ∈ T : O ⊆ B} .
12.2.12 Fakta.
1. Man sieht unmittelbar, dass x ∈ B◦ ⇔ B ∈ U(x). Ähnlich wie beim Abschluss sieht
man, dass B◦ die größte in B enthaltene offene Menge ist. Damit ist B genau dann
offen, wenn B = B◦ .
2. Da die Komplemente von den offenen Mengen genau die abgeschlossenen Mengen
sind, besteht folgender Zusammenhang mit dem Abschluss von Mengen.
oc
c \ n
A ⊆ X : A abgeschlossen, A ⊇ Bc
Bc =
oc
\ n
=
Oc ⊆ X : O offen, O ⊆ B = B◦ .
Die Begriffsbildung, welche der des Häufungspunktes einer Folge entspricht, ist die des
Häufungspunktes eines Netzes.
12.2.13 Definition (*). Sei (X, T ) ein topologischer Raum und (xi )i∈I ein Netz in X. Dann
heißt x ∈ X Häufungspunkt von (xi )i∈I , falls
∀U ∈ U(x)∀i ∈ I ∃ j ∈ I : i j ∧ x j ∈ U .
Man beachte, dass im Allgemeinen die Menge der Häufungspunkte eines Netzes (xi )i∈I
nicht mit der Menge der Häufungspunkte der Bildmenge {xi : i ∈ I} übereinstimmt; vgl.
Definition 12.2.8. Als Beispiel betrachte man dazu einfach konstante Netze.
422
12 Topologische Grundlagen
12.2.14 Bemerkung (*). Vergleicht man das mit Proposition 12.2.7, so ist x Häufungspunkt von (xi )i∈I genau dann, wenn er im Schnitt aller Mengen der Form
{x j : j ∈ I, i j} ,
also in
\
i∈I
{x j : j ∈ I, i j}
(12.4)
enthalten ist.
Offenbar ist ein Limes eines Netzes auch Häufungspunkt. Die Umkehrung gilt im Allgemeinen nicht, wie man z. B. bei Folgen in R schon unschwer erkennen kann.
Eine alternative Charakterisierung von Häufungspunkten verwendet das Konzept von
Teilnetzen.
12.2.15 Lemma (*). Der Punkt x ist Häufungspunkt von (xi )i∈I genau dann, wenn x Limes
eines Teilnetzes (xi(k) )k∈K ist.
Beweis. Ist (xi(k) )k∈K ein Teilnetz, so gibt es zu i0 ∈ I ein k0 ∈ K, sodass i0 i(k) für alle
k k0 . Also gilt
{xi : i ∈ I, i0 i} ⊇ {xi(k) : k ∈ K, k0 k} ,
und damit
\
i0 ∈I
{xi : i ∈ I, i0 i} ⊇
\
k0 ∈K
{xi(k) : k ∈ K, k0 k} .
(12.5)
Ist nun x Limes von (xi(k) )k∈K , so ist er insbesondere Häufungspunkt dieses Teilnetzes, und
wegen (12.5) ein Häufungspunkt von (xi )i∈I .
Ist umgekehrt x Häufungspunkt von (xi )i∈I , so betrachte die Menge
K = {( j, U) : j ∈ I, U ∈ U(x), x j ∈ U}
versehen mit der Relation ( j1 , U1 ) ( j2 , U2 ) :⇔ j1 j2 ∧ U1 ⊇ U2 .
Sind ( j1 , U1 ), ( j2 , U2 ) ∈ K, und ist j0 ∈ I mit j1 , j2 j0 , so gibt es wegen der Voraussetzung
zu der Umgebung U3 = U1 ∩ U2 von x ein j3 ∈ I mit j0 j3 und x j3 ∈ U3 . Also gilt
( j1 , U1 ), ( j2 , U2 ) (i3 , U3 ), und wir sehen, dass (K, ) eine gerichtete Menge ist.
Setzen wir i( j, U) = j, so ist (xi( j,U) )( j,U)∈K ein gegen x konvergentes Teilnetz von (xi )i∈I . q
12.2.16 Lemma (*). Ein Netz (xi )i∈I konvergiert genau dann gegen x, wenn x Häufungspunkt eines jeden Teilnetzes von (xi )i∈I ist.
Beweis. Konvergiert (xi )i∈I gegen x, so auch jedes Teilnetz, und daher ist x Häufungspunkt
dieses Teilnetzes.
Ist (xi )i∈I nicht gegen x konvergent, so gibt es eine Umgebung U von x, sodass
∀i ∈ I ∃ j ∈ I, i j : x j < U .
Dieses Faktum stellt sicher, dass (K, |K×K ) mit K = {i ∈ I : xi < U} eine gerichtete Menge
ist, wobei das Teilnetz (xi )i∈K den Punkt x offenbar nicht als Häufungspunkt hat.
q
12.3 Stetige Abbildungen
12.3
423
Stetige Abbildungen
12.3.1 Definition. Seien (X, T ) und (Y, O) topologische Räume und f : X → Y eine
Abbildung. Ist x ∈ X, so heißt f stetig im Punkt x, wenn gilt:
Für alle V ∈ U( f (x)) existiert ein U ∈ U(x) mit f (U) ⊆ V .
Die Abbildung f heißt stetig, wenn sie in jedem Punkt x ∈ X stetig ist.
12.3.2 Beispiel.
(i) Sei (X, T ) topologischer Raum. Die Abbildung idX : (X, T ) → (X, T ) ist stetig,
denn ist x ∈ X und V ∈ U(idX x) = U(x), so erfüllt U = V ∈ U(x) die Bedingung
idX (U) = V ⊆ V.
(ii) Seien (X, T ), (Y, O) topologische Räume und sei a ∈ Y. Die konstante Abbildung
(
(X, T ) → (Y, O) ,
f :
x
7→
a.
ist stetig, denn ist x ∈ X und V ∈ U( f (x)) = U(a), so erfüllt U = X ∈ U(x) die
Bedingung f (U) = {a} ⊆ V.
(iii) Sei X versehen mit der diskreten Topologie T = P(X), und sei (Y, O) irgendein
topologischer Raum. Dann ist jede Abbildung f : (X, P(X)) → (Y, O) stetig. In der
Tat gilt für x ∈ X, V ∈ U( f (x)), dass U = {x} ∈ U(x) die geforderte Inklusion
f (U) = { f (x)} ⊆ V erfüllt.
Zieht man in Betracht, dass in einem metrischen Raum die -Kugeln eine Umgebungsbasis
um einen Punkt bilden, so ist das im folgenden Lemma auftretende Kriterium (ii) für die
Stetigkeit eine unmittelbare Verallgemeinerung des wohlbekannten - δ Kriteriums aus
Definition 6.1.1.
Bei Funktionen auf metrischen Räumen haben wir auch gesehen, dass die Stetigkeit in
einem Punkt x auch durch die Implikation
xn → x ⇒ lim f (xn ) = f (x)
n→∞
charakterisiert werden kann. Man hat in allgemeinen topologischen Räumen eine ähnliche
Charakterisierung, wobei man jedoch nicht mehr mit Folgen das Auslangen findet, siehe
(iii) im folgenden Lemma.
12.3.3 Lemma. Seien (X, T ), (Y, O) topologische Räume, f : X → Y eine Abbildung,
x ∈ X, und seien W(x) bzw. W( f (x)) beliebige Umgebungsbasen von x in (X, T ) bzw. von
f (x) in (Y, O). Dann sind folgende Aussagen äquivalent.
(i) f ist im Punkt x stetig.
(ii) Für jedes V ∈ W( f (x)) existiert ein U ∈ W(x) mit f (U) ⊆ V.
424
12 Topologische Grundlagen
(iii) Für jedes gegen x konvergente Netz (xi )i∈I in X folgt, dass das Netz ( f (xi ))i∈I gegen
f (x) konvergiert.
Beweis.
(i) ⇒ (ii) : Sei V ∈ W( f (x)). Dann ist auch V ∈ U( f (x)) und daher gibt es U 0 ∈ U(x) mit
f (U 0 ) ⊆ V; vgl. Definition 12.3.1. Nun ist W(x) Umgebungsbasis von x. Gemäß
Definition 12.1.7 gibt es ein U ∈ W(x) mit U ⊆ U 0 und infolge f (U) ⊆ V.
(ii) ⇒ (i) : Sei V ∈ U( f (x)), und wähle W ∈ W( f (x)) mit W ⊆ V. Dann gibt es U ∈
W(x) ⊆ U(x) mit f (U) ⊆ W ⊆ V. Nach Definition 12.3.1 ist f somit in x stetig.
(i) ⇒ (iii) : Konvergiert (xi )i∈I gegen x, und ist V ∈ U( f (x)), so existiert wegen der Stetigkeit ein U ∈ U(x) mit f (U) ⊆ V. Wegen der Konvergenz findet man ein ein i0 ∈ I,
sodass i i0 ⇒ xi ∈ U und damit auch f (xi ) ∈ V. Also konvergiert ( f (xi ))i∈I gegen
f (x).
(iii) ⇒ (i) : Wäre f nicht bei x stetig, so gäbe es eine Umgebung V von f (x), sodass
f (U) ∩ V c , ∅, oder äquivalent U ∩ f −1 (V c ) , ∅, für alle U ∈ U(x). Nach Lemma
12.2.6 gibt es ein Netz (xi )i∈I in f −1 (V c ), welches gegen x konvergiert. Andererseits
ist aber f (xi ) ∈ V c für alle i ∈ I, womit f (xi ) i∈I sicherlich nicht gegen f (x)
konvergieren kann.
q
12.3.4 Bemerkung. Mit einer Konstruktion ähnlich wie in Bemerkung 12.2.10 sieht man,
dass, wenn X das erste Abzählbarkeitsaxiom erfüllt, also insbesondere in metrischen
Räumen, die Stetigkeit bei x mit Hilfe von Folgen dadurch charakterisiert werden kann,
dass aus xn → x auch limn→∞ f (xn ) = f (x) folgt.
12.3.5 Beispiel. Sei (X, T ) ein topologischer Raum. Eine Abbildung f : X → [−∞, +∞)
heißt in einem Punkt x ∈ X halbstetig von oben oder oberhalbstetig, falls f im Punkt x
stetig ist, wenn man [−∞, +∞) mit der Topologie T< = {[−∞, a) : a ∈ [−∞, +∞]} versieht;
vgl. Beispiel 12.1.4, (v). f heißt halbstetig von oben bzw. oberhalbstetig auf X, wenn f
bei allen x ∈ X halbstetig von oben ist, also wenn f : X → [−∞, +∞) stetig ist, wobei
[−∞, +∞) die Topologie T< trägt.
In Beispiel 12.1.14, (ii), haben wir gesehen, dass ein Netz (ξi )i∈I in [−∞, +∞) gegen ein
ξ ∈ [−∞, +∞) bezüglich T< genau dann konvergiert, wenn ξ ≥ lim supi∈I ξi . Aus Lemma
12.3.3 erkennen wir somit, dass f in x genau dann von oben halbstetig ist, wenn
f (x) ≥ lim sup f (xi )
i∈I
für alle gegen x konvergente Netze (xi )i∈I aus X.
Eine Funktion f : X → (−∞, +∞] heißt in einem Punkt x ∈ X halbstetig von unten
oder unterhalbstetig, falls f im Punkt x stetig ist, wenn man (−∞, +∞] mit der Topologie
T> = {(a, +∞] : a ∈ [−∞, +∞]} versieht. Offenbar ist diese Eigenschaft zur Halbstetigkeit
von oben der Funktion − f bei x und somit auch zu f (x) ≤ lim inf i∈I f (xi ) für alle gegen x
konvergente Netze (xi )i∈I aus X äquivalent.
12.3 Stetige Abbildungen
425
12.3.6 Satz. Seien (X, T ), (Y, O) topologische Räume, und sei f : X → Y. Dann sind
folgende Aussagen äquivalent:
(i) f ist stetig.
(ii) f −1 (O) ∈ T für jede offene Menge O ∈ O; also die Urbilder von offenen Mengen
sind offen.
(iii) Die Urbilder von abgeschlossenen Mengen sind abgeschlossen.
(iv) Für jede Teilmenge B ⊆ X gilt f (B) ⊆ f (B).
Beweis.
(i) ⇒ (ii) : Sei O ∈ O. Ist x ∈ f −1 (O), so gilt f (x) ∈ O. Da O offen ist, erhalten wir O ∈
U( f (x)). Infolge gibt es eine Umgebung U ∈ U(x) mit f (U) ⊆ O, bzw. äquivalent
dazu U ⊆ f −1 (O). Mit Lemma 12.1.10 folgt f −1 (O) ∈ T .
(ii) ⇒ (iii) : Sei A abgeschlossene Teilmenge von Y. Dann ist (A)c offen und wegen (ii)
gilt
c
f −1 (A) = f −1 (Ac ) ∈ T .
Also ist f −1 (A) abgeschlossen.
(iii) ⇒ (iv) : Wegen f (B) ⊇ f (B) gilt f −1 ( f (B)) ⊇ B. Da nach Voraussetzung f −1 ( f (B))
abgeschlossen in (X, T ) ist, folgt f −1 ( f (B)) ⊇ B und daher f (B) ⊇ f (B).
(iv) ⇒ (i) : Sei x ∈ X und V ∈ U( f (x)) gegeben. Wir müssen ein U ∈ U(x) mit f (U) ⊆ V
konstruieren. Dazu setze man W := f −1 (V). Dann gilt f (W c ) = f ( f −1 (V c )) ⊆ V c und
daher f (W c ) ⊆ f (W c ) ⊆ V c .
Aus Proposition 12.2.7 erhalten wir wegen V ∈ U( f (x)) und V ∩ V c = ∅, dass f (x) <
V c und wegen obiger Inklusion infolge x < W c . Also gilt x ∈ (W c )c = W ◦ , womit
U := W ◦ ∈ U(x). Dabei ist U ⊆ W = f −1 (V) und daher f (U) ⊆ f (W) ⊆ V.
q
Bedingung (ii) in Satz 12.3.6 lässt sich kurz durch f −1 (O) ⊆ T beschreiben, wobei wir für
eine Abbildung f : X → Y die Schreibweise
n
o
f −1 (C) := f −1 (C) : C ∈ C ⊆ P(X) ,
und später auch
n
o
f (B) := f (B) : B ∈ B ⊆ P(Y) ,
für B ⊆ P(X) bzw. C ⊆ P(Y) verwenden.
12.3.7 Lemma. Seien (X, T ) und (Y, O) topologische Räume, wobei (Y, O) das Hausdorffsche Axiom (T 2 ) erfülle. Ist D eine dichte Teilmenge von X, und sind f, g zwei stetige
Funktionen von X nach Y, sodass f |D = g|D , dann folgt f = g.
426
12 Topologische Grundlagen
Beweis. Angenommen f (x) , g(x) für ein x ∈ X \ D. Wegen der Hausdorff-Voraussetzung
gibt es O1 , O2 ∈ O mit O1 ∩ O2 = ∅ und f (x) ∈ O1 , g(x) ∈ O2 . Da f und g stetig sind,
gibt es U1 , U2 ∈ U(x), sodass f (U1 ) ⊆ O1 , g(U2 ) ⊆ O2 . Wegen U1 ∩ U2 ∈ U(x) folgt
U1 ∩ U2 ∩ D , ∅, und wir erhalten den Widerspruch
∅ , f (U1 ∩ U2 ∩ D) = g(U1 ∩ U2 ∩ D) ⊆ O1 ∩ O2 = ∅ .
q
Alternativ kann man argumentieren, dass es zu x ∈ X \ D wegen Proposition 12.2.7 ein
gegen x konvergentes Netz (xi )i∈I in D gibt. Die Netze f (xi ) i∈I und g(xi ) i∈I konvergieren
wegen Lemma 12.3.3 gegen f (x) bzw. g(x). Andererseits sind f (xi ) i∈I und g(xi ) i∈I
identisch und haben wegen Lemma 12.1.17 denselben Grenzwert; also f (x) = g(x).
12.3.8 Lemma. Seien (X, T ), (Y, O), (Z, R) topologische Räume und f : X → Y, g : Y → Z
Funktionen. Ist f stetig in einem Punkt x ∈ X und ist g stetig im Punkt f (x), so ist g ◦ f
stetig im Punkt x. Insbesondere ist g ◦ f stetig, wenn f, g es sind.
Beweis. Sei W ∈ U((g ◦ f )(x)). Da g stetig im Punkt f (x) ist, gibt es V ∈ U( f (x)) mit
g(V) ⊆ W. Da f stetig im Punkt x ist, gibt es U ∈ U(x) mit f (U) ⊆ V. Insgesamt gilt
(g ◦ f )(U) = g( f (U)) ⊆ g(V) ⊆ W .
q
12.3.9 Definition. Seien (X, T ) und (Y, O) topologische Räume, und sei f : X → Y. Dann
heißt f ein Homöomorphismus von (X, T ) nach (Y, O), wenn f bijektiv ist und wenn
f (T ) = O gilt. Zwei topologische Räume (X, T ) und (Y, O) heißen homöomorph, wenn es
einen Homöomorphismus von (X, T ) nach (Y, O) gibt.
12.3.10 Lemma. Seien (X, T ), (Y, O), (Z, R) topologische Räume.
(i) Eine Bijektion f : X → Y ist genau dann ein Homöomorphismus, wenn sowohl f als
auch f −1 stetig sind.
(ii) Sind f : X → Y und g : Y → Z Homöomorphismen, so ist auch g ◦ f : X → Z ein
Homöomorphismus.
(iii) Für eine weitere Topologie T 0 auf X ist die Abbildung idX : (X, T ) → (X, T 0 ) ist
genau dann ein Homöomorphismus, wenn T = T 0 .
Beweis.
(i) Für ein bijektives f gilt f (T ) = O genau dann, wenn f −1 (O) ⊆ T und f (T ) ⊆ O.
(ii) Folgt unmittelbar aus (i) und Lemma 12.3.8.
(iii) Das folgt unmittelbar aus idX (T ) = T .
q
12.3.11 Beispiel.
(i) Die Abbildung tan : (− π2 , π2 ) → R ist ein Homöomorphismus, wenn man (− π2 , π2 ) und
R jeweils mit der Euklidischen Topologie versieht.
12.4 Basis, Subbasis
427
(ii) Ist eine gegebene Menge X mit zwei verschiedenen Metriken d1 und d2 versehen, die
aber äquivalent sind, also es gibt α, β > 0, sodass für alle x, y ∈ Y
αd1 (x, y) ≤ d2 (x, y) ≤ d1 (x, y) ,
(12.6)
so zeigt man leicht mit Hilfe der Charakterisierung der Stetigkeit in metrischen
Räumen durch Folgen (siehe Proposition 6.1.4), dass dann idX : (X, d1 ) → (X, d2 )
und idX : (X, d2 ) → (X, d1 ) beide stetig sind. Also induzieren diese Metriken dieselbe
Topologie: T (d1 ) = T (d2 ). Siehe dazu auch Übungsbeispiel 5.1.
(iii) Sei X ein Vektorraum versehen mit zwei Normen k.k1 und k.k2 . Sind diese äquivalent
(vgl. Definition 9.2.1), so sieht man sofort, dass die jeweils induzierten Metriken
ebenfalls äquivalent sind. Somit stimmen die Topologien, die von den zu k.k1 und k.k2
gehörigen Metriken erzeugt werden, überein.
(iv) Man betrachte C versehen mit der euklidischen Metrik d2 und mit der chordalen
Metrik χ. Es ist wohlbekannt, dass zn → z in C bezüglich d2 genau dann, wenn zn → z
bezüglich χ. Also ist die Abbildung idC als Abbildung von (C, d2 ) nach (C, χ) und
auch als Abbildung von (C, χ) nach (C, d2 ) stetig. Somit gilt T (d2 ) = T (χ), obwohl
die beiden Metriken nicht äquivalent im Sinne von (12.6) sind.
(v) Man betrachte einerseits C ∪ {∞} versehen mit der chordalen Metrik χ. Andererseits
sei S die Oberfläche der Kugel mit Durchmesser 1 im R3 , die so auf die Ebene R2 zu
liegen kommt, dass ihr Südpol den Nullpunkt berührt. Wir versehen S mit d2 :
p
d2 ((α, β, γ)T , (ξ, η, ζ)T ) = (α − ξ)2 + (β − η)2 + (γ − ζ)2 .
Die Stereographische Projektion σ : S → C ∪ {∞} ist bekannterweise eine Isometrie,
also χ(σ(x), σ(y)) = d2 (x, y). Somit sind σ und σ−1 stetig, und σ ist infolge ein
Homöomorphismus.
12.4
Basis, Subbasis
Wir betrachten nun eine feste Menge X und die Menge x(X) aller möglichen Topologien auf
X. Die Elemente T von x(X) sind also Teilmengen von P(X), und daher x(X) ⊆ P(P(X)).
Wir sagen eine Topologie T1 ist gröber als eine Topologie T2 bzw. T2 feiner als T1 , wenn
T1 ⊆ T2 . Aus Satz 12.3.6 erkennt man leicht, dass T1 genau dann gröber als T2 ist, wenn
id : (X, T2 ) → (X, T1 ) stetig ist.
12.4.1 Lemma. Ist Ti , i ∈ I, eine Familie von Topologien, so ist auch ∩i∈I Ti eine Topologie.
In der Tat, ist dieser Schnitt die feinste Topologie, die gröber als alle Ti , i ∈ I, ist.
Für ein Mengensystem C ⊆ P(X) ist
\
T (C) =
{T ∈ x(X) : C ⊆ T }
(12.7)
die gröbste Topologie, die C enthält.
428
12 Topologische Grundlagen
Beweis. Wir müssen nachweisen, dass ∩i∈I Ti die Axiome (O1) - (O3) erfüllt. Die Mengen
∅, X sind in allen Ti enthalten, da diese ja Topologien sind. Also sind diese Mengen auch
im Schnitt enthalten. Es folgt (O1). Aus O1 , O2 ∈ ∩i∈I Ti folgt O1 , O2 ∈ Ti , i ∈ I, und
somit O1 ∩ O2 ∈ Ti , i ∈ I. Also gilt O1 ∩ O2 ∈ ∩i∈I Ti , und daher (O2); vgl. Bemerkung
12.1.3. Sind O j ∈ ∩i∈I Ti , j ∈ J, so folgt für jedes i ∈ I, dass O j ∈ Ti , j ∈ J, und weiter
S
S
j∈J O j ∈ Ti . Nun gilt das wieder für alle i ∈ I, also
j∈J O j ∈ ∩i∈I Ti , und somit (O3).
Klarerweise ist ∩i∈I Ti in allen Ti enthalten. Ist andererseits T ⊆ Ti , i ∈ I, so auch
T ⊆ ∩i∈I Ti . Also ist der Schnitt die feinste in allen Ti enthaltene Topologie.
Offenbar enthält der Schnitt T (C) von Mengensystemen, die alle C enthalten, wieder C.
Ist andererseits T ⊇ C eine Topologie, so gehört T zur Menge auf der linken Seite von
(12.7) und daher T ⊇ T (C). Also ist T (C) die gröbste Topologie, die C enthält.
q
12.4.2 Definition. Sei (X, T ) ein topologischer Raum.
Ein Mengensystem B ⊆ P(X) heißt Basis von T , wenn B ⊆ T und wenn es für alle
O ∈ T und x ∈ O ein B ∈ B mit x ∈ B ⊆ O gibt.
Ein Mengensystem C ⊆ P(X) heißt Subbasis von T , wenn C ⊆ T und wenn es für
alle O ∈ T , O , X, und x ∈ O endlich viele C1 , . . . , Cn ∈ C mit x ∈ C1 ∩· · ·∩Cn ⊆ O
gibt.
Man sagt ein topologischer Raum (X, T ) erfüllt das zweite Abzählbarkeitsaxiom
(ABII), wenn T eine abzählbare Basis besitzt.
12.4.3 Bemerkung. Sei O ⊆ X und B ⊆ P(X). Die Tatsache, dass es zu jedem x ∈ O ein
B ∈ B gibt mit x ∈ B ⊆ O, lässt sich kurz folgendermaßen anschreiben:
[
O=
B.
B∈B, B⊆O
12.4.4 Bemerkung. Offensichtlich ist C ⊆ P(X) genau dann eine Subbasis von T , wenn
das Mengensystem E aller endlichen Schnitte von C samt X, also
E := {X} ∪
n
n\
i=1
o
Ci : n ∈ N, C1 , . . . , Cn ∈ C
eine Basis von T abgibt. Klarerweise enthält E das Mengensystem C. Der Grund, warum
man X extra in E hineingeben muss, ist der, dass wir in Definition 12.4.2 für Subbasis nur
verlangen, dass es zu jedem offenen O ungleich X und x ∈ O Mengen C1 , . . . , Cn ∈ C gibt
mit x ∈ C1 ∩ · · · ∩ Cn ⊆ O.
12.4.5 Beispiel.
(i) Ist (Y, d) ein metrischer Raum, so folgt aus der Definition der von d induzierten
Topologie T (d) sofort, dass
{U (x) : x ∈ Y, > 0}
eine Basis von T (d) ist.
12.4 Basis, Subbasis
429
(ii) Die Euklidische Topologie T (d2 ) auf R hat die Menge aller offenen Intervalle
{(a, b) ⊆ R : a, b ∈ R, a < b}
als Basis. Da man zu a < x < b aus R wegen der Dichteeigenschaft von Q (siehe Satz
2.8.3) sicherlich s, t ∈ Q findet, sodass a < s < x < t < b, ist auch
{(s, t) ⊆ R : s, t ∈ Q, s < t}
eine Basis von T (d2 ). Also erfüllt (R, T (d2 )) das zweite Abzählbarkeitsaxiom (ABII).
(iii) Ähnlich zeigt man, dass {[−∞, a) : a ∈ Q} eine Basis der Topologie T< := {[−∞, a) :
a ∈ [−∞, +∞]} auf [−∞, +∞) ist; vgl. Beispiel 12.1.4, (v). Insbesondere gilt auch
hier das zweite Abzählbarkeitsaxiom.
(iv) Wegen (a, b) = (a, +∞) ∩ (−∞, b) folgt damit unmittelbar, dass
{(a, +∞) ⊆ R : a ∈ R} ∪ {(−∞, b) ⊆ R : b ∈ R}
eine Subbasis von T (d2 ) auf R ist.
(v) Betrachte den R p versehen mit d∞ . Da dort für die -Kugeln
U (x) = (ξ1 − , ξ1 + ) × · · · × (ξ p − , ξ p + )
gilt, wobei x = (ξ j ) pj=1 , folgt, dass die Menge
{(a1 , b1 ) × · · · × (a p , b p ) : a j , b j ∈ R, a j < b j , j = 1, . . . , p}
aller p-dimensionalen Quader eine Basis von T (d∞ ) abgibt. Wegen T (d∞ ) = T (d2 )
(siehe Beispiel 12.3.11) ist diese Menge trivialerweise auch eine Basis von T (d2 ).
Ähnlich wie für R sieht man, dass auch
{(s1 , t1 ) × · · · × (s p , t p ) : s j , t j ∈ Q, s j < t j , j = 1, . . . , p}
eine abzählbare Basis von T (d2 ) ist.
12.4.6 Satz. Ist B ⊆ P(X) Basis einer gegebenen Topologie T auf X, so erfüllt B:
(B1) Ist B1 , B2 ∈ B, x ∈ B1 ∩ B2 , so existiert B3 ∈ B mit x ∈ B3 ⊆ B1 ∩ B2 .
S
(B2) B∈B B = X.
Außerdem ist T die gröbste Topologie, die B enthält, also T = T (B).
Ist C ⊆ P(X) Subbasis einer gegebenen Topologie T auf X, so ist T die gröbste Topologie,
die C enthält, also T = T (C).
430
12 Topologische Grundlagen
Beweis. Wegen B ⊆ T muss T (B) ⊆ T . Ist andererseits O ∈ T , so folgt aus der Tatsache,
dass B eine Basis ist, zusammen mit Bemerkung 12.4.3
[
O=
B.
(12.8)
B∈B, B⊆O
Wegen B ⊆ T (B) und wegen (O3) ist jede dieser Mengen auch in T (B), also T ⊆ T (B).
Aus (12.8) angewandt auf O = X sieht man unmittelbar, dass (B2) erfüllt ist. Für B1 , B2 ∈
S
B ⊆ T gilt B1 ∩ B2 ∈ T . Aus B1 ∩ B2 = {B ∈ B : B ⊆ B1 ∩ B2 } folgt für jedes x ∈ B1 ∩ B2
die Existenz eines B3 ∈ B mit x ∈ B3 ⊆ B1 ∩ B2 . Also gilt auch (B1).
Ist schließlich C ⊆ P(X) eine Subbasis von T , so folgt aus Bemerkung 12.4.4, dass E eine
Basis von T ist, und daher T = T (E). Wegen C ⊆ E gilt T (C) ⊆ T (E). Ist andererseits
E ∈ E, so gilt E = X oder E = C1 ∩ · · · ∩ Cn für C1 , . . . , Cn ∈ C ⊆ T (C). Aus (O1) bzw.
(O2) folgt dann E ∈ T (C), und daher E ⊆ T (C). Somit gilt auch T (E) ⊆ T (C), und
insgesamt T = T (E) = T (C).
q
12.4.7 Lemma. Seien (X, T ) und (Y, O) topologische Räume und f : X → Y eine Abbildung. Ist C eine Subbasis von O, so ist f genau dann stetig, wenn f −1 (C) ⊆ T .
Beweis. Aus der Stetigkeit folgt unmittelbar f −1 (C) ⊆ f −1 (O) ⊆ T .
Ist umgekehrt f −1 (C) ⊆ T , so prüft man leicht nach, dass
O0 := {O0 ⊆ Y : f −1 (O0 ) ∈ T }
die Axiome (O1) - (O3) erfüllt, also eine Topologie ist. Da laut Voraussetzung C ⊆ O0 ,
muss auch O = T (C) ⊆ O0 , und daher f −1 (O) ∈ T für alle O ∈ O.
q
Wir wollen nun den umgekehrten Weg wie in Satz 12.4.6 gehen.
12.4.8 Satz. Erfüllt B ⊆ P(X) die Axiome (B1) und (B2), so ist B eine Basis von T (B).
Außerdem stimmt T (B) mit dem System T aller Mengen O ⊆ X der Bauart
[
O=
B
B∈V
mit einem (von O abhängigen) Teilsystem V ⊆ B überein; also T (B) = T , wobei
[
T = {O ⊆ X : ∃V ⊆ B, O =
B} .
(12.9)
B∈V
Für C ⊆ P(X) ist C eine Subbasis von T (C). Außerdem stimmt T (C) mit dem System
[
{O ⊆ X : ∃V ⊆ E, O =
B}
(12.10)
B∈V
überein, wobei
E := {X} ∪
die Axiome (B1) und (B2) erfüllt.
n
n\
i=1
Ci : n ∈ N, C1 , . . . , Cn ∈ C}
12.5 Initiale Topologie
431
Beweis.
Wir zeigen zunächst, dass T definiert in (12.9) eine Topologie auf X ist. In der Tat
gilt
[
∅=
B∈T,
B∈∅
und wegen (B2)
X=
[
B∈B
B∈T.
Also ist (O1) erfüllt. Die Bedingung (O3) folgt aus
[ [ [
B =
B.
i∈I
B∈Vi
B∈
S
S
i∈I
Vi
S
Es bleibt (O2) zu zeigen. Seien also O1 = B∈V1 B, O2 = B∈V2 B gegeben. Jedes
x ∈ O1 ∩ O2 liegt somit in einem B1 ∈ V1 und einem B2 ∈ V2 . Nach (B1) gibt es
ein B ∈ B mit x ∈ B ⊆ B1 ∩ B2 ⊆ O1 ∩ O2 . Wir erhalten (vgl. Bemerkung 12.4.3)
[
O1 ∩ O2 =
B,
B∈V
wobei V := {B ∈ B : B ⊆ O1 ∩ O2 }; also O1 ∩ O2 ∈ T .
Offensichtlich gilt B ⊆ T . Ist x ∈ O ∈ T , so folgt aus (12.9), dass x ∈ B ⊆ O für
ein gewisses B ∈ B. Also ist B Basis von T , und wegen Satz 12.4.6 ist damit T die
gröbste Topologie T (B), die B umfasst.
Für C ⊆ P(X) sieht man unmittelbar, dass X ∈ E und dass mit E1 , E2 ∈ E auch
E1 ∩ E2 ∈ E. Insbesondere erfüllt E (B1) und (B2). Nach dem oben gezeigten ist E
Basis von T (E), wobei T (E) mit der Topologie in (12.10) übereinstimmt. Wegen
Bemerkung 12.4.4 bedeutet das, dass C eine Subbasis von T (E) ist, und aus Satz
12.4.6 folgt damit schließlich T (C) = T (E).
q
12.5
Initiale Topologie
Mit dem Konzept Basis und Subbasis können wir auf einer gegebenen Menge ausgezeichnete Topologien definieren, die gewisse Eigenschaften haben.
12.5.1 Satz. Seien X eine Menge, (Yi , Ti ), i ∈ I, topologische Räume und fi : X → Yi , i ∈ I,
Abbildungen.
fi
X
fj
fk
(Yi , Ti )
(Y j , T j )
(Yk , Tk )
432
12 Topologische Grundlagen
Dann existiert genau eine Topologie T auf X mit folgender Eigenschaft:
(IN1 ) T ist die gröbste Topologie auf X, sodass fi : (X, T ) → (Yi , Ti ) für alle i ∈ I stetig
ist.
Diese Topologie heißt initiale Topologie bezüglich der fi . Für sie gelten auch folgende
beiden Eigenschaften:
S
(IN2 ) i∈I fi−1 (Ti ) ist eine Subbasis von T .
(IN3 ) Ist (Y, O) ein beliebiger topologischer Raum und f : Y → X, so ist f : (Y, O) →
(X, T ) genau dann stetig, wenn alle Abbildungen fi ◦ f : (Y, O) → (Yi , Ti ), i ∈ I,
stetig sind.
Beweis.
Ist T 0 eine beliebige Topologie auf X, so ist fi : (X, T 0 ) → (Xi , Ti ) genau dann stetig,
wenn fi−1 (Ti ) ⊆ T 0 . Also sind alle fi genau dann stetig, wenn
[
fi−1 (Ti ) ⊆ T 0 .
(12.11)
i∈I
S
Nach Lemma 12.4.1 gibt es eine gröbste Topologie T = T ( i∈I fi−1 (Ti )), die (12.11)
erfüllt. Damit ist aber auch T die gröbste Topologie, sodass alle fi stetig sind. Also
gilt (IN1 ).
S
Wegen Satz 12.4.8 ist i∈I fi−1 (Ti ) Subbasis von T , und es gilt auch (IN2 ).
Sei f : (Y, O) → (X, T ), wobei T die initiale Topologie der fi , i ∈ I, ist. Im Falle
der Stetigkeit von f sind auch alle fi ◦ f : (Y, O) → (Yi , Ti ) als Zusammensetzung
stetiger Abbildungen stetig.
Seien umgekehrt alle fi ◦ f stetig, es gelte also ( fi ◦ f )−1 (Ti ) ⊆ O. Dann folgt
f −1 ( fi−1 (Ti )) ⊆ O und damit
[
f −1 (
fi−1 (Ti )) ⊆ O .
i∈I
S
−1
i∈I fi (Ti )
Da
eine Subbasis von T ist, folgt aus Lemma 12.4.7, dass f stetig ist.
Die initiale Topologie T hat also die Eigenschaft (IN3 ).
q
12.5.2 Bemerkung (*). Die initiale Topologie T ist in der Tat die einzige Topologie T 0
mit der Eigenschaft (IN3 ). Um das einzusehen, sei T 0 eine weitere Topologie auf X mit
dieser Eigenschaft.
Da die Abbildung idX : (X, T 0 ) → (X, T 0 ) trivialerweise stetig ist, folgt aus (IN3 ) angewandt auf T 0 , dass alle fi ◦ idX : (X, T 0 ) → (Yi , Ti ) stetig sind. Aus (IN1 ) folgt T ⊆ T 0 .
Für idX : (X, T ) → (X, T 0 ) sind andererseits alle fi ◦ idX = fi : (X, T ) → (Yi , Ti ) stetig.
Mit (IN3 ) angewandt auf T 0 folgt die Stetigkeit von idX : (X, T ) → (X, T 0 ), und daher gilt
auch T 0 ⊆ T .
12.5 Initiale Topologie
433
12.5.3 Lemma. Mit der Notation aus Satz 12.5.1 sei (x j ) j∈J ein Netz in X. Dieses kon
vergiert bzgl. T gegen ein x ∈ X genau dann, wenn fi (x j ) j∈J für alle i ∈ I gegen fi (x)
konvergiert.
Beweis. Konvergiert (x j ) j∈J gegen x bzgl. T , so folgt aus der Stetigkeit der fi mit Lemma
12.3.3, dass fi (x j ) j∈J gegen fi (x) konvergiert.
Konvergiere umgekehrt fi (x j ) j∈J gegen fi (x) für alle i ∈ I. Für ein U ∈ U(x) mit U , X
S
und O ∈ T mit x ∈ O ⊆ U folgt aus der Tatsache, dass i∈I fi−1 (Ti ) eine Subbasis von T
ist (vgl. (IN2 ) aus Satz 12.5.1), und Definition 12.4.2, dass
x ∈ fi−1
(O1 ) ∩ · · · ∩ fi−1
(Om ) ⊆ O ,
1
m
wobei i1 , . . . , im ∈ I, O1 ∈ Ti1 , . . . , Om ∈ Tim . Also folgt fik (x) ∈ Ok für k = 1, . . . , m. Laut
Voraussetzung gibt es zu jedem k = 1, . . . , m einen Index jk ∈ J, sodass j jk immer
fik (x j ) ∈ Ok nach sich zieht. Ist nun j0 ∈ J derart, dass j0 jk , k = 1, . . . , m, so folgt für
j j0 jedenfalls fik (x j ) ∈ Ok , k = 1, . . . , m, und daher
(O1 ) ∩ · · · ∩ fi−1
(Om ) ⊆ O ⊆ U .
x j ∈ fi−1
1
m
q
Die Konstruktion der Initialen Topologie ist assoziativ.
g ik ◦
fi
Yi
fi
g i,k
gi,l
(Zi,l , Ti,l )
gil ◦ fi
X
fj
g jk ◦ f j
Yj
g jl ◦
fj
(Zi,k , Ti,k )
g j,k
g j,l
(Z j,k , T j,k )
(Z j,l , T j,l )
Abbildung 12.2: Veranschaulichung der Assoziativität der Initialtopologiebildung
12.5.4 Korollar. Seien X, Yi , i ∈ I, topologische Räume und fi : X → Yi , i ∈ I, Abbildungen.
Weiters seien zu jedem i ∈ I eine Indexmenge Ji und topologische Räume (Zi, j , Ti, j ) und
Abbildungen gi, j : Yi → Zi, j gegeben. Für jedes i ∈ I versehen wir Yi mit der initialen
Topologie Ti bezüglich der Abbildungen gi, j , j ∈ Ji .
Unter diesen Voraussetzungen stimmt die initiale Topologie T1 auf X bezüglich der Abbildungen fi : X → Yi , i ∈ I, mit der initialen Topologie T2 auf X bezüglich der Abbildungen
gi, j ◦ fi : X → Zi, j , i ∈ I, j ∈ Ji , überein.
434
12 Topologische Grundlagen
Beweis. Ist T irgendeine Topologie auf X, so ist wegen (IN3 ) angewandt auf die (Yi , Ti )
die Tatsache, dass alle Abbildungen fi : X → Yi , i ∈ I, stetig sind, dazu äquivalent, dass
alle Abbildungen gi, j ◦ fi : X → Zi, j , i ∈ I, j ∈ Ji , stetig sind.
Also stimmt die gröbste aller Topologien, welche die erste Bedingung erfüllen, – wegen
(IN1 ) ist das T1 – mit der gröbsten aller Topologien, welche die zweite Bedingung erfüllen,
– wegen (IN1 ) ist das T2 – überein.
q
12.6
Spur- und Produkttopologie
12.6.1 Definition. Sei (Y, T ) ein topologischer Raum und X ⊆ Y. Weiters sei ι : X → Y
die kanonische Einbettung, ι(x) = x. Die initiale Topologie auf X bezüglich der Abbildung
ι heißt die Spurtopologie von T auf X und wird bezeichnet als T |X . Man spricht von
(X, T |X ) als einem Teilraum von (Y, T ).
12.6.2 Fakta.
1. Wegen Satz 12.5.1 ist ι−1 (T ) = {O ∩ X : O ∈ T } ⊆ P(X) eine Subbasis für T |X . Nun
erfüllt diese Menge selbst schon (O1) − (O3), also gilt
T |X = {O ∩ X : O ∈ T } .
(12.12)
Daraus erhält man leicht, dass der Umgebungsfilter U|X (x) eines Elementes x ∈ X
bezüglich T |X übereinstimmt mit
U|X (x) = {U ∩ X : U ∈ U(x)} .
2. Aus (12.12) erhält man auch, dass das System A|X der in (X, T |X ) abgeschlossenen
Mengen gegeben ist durch A|X = {A ∩ X : A ∈ A}. Somit gilt für B ⊆ X
T |X
B
T
= B ∩X.
(12.13)
3. Erfüllt (Y, T ) das Axiom (T 2 ), so folgt aus (12.12), dass auch (X, T |X ) dieses Axiom
erfüllt.
4. Aus (IN3 ) erhalten wir, dass eine Funktion f : (Z, O) → (X, T |X ) genau dann stetig
ist, wenn f : (Z, O) → (Y, T ) stetig ist.
5. Ist (x j ) j∈J ein Netz in X und x ∈ X, so folgt aus Lemma 12.5.3, dass (x j ) j∈J genau
dann gegen x bzgl. T konvergiert, wenn (x j ) j∈J bzgl. T |X gegen x konvergiert.
6. Ist schließlich X ⊆ Z ⊆ Y, so gilt wegen Korollar 12.5.4
T |X = (T |Z )|X .
(12.14)
12.6 Spur- und Produkttopologie
435
12.6.3 Beispiel. Sei hY, di ein metrischer Raum, und sei X ⊆ Y versehen mit der Einschränkung von d|X×X . Klarerweise ist hX, d|X×X i ein metrischer Raum. Wir wollen uns
vergewissern, dass die von d|X×X auf X erzeugte Topologie genau die Spurtopologie ist, die
von T (d) auf X induziert wird.
Ist nämlich O ∈ T (d) und x ∈ O ∩ X, so gibt es ein > 0 mit UY (x) ⊆ O. Daraus folgt,
dass die -Kugel UX (x) = UY (x) ∩ X um x bezüglich d|X×X in O ∩ X enthalten ist. Also ist
jede Menge aus T (d)|X offen bezüglich d|X×X .
Ist umgekehrt P ∈ T (d|X×X ), so wähle man für jedes x ∈ P ein x > 0, sodass die x -Kugel
UXx (x) = X ∩ UYx (x) in X in P enthalten ist. Es folgt
[
[
P=
X ∩ UYx (x) = X ∩
UYx (x) .
x∈P
x∈P
Somit ist P der Schnitt einer in Y offenen Menge und X, also P ∈ T (d)|X .
12.6.4 Lemma. Seien (X, T ), (Y, O) topologische Räume und A1 , . . . , Am ⊆ X Teilmengen
mit A1 ∪ · · · ∪ Am = X, wobei entweder alle Ak , k = 1, . . . , m, abgeschlossen oder alle
diese Teilmengen offen sind.
Sind fk : Ak → Y für k = 1, . . . , m stetige Funktionen, wobei die Ak mit der Spurtopologie
versehen sind, sodass f j und fk auf A j ∩ Ak für alle j, k ∈ {1, . . . , m} übereinstimmen, dann
ist auch die Funktion f1 ∪ · · · ∪ fm : X → Y 2 stetig.
Beweis. Seien A1 , . . . , Am ⊆ X alle abgeschlossen. Der offene Fall ist ähnlich zu beweisen.
Für ein abgeschlossenes F ⊆ Y gilt zunächst
( f1 ∪ · · · ∪ fm )−1 (F) = f1−1 (F) ∪ · · · ∪ fm−1 (F) .
Wegen der Stetigkeit von fk : Ak → Y ist fk−1 (F) abgeschlossen in der Spurtopologie T |Ak ,
und somit von der Bauart C ∩ Ak für eine in X abgeschlossene Menge C. Als Schnitt zweier
in X abgeschlossener Mengen ist fk−1 (F) in X abgeschlossen.
Als Vereinigung endlich vieler abgeschlossener Mengen ist dann auch ( f1 ∪ · · · ∪ fm )−1 (F)
abgeschlossen. Da F beliebig war, ist somit f1 ∪ · · · ∪ fm stetig.
q
Q
12.6.5 Definition. Seien (Xi , Ti ), i ∈ I, topologische Räume, und sei X := i∈I Xi . Die
initiale Topologie auf X bezüglich der Familie πi : X → Xi der kanonischen Projektionen
πi (xk )k∈I = xi
nennt man die Produkttopologie der Ti auf X und wird bezeichnet mit
12.6.6 Fakta.
1. Für ein O ⊆ Xi gilt
π−1
i (O) =
Y
Q
i∈I
Ti .
Ok ,
k∈I
2
Das ist die (wohldefinierte) Funktion, die für k = 1, . . . , m auf Ak mit fk übereinstimmt.
436
12 Topologische Grundlagen
wobei Ok = Xk , k , i, und Oi = O ist. Wieder mit (IN2 ) und Bemerkung 12.4.4
erhält man daraus, dass die Mengen der Gestalt
Y
Ok ,
(12.15)
k∈I
wobei Ok ∈ Tk , k ∈ I, und für alle k ∈ I bis auf endlich viele Ok = Xk gilt, eine Basis
Q
für i∈I Ti bilden.
Q
2. Die kanonischen Projektionen πi : X → Xi bilden offene Mengen aus k∈I Tk auf
offene Mengen aus Ti ab, also sind sie offene Abbildungen.
Um das einzusehen, sei zunächst i ∈ I fest. Dann gilt für Basismengen der Gestalt
Q
(12.15) offenbar πi ( k∈I Ok ) = Oi . Also ist das Bild unter πi einer jeden Menge aus
Q
dieser Basis offen in (Xi , Ti ). Da jede offene Menge in k∈I Tk Vereinigung von
Basismengen ist, folgt die Behauptung.
3. Weiters sieht man leicht mit Hilfe der Basis bestehend aus Mengen der Form (12.15),
dass für einen Punkt (xi )i∈I ∈ X die Mengen
Y
Ui ,
i∈I
wobei Ui ∈ U(xi ), i ∈ I, und Ui = Xi für alle bis auf endlich viele i, eine UmgebungsQ
basis bezüglich i∈I Ti bilden.
Q
4. Aus Lemma 12.5.3 folgt, dass für ein Netz (x j ) j∈J und einen Punkt x aus i∈I Xi ,
also x j = (ξ j,i )i∈I und x = (ξi )i∈I mit ξ j,i , ξi ∈ Xi ,
j∈J
j∈J
x j −→ x ⇔ ξ j,i −→ ξi für alle i ∈ I .
(12.16)
Q
5. Aus (12.16) folgt, dass für abgeschlossene Ai ⊆ Xi , i ∈ I, das Produkt i∈I Ai ⊆
Q
i∈I Xi ebenfalls abgeschlossen ist. Alternativ kann man das auch daraus folgern,
dass
Y
\
Ai =
π−1
i (Ai )
i∈I
i∈I
als Durchschnitt von Urbildern abgeschlossener Mengen unter stetigen Funktionen
selber wieder abgeschlossen ist.
12.6.7 Bemerkung. Wendet man diese Konstruktion der Produkttopologie etwa auf die
zwei Räume (X1 , T1 ) und (X2 , T2 ) mit I = {1, 2} an, so bilden insbesondere alle Mengen der
Bauart O1 × O2 mit O1 ⊆ X1 , O2 ⊆ X2 eine Basis der Produkttopologie T1 × T2 . Außerdem
sind alle Mengen A1 × A2 für abgeschlossene A1 ⊆ X1 , A2 ⊆ X2 , ebenfalls abgeschlossen.
12.6.8 Beispiel. Seien hX1 , d1 i und hX2 , d2 i zwei metrische Räume, und sei d : X1 ×X2 → R
definiert als d (x1 , x2 ), (y1 , y2 ) = max(d1 (x1 , y1 ), d2 (x2 , y2 )), vgl. Fakta 8.7.8. Wir wissen
schon, dass d eine Metrik auf X1 × X2 ist, und dass U (x1 , x2 ) = U (x1 ) × U (x2 ).
12.7 Finale Topologie*
437
Die von dieser Metrik erzeugte Topologie T (d) stimmt mit der Produkttopologie von
T (d1 ) und T (d2 ) überein. Um das einzusehen, sei O ⊆ X1 × X2 . Diese Menge ist in T (d)
genau dann, wenn
∀(x1 , x2 ) ∈ O ⇒ ∃ > 0 : U (x1 , x2 ) = U (x1 ) × U (x2 ) ⊆ O ,
was aber äquivalent zu
∀(x1 , x2 ) ∈ O ⇒ ∃O1 ∈ T (d1 ), O2 ∈ T (d2 ) : (x1 , x2 ) ∈ O1 × O2 ⊆ O
ist. Da die Mengen der Form O1 × O2 eine Basis von T (d1 ) × T (d2 ) darstellen, bedeutet
das genau O ∈ T (d1 ) × T (d2 ).
Folgendes Korollar samt Beweis funktioniert übrigens auch für Funktionen mit Werten in
einem normierten Raum.
12.6.9 Korollar. Sei (X, T ) ein topologischer Raum, und f, g : X → R (C), sowie λ, µ ∈
R (C). Sind f und g stetig, so auch λ f + µg und f g. Gilt zusätzlich f (x) , 0 für alle x ∈ X,
so ist auch 1f stetig.
Beweis. Die Funktion (x, y) 7→ λx + µy, R × R → R ist bekannterweise stetig. Nach (IN3 )
angewandt auf R × R ist a 7→ ( f (a), g(a)), X → R × R ebenfalls stetig. λ f + µg ist nun als
Zusammensetzung dieser Funktionen ebenfalls stetig.
q
Der Beweis für f g und 1f verläuft analog.
12.7
Finale Topologie*
12.7.1 Satz. Seien X eine Menge, (Yi , Ti ), i ∈ I, topologische Räume und fi : Yi → X, i ∈ I,
Abbildungen.
(Yi , Ti )
(Y j , T j )
fi
fj
fk
X
(Yk , Tk )
Dann existiert genau eine Topologie T auf X mit der Eigenschaft:
(FI1 ) T ist die feinste Topologie auf X, sodass alle Abbildungen fi : (Yi , Ti ) → (X, T ),
i ∈ I, stetig sind.
Diese Topologie heißt finale Topologie bezüglich der fi . Sie ist gegeben durch
438
12 Topologische Grundlagen
(FI2 ) T = {O ⊆ X : fi−1 (O) ∈ Ti für alle i ∈ I},
und erfüllt:
(FI3 ) Ist (Y, O) ein topologischer Raum und f : X → Y, so ist f : (X, T ) → (Y, O) stetig
genau dann, wenn alle Abbildungen f ◦ fi : (Yi , Ti ) → (Y, O), i ∈ I, stetig sind.
Beweis.
Wir betrachten die durch (FI2 ) definierte Menge T ⊆ P(X). Es gilt
fi−1 (O1 ∩ . . . ∩ On ) = fi−1 (O1 ) ∩ . . . ∩ fi−1 (On )
und
fi−1
[
j∈J
[
Oj =
fi−1 (O j ) .
j∈J
Sind also O1 , . . . , On ∈ T bzw. O j ∈ T , j ∈ J, so folgt, da die Ti Topologien sind,
S
O1 ∩ . . . ∩ On ∈ T und j∈J O j ∈ T . Also erfüllt T die Axiome (O2) und (O3).
Wegen fi−1 (∅) = ∅ und fi−1 (X) = Yi gilt auch (O1).
Definitionsgemäß gilt fi−1 (T ) ⊆ Ti , womit alle fi : (Yi , Ti ) → (X, T ) stetig sind.
Ist T 0 eine Topologie auf X, sodass alle fi stetig sind, so folgt fi−1 (O) ∈ Ti für alle
O ∈ T 0 , also O ∈ T . Somit gilt T 0 ⊆ T , und T erfüllt (FI1 ). Klarerweise gibt es
höchstens eine Topologie mit der Eigenschaft (FI1 ).
Sei T die finale Topologie bezüglich der fi , und sei f : X → Y. Ist f stetig, so ist
auch f ◦ fi : (Yi , Ti ) → (X, T ) → (Y, O) als Zusammensetzung stetiger Abbildungen
stetig. Ist umgekehrt f ◦ fi stetig für alle i, so gilt
fi−1 ( f −1 (O)) = ( f ◦ fi )−1 (O) ⊆ Ti , i ∈ I ,
und wir erhalten f −1 (O) ⊆ T , womit f stetig ist.
q
12.7.2 Bemerkung. Die Finale Topologie ist die einzige Topologie auf X, die (FI3 ) erfüllt.
Um das einzusehen, sei T 0 eine weitere Topologie auf X mit der Eigenschaft (FI3 ).
Da die Abbildung idX : (X, T 0 ) → (X, T 0 ) trivialerweise stetig ist, folgt aus (FI3 ) angewandt auf T 0 , dass alle idX ◦ fi : (Yi , Ti ) → (X, T 0 ) stetig sind. Aus (FI1 ) folgt T 0 ⊆ T . Für
idX : (X, T 0 ) → (X, T ) sind andererseits alle Abbildungen idX ◦ fi = fi : (Yi , Ti ) → (X, T )
stetig. Mit (FI3 ) angewandt auf T 0 folgt die Stetigkeit von idX : (X, T 0 ) → (X, T ), und
daher auch T ⊆ T 0 .
12.7.3 Bemerkung. Das Finale Topologie Bilden ist assoziativ; also es gilt ein Korollar
12.5.4 entsprechendes Resultat.
12.7.4 Beispiel. Sei (Y, T ) ein topologischer Raum und ∼ eine Äquivalenzrelation auf Y.
Weiters sei π : Y → Y /∼ die kanonische Projektion, π(x) = [x]∼ . Die finale Topologie auf
Y /∼ bezüglich π heißt Quotiententopologie und wird bezeichnet als T /∼.
12.8 Zusammenhang und Trennungseigenschaft (T 1)*
439
Ist A ⊆ Y, so heißt A gesättigt bezüglich ∼, wenn x ∈ A die Inklusion [x]∼ ⊆ A nach sich
zieht. Offenbar sind alle Mengen der Bauart π−1 (B) mit B ⊆ Y /∼ gesättigt, und A ist genau
dann gesättigt, wenn π−1 (π(A)) = A. Somit stellt A 7→ π(A) eine bijektive Abbildung von
allen gesättigten Teilmengen von Y auf alle Teilmengen von Y /∼ dar, wobei B 7→ π−1 (B)
ihre Umkehrung ist.
Eine Menge P ⊆ Y /∼ ist per definitionem genau dann offen in (Y /∼, T /∼), wenn π−1 (P)
offen in (Y, T ) ist. Insbesondere ist O 7→ π(O) eine Bijektion von allen gesättigten offenen
Teilmengen von Y auf T /∼. Entsprechendes gilt für abgeschlossene Mengen.
12.7.5 Proposition. Sei f : (X, T ) → (Y, V) eine stetige Abbildung. Bezeichne mit ∼ die
Äquivalenzrelation x ∼ y :⇔ f (x) = f (y), und seien π : X → X /∼, ι : f (X) → Y, die
kanonische Projektion bzw. Einbettung. Weiters sei g : X /∼ → f (X) die Bijektion mit
ι ◦ g ◦ π = f.
Dann ist g : (X /∼, T /∼) → ( f (X), V| f (X) ) stetig, und folgende Aussagen sind äquivalent:
(i) g ist ein Homöomorphismus von (X /∼, T /∼) auf ( f (X), V| f (X) ).
(ii) Für jede bezüglich ∼ gesättigte offene Menge O ⊆ X ist f (O) offen in ( f (X), V| f (X) ).
(iii) Für jede bezüglich ∼ gesättigte abgeschlossene Menge A ⊆ X ist f (A) abgeschlossen
in ( f (X), V| f (X) ).
Beweis. Nach Satz 12.5.1,(IN3 ), bzw. Fakta 12.6.2 ist auch f : (X, T ) → ( f (X), V| f (X) )
stetig. Somit können wir ohne Beschränkung der Allgemeinheit Y = f (X) und ι = idY
annehmen.
Jede Abbildung g : X /∼ → Y mit g ◦ π = f muss g([x]∼ ) = f (x) für x ∈ X erfüllen.
Betrachten wir das als Definition, so ist die Wohldefiniertheit davon zu zeigen. Diese
folgt aber unmittelbar aus der Definition von von ∼, da [x]∼ = [y]∼ immer x ∼ y und
damit f (x) = f (y) nach sich zieht. Also gibt es ein solches g und dieses ist eindeutig.
Außerdem ist g injektiv, da aus f (x) = g([x]∼ ) = g([y]∼ ) = f (y) per definitionem x ∼ y
bzw. [x]∼ = [y]∼ folgt. Wegen g(X /∼) = f (X) = Y ist g sogar bijektiv.
Die Stetigkeit von g folgt unmittelbar aus Satz 12.7.1, (FI3 ), da X /∼ die finale Topologie
T /∼ bzgl. π trägt und da g ◦ π = f stetig ist.
Die Funktion g ist nun genau dann Homöomorphismus, wenn noch g−1 stetig ist, also
wenn g(P) ∈ V für alle P ∈ T /∼. Nach Beispiel 12.7.4 durchläuft π−1 (P) alle offenen und
gesättigten Teilmengen von X. Zudem gilt
g(P) = g ◦ π(π−1 (P)) = f (π−1 (P)) ,
woraus man sofort die Äquivalenz von (i) und (ii) erkennt. Die Äquivalenz von (i) und (iii)
zeigt man genauso.
q
12.8
Zusammenhang und Trennungseigenschaft (T 1)*
Der Begriff der Getrenntheit zweier Teilmengen eines topologischen Raumes, welchen wir
jetzt einführen wollen, entspricht dem der Disjunktheit zweier Mengen aus der Mengenlehre. Dabei gibt es eine schwächere und eine stärkere Version.
440
12 Topologische Grundlagen
12.8.1 Definition. Sei (X, T ) ein topologischer Raum und seien A, B Teilmengen von X.
Dann heißen A und B getrennt, wenn A ∩ B = A ∩ B = ∅.
A und B heißen in (X, T ) getrennt durch offenen Mengen, wenn es disjunkte offene Mengen
OA , OB gibt, sodass A ⊆ OA , B ⊆ OB . Dazu sagen wir auch, dass sich A und B durch offene
Mengen trennen lassen.
12.8.2 Fakta.
1. Offenbar sind getrennte Mengen und auch durch offenen Mengen getrennte Mengen
disjunkt.
c
c
2. A ∩ B = A ∩ B = ∅ ist äquivalent zu B ⊆ A und A ⊆ B , und daher auch zur Existenz
offener Mengen OA und OB , sodass B ⊆ OB , A ∩ OB = ∅ und A ⊆ OA , B ∩ OA = ∅.
3. Insbesondere sind A und B sicher dann getrennt, wenn sie durch offene Mengen
getrennt sind. Die Umkehrung gilt im Allgemeinen nicht.
4. Für A, B ⊆ X und C := A ∪ B gilt für den Abschluss von A in C bzgl. der SpurtoT |C
pologie T |C bekannterweise A = A ∩ C = A ∪ (B ∩ A). Entsprechendes gilt für
B.
Insbesondere sind disjunkte Mengen A und B genau dann getrennt, wenn A und B
beide in A ∪ B bzgl. der Spurtopologie abgeschlossen sind. Durch Komplementbildung in A ∪ B erkennt man dann auch, dass disjunkte Mengen A und B genau dann
getrennt sind, wenn A und B beide in A ∪ B bzgl. der Spurtopologie offen sind.
Somit sehen wir auch, dass A und B in C = A ∪ B (versehen mit T |C ) genau dann
getrennt sind, wenn sie dort durch offene Mengen getrennt sind.
5. Aus dem letzten Punkt erkennen wir, dass die Eigenschaft getrennt zu sein, nur von
der Spurtopologie auf A ∪ B abhängt. Insbesondere gilt für A, B ⊆ Y ⊆ X, dass A
und B genau in (Y, T |Y ) getrennt sind, wenn sie es in (X, T ) sind.
Die Eigenschaft getrennt durch offene Mengen zu sein, hängt dagegen ganz wesentlich von dem betrachteten topologischen Raum ab.
Für eine weitere Charakterisierung der Eigenschaft durch offene Mengen zu sein, siehe
Bemerkung 12.9.2.
12.8.3 Definition. Ein topologischer Raum (X, T ) erfüllt das erste Trennungsaxiom (T 1 ),
wenn gilt:
(T 1 ) Je zwei verschiedene einpunktige Mengen lassen sich trennen.
Das schon bekannte Trennungsaxiom (T 2) bedeutet im Gegensatz dazu, dass sich je zwei
verschiedene einpunktige Mengen durch offene Mengen trennen lassen. (T 2) ist somit
stärker als (T 1).
12.8.4 Lemma. Ein topologischer Raum (X, T ) erfüllt genau dann (T 1 ), wenn einpunktige
Mengen abgeschlossen sind.
12.8 Zusammenhang und Trennungseigenschaft (T 1)*
441
Beweis. Sei x ∈ X. Nach Fakta 12.8.2, 2, gibt es zu y ∈ {x}c eine offene Umgebung von y,
die x nicht enthält, bzw. ganz in {x}c enthalten ist. Wegen Lemma 12.1.10 ist {x}c offen.
Sind umgekehrt einpunktige Mengen abgeschlossen, so gilt für verschiedene x, y ∈ X, dass
auch {x} und {y} in {x, y} abgeschlossen sind. Gemäß Fakta 12.8.2, 4, sind diese Mengen
dann getrennt.
q
Eins zu eins kann man den Begriff einer zusammenhängenden Menge auf topologische
Räume verallgemeinern; vgl. Definition 6.2.2.
12.8.5 Definition. Eine Teilmenge E eines topologischen Raumes (X, T ) heißt zusammenhängend, wenn man E nicht als Vereinigung zweier nichtleerer getrennter Mengen
schreiben kann.
Aus Fakta 12.8.2, 5, erhalten wir
12.8.6 Lemma. Sei (X, T ) ein topologischer Raume und E ⊆ X. Die Eigenschaft, zusammenhängend zu sein, hängt nur von der Spurtopologie auf E ab. Insbesondere gilt für
E ⊆ Y ⊆ X, dass E genau dann in (Y, T |Y ) zusammenhängend ist, wenn E es in (X, T ) ist.
Das wichtige Resultat Proposition 6.2.4 lässt sich unmittelbar auf topologische Räume
übertragen, wobei man fast denselben Beweis nehmen kann, man muss nur Folgen durch
Netze ersetzen. Wir wollen diesen Beweis aber etwas anders führen.
12.8.7 Proposition. Seien (X, T ) und (Y, O) topologische Räume, und sei f : X → Y eine
stetige Funktion. Ist E ⊆ X zusammenhängend, so auch f (E).
Beweis. Mit f : X → Y ist auch f |E : E → f (E) stetig, wobei E und f (E) jeweils
mit der Spurtopologie versehen sind. Wäre f (E) nicht zusammenhängend, so hätten wir
f (E) = A ∪ B mit in f (E) abgeschlossenen und disjunkten A, B , ∅. Daraus ergibt sich
aber im Widerspruch zur Voraussetzung
−1
E = f |−1
E (A) ∪ f |E (B) ,
−1
wobei f |−1
E (A), f |E (B) , ∅ in E abgeschlossenen und disjunkt sind.
q
Folgender recht trivialer Sachverhalt ist jedoch sehr nützlich.
12.8.8 Lemma. Sei E eine zusammenhängende Teilmenge eines topologischen Raumes
(X, T ). Weiters seien A, B ⊆ X getrennt, sodass E ⊆ A ∪ B. Dann folgt entweder E ⊆ A
oder E ⊆ B.
Beweis. Offensichtlich sind A ∩ E und B ∩ E als Teilmengen zweier getrennter Mengen
getrennt. Wegen E = (A ∩ E) ∪ (B ∩ E) und da E zusammenhängend ist, folgt A ∩ E = ∅
oder B ∩ E = ∅ bzw. E ⊆ B oder E ⊆ A. Beides gleichzeitig kann nicht der Fall sein, da
getrennte Mengen immer disjunkt sind.
q
Damit können wir auch das im letzten Kapitel bewiesene Resultat Lemma 11.3.1 über die
Vereinigung von zusammenhängenden Mengen in allgemeinen topologischen Räumen mit
einem etwas kürzeren Beweis versehen.
442
12 Topologische Grundlagen
12.8.9 Korollar. Ist (Ei )i∈I eine Familie bestehend aus zusammenhängenden Teilmengen
eines topologischen Raumes, sodass für ein gewisses k ∈ I und allen i ∈ I die Mengen Ek
S
und Ei nicht getrennt sind3 , so ist auch E := i∈I Ei zusammenhängend.
Beweis. Sei E = A ∪ B mit getrennten A und B. Nach Lemma 12.8.8 folgt für jedes i ∈ I
immer entweder Ei ⊆ A oder Ei ⊆ B. Sei ohne Beschränkung der Allgemeinheit Ek ⊆ A.
Wäre Ei ⊆ B für nur ein i ∈ I, so wären Ek und Ei im Widerspruch zur Voraussetzung
getrennt. Somit muss E ganz in A enthalten sein, und infolge B = ∅.
q
12.8.10 Korollar. Mit E ist auch jede Teilmenge C eines topologischen Raumes mit E ⊆
C ⊆ E zusammenhängend.
Beweis. Sei C = A ∪ B mit getrennten A und B. Aus Lemma 12.8.8 erhalten wir E ⊆ A
oder E ⊆ B. Im ersten Fall folgt aus C ∩ B ⊆ E ∩ B ⊆ A ∩ B = ∅, dass E ⊆ A und daher
B = ∅. Im zweiten Fall schließt man entsprechend auf A = ∅.
q
Das folgende Korollar 12.8.11 ist eine unmittelbare Verallgemeinerung von Lemma 11.3.5
auf topologische Räume.
12.8.11 Korollar. Sei (X, T ) ein topologischer Raum. Ist ∼⊆ X × X die Relation auf X
definiert durch
x ∼ y ⇔ ∃ E ⊆ X : x, y ∈ E, E ist zusammenhängend ,
so ist ∼ eine Äquivalenzrelation. Für ein x ∈ X ist die Äquivalenzklasse [x]∼ die größte
zusammenhängende Menge, die x enthält. Schließlich ist [x]∼ abgeschlossen.
Beweis. Da die einpunktige Menge {x} zusammenhängend ist, ist ∼ reflexiv. Die Symmetrie ist klar. Aus x ∼ y, y ∼ z folgt x, y ∈ E und y, z ∈ F für zusammenhängende E und F.
Gemäß Korollar 12.8.9 ist dann E ∪ F zusammenhängend, wobei x, z ∈ E ∪ F. Also ist ∼
ein Äquivalenzrelation. Schließlich ist für x ∈ X die Menge
[
[x]∼ =
E,
x∈E
E ist zusammenhängend
wegen Korollar 12.8.9 zusammenhängend. Klarerweise ist diese Menge dann auch die
größte zusammenhängende Menge, die x enthält. Wegen Korollar 12.8.10 ist sie auch
abgeschlossen.
q
12.9
Trennungseigenschaften (T 3) und (T 4)
Wir wollen dieses Kapitel mit der einfachen Bemerkung starten, dass in (T 2 ) Räumen
einpunktige Mengen {x} abgeschlossen sind. Das folgt aus der Beobachtung, dass es zu
y ∈ {x}c wegen (T 2 ) eine Umgebung gibt, die x nicht enthält, bzw. ganz in {x}c enthalten
ist. Wegen Lemma 12.1.10 ist {x}c offen.
3
Diese Voraussetzung ist sicher dann erfüllt wenn Ek mit allen Ei einen nichtleeren Schnitt hat.
12.9 Trennungseigenschaften (T 3) und (T 4)
443
12.9.1 Definition. Man sagt, dass sich zwei disjunkte Mengen A und B in einem Topologischen Raum getrennt durch offenen Mengen sind, wenn es disjunkte offene Mengen
OA , OB gibt, sodass A ⊆ OA , B ⊆ OB . Dazu sagen wir auch, dass sich A und B durch offene
Mengen trennen lassen.
Ein topologischer Raum (X, T ) heißt regulär, falls er neben dem Axiom (T 2 ) noch das
Trennungsaxiom (T 3 ) erfüllt:
(T 3 ) Abgeschlossene Mengen A und einpunktige Mengen {x} mit x < A lassen sich durch
offene Mengen trennen, also ∃O x , OA ∈ T : x ∈ O x , A ⊆ OA , O x ∩ OA = ∅.
OA
A
Ox
x
Abbildung 12.3: Drittes Trennungsaxiom (T 3 )
Ein topologischer Raum (X, T ) heißt normal, falls er neben dem Axiom (T 2 ) noch das
Trennungsaxiom (T 4 ) erfüllt:
(T 4 ) Disjunkte abgeschlossene Mengen A und B lassen sich durch offene Mengen trennen,
also ∃OA , OB ∈ T : A ⊆ OA , B ⊆ OB , OA ∩ OB = ∅.
OB
B
OA
A
Abbildung 12.4: Viertes Trennungsaxiom (T 4 )
Offenbar ist das Axiom (T 2) äquivalent dazu, dass sich je zwei verschiedene einpunktige
Mengen durch offene Mengen trennen lassen. Da einpunktige Mengen in (T 2)-Räumen
abgeschlossen sind, folgt aus normal auch regulär. Im Allgemeinen gilt aber nicht die
Umkehrung.
12.9.2 Bemerkung. Zwei disjunkte Mengen A und B – die Disjunktheit ist äquivalent zu
A ⊆ Bc – lassen sich genau dann durch offene Mengen trennen, wenn es ein offenes O gibt,
sodass
A ⊆ O ⊆ O ⊆ Bc .
(12.17)
444
12 Topologische Grundlagen
In der Tat folgt aus A ⊆ OA , B ⊆ OB , OA ∩ OB = ∅, dass A ⊆ OA ⊆ OcB ⊆ Bc und
daraus A ⊆ OA ⊆ OA ⊆ OcB ⊆ Bc . Andererseits folgt aus (12.17) unmittelbar A ⊆ O, B ⊆
c
c
O , O ∩ O = ∅.
Zusammen mit Beispiel 12.1.9, (ii), folgt aus Bemerkung 12.9.2
12.9.3 Korollar. Das Axiom (T 3 ) ist äquivalent zur Tatsache, dass man zu dem Punkt x
und jedem offenen O 3 x ein offenes P mit x ∈ P ⊆ P ⊆ O finden kann, bzw. äquivalent zur
Tatsache, dass man zu einer beliebigen Umgebung U ∈ U(x) eines beliebigen Punktes x
eine Umgebung V ∈ U(x) mit V ⊆ U finden kann.
12.9.4 Bemerkung. Im Gegensatz zu (T 4 ) vererben sich die Axiome (T 2 ) und (T 3 ) auf
Teilräume: Ist Y ⊆ X und (X, T ) ein topologischer Raum, der (T 2 ) bzw. (T 3 ) erfüllt, so
erfüllt (Y, T |Y ) auch (T 2 ) bzw. (T 3 ).
Um das einzusehen, erfülle X zunächst das (T 2 ). Sind dann x , y ∈ Y und O x , Oy ∈ T
disjunkt mit x ∈ O x bzw. y ∈ Oy , so folgt x ∈ O x ∩ Y ∈ T |Y , y ∈ Oy ∩ Y ∈ T |Y . Also erfüllt
Y auch das Axiom (T 2 ).
Gilt (T 3 ) auf X, und ist x ∈ Y und W eine Umgebung von x in Y, so haben wir in Fakta
12.6.2 gesehen, dass W = U ∩ Y für eine Umgebung U von x in X. Wegen (T 3 ) gibt es eine
Umgebung V von x in X mit V ⊆ U. Infolge ist V ∩ Y eine Umgebung von x in Y mit
x∈V ∩Y
T |Y
T
=V ∩Y ∩Y ⊆V ∩Y ⊆U ∩Y =W.
Also gilt (T 3 ) auch auf Y.
12.9.5 Bemerkung. Ähnlich zeigt man, dass sich die Axiome (T 2 ) und (T 3 ) von topologiQ
Q
schen Räumen (Xi , Ti ) auf den Produktraum ( i∈I Xi , i∈I Ti ) vererben.
12.9.6 Beispiel. Metrische Räume sind normal.
Dazu seien A und B zwei disjunkte, abgeschlossene Mengen. Zu a ∈ A gibt es ein a > 0
mit U2a (a) ⊆ Bc . Entsprechend wählt man b für b ∈ B. Nun setze
[
[
OA :=
Ua (a) und OB :=
Ub (b) .
a∈A
b∈B
Ist c ∈ OA ∩ OB , so gibt es a ∈ A, b ∈ B mit c ∈ Ua (a) ∩ Ub (b). Ohne Beschränkung der
Allgemeinheit sei a ≥ b . Es folgt d(a, b) ≤ d(a, c) + d(c, b) < 2a , was aber b ∈ U2a (a)
implizieren würde. Das ist ein Widerspruch zur Wahl von a . Also gilt A ⊆ OA , B ⊆ OB
und OA ∩ OB = ∅.
12.10
Das Lemma von Urysohn*
S
12.10.1 Lemma. Sei Mk = { 2lk : l = 0, . . . , 2k } und M = ∞
k=0 Mk . Weiters sei (X, T ) ein
topologischer Raum, und jedem r ∈ M sei eine offene Menge Or ∈ T zugeordnet, sodass
aus r, s ∈ M, r < s die Inklusion Or ⊆ O s folgt und O0 = ∅, O1 = X gilt. Die durch
f (x) := inf{r ∈ M : x ∈ Or } ,
12.10 Das Lemma von Urysohn*
445
definierte Abbildung f : X → [0, 1] ist dann stetig, wobei f auf
S
und auf X \ r∈M,r<1 Or den Wert Eins annimmt.
T
r∈M,r>0
Or den Wert Null
Beweis. Wegen O1 = X ist {r ∈ M : x ∈ Or } für jedes x ∈ X eine nichtleere Teilmenge
c
von [0, 1], wodurch f (x) ein Element von [0, 1] ist. Wegen O0 = ∅ ist {r ∈ M : x ∈ Or }
für jedes x ∈ X ebenfalls eine nichtleere Teilmenge von [0, 1], womit
c
g(x) := sup{r ∈ M : x ∈ Or } ∈ [0, 1] .
c
Aus s ∈ {r ∈ M : x ∈ Or } und t ∈ {r ∈ M : x ∈ Or } folgt s < t, da s ≥ t die Beziehung
c
c
x ∈ O s ∩ Ot ⊆ O s ∩ O s = ∅ nach sich ziehen würde. Also gilt g(x) ≤ f (x). Wäre aber
g(x) < f (x), so folgte aus der Dichtheit von M in [0, 1], dass
g(x) < r < s < f (x) für s, r ∈ M .
c
Wegen Or ⊆ O s gilt für ein festes x ∈ X, dass x ∈ O s oder x ∈ Ocs ⊆ Or , und damit
f (x) ≤ s oder g(x) ≥ r. Das ergibt in jedem Fall ein Widerspruch; also f (x) = g(x).
Die Stetigkeit von f : X → [0, 1] ist äquivalent zur Stetigkeit von f als Funktion nach R
hinein; vgl. Fakta 12.6.2. Da die Mengen der Bauart (t, +∞) und (−∞, t) für t ∈ R eine
Subbasis der Topologie auf R sind, reicht es gemäß Lemma 12.4.7 nachzuweisen, dass
f −1 (t, +∞) ∈ T und f −1 (−∞, t) ∈ T für jedes t ∈ R. Dafür zeigen wir
[
[
c
Or (∈ T ) .
f −1 (−∞, t) =
Or (∈ T ) und f −1 (t, +∞) =
r∈M, r<t
r∈M, r>t
In der Tat gilt
f (x) = inf{r ∈ M : x ∈ Or } < t ⇔ ∃ r ∈ M, r < t, x ∈ Or ⇔ x ∈
c
c
[
Or ,
r∈M,r<t
f (x) = g(x) = sup{r ∈ M : x ∈ Or } > t ⇔ ∃ r ∈ M, r < t, x ∈ Or ⇔ x ∈
[
c
Or .
r∈M,r>t
S
T
Schließlich folgt f ( r∈M,r>0 Or ) ⊆ {0} und f (X \ r∈M,r<1 Or ) ⊆ {1} unmittelbar aus der
Definition von f .
q
Wir erhalten im Folgenden das in der Literatur als Lemma von Urysohn bezeichnete
Ergebnis für topologische Räume, welche (T 4) erfüllen; siehe Definition 12.9.1.
12.10.2 Korollar. Gilt in (X, T ) das vierte Trennungsaxiom (T 4), so sind je zwei disjunkte
abgeschlossene Mengen A, B durch eine stetige Funktion f : X → [0, 1] trennbar, also
f (A) ⊆ {0}, f (B) ⊆ {1}.
Beweis. Sind A, B zwei abgeschlossene und disjunkte Teilmengen von X, so gibt es wegen
dem (T 4) zwei disjunkte offene Teilmengen O ⊇ A, P ⊇ B. Daraus folgt A ⊆ O ⊆
O ⊆ Pc ⊆ Bc . Für k = 0 setzen wir O0 := O, O1 := Bc und erhalten Or ⊆ O s für alle
r < s, r, s ∈ M0 = {0, 1}.
446
12 Topologische Grundlagen
Angenommen, wir haben für k ∈ N ∪ {0} und alle r ∈ Mk offene Or definiert, sodass
l
Or ⊆ O s für alle r < s, r, s ∈ Mk . Dann definieren wir für t = 2k+1
∈ Mk+1 \ Mk , also
k+1
l ∈ N \ 2N, l < 2 , die Menge Ot folgendermaßen:
l+1
Wegen r := 2l−1
k+1 , s := 2k+1 ∈ Mk folgt aus Or ⊆ O s , dass die abgeschlossenen Mengen
Or , Ocs disjunkt sind. Wie oben für A und B leiten wir aus dem (T 4) die Existenz einer
offenen Menge Ot mit Or ⊆ Ot ⊆ Ot ⊆ O s her.
S
Infolge haben wir induktiv für alle r ∈ M = k∈N Mk offene Mengen definiert, sodass
Or ⊆ O s für alle r < s, r, s ∈ M. Definieren wir nun noch O0 und O1 um, indem wir
O0 := ∅ sowie O1 := X setzen, so sind alle Voraussetzungen von Lemma 12.10.1 erfüllt.
T
Wegen A ⊆ r∈M,r>0 Or erfüllt die stetige Funktion aus diesem Lemma f (A) ⊆ {0} und
S
wegen Or ⊆ Bc , r < 1, r ∈ M bzw. B ⊆ X \ r∈M,r<1 Or auch f (B) ⊆ {1}.
q
Als Folgerung des Lemmas von Urysohn erhalten wir den Fortsetzungssatz von Tietze.
12.10.3 Satz (Fortsetzungssatz von Tietze). Ein topologischer Raum (X, T ) erfülle (T 4 ). Ist
A ⊆ X abgeschlossen und f : A → R stetig, so existiert eine stetige Fortsetzung g von f auf
X, also ein stetiges g : X → R mit g|A = f , wobei supt∈A | f (t)| = supt∈X |g(t)| (∈ R ∪ {+∞}).
Der Beweis beruht auf dem folgenden Lemma.
12.10.4 Lemma. Erfülle (X, T ) das Axiom T 4 und sei u : A → [−1, 1] stetig. Dann existiert
eine stetige Funktion v : X → [− 13 , 13 ], sodass |u(x) − v(x)| ≤ 23 für alle x ∈ A.
Beweis. Sei H := {x ∈ A : −1 ≤ u(x) ≤ − 13 } und K := {x ∈ A : 13 ≤ u(x) ≤ 1}. Dann sind
H, K abgeschlossen in A bezüglich der Spurtopologie. Da A abgeschlossen in X ist, sind
H, K auch abgeschlossen in X. Klarerweise gilt H ∩K = ∅. Nach dem Lemma von Urysohn,
Korollar 12.10.2, gibt es eine stetige Funktion v : X → [− 13 , 13 ] mit v(H) ⊆ {− 13 }, v(K) ⊆ { 13 }.
Diese hat offensichtlich die gewünschte Eigenschaft.
q
Beweis. (Satz 12.10.3)
Habe f zunächst Werte in [−1, 1] mit k f k∞ = 1. Wir konstruieren eine Folge (hn )n∈N0
stetiger Funktionen hn : X → [− 13 ( 23 )n , 13 ( 23 )n ].
Wendet man Lemma 12.10.4 auf die Funktion f an, so erhält man h0 : X → [− 13 , 13 ]
mit | f (x) − h0 (x)| ≤ 23 für x ∈ A.
Haben wir für j = 0, . . . , n stetige h j : X → [− 31 ( 23 ) j , 13 ( 32 ) j ], sodass
n
X
2
f (x) −
hn (x) ≤ ( )n+1 für alle x ∈ A ,
3
j=0
P
n+1
so wende man Lemma 12.10.4 auf u(x) := 32
f (x) − nj=0 hn (x) an. Die ren+1
sultierende Funktion wird mit 32
multipliziert, und wir erhalten eine Funktion
hn+1 : X → [− 13 ( 23 )n+1 , 13 ( 32 )n+1 ], sodass für x ∈ A
n+1
n
2 2 X
X
n+1
f (x) −
.
hn (x) = f (x) −
hn (x) − hn+1 (x) ≤ ·
3 3
j=0
j=0
12.10 Das Lemma von Urysohn*
447
Wir werden in Lemma 12.13.9 sehen, dass der Raum Cb (X, R) aller reellwertigen,
beschränkten und stetigen Funktionen auf X versehen mit k.k∞ ein Banachraum ist.
Wegen
∞
∞
X
X
1 2 j
kh j k∞ ≤
( ) =1
(12.18)
3 3
j=0
j=0
P
konvergiert die Reihe ∞j=0 h j dort absolut; vgl. Definition 9.3.1. Gemäß Fakta
P
9.3.2 konvergiert somit ∞j=0 h j in Cb (X, R) bzgl. k.k∞ , also gleichmäßig, gegen eine
g ∈ Cb (X, R), wobei aus (12.18) die Abschätzung kgk∞ ≤ 1 folgt.
Schließlich ist g eine Fortsetzung von f , denn für x ∈ A gilt
n
X
2 n+1 n→∞
f (x) −
hn (x) ≤
−→ 0 .
3
j=0
Ist allgemeiner f : A → R beschränkt und nicht die Nullfunktion, so wenden wir
das gezeigte auf k f fk∞ an. Nach Multiplikation der resultierenden Funktion auf X mit
k f k∞ erhalten wir die gewünschte Fortsetzung von f . Im Falle f = 0 setzen wir
einfach g = 0.
Sei nun f : A → R unbeschränkt. Da R vermöge φ : R → (−1, 1) homöomorph zu
(−1, 1) ist, können wir das bewiesene auf φ ◦ f : A → (−1, 1) anwenden und erhalten
eine Fortsetzung r : X → [−1, 1] davon.
Wegen A ⊆ r−1 (−1, 1) sind die abgeschlossenen Mengen A und r−1 {−1, 1} disjunkt.
Eine Anwendung von Korollar 12.10.2 ergibt eine stetige Funktion s : X → [0, 1]
mit s(A) ⊆ {1} und s(r−1 {−1, 1}) = {0}.
Die ebenfalls stetige Funktion r · s : X → [−1, 1] nimmt nun offensichtlich die
Werte ±1 nicht an, also r · s : X → (−1, 1), und stimmt auf A mit φ ◦ f überein.
Die Funktion g : X → R definiert durch g = φ−1 ◦ (r · s) : X → R ist die gesuchte
Funktion.
q
12.10.5 Bemerkung. Aus der Gültigkeit des Fortsetzungssatz von Tietze auf einem topologischen Raum (X, T ) folgt sofort das Lemma von Urysohn, Korollar 12.10.2, da für
disjunkte und abgeschlossene Mengen A, B die Funktion f : A ∪ B → [−1, 1] definiert
durch f = 1B − 1A wegen Lemma 12.6.4 stetig ist, und daher eine stetige Fortsetzung
g : X → [−1, 1] hat. Die Funktion 12 (g + 1) hat dann die in Korollar 12.10.2 verlangten
Eigenschaften.
Andererseits folgt aus der Gültigkeit des Lemma von Urysohn, Korollar 12.10.2, auf einem
topologischen Raum (X, T ), dass dieser das Axiom (T 4) erfüllt. Sind nämlich A, B ⊆ X
abgeschlossen und disjunkt, und ist f : X → [0, 1] wie in Korollar 12.10.2, so folgt für
die offenen Menge f −1 (−∞, 21 ) und f −1 ( 12 , +∞), dass A ⊆ f −1 (−∞, 12 ), B ⊆ f −1 ( 12 , +∞),
f −1 (−∞, 12 ) ∩ f −1 ( 12 , +∞) = ∅.
448
12 Topologische Grundlagen
12.11 Kompaktheit
Bei metrischen Räumen haben wir in Definition 5.2.6 den Begriff der Kompaktheit mit
Hilfe von Folgen eingeführt. Für allgemeine topologische Räume wollen wir anders starten.
Wir werden weiter unten sehen, dass dieser Zugang zur Kompaktheit in metrischen Räumen
zu dem schon bekannten Konzept äquivalent ist.
12.11.1 Definition. Eine Teilmenge K eines topologischer Raum (X, T ) heißt kompakt,
wenn jede offene Überdeckung von K, also V ⊆ T mit
[
V ⊇ K,
V∈V
eine endliche Teilüberdeckung besitzt, es also V1 , . . . , Vn ∈ V gibt mit
V1 ∪ . . . ∪ Vn ⊇ K .
Eine Teilmenge A ⊆ X heißt relativ kompakt, wenn A ⊆ X kompakt ist. Der Raum (X, T )
heißt lokalkompakt, wenn jeder Punkt x eine kompakte Umgebung besitzt.
Sei C eine Familie von Teilmengen einer Mengen X, also C ⊆ P(X). Wir sagen, dass C
die endliche Durchschnittseigenschaft hat, wenn für je endlich viele C1 , . . . , Cn ∈ C stets
C1 ∩ . . . ∩ Cn , ∅ gilt.
12.11.2 Proposition. Sei (X, T ) ein topologischer Raum und K ⊆ X. Dann sind folgende
Aussagen äquivalent:
(K1 ) K ist kompakt.
(K2 ) K betrachtet als Teilmenge von (K, T |K ) ist kompakt.
(K3 ) Jede Familie bzgl. T |K abgeschlossener Teilmengen von K mit der endlichen Durchschnittseigenschaft hat nichtleeren Durchschnitt.
(K4 ) Jedes Netz (xi )i∈I in K hat ein gegen ein x ∈ K konvergentes Teilnetz.
Beweis.
(K1 ) ⇒ (K2 ): Sei V ⊆ T |K eine offene Überdeckung von K in (K, T |K ). Zu V ∈ V
existiert ein UV ∈ T mit UV ∩ K = V, womit U := {UV : V ∈ V} ⊆ T eine offene
Überdeckung von K ist. Es gibt also UV1 , . . . , UVn mit UV1 ∪ . . . ∪ UVn ⊇ K und
folglich
V1 ∪ . . . ∪ Vn = (UV1 ∩ K) ∪ . . . ∪ (UVn ∩ K) = (UV1 ∪ . . . ∪ UVn ) ∩ K = K .
(K2 ) ⇒ (K1 ): Sei K als Teilmenge von (K, T |K ) kompakt. Für eine Überdeckung U ⊆ T
von K ist
V := {U ∩ K : U ∈ U}
eine offene Überdeckung von (K, T |K ). Daher existiert eine endliche Teilüberdeckung {U1 ∩ K, . . . , Un ∩ K}, und wir erhalten U1 ∪ . . . ∪ Un ⊇ K.
12.11 Kompaktheit
449
(K2 ) ⇒ (K3 ): Sei C eine Familie in (K, T |K ) abgeschlossener Teilmengen von K mit der
T
endlichen Durchschnittseigenschaft. Aus C∈C C = ∅ folgt
[
K \C = K,
C∈C
wobei die K \ C in (K, T |K ) offen sind. Also gibt es eine endliche Teilüberdeckung,
(K \ C1 ) ∪ . . . ∪ (K \ Cn ) = K, und wir erhalten C1 ∩ . . . ∩ Cn = ∅, was aber der
endlichen Durchschnittseigenschaft widerspricht.
(K3 ) ⇒ (K2 ): Sei V ⊆ T |K eine offene Überdeckung von K. Würde V keine endliche
Teilüberdeckung besitzen, so wäre (K \ V1 ) ∩ . . . ∩ (K \ Vn ) , ∅ für jede endliche
Auswahl V1 , . . . , Vn ∈ V. Also hätte C = {K \V : V ∈ V} die endliche Durchschnittseigenschaft, und nach Voraussetzung wäre der Schnitt aller Mengen K \ V, V ∈ V
nichtleer. Damit wäre V aber keine Überdeckung.
(K3 ) ⇒ (K4 ): Sei (xi )i∈I ein Netz in K. Für i ∈ I ist Ci = {xk : k i} ∩ K abgeschlossen
in (K, T |K ). Dabei hat {Ci : i ∈ I} die endliche Durchschnittseigenschaft, denn sind
i1 , . . . , in ∈ I und ist i ∈ I mit i i1 , . . . , in , so gilt
∅ , {xk : k i} ⊆ {xk : k i1 } ∩ · · · ∩ {xk : k in } .
Nach Voraussetzung gibt es ein x ∈ ∩i∈I Ci .
Jetzt sei J = {( j, U) : j ∈ I, U ∈ U(x), x j ∈ U} versehen mit der offensichtlich
reflexiven und transitiven Relation
( j, U) (k, V) :⇔ j k ∧ U ⊇ V .
Für ( j1 , U1 ), ( j2 , U2 ) ∈ J sei k ∈ I mit k j1 , j2 . Wegen x ∈ {x j : j k} gibt es ein
x j ∈ U1 ∩ U2 mit j k, und infolge ( j, U1 ∩ U2 ) ( j1 , U1 ), ( j2 , U2 ). Also ist J
gerichtet.
Mit xi( j,U) := x j erhalten wir ein Teilnetz (xi( j,U) )( j,U)∈J von (xi )i∈I , da für jedes i0 ∈ I
die Beziehung (i0 , X) ∈ J gilt und da ( j, U) (i0 , X) immer i( j, U) = j i0 = i(i0 , U)
nach sich zieht.
Zu V ∈ U(x) gibt es ein k ∈ I mit xk ∈ V. Für ( j, U) (k, V) folgt dann xi( j,U) = x j ∈
U ⊆ V und somit die Konvergenz dieses Teilnetzes gegen x.
(K4 ) ⇒ (K3 ): Hat C = {Ci : i ∈ I} die endliche Durchschnittseigenschaft, so sei E(I) die
Menge aller endlichen Teilmengen von I gerichtet durch die Relation M1 M2 :⇔
M1 ⊆ M2 .
Für M ∈ E(I) sei x M irgend ein Punkt aus ∩i∈M Ci . Man beachte, dass nach Voraussetzung dieser Schnitt nicht leer ist. Das Netz (x M ) M∈E(I) hat wegen (K4) ein gegen
ein x ∈ X konvergentes Teilnetz (x M( j) ) j∈J .
Ist k ∈ I, so gibt es wegen {k} ∈ E(I) ein j0 ∈ J mit M( j) ⊇ {k} für alle j j0 ,
und somit x M( j) ∈ ∩i∈M( j)Ci ⊆ Ck . Also liegt das ebenfalls gegen x konvergente Netz
450
12 Topologische Grundlagen
(x M( j) ) j∈J j0 in der abgeschlossenen Menge Ck . Mit Proposition 12.2.7 folgt daraus
x ∈ Ck , und, da k ∈ I beliebig war, auch dass der Schnitt aller Ck ’s x enthält und
damit nicht leer ist.
q
12.11.3 Bemerkung (*). Wegen Lemma 12.2.15 ist die Bedingung (K4) zu der Tatsache
äquivalent, dass jedes Netz einen Häufungspunkt in K hat.
12.11.4 Satz (*). Ein Netz (xi )i∈I in einer kompakten Menge K ⊆ X konvergiert genau
dann gegen ein x ∈ X, wenn x der einzige Häufungspunkt von (xi )i∈I ist.
Beweis. Wenden wir nun Lemma 12.2.16 an, und beachten, dass Häufungspunkte von
Teilnetzen von (xi )i∈I auch Häufungspunkte von (xi )i∈I sind (vgl. Lemma 12.2.15), so
erhalten wir aus Bemerkung 12.11.3 das behauptete Ergebnis.
q
12.11.5 Definition (*). Eine Teilmenge A eines topologischen Raumes (X, T ) heißt abzählbar kompakt, wenn jede unendliche Teilmenge von A einen Häufungspunkt in A
hat.
Eine Teilmenge A eines topologischer Raum (X, T ) heißt folgenkompakt, wenn jede Folge
in A eine gegen ein x ∈ A konvergente Teilfolge hat.
12.11.6 Bemerkung (*). Ist M ⊆ A unendlich, so gibt es sicher eine injektive Funktion
x : N → M, also eine Folge xn = x(n) mit paarweise verschiedenen Folgengliedern.
Ist A folgenkompakt, so gilt x = limk→∞ xn(k) für eine Teilfolge (xn(k) )k∈N und ein x ∈ A. Für
jede Umgebung U von x gibt es somit einen Index k0 ∈ N, sodass xn(k) ∈ U für alle k ≥ k0 .
Da die Folgenglieder alle verschieden sind, enthält U sicherlich einen Punkt y := xn(k) ∈ M,
der ungleich x ist. Also hat M einen Häufungspunkt in A; vgl. Definition 12.2.8. Somit
folgt für eine Teilmenge eines topologischen Raumes aus der Eigenschaft folgenkompakt
die Eigenschaft abzählbar kompakt. Die Umkehrung gilt im Allgemeinen nicht.
Ist A kompakt, so folgt wegen Proposition 12.11.2 x = limi∈I xn(i) für ein Teilnetz (xn(i) )i∈I
und ein x ∈ A. Für jede Umgebung U von x gibt es somit einen Index i0 ∈ I, sodass
xn(i) ∈ U für alle i i0 .
Da die Folgenglieder alle verschieden sind, gibt es höchstens ein n0 ∈ N, sodass xn0 = x.
Die Teilnetzeigenschaft bedingt die Existenz eines i1 ∈ I, sodass aus i i1 immer
n(i) ≥ n0 + 1 und xn(i) ∈ U folgt. Für solche i liegt der Punkt y := xn(i) ∈ M in U und ist
ungleich x. Also hat M einen Häufungspunkt in A; vgl. Definition 12.2.8. Somit folgt auch
aus kompakt abzählbar kompakt. Die Umkehrung gilt im Allgemeinen auch hier nicht.
Überraschenderweise gilt im Allgemeinen weder, dass kompakt folgenkompakt impliziert,
noch, dass folgenkompakt kompakt impliziert. Für metrische Räumen werden wir in Satz
12.13.3 sehen, dass alle drei Begriffe äquivalent sind.
12.11.7 Lemma. Für ein topologischen Raum (X, T ) und A, A1 , . . . , Am ⊆ X gilt:
(i) Ist A kompakt und B ⊆ A abgeschlossen in (A, T |A ), dann ist B kompakt.
(ii) Sind A1 , . . . , Am kompakt, so auch A1 ∪ . . . ∪ Am .
(iii) Ist (X, T ) Hausdorff und A kompakt, so ist A abgeschlossen.
12.11 Kompaktheit
451
Beweis.
(i) Die Menge A \ B ist offen in (A, T |A ). Also existiert O ∈ T mit O ∩ A = A \ B. Sei
U eine Überdeckung von B aus in X offenen Mengen, dann überdeckt U ∪ {O} ganz
A. Daher gibt es U1 , . . . , Un ∈ U mit U1 ∪ . . . ∪ Un ∪ O ⊇ A. Es folgt
U1 ∪ · · · ∪ Un = U1 ∪ . . . ∪ Un ∪ (O ∩ B)
| {z }
=∅
⊇ (U1 ∩ B) ∪ . . . ∪ (Un ∩ B) ∪ (O ∩ B)
= (U1 ∪ . . . ∪ Un ∪ O) ∩ B ⊇ B .
(ii) Sei U eine Überdeckung von A1 ∪ . . . ∪ Am aus in X offenen Mengen. Dann überdeckt
U jedes Ai , also existieren für i = 1, . . . , m offene U1i , . . . , Uni i mit
U1i ∪ . . . ∪ Uni i ⊇ Ai ,
und es folgt
[
k,i
Uki ⊇ A1 ∪ . . . ∪ Am .
(iii) Sei A kompakt, und sei x < A. Da (X, T ) Hausdorff ist, gibt es zu jedem Punkt
y ∈ A offene Umgebungen Uy ∈ U(y), Vy ∈ U(x), mit Uy ∩ Vy = ∅. Klarerweise ist
{Uy : y ∈ A} eine offene Überdeckung von A. Daher gibt es y1 , . . . , yn ∈ A, sodass
bereits Uy1 ∪. . .∪Uyn ⊇ A gilt. Die Menge Vy1 ∩. . .∩Vyn ist als endlicher Durchschnitt
von Umgebungen von x ebenfalls eine Umgebung von x, und es gilt
A ∩ Vy1 ∩ . . . ∩ Vyn ⊆ Uy1 ∪ . . . ∪ Uyn ∩ Vy1 ∩ . . . ∩ Vyn = ∅ .
Also ist x ein innerer Punkt von Ac . Nach Lemma 12.1.10 ist Ac offen und daher A
abgeschlossen.
q
12.11.8 Lemma. Sei f : (X, T ) → (Y, O) stetig und A ⊆ X kompakt. Dann ist auch
f (A) ⊆ Y kompakt.
Beweis. Für eine Überdeckung U ⊆ O von f (A) ist auch f −1 (U) eine Überdeckung von A,
die wegen der Stetigkeit von f aus offenen Mengen besteht. Es gibt also U1 , . . . , Un ∈ U,
sodass
f −1 (U1 ) ∪ . . . ∪ f −1 (Un ) ⊇ A .
Wendet man darauf f an, dann folgt U1 ∪ . . . ∪ Un ⊇ f (A).
q
Nimmt man die Charakterisierung (K4) aus Proposition 12.11.2 her, so kann man Lemma
12.11.8 auch ganz ähnlich wie in Proposition 6.1.13 beweisen. Ist nämlich (yi )i∈I ein Netz
in f (A), und wählt man zu jedem i ∈ I ein xi ∈ A, sodass f (xi ) = yi , so hat das Netz
(xi )i∈I nach (K4) ein gegen ein x ∈ A konvergentes Teilnetz (xi( j) ) j∈J . Aus Lemma 12.3.3
schließen wir, dass (yi( j) ) j∈J = f (xi( j) ) j∈J gegen f (x) =: y konvergiert. Also hat jedes Netz
aus f (A) ein gegen ein y ∈ f (A) konvergentes Teilnetz. Nach (K4) aus Proposition 12.11.2
ist f (A) somit kompakt.
452
12 Topologische Grundlagen
12.11.9 Beispiel. Wir betrachten [−∞, +∞) versehen mit T< := {[−∞, a) : a ∈ [−∞, +∞]}
wie in Beispiel 12.1.4, (v).
Sei K ⊆ [−∞, +∞) nichtleer, und sei (xn )n∈N eine monoton wachsende Folge aus K mit
Grenzwert sup K (∈ [−∞, +∞]); vgl. Beispiel 3.3.4 im Fall sup K < +∞. Im Fall sup K < K
ergibt {[−∞, xn ) : n ∈ N} eine Überdeckung von K, welche keine endliche Teilüberdeckung
besitzt. Infolge muss eine kompakte Teilmenge K nach oben beschränkt sein und sogar ein
Maximum haben.
Hat umgekehrt K ein Maximum s, so gilt für jedes Netz (xi )i∈I aus K
lim sup xi = inf sup xi ≤ s .
i∈I
k∈I I3ik
Gemäß Beispiel 12.1.14, (ii), konvergiert (xi )i∈I gegen s ∈ K in ([−∞, +∞), T< ). Wegen
Proposition 12.11.2 ist K dann kompakt.
Also sind die kompakten Teilmengen von [−∞, +∞) genau diejenigen, welche ein Maximum haben. Da die abgeschlossenen Teilmengen alle von der Gestalt [−∞, +∞)\[−∞, a) =
[a, +∞) sind, sehen wir auch, dass im Allgemeinen die Voraussetzung Hausdorff in Lemma
12.11.7, (iii), nicht weggelassen werden kann.
Ist schließlich (X, T ) ein weiterer topologischer Raum, K ⊆ X kompakt, und f : X →
[−∞, +∞) oberhalbstetig (siehe Beispiel 12.3.5), so erhalten wir aus Lemma 12.11.8 die
Kompaktheit von f (X) in ([−∞, +∞), T< ). Also hat f (X) ein Maximum, und infolge gibt
es ein x ∈ K mit f (x) ≥ f (t) für alle t ∈ K.
12.11.10 Korollar.
(i) Sei (X, T ) kompakt und (Y, O) Hausdorff. Weiters sei f : (X, T ) → (Y, O) bijektiv und
stetig. Dann ist f ein Homöomorphismus.
(ii) Sei die Menge X versehen mit den Topologien T und O, sodass T kompakt und O
Hausdorff ist. Gilt O ⊆ T , so folgt sogar O = T .
Beweis.
(i) Wir müssen nachweisen, dass f −1 stetig ist. Dazu zeigen wir, dass das Urbild unter
f −1 einer in (X, T ) abgeschlossenen Menge in (Y, O) abgeschlossen ist; siehe Satz
12.3.6. In der Tat ist gemäß Lemma 12.11.7, (i), jedes abgeschlossene A ⊆ X auch
kompakt. Nach Lemma 12.11.8 ist dann auch ( f −1 )−1 (A) = f (A) als Teilmenge von
Y kompakt. Wegen Lemma 12.11.7, (iii), ist ( f −1 )−1 (A) damit auch abgeschlossen.
(ii) Wegen O ⊆ T ist idX : (X, T ) → (X, O) stetig, und (i) zeigt, dass idX sogar ein
Homöomorphismus ist, wodurch T = O.
q
12.11.11 Lemma. Sei (X, T ) ein topologischer Raum.
(i) Ist X Hausdorffsch, A ⊆ X kompakt, und x ∈ X \ A, so lassen sich x und A durch
offene Mengen trennen, also gibt es disjunkte offene Mengen O x 3 x und OA ⊇ A.
12.12 Satz von Tychonoff*
453
(ii) Erfüllt X das Axiom (T 3 ), und sind A ⊆ X kompakt, B ⊆ X abgeschlossen mit
A ∩ B = ∅, so lassen sich A und B durch offene Mengen trennen.
(iii) Ist (X, T ) kompakt und Hausdorffsch, so ist (X, T ) sogar normal.
Beweis.
(i) Zu jedem y ∈ A gibt es zwei disjunkte offene Mengen Qy 3 y und Py 3 x. Klarerweise
ist dann {Qy : y ∈ A} eine Überdeckung von A. Wegen der Kompaktheit gibt es
y1 , . . . , yn ∈ A, sodass A ⊆ Qy1 ∪ · · · ∪ Qyn := OA . Für O x := Py1 ∩ · · · ∩ Pyn gilt dann
O x ∩ OA = O x ∩ (Qy1 ∪ · · · ∪ Qyn ) ⊆ (Py1 ∩ Qy1 ) ∪ · · · ∪ (Pyn ∩ Qyn ) = ∅ .
(ii) Zu jedem y ∈ A gibt es wegen (T 3 ) zwei disjunkte offene Mengen Qy 3 y und Py ⊇ B.
Dann ist {Qy : y ∈ A} eine Überdeckung von A. Wegen der Kompaktheit gibt es
y1 , . . . , yn ∈ A, sodass A ⊆ Qy1 ∪· · ·∪Qyn := OA . Außerdem gilt für OB := Py1 ∩· · ·∩Pyn
OB ∩ (Qy1 ∪ · · · ∪ Qyn ) ⊆ (Py1 ∩ Qy1 ) ∪ · · · ∪ (Pyn ∩ Qyn ) = ∅ .
Also lassen sich A und B durch offene Mengen trennen.
(iii) Da jede abgeschlossene Teilmenge von X nach Lemma 12.11.7 kompakt ist, folgt aus
(i), dass X regulär ist, also gilt (T 2 ) und (T 3 ). Nach (ii) ist X dann sogar normal. q
12.12
Satz von Tychonoff*
Q
Der Übersicht halber schreiben wir in diesem Abschnitt die Elemente von X = i∈I Xi als
S
Funktionen f : I → i∈I Xi mit f (i) ∈ Xi .
Q
12.12.1 Lemma. Seien (Xi , Ti ), i ∈ I, topologische Räume, und sei X := i∈I Xi mit der
Q
Produkttopologie i∈I Ti versehen. Ein Netz ( fλ )λ∈Λ hat f ∈ X genau dann als Häufungspunkt, wenn für alle endlichen J ⊆ I das Element f | J Häufungspunkt von ( fλ | J )λ∈Λ in
Q
i∈J Xi ist.
T
Beweis. Da die Mengen der Bauart i∈J π−1
i (Oi ) mit offenen Umgebungen Oi von f (i) und
endlichen J ⊆ I eine Umgebungsbasis von f abgeben, ist gemäß Definition 12.2.13 f
genau dann ein Häufungspunkt, wenn es zu jedem λ ∈ Λ, jedem endlichen J ⊆ I und jeder
Wahl von offenen Umgebungen Oi von f (i) für i ∈ J immer ein α ∈ Λ gibt, sodass α λ
und
\
fα ∈
π−1
i (Oi ), bzw. äquivalent dazu, fα (i) ∈ Oi für alle i ∈ J ,
i∈J
gilt. Ähnlich sieht man, dass f | J genau dann Häufungspunkt von ( fλ | J )λ∈Λ ist, wenn es zu
jedem λ ∈ Λ und allen offenen Umgebungen Oi von f (i) für i ∈ J immer ein α ∈ Λ gibt,
sodass α λ und fα (i) ∈ Oi für alle i ∈ J.
Da Allquantoren vertauschen, folgt die behauptete Äquivalenz.
q
454
12 Topologische Grundlagen
12.12.2 Satz (Tychonoff). Sei (Xi , Ti ), i ∈ I, eine Familie topologischer Räume, und sei
Q
Q
Q
Q
i∈I Ti die Produkttopologie auf
i∈I Xi . Dann ist ( i∈I Xi ,
i∈I Ti ) genau dann kompakt,
wenn alle Räume (Xi , Ti ), i ∈ I, kompakt sind.
Beweis. Setzt man voraus, dass (X, T ) kompakt ist, so ist jeder Raum (Xi , Ti ) als stetiges
Bild eines kompakten Raumes ebenfalls kompakt; vgl. Lemma 12.11.8.
Sei nun vorausgesetzt, dass (Xi , Ti ) für jedes i ∈ I kompakt ist. Gemäß Proposition 12.11.2
Q
Q
reicht es für die Kompaktheit von i∈I Xi zu zeigen, dass jedes Netz ( fλ )λ∈Λ aus i∈I Xi
einen Häufungspunkt hat.
S
Betrachte die Menge M aller g : Dg → i∈I Xi mit Dg ⊆ I und g(i) ∈ Xi für i ∈ Dg .
S
Insbesondere ist M ⊆ P(I × i∈I Xi ) geordnet durch ⊆. Wir setzen
Y
HP p := {g ∈ M : g ist Häufungspunkt von ( fλ |Dg )λ∈Λ in
Xi } .
i∈Dg
Da Xi kompakt ist, hat ( fλ (i))λ∈Λ für jedes i ∈ I mindestens einen Häufungspunkt yi in Xi ,
womit {i} × {yi } ∈ HP p . Insbesondere ist HP p nichtleer.
Für eine bezüglich ⊆ totalgeordnete und nichtleere Teilmenge N ⊆ HP p , sieht man leicht,
dass
[
h :=
g,
g∈N
h(i) ∈ Xi für alle i ∈ Dh erfüllt. Da jedes endliche J ⊆ Dh schon in einem Dg mit g ∈ N
enthalten ist, folgt aus Lemma 12.12.1, dass h ein Häufungspunkt von ( fλ |Dh )λ∈Λ ist, womit
h ∈ HP p .
Wir können das Lemma von Zorn anwenden und erhalten ein maximales f ∈ HP p . Wegen
Lemma 12.2.15 konvergiert ein gewisses Teilnetz ( fλ(β) |Dg )β∈B gegen f |Dg . Wäre dabei I \ Dg
nichtleer und i ∈ I \ Dg , so impliziert die Kompaktheit von Xi die Existenz eines gegen ein
xi ∈ Xi konvergenten Teilnetzes ( fλ(β(γ)) (i))γ∈C von ( fλ(β) (i))β∈B .
Setzen wir f durch h(i) := xi auf D f ∪ {i} fort, so konvergiert ( fλ(β(γ)) |D f ∪{i} )γ∈C gemäß
Q
Lemma 12.5.3 gegen h. Damit ist h ist Häufungspunkt von ( fλ |D f ∪{i} )λ∈Λ in i∈D f ∪{i} Xi , was
der Maximalität von f widerspricht. Also gilt D f = I, und infolge ist f ∈ X Häufungspunkt
von ( fλ )λ∈Λ .
q
12.13
Kompaktheit in metrischen Räumen
In diesem Abschnitt wollen wir uns speziell kompakte metrische Räume anschauen. Im
ersten Semester haben wir die Kompaktheit einer Teilmenge K eines metrischen Raumes
(X, d) so definiert, dass jede Folge eine gegen einen Punkt aus K konvergente Teilfolge hat.
Wir werden hier unter anderem sehen, dass die Definition aus dem ersten Semester äquivalent zu der aus Definition 12.11.1 ist. Außerdem werden wir die Kompaktheit auch mit
Hilfe des folgenden Begriffes charakterisieren.
12.13 Kompaktheit in metrischen Räumen
455
12.13.1 Definition. Sei (X, d) ein metrischer Raum. Eine Teilmenge M von X heißt total
beschränkt, wenn es zu jedem > 0 endlich viele Teilmengen M1 , . . . , Mn ⊆ M vom
Durchmesser d(M j ) := sup x,y∈M j d(x, y) kleiner als gibt, sodass
12.13.2 Fakta.
M = M1 ∪ · · · ∪ Mn .
1. Man sieht sofort, dass Teilmengen von total beschränkten Mengen wieder total
beschränkt sind.
2. Da einerseits Kugeln mit Radius einen Durchmesser kleiner oder gleich 2 haben
und da andererseits jede Teilmenge M j ⊆ M mit d(M j ) < für ein beliebiges
η j ∈ M j in U (η j ) enthalten ist, lässt sich totale Beschränktheit auch folgendermaßen
charakterisieren:
Zu jedem > 0 gibt es y1 , . . . , yn ∈ M, sodass M ⊆ U (y1 ) ∪ · · · ∪ U (yn ).
3. Ist M j ⊆ X und sind x, y ∈ M j , so gibt es wegen Lemma 5.1.12 gegen x bzw. y konvergente Folgen (xn )n∈N und (yn )n∈N aus M j . Also folgt d(x, y) = limn→∞ d(xn , yn ) ≤
d(M j ), und daher d(M j ) = d(M j ).
Ist M total beschränkt und > 0, so gilt M = M1 ∪ · · · ∪ Mn mit d(M j ) < für
j = 1, . . . , n. Es folgt nunmehr M = M1 ∪ · · · ∪ Mn mit d(M j ) < für j = 1, . . . , n,
womit auch M total beschränkt ist. Insbesondere kann man für abgeschlossenes M
die Mengen M j auch abgeschlossen wählen.
12.13.3 Satz. Für eine Teilmenge K eines metrischen Raumes (X, d) sind folgende Aussagen äquivalent.
(i) K ist kompakt im Sinne von Definition 12.11.1.
(ii) Jede unendliche Teilmenge von K hat einen Häufungspunkt in K.
(iii) Jede Folge in K hat eine gegen einen Punkt in K konvergente Teilfolge.
(iv) K ist total beschränkt, und (K, d|K×K ) ist ein vollständig metrischer Raum.
Beweis.
(i) ⇒ (ii): Sei M ⊆ K unendlich. Hätte M keinen Häufungspunkt in K, so gibt es zu jedem
y ∈ K ein (y) > 0, sodass (vgl. Definition 5.1.7)
M ∩ U(y) (y) ⊆ {y} .
Da y ∈ K beliebig war, ist {U(y) (y) : y ∈ K} eine offene Überdeckung von K, die
voraussetzungsgemäß eine endliche Teilüberdeckung hat. Also gibt es y1 , . . . , yk ∈ K,
sodass K ⊆ U(y1 ) (y1 ) ∪ · · · ∪ U(yk ) (yk ). Wegen
M = M ∩ K ⊆ M ∩ U(y1 ) (y1 ) ∪ · · · ∪ U(yk ) (yk ) ⊆ {y1 , . . . , yn } ,
wäre M dann endlich.
456
12 Topologische Grundlagen
(ii) ⇒ (iii): Habe jede unendliche Teilmenge von K einen Häufungspunkt in K, und sei
(xn )n∈N eine Folge aus K. Ist {xn : n ∈ N} endlich, so gilt sicherlich xn = x für ein
x ∈ K und für unendlich viele n ∈ N. Somit hat (xn )n∈N eine Teilfolge, die konstant
gleich x ist. Also ist x ein Häufungspunkt unserer Folge.
Anderenfalls ist {xn : n ∈ N} ⊆ K unendlich, und laut Voraussetzung hat sie einen
Häufungspunkt x in K. Da jede -Kugel um x unendlich viele Punkte aus {xn : n ∈ N}
enthält (vgl. Fakta 5.1.10), muss für N ∈ N jede -Kugel auch unendlich viele Punkte
aus {xn : n ∈ N, n ≥ N} enthalten.
Insbesondere gibt es ein n(1) ∈ N mit d(xn(1) , x) < 1. Hat man natürliche n(1) <
· · · < n(k) mit d(xn( j) , x) < 1j für j = 1, . . . , k, so sei n(k + 1) ∈ N mit n(k + 1) > n(k)
1 (x). Wir haben somit rekursiv
derart, dass xn(k+1) ∈ {xn : n ∈ N, n ≥ n(k) + 1} ∩ U k+1
eine Teilfolge konstruiert, die gegen x konvergiert.
(iii) ⇒ (iv): Angenommen K wäre nicht total beschränkt. Dann gibt es ein > 0, sodass,
wenn immer M1 , . . . , Mn endlich viele Teilmengen mit Durchmesser kleiner von
K sind, niemals M1 ∪ · · · ∪ Mn = K gilt. Aus dieser Tatsache werden wir nun auf die
Existenz einer Folge ohne Häufungspunkt schließen.
Sei x1 ∈ K beliebig. Angenommen wir haben x1 , . . . , xk ∈ K definiert, dann hat für
j ∈ {1, . . . , k} nach der Dreiecksungleichung die Kugel U 3 (x j ) einen Durchmesser
kleiner oder gleich 23 . Wegen unserer Wahl von ist (U 3 (x1 ) ∪ · · · ∪ U 3 (xk )) ∩ K
eine echte Teilmenge von K. Wir wählen
xk+1 ∈ K \ U 3 (x1 ) ∪ · · · ∪ U 3 (xk ) .
Diese induktiv definierte Folge (xk )k∈N hat offensichtlich die Eigenschaft, dass für
k ∈ N der Punkt xk nicht in U 3 (x1 ) ∪ · · · ∪ U 3 (xk−1 ) liegt, und somit
d(xk , xl ) ≥
für l < k .
3
Insbesondere kann keine Teilfolge von (xk )k∈N eine Cauchy-Folge sein und schon
gar nicht konvergieren. Das widerspricht aber der Voraussetzung (iii).
Es bleibt die Vollständigkeit von (K, d|K×K ) zu zeigen. Dazu sei (xk )k∈N eine CauchyFolge in K. Diese hat voraussetzungsgemäß eine in K konvergente Teilfolge. Gemäß
Lemma 3.5.7 ist dann auch (xk )k∈N in K konvergent.
(iv) ⇒ (i): Zunächst folgt wegen Lemma 9.1.6 aus der Vollständigkeit, dass K abgeschlossen ist. Sei nun U eine offene Überdeckung von K, und sei angenommen, dass U
keine endliche Teilüberdeckung enthält.
Die Menge K ist gleich der Vereinigung von endlich vielen abgeschlossenen Mengen
mit Durchmesser kleiner als 1. Mindestens eine von diesen Mengen kann nicht durch
endlich viele Mengen aus U überdeckt werden. Diese sei K1 .
Die Menge K1 ist gleich der Vereinigung von endlich vielen abgeschlossenen Mengen mit Durchmesser kleiner als 12 . Mindestens eine von diesen kann nicht durch
12.13 Kompaktheit in metrischen Räumen
457
endlich viele Mengen aus U überdeckt werden. Diese sei K2 . Verfährt man induktiv
weiter, so erhält man eine Folge
K ⊇ K1 ⊇ K2 ⊇ K3 ⊇ . . .
von abgeschlossenen Mengen, sodass Kn einen Durchmesser kleiner als
kein Kn durch endlich viele Mengen aus U überdeckt werden kann.
1
n
hat, und
Wählt man für jedes n ∈ N einen Punkt xn ∈ Kn , so ist (xn )n∈N wegen xm , xn ∈ Kmin(m,n)
1
mit d(Kmin(m,n) ) < min(m,n)
eine Cauchy-Folge. Die Vollständigkeit von K sichert die
Existenz eines Grenzwertes x ∈ K von (xn )n∈N . Als Überdeckung enthält U ein
V ∈ U mit x ∈ V. Da V offen ist, gibt es eine Kugel U (x) ⊆ V. Sei n ∈ N, sodass
1
< 2 und d(xn , x) < 2 . Wegen d(Kn ) < 1n folgt für y ∈ Kn
n
d(x, y) ≤ d(x, xn ) + d(xn , y) < .
Also gilt Kn ⊆ V, im Widerspruch zur Tatsache, dass Kn nicht durch endlich viele
Mengen aus U überdeckt werden kann.
q
12.13.4 Bemerkung. Eine Situation, wo obiger Satz Anwendung findet, ist die, dass (X, d)
ein vollständig metrischer Raum ist, und dass G eine total beschränkte Teilmenge von X
ist. Der Abschluss K von G ist dann auch total beschränkt und vollständig, also kompakt.
12.13.5 Bemerkung (*). Satz 12.13.3 besagt insbesondere, dass in metrischen Räumen die
Begriffe kompakt, abzählbar kompakt und folgenkompakt zusammenfallen; vgl. Definition
12.11.5.
12.13.6 Korollar (*). Sei (X, d) ein metrischer Raum. Ist K ⊆ X kompakt, dann ist K
separabel, hat also eine dichte abzählbare Teilmenge.
n
Beweis. Nach Satz 12.13.3 gibt es zu n ∈ N endlich viele Punkte x1n , . . . , xm(n)
∈ K, sodass
n
U 1n (x1n ) ∪ · · · ∪ U 1n (xm(n)
)⊇ K.
(12.19)
S
n
Setzen wir D := n∈N {x1n , . . . , xm(n)
}, so ist D sicher eine abzählbare Teilmenge von K.
Sei y ∈ K und > 0, und wähle n ∈ N so groß, dass ≤ n1 . Wegen (12.19) gibt es ein
j ∈ {1, . . . , m(n)} mit d(y, xnj ) < n1 ≤ und daher xnj ∈ U (y). Infolge gilt y ∈ D.
q
12.13.7 Proposition (*). Ein metrischer Raum (X, d) ist genau dann separabel, wenn er
das zweite Abzählbarkeitsaxiom erfüllt, also eine abzählbare Basis hat.
Beweis. Ist B eine abzählbare Basis von T (d), so wähle für jede nichtleere Teilmenge
B ∈ B irgendeinen Punkt xB aus B. Klarerweise ist D := {xB : ∅ , B ∈ B} abzählbar. Zu
beliebigem y ∈ X und offenem O 3 y gibt es ein B ∈ B mit y ∈ B ⊆ O. Insbesondere gilt
xB ∈ O ∩ D, und infolge y ∈ D. Also ist X separabel.
Ist umgekehrt (X, d) separabel mit einer abzählbaren und dichten Teilmenge D ⊆ X, so
besteht
B := {U n1 (x) : n ∈ N, x ∈ D}
458
12 Topologische Grundlagen
aus abzählbar vielen Mengen. Ist nun O ⊆ X offen, so sei für jedes y ∈ O die Zahl n(y) ∈ N
2 (y) ⊆ O. Wir zeigen nun, dass
so groß, dass U n(y)
[
O=
U 1n (x) ,
(12.20)
x∈D∩O
n∈N:U 1 (x)⊆O
n
und damit dass B eine Basis von T (d) ist. Klarerweise ist die rechte Seite in O enthalten.
1 (y) ⊆ D ∩ O. Daraus
Ist y ∈ O, so gibt es wegen der Dichtheit von D ein x ∈ D ∩ U n(y)
1 (x). Für jedes t ∈ U 1 (x) gilt zudem
erhält man y ∈ U n(y)
n(y)
d(t, y) ≤ d(t, x) + d(x, y) <
1
2
1
+
=
,
n(y) n(y) n(y)
2 (y), wodurch U 1 (x) ⊆ U 2 (y) ⊆ O. Also liegt jedes y ∈ O in der Vereinigung
also t ∈ U n(y)
n(y)
n(y)
auf der rechten Seite von (12.20).
q
12.13.8 Bemerkung (*). Da wir im ersten Beweisteil nicht verwendet haben, dass T (d)
eine metrische Topologie ist, gilt allgemein in topologischen Räumen, dass aus (ABII) die
Separabilität folgt.
Ein wichtiges Beispiel von kompakten Teilmengen eines vollständigen metrischen Raumes
liefert uns der Satz von Ascoli. Dabei betrachtet man den Raum Cb (X, R) bzw. Cb (X, C)
aller beschränkten, stetigen und reell- bzw. komplexwertigen Funktionen auf einem topologischen Raum (X, T ). Wir haben solche Räume schon kennengelernt, aber nur in dem Fall,
dass X ein metrischer Raum ist.
Wir wollen zunächst bemerken, dass wenn X kompakt ist, jede stetige Funktion f automatisch beschränkt ist, denn nach Lemma 12.11.8 ist dann f (X) kompakt, und nach
Proposition 5.2.8 ist f (X) beschränkt.
12.13.9 Lemma. Die Räume Cb (X, R) und Cb (X, C) sind abgeschlossene Teilräume der
Banachräume B(X, R) und B(X, C) versehen mit k.k∞ und daher selbst Banachräume.
Beweis. Wir wissen aus Beispiel 9.1.9, dass B(X, R) und B(X, C) Banachräume sind.
Laut Definition sind Cb (X, R) und Cb (X, C) Teilmengen von B(X, R) bzw. B(X, C). Wegen
Korollar 12.6.9 sind sie sogar lineare Teilräume.
Konvergiere nun eine Folge ( fn )n∈N aus Cb (X, R) bzw. Cb (X, C) gegen ein f aus B(X, R) bzw.
B(X, C) bezüglich k.k∞ , also gleichmäßig. Ist x ∈ X und (x j ) j∈J ein gegen x konvergentes
Netz, so wissen wir aus Lemma 8.7.1, dass lim j∈J limn→∞ fn (x j ) = lim j∈J f (x j ) existiert
und mit
lim lim fn (x j ) = lim fn (x) = f (x)
n→∞ j∈J
n→∞
übereinstimmt. Da das Netz beliebig war, ist f stetig, also f ∈ Cb (X, R) bzw. f ∈ Cb (X, C).
q
12.13.10 Satz (Ascoli). Sei (X, T ) ein kompakter topologischer Raum und sei Φ eine
punktweise beschränkte und gleichgradig stetige Teilmenge von Cb (X, R) bzw. Cb (X, C),
also Φ ⊆ Cb (X, R) bzw. Φ ⊆ Cb (X, C) mit:
12.13 Kompaktheit in metrischen Räumen
459
(i) Für jedes x ∈ X ist sup{| f (x)| : f ∈ Φ} beschränkt.
(ii) Für jedes x ∈ X und > 0 gibt es eine Umgebung V ∈ U(x) mit | f (y) − f (x)| < für
alle y ∈ V, f ∈ Φ.
Dann ist Φ total beschränkt. Ist umgekehrt Φ total beschränkt, so gelten (i) und (ii).
Beweis.
Erfülle Φ die Bedingungen (i) und (ii). Wir zeigen, dass Φ total beschränkt ist.
Dazu sei > 0 gegeben. Zu jedem x ∈ X können wir eine Umgebung V x von
x wählen, sodass (ii) für V = V x erfüllt ist. Da jede Umgebung von x eine x
enthaltende offene Menge umfasst, können wir die V x offen wählen. Offensichtlich
ist {V x : x ∈ X} eine offene Überdeckung von X.
S
Wegen der Kompaktheit von X existieren x1 , . . . , xn ∈ X, sodass schon X = ni=1 V xi .
Für i = 1, . . . , n und beliebigen x ∈ V xi und f ∈ Φ gilt dann
| f (x) − f (xi )| < .
Wegen (i) gilt M := sup{ f (xi ) : i = 1, . . . , n, f ∈ Φ} < +∞.
n
n
C
R
Bezeichne mit K die abgeschlossene Kreisscheibe K M
(0) bzw. K M
(0) mit Radius
n
n
M in R bzw. C um 0 bezüglich der k.k∞ Norm, und definiere die Abbildung
T
p : Φ → K durch p( f ) := f (x1 ), . . . , f (xn ) .
Also kompakte Menge (siehe Korollar 5.2.9) ist K gemäß Satz 12.13.3 total beschränkt. Mit K ist auch seine Teilmenge p(Φ) total beschränkt; vgl. Fakta 12.13.2.
Also existieren endlich viele f1 , . . . , fm ∈ Φ, sodass es für jedes f ∈ Φ ein
k ∈ {1, . . . , m} gibt mit kp( f ) − p( fk )k∞ < . Das bedeutet
| f (xi ) − fk (xi )| < für i = 1, . . . , n .
(12.21)
Sei nun f ∈ Φ und k ∈ {1, . . . , m}, sodass (12.21) gilt. Jedes x ∈ X liegt in einer
Menge V xi , und für dieses i gilt
| f (x) − f (xi )| < sowie | fk (x) − fk (xi )| < .
Wir erhalten
| f (x) − fk (x)| ≤ | f (x) − f (xi )| + | f (xi ) − fk (xi )| + | fk (x) − fk (xi )| < 3
für alle x ∈ X und somit k f − fk k∞ ≤ 3. Die abgeschlossenen Kugeln mit Radius 3
und Mittelpunkt fk überdecken also ganz Φ. Infolge ist Φ total beschränkt.
460
12 Topologische Grundlagen
Zur Umkehrung sei zunächst bemerkt, dass total beschränkte Teilmengen von
(Cb (X, R), k.k∞ ) bzw. (Cb (X, C), k.k∞ ) beschränkt und somit auch punktweise beschränkt sind; also gilt (i).
Wegen der totalen Beschränktheit gibt es zu > 0 endlich viele f1 , . . . , fm ∈ Φ,
sodass es zu jedem f ∈ Φ ein fk mit k f − fk k∞ < gibt.
Zu einem x ∈ X gibt es wegen der Stetigkeit der fk ’s für k = 1, . . . , m, Umgebungen
Vk ∈ U(x) mit | fk (y) − fk (x)| < für alle y ∈ Vk . Setzen wir V = V1 ∩ · · · ∩ Vm , so ist
V ∈ U(x) und für f ∈ Φ folgt für das richtige fk und y ∈ V
| f (y) − f (x)| < | f (y) − fk (y)| + | fk (y) − fk (x)| + | f (x) − fk (x)| < 3 .
Somit gilt (ii).
q
Zusammen mit Bemerkung 12.13.4 folgt aus Satz 12.13.10
12.13.11 Korollar. Für Φ ⊆ Cb (X, C) bzw. Φ ⊆ Cb (X, C) ist Φ genau dann kompakt, wenn
Φ punktweise beschränkt und gleichgradig stetig ist. Insbesondere enthält in diesem Fall
jede Folge in Φ eine gleichmäßig konvergente Teilfolge.
Eine wichtige Anwendung dieses Satzes gibt es in der Theorie der gewöhnlichen Differentialgleichungen, wo dieser die Existenz von Lösungen von einer großen Klasse von
Differentialgleichungen liefert.
12.13.12 Bemerkung (*). Mit fast denselben Beweisen kann man Satz 12.13.10 und
Korollar 12.13.11 allgemeiner für Teilmengen Φ von Cb (X, R p ) zeigen, wobei R p mit
irgendeiner der Normen k.k1 , k.k2 , k.k∞ versehen ist.
12.14 Alexandroff-Kompaktifizierung
Ein einfaches Beispiel von lokalkompakten Räumen liefert das Korollar 5.2.9 zum Satz
von Bolzano-Weierstraß. Dieses besagt ja, dass im Rn jede Menge der Form Kr (0) = {y ∈
Rn : kyk ≤ r} und daher (vgl. Lemma 12.11.8) auch jede Menge der Form x + Kr (0) =
Kr (x) kompakt ist. Da diese Mengen einen Umgebungsbasis von x darstellen, ist der Rn
lokalkompakt.
12.14.1 Satz. Ein topologischer Hausdorff-Raum (X, T ) ist genau dann lokal kompakt,
wenn er offene Teilmenge eines kompakten Hausdorff-Raumes ist, also wenn es einen
topologischen Hausdorff-Raum (Y, O) gibt, der kompakt ist, sodass X eine offene Teilmenge
von Y ist, und sodass T = O|X .
Eine mögliche Wahl von Y ist die, dass man ein Y := X ∪ {∞} mit einem Element ∞ < X
und
n
o
O = T ∪ {∞} ∪ (X \ K) : X ⊇ K kompakt
(12.22)
setzt.4 .
4
Dieser Topologische Raum wird als Alexandroff-Kompaktifizierung oder auch als EinpunktKompaktifizierung bezeichnet.
12.14 Alexandroff-Kompaktifizierung
461
Beweis. Sei X ein offene Teilmenge des kompakten Raumes Y. Nach Lemma 12.11.11 ist
Y insbesondere regulär. Also gibt es zu der Umgebung X von x eine Umgebung V von
x in Y, sodass V ⊆ X. Aus Lemma 12.11.7 folgt die Kompaktheit von V in Y. Wegen
Proposition 12.11.2, (K2), und O|V = (O|X )|V ist V auch kompakt in X, und daher ist X
lokalkompakt.
Sei umgekehrt (X, T ) lokalkompakt, und definiere Y := X ∪ {∞} und O wie in (12.22).
Mit Hilfe von Lemma 12.11.7, (iii), überprüft man leicht, dass O eine Topologie auf Y
ist, wobei X ∈ O. Um zu zeigen, dass diese Hausdorffsch ist, seien x, y ∈ Y zunächst
derart, dass x, y ∈ X. Dann gibt es disjunkte O x , Oy ∈ T ⊆ O mit x ∈ O x , y ∈ Oy , da ja
(X, T ) voraussetzungsgemäß Hausdorffsch ist. Ist x ∈ X und y = ∞, so gibt es wegen
der Lokalkompaktheit eine kompakte Umgebung V von x in X. Ist O x eine x enthaltende
offene Teilmenge von V, und ist Oy := {∞} ∪ (X \ V), so gilt Oy ∈ O und O x ∩ Oy = ∅.
Wir müssen noch zeigen, dass Y kompakt ist. Dazu sei {Oi : i ∈ I} eine offene Überdeckung
von Y. Insbesondere gibt es mindestens ein j ∈ I mit ∞ ∈ O j . Nach Konstruktion
der Topologie gilt O j = {∞} ∪ X \ K für eine kompakte Teilmenge K von X. Nun ist
sicherlich {Oi \ {∞} : i ∈ I} eine offene Überdeckung von K. Also gibt es i1 , . . . , in ∈ I mit
Oi1 ∪ · · · ∪ Oin ⊇ K, und daher Y = Oi1 ∪ · · · ∪ Oin ∪ O j .
q
12.14.2 Bemerkung. In Satz 12.14.1 ist offenbar X dicht in Y genau dann, wenn X nicht
kompakt ist.
Man kann auch unschwer nachweisen, dass der in Satz 12.14.1 konstruierte kompakte
Hausdorff-Raum (Y, O), sodass (X, T ) als offene Teilmenge in Y mit O|X = T enthalten ist
und sodass Y \ X nur einen Punkt enthält, bis auf Homöomorphismen eindeutig ist.
Allgemeiner gilt, dass, falls (Z, TZ ) ein weiterer kompakter Hausdorff-Raum ist, der (X, T )
als offene Teilmenge mit TZ |X = T enthält, dann sich die Einbettungsabbildung ι : X → Y
durch φ({Z \ X}) = {∞} zu einer stetigen Abbildung φ : Z → Y fortsetzen lässt.
12.14.3 Korollar. Lokalkompakte Hausdorff-Räume (X, T ) sind regulär. Zudem gibt es zu
jedem x ∈ X und jeder Umgebung U ∈ U(x) ein offenes P ⊆ X mit x ∈ P ⊆ P ⊆ U, sodass
P kompakt ist.
Beweis. Wegen Satz 12.14.1 können wir X als offene Teilmenge eines kompakten
Hausdorff-Raumes (Y, O) mit T = O|X betrachten. Nach Lemma 12.11.11 ist (Y, O) regulär
und wegen Bemerkung 12.9.4 somit auch (X, T ).
Jedes U ∈ U(x) ist auch Umgebung von x betrachtet als Teilmenge von Y. Wegen Korollar
12.9.3 gibt es ein offenes P ⊆ Y, sodass x ∈ P ⊆ P ⊆ U, wobei P ad hoc der Abschluss
von P in Y ist. Nach Lemma 12.11.7 ist P kompakt, wegen P ⊆ X ist P auch offen in X,
und wegen P ⊆ X zusammen mit (12.13) ist P auch der Abschluss von P in (X, T ). q
12.14.4 Beispiel. Man betrachte C ∪ {∞} versehen mit der chordalen Metrik χ. Ist O die
Topologie, die von χ auf C ∪ {∞} erzeugt wird, so ist (C ∪ {∞}, O) genau die AlexandroffKompaktifizierung von C versehen mit der euklidischen Topologie.
12.14.5 Definition. Für einen lokalkompakten Hausdorff-Raum (X, T ) bezeichnet C0 (X, R)
die Menge aller stetigen g : X → R, sodass
∀ > 0 ∃K kompakt : ∀x ∈ X \ K ⇒ |g(x)| < .
462
12 Topologische Grundlagen
Entsprechend definiert man C0 (X, C).
Wählt man etwa = 1 und K wie in der Definition, so ist t 7→ |g(t)| auf K wegen der
Kompaktheit beschränkt, und auf X \ K gilt ohnehin |g(x)| < 1. Also sind alle Funktionen
aus C0 (X, R) bzw. C0 (X, C) beschränkt.
12.14.6 Proposition. Bezeichne (Y, O) die Alexandroff-Kompaktifizierung des lokalkompakten Hausdorff-Raumes (X, T ) wie in Satz 12.14.1.
(i) Für f ∈ C(Y, R) mit f (∞) = 0 liegt die Einschränkung g := f |X in C0 (X, R).
(ii) Ist umgekehrt g ∈ C0 (X, R), und setzt man g zu einer Funktion f auf Y durch f (∞) = 0
fort, so gilt f ∈ C(Y, R).
(iii) Dabei ist f 7→ f |X eine lineare Bijektion von
N := { f ∈ C(Y, R) : f (∞) = 0}
auf C0 (X, R), wobei k f k∞ = k f |X k∞ .
(iv) Schließlich ist die Hyperebene N abgeschlossen in C(Y, R), und C0 (X, R) versehen
mit der Supremumsnorm ist ein Banachraum.
Analoge Aussagen gelten im Fall von komplexwertigen Funktionen.
Beweis.
(i) Ist f ∈ C(Y, R) mit f (∞) = 0, so ist klarerweise f |X stetig auf X bzgl. O|X = T .
Außerdem gibt es wegen der Stetigkeit von f bei ∞ zu jedem > 0 eine offene
Umgebung von ∞, also eine kompakte Menge K in X, sodass | f (x) − f (∞)| = | f (x)| <
für alle x ∈ X \ K. Somit haben wir f |X ∈ C0 (X, R).
(ii) Ist g ∈ C0 (X, R) und setzt man f (x) := g(x) für alle x ∈ X und f (∞) := 0, so ist f
stetig auf Y, da die Bedingung aus Definition 12.14.5 genau die Stetigkeit von f bei
∞ bedeutet, und da für x ∈ X wegen der Tatsache, dass X offen in Y ist, die Stetigkeit
von g bei x unmittelbar auf f übertragen wird.
(iii) f 7→ f |X ist offensichtlich eine lineare Bijektion, wobei
k f k∞ = sup | f (x)| = sup | f (x)| = k f |X k∞ ,
x∈Y
x∈X
da ja Y = X ∪ {∞} und f (∞) = 0.
(iv) Wegen N = ϕ−1 ({0}) mit dem linearen beschränkten und daher stetigen Punktauswertungsfunktional ϕ : f 7→ f (∞) ist N als Urbild der abgeschlossenen Menge {0} ⊆ R
selbst abgeschlossen.
Somit ist (N, k.k∞ ) ein Banachraum (vgl. Lemma 9.1.6) und wegen k f k∞ = k f |X k∞
auch C0 (X, R).
q
12.15 Der Satz von Stone-Weierstraß
463
12.14.7 Korollar (*). Sei (X, T ) ein lokalkompakter Hausdorffraum. Ist K ⊆ X kompakt
und O ⊇ K offen, so gibt es ein stetige Funktion f : X → [0, 1], sodass f (K) ⊆ {1} und
sodass der Träger supp( f ) := {x : f (x) , 0} von f kompakt und in O enthalten ist.
Beweis. Wegen der Lokalkompaktheit von (X, T ) folgt aus Korollar 12.14.3, dass es zu
jedem x ∈ K eine offene Umgebung O x gibt, sodass x ∈ O x ⊆ O x ⊆ O, wobei O x ebenfalls
kompakt ist.
Da (O x ) x∈K eine offene Überdeckung von K ist, gibt es aufgrund der Kompaktheit von K
endlich viele x1 , . . . , xn ∈ K, sodass
K⊆
n
[
j=1
Ox j ⊆
| {z }
=:R
n
[
j=1
Ox j ⊆ O .
| {z }
=R
S
Dabei ist R = nj=1 O x j (siehe Lemma 12.2.5) als Vereinigung endlich vieler kompakter
Mengen wieder kompakt; vgl. Lemma 12.11.7.
Somit ist (R, T |R ) ein kompakter Hausdorffraum und gemäß Lemma 12.11.11 normal. Die
Menge K und R \ R sind darin zwei disjunkte abgeschlossene Mengen. Also gibt es nach
Korollar 12.10.2 ein stetiges g : R → [0, 1] mit
g(K) ⊆ {1} und g(R \ R) ⊆ {0} .
Ist h : X \ R → [0, 1] die konstante Nullfunktion, so stimmen g und h am Schnitt ihrer
Definitionsbereiche X \ R ∩ R = R \ R überein. Nach Lemma 12.6.4 ist f := g ∪ h stetig,
und erfüllt offensichtlich f (K) ⊆ {1}. Wegen {x : f (x) , 0} ⊆ R ⊆ O ist der Träger von f
kompakt und in O enthalten.
q
12.14.8 Bemerkung (*). Aus dem Beweis von Korollar 12.14.7 wollen wir für lokalkompakte Hausdorffräume (X, T ) noch herausstellen, dass es zu jedem kompakten K ⊆ X eine
offene Obermenge R gibt, die kompakten Abschluss hat.
12.15
Der Satz von Stone-Weierstraß
12.15.1 Definition. Sei E irgendeine Menge. Dann heißt eine Menge A ⊆ RE bzw. A ⊆ CE
von Funktionen f : E → R (C) eine Algebra von Funktionen, falls gilt:
(i) A ist ein linearer Teilraum.
(ii) Mit f, g ∈ A ist auch f · g ∈ A.
Offenbar sind B(E, R) und B(E, C) Algebren von Funktionen; vgl. Definition 6.6.3 sowie
Definition 6.8.1 samt nachfolgender Tatsachen.
Ist E mit einer Topologie versehen, so folgt aus der Tatsache, dass das Produkt von zwei
stetigen Funktion wieder stetig ist (vgl. Korollar 12.6.9), dass auch die Räume Cb (E, R)
und Cb (E, C) aller beschränkten und stetigen Funktionen eine Algebra darstellt.
464
12 Topologische Grundlagen
12.15.2 Lemma. Sei A eine Algebra auf einer Menge E, und bezeichne B den Abschluss
von A in B(E, R) bzw. B(E, C) bezüglich k.k∞ . Dann ist B wieder eine Algebra.
Beweis. Nach Lemma 9.1.8 ist B ein linearer Teilraum von B(E, R) bzw. B(E, C). Für
f, g, fn , gn ∈ A, n ∈ N mit fn → f, gn → g folgt aus der Beschränktheit von k fn k∞
k fn gn − f gk∞ = k fn k∞ kgn − gk∞ + k fn − f k∞ kgk∞ → 0 .
q
Also ist mit f, g ∈ B auch f g ∈ B.
12.15.3 Definition. Sei A eine Algebra auf E. Man sagt, A ist punktetrennend, falls es
zu je zwei verschiedenen Punkten x1 , x2 ∈ E eine Funktion f ∈ A gibt mit f (x1 ) , f (x2 ).
Man nennt die Algebra A ist nirgends verschwindend, falls es zu jedem x ∈ E ein f ∈ A
gibt, sodass f (x) , 0.
Enthält A eine konstante Funktion ungleich der Nullfunktion, so ist A offensichtlich
nirgends verschwindend.
)
1
12.15.4 Bemerkung. Für x1 , x2 ∈ E, x1 , x2 , ist φ x1 ,x2 : f 7→ ff (x
als Abbildung von A
(x2 )
2
nach R linear.
Ist für jedes solche Paar x1 , x2 diese Abbildung surjektiv, also für alle c1 , c2 ∈ R gibt es
eine Funktion f ∈ A mit f (x1 ) = c1 , f (x2 ) = c2 , so ist A offensichtlich punktetrennend
und nirgends verschwindend.
Ist A umgekehrt nirgends verschwindend
1 und punktetrennend, so
centhält φ x1 ,x2 (A) wegen
der Linearität einen Vektor der Form d , einen Vektor der Form 1 und einen der Form ef
mit e , f .
Ist cd , 1, so sind die ersten beiden Vektoren linear unabhängig. Ist c = d = 1, so sind
die ersten beiden gleich und der letzte dazu
linear
1·c unabhängig. Falls cd =
1 , 0c, so
ist – da A sogar eine Algebra ist – auch dc = d·1
∈ φ x1 ,x2 (A). Nun ist 00 , 1−d
=
c c 1
− d ∈ φ x1 ,x2 (A) linear unabhängig von d . In jedem Fall ist der Teilraum φ x1 ,x2 (A) von
1
2
R mindestens zweidimensional, und daher φ x1 ,x2 (A) = R2 .
Ehe wir den Satz von Stone-Weierstraß beweisen, benötigen wir noch
12.15.5 Lemma. Es gibt eine Folge von Polynomen pn ∈ R[x], n ∈ N, die auf [−1, 1]
gleichmäßig gegen die Funktion t 7→ |t| konvergiert.
√
Beweis. Sei g : [0, 1] → R definiert durch g(x) = 1 − x. Bekannterweise ist g auf [0, 1)
unendlich oft differenzierbar. Gemäß Proposition 8.8.2 erhalten wir für die Anschlussstelle
y = 0 die Taylor-Approximation
g(x) =
n
X
g( j) (0)
j=0
|
j!
{z
=:qn (x)
xn +Rn (x), x ∈ [0, 1) .
}
12.15 Der Satz von Stone-Weierstraß
Rn (x) =
Zx
0
465
(x − t)n
1 1 3
2n − 1 1
g(n+1) (t)
dt = − · · · · ·
·
n!
2 2 2
2
n!
−n− 12
0
1
(1 − t)−n− 2 (x − t)n dt
− 12
n
erfüllt wegen (1 − t)
Zx
(x − t) ≤ (1 − t) für 0 ≤ t ≤ x < 1 die Abschätzung
! Z 1
!
n
n
X
1
1
1Y
− 12
1−
·
(1 − t) dt = exp( ln 1 −
).
|Rn (x)| ≤
2 j=1
2j
2j
0
j=1
|
{z
}
=2
Aus der durch elementare Kurvendiskussion nachzuweisenden Ungleichung ln s ≤ s − 1
P
P
für s > 0 folgt nj=1 ln(1 − 21j ) ≤ − nj=1 21j . Also erhalten wir
n
1 X 1 n→∞
sup g(x) − qn (x) = sup |Rn (x)| ≤ exp(−
) −→ 0 .
2 j=1 j
x∈[0,1)
x∈[0,1]
Die erste Gleichheit hier gilt, da g und qn beide sogar auf [0, 1] stetig sind. Setzen wir
schließlich pn (x) = qn (1 − x2 ), so gilt auch
n→∞
sup |x| − pn (x) = sup g(1 − x2 ) − qn (1 − x2 ) = sup |g(x) − qn (x)| −→ 0 .
x∈[−1,1]
x∈[−1,1]
x∈[0,1]
q
12.15.6 Satz (Stone-Weierstraß). Sei (K, T ) ein kompakter topologischer Raum, und sei
A ⊆ Cb (K, R) eine punktetrennende, nirgends verschwindende Algebra stetiger Funktionen.
Dann ist A dicht in Cb (K, R) bezüglich der Supremumsnorm.
Beweis. Nach Lemma 12.15.2 ist der Abschluss B von A in B(K, R) ein Algebra. Da
Cb (K, R) abgeschlossen in B(K, R) ist, haben wir auch B ⊆ Cb (K, R). Der Beweis erfolgt
nun in vier Schritten:
(i) Ist f ∈ B, so zeigen wir, dass auch | f | ∈ B. Dividieren wir f , 0 nötigenfalls durch
k f k∞ , so können wir ohne Beschränkung der Allgemeinheit k f k∞ ≤ 1 annehmen.
Gemäß Lemma 12.15.5 gibt es zu > 0 ein reelles Polynom p (y), sodass
p (y) − |y| ≤ für alle y ∈ [−1, 1] .
P
Setzt man y = 0, so folgt |p (0)| ≤ , womit für mj=1 a j y j := p (y) − p (0)
m
X
j
a j y − |y| ≤ 2 für alle y ∈ [−1, 1] .
j=1
Als Algebra enthält B auch
Pm
j=1
a j f j , wobei
m
X
a j f j − | f | ≤ 2 .
j=1
∞
Da > 0 beliebig war und da B abgeschlossen ist, folgt | f | ∈ B.
466
12 Topologische Grundlagen
(ii) Sind f1 , . . . , fn ∈ B, so gilt auch max( f1 , . . . , fn ) und min( f1 , . . . , fn ) in B, dann für
n = 2 hat man
f1 + f2 | f1 − f2 |
max( f1 , f2 ) =
+
,
2
2
f1 + f2 | f1 − f2 |
min( f1 , f2 ) =
−
,
2
2
und für n > 2 folgt die Behauptung durch vollständiger Induktion.
(iii) Ist f ∈ Cb (K, R), x ∈ K, > 0, dann existiert eine Funktion g x ∈ B mit g x (x) = f (x)
und g x (t) > f (t) − für alle t ∈ K.
Um das zu sehen, bemerken wir zunächst, dass mit A ist auch B (⊇ A) punktetrennend und nirgends verschwindend ist. Wegen Bemerkung 12.15.4 existiert für jedes
y ∈ K eine Funktion hy ∈ B mit
hy (x) = f (x) und hy (y) = f (y) .
Wegen der Stetigkeit von f − hy bei y existiert eine offene Umgebung Uy von y, sodass
insbesondere
hy (t) > f (t) − für alle t ∈ Uy .
Da K kompakt ist, existieren endlich viele Punkte y1 , . . . , yn ∈ K mit
K ⊆ Uy1 ∪ . . . ∪ Uyn .
Setzt man g x := max(hy1 , . . . , hyn ), dann liegt g x in B und hat die gewünschten
Eigenschaften.
(iv) Ist f ∈ C(K) und > 0, so existiert h ∈ B mit k h − f k∞ < .
Dazu betrachte die Funktionen g x , x ∈ K, aus (iii). Da g x − f bei x stetig ist, existiert
eine offene Umgebung V x von x mit
g x (t) < f (t) + für alle t ∈ V x .
Da K kompakt ist, existieren x1 , . . . , xm ∈ K mit
K ⊆ V x1 ∪ . . . ∪ V xm .
Setzt man nun h := min(g x1 , . . . , g xm ), dann ist h ∈ B und erfüllt h(t) < f (t) + für
alle t ∈ K. Mit den g x hat aber auch h die Eigenschaft h(t) > f (t) − .
q
12.15.7 Beispiel. Sei [a, b] ein kompaktes Intervall in R, und sei A := R[x]|[a,b] der Raum
aller Polynome mit reellen Koeffizienten betrachtet als Funktionen auf [a, b]. Offensichtlich
ist A eine Algebra bestehend aus stetigen Funktionen, die alle linearen Polynome also alle
Geraden enthält. A ist daher punktetrennend und nirgends verschwindend. Nach dem Satz
von Stone-Weierstraß ist A (bzgl.k.k∞ ) dicht in C([a, b], R).
12.15 Der Satz von Stone-Weierstraß
467
12.15.8 Korollar. Sei A ⊆ Cb (K, C) eine punktetrennende und nirgends verschwindende
Algebra stetiger Funktionen auf einer kompakten Menge K, sodass mit f ∈ A immer auch
die komplex konjugierte Funktion f¯ zu A gehört. Dann ist A dicht in der Algebra Cb (K, C)
aller stetigen Funktionen auf K.
Beweis. Man betrachte die Menge AR aller h ∈ A, sodass h nur Werte in R hat. Nach
¯
¯
Voraussetzung ist mit f auch Re f = f +2 f und Im f = f 2i− f in A, und somit Re f, Im f ∈ AR .
Daraus erkennt man leicht, dass AR auch punktetrennend und nirgends verschwindend ist.
Nach Satz 12.15.6 ist AR dicht in Cb (K, R). Insbesondere gibt es zu jedem f ∈ Cb (K, C)
zwei Folgen gn , hn ∈ AR mit gn → Re f, hn → Im f . Daraus folgt gn + ihn → f , und somit
die Dichtheit von A in Cb (K, C).
q
12.15.9 Beispiel. Sei A die lineare Hülle in Cb (T, C) von {(ζ 7→ ζ n ) : n ∈ Z}. A ist dann
der Raum aller Trigonometrischen Polynome.
Da für ζ ∈ T die Beziehung ζ̄ = 1ζ gilt, ist A invariant unter der komplexen Konjugation.
Weiters ist A punktetrennend, da für ζ1 , ζ2 ∈ T und c1 , c2 ∈ C
p(ζ) = c2
ζ − ζ1
ζ − ζ2
+ c1
ζ2 − ζ1
ζ1 − ζ2
eine Funktion in A mit p(ζ1 ) = c1 und p(ζ2 ) = c2 ist. Nach obigen Satz ist A dicht in
Cb (T, C).
Da Cb (T, C) isomorph zu den stetigen, 2π-periodischen Funktionen P auf R ist, folgt
daraus auch, dass die lineare Hülle der Funktionen t 7→ exp(itn), n ∈ Z dicht in P ist.
Wir wollen nun eine Version des Satzes von Stone-Weierstraß für lokalkompakte HausdorffRäume (X, T ) herleiten.
12.15.10 Korollar. Sei (X, T ) ein lokalkompakter Hausdorff-Raum, und sei A ⊆ C0 (X, R)
bzw. A ⊆ C0 (X, C) eine punktetrennende, nirgends verschwindende Algebra, die im
komplexen Falle unter der komplexen Konjugation abgeschlossen ist. Dann ist A dicht in
C0 (X, R) bzw. in C0 (X, C).
Beweis. Aus Proposition 12.14.6 wissen wir, dass C0 (X) isometrisch isomorph zu N ⊆
C(Y) = Cb (Y) ist, wobei Y = X ∪ {∞} die Alexandroff-Kompaktifizierung aus Satz 12.14.1
ist. Also können wir A auch als Algebra in Cb (Y) betrachten. Als solche ist sie aber nicht
mehr nirgends verschwindend, da ja f (∞) = 0 für alle f ∈ A.
Um diesen Nachteil zu beheben, betrachten wir B := A + h1Y i, also die lineare Hülle
von A und der konstanten 1-Funktion auf Y. Nun überprüft man leicht, dass B eine
punktetrennende, nirgends verschwindende Algebra auf Y ist. Nach Satz 12.15.6 bzw.
Korollar 12.15.8 ist B dicht in Cb (Y).
Ist jetzt f ∈ C0 (X), so gibt es daher eine Folge gn ∈ B mit gn → f bzgl. k.k∞ . Insbesondere
gilt gn (∞) → f (∞) = 0, und infolge
n→∞
fn := gn − gn (∞) · 1Y −→ f − 0 · 1Y = f .
Nun ist aber fn (∞) = 0, also fn ∈ A, und wir sehen, dass A dicht in C0 (X) ist.
q
468
12 Topologische Grundlagen
12.15.11 Beispiel. Sei D eine offene Teilmenge von Rn . Als offene Teilmenge eines
lokalkompakten Raumes ist D auch lokalkompakt.
∞
Nun sei A die Menge C00
(D) aller auf D unendlich oft differenzierbaren reell- bzw.
komplexwertigen Funktionen f mit kompakten Träger, also ist der Abschluss von {x ∈ D :
f (x) , 0} in Rn eine kompakte Teilmenge von D.
∞
∞
Da das Produkt zweier Funktionen f, g ∈ C00
(D) wieder in C00
(D) liegt, überprüft man
leicht, dass A eine Algebra ist. Um Korollar 12.15.10 anwenden zu können, müssen wir
nur noch zeigen, dass A punktetrennend ist.
Dazu betrachte man zunächst die Funktion ψ : R → R,
 1


e− x , falls x > 0 ,
ψ(x) := 

0 ,
falls x ≤ 0 .
die bekannterweise beliebig oft differenzierbar ist; vgl. Beispiel 7.2.20. Für ein x0 ∈ D und
δ > 0 mit Kδ (x0 ) ⊆ D sei
kx − x0 k22
f x0 ,δ (x) := ψ(1 −
).
δ2
Man sieht unmittelbar, dass der Träger von f x0 ,δ in der kompakten Menge Kδ (x0 ) enthalten ist, und dass f x0 ,δ auf D als Zusammensetzung von C ∞ -Funktionen beliebig oft
∞
differenzierbar ist; also f x0 ,δ ∈ C00
(D).
Sind nun x1 , x2 ∈ D, c1 , c2 ∈ R (C), und ist 3δ ≤ kx1 − x2 k2 , so hat die Funktion
c1 f x1 ,δ + c2 f x2 ,δ Werte c1 bei x1 und c2 bei x2 .
∞
Also können wir Korollar 12.15.10 anwenden, und erhalten, dass C00
(D) dicht in C0 (D)
ist.
12.16 Übungsaufgaben
12.1 Sei hX, di ein metrischer Raum. Zeigen Sie, dass die Abbildung
d̂(x, y) :=
d(x, y)
, x, y ∈ X ,
1 + d(x, y)
eine Metrik auf X mit T (d) = T (d̂) ist, und dass stets 0 ≤ d̂(x, y) ≤ min 1, d(x, y) .
Anmerkung: d und d̂ erzeugen zwar dieselbe Topologie, sind aber im Allgemeinen nicht
äquivalent im Sinne von (12.6).
12.2 Zeigen Sie, dass für eine Menge M und einen Filter F auf M ein Mengensystem B ⊆ F genau
dann eine Filterbasis von F ist, wenn
F = {F ∈ P(M) : ∃B ∈ B : B ⊆ F} .
Zeigen Sie auch, dass ein Mengensystem B Filterbasis höchstens eines Filters ist. Schließlich
zeige man, dass ein Mengensystem B genau dann Filterbasis eines Filters ist, wenn gilt:
(FB1) B , ∅ und ∅ < B,
12.16 Übungsaufgaben
469
(FB2) B1 , B2 ∈ B ⇒ ∃B3 ∈ B : B3 ⊆ B1 ∩ B2 .
12.3 Für eine Funktion f : M → N und einen Filter F auf M. zeige man, dass f (F) = { f (F) : F ∈
F} eine Filterbasis eines Filters G auf N ist. Man zeige, dass dabei G = {G ⊆ N : f −1 (G) ∈ F}
ist. Man gebe schließlich ein Beispiel an, sodass f (F) zwar eine Filterbasis, aber kein Filter
ist.
12.4 Sei X eine nichtleere Menge und d die diskrete Metrik, also d(x, y) = 1, x , y und d(x, x) = 0.
Man zeige, dass dann T (d) = P(X).
12.5 Man zeige, dass X = [−∞, +∞) versehen mit T< := {[−∞, a) : a ∈ [−∞, +∞]} ein topologischer ist; siehe Beispiel 12.1.4, (v).
12.6 Man zeige, dass in X = [−∞, +∞) versehen mit T< = {[−∞, a) : a ∈ [−∞, +∞]} ein Netz
(xi )i∈I gegen ein x ∈ [−∞, +∞) genau dann konvergiert, wenn x ≥ lim supi∈I xi ; vgl. Beispiel
12.1.14, (ii).
12.7 Man betrachte X := {1, 2, 3}, T := {∅, {1}, {1, 2}, X}. Man zeige, dass (X, T ) ein Topologischer
Raum ist. Ist er Hausdorffsch? Weiters bestimme man den Umgebungsfilter und eine möglichst
kleine Filterbasis davon um jeden Punkt x ∈ X.
Schließlich bestimme man den Abschluss einer jeden Teilmenge von X!
12.8 Man zeige: Ist (X, T ) ein Hausdorffraum und x ∈ X, so gilt immer ∩U∈U(x) U = {x}. Weiters
zeige man, dass {x} ⊆ X abgeschlossen ist.
12.9 Sei X eine nichtleere Menge, und definiere T1 , T2 ⊆ X als
T1 := A ⊆ X : A = ∅ oder X \ A endlich ,
T2 := A ⊆ X : A = X oder A endlich .
Für welche X sind T1 bzw. T2 Topologien? Begründen Sie Ihre Antwort!
Hinweis: Unterscheide die Fälle, dass X endlich oder unendlich ist.
12.10 Sei T die Topologie T1 aus dem letzten Beispiel! Man spricht von der cofiniten Topologie
auf der Menge X.
(i) Ist die cofinite Topologie Hausdorff?
(ii) Erfüllt sie das Trennungsaxiom T 3 ?
(iii) Erfüllt sie das Trennungsaxiom T 4 ?
12.11 Sei T wie im vorherigen Beispiel die cofinite Topologie auf der Menge X.
(i) Bestimme alle abgeschlossenen Teilmengen und den Abschluss einer beliebigen Teilmenge von X.
(ii) Ist hX, T i kompakt?
(iii) Für welche X ist T eine metrische Topologie, gibt es also eine Metrik d, sodass T =
T (d)?
470
12 Topologische Grundlagen
12.12 Für eine topologischen Raum (X, T ) zeige man:
(i) B ⊆ X ⇒ B◦ ⊆ B.
(ii) C ⊆ B ⇒ C ◦ ⊆ B◦ .
(iii) B ⊆ X ist genau dann offen, wenn B = B◦ .
(iv) C, B ⊆ X ⇒ (C ∩ B)◦ = C ◦ ∩ B◦ .
12.13 Für eine topologischen Raum (X, T ) und M ⊆ X sei ∂M := M \ M ◦ ! Man zeige:
(i) ∂M ist immer abgeschlossen.
(ii) ∂M = {x ∈ X : ∀U ∈ U(x) ⇒ U ∩ M , ∅ , U \ M}.
(iii) ∂M = ∂(M c ).
(iv) ∂M = ∅ ⇐⇒ M, M c ∈ T .
12.14 Zeigen Sie, dass in einem topologischen Raum der Durchschnitt von endlich vielen offenen
und dichten Mengen wieder offen und dicht ist.
12.15 Sei G eine Gruppe und T eine Topologie auf G, sodass für alle g ∈ G die Abbildungen
h 7→ gh und h 7→ hg stetig sind. Zeigen Sie, dass für jedes g ∈ G diese Abbildungen sogar
Homöomorphismen sind. Zeigen Sie, auch dass eine Untergruppe H von G, welche bzgl. T
offen ist, auch abgeschlossen ist!
Hinweis: Zeigen Sie, dass {gH : g ∈ G} eine Partition abgibt, also dass dieses Mengensystem
die Restklassenmenge einer Äquivalenzrelation ist.
12.16 Sei X = R2 versehen mit der von d2 induzierten Topologie. Weiters sei Y = (−1, 1) × (−1, 1)
versehen mit der von der Einschränkung d2 |Y×Y von d2 auf Y induzierten Topologie. Man
gebe einen Homöomorphismus von X auf Y an!
12.17 Zeigen Sie, dass die chordale Metrik χ (siehe Übungsbeispiel 6.39) und die 2-Metrik d2 auf
R2 C dieselbe Topologie induzieren, aber dort nicht äquivalent sind!
12.18 Sei f : X → Y mit topologischen Räumen (X, TX ) und (Y, TY ), wobei (X, TX ) das erste
Abzählbarkeitsaxiom erfüllt. Zeigen Sie, dass f bei x ∈ X genau dann stetig ist, wenn für jede
Folge (xn ) aus X mit Grenzwert x folgt, dass f (xn ) → f (x)!
12.19 Sei f : X → Y mit topologischen Räumen (X, TX ) und (Y, TY ). Zeigen Sie, dass f bei jedem
isolierten Punkt x ∈ X, also {x} ∈ TX , stetig ist. Für nicht isolierte x ∈ X zeige man, dass die
Stetigkeit in x dazu äquivalent ist, dass limi∈I f (xi ) = f (x), wobei (xi )i∈I das Netz aus Lemma
12.2.6 mit B = X \ {x} ist.
Anmerkung: Diese Äquivalenz entspricht der Charakterisierung f (x) = limt→x f (t) von
Stetigkeit im metrischen Fall; vgl. Proposition 6.1.4.
12.20 Ist (X, T ) ein topologischer Raum und B eine Basis von T , so zeige man zunächst, dass für
jedes x ∈ X das Mengensystem {B ∈ B : x ∈ B} eine Filterbasis des Umgebungsfilters U(x)
von x ist. Schließlich zeige man, dass (X, T ) separabel ist (enthält also eine abzählbare dichte
Teilmenge), wenn (X, T ) das zweite Abzählbarkeitsaxiom erfüllt!
Hinweis für den zweiten Teil: Man greife aus jedem B einen Punkt heraus, wobei B alle
Mengen einer abzählbaren Basis durchläuft, und zeige die Dichtheit dieser Menge in X!
12.16 Übungsaufgaben
471
12.21 Zeigen Sie, dass für einen metrischen Raum (X, d) auch die Umkehrung gilt: Ist (X, T (d))
separabel (enthält also eine abzählbare dichte Teilmenge), dann erfüllt (X, T (d)) das zweite
Abzählbarkeitsaxiom!
Hinweis: Betrachte {U (x) : x ∈ D, Q 3 > 0} mit D ⊆ X abzählbar und dicht!
12.22 Mit der Notation aus dem Übungsbeispiel 12.7 zeige man: Jede Basis B der Topologie T
muss schon mit T oder mit {{1}, {1, 2}, X} übereinstimmen. Weiters zeige man: V ist eine
Subbasis von T genau dann wenn V ⊇ {{1}, {1, 2}}.
12.23 Sei (X, T ) ein kompakter topologischer Raum und f : X → R stetig. Dann zeigen Sie, dass f
ein Maximum und ein Minimum auf X hat.
12.24 Seien (Xn , dn ), n ∈ N, metrische Räume. Weiters seien (cn )n∈N und (c̃n )n∈N Folgen positiver
P
Q
2
reeller Zahlen mit cn → 0 bzw. ∞
n∈N Xn →
n=1 c̃n < +∞. Definiere Abbildungen d, d̃ :
R durch
d n ( fn , g n ) ,
d( f, g) := max cn
n∈N
1 + dn ( fn , gn )
Q
d̃( f, g) :=
∞
X
c̃n
n=0
dn ( fn , gn )
,
1 + d n ( fn , g n )
wobei f = ( fn )n∈N , g = (gn )n∈N ∈ n∈N Xn . Zeige, dass d und d̃ Metriken sind, und dass
Q
sowohl T (d) als auch T (d̃) mit n∈N T (dn ) übereinstimmt.
12.25 Sei (Y, T ) ein Topologischer Raum und sei X ⊆ Y versehen mit der Spurtopologie T |X . Man
weise nach:
(i) U ⊆ X ist genau dann eine Umgebung eines x ∈ X bezüglich T |X , falls U = X ∩ V für
eine Umgebung V von x bezüglich T .
(ii) Ist A ⊆ X und ist A der Abschluss von A in (Y, T ), so ist A ∩ X genau der Abschluss
von A in (X, T |X ).
(iii) Sei (Z, O) ein weiterer topologischer Raum und f : Y → Z eine stetige Funktion. Dann
ist auch f |X : X → Z stetig, wenn man X mit T |X versieht.
12.26 Gibt es in R nichttriviale Teilmengen, also , ∅ und , R, die bzgl. E := T (d2 ) gleichzeitig
offen und abgeschlossen sind?
Hinweis: Der Begriff Zusammenhang aus dem ersten Semester!
12.27 Sei (X, T ) ein topologischer Raum, λ ≥ 0 und f1 , f2 : X → [−∞, +∞) von oben halbstetig;
vgl. Beispiel 12.3.5. Zeigen Sie, dass λ f1 und f1 + f2 ebenfalls von oben halbstetig sind,
indem sie zuerst die Stetigkeit von t 7→ λt von [−∞, +∞) in sich und von (s, t) → s + t von
[−∞, +∞) × [−∞, +∞) nach [−∞, +∞) nachweisen!
12.28 Seien hXi , Ti i, i ∈ I, topologische Räume, sei Y eine Menge, und seien fi : Y → Xi , i ∈ I,
Abbildungen. Bezeichne mit T die initiale Topologie auf Y bezüglich der Familie { fi : i ∈ I}
von Abbildungen.
Sei vorausgesetzt, dass die Familie { fi : i ∈ I} punktetrennend operiert, also dass es zu je
zwei verschiedenen Punkten a, b ∈ Y eine Funktion fi0 gibt mit fi0 (a) , fi0 (b). Zeigen Sie:
Sind alle Räume hXi , Ti i Hausdorff, so hat auch hY, T i diese Eigenschaft. Zeigen Sie auch:
Q Q
Sind alle Räume (Xi , Ti ) Hausdorff, so auch ( Xi , Ti ).
472
12 Topologische Grundlagen
Q
12.29 Sei X = R[0,1] = x∈[0,1] R die Menge aller reellwertigen Funktionen mit Definitionsbereich
D = [0, 1] versehen mit der Produkttopologie.
Man zeige, dass für f ∈ X das Mengensystem
{V x1 ,...,xn ; ( f ) : n ∈ N; x1 , . . . , xn ∈ D; > 0} ,
wobei
V x1 ,...,xn ; ( f ) := {g ∈ X : |g(x j ) − f (x j )| < , j = 1, . . . , n} ,
eine Filterbasis des Umgebungsfilters U( f ) von f abgibt. Sind die Mengen V x1 ,...,xn ; ( f ) offen
bzgl. der Produkttopologie? Zeigen Sie auch, dass der Umgebungsfilter von f keine Filterbasis
bestehend aus abzählbar vielen Mengen besitzt. Gibt es dann eine Metrik d, sodass T (d) = T ?
Hinweis: Falls es eine abzählbare Filterbasis (Uk )k∈N von U( f ) gibt, so konstruiere man
induktiv x11 , . . . xn11 , x12 , . . . xn22 , · · · ∈ [0, 1] und eine Nullfolge 1 ≥ 2 ≥ · · · > 0, sodass
V x1 ,...xn1 ,...,xk ,...xnk ;k ( f ) ⊆ Uk und daher auch (V x1 ,...xn1 ,...,xk ,...xnk ;k ( f ))k∈N eine Filterbasis abgibt.
1
1
1
1
1
1
k
k
T
Nun zeige man g ∈ k∈N V x1 ,...xn1 ,...,xk ,...xnk ;k ( f ) ⇔ g(xkj ) = f (xkj ), ∀k ∈ N, j ∈ {1, . . . , nk }.....
1
1
1
k
12.30 Mit der Notation aus dem vorherigen Beispiel sei B(D) die Teilmenge aller beschränkten
Funktion aus X. Also B(D) = { f ∈ X : supt∈D | f (t)| < +∞}.
Sei nun T1 die von der Supremumsmetrik d∞ ( f, g) := supt∈D | f (t) − g(t)| erzeugte Topologie
auf B(D), und sei T2 die Spurtopologie T |B(D) , wobei T die Produkttopologie aus dem
vorherigen Beispiel ist.
Man zeige: Wenn f j → f für ein Netz aus B(D) bzgl. T1 , dann gilt auch f j → f bzgl. T2 . Die
Umkehrung gilt aber nicht. Man zeige auch, dass T1 echt feiner als T2 ist, bzw. äquivalent
dazu, dass id : (B(D), T1 ) → (B(D), T2 ) stetig ist, aber id : (B(D), T2 ) → (B(D), T1 ) nicht
stetig ist.
12.31 Indem man eine offene Überdeckung angibt, die keine endliche Teilüberdeckung hat, zeige
man, dass (0, 1] als Teilmenge von R versehen mit E = T (d2 ) nicht kompakt ist, und dass
eine unendliche Menge X versehen mit der diskreten Topologie nicht kompakt ist.
12.32 Sei M eine dichte Teilmenge von R. Man zeige, dass {(−∞, q) : q ∈ M} ∪ {(q, ∞) : q ∈ M}
eine Subbasis der von der Euklidischen Metrik erzeugten Topologie (Euklidischen Topologie)
ist.
12.33 Zeigen Sie, dass jeder metrische, kompakte Raum auch separabel ist, also eine abzählbare
dicht Menge enthält!
12.34 Seien (X1 , T1 ) und (X2 , T2 ) kompakte topologische Räume. Man zeige ohne den Satz von
Tychonoff, dass X1 × X2 versehen mit der Produkttopologie kompakt ist!
Hinweis: Siehe Fakta 8.7.8 für den metrischen Fall!
12.35 Sei I eine gerichtete Menge und ∞ ein nicht in I enthaltenes Element. Man versehe I ∪ {∞}
derart mit einer Topologie, sodass für jeden topologischen Raum X und jedes Netz (xi )i∈I
in X mit betrefflicher Menge I als Indexmenge und jedes x ∈ X folgende beiden Aussagen
äquivalent sind:
xi → x, i ∈ I.
f : I ∪ {∞} → X ist stetig, wobei f (i) = xi und f (∞) = x.
12.16 Übungsaufgaben
473
12.36 Sei (G, T ) eine topologische Gruppe, also eine Gruppe versehen mit einer Topologie, sodass
(g, h) 7→ gh als Abbildung von G × G (versehen mit der Produkttopologie) nach G und
g 7→ g−1 als Abbildung von G nach G stetig sind. Weiters seien M1 , M2 Teilmengen von G.
Weisen Sie nach, dass wenn (I, ) eine gerichtete Menge und (xi )i∈I , (yi )i∈I zwei Netze in G
über dieser gerichteten Menge mit xi → x und yi → y für x, y ∈ G sind, dann auch xi yi → xy.
Weiters zeige man, dass wenn M1 und M2 kompakt sind, dann auch M1 · M2 eine kompakte
Teilmenge von G ist.
12.37 Mit der Notation aus vorherigen Beispiel zeige man, dass M1 · M2 abgeschlossen ist, wenn
eine der beiden Mengen abgeschlossen und die andere kompakt ist.
Hinweis: Nehmen Sie an, dass z im Abschluss von M1 · M2 ist, und betrachten Sie ein Netz,
dass aus M1 · M2 heraus gegen z konvergiert!
Anmerkung: M1 · M2 ist am Allgemeinen nicht abgeschlossen, wenn man nur fordert, dass
M1 und M2 abgeschlossen
sind. Beispielsweise sind in
√
√ der topologischen Gruppe (R, +) die
Mengen Z und 2 Z abgeschlossen. Die Menge Z + 2 Z ( R ist aber dicht in R und damit
nicht abgeschlossen.
12.38 Zeigen Sie, dass Φ = { f ∈ C 1 [0, 1] : f (0) = 0, k f 0 k∞ ≤ 1} als Teilmenge von C([0, 1], R)
relativ kompakt ist, also dass Φ kompakt ist.
12.39 Man gebe an, ob Φ ⊆ C(K, R) total beschränkt ist, wobei
(a) K = [0, 1] und Φ = {(t 7→ tn ) : n ∈ N}
(b) K = [0, 1] und Φ = { f ∈ C(K, R) : k f k∞ ≤ 1}
(c) K = [0, 1] und Φ = {(t 7→
(d) K = [0, 2] und Φ = {(t 7→
tn
n)
tn
n)
: n ∈ N}
: n ∈ N}
12.40 Ist Φ = {(t 7→ tn ) : n ∈ N} ⊆ C([0, 1), R) gleichgradig stetig? Begründung!
12.41 Zeigen Sie, dass für einen kompakten metrischen Raum K ein Φ ⊆ C(K, R) genau dann total
beschränkt ist, wenn Φ als Teilmenge des normierten Raumes (C(K, R), k.k∞ ) beschränkt ist
und wenn Φ gleichmäßig und gleichgradig stetig ist.
Letzteres bedeutet, dass es zu jeden > 0 ein δ > 0 gibt, sodass | f (x) − f (y)| < für alle
f ∈ Φ und alle x, y ∈ X mit d(x, y) < δ.
474
12 Topologische Grundlagen
Kapitel 13
Lemma von Zorn*
In diesem Anhang wollen wir insbesondere einen Beweis des Lemmas von Zorn bringen,
das im Beweis des Satzes von Tychonoff, Satz 12.12.2, verwendet wurde.
Ordnungen
13.0.1 Definition. Sei M eine Menge, und eine Relation auf M, d.h. ist eine Teilmenge
von M×M. Dann heißt Halbordnung auf M, oder kurz (M, ) Halbordnung, falls folgende
drei Axiome gelten:
Reflexiv: x ∈ M ⇒ x x.
Antisymmetrisch: x y ∧ y x ⇒ x = y.
Transitiv: x y ∧ y z ⇒ x z.
Eine Halbordnung (M, ) heißt Totalordnung, falls je zwei Elemente vergleichbar sind,
d.h.
x, y ∈ M ⇒ x y ∨ y x .
13.0.2 Definition. Sei eine Halbordnung auf der Menge M.
Ist R ⊆ M, dann heißt y obere (untere) Schranke von R, falls x y (y x) für alle x ∈ R.
Ist R ⊆ M, dann heißt ein m ∈ R maximales (minimales) Element von R, falls aus
x ∈ R ∧ m x (x ∈ R ∧ x m) folgt, dass x = m. Ein maximales (minimales) Element m
heißt größtes (kleinstes) Element von R, wenn x m (m x) für alle x ∈ R.
Ist R ⊆ M, dann heißt y Supremum oder kleinste obere Schranke (Infimum oder größte
unter Schranke) von R, falls y eine obere (untere) Schranke von R ist, und gleichzeitig
y x (x y) für alle oberen (unteren) Schranken x von R gilt.
13.0.3 Definition. Sei eine Halbordnung auf der Menge M. Dann heißt (M, ) Verband,
wenn jede zweielementige Teilmenge von M ein Supremum und ein Infimum hat.
Ein Verband (M, ) heißt vollständig, falls jede Teilmenge von M ein Supremum und ein
Infimum hat.
476
13 Lemma von Zorn*
Ist M eine Menge, so ist P(M) versehen mit der Mengeninklusion ein vollständiger
Verband. Ein weiters Beispiel ist die Menge aller Topologien auf einer Menge.
Das nun folgende Lemma von Zorn ist ein fundamentales Hilfsmittel aus der Mengenlehre.
Es ist äquivalent zum Auswahlaxiom und zum Wohlordnungssatz und war von daher
vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts umstritten. Mittlerweile sind die
Mathematiker entspannter, auch wenn ein möglicher Verzicht auf das Auswahlaxiom
immer noch in manchen Situationen explizit hervorgehoben wird.
13.0.4 Definition (Auswahlaxiom). Gegeben sei eine Indexmenge I und eine Familie von
S
nichtleeren Mengen Ai , i ∈ I, so existiert eine Funktion (Auswahlfunktion) f : I → i∈I Ai ,
sodass f (i) ∈ Ai .
Q
Man beachte, dass das Auswahlaxiom nichts anderes besagt als, dass i∈I Ai , ∅.
13.0.5 Definition. Sei (M, ≤) eine halbgeordnete Menge. Wenn für jede total geordnete
Teilmenge von M eine obere Schranke existiert, dann heißt M induktiv geordnet. Wenn
sogar jeweils eine kleinste obere Schranke existiert, dann heißt M strikt induktiv geordnet.
Folgendes Lemma ist der zentrale Hilfsatz zum Beweis des Lemma von Zorn.
13.0.6 Lemma. Es sei (M, ≤) eine nichtleere halbgeordnete Menge mit einem kleinsten
Element o, sodass M strikt induktiv ist. Schließlich sei F : M → M eine Abbildung mit der
Eigenschaft (Monotonie)
m ≤ F(m) für alle m ∈ M .
Dann gibt es ein m ∈ M mit F(m) = m.
Beweis. Wie nennen eine Teilmenge S von M zulässig, wenn die folgenden drei Bedingungen gelten: o ∈ S , F(S ) ⊆ S , und für jede total geordnete Teilmenge T ⊆ S liegt auch
die kleinste obere Schranke sup T in S . Zum Beispiel ist M selbst zulässig.
Nun sei S 0 der Durchschnitt aller zulässigen Teilmengen von M. Da in jeder zulässigen
Teilmenge auch o liegt, enthält der Durchschnitt zumindest das Element o . Außerdem
gelten auch die beiden anderen Bedingungen für Zulässigkeit. Also ist S 0 selbst zulässig
und damit die kleinste aller zulässigen Teilmengen von M.
Wenn wir nun zeigen können, dass S 0 total geordnet ist, dann folgt daraus für die kleinste
obere Schranke sup S 0 , dass sup S 0 das größte Element von S 0 ist. Somit gilt wegen der
Zulässigkeit F(sup S 0 ) ≤ sup S 0 . Wir bekommen insgesamt
sup S 0 ≤ F(sup S 0 ) ≤ sup S 0 ,
und damit die gewünschte Gleichheit. Noch zu zeigen ist also die Behauptung, dass S 0
total geordnet ist.
Für den Beweis nennen wir e ∈ S 0 ein extremales Element, wenn für alle s ∈ S 0 mit
s ≤ e, s , e (s < e) gilt, dass F(s) ≤ e. Zum Beispiel ist o extremal. Für ein extremales e
setzen wir
S e := {s ∈ S 0 : s ≤ e ∨ F(e) ≤ s} .
Dann ist für jedes extremale e die Menge S e zulässig:
477
o liegt in S e .
Für jedes Element s ∈ S e folgt aus s < e schon F(s) ≤ e, aus s = e folgt F(s) = F(e),
und aus s e folgt F(e) ≤ s ≤ F(s). Also gilt insgesamt F(S e ) ⊆ S e .
Es sei T eine total geordnete Teilmenge von S e . Wenn dann für alle t ≤ sup T die
Ungleichung t ≤ e gilt, dann gilt auch sup T ≤ e. Wenn es aber mindestens ein t gibt,
sodass t e gilt, dann ist F(e) ≤ t ≤ sup T . Wir sehen also in beiden Fällen, dass
sup T ∈ S e .
Da aber S 0 die kleinste zulässige Teilmenge von M ist, muss also für alle extremalen e
gelten:
Se = S0 .
Nun müssen wir noch zeigen, dass jedes e ∈ S 0 extremal ist. Dann folgt nämlich für s ∈ S 0 ,
dass s ∈ S e bzw.
s ≤ e ∨ e ≤ F(e) ≤ s ,
also die Tatsache, dass S 0 total geordnet ist.
Um zu beweisen, dass jedes e ∈ S 0 extremal ist, betrachten wir
E := {e ∈ S 0 : e ist extremal} .
Wir weisen nach, dass E zulässig und damit gleich S 0 ist.
o ∈ E ist klar.
Wir müssen zeigen, dass mit e auch F(e) in E liegt. Ist s ∈ S 0 = S e und s < F(e),
so müssen wir F(s) ≤ F(e) folgern. Da s ∈ S e , gilt s ≤ e oder F(e) ≤ s, wobei
wir letzteres wegen unserer Voraussetzung ausschließen können. Aus s = e folgt
trivialerweise F(s) ≤ F(e) und aus s < e folgt wegen e ∈ E, dass F(s) ≤ e ≤ F(e).
Nun sei noch T ⊆ E total geordnet. Zu zeigen ist, dass sup T ∈ E. Sei dazu s ∈
S 0 , s < sup T . Wenn für jedes t ∈ T die Relation F(t) ≤ s gelten würde, dann wäre
wegen t ≤ F(t) auch sup T ≤ s. Das ist ein Widerspruch. Also gibt es ein extremales
e ∈ T mit F(e) s, und da S 0 = S e gilt, folgt daraus zwangsweise s ≤ e. Ist s , e,
so folgt wegen e ∈ E, dass F(s) ≤ e ≤ sup T . Da sup T ∈ S 0 = S e , s < sup T folgt
aus s = e, dass F(s) = F(e) ≤ sup T . Damit folgt insgesamt, dass sup T extremal ist.
q
Nun können wir das Lemma von Zorn aus dem Auswahlaxiom herleiten.
13.0.7 Satz. Es sei (M, ≤) eine nichtleere induktiv geordnete Menge. Dann besitzt M ein
maximales Element.
478
13 Lemma von Zorn*
Beweis. Wir behandeln zuerst den Fall einer strikt induktiv geordneten Menge.
Sei x ∈ M fest. Ist m maximales Element von {y ∈ M : x ≤ y}, so ist m auch maximales
Element von M. Also dürfen wir uns auf den Fall beschränken, dass M ein kleinstes
Element enthält. Wir nehmen an, es gebe kein maximales Element. Dann finden wir für
jedes m ∈ M ein größeres Element F(m) und definieren damit eine Funktion F : M → M,
für die gilt:
∀m ∈ M : m < F(m) .
Man beachte, dass man für die Existenz einer solchen Funktion F das Auswahlaxiom
verwendet. In der Tat ist F eine Auswahlfunktion der Familie (Am )m∈M , wobei Am = {x ∈
M : m ≤ x, m , x}. Da M strikt induktiv geordnet ist, folgt aus Lemma 13.0.6 der
Widerspruch F(m) = m für ein m ∈ M.
Nun sei M induktiv geordnet, und sei H die Menge aller total geordneten Teilmengen von
M. Dann ist H bezüglich der Inklusion eine Halbordnung, und zwar eine strikt induktive,
S
denn ist T ⊆ H totalgeordnet (bzgl. ⊆), so ist es auch N∈T N (bzgl. ≤), und diese
Teilmenge von M ist auch die kleinste obere Schranke von T (bzgl. ⊆).
Also besitzt H nach dem ersten Beweisteil ein maximales Element T . Es sei O eine obere
Schranke von T . Dann muss O zu T gehören, da sonst T ∪ {O} eine total geordnete Menge
wäre, die T echt umfasste.
Dieses Element O ist dann ein maximales Element von M, denn für jedes m ∈ M folgt
aus O ≤ m, dass m eine obere Schranke von T ist, und somit ebenfalls zu T gehören muss.
Insbesondere folgt m ≤ O und damit m = O.
q
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