Kapitel 12 Topologische Grundlagen 12.1 Topologische Grundbegriffe Wir wollen in diesem und in den nächsten Abschnitten die Konvergenztheorie, wie wir sie für metrische Räume entwickelt haben, verallgemeinern. Dabei werden wir Räume betrachten, die gerade noch soviel Struktur tragen, dass wir von stetigen Funktionen, Grenzwerten, Kompaktheit etc. sprechen können. 12.1.1 Beispiel (Metrische Räume). Sei hX, di ein metrischer Raum; vgl. Definition 3.1.1. Weiters sei O die Menge aller offenen Teilmengen von X. Dabei haben wir eine Teilmenge O von X gemäß Definition 5.1.4 offen genannt, wenn es zu jedem x ∈ O ein > 0 gibt, sodass die -Kugel U (x) = {y ∈ X : d(y, x) < } ganz in O enthalten ist. Wir haben in Beispiel 5.1.5 bzw. in Proposition 5.1.6 gesehen, dass ∅, X ∈ O, dass für O1 , O2 ∈ O auch O1 ∩ O2 ∈ O, und dass mit Oi ∈ O, i ∈ I für eine beliebige Indexmenge I S auch i∈I Oi ∈ O. Wir nehmen diese aufgezählten Eigenschaften als Ausgangspunkt unserer angestrebten Verallgemeinerung. 12.1.2 Definition. Sei X eine nichtleere Menge und T ⊆ P(X) ein System von Teilmengen von X. Erfülle T die Eigenschaften: (01) ∅ ∈ T , X ∈ T . (02) Aus O1 , . . . , On ∈ T folgt für beliebiges n ∈ N, dass Tn Oi ∈ T . S (03) Aus Oi ∈ T , i ∈ I, mit einer beliebigen Indexmenge I folgt i∈I Oi ∈ T . i=1 Dann heißt T eine Topologie auf X. Die Elemente von T heißen offene Mengen, und man nennt (X, T ) einen topologischen Raum. 12.1.3 Bemerkung. Mittels Vollständiger Induktion sieht man sofort, dass (O2) äquivalent zu der Tatsache ist, dass aus O1 , O2 ∈ T auch O1 ∩ O2 ∈ T folgt. 414 12 Topologische Grundlagen 12.1.4 Beispiel. (i) Wir haben oben daran erinnert, dass die Menge O aller offenen Mengen eines metrischen Raumes hX, di die Axiome (01)-(03) erfüllt. Damit ist (X, O) ein topologischer Raum. Man sagt, O ist die von der Metrik d induzierte Topologie. Wir schreiben auch T (d) für O. (ii) Ist Y = R p versehen mit der Metrik d2 , so heißt die von d2 induzierte Topologie T (d2 ) Euklidische Topologie. Die Metriken d1 und d∞ induzieren ebenfalls die Euklidische Topologie. (iii) Das Mengensystem T := P(X) erfüllt klarerweise (01)-(03), und ist somit eine Topologie auf X. Man spricht von der diskreten Topologie. Diese Topologie wird übrigens von der diskreten Metrik induziert; siehe Beispiel 3.1.5. (iv) Sei T := {∅, X}. Wieder sind (01)-(03) trivialerweise erfüllt. Man spricht von der Klumpentopologie. (v) X = [−∞, +∞) versehen mit T< := {[−∞, a) : a ∈ [−∞, +∞]} ist ebenfalls ein topologischer Raum, wie man sich leicht überzeugen kann. Eines unserer Ziele wird es sein, Konvergenz gegen einen Punkt oder Stetigkeit bei einem Punkt für unsere Räume zu verallgemeinern. Dazu benötigen wir ein Analogon zum Begriff der -Kugel. 12.1.5 Definition. Sei (X, T ) ein topologischer Raum und x ∈ X. Eine Menge U ⊆ X heißt Umgebung von x, wenn es eine offene Menge O ∈ T mit x ∈ O ⊆ U gibt. U(x) bezeichne die Menge aller Umgebungen von x, also den sogenannten Umgebungsfilter von x. Der Begriff Filter ist ein allgemeines mengentheoretisches Konzept. 12.1.6 Definition. Sei M eine nichtleere Menge. Dann heißt ein Mengensystem F ⊆ P(M) ein Filter, wenn (F1) F , ∅ und ∅ < F, (F2) F1 , F2 ∈ F ⇒ F1 ∩ F2 ∈ F, (F3) F1 ∈ F, F1 ⊆ F2 ⊆ M ⇒ F2 ∈ F. Ist (X, T ) ein topologischer Raum, so ist der Umgebungsfilter U(x) tatsächlich ein Filter: (F1): Es gilt X ∈ U(x), und jede Menge U ∈ U(x) enthält x und ist damit nicht leer. (F2): Aus U1 , U2 ∈ U(x) folgt die Existenz von O1 , O2 ∈ T mit x ∈ O1 ⊆ U1 und x ∈ O2 ⊆ U2 , und somit x ∈ O1 ∩ O2 ⊆ U1 ∩ U2 , wobei wegen (O2) sicherlich O1 ∩ O2 ∈ T , und daher U1 ∩ U2 ∈ U(x). 12.1 Topologische Grundbegriffe 415 (F3): Aus U1 ∈ U(x) und U1 ⊆ U2 ⊆ X folgt die Inklusion x ∈ O ⊆ U1 für ein gewisses O ∈ T , und somit x ∈ O ⊆ U2 bzw. U2 ∈ U(x). Die passende Verallgemeinerung des Systems aller -Kugeln um einen festen Punkt in einem metrischen Raum für topologische Räume ist der Begriff der Filterbasis des Umgebungsfilters. 12.1.7 Definition. Sei M eine nichtleere Menge und F ein Filter. Dann heißt ein Mengensystem B ⊆ F eine Filterbasis von F, wenn man zu jeder Menge F ∈ F ein B ∈ B findet, sodass B ⊆ F. 12.1.8 Definition. Man sagt ein topologischer Raum (X, T ) erfüllt das erste Abzählbarkeitsaxiom (ABI), wenn für jedes x ∈ X der Umgebungsfilter U(x) eine Filterbasis bestehend aus abzählbar vielen Mengen hat. 12.1.9 Beispiel. (i) Klarerweise ist ein Filter eine Filterbasis von sich selbst. (ii) Für einen topologischen Raum (X, T ) und x ∈ X ist {O ∈ T : x ∈ O} eine Filterbasis von U(x). (iii) Sei hX, di ein metrischer Raum und T (d) die von der Metrik erzeugte Topologie. Für x ∈ X ist {U (x) : > 0} eine Filterbasis von U(x): U (x) ist eine Umgebung, weil alle offene -Kugeln offen sind; vgl. Beispiel 5.1.5, (iii). Ist U ∈ U(x) beliebig, so gibt es eine offene Menge O ∈ T (d), sodass x ∈ O ⊆ U. Aus der Definition offener Mengen in metrischen Räumen folgt U (x) ⊆ O ⊆ U für ein gewisses > 0. Damit ist obiges Mengensystem eine Filterbasis. Auf ähnliche Weise sieht man, dass {K (x) : > 0} oder auch {Un (x) : n ∈ N}, wenn (n )n∈N eine Nullfolge aus (0, +∞) ist, eine Basis des Umgebungsfilter U(x) ist. Insbesondere erfüllt jeder metrische Raum das erste Abzählbarkeitsaxiom. 12.1.10 Lemma. Sei (X, T ) ein topologischer Raum, und sei für jeden Punkt x ∈ X eine Filterbasis W(x) von U(x)1 gegeben. Eine Menge O ⊆ X ist genau dann offen, also O ∈ T , wenn ∀x ∈ O ⇒ O ∈ U(x) , (12.1) bzw. genau dann, wenn ∀x ∈ O ∃W ∈ W(x) : W ⊆ O . (12.2) Beweis. Für feste x ∈ X und O ⊆ X bedeutet die Tatsache ∃W ∈ W(x) : W ⊆ O gemäß der Definition einer Filterbasis nicht anderes als O ∈ U(x). Also sind (12.1) und (12.2) äquivalent. 1 Es ist nicht ausgeschlossen, dass W(x) = U(x). 416 12 Topologische Grundlagen Ist O ∈ T und x ∈ O, so folgt daraus O ∈ U(x); vgl. Beispiel 12.1.9, (ii). Gilt umgekehrt O ∈ U(x) für alle x ∈ O, so gibt es wegen der Definition von U(x) zu jedem x ∈ O eine offene, x enthaltende Teilmenge O x von O, und daher [ [ O= {x} ⊆ Ox ⊆ O . x∈O x∈O Als Vereinigung der offenen Mengen O x muss O nach (O3) selber offen sein. q Nun können wir den Grenzwert eines Netzes auch für topologische Räume definieren. 12.1.11 Definition. Sei (I, ) eine gerichtete Menge und (xi )i∈I ein Netz in X, wobei (X, T ) ein topologischer Raum ist. Man sagt, dass dieses Netz gegen einen Punkt x ∈ X i∈I konvergiert, in Zeichen xi −→ x, falls ∀U ∈ U(x) ∃i0 ∈ I : ∀i i0 ⇒ xi ∈ U , also falls in jeder beliebigen Umgebung ab einem gewissen Index alle Glieder xi des Netzes enthalten sind. 12.1.12 Fakta. 1. Offenbar konvergieren in jedem topologischen Raum konstante Netze (xi )i∈I , xi = x für alle i ∈ I, gegen x. 2. Ist W(x) eine Filterbasis von U(x), so ist die Konvergenzbedingung aus Definition 12.1.11 äquivalent zu ∀W ∈ W(x) ∃i0 ∈ I : ∀i i0 ⇒ xi ∈ W , da einerseits wegen W(x) ⊆ U(x) diese Bedingung sicherlich eine Konsequenz aus der in Definition 12.1.11 ist, und da andererseits aus U ∈ U(x) die Existenz eines W ∈ W(x) mit W ⊆ U folgt, und dann mit der gegenwärtigen Bedingung, dass xi ∈ W ⊆ U für alle i i0 mit einem gewissen i0 ∈ I. 3. Ist (xi( j) ) j∈J ein Teilnetz von (xi )i∈I , also i : J → I, wobei auch (J, J ) eine gerichtete Menge ist, mit ∀i ∈ I ∃ j0 ∈ J : ∀ j J j0 ⇒ i( j) i , und konvergiert (xi )i∈I gegen x, so konvergiert auch (xi( j) ) j∈J gegen x. Um das zu sehen, sei U ∈ U(x) und i0 ∈ I, sodass i i0 ⇒ xi ∈ U. Ist nun j0 ∈ J, sodass j J j0 ⇒ i( j) i0 , so folgt auch xi( j) ∈ U für alle j J j0 . 12.1.13 Bemerkung. Wir sehen nun aus Fakta 12.1.12, dass diese Definition der Konvergenz mit der in metrischen Räumen konform geht. In der Tat haben wir x = limi∈I xi in einem metrischen Raum hX, di genau dann, wenn ∀ > 0 ∃i0 ∈ I : ∀i i0 ⇒ xi ∈ U (x) . 12.1 Topologische Grundbegriffe 417 Da {U (x) : > 0} eine Filterbasis von U(x) ist, stimmt diese Bedingung mit der aus Fakta 12.1.12, 2, überein. Wir sehen insbesondere, dass die Konvergenz nicht von der konkreten Metrik, sondern nur von der von ihr erzeugten Topologie abhängt; vgl. Beispiel 12.3.11. Wir haben in der Definition der Konvergenz absichtlich nicht die Schreibweise x = limi∈I xi verwendet, denn es kann sein, dass x nicht der einzige Grenzwert ist. 12.1.14 Beispiel. (i) Man betrachte eine Menge X mit mindestens zwei Elementen versehen mit der Klumpentopologie. Dann ist U(x) = {X} für alle x ∈ X. Damit konvergiert aber jedes Netz gegen jeden Punkt x ∈ X. (ii) Sei X = [−∞, +∞) versehen mit der Topologie T< = {[−∞, a) : a ∈ [−∞, +∞]}; vgl. Beispiel 12.1.4, (v). Ein Netz (xi )i∈I aus [−∞, +∞) konvergiert gegen ein x ∈ [−∞, +∞) bzgl. T< genau dann, wenn x ≥ lim supi∈I xi , wobei lim sup xi = inf sup xi (∈ [−∞, +∞]) . k∈I I3ik i∈I Insbesondere sind mit x auch alle t ≥ x Grenzwerte von (xi )i∈I . Also sind auch auf diesem Raum Grenzwert nicht eindeutig. Man muss eine zusätzliche Eigenschaft vom gegebenen topologischen Raum fordern, damit Grenzwerte eindeutig sind. 12.1.15 Definition. Ein topologischer Raum (X, T ) heißt T 2 -Raum (oder Hausdorff-Raum), wenn gilt: (T 2 ) Zu je zwei Punkten x, y ∈ X, x , y, gibt es disjunkte offene Mengen O x und Oy , sodass x ∈ O x , y ∈ Oy . Oy Ox y x Abbildung 12.1: Zweites Trennungsaxiom (T 2 ) Man sieht unmittelbar, dass diese Eigenschaft zu der Tatsache äquivalent ist, dass es zu zwei verschiedenen Punkten x, y zwei Umgebungen U ∈ U(x), V ∈ U(y) gibt mit U ∩ V = ∅. 418 12 Topologische Grundlagen 12.1.16 Beispiel. Die von einer Metrik d auf einer Menge X induzierte Topologie ist Hausdorff. Sind nämlich x, y ∈ X, x , y, so gilt d(x, y) > 0. Setze := 13 d(x, y) und betrachte die Umgebungen U := U (x), V := U (y) . Angenommen es wäre z ∈ U ∩ V, dann erhielten wir den Widerspruch 1 1 2 d(x, y) ≤ d(x, z) + d(z, y) < d(x, y) + d(x, y) = d(x, y) . 3 3 3 Der Beweis der Eindeutigkeit des Grenzwertes eines Netzes wird nun fast wörtlich vom metrischen Fall übertragen. 12.1.17 Lemma. Sei (xi )i∈I ein konvergentes Netz in einem topologischen (T 2 )-Raum. Dann ist der Grenzwert von (xi )i∈I eindeutig. Beweis. Wären x, y zwei verschiedene Grenzwerte, so wähle man disjunkte Umgebungen U ∈ U(x) und V ∈ U(y). Dann wähle man i1 ∈ I und i2 ∈ I mit i i1 ⇒ xi ∈ U und i i2 ⇒ xi ∈ V. Da I gerichtet ist, gibt es ein i ∈ I, i i1 , i i2 , und somit xi ∈ U ∩ V, was aber ein Widerspruch zu U ∩ V = ∅ ist. q 12.2 Abgeschlossene Mengen 12.2.1 Definition. Sei (X, T ) ein topologischer Raum. Eine Menge A ⊆ X heißt abgeschlossen, wenn Ac offen ist. 12.2.2 Lemma. Sei X eine Menge. Ist T eine Topologie auf X und bezeichnet A die Menge aller abgeschlossenen Mengen in (X, T ), so gilt: (A1) ∅ ∈ A, X ∈ A. (A2) Aus A1 , . . . , An ∈ A folgt für beliebiges n ∈ N, dass A1 ∪ . . . ∪ An ∈ A. T (A3) Aus Ai ∈ A, i ∈ I, folgt i∈I Ai ∈ A. Beweis. Die Axiome (A1) - (A3) gehen bei Komplementbildung genau in die Axiome (O1) - (O3) über. q 12.2.3 Definition. Sei (X, T ) ein topologischer Raum, und sei B ⊆ X. Die Menge \n o B := A ⊆ X : A abgeschlossen, A ⊇ B (12.3) heißt der Abschluss von B. Wenn man explizit klarstellen will, bezüglich welcher Topologie T der Abschluss gebildet wird, dann schreibt man für B auch B . Gilt C ⊆ B ⊆ X und B ⊆ C, so heißt C dicht in B. Ist C dicht in X, so sagt man kurz, C ist dicht. 12.2 Abgeschlossene Mengen 419 12.2.4 Lemma. Sei (X, T ) topologischer Raum und B ⊆ X. Dann ist B die kleinste abgeschlossene Menge, die B umfasst. Beweis. Wegen (A1) ist die Menge, über die in (12.3) der Durchschnitt gebildet wird, nicht leer. Wegen (A3) ist B abgeschlossen. Ist A abgeschlossen und A ⊇ B, so kommt A auf der rechten Seite von (12.3) vor, also gilt A ⊇ B. q 12.2.5 Lemma. Sei (X, T ) topologischer Raum. Dann gilt: (i) Für B ⊆ X gilt B ⊆ B. (ii) Ist C ⊆ B ⊆ X, so folgt C ⊆ B. (iii) Für C, B ⊆ X folgt C ∪ B = C ∪ B. (iv) Eine Menge B ⊆ X ist genau dann abgeschlossen, wenn B = B. Beweis. (i) Folgt unmittelbar aus der Definition. (ii) Wegen B ⊇ B ⊇ C ist B eine abgeschlossene Menge, die C umfasst, und da C die kleinste derartige Menge ist, gilt B ⊇ C. (iii) Die Menge C ∪ B ist eine abgeschlossene Menge, die C ∪ B umfasst. Also gilt C ∪ B ⊆ C ∪ B. Andererseits folgt aus C ⊆ C ∪ B, dass C ⊆ C ∪ B, und genauso B ⊆ C ∪ B. Damit gilt auch C ∪ B ⊆ C ∪ B. (iv) B = B gilt genau dann, wenn B die kleinste abgeschlossene Menge ist, die B enthält. Somit ist das genau dann der Fall, wenn B abgeschlossen ist. q Wenn man sich an die Definition von Abschluss und abgeschlossener Menge in metrischen Räumen zurück erinnert, so haben wir dort einen Zugang über Häufungspunkte gewählt. In Proposition 12.2.7 werden wir sehen, dass auch in allgemeinen topologischen Räumen der Abschluss bzw. der Begriff der abgeschlossenen Menge auf ähnliche Weise charakterisiert werden kann. Davor wollen wir ein kanonisches Netz konstruieren, das gegen einen gegebenen Punkt konvergiert. 12.2.6 Lemma. Sei (X, T ) topologischer Raum, B ⊆ X und x ∈ X, sodass U ∩ B , ∅ für alle U ∈ U(x). Wir versehen die Menge I = {(y, U) : U ∈ U(x), y ∈ U ∩ B} , mit der Relation (y1 , U1 ) (y2 , U2 ) :⇔ U1 ⊇ U2 . Ist (xi )i∈I das Netz definiert durch xi := y, wenn i = (y, U), so konvergiert es gegen x. 420 12 Topologische Grundlagen Beweis. Die Relation ist offensichtlich reflexiv und transitiv. Sind (z, V), (y, U) ∈ I, so folgt U ∩ V ∈ U(x). Voraussetzungsgemäß gibt es ein b ∈ U ∩ V ∩ B, und daher (z, V), (y, U) (b, U ∩ V). Somit ist (I, ) gerichtet. Definitionsgemäß ist immer xi ∈ B. Da zu U ∈ U(x) und beliebigen y ∈ U ∩ B aus i = (z, V) (y, U) folgt, dass xi = z ∈ V ⊆ U, sehen wir, dass (xi )i∈I gegen x konvergiert. q 12.2.7 Proposition. Sei (X, T ) topologischer Raum, B ⊆ X, x ∈ X und W(x) eine beliebige Filterbasis von U(x). Dann sind folgende Aussagen äquivalent. (i) x ∈ B. (ii) Für alle U ∈ U(x) gilt B ∩ U , ∅. (iii) Für alle W ∈ W(x) gilt B ∩ W , ∅. (iv) Es gibt ein Netz (xi )i∈I mit xi ∈ B, sodass x ein Grenzwert davon ist. Beweis. Laut Definition ist x < B zur Existenz einer abgeschlossenen Menge A mit x < A, A ⊇ B äquivalent. Da die offenen Mengen genau die Komplemente der abgeschlossenen sind, ist das äquivalent zur Existenz einer Menge O ∈ T mit x ∈ O, O ∩ B = ∅. Geht man zu den Negationen über, so erhalten wir, dass (x ∈ B) ⇔ (∀O ∈ T , x ∈ O ⇒ B ∩ O , ∅) . Man erkennt sofort, dass die rechte Seite zu (ii) äquivalent ist. (ii) ⇔ (iii) folgt unmittelbar aus der Tatsache, dass W(x) eine Filterbasis von U(x) ist, und (ii) ⇒ (iv) erhalten wir aus Lemma 12.2.6. Gilt schließlich (iv) und ist U ∈ U(x), so folgt xi ∈ U ∩ B für alle i i0 mit einem gewissen i0 . Also haben wir U ∩ B , ∅. q In Analogie zum Begriff des Häufungspunktes / isolierten Punktes einer Menge in metrischen Räumen in Definition 5.1.7 definieren wir: 12.2.8 Definition (*). Sei (X, T ) topologischer Raum und B ⊆ X. Ein x ∈ X heißt Häufungspunkt von B, wenn (B \ {x}) ∩ U , ∅ für alle U ∈ U(x) . Ein x ∈ B heißt isolierter Punkt von B, wenn es ein U ∈ U(x) gibt, sodass U ∩ B = {x}. Man erkennt leicht, dass x ∈ X genau dann isoliert ist, wenn {x} ∈ T . 12.2.9 Bemerkung (*). Aus Proposition 12.2.7 erkennt man sofort, dass x genau dann Häufungspunkt von B ist, wenn x ∈ B \ {x}, bzw. wenn (xi )i∈I → x für ein Netz aus B \ {x}; vgl. Lemma 5.1.12. Man erkennt auch leicht aus Proposition 12.2.7, dass B mit der Vereinigung von B und der Menge aller Häufungspunkte von B übereinstimmt. 12.2 Abgeschlossene Mengen 421 12.2.10 Bemerkung. Ist hX, di ein metrischer Raum, B ⊆ X und nimmt man als W(x) die Menge aller offenen -Kugeln um x, so sieht man durch einen Vergleich von Proposition 12.2.7 und (5.1), dass x ∈ B genau dann, wenn x ∈ c(B). Also stimmt der Abschluss in metrischen Räumen mit dem topologischen Abschluss überein. Der Grund, warum man in metrischen Räumen das Auslangen mit Folgen findet, daher x ∈ B genau dann, wenn xn → x für eine Folge aus B, ist die Gültigkeit des ersten Abzählbarkeitsaxioms. In der Tat, kann man unter der Voraussetzung (ABI) die Konstruktion in Lemma 12.2.6 folgendermaßen abändern: Ist W(x) = {Wn : n ∈ N} eine abzählbare Filterbasis von U(x), und wählen wir xn ∈ B ∩ W1 ∩ · · · ∩ Wn , so erhält man eine Folge (xn )n∈N in B, sodass zu vorgegebenem U ∈ U(x) ein N ∈ N mit WN ⊆ U existiert, und daher xn ∈ W1 ∩ · · · ∩ WN ∩ · · · ∩ Wn ⊆ U für alle n ≥ N . Also konvergiert (xn )n∈N für n → ∞ gegen x. Genauso wie die abgeschlossenen Mengen via Komplementbildung den offenen Mengen entsprechen, ist das duale Analogon des Abschlusses das sogenannte Innere. 12.2.11 Definition. Das Innere B◦ einer Teilmenge B eines topologischen Raumes (X, T ) ist definiert durch [ B◦ = {O ∈ T : O ⊆ B} . 12.2.12 Fakta. 1. Man sieht unmittelbar, dass x ∈ B◦ ⇔ B ∈ U(x). Ähnlich wie beim Abschluss sieht man, dass B◦ die größte in B enthaltene offene Menge ist. Damit ist B genau dann offen, wenn B = B◦ . 2. Da die Komplemente von den offenen Mengen genau die abgeschlossenen Mengen sind, besteht folgender Zusammenhang mit dem Abschluss von Mengen. oc c \ n A ⊆ X : A abgeschlossen, A ⊇ Bc Bc = oc \ n = Oc ⊆ X : O offen, O ⊆ B = B◦ . Die Begriffsbildung, welche der des Häufungspunktes einer Folge entspricht, ist die des Häufungspunktes eines Netzes. 12.2.13 Definition (*). Sei (X, T ) ein topologischer Raum und (xi )i∈I ein Netz in X. Dann heißt x ∈ X Häufungspunkt von (xi )i∈I , falls ∀U ∈ U(x)∀i ∈ I ∃ j ∈ I : i j ∧ x j ∈ U . Man beachte, dass im Allgemeinen die Menge der Häufungspunkte eines Netzes (xi )i∈I nicht mit der Menge der Häufungspunkte der Bildmenge {xi : i ∈ I} übereinstimmt; vgl. Definition 12.2.8. Als Beispiel betrachte man dazu einfach konstante Netze. 422 12 Topologische Grundlagen 12.2.14 Bemerkung (*). Vergleicht man das mit Proposition 12.2.7, so ist x Häufungspunkt von (xi )i∈I genau dann, wenn er im Schnitt aller Mengen der Form {x j : j ∈ I, i j} , also in \ i∈I {x j : j ∈ I, i j} (12.4) enthalten ist. Offenbar ist ein Limes eines Netzes auch Häufungspunkt. Die Umkehrung gilt im Allgemeinen nicht, wie man z. B. bei Folgen in R schon unschwer erkennen kann. Eine alternative Charakterisierung von Häufungspunkten verwendet das Konzept von Teilnetzen. 12.2.15 Lemma (*). Der Punkt x ist Häufungspunkt von (xi )i∈I genau dann, wenn x Limes eines Teilnetzes (xi(k) )k∈K ist. Beweis. Ist (xi(k) )k∈K ein Teilnetz, so gibt es zu i0 ∈ I ein k0 ∈ K, sodass i0 i(k) für alle k k0 . Also gilt {xi : i ∈ I, i0 i} ⊇ {xi(k) : k ∈ K, k0 k} , und damit \ i0 ∈I {xi : i ∈ I, i0 i} ⊇ \ k0 ∈K {xi(k) : k ∈ K, k0 k} . (12.5) Ist nun x Limes von (xi(k) )k∈K , so ist er insbesondere Häufungspunkt dieses Teilnetzes, und wegen (12.5) ein Häufungspunkt von (xi )i∈I . Ist umgekehrt x Häufungspunkt von (xi )i∈I , so betrachte die Menge K = {( j, U) : j ∈ I, U ∈ U(x), x j ∈ U} versehen mit der Relation ( j1 , U1 ) ( j2 , U2 ) :⇔ j1 j2 ∧ U1 ⊇ U2 . Sind ( j1 , U1 ), ( j2 , U2 ) ∈ K, und ist j0 ∈ I mit j1 , j2 j0 , so gibt es wegen der Voraussetzung zu der Umgebung U3 = U1 ∩ U2 von x ein j3 ∈ I mit j0 j3 und x j3 ∈ U3 . Also gilt ( j1 , U1 ), ( j2 , U2 ) (i3 , U3 ), und wir sehen, dass (K, ) eine gerichtete Menge ist. Setzen wir i( j, U) = j, so ist (xi( j,U) )( j,U)∈K ein gegen x konvergentes Teilnetz von (xi )i∈I . q 12.2.16 Lemma (*). Ein Netz (xi )i∈I konvergiert genau dann gegen x, wenn x Häufungspunkt eines jeden Teilnetzes von (xi )i∈I ist. Beweis. Konvergiert (xi )i∈I gegen x, so auch jedes Teilnetz, und daher ist x Häufungspunkt dieses Teilnetzes. Ist (xi )i∈I nicht gegen x konvergent, so gibt es eine Umgebung U von x, sodass ∀i ∈ I ∃ j ∈ I, i j : x j < U . Dieses Faktum stellt sicher, dass (K, |K×K ) mit K = {i ∈ I : xi < U} eine gerichtete Menge ist, wobei das Teilnetz (xi )i∈K den Punkt x offenbar nicht als Häufungspunkt hat. q 12.3 Stetige Abbildungen 12.3 423 Stetige Abbildungen 12.3.1 Definition. Seien (X, T ) und (Y, O) topologische Räume und f : X → Y eine Abbildung. Ist x ∈ X, so heißt f stetig im Punkt x, wenn gilt: Für alle V ∈ U( f (x)) existiert ein U ∈ U(x) mit f (U) ⊆ V . Die Abbildung f heißt stetig, wenn sie in jedem Punkt x ∈ X stetig ist. 12.3.2 Beispiel. (i) Sei (X, T ) topologischer Raum. Die Abbildung idX : (X, T ) → (X, T ) ist stetig, denn ist x ∈ X und V ∈ U(idX x) = U(x), so erfüllt U = V ∈ U(x) die Bedingung idX (U) = V ⊆ V. (ii) Seien (X, T ), (Y, O) topologische Räume und sei a ∈ Y. Die konstante Abbildung ( (X, T ) → (Y, O) , f : x 7→ a. ist stetig, denn ist x ∈ X und V ∈ U( f (x)) = U(a), so erfüllt U = X ∈ U(x) die Bedingung f (U) = {a} ⊆ V. (iii) Sei X versehen mit der diskreten Topologie T = P(X), und sei (Y, O) irgendein topologischer Raum. Dann ist jede Abbildung f : (X, P(X)) → (Y, O) stetig. In der Tat gilt für x ∈ X, V ∈ U( f (x)), dass U = {x} ∈ U(x) die geforderte Inklusion f (U) = { f (x)} ⊆ V erfüllt. Zieht man in Betracht, dass in einem metrischen Raum die -Kugeln eine Umgebungsbasis um einen Punkt bilden, so ist das im folgenden Lemma auftretende Kriterium (ii) für die Stetigkeit eine unmittelbare Verallgemeinerung des wohlbekannten - δ Kriteriums aus Definition 6.1.1. Bei Funktionen auf metrischen Räumen haben wir auch gesehen, dass die Stetigkeit in einem Punkt x auch durch die Implikation xn → x ⇒ lim f (xn ) = f (x) n→∞ charakterisiert werden kann. Man hat in allgemeinen topologischen Räumen eine ähnliche Charakterisierung, wobei man jedoch nicht mehr mit Folgen das Auslangen findet, siehe (iii) im folgenden Lemma. 12.3.3 Lemma. Seien (X, T ), (Y, O) topologische Räume, f : X → Y eine Abbildung, x ∈ X, und seien W(x) bzw. W( f (x)) beliebige Umgebungsbasen von x in (X, T ) bzw. von f (x) in (Y, O). Dann sind folgende Aussagen äquivalent. (i) f ist im Punkt x stetig. (ii) Für jedes V ∈ W( f (x)) existiert ein U ∈ W(x) mit f (U) ⊆ V. 424 12 Topologische Grundlagen (iii) Für jedes gegen x konvergente Netz (xi )i∈I in X folgt, dass das Netz ( f (xi ))i∈I gegen f (x) konvergiert. Beweis. (i) ⇒ (ii) : Sei V ∈ W( f (x)). Dann ist auch V ∈ U( f (x)) und daher gibt es U 0 ∈ U(x) mit f (U 0 ) ⊆ V; vgl. Definition 12.3.1. Nun ist W(x) Umgebungsbasis von x. Gemäß Definition 12.1.7 gibt es ein U ∈ W(x) mit U ⊆ U 0 und infolge f (U) ⊆ V. (ii) ⇒ (i) : Sei V ∈ U( f (x)), und wähle W ∈ W( f (x)) mit W ⊆ V. Dann gibt es U ∈ W(x) ⊆ U(x) mit f (U) ⊆ W ⊆ V. Nach Definition 12.3.1 ist f somit in x stetig. (i) ⇒ (iii) : Konvergiert (xi )i∈I gegen x, und ist V ∈ U( f (x)), so existiert wegen der Stetigkeit ein U ∈ U(x) mit f (U) ⊆ V. Wegen der Konvergenz findet man ein ein i0 ∈ I, sodass i i0 ⇒ xi ∈ U und damit auch f (xi ) ∈ V. Also konvergiert ( f (xi ))i∈I gegen f (x). (iii) ⇒ (i) : Wäre f nicht bei x stetig, so gäbe es eine Umgebung V von f (x), sodass f (U) ∩ V c , ∅, oder äquivalent U ∩ f −1 (V c ) , ∅, für alle U ∈ U(x). Nach Lemma 12.2.6 gibt es ein Netz (xi )i∈I in f −1 (V c ), welches gegen x konvergiert. Andererseits ist aber f (xi ) ∈ V c für alle i ∈ I, womit f (xi ) i∈I sicherlich nicht gegen f (x) konvergieren kann. q 12.3.4 Bemerkung. Mit einer Konstruktion ähnlich wie in Bemerkung 12.2.10 sieht man, dass, wenn X das erste Abzählbarkeitsaxiom erfüllt, also insbesondere in metrischen Räumen, die Stetigkeit bei x mit Hilfe von Folgen dadurch charakterisiert werden kann, dass aus xn → x auch limn→∞ f (xn ) = f (x) folgt. 12.3.5 Beispiel. Sei (X, T ) ein topologischer Raum. Eine Abbildung f : X → [−∞, +∞) heißt in einem Punkt x ∈ X halbstetig von oben oder oberhalbstetig, falls f im Punkt x stetig ist, wenn man [−∞, +∞) mit der Topologie T< = {[−∞, a) : a ∈ [−∞, +∞]} versieht; vgl. Beispiel 12.1.4, (v). f heißt halbstetig von oben bzw. oberhalbstetig auf X, wenn f bei allen x ∈ X halbstetig von oben ist, also wenn f : X → [−∞, +∞) stetig ist, wobei [−∞, +∞) die Topologie T< trägt. In Beispiel 12.1.14, (ii), haben wir gesehen, dass ein Netz (ξi )i∈I in [−∞, +∞) gegen ein ξ ∈ [−∞, +∞) bezüglich T< genau dann konvergiert, wenn ξ ≥ lim supi∈I ξi . Aus Lemma 12.3.3 erkennen wir somit, dass f in x genau dann von oben halbstetig ist, wenn f (x) ≥ lim sup f (xi ) i∈I für alle gegen x konvergente Netze (xi )i∈I aus X. Eine Funktion f : X → (−∞, +∞] heißt in einem Punkt x ∈ X halbstetig von unten oder unterhalbstetig, falls f im Punkt x stetig ist, wenn man (−∞, +∞] mit der Topologie T> = {(a, +∞] : a ∈ [−∞, +∞]} versieht. Offenbar ist diese Eigenschaft zur Halbstetigkeit von oben der Funktion − f bei x und somit auch zu f (x) ≤ lim inf i∈I f (xi ) für alle gegen x konvergente Netze (xi )i∈I aus X äquivalent. 12.3 Stetige Abbildungen 425 12.3.6 Satz. Seien (X, T ), (Y, O) topologische Räume, und sei f : X → Y. Dann sind folgende Aussagen äquivalent: (i) f ist stetig. (ii) f −1 (O) ∈ T für jede offene Menge O ∈ O; also die Urbilder von offenen Mengen sind offen. (iii) Die Urbilder von abgeschlossenen Mengen sind abgeschlossen. (iv) Für jede Teilmenge B ⊆ X gilt f (B) ⊆ f (B). Beweis. (i) ⇒ (ii) : Sei O ∈ O. Ist x ∈ f −1 (O), so gilt f (x) ∈ O. Da O offen ist, erhalten wir O ∈ U( f (x)). Infolge gibt es eine Umgebung U ∈ U(x) mit f (U) ⊆ O, bzw. äquivalent dazu U ⊆ f −1 (O). Mit Lemma 12.1.10 folgt f −1 (O) ∈ T . (ii) ⇒ (iii) : Sei A abgeschlossene Teilmenge von Y. Dann ist (A)c offen und wegen (ii) gilt c f −1 (A) = f −1 (Ac ) ∈ T . Also ist f −1 (A) abgeschlossen. (iii) ⇒ (iv) : Wegen f (B) ⊇ f (B) gilt f −1 ( f (B)) ⊇ B. Da nach Voraussetzung f −1 ( f (B)) abgeschlossen in (X, T ) ist, folgt f −1 ( f (B)) ⊇ B und daher f (B) ⊇ f (B). (iv) ⇒ (i) : Sei x ∈ X und V ∈ U( f (x)) gegeben. Wir müssen ein U ∈ U(x) mit f (U) ⊆ V konstruieren. Dazu setze man W := f −1 (V). Dann gilt f (W c ) = f ( f −1 (V c )) ⊆ V c und daher f (W c ) ⊆ f (W c ) ⊆ V c . Aus Proposition 12.2.7 erhalten wir wegen V ∈ U( f (x)) und V ∩ V c = ∅, dass f (x) < V c und wegen obiger Inklusion infolge x < W c . Also gilt x ∈ (W c )c = W ◦ , womit U := W ◦ ∈ U(x). Dabei ist U ⊆ W = f −1 (V) und daher f (U) ⊆ f (W) ⊆ V. q Bedingung (ii) in Satz 12.3.6 lässt sich kurz durch f −1 (O) ⊆ T beschreiben, wobei wir für eine Abbildung f : X → Y die Schreibweise n o f −1 (C) := f −1 (C) : C ∈ C ⊆ P(X) , und später auch n o f (B) := f (B) : B ∈ B ⊆ P(Y) , für B ⊆ P(X) bzw. C ⊆ P(Y) verwenden. 12.3.7 Lemma. Seien (X, T ) und (Y, O) topologische Räume, wobei (Y, O) das Hausdorffsche Axiom (T 2 ) erfülle. Ist D eine dichte Teilmenge von X, und sind f, g zwei stetige Funktionen von X nach Y, sodass f |D = g|D , dann folgt f = g. 426 12 Topologische Grundlagen Beweis. Angenommen f (x) , g(x) für ein x ∈ X \ D. Wegen der Hausdorff-Voraussetzung gibt es O1 , O2 ∈ O mit O1 ∩ O2 = ∅ und f (x) ∈ O1 , g(x) ∈ O2 . Da f und g stetig sind, gibt es U1 , U2 ∈ U(x), sodass f (U1 ) ⊆ O1 , g(U2 ) ⊆ O2 . Wegen U1 ∩ U2 ∈ U(x) folgt U1 ∩ U2 ∩ D , ∅, und wir erhalten den Widerspruch ∅ , f (U1 ∩ U2 ∩ D) = g(U1 ∩ U2 ∩ D) ⊆ O1 ∩ O2 = ∅ . q Alternativ kann man argumentieren, dass es zu x ∈ X \ D wegen Proposition 12.2.7 ein gegen x konvergentes Netz (xi )i∈I in D gibt. Die Netze f (xi ) i∈I und g(xi ) i∈I konvergieren wegen Lemma 12.3.3 gegen f (x) bzw. g(x). Andererseits sind f (xi ) i∈I und g(xi ) i∈I identisch und haben wegen Lemma 12.1.17 denselben Grenzwert; also f (x) = g(x). 12.3.8 Lemma. Seien (X, T ), (Y, O), (Z, R) topologische Räume und f : X → Y, g : Y → Z Funktionen. Ist f stetig in einem Punkt x ∈ X und ist g stetig im Punkt f (x), so ist g ◦ f stetig im Punkt x. Insbesondere ist g ◦ f stetig, wenn f, g es sind. Beweis. Sei W ∈ U((g ◦ f )(x)). Da g stetig im Punkt f (x) ist, gibt es V ∈ U( f (x)) mit g(V) ⊆ W. Da f stetig im Punkt x ist, gibt es U ∈ U(x) mit f (U) ⊆ V. Insgesamt gilt (g ◦ f )(U) = g( f (U)) ⊆ g(V) ⊆ W . q 12.3.9 Definition. Seien (X, T ) und (Y, O) topologische Räume, und sei f : X → Y. Dann heißt f ein Homöomorphismus von (X, T ) nach (Y, O), wenn f bijektiv ist und wenn f (T ) = O gilt. Zwei topologische Räume (X, T ) und (Y, O) heißen homöomorph, wenn es einen Homöomorphismus von (X, T ) nach (Y, O) gibt. 12.3.10 Lemma. Seien (X, T ), (Y, O), (Z, R) topologische Räume. (i) Eine Bijektion f : X → Y ist genau dann ein Homöomorphismus, wenn sowohl f als auch f −1 stetig sind. (ii) Sind f : X → Y und g : Y → Z Homöomorphismen, so ist auch g ◦ f : X → Z ein Homöomorphismus. (iii) Für eine weitere Topologie T 0 auf X ist die Abbildung idX : (X, T ) → (X, T 0 ) ist genau dann ein Homöomorphismus, wenn T = T 0 . Beweis. (i) Für ein bijektives f gilt f (T ) = O genau dann, wenn f −1 (O) ⊆ T und f (T ) ⊆ O. (ii) Folgt unmittelbar aus (i) und Lemma 12.3.8. (iii) Das folgt unmittelbar aus idX (T ) = T . q 12.3.11 Beispiel. (i) Die Abbildung tan : (− π2 , π2 ) → R ist ein Homöomorphismus, wenn man (− π2 , π2 ) und R jeweils mit der Euklidischen Topologie versieht. 12.4 Basis, Subbasis 427 (ii) Ist eine gegebene Menge X mit zwei verschiedenen Metriken d1 und d2 versehen, die aber äquivalent sind, also es gibt α, β > 0, sodass für alle x, y ∈ Y αd1 (x, y) ≤ d2 (x, y) ≤ d1 (x, y) , (12.6) so zeigt man leicht mit Hilfe der Charakterisierung der Stetigkeit in metrischen Räumen durch Folgen (siehe Proposition 6.1.4), dass dann idX : (X, d1 ) → (X, d2 ) und idX : (X, d2 ) → (X, d1 ) beide stetig sind. Also induzieren diese Metriken dieselbe Topologie: T (d1 ) = T (d2 ). Siehe dazu auch Übungsbeispiel 5.1. (iii) Sei X ein Vektorraum versehen mit zwei Normen k.k1 und k.k2 . Sind diese äquivalent (vgl. Definition 9.2.1), so sieht man sofort, dass die jeweils induzierten Metriken ebenfalls äquivalent sind. Somit stimmen die Topologien, die von den zu k.k1 und k.k2 gehörigen Metriken erzeugt werden, überein. (iv) Man betrachte C versehen mit der euklidischen Metrik d2 und mit der chordalen Metrik χ. Es ist wohlbekannt, dass zn → z in C bezüglich d2 genau dann, wenn zn → z bezüglich χ. Also ist die Abbildung idC als Abbildung von (C, d2 ) nach (C, χ) und auch als Abbildung von (C, χ) nach (C, d2 ) stetig. Somit gilt T (d2 ) = T (χ), obwohl die beiden Metriken nicht äquivalent im Sinne von (12.6) sind. (v) Man betrachte einerseits C ∪ {∞} versehen mit der chordalen Metrik χ. Andererseits sei S die Oberfläche der Kugel mit Durchmesser 1 im R3 , die so auf die Ebene R2 zu liegen kommt, dass ihr Südpol den Nullpunkt berührt. Wir versehen S mit d2 : p d2 ((α, β, γ)T , (ξ, η, ζ)T ) = (α − ξ)2 + (β − η)2 + (γ − ζ)2 . Die Stereographische Projektion σ : S → C ∪ {∞} ist bekannterweise eine Isometrie, also χ(σ(x), σ(y)) = d2 (x, y). Somit sind σ und σ−1 stetig, und σ ist infolge ein Homöomorphismus. 12.4 Basis, Subbasis Wir betrachten nun eine feste Menge X und die Menge x(X) aller möglichen Topologien auf X. Die Elemente T von x(X) sind also Teilmengen von P(X), und daher x(X) ⊆ P(P(X)). Wir sagen eine Topologie T1 ist gröber als eine Topologie T2 bzw. T2 feiner als T1 , wenn T1 ⊆ T2 . Aus Satz 12.3.6 erkennt man leicht, dass T1 genau dann gröber als T2 ist, wenn id : (X, T2 ) → (X, T1 ) stetig ist. 12.4.1 Lemma. Ist Ti , i ∈ I, eine Familie von Topologien, so ist auch ∩i∈I Ti eine Topologie. In der Tat, ist dieser Schnitt die feinste Topologie, die gröber als alle Ti , i ∈ I, ist. Für ein Mengensystem C ⊆ P(X) ist \ T (C) = {T ∈ x(X) : C ⊆ T } (12.7) die gröbste Topologie, die C enthält. 428 12 Topologische Grundlagen Beweis. Wir müssen nachweisen, dass ∩i∈I Ti die Axiome (O1) - (O3) erfüllt. Die Mengen ∅, X sind in allen Ti enthalten, da diese ja Topologien sind. Also sind diese Mengen auch im Schnitt enthalten. Es folgt (O1). Aus O1 , O2 ∈ ∩i∈I Ti folgt O1 , O2 ∈ Ti , i ∈ I, und somit O1 ∩ O2 ∈ Ti , i ∈ I. Also gilt O1 ∩ O2 ∈ ∩i∈I Ti , und daher (O2); vgl. Bemerkung 12.1.3. Sind O j ∈ ∩i∈I Ti , j ∈ J, so folgt für jedes i ∈ I, dass O j ∈ Ti , j ∈ J, und weiter S S j∈J O j ∈ Ti . Nun gilt das wieder für alle i ∈ I, also j∈J O j ∈ ∩i∈I Ti , und somit (O3). Klarerweise ist ∩i∈I Ti in allen Ti enthalten. Ist andererseits T ⊆ Ti , i ∈ I, so auch T ⊆ ∩i∈I Ti . Also ist der Schnitt die feinste in allen Ti enthaltene Topologie. Offenbar enthält der Schnitt T (C) von Mengensystemen, die alle C enthalten, wieder C. Ist andererseits T ⊇ C eine Topologie, so gehört T zur Menge auf der linken Seite von (12.7) und daher T ⊇ T (C). Also ist T (C) die gröbste Topologie, die C enthält. q 12.4.2 Definition. Sei (X, T ) ein topologischer Raum. Ein Mengensystem B ⊆ P(X) heißt Basis von T , wenn B ⊆ T und wenn es für alle O ∈ T und x ∈ O ein B ∈ B mit x ∈ B ⊆ O gibt. Ein Mengensystem C ⊆ P(X) heißt Subbasis von T , wenn C ⊆ T und wenn es für alle O ∈ T , O , X, und x ∈ O endlich viele C1 , . . . , Cn ∈ C mit x ∈ C1 ∩· · ·∩Cn ⊆ O gibt. Man sagt ein topologischer Raum (X, T ) erfüllt das zweite Abzählbarkeitsaxiom (ABII), wenn T eine abzählbare Basis besitzt. 12.4.3 Bemerkung. Sei O ⊆ X und B ⊆ P(X). Die Tatsache, dass es zu jedem x ∈ O ein B ∈ B gibt mit x ∈ B ⊆ O, lässt sich kurz folgendermaßen anschreiben: [ O= B. B∈B, B⊆O 12.4.4 Bemerkung. Offensichtlich ist C ⊆ P(X) genau dann eine Subbasis von T , wenn das Mengensystem E aller endlichen Schnitte von C samt X, also E := {X} ∪ n n\ i=1 o Ci : n ∈ N, C1 , . . . , Cn ∈ C eine Basis von T abgibt. Klarerweise enthält E das Mengensystem C. Der Grund, warum man X extra in E hineingeben muss, ist der, dass wir in Definition 12.4.2 für Subbasis nur verlangen, dass es zu jedem offenen O ungleich X und x ∈ O Mengen C1 , . . . , Cn ∈ C gibt mit x ∈ C1 ∩ · · · ∩ Cn ⊆ O. 12.4.5 Beispiel. (i) Ist (Y, d) ein metrischer Raum, so folgt aus der Definition der von d induzierten Topologie T (d) sofort, dass {U (x) : x ∈ Y, > 0} eine Basis von T (d) ist. 12.4 Basis, Subbasis 429 (ii) Die Euklidische Topologie T (d2 ) auf R hat die Menge aller offenen Intervalle {(a, b) ⊆ R : a, b ∈ R, a < b} als Basis. Da man zu a < x < b aus R wegen der Dichteeigenschaft von Q (siehe Satz 2.8.3) sicherlich s, t ∈ Q findet, sodass a < s < x < t < b, ist auch {(s, t) ⊆ R : s, t ∈ Q, s < t} eine Basis von T (d2 ). Also erfüllt (R, T (d2 )) das zweite Abzählbarkeitsaxiom (ABII). (iii) Ähnlich zeigt man, dass {[−∞, a) : a ∈ Q} eine Basis der Topologie T< := {[−∞, a) : a ∈ [−∞, +∞]} auf [−∞, +∞) ist; vgl. Beispiel 12.1.4, (v). Insbesondere gilt auch hier das zweite Abzählbarkeitsaxiom. (iv) Wegen (a, b) = (a, +∞) ∩ (−∞, b) folgt damit unmittelbar, dass {(a, +∞) ⊆ R : a ∈ R} ∪ {(−∞, b) ⊆ R : b ∈ R} eine Subbasis von T (d2 ) auf R ist. (v) Betrachte den R p versehen mit d∞ . Da dort für die -Kugeln U (x) = (ξ1 − , ξ1 + ) × · · · × (ξ p − , ξ p + ) gilt, wobei x = (ξ j ) pj=1 , folgt, dass die Menge {(a1 , b1 ) × · · · × (a p , b p ) : a j , b j ∈ R, a j < b j , j = 1, . . . , p} aller p-dimensionalen Quader eine Basis von T (d∞ ) abgibt. Wegen T (d∞ ) = T (d2 ) (siehe Beispiel 12.3.11) ist diese Menge trivialerweise auch eine Basis von T (d2 ). Ähnlich wie für R sieht man, dass auch {(s1 , t1 ) × · · · × (s p , t p ) : s j , t j ∈ Q, s j < t j , j = 1, . . . , p} eine abzählbare Basis von T (d2 ) ist. 12.4.6 Satz. Ist B ⊆ P(X) Basis einer gegebenen Topologie T auf X, so erfüllt B: (B1) Ist B1 , B2 ∈ B, x ∈ B1 ∩ B2 , so existiert B3 ∈ B mit x ∈ B3 ⊆ B1 ∩ B2 . S (B2) B∈B B = X. Außerdem ist T die gröbste Topologie, die B enthält, also T = T (B). Ist C ⊆ P(X) Subbasis einer gegebenen Topologie T auf X, so ist T die gröbste Topologie, die C enthält, also T = T (C). 430 12 Topologische Grundlagen Beweis. Wegen B ⊆ T muss T (B) ⊆ T . Ist andererseits O ∈ T , so folgt aus der Tatsache, dass B eine Basis ist, zusammen mit Bemerkung 12.4.3 [ O= B. (12.8) B∈B, B⊆O Wegen B ⊆ T (B) und wegen (O3) ist jede dieser Mengen auch in T (B), also T ⊆ T (B). Aus (12.8) angewandt auf O = X sieht man unmittelbar, dass (B2) erfüllt ist. Für B1 , B2 ∈ S B ⊆ T gilt B1 ∩ B2 ∈ T . Aus B1 ∩ B2 = {B ∈ B : B ⊆ B1 ∩ B2 } folgt für jedes x ∈ B1 ∩ B2 die Existenz eines B3 ∈ B mit x ∈ B3 ⊆ B1 ∩ B2 . Also gilt auch (B1). Ist schließlich C ⊆ P(X) eine Subbasis von T , so folgt aus Bemerkung 12.4.4, dass E eine Basis von T ist, und daher T = T (E). Wegen C ⊆ E gilt T (C) ⊆ T (E). Ist andererseits E ∈ E, so gilt E = X oder E = C1 ∩ · · · ∩ Cn für C1 , . . . , Cn ∈ C ⊆ T (C). Aus (O1) bzw. (O2) folgt dann E ∈ T (C), und daher E ⊆ T (C). Somit gilt auch T (E) ⊆ T (C), und insgesamt T = T (E) = T (C). q 12.4.7 Lemma. Seien (X, T ) und (Y, O) topologische Räume und f : X → Y eine Abbildung. Ist C eine Subbasis von O, so ist f genau dann stetig, wenn f −1 (C) ⊆ T . Beweis. Aus der Stetigkeit folgt unmittelbar f −1 (C) ⊆ f −1 (O) ⊆ T . Ist umgekehrt f −1 (C) ⊆ T , so prüft man leicht nach, dass O0 := {O0 ⊆ Y : f −1 (O0 ) ∈ T } die Axiome (O1) - (O3) erfüllt, also eine Topologie ist. Da laut Voraussetzung C ⊆ O0 , muss auch O = T (C) ⊆ O0 , und daher f −1 (O) ∈ T für alle O ∈ O. q Wir wollen nun den umgekehrten Weg wie in Satz 12.4.6 gehen. 12.4.8 Satz. Erfüllt B ⊆ P(X) die Axiome (B1) und (B2), so ist B eine Basis von T (B). Außerdem stimmt T (B) mit dem System T aller Mengen O ⊆ X der Bauart [ O= B B∈V mit einem (von O abhängigen) Teilsystem V ⊆ B überein; also T (B) = T , wobei [ T = {O ⊆ X : ∃V ⊆ B, O = B} . (12.9) B∈V Für C ⊆ P(X) ist C eine Subbasis von T (C). Außerdem stimmt T (C) mit dem System [ {O ⊆ X : ∃V ⊆ E, O = B} (12.10) B∈V überein, wobei E := {X} ∪ die Axiome (B1) und (B2) erfüllt. n n\ i=1 Ci : n ∈ N, C1 , . . . , Cn ∈ C} 12.5 Initiale Topologie 431 Beweis. Wir zeigen zunächst, dass T definiert in (12.9) eine Topologie auf X ist. In der Tat gilt [ ∅= B∈T, B∈∅ und wegen (B2) X= [ B∈B B∈T. Also ist (O1) erfüllt. Die Bedingung (O3) folgt aus [ [ [ B = B. i∈I B∈Vi B∈ S S i∈I Vi S Es bleibt (O2) zu zeigen. Seien also O1 = B∈V1 B, O2 = B∈V2 B gegeben. Jedes x ∈ O1 ∩ O2 liegt somit in einem B1 ∈ V1 und einem B2 ∈ V2 . Nach (B1) gibt es ein B ∈ B mit x ∈ B ⊆ B1 ∩ B2 ⊆ O1 ∩ O2 . Wir erhalten (vgl. Bemerkung 12.4.3) [ O1 ∩ O2 = B, B∈V wobei V := {B ∈ B : B ⊆ O1 ∩ O2 }; also O1 ∩ O2 ∈ T . Offensichtlich gilt B ⊆ T . Ist x ∈ O ∈ T , so folgt aus (12.9), dass x ∈ B ⊆ O für ein gewisses B ∈ B. Also ist B Basis von T , und wegen Satz 12.4.6 ist damit T die gröbste Topologie T (B), die B umfasst. Für C ⊆ P(X) sieht man unmittelbar, dass X ∈ E und dass mit E1 , E2 ∈ E auch E1 ∩ E2 ∈ E. Insbesondere erfüllt E (B1) und (B2). Nach dem oben gezeigten ist E Basis von T (E), wobei T (E) mit der Topologie in (12.10) übereinstimmt. Wegen Bemerkung 12.4.4 bedeutet das, dass C eine Subbasis von T (E) ist, und aus Satz 12.4.6 folgt damit schließlich T (C) = T (E). q 12.5 Initiale Topologie Mit dem Konzept Basis und Subbasis können wir auf einer gegebenen Menge ausgezeichnete Topologien definieren, die gewisse Eigenschaften haben. 12.5.1 Satz. Seien X eine Menge, (Yi , Ti ), i ∈ I, topologische Räume und fi : X → Yi , i ∈ I, Abbildungen. fi X fj fk (Yi , Ti ) (Y j , T j ) (Yk , Tk ) 432 12 Topologische Grundlagen Dann existiert genau eine Topologie T auf X mit folgender Eigenschaft: (IN1 ) T ist die gröbste Topologie auf X, sodass fi : (X, T ) → (Yi , Ti ) für alle i ∈ I stetig ist. Diese Topologie heißt initiale Topologie bezüglich der fi . Für sie gelten auch folgende beiden Eigenschaften: S (IN2 ) i∈I fi−1 (Ti ) ist eine Subbasis von T . (IN3 ) Ist (Y, O) ein beliebiger topologischer Raum und f : Y → X, so ist f : (Y, O) → (X, T ) genau dann stetig, wenn alle Abbildungen fi ◦ f : (Y, O) → (Yi , Ti ), i ∈ I, stetig sind. Beweis. Ist T 0 eine beliebige Topologie auf X, so ist fi : (X, T 0 ) → (Xi , Ti ) genau dann stetig, wenn fi−1 (Ti ) ⊆ T 0 . Also sind alle fi genau dann stetig, wenn [ fi−1 (Ti ) ⊆ T 0 . (12.11) i∈I S Nach Lemma 12.4.1 gibt es eine gröbste Topologie T = T ( i∈I fi−1 (Ti )), die (12.11) erfüllt. Damit ist aber auch T die gröbste Topologie, sodass alle fi stetig sind. Also gilt (IN1 ). S Wegen Satz 12.4.8 ist i∈I fi−1 (Ti ) Subbasis von T , und es gilt auch (IN2 ). Sei f : (Y, O) → (X, T ), wobei T die initiale Topologie der fi , i ∈ I, ist. Im Falle der Stetigkeit von f sind auch alle fi ◦ f : (Y, O) → (Yi , Ti ) als Zusammensetzung stetiger Abbildungen stetig. Seien umgekehrt alle fi ◦ f stetig, es gelte also ( fi ◦ f )−1 (Ti ) ⊆ O. Dann folgt f −1 ( fi−1 (Ti )) ⊆ O und damit [ f −1 ( fi−1 (Ti )) ⊆ O . i∈I S −1 i∈I fi (Ti ) Da eine Subbasis von T ist, folgt aus Lemma 12.4.7, dass f stetig ist. Die initiale Topologie T hat also die Eigenschaft (IN3 ). q 12.5.2 Bemerkung (*). Die initiale Topologie T ist in der Tat die einzige Topologie T 0 mit der Eigenschaft (IN3 ). Um das einzusehen, sei T 0 eine weitere Topologie auf X mit dieser Eigenschaft. Da die Abbildung idX : (X, T 0 ) → (X, T 0 ) trivialerweise stetig ist, folgt aus (IN3 ) angewandt auf T 0 , dass alle fi ◦ idX : (X, T 0 ) → (Yi , Ti ) stetig sind. Aus (IN1 ) folgt T ⊆ T 0 . Für idX : (X, T ) → (X, T 0 ) sind andererseits alle fi ◦ idX = fi : (X, T ) → (Yi , Ti ) stetig. Mit (IN3 ) angewandt auf T 0 folgt die Stetigkeit von idX : (X, T ) → (X, T 0 ), und daher gilt auch T 0 ⊆ T . 12.5 Initiale Topologie 433 12.5.3 Lemma. Mit der Notation aus Satz 12.5.1 sei (x j ) j∈J ein Netz in X. Dieses kon vergiert bzgl. T gegen ein x ∈ X genau dann, wenn fi (x j ) j∈J für alle i ∈ I gegen fi (x) konvergiert. Beweis. Konvergiert (x j ) j∈J gegen x bzgl. T , so folgt aus der Stetigkeit der fi mit Lemma 12.3.3, dass fi (x j ) j∈J gegen fi (x) konvergiert. Konvergiere umgekehrt fi (x j ) j∈J gegen fi (x) für alle i ∈ I. Für ein U ∈ U(x) mit U , X S und O ∈ T mit x ∈ O ⊆ U folgt aus der Tatsache, dass i∈I fi−1 (Ti ) eine Subbasis von T ist (vgl. (IN2 ) aus Satz 12.5.1), und Definition 12.4.2, dass x ∈ fi−1 (O1 ) ∩ · · · ∩ fi−1 (Om ) ⊆ O , 1 m wobei i1 , . . . , im ∈ I, O1 ∈ Ti1 , . . . , Om ∈ Tim . Also folgt fik (x) ∈ Ok für k = 1, . . . , m. Laut Voraussetzung gibt es zu jedem k = 1, . . . , m einen Index jk ∈ J, sodass j jk immer fik (x j ) ∈ Ok nach sich zieht. Ist nun j0 ∈ J derart, dass j0 jk , k = 1, . . . , m, so folgt für j j0 jedenfalls fik (x j ) ∈ Ok , k = 1, . . . , m, und daher (O1 ) ∩ · · · ∩ fi−1 (Om ) ⊆ O ⊆ U . x j ∈ fi−1 1 m q Die Konstruktion der Initialen Topologie ist assoziativ. g ik ◦ fi Yi fi g i,k gi,l (Zi,l , Ti,l ) gil ◦ fi X fj g jk ◦ f j Yj g jl ◦ fj (Zi,k , Ti,k ) g j,k g j,l (Z j,k , T j,k ) (Z j,l , T j,l ) Abbildung 12.2: Veranschaulichung der Assoziativität der Initialtopologiebildung 12.5.4 Korollar. Seien X, Yi , i ∈ I, topologische Räume und fi : X → Yi , i ∈ I, Abbildungen. Weiters seien zu jedem i ∈ I eine Indexmenge Ji und topologische Räume (Zi, j , Ti, j ) und Abbildungen gi, j : Yi → Zi, j gegeben. Für jedes i ∈ I versehen wir Yi mit der initialen Topologie Ti bezüglich der Abbildungen gi, j , j ∈ Ji . Unter diesen Voraussetzungen stimmt die initiale Topologie T1 auf X bezüglich der Abbildungen fi : X → Yi , i ∈ I, mit der initialen Topologie T2 auf X bezüglich der Abbildungen gi, j ◦ fi : X → Zi, j , i ∈ I, j ∈ Ji , überein. 434 12 Topologische Grundlagen Beweis. Ist T irgendeine Topologie auf X, so ist wegen (IN3 ) angewandt auf die (Yi , Ti ) die Tatsache, dass alle Abbildungen fi : X → Yi , i ∈ I, stetig sind, dazu äquivalent, dass alle Abbildungen gi, j ◦ fi : X → Zi, j , i ∈ I, j ∈ Ji , stetig sind. Also stimmt die gröbste aller Topologien, welche die erste Bedingung erfüllen, – wegen (IN1 ) ist das T1 – mit der gröbsten aller Topologien, welche die zweite Bedingung erfüllen, – wegen (IN1 ) ist das T2 – überein. q 12.6 Spur- und Produkttopologie 12.6.1 Definition. Sei (Y, T ) ein topologischer Raum und X ⊆ Y. Weiters sei ι : X → Y die kanonische Einbettung, ι(x) = x. Die initiale Topologie auf X bezüglich der Abbildung ι heißt die Spurtopologie von T auf X und wird bezeichnet als T |X . Man spricht von (X, T |X ) als einem Teilraum von (Y, T ). 12.6.2 Fakta. 1. Wegen Satz 12.5.1 ist ι−1 (T ) = {O ∩ X : O ∈ T } ⊆ P(X) eine Subbasis für T |X . Nun erfüllt diese Menge selbst schon (O1) − (O3), also gilt T |X = {O ∩ X : O ∈ T } . (12.12) Daraus erhält man leicht, dass der Umgebungsfilter U|X (x) eines Elementes x ∈ X bezüglich T |X übereinstimmt mit U|X (x) = {U ∩ X : U ∈ U(x)} . 2. Aus (12.12) erhält man auch, dass das System A|X der in (X, T |X ) abgeschlossenen Mengen gegeben ist durch A|X = {A ∩ X : A ∈ A}. Somit gilt für B ⊆ X T |X B T = B ∩X. (12.13) 3. Erfüllt (Y, T ) das Axiom (T 2 ), so folgt aus (12.12), dass auch (X, T |X ) dieses Axiom erfüllt. 4. Aus (IN3 ) erhalten wir, dass eine Funktion f : (Z, O) → (X, T |X ) genau dann stetig ist, wenn f : (Z, O) → (Y, T ) stetig ist. 5. Ist (x j ) j∈J ein Netz in X und x ∈ X, so folgt aus Lemma 12.5.3, dass (x j ) j∈J genau dann gegen x bzgl. T konvergiert, wenn (x j ) j∈J bzgl. T |X gegen x konvergiert. 6. Ist schließlich X ⊆ Z ⊆ Y, so gilt wegen Korollar 12.5.4 T |X = (T |Z )|X . (12.14) 12.6 Spur- und Produkttopologie 435 12.6.3 Beispiel. Sei hY, di ein metrischer Raum, und sei X ⊆ Y versehen mit der Einschränkung von d|X×X . Klarerweise ist hX, d|X×X i ein metrischer Raum. Wir wollen uns vergewissern, dass die von d|X×X auf X erzeugte Topologie genau die Spurtopologie ist, die von T (d) auf X induziert wird. Ist nämlich O ∈ T (d) und x ∈ O ∩ X, so gibt es ein > 0 mit UY (x) ⊆ O. Daraus folgt, dass die -Kugel UX (x) = UY (x) ∩ X um x bezüglich d|X×X in O ∩ X enthalten ist. Also ist jede Menge aus T (d)|X offen bezüglich d|X×X . Ist umgekehrt P ∈ T (d|X×X ), so wähle man für jedes x ∈ P ein x > 0, sodass die x -Kugel UXx (x) = X ∩ UYx (x) in X in P enthalten ist. Es folgt [ [ P= X ∩ UYx (x) = X ∩ UYx (x) . x∈P x∈P Somit ist P der Schnitt einer in Y offenen Menge und X, also P ∈ T (d)|X . 12.6.4 Lemma. Seien (X, T ), (Y, O) topologische Räume und A1 , . . . , Am ⊆ X Teilmengen mit A1 ∪ · · · ∪ Am = X, wobei entweder alle Ak , k = 1, . . . , m, abgeschlossen oder alle diese Teilmengen offen sind. Sind fk : Ak → Y für k = 1, . . . , m stetige Funktionen, wobei die Ak mit der Spurtopologie versehen sind, sodass f j und fk auf A j ∩ Ak für alle j, k ∈ {1, . . . , m} übereinstimmen, dann ist auch die Funktion f1 ∪ · · · ∪ fm : X → Y 2 stetig. Beweis. Seien A1 , . . . , Am ⊆ X alle abgeschlossen. Der offene Fall ist ähnlich zu beweisen. Für ein abgeschlossenes F ⊆ Y gilt zunächst ( f1 ∪ · · · ∪ fm )−1 (F) = f1−1 (F) ∪ · · · ∪ fm−1 (F) . Wegen der Stetigkeit von fk : Ak → Y ist fk−1 (F) abgeschlossen in der Spurtopologie T |Ak , und somit von der Bauart C ∩ Ak für eine in X abgeschlossene Menge C. Als Schnitt zweier in X abgeschlossener Mengen ist fk−1 (F) in X abgeschlossen. Als Vereinigung endlich vieler abgeschlossener Mengen ist dann auch ( f1 ∪ · · · ∪ fm )−1 (F) abgeschlossen. Da F beliebig war, ist somit f1 ∪ · · · ∪ fm stetig. q Q 12.6.5 Definition. Seien (Xi , Ti ), i ∈ I, topologische Räume, und sei X := i∈I Xi . Die initiale Topologie auf X bezüglich der Familie πi : X → Xi der kanonischen Projektionen πi (xk )k∈I = xi nennt man die Produkttopologie der Ti auf X und wird bezeichnet mit 12.6.6 Fakta. 1. Für ein O ⊆ Xi gilt π−1 i (O) = Y Q i∈I Ti . Ok , k∈I 2 Das ist die (wohldefinierte) Funktion, die für k = 1, . . . , m auf Ak mit fk übereinstimmt. 436 12 Topologische Grundlagen wobei Ok = Xk , k , i, und Oi = O ist. Wieder mit (IN2 ) und Bemerkung 12.4.4 erhält man daraus, dass die Mengen der Gestalt Y Ok , (12.15) k∈I wobei Ok ∈ Tk , k ∈ I, und für alle k ∈ I bis auf endlich viele Ok = Xk gilt, eine Basis Q für i∈I Ti bilden. Q 2. Die kanonischen Projektionen πi : X → Xi bilden offene Mengen aus k∈I Tk auf offene Mengen aus Ti ab, also sind sie offene Abbildungen. Um das einzusehen, sei zunächst i ∈ I fest. Dann gilt für Basismengen der Gestalt Q (12.15) offenbar πi ( k∈I Ok ) = Oi . Also ist das Bild unter πi einer jeden Menge aus Q dieser Basis offen in (Xi , Ti ). Da jede offene Menge in k∈I Tk Vereinigung von Basismengen ist, folgt die Behauptung. 3. Weiters sieht man leicht mit Hilfe der Basis bestehend aus Mengen der Form (12.15), dass für einen Punkt (xi )i∈I ∈ X die Mengen Y Ui , i∈I wobei Ui ∈ U(xi ), i ∈ I, und Ui = Xi für alle bis auf endlich viele i, eine UmgebungsQ basis bezüglich i∈I Ti bilden. Q 4. Aus Lemma 12.5.3 folgt, dass für ein Netz (x j ) j∈J und einen Punkt x aus i∈I Xi , also x j = (ξ j,i )i∈I und x = (ξi )i∈I mit ξ j,i , ξi ∈ Xi , j∈J j∈J x j −→ x ⇔ ξ j,i −→ ξi für alle i ∈ I . (12.16) Q 5. Aus (12.16) folgt, dass für abgeschlossene Ai ⊆ Xi , i ∈ I, das Produkt i∈I Ai ⊆ Q i∈I Xi ebenfalls abgeschlossen ist. Alternativ kann man das auch daraus folgern, dass Y \ Ai = π−1 i (Ai ) i∈I i∈I als Durchschnitt von Urbildern abgeschlossener Mengen unter stetigen Funktionen selber wieder abgeschlossen ist. 12.6.7 Bemerkung. Wendet man diese Konstruktion der Produkttopologie etwa auf die zwei Räume (X1 , T1 ) und (X2 , T2 ) mit I = {1, 2} an, so bilden insbesondere alle Mengen der Bauart O1 × O2 mit O1 ⊆ X1 , O2 ⊆ X2 eine Basis der Produkttopologie T1 × T2 . Außerdem sind alle Mengen A1 × A2 für abgeschlossene A1 ⊆ X1 , A2 ⊆ X2 , ebenfalls abgeschlossen. 12.6.8 Beispiel. Seien hX1 , d1 i und hX2 , d2 i zwei metrische Räume, und sei d : X1 ×X2 → R definiert als d (x1 , x2 ), (y1 , y2 ) = max(d1 (x1 , y1 ), d2 (x2 , y2 )), vgl. Fakta 8.7.8. Wir wissen schon, dass d eine Metrik auf X1 × X2 ist, und dass U (x1 , x2 ) = U (x1 ) × U (x2 ). 12.7 Finale Topologie* 437 Die von dieser Metrik erzeugte Topologie T (d) stimmt mit der Produkttopologie von T (d1 ) und T (d2 ) überein. Um das einzusehen, sei O ⊆ X1 × X2 . Diese Menge ist in T (d) genau dann, wenn ∀(x1 , x2 ) ∈ O ⇒ ∃ > 0 : U (x1 , x2 ) = U (x1 ) × U (x2 ) ⊆ O , was aber äquivalent zu ∀(x1 , x2 ) ∈ O ⇒ ∃O1 ∈ T (d1 ), O2 ∈ T (d2 ) : (x1 , x2 ) ∈ O1 × O2 ⊆ O ist. Da die Mengen der Form O1 × O2 eine Basis von T (d1 ) × T (d2 ) darstellen, bedeutet das genau O ∈ T (d1 ) × T (d2 ). Folgendes Korollar samt Beweis funktioniert übrigens auch für Funktionen mit Werten in einem normierten Raum. 12.6.9 Korollar. Sei (X, T ) ein topologischer Raum, und f, g : X → R (C), sowie λ, µ ∈ R (C). Sind f und g stetig, so auch λ f + µg und f g. Gilt zusätzlich f (x) , 0 für alle x ∈ X, so ist auch 1f stetig. Beweis. Die Funktion (x, y) 7→ λx + µy, R × R → R ist bekannterweise stetig. Nach (IN3 ) angewandt auf R × R ist a 7→ ( f (a), g(a)), X → R × R ebenfalls stetig. λ f + µg ist nun als Zusammensetzung dieser Funktionen ebenfalls stetig. q Der Beweis für f g und 1f verläuft analog. 12.7 Finale Topologie* 12.7.1 Satz. Seien X eine Menge, (Yi , Ti ), i ∈ I, topologische Räume und fi : Yi → X, i ∈ I, Abbildungen. (Yi , Ti ) (Y j , T j ) fi fj fk X (Yk , Tk ) Dann existiert genau eine Topologie T auf X mit der Eigenschaft: (FI1 ) T ist die feinste Topologie auf X, sodass alle Abbildungen fi : (Yi , Ti ) → (X, T ), i ∈ I, stetig sind. Diese Topologie heißt finale Topologie bezüglich der fi . Sie ist gegeben durch 438 12 Topologische Grundlagen (FI2 ) T = {O ⊆ X : fi−1 (O) ∈ Ti für alle i ∈ I}, und erfüllt: (FI3 ) Ist (Y, O) ein topologischer Raum und f : X → Y, so ist f : (X, T ) → (Y, O) stetig genau dann, wenn alle Abbildungen f ◦ fi : (Yi , Ti ) → (Y, O), i ∈ I, stetig sind. Beweis. Wir betrachten die durch (FI2 ) definierte Menge T ⊆ P(X). Es gilt fi−1 (O1 ∩ . . . ∩ On ) = fi−1 (O1 ) ∩ . . . ∩ fi−1 (On ) und fi−1 [ j∈J [ Oj = fi−1 (O j ) . j∈J Sind also O1 , . . . , On ∈ T bzw. O j ∈ T , j ∈ J, so folgt, da die Ti Topologien sind, S O1 ∩ . . . ∩ On ∈ T und j∈J O j ∈ T . Also erfüllt T die Axiome (O2) und (O3). Wegen fi−1 (∅) = ∅ und fi−1 (X) = Yi gilt auch (O1). Definitionsgemäß gilt fi−1 (T ) ⊆ Ti , womit alle fi : (Yi , Ti ) → (X, T ) stetig sind. Ist T 0 eine Topologie auf X, sodass alle fi stetig sind, so folgt fi−1 (O) ∈ Ti für alle O ∈ T 0 , also O ∈ T . Somit gilt T 0 ⊆ T , und T erfüllt (FI1 ). Klarerweise gibt es höchstens eine Topologie mit der Eigenschaft (FI1 ). Sei T die finale Topologie bezüglich der fi , und sei f : X → Y. Ist f stetig, so ist auch f ◦ fi : (Yi , Ti ) → (X, T ) → (Y, O) als Zusammensetzung stetiger Abbildungen stetig. Ist umgekehrt f ◦ fi stetig für alle i, so gilt fi−1 ( f −1 (O)) = ( f ◦ fi )−1 (O) ⊆ Ti , i ∈ I , und wir erhalten f −1 (O) ⊆ T , womit f stetig ist. q 12.7.2 Bemerkung. Die Finale Topologie ist die einzige Topologie auf X, die (FI3 ) erfüllt. Um das einzusehen, sei T 0 eine weitere Topologie auf X mit der Eigenschaft (FI3 ). Da die Abbildung idX : (X, T 0 ) → (X, T 0 ) trivialerweise stetig ist, folgt aus (FI3 ) angewandt auf T 0 , dass alle idX ◦ fi : (Yi , Ti ) → (X, T 0 ) stetig sind. Aus (FI1 ) folgt T 0 ⊆ T . Für idX : (X, T 0 ) → (X, T ) sind andererseits alle Abbildungen idX ◦ fi = fi : (Yi , Ti ) → (X, T ) stetig. Mit (FI3 ) angewandt auf T 0 folgt die Stetigkeit von idX : (X, T 0 ) → (X, T ), und daher auch T ⊆ T 0 . 12.7.3 Bemerkung. Das Finale Topologie Bilden ist assoziativ; also es gilt ein Korollar 12.5.4 entsprechendes Resultat. 12.7.4 Beispiel. Sei (Y, T ) ein topologischer Raum und ∼ eine Äquivalenzrelation auf Y. Weiters sei π : Y → Y /∼ die kanonische Projektion, π(x) = [x]∼ . Die finale Topologie auf Y /∼ bezüglich π heißt Quotiententopologie und wird bezeichnet als T /∼. 12.8 Zusammenhang und Trennungseigenschaft (T 1)* 439 Ist A ⊆ Y, so heißt A gesättigt bezüglich ∼, wenn x ∈ A die Inklusion [x]∼ ⊆ A nach sich zieht. Offenbar sind alle Mengen der Bauart π−1 (B) mit B ⊆ Y /∼ gesättigt, und A ist genau dann gesättigt, wenn π−1 (π(A)) = A. Somit stellt A 7→ π(A) eine bijektive Abbildung von allen gesättigten Teilmengen von Y auf alle Teilmengen von Y /∼ dar, wobei B 7→ π−1 (B) ihre Umkehrung ist. Eine Menge P ⊆ Y /∼ ist per definitionem genau dann offen in (Y /∼, T /∼), wenn π−1 (P) offen in (Y, T ) ist. Insbesondere ist O 7→ π(O) eine Bijektion von allen gesättigten offenen Teilmengen von Y auf T /∼. Entsprechendes gilt für abgeschlossene Mengen. 12.7.5 Proposition. Sei f : (X, T ) → (Y, V) eine stetige Abbildung. Bezeichne mit ∼ die Äquivalenzrelation x ∼ y :⇔ f (x) = f (y), und seien π : X → X /∼, ι : f (X) → Y, die kanonische Projektion bzw. Einbettung. Weiters sei g : X /∼ → f (X) die Bijektion mit ι ◦ g ◦ π = f. Dann ist g : (X /∼, T /∼) → ( f (X), V| f (X) ) stetig, und folgende Aussagen sind äquivalent: (i) g ist ein Homöomorphismus von (X /∼, T /∼) auf ( f (X), V| f (X) ). (ii) Für jede bezüglich ∼ gesättigte offene Menge O ⊆ X ist f (O) offen in ( f (X), V| f (X) ). (iii) Für jede bezüglich ∼ gesättigte abgeschlossene Menge A ⊆ X ist f (A) abgeschlossen in ( f (X), V| f (X) ). Beweis. Nach Satz 12.5.1,(IN3 ), bzw. Fakta 12.6.2 ist auch f : (X, T ) → ( f (X), V| f (X) ) stetig. Somit können wir ohne Beschränkung der Allgemeinheit Y = f (X) und ι = idY annehmen. Jede Abbildung g : X /∼ → Y mit g ◦ π = f muss g([x]∼ ) = f (x) für x ∈ X erfüllen. Betrachten wir das als Definition, so ist die Wohldefiniertheit davon zu zeigen. Diese folgt aber unmittelbar aus der Definition von von ∼, da [x]∼ = [y]∼ immer x ∼ y und damit f (x) = f (y) nach sich zieht. Also gibt es ein solches g und dieses ist eindeutig. Außerdem ist g injektiv, da aus f (x) = g([x]∼ ) = g([y]∼ ) = f (y) per definitionem x ∼ y bzw. [x]∼ = [y]∼ folgt. Wegen g(X /∼) = f (X) = Y ist g sogar bijektiv. Die Stetigkeit von g folgt unmittelbar aus Satz 12.7.1, (FI3 ), da X /∼ die finale Topologie T /∼ bzgl. π trägt und da g ◦ π = f stetig ist. Die Funktion g ist nun genau dann Homöomorphismus, wenn noch g−1 stetig ist, also wenn g(P) ∈ V für alle P ∈ T /∼. Nach Beispiel 12.7.4 durchläuft π−1 (P) alle offenen und gesättigten Teilmengen von X. Zudem gilt g(P) = g ◦ π(π−1 (P)) = f (π−1 (P)) , woraus man sofort die Äquivalenz von (i) und (ii) erkennt. Die Äquivalenz von (i) und (iii) zeigt man genauso. q 12.8 Zusammenhang und Trennungseigenschaft (T 1)* Der Begriff der Getrenntheit zweier Teilmengen eines topologischen Raumes, welchen wir jetzt einführen wollen, entspricht dem der Disjunktheit zweier Mengen aus der Mengenlehre. Dabei gibt es eine schwächere und eine stärkere Version. 440 12 Topologische Grundlagen 12.8.1 Definition. Sei (X, T ) ein topologischer Raum und seien A, B Teilmengen von X. Dann heißen A und B getrennt, wenn A ∩ B = A ∩ B = ∅. A und B heißen in (X, T ) getrennt durch offenen Mengen, wenn es disjunkte offene Mengen OA , OB gibt, sodass A ⊆ OA , B ⊆ OB . Dazu sagen wir auch, dass sich A und B durch offene Mengen trennen lassen. 12.8.2 Fakta. 1. Offenbar sind getrennte Mengen und auch durch offenen Mengen getrennte Mengen disjunkt. c c 2. A ∩ B = A ∩ B = ∅ ist äquivalent zu B ⊆ A und A ⊆ B , und daher auch zur Existenz offener Mengen OA und OB , sodass B ⊆ OB , A ∩ OB = ∅ und A ⊆ OA , B ∩ OA = ∅. 3. Insbesondere sind A und B sicher dann getrennt, wenn sie durch offene Mengen getrennt sind. Die Umkehrung gilt im Allgemeinen nicht. 4. Für A, B ⊆ X und C := A ∪ B gilt für den Abschluss von A in C bzgl. der SpurtoT |C pologie T |C bekannterweise A = A ∩ C = A ∪ (B ∩ A). Entsprechendes gilt für B. Insbesondere sind disjunkte Mengen A und B genau dann getrennt, wenn A und B beide in A ∪ B bzgl. der Spurtopologie abgeschlossen sind. Durch Komplementbildung in A ∪ B erkennt man dann auch, dass disjunkte Mengen A und B genau dann getrennt sind, wenn A und B beide in A ∪ B bzgl. der Spurtopologie offen sind. Somit sehen wir auch, dass A und B in C = A ∪ B (versehen mit T |C ) genau dann getrennt sind, wenn sie dort durch offene Mengen getrennt sind. 5. Aus dem letzten Punkt erkennen wir, dass die Eigenschaft getrennt zu sein, nur von der Spurtopologie auf A ∪ B abhängt. Insbesondere gilt für A, B ⊆ Y ⊆ X, dass A und B genau in (Y, T |Y ) getrennt sind, wenn sie es in (X, T ) sind. Die Eigenschaft getrennt durch offene Mengen zu sein, hängt dagegen ganz wesentlich von dem betrachteten topologischen Raum ab. Für eine weitere Charakterisierung der Eigenschaft durch offene Mengen zu sein, siehe Bemerkung 12.9.2. 12.8.3 Definition. Ein topologischer Raum (X, T ) erfüllt das erste Trennungsaxiom (T 1 ), wenn gilt: (T 1 ) Je zwei verschiedene einpunktige Mengen lassen sich trennen. Das schon bekannte Trennungsaxiom (T 2) bedeutet im Gegensatz dazu, dass sich je zwei verschiedene einpunktige Mengen durch offene Mengen trennen lassen. (T 2) ist somit stärker als (T 1). 12.8.4 Lemma. Ein topologischer Raum (X, T ) erfüllt genau dann (T 1 ), wenn einpunktige Mengen abgeschlossen sind. 12.8 Zusammenhang und Trennungseigenschaft (T 1)* 441 Beweis. Sei x ∈ X. Nach Fakta 12.8.2, 2, gibt es zu y ∈ {x}c eine offene Umgebung von y, die x nicht enthält, bzw. ganz in {x}c enthalten ist. Wegen Lemma 12.1.10 ist {x}c offen. Sind umgekehrt einpunktige Mengen abgeschlossen, so gilt für verschiedene x, y ∈ X, dass auch {x} und {y} in {x, y} abgeschlossen sind. Gemäß Fakta 12.8.2, 4, sind diese Mengen dann getrennt. q Eins zu eins kann man den Begriff einer zusammenhängenden Menge auf topologische Räume verallgemeinern; vgl. Definition 6.2.2. 12.8.5 Definition. Eine Teilmenge E eines topologischen Raumes (X, T ) heißt zusammenhängend, wenn man E nicht als Vereinigung zweier nichtleerer getrennter Mengen schreiben kann. Aus Fakta 12.8.2, 5, erhalten wir 12.8.6 Lemma. Sei (X, T ) ein topologischer Raume und E ⊆ X. Die Eigenschaft, zusammenhängend zu sein, hängt nur von der Spurtopologie auf E ab. Insbesondere gilt für E ⊆ Y ⊆ X, dass E genau dann in (Y, T |Y ) zusammenhängend ist, wenn E es in (X, T ) ist. Das wichtige Resultat Proposition 6.2.4 lässt sich unmittelbar auf topologische Räume übertragen, wobei man fast denselben Beweis nehmen kann, man muss nur Folgen durch Netze ersetzen. Wir wollen diesen Beweis aber etwas anders führen. 12.8.7 Proposition. Seien (X, T ) und (Y, O) topologische Räume, und sei f : X → Y eine stetige Funktion. Ist E ⊆ X zusammenhängend, so auch f (E). Beweis. Mit f : X → Y ist auch f |E : E → f (E) stetig, wobei E und f (E) jeweils mit der Spurtopologie versehen sind. Wäre f (E) nicht zusammenhängend, so hätten wir f (E) = A ∪ B mit in f (E) abgeschlossenen und disjunkten A, B , ∅. Daraus ergibt sich aber im Widerspruch zur Voraussetzung −1 E = f |−1 E (A) ∪ f |E (B) , −1 wobei f |−1 E (A), f |E (B) , ∅ in E abgeschlossenen und disjunkt sind. q Folgender recht trivialer Sachverhalt ist jedoch sehr nützlich. 12.8.8 Lemma. Sei E eine zusammenhängende Teilmenge eines topologischen Raumes (X, T ). Weiters seien A, B ⊆ X getrennt, sodass E ⊆ A ∪ B. Dann folgt entweder E ⊆ A oder E ⊆ B. Beweis. Offensichtlich sind A ∩ E und B ∩ E als Teilmengen zweier getrennter Mengen getrennt. Wegen E = (A ∩ E) ∪ (B ∩ E) und da E zusammenhängend ist, folgt A ∩ E = ∅ oder B ∩ E = ∅ bzw. E ⊆ B oder E ⊆ A. Beides gleichzeitig kann nicht der Fall sein, da getrennte Mengen immer disjunkt sind. q Damit können wir auch das im letzten Kapitel bewiesene Resultat Lemma 11.3.1 über die Vereinigung von zusammenhängenden Mengen in allgemeinen topologischen Räumen mit einem etwas kürzeren Beweis versehen. 442 12 Topologische Grundlagen 12.8.9 Korollar. Ist (Ei )i∈I eine Familie bestehend aus zusammenhängenden Teilmengen eines topologischen Raumes, sodass für ein gewisses k ∈ I und allen i ∈ I die Mengen Ek S und Ei nicht getrennt sind3 , so ist auch E := i∈I Ei zusammenhängend. Beweis. Sei E = A ∪ B mit getrennten A und B. Nach Lemma 12.8.8 folgt für jedes i ∈ I immer entweder Ei ⊆ A oder Ei ⊆ B. Sei ohne Beschränkung der Allgemeinheit Ek ⊆ A. Wäre Ei ⊆ B für nur ein i ∈ I, so wären Ek und Ei im Widerspruch zur Voraussetzung getrennt. Somit muss E ganz in A enthalten sein, und infolge B = ∅. q 12.8.10 Korollar. Mit E ist auch jede Teilmenge C eines topologischen Raumes mit E ⊆ C ⊆ E zusammenhängend. Beweis. Sei C = A ∪ B mit getrennten A und B. Aus Lemma 12.8.8 erhalten wir E ⊆ A oder E ⊆ B. Im ersten Fall folgt aus C ∩ B ⊆ E ∩ B ⊆ A ∩ B = ∅, dass E ⊆ A und daher B = ∅. Im zweiten Fall schließt man entsprechend auf A = ∅. q Das folgende Korollar 12.8.11 ist eine unmittelbare Verallgemeinerung von Lemma 11.3.5 auf topologische Räume. 12.8.11 Korollar. Sei (X, T ) ein topologischer Raum. Ist ∼⊆ X × X die Relation auf X definiert durch x ∼ y ⇔ ∃ E ⊆ X : x, y ∈ E, E ist zusammenhängend , so ist ∼ eine Äquivalenzrelation. Für ein x ∈ X ist die Äquivalenzklasse [x]∼ die größte zusammenhängende Menge, die x enthält. Schließlich ist [x]∼ abgeschlossen. Beweis. Da die einpunktige Menge {x} zusammenhängend ist, ist ∼ reflexiv. Die Symmetrie ist klar. Aus x ∼ y, y ∼ z folgt x, y ∈ E und y, z ∈ F für zusammenhängende E und F. Gemäß Korollar 12.8.9 ist dann E ∪ F zusammenhängend, wobei x, z ∈ E ∪ F. Also ist ∼ ein Äquivalenzrelation. Schließlich ist für x ∈ X die Menge [ [x]∼ = E, x∈E E ist zusammenhängend wegen Korollar 12.8.9 zusammenhängend. Klarerweise ist diese Menge dann auch die größte zusammenhängende Menge, die x enthält. Wegen Korollar 12.8.10 ist sie auch abgeschlossen. q 12.9 Trennungseigenschaften (T 3) und (T 4) Wir wollen dieses Kapitel mit der einfachen Bemerkung starten, dass in (T 2 ) Räumen einpunktige Mengen {x} abgeschlossen sind. Das folgt aus der Beobachtung, dass es zu y ∈ {x}c wegen (T 2 ) eine Umgebung gibt, die x nicht enthält, bzw. ganz in {x}c enthalten ist. Wegen Lemma 12.1.10 ist {x}c offen. 3 Diese Voraussetzung ist sicher dann erfüllt wenn Ek mit allen Ei einen nichtleeren Schnitt hat. 12.9 Trennungseigenschaften (T 3) und (T 4) 443 12.9.1 Definition. Man sagt, dass sich zwei disjunkte Mengen A und B in einem Topologischen Raum getrennt durch offenen Mengen sind, wenn es disjunkte offene Mengen OA , OB gibt, sodass A ⊆ OA , B ⊆ OB . Dazu sagen wir auch, dass sich A und B durch offene Mengen trennen lassen. Ein topologischer Raum (X, T ) heißt regulär, falls er neben dem Axiom (T 2 ) noch das Trennungsaxiom (T 3 ) erfüllt: (T 3 ) Abgeschlossene Mengen A und einpunktige Mengen {x} mit x < A lassen sich durch offene Mengen trennen, also ∃O x , OA ∈ T : x ∈ O x , A ⊆ OA , O x ∩ OA = ∅. OA A Ox x Abbildung 12.3: Drittes Trennungsaxiom (T 3 ) Ein topologischer Raum (X, T ) heißt normal, falls er neben dem Axiom (T 2 ) noch das Trennungsaxiom (T 4 ) erfüllt: (T 4 ) Disjunkte abgeschlossene Mengen A und B lassen sich durch offene Mengen trennen, also ∃OA , OB ∈ T : A ⊆ OA , B ⊆ OB , OA ∩ OB = ∅. OB B OA A Abbildung 12.4: Viertes Trennungsaxiom (T 4 ) Offenbar ist das Axiom (T 2) äquivalent dazu, dass sich je zwei verschiedene einpunktige Mengen durch offene Mengen trennen lassen. Da einpunktige Mengen in (T 2)-Räumen abgeschlossen sind, folgt aus normal auch regulär. Im Allgemeinen gilt aber nicht die Umkehrung. 12.9.2 Bemerkung. Zwei disjunkte Mengen A und B – die Disjunktheit ist äquivalent zu A ⊆ Bc – lassen sich genau dann durch offene Mengen trennen, wenn es ein offenes O gibt, sodass A ⊆ O ⊆ O ⊆ Bc . (12.17) 444 12 Topologische Grundlagen In der Tat folgt aus A ⊆ OA , B ⊆ OB , OA ∩ OB = ∅, dass A ⊆ OA ⊆ OcB ⊆ Bc und daraus A ⊆ OA ⊆ OA ⊆ OcB ⊆ Bc . Andererseits folgt aus (12.17) unmittelbar A ⊆ O, B ⊆ c c O , O ∩ O = ∅. Zusammen mit Beispiel 12.1.9, (ii), folgt aus Bemerkung 12.9.2 12.9.3 Korollar. Das Axiom (T 3 ) ist äquivalent zur Tatsache, dass man zu dem Punkt x und jedem offenen O 3 x ein offenes P mit x ∈ P ⊆ P ⊆ O finden kann, bzw. äquivalent zur Tatsache, dass man zu einer beliebigen Umgebung U ∈ U(x) eines beliebigen Punktes x eine Umgebung V ∈ U(x) mit V ⊆ U finden kann. 12.9.4 Bemerkung. Im Gegensatz zu (T 4 ) vererben sich die Axiome (T 2 ) und (T 3 ) auf Teilräume: Ist Y ⊆ X und (X, T ) ein topologischer Raum, der (T 2 ) bzw. (T 3 ) erfüllt, so erfüllt (Y, T |Y ) auch (T 2 ) bzw. (T 3 ). Um das einzusehen, erfülle X zunächst das (T 2 ). Sind dann x , y ∈ Y und O x , Oy ∈ T disjunkt mit x ∈ O x bzw. y ∈ Oy , so folgt x ∈ O x ∩ Y ∈ T |Y , y ∈ Oy ∩ Y ∈ T |Y . Also erfüllt Y auch das Axiom (T 2 ). Gilt (T 3 ) auf X, und ist x ∈ Y und W eine Umgebung von x in Y, so haben wir in Fakta 12.6.2 gesehen, dass W = U ∩ Y für eine Umgebung U von x in X. Wegen (T 3 ) gibt es eine Umgebung V von x in X mit V ⊆ U. Infolge ist V ∩ Y eine Umgebung von x in Y mit x∈V ∩Y T |Y T =V ∩Y ∩Y ⊆V ∩Y ⊆U ∩Y =W. Also gilt (T 3 ) auch auf Y. 12.9.5 Bemerkung. Ähnlich zeigt man, dass sich die Axiome (T 2 ) und (T 3 ) von topologiQ Q schen Räumen (Xi , Ti ) auf den Produktraum ( i∈I Xi , i∈I Ti ) vererben. 12.9.6 Beispiel. Metrische Räume sind normal. Dazu seien A und B zwei disjunkte, abgeschlossene Mengen. Zu a ∈ A gibt es ein a > 0 mit U2a (a) ⊆ Bc . Entsprechend wählt man b für b ∈ B. Nun setze [ [ OA := Ua (a) und OB := Ub (b) . a∈A b∈B Ist c ∈ OA ∩ OB , so gibt es a ∈ A, b ∈ B mit c ∈ Ua (a) ∩ Ub (b). Ohne Beschränkung der Allgemeinheit sei a ≥ b . Es folgt d(a, b) ≤ d(a, c) + d(c, b) < 2a , was aber b ∈ U2a (a) implizieren würde. Das ist ein Widerspruch zur Wahl von a . Also gilt A ⊆ OA , B ⊆ OB und OA ∩ OB = ∅. 12.10 Das Lemma von Urysohn* S 12.10.1 Lemma. Sei Mk = { 2lk : l = 0, . . . , 2k } und M = ∞ k=0 Mk . Weiters sei (X, T ) ein topologischer Raum, und jedem r ∈ M sei eine offene Menge Or ∈ T zugeordnet, sodass aus r, s ∈ M, r < s die Inklusion Or ⊆ O s folgt und O0 = ∅, O1 = X gilt. Die durch f (x) := inf{r ∈ M : x ∈ Or } , 12.10 Das Lemma von Urysohn* 445 definierte Abbildung f : X → [0, 1] ist dann stetig, wobei f auf S und auf X \ r∈M,r<1 Or den Wert Eins annimmt. T r∈M,r>0 Or den Wert Null Beweis. Wegen O1 = X ist {r ∈ M : x ∈ Or } für jedes x ∈ X eine nichtleere Teilmenge c von [0, 1], wodurch f (x) ein Element von [0, 1] ist. Wegen O0 = ∅ ist {r ∈ M : x ∈ Or } für jedes x ∈ X ebenfalls eine nichtleere Teilmenge von [0, 1], womit c g(x) := sup{r ∈ M : x ∈ Or } ∈ [0, 1] . c Aus s ∈ {r ∈ M : x ∈ Or } und t ∈ {r ∈ M : x ∈ Or } folgt s < t, da s ≥ t die Beziehung c c x ∈ O s ∩ Ot ⊆ O s ∩ O s = ∅ nach sich ziehen würde. Also gilt g(x) ≤ f (x). Wäre aber g(x) < f (x), so folgte aus der Dichtheit von M in [0, 1], dass g(x) < r < s < f (x) für s, r ∈ M . c Wegen Or ⊆ O s gilt für ein festes x ∈ X, dass x ∈ O s oder x ∈ Ocs ⊆ Or , und damit f (x) ≤ s oder g(x) ≥ r. Das ergibt in jedem Fall ein Widerspruch; also f (x) = g(x). Die Stetigkeit von f : X → [0, 1] ist äquivalent zur Stetigkeit von f als Funktion nach R hinein; vgl. Fakta 12.6.2. Da die Mengen der Bauart (t, +∞) und (−∞, t) für t ∈ R eine Subbasis der Topologie auf R sind, reicht es gemäß Lemma 12.4.7 nachzuweisen, dass f −1 (t, +∞) ∈ T und f −1 (−∞, t) ∈ T für jedes t ∈ R. Dafür zeigen wir [ [ c Or (∈ T ) . f −1 (−∞, t) = Or (∈ T ) und f −1 (t, +∞) = r∈M, r<t r∈M, r>t In der Tat gilt f (x) = inf{r ∈ M : x ∈ Or } < t ⇔ ∃ r ∈ M, r < t, x ∈ Or ⇔ x ∈ c c [ Or , r∈M,r<t f (x) = g(x) = sup{r ∈ M : x ∈ Or } > t ⇔ ∃ r ∈ M, r < t, x ∈ Or ⇔ x ∈ [ c Or . r∈M,r>t S T Schließlich folgt f ( r∈M,r>0 Or ) ⊆ {0} und f (X \ r∈M,r<1 Or ) ⊆ {1} unmittelbar aus der Definition von f . q Wir erhalten im Folgenden das in der Literatur als Lemma von Urysohn bezeichnete Ergebnis für topologische Räume, welche (T 4) erfüllen; siehe Definition 12.9.1. 12.10.2 Korollar. Gilt in (X, T ) das vierte Trennungsaxiom (T 4), so sind je zwei disjunkte abgeschlossene Mengen A, B durch eine stetige Funktion f : X → [0, 1] trennbar, also f (A) ⊆ {0}, f (B) ⊆ {1}. Beweis. Sind A, B zwei abgeschlossene und disjunkte Teilmengen von X, so gibt es wegen dem (T 4) zwei disjunkte offene Teilmengen O ⊇ A, P ⊇ B. Daraus folgt A ⊆ O ⊆ O ⊆ Pc ⊆ Bc . Für k = 0 setzen wir O0 := O, O1 := Bc und erhalten Or ⊆ O s für alle r < s, r, s ∈ M0 = {0, 1}. 446 12 Topologische Grundlagen Angenommen, wir haben für k ∈ N ∪ {0} und alle r ∈ Mk offene Or definiert, sodass l Or ⊆ O s für alle r < s, r, s ∈ Mk . Dann definieren wir für t = 2k+1 ∈ Mk+1 \ Mk , also k+1 l ∈ N \ 2N, l < 2 , die Menge Ot folgendermaßen: l+1 Wegen r := 2l−1 k+1 , s := 2k+1 ∈ Mk folgt aus Or ⊆ O s , dass die abgeschlossenen Mengen Or , Ocs disjunkt sind. Wie oben für A und B leiten wir aus dem (T 4) die Existenz einer offenen Menge Ot mit Or ⊆ Ot ⊆ Ot ⊆ O s her. S Infolge haben wir induktiv für alle r ∈ M = k∈N Mk offene Mengen definiert, sodass Or ⊆ O s für alle r < s, r, s ∈ M. Definieren wir nun noch O0 und O1 um, indem wir O0 := ∅ sowie O1 := X setzen, so sind alle Voraussetzungen von Lemma 12.10.1 erfüllt. T Wegen A ⊆ r∈M,r>0 Or erfüllt die stetige Funktion aus diesem Lemma f (A) ⊆ {0} und S wegen Or ⊆ Bc , r < 1, r ∈ M bzw. B ⊆ X \ r∈M,r<1 Or auch f (B) ⊆ {1}. q Als Folgerung des Lemmas von Urysohn erhalten wir den Fortsetzungssatz von Tietze. 12.10.3 Satz (Fortsetzungssatz von Tietze). Ein topologischer Raum (X, T ) erfülle (T 4 ). Ist A ⊆ X abgeschlossen und f : A → R stetig, so existiert eine stetige Fortsetzung g von f auf X, also ein stetiges g : X → R mit g|A = f , wobei supt∈A | f (t)| = supt∈X |g(t)| (∈ R ∪ {+∞}). Der Beweis beruht auf dem folgenden Lemma. 12.10.4 Lemma. Erfülle (X, T ) das Axiom T 4 und sei u : A → [−1, 1] stetig. Dann existiert eine stetige Funktion v : X → [− 13 , 13 ], sodass |u(x) − v(x)| ≤ 23 für alle x ∈ A. Beweis. Sei H := {x ∈ A : −1 ≤ u(x) ≤ − 13 } und K := {x ∈ A : 13 ≤ u(x) ≤ 1}. Dann sind H, K abgeschlossen in A bezüglich der Spurtopologie. Da A abgeschlossen in X ist, sind H, K auch abgeschlossen in X. Klarerweise gilt H ∩K = ∅. Nach dem Lemma von Urysohn, Korollar 12.10.2, gibt es eine stetige Funktion v : X → [− 13 , 13 ] mit v(H) ⊆ {− 13 }, v(K) ⊆ { 13 }. Diese hat offensichtlich die gewünschte Eigenschaft. q Beweis. (Satz 12.10.3) Habe f zunächst Werte in [−1, 1] mit k f k∞ = 1. Wir konstruieren eine Folge (hn )n∈N0 stetiger Funktionen hn : X → [− 13 ( 23 )n , 13 ( 23 )n ]. Wendet man Lemma 12.10.4 auf die Funktion f an, so erhält man h0 : X → [− 13 , 13 ] mit | f (x) − h0 (x)| ≤ 23 für x ∈ A. Haben wir für j = 0, . . . , n stetige h j : X → [− 31 ( 23 ) j , 13 ( 32 ) j ], sodass n X 2 f (x) − hn (x) ≤ ( )n+1 für alle x ∈ A , 3 j=0 P n+1 so wende man Lemma 12.10.4 auf u(x) := 32 f (x) − nj=0 hn (x) an. Die ren+1 sultierende Funktion wird mit 32 multipliziert, und wir erhalten eine Funktion hn+1 : X → [− 13 ( 23 )n+1 , 13 ( 32 )n+1 ], sodass für x ∈ A n+1 n 2 2 X X n+1 f (x) − . hn (x) = f (x) − hn (x) − hn+1 (x) ≤ · 3 3 j=0 j=0 12.10 Das Lemma von Urysohn* 447 Wir werden in Lemma 12.13.9 sehen, dass der Raum Cb (X, R) aller reellwertigen, beschränkten und stetigen Funktionen auf X versehen mit k.k∞ ein Banachraum ist. Wegen ∞ ∞ X X 1 2 j kh j k∞ ≤ ( ) =1 (12.18) 3 3 j=0 j=0 P konvergiert die Reihe ∞j=0 h j dort absolut; vgl. Definition 9.3.1. Gemäß Fakta P 9.3.2 konvergiert somit ∞j=0 h j in Cb (X, R) bzgl. k.k∞ , also gleichmäßig, gegen eine g ∈ Cb (X, R), wobei aus (12.18) die Abschätzung kgk∞ ≤ 1 folgt. Schließlich ist g eine Fortsetzung von f , denn für x ∈ A gilt n X 2 n+1 n→∞ f (x) − hn (x) ≤ −→ 0 . 3 j=0 Ist allgemeiner f : A → R beschränkt und nicht die Nullfunktion, so wenden wir das gezeigte auf k f fk∞ an. Nach Multiplikation der resultierenden Funktion auf X mit k f k∞ erhalten wir die gewünschte Fortsetzung von f . Im Falle f = 0 setzen wir einfach g = 0. Sei nun f : A → R unbeschränkt. Da R vermöge φ : R → (−1, 1) homöomorph zu (−1, 1) ist, können wir das bewiesene auf φ ◦ f : A → (−1, 1) anwenden und erhalten eine Fortsetzung r : X → [−1, 1] davon. Wegen A ⊆ r−1 (−1, 1) sind die abgeschlossenen Mengen A und r−1 {−1, 1} disjunkt. Eine Anwendung von Korollar 12.10.2 ergibt eine stetige Funktion s : X → [0, 1] mit s(A) ⊆ {1} und s(r−1 {−1, 1}) = {0}. Die ebenfalls stetige Funktion r · s : X → [−1, 1] nimmt nun offensichtlich die Werte ±1 nicht an, also r · s : X → (−1, 1), und stimmt auf A mit φ ◦ f überein. Die Funktion g : X → R definiert durch g = φ−1 ◦ (r · s) : X → R ist die gesuchte Funktion. q 12.10.5 Bemerkung. Aus der Gültigkeit des Fortsetzungssatz von Tietze auf einem topologischen Raum (X, T ) folgt sofort das Lemma von Urysohn, Korollar 12.10.2, da für disjunkte und abgeschlossene Mengen A, B die Funktion f : A ∪ B → [−1, 1] definiert durch f = 1B − 1A wegen Lemma 12.6.4 stetig ist, und daher eine stetige Fortsetzung g : X → [−1, 1] hat. Die Funktion 12 (g + 1) hat dann die in Korollar 12.10.2 verlangten Eigenschaften. Andererseits folgt aus der Gültigkeit des Lemma von Urysohn, Korollar 12.10.2, auf einem topologischen Raum (X, T ), dass dieser das Axiom (T 4) erfüllt. Sind nämlich A, B ⊆ X abgeschlossen und disjunkt, und ist f : X → [0, 1] wie in Korollar 12.10.2, so folgt für die offenen Menge f −1 (−∞, 21 ) und f −1 ( 12 , +∞), dass A ⊆ f −1 (−∞, 12 ), B ⊆ f −1 ( 12 , +∞), f −1 (−∞, 12 ) ∩ f −1 ( 12 , +∞) = ∅. 448 12 Topologische Grundlagen 12.11 Kompaktheit Bei metrischen Räumen haben wir in Definition 5.2.6 den Begriff der Kompaktheit mit Hilfe von Folgen eingeführt. Für allgemeine topologische Räume wollen wir anders starten. Wir werden weiter unten sehen, dass dieser Zugang zur Kompaktheit in metrischen Räumen zu dem schon bekannten Konzept äquivalent ist. 12.11.1 Definition. Eine Teilmenge K eines topologischer Raum (X, T ) heißt kompakt, wenn jede offene Überdeckung von K, also V ⊆ T mit [ V ⊇ K, V∈V eine endliche Teilüberdeckung besitzt, es also V1 , . . . , Vn ∈ V gibt mit V1 ∪ . . . ∪ Vn ⊇ K . Eine Teilmenge A ⊆ X heißt relativ kompakt, wenn A ⊆ X kompakt ist. Der Raum (X, T ) heißt lokalkompakt, wenn jeder Punkt x eine kompakte Umgebung besitzt. Sei C eine Familie von Teilmengen einer Mengen X, also C ⊆ P(X). Wir sagen, dass C die endliche Durchschnittseigenschaft hat, wenn für je endlich viele C1 , . . . , Cn ∈ C stets C1 ∩ . . . ∩ Cn , ∅ gilt. 12.11.2 Proposition. Sei (X, T ) ein topologischer Raum und K ⊆ X. Dann sind folgende Aussagen äquivalent: (K1 ) K ist kompakt. (K2 ) K betrachtet als Teilmenge von (K, T |K ) ist kompakt. (K3 ) Jede Familie bzgl. T |K abgeschlossener Teilmengen von K mit der endlichen Durchschnittseigenschaft hat nichtleeren Durchschnitt. (K4 ) Jedes Netz (xi )i∈I in K hat ein gegen ein x ∈ K konvergentes Teilnetz. Beweis. (K1 ) ⇒ (K2 ): Sei V ⊆ T |K eine offene Überdeckung von K in (K, T |K ). Zu V ∈ V existiert ein UV ∈ T mit UV ∩ K = V, womit U := {UV : V ∈ V} ⊆ T eine offene Überdeckung von K ist. Es gibt also UV1 , . . . , UVn mit UV1 ∪ . . . ∪ UVn ⊇ K und folglich V1 ∪ . . . ∪ Vn = (UV1 ∩ K) ∪ . . . ∪ (UVn ∩ K) = (UV1 ∪ . . . ∪ UVn ) ∩ K = K . (K2 ) ⇒ (K1 ): Sei K als Teilmenge von (K, T |K ) kompakt. Für eine Überdeckung U ⊆ T von K ist V := {U ∩ K : U ∈ U} eine offene Überdeckung von (K, T |K ). Daher existiert eine endliche Teilüberdeckung {U1 ∩ K, . . . , Un ∩ K}, und wir erhalten U1 ∪ . . . ∪ Un ⊇ K. 12.11 Kompaktheit 449 (K2 ) ⇒ (K3 ): Sei C eine Familie in (K, T |K ) abgeschlossener Teilmengen von K mit der T endlichen Durchschnittseigenschaft. Aus C∈C C = ∅ folgt [ K \C = K, C∈C wobei die K \ C in (K, T |K ) offen sind. Also gibt es eine endliche Teilüberdeckung, (K \ C1 ) ∪ . . . ∪ (K \ Cn ) = K, und wir erhalten C1 ∩ . . . ∩ Cn = ∅, was aber der endlichen Durchschnittseigenschaft widerspricht. (K3 ) ⇒ (K2 ): Sei V ⊆ T |K eine offene Überdeckung von K. Würde V keine endliche Teilüberdeckung besitzen, so wäre (K \ V1 ) ∩ . . . ∩ (K \ Vn ) , ∅ für jede endliche Auswahl V1 , . . . , Vn ∈ V. Also hätte C = {K \V : V ∈ V} die endliche Durchschnittseigenschaft, und nach Voraussetzung wäre der Schnitt aller Mengen K \ V, V ∈ V nichtleer. Damit wäre V aber keine Überdeckung. (K3 ) ⇒ (K4 ): Sei (xi )i∈I ein Netz in K. Für i ∈ I ist Ci = {xk : k i} ∩ K abgeschlossen in (K, T |K ). Dabei hat {Ci : i ∈ I} die endliche Durchschnittseigenschaft, denn sind i1 , . . . , in ∈ I und ist i ∈ I mit i i1 , . . . , in , so gilt ∅ , {xk : k i} ⊆ {xk : k i1 } ∩ · · · ∩ {xk : k in } . Nach Voraussetzung gibt es ein x ∈ ∩i∈I Ci . Jetzt sei J = {( j, U) : j ∈ I, U ∈ U(x), x j ∈ U} versehen mit der offensichtlich reflexiven und transitiven Relation ( j, U) (k, V) :⇔ j k ∧ U ⊇ V . Für ( j1 , U1 ), ( j2 , U2 ) ∈ J sei k ∈ I mit k j1 , j2 . Wegen x ∈ {x j : j k} gibt es ein x j ∈ U1 ∩ U2 mit j k, und infolge ( j, U1 ∩ U2 ) ( j1 , U1 ), ( j2 , U2 ). Also ist J gerichtet. Mit xi( j,U) := x j erhalten wir ein Teilnetz (xi( j,U) )( j,U)∈J von (xi )i∈I , da für jedes i0 ∈ I die Beziehung (i0 , X) ∈ J gilt und da ( j, U) (i0 , X) immer i( j, U) = j i0 = i(i0 , U) nach sich zieht. Zu V ∈ U(x) gibt es ein k ∈ I mit xk ∈ V. Für ( j, U) (k, V) folgt dann xi( j,U) = x j ∈ U ⊆ V und somit die Konvergenz dieses Teilnetzes gegen x. (K4 ) ⇒ (K3 ): Hat C = {Ci : i ∈ I} die endliche Durchschnittseigenschaft, so sei E(I) die Menge aller endlichen Teilmengen von I gerichtet durch die Relation M1 M2 :⇔ M1 ⊆ M2 . Für M ∈ E(I) sei x M irgend ein Punkt aus ∩i∈M Ci . Man beachte, dass nach Voraussetzung dieser Schnitt nicht leer ist. Das Netz (x M ) M∈E(I) hat wegen (K4) ein gegen ein x ∈ X konvergentes Teilnetz (x M( j) ) j∈J . Ist k ∈ I, so gibt es wegen {k} ∈ E(I) ein j0 ∈ J mit M( j) ⊇ {k} für alle j j0 , und somit x M( j) ∈ ∩i∈M( j)Ci ⊆ Ck . Also liegt das ebenfalls gegen x konvergente Netz 450 12 Topologische Grundlagen (x M( j) ) j∈J j0 in der abgeschlossenen Menge Ck . Mit Proposition 12.2.7 folgt daraus x ∈ Ck , und, da k ∈ I beliebig war, auch dass der Schnitt aller Ck ’s x enthält und damit nicht leer ist. q 12.11.3 Bemerkung (*). Wegen Lemma 12.2.15 ist die Bedingung (K4) zu der Tatsache äquivalent, dass jedes Netz einen Häufungspunkt in K hat. 12.11.4 Satz (*). Ein Netz (xi )i∈I in einer kompakten Menge K ⊆ X konvergiert genau dann gegen ein x ∈ X, wenn x der einzige Häufungspunkt von (xi )i∈I ist. Beweis. Wenden wir nun Lemma 12.2.16 an, und beachten, dass Häufungspunkte von Teilnetzen von (xi )i∈I auch Häufungspunkte von (xi )i∈I sind (vgl. Lemma 12.2.15), so erhalten wir aus Bemerkung 12.11.3 das behauptete Ergebnis. q 12.11.5 Definition (*). Eine Teilmenge A eines topologischen Raumes (X, T ) heißt abzählbar kompakt, wenn jede unendliche Teilmenge von A einen Häufungspunkt in A hat. Eine Teilmenge A eines topologischer Raum (X, T ) heißt folgenkompakt, wenn jede Folge in A eine gegen ein x ∈ A konvergente Teilfolge hat. 12.11.6 Bemerkung (*). Ist M ⊆ A unendlich, so gibt es sicher eine injektive Funktion x : N → M, also eine Folge xn = x(n) mit paarweise verschiedenen Folgengliedern. Ist A folgenkompakt, so gilt x = limk→∞ xn(k) für eine Teilfolge (xn(k) )k∈N und ein x ∈ A. Für jede Umgebung U von x gibt es somit einen Index k0 ∈ N, sodass xn(k) ∈ U für alle k ≥ k0 . Da die Folgenglieder alle verschieden sind, enthält U sicherlich einen Punkt y := xn(k) ∈ M, der ungleich x ist. Also hat M einen Häufungspunkt in A; vgl. Definition 12.2.8. Somit folgt für eine Teilmenge eines topologischen Raumes aus der Eigenschaft folgenkompakt die Eigenschaft abzählbar kompakt. Die Umkehrung gilt im Allgemeinen nicht. Ist A kompakt, so folgt wegen Proposition 12.11.2 x = limi∈I xn(i) für ein Teilnetz (xn(i) )i∈I und ein x ∈ A. Für jede Umgebung U von x gibt es somit einen Index i0 ∈ I, sodass xn(i) ∈ U für alle i i0 . Da die Folgenglieder alle verschieden sind, gibt es höchstens ein n0 ∈ N, sodass xn0 = x. Die Teilnetzeigenschaft bedingt die Existenz eines i1 ∈ I, sodass aus i i1 immer n(i) ≥ n0 + 1 und xn(i) ∈ U folgt. Für solche i liegt der Punkt y := xn(i) ∈ M in U und ist ungleich x. Also hat M einen Häufungspunkt in A; vgl. Definition 12.2.8. Somit folgt auch aus kompakt abzählbar kompakt. Die Umkehrung gilt im Allgemeinen auch hier nicht. Überraschenderweise gilt im Allgemeinen weder, dass kompakt folgenkompakt impliziert, noch, dass folgenkompakt kompakt impliziert. Für metrische Räumen werden wir in Satz 12.13.3 sehen, dass alle drei Begriffe äquivalent sind. 12.11.7 Lemma. Für ein topologischen Raum (X, T ) und A, A1 , . . . , Am ⊆ X gilt: (i) Ist A kompakt und B ⊆ A abgeschlossen in (A, T |A ), dann ist B kompakt. (ii) Sind A1 , . . . , Am kompakt, so auch A1 ∪ . . . ∪ Am . (iii) Ist (X, T ) Hausdorff und A kompakt, so ist A abgeschlossen. 12.11 Kompaktheit 451 Beweis. (i) Die Menge A \ B ist offen in (A, T |A ). Also existiert O ∈ T mit O ∩ A = A \ B. Sei U eine Überdeckung von B aus in X offenen Mengen, dann überdeckt U ∪ {O} ganz A. Daher gibt es U1 , . . . , Un ∈ U mit U1 ∪ . . . ∪ Un ∪ O ⊇ A. Es folgt U1 ∪ · · · ∪ Un = U1 ∪ . . . ∪ Un ∪ (O ∩ B) | {z } =∅ ⊇ (U1 ∩ B) ∪ . . . ∪ (Un ∩ B) ∪ (O ∩ B) = (U1 ∪ . . . ∪ Un ∪ O) ∩ B ⊇ B . (ii) Sei U eine Überdeckung von A1 ∪ . . . ∪ Am aus in X offenen Mengen. Dann überdeckt U jedes Ai , also existieren für i = 1, . . . , m offene U1i , . . . , Uni i mit U1i ∪ . . . ∪ Uni i ⊇ Ai , und es folgt [ k,i Uki ⊇ A1 ∪ . . . ∪ Am . (iii) Sei A kompakt, und sei x < A. Da (X, T ) Hausdorff ist, gibt es zu jedem Punkt y ∈ A offene Umgebungen Uy ∈ U(y), Vy ∈ U(x), mit Uy ∩ Vy = ∅. Klarerweise ist {Uy : y ∈ A} eine offene Überdeckung von A. Daher gibt es y1 , . . . , yn ∈ A, sodass bereits Uy1 ∪. . .∪Uyn ⊇ A gilt. Die Menge Vy1 ∩. . .∩Vyn ist als endlicher Durchschnitt von Umgebungen von x ebenfalls eine Umgebung von x, und es gilt A ∩ Vy1 ∩ . . . ∩ Vyn ⊆ Uy1 ∪ . . . ∪ Uyn ∩ Vy1 ∩ . . . ∩ Vyn = ∅ . Also ist x ein innerer Punkt von Ac . Nach Lemma 12.1.10 ist Ac offen und daher A abgeschlossen. q 12.11.8 Lemma. Sei f : (X, T ) → (Y, O) stetig und A ⊆ X kompakt. Dann ist auch f (A) ⊆ Y kompakt. Beweis. Für eine Überdeckung U ⊆ O von f (A) ist auch f −1 (U) eine Überdeckung von A, die wegen der Stetigkeit von f aus offenen Mengen besteht. Es gibt also U1 , . . . , Un ∈ U, sodass f −1 (U1 ) ∪ . . . ∪ f −1 (Un ) ⊇ A . Wendet man darauf f an, dann folgt U1 ∪ . . . ∪ Un ⊇ f (A). q Nimmt man die Charakterisierung (K4) aus Proposition 12.11.2 her, so kann man Lemma 12.11.8 auch ganz ähnlich wie in Proposition 6.1.13 beweisen. Ist nämlich (yi )i∈I ein Netz in f (A), und wählt man zu jedem i ∈ I ein xi ∈ A, sodass f (xi ) = yi , so hat das Netz (xi )i∈I nach (K4) ein gegen ein x ∈ A konvergentes Teilnetz (xi( j) ) j∈J . Aus Lemma 12.3.3 schließen wir, dass (yi( j) ) j∈J = f (xi( j) ) j∈J gegen f (x) =: y konvergiert. Also hat jedes Netz aus f (A) ein gegen ein y ∈ f (A) konvergentes Teilnetz. Nach (K4) aus Proposition 12.11.2 ist f (A) somit kompakt. 452 12 Topologische Grundlagen 12.11.9 Beispiel. Wir betrachten [−∞, +∞) versehen mit T< := {[−∞, a) : a ∈ [−∞, +∞]} wie in Beispiel 12.1.4, (v). Sei K ⊆ [−∞, +∞) nichtleer, und sei (xn )n∈N eine monoton wachsende Folge aus K mit Grenzwert sup K (∈ [−∞, +∞]); vgl. Beispiel 3.3.4 im Fall sup K < +∞. Im Fall sup K < K ergibt {[−∞, xn ) : n ∈ N} eine Überdeckung von K, welche keine endliche Teilüberdeckung besitzt. Infolge muss eine kompakte Teilmenge K nach oben beschränkt sein und sogar ein Maximum haben. Hat umgekehrt K ein Maximum s, so gilt für jedes Netz (xi )i∈I aus K lim sup xi = inf sup xi ≤ s . i∈I k∈I I3ik Gemäß Beispiel 12.1.14, (ii), konvergiert (xi )i∈I gegen s ∈ K in ([−∞, +∞), T< ). Wegen Proposition 12.11.2 ist K dann kompakt. Also sind die kompakten Teilmengen von [−∞, +∞) genau diejenigen, welche ein Maximum haben. Da die abgeschlossenen Teilmengen alle von der Gestalt [−∞, +∞)\[−∞, a) = [a, +∞) sind, sehen wir auch, dass im Allgemeinen die Voraussetzung Hausdorff in Lemma 12.11.7, (iii), nicht weggelassen werden kann. Ist schließlich (X, T ) ein weiterer topologischer Raum, K ⊆ X kompakt, und f : X → [−∞, +∞) oberhalbstetig (siehe Beispiel 12.3.5), so erhalten wir aus Lemma 12.11.8 die Kompaktheit von f (X) in ([−∞, +∞), T< ). Also hat f (X) ein Maximum, und infolge gibt es ein x ∈ K mit f (x) ≥ f (t) für alle t ∈ K. 12.11.10 Korollar. (i) Sei (X, T ) kompakt und (Y, O) Hausdorff. Weiters sei f : (X, T ) → (Y, O) bijektiv und stetig. Dann ist f ein Homöomorphismus. (ii) Sei die Menge X versehen mit den Topologien T und O, sodass T kompakt und O Hausdorff ist. Gilt O ⊆ T , so folgt sogar O = T . Beweis. (i) Wir müssen nachweisen, dass f −1 stetig ist. Dazu zeigen wir, dass das Urbild unter f −1 einer in (X, T ) abgeschlossenen Menge in (Y, O) abgeschlossen ist; siehe Satz 12.3.6. In der Tat ist gemäß Lemma 12.11.7, (i), jedes abgeschlossene A ⊆ X auch kompakt. Nach Lemma 12.11.8 ist dann auch ( f −1 )−1 (A) = f (A) als Teilmenge von Y kompakt. Wegen Lemma 12.11.7, (iii), ist ( f −1 )−1 (A) damit auch abgeschlossen. (ii) Wegen O ⊆ T ist idX : (X, T ) → (X, O) stetig, und (i) zeigt, dass idX sogar ein Homöomorphismus ist, wodurch T = O. q 12.11.11 Lemma. Sei (X, T ) ein topologischer Raum. (i) Ist X Hausdorffsch, A ⊆ X kompakt, und x ∈ X \ A, so lassen sich x und A durch offene Mengen trennen, also gibt es disjunkte offene Mengen O x 3 x und OA ⊇ A. 12.12 Satz von Tychonoff* 453 (ii) Erfüllt X das Axiom (T 3 ), und sind A ⊆ X kompakt, B ⊆ X abgeschlossen mit A ∩ B = ∅, so lassen sich A und B durch offene Mengen trennen. (iii) Ist (X, T ) kompakt und Hausdorffsch, so ist (X, T ) sogar normal. Beweis. (i) Zu jedem y ∈ A gibt es zwei disjunkte offene Mengen Qy 3 y und Py 3 x. Klarerweise ist dann {Qy : y ∈ A} eine Überdeckung von A. Wegen der Kompaktheit gibt es y1 , . . . , yn ∈ A, sodass A ⊆ Qy1 ∪ · · · ∪ Qyn := OA . Für O x := Py1 ∩ · · · ∩ Pyn gilt dann O x ∩ OA = O x ∩ (Qy1 ∪ · · · ∪ Qyn ) ⊆ (Py1 ∩ Qy1 ) ∪ · · · ∪ (Pyn ∩ Qyn ) = ∅ . (ii) Zu jedem y ∈ A gibt es wegen (T 3 ) zwei disjunkte offene Mengen Qy 3 y und Py ⊇ B. Dann ist {Qy : y ∈ A} eine Überdeckung von A. Wegen der Kompaktheit gibt es y1 , . . . , yn ∈ A, sodass A ⊆ Qy1 ∪· · ·∪Qyn := OA . Außerdem gilt für OB := Py1 ∩· · ·∩Pyn OB ∩ (Qy1 ∪ · · · ∪ Qyn ) ⊆ (Py1 ∩ Qy1 ) ∪ · · · ∪ (Pyn ∩ Qyn ) = ∅ . Also lassen sich A und B durch offene Mengen trennen. (iii) Da jede abgeschlossene Teilmenge von X nach Lemma 12.11.7 kompakt ist, folgt aus (i), dass X regulär ist, also gilt (T 2 ) und (T 3 ). Nach (ii) ist X dann sogar normal. q 12.12 Satz von Tychonoff* Q Der Übersicht halber schreiben wir in diesem Abschnitt die Elemente von X = i∈I Xi als S Funktionen f : I → i∈I Xi mit f (i) ∈ Xi . Q 12.12.1 Lemma. Seien (Xi , Ti ), i ∈ I, topologische Räume, und sei X := i∈I Xi mit der Q Produkttopologie i∈I Ti versehen. Ein Netz ( fλ )λ∈Λ hat f ∈ X genau dann als Häufungspunkt, wenn für alle endlichen J ⊆ I das Element f | J Häufungspunkt von ( fλ | J )λ∈Λ in Q i∈J Xi ist. T Beweis. Da die Mengen der Bauart i∈J π−1 i (Oi ) mit offenen Umgebungen Oi von f (i) und endlichen J ⊆ I eine Umgebungsbasis von f abgeben, ist gemäß Definition 12.2.13 f genau dann ein Häufungspunkt, wenn es zu jedem λ ∈ Λ, jedem endlichen J ⊆ I und jeder Wahl von offenen Umgebungen Oi von f (i) für i ∈ J immer ein α ∈ Λ gibt, sodass α λ und \ fα ∈ π−1 i (Oi ), bzw. äquivalent dazu, fα (i) ∈ Oi für alle i ∈ J , i∈J gilt. Ähnlich sieht man, dass f | J genau dann Häufungspunkt von ( fλ | J )λ∈Λ ist, wenn es zu jedem λ ∈ Λ und allen offenen Umgebungen Oi von f (i) für i ∈ J immer ein α ∈ Λ gibt, sodass α λ und fα (i) ∈ Oi für alle i ∈ J. Da Allquantoren vertauschen, folgt die behauptete Äquivalenz. q 454 12 Topologische Grundlagen 12.12.2 Satz (Tychonoff). Sei (Xi , Ti ), i ∈ I, eine Familie topologischer Räume, und sei Q Q Q Q i∈I Ti die Produkttopologie auf i∈I Xi . Dann ist ( i∈I Xi , i∈I Ti ) genau dann kompakt, wenn alle Räume (Xi , Ti ), i ∈ I, kompakt sind. Beweis. Setzt man voraus, dass (X, T ) kompakt ist, so ist jeder Raum (Xi , Ti ) als stetiges Bild eines kompakten Raumes ebenfalls kompakt; vgl. Lemma 12.11.8. Sei nun vorausgesetzt, dass (Xi , Ti ) für jedes i ∈ I kompakt ist. Gemäß Proposition 12.11.2 Q Q reicht es für die Kompaktheit von i∈I Xi zu zeigen, dass jedes Netz ( fλ )λ∈Λ aus i∈I Xi einen Häufungspunkt hat. S Betrachte die Menge M aller g : Dg → i∈I Xi mit Dg ⊆ I und g(i) ∈ Xi für i ∈ Dg . S Insbesondere ist M ⊆ P(I × i∈I Xi ) geordnet durch ⊆. Wir setzen Y HP p := {g ∈ M : g ist Häufungspunkt von ( fλ |Dg )λ∈Λ in Xi } . i∈Dg Da Xi kompakt ist, hat ( fλ (i))λ∈Λ für jedes i ∈ I mindestens einen Häufungspunkt yi in Xi , womit {i} × {yi } ∈ HP p . Insbesondere ist HP p nichtleer. Für eine bezüglich ⊆ totalgeordnete und nichtleere Teilmenge N ⊆ HP p , sieht man leicht, dass [ h := g, g∈N h(i) ∈ Xi für alle i ∈ Dh erfüllt. Da jedes endliche J ⊆ Dh schon in einem Dg mit g ∈ N enthalten ist, folgt aus Lemma 12.12.1, dass h ein Häufungspunkt von ( fλ |Dh )λ∈Λ ist, womit h ∈ HP p . Wir können das Lemma von Zorn anwenden und erhalten ein maximales f ∈ HP p . Wegen Lemma 12.2.15 konvergiert ein gewisses Teilnetz ( fλ(β) |Dg )β∈B gegen f |Dg . Wäre dabei I \ Dg nichtleer und i ∈ I \ Dg , so impliziert die Kompaktheit von Xi die Existenz eines gegen ein xi ∈ Xi konvergenten Teilnetzes ( fλ(β(γ)) (i))γ∈C von ( fλ(β) (i))β∈B . Setzen wir f durch h(i) := xi auf D f ∪ {i} fort, so konvergiert ( fλ(β(γ)) |D f ∪{i} )γ∈C gemäß Q Lemma 12.5.3 gegen h. Damit ist h ist Häufungspunkt von ( fλ |D f ∪{i} )λ∈Λ in i∈D f ∪{i} Xi , was der Maximalität von f widerspricht. Also gilt D f = I, und infolge ist f ∈ X Häufungspunkt von ( fλ )λ∈Λ . q 12.13 Kompaktheit in metrischen Räumen In diesem Abschnitt wollen wir uns speziell kompakte metrische Räume anschauen. Im ersten Semester haben wir die Kompaktheit einer Teilmenge K eines metrischen Raumes (X, d) so definiert, dass jede Folge eine gegen einen Punkt aus K konvergente Teilfolge hat. Wir werden hier unter anderem sehen, dass die Definition aus dem ersten Semester äquivalent zu der aus Definition 12.11.1 ist. Außerdem werden wir die Kompaktheit auch mit Hilfe des folgenden Begriffes charakterisieren. 12.13 Kompaktheit in metrischen Räumen 455 12.13.1 Definition. Sei (X, d) ein metrischer Raum. Eine Teilmenge M von X heißt total beschränkt, wenn es zu jedem > 0 endlich viele Teilmengen M1 , . . . , Mn ⊆ M vom Durchmesser d(M j ) := sup x,y∈M j d(x, y) kleiner als gibt, sodass 12.13.2 Fakta. M = M1 ∪ · · · ∪ Mn . 1. Man sieht sofort, dass Teilmengen von total beschränkten Mengen wieder total beschränkt sind. 2. Da einerseits Kugeln mit Radius einen Durchmesser kleiner oder gleich 2 haben und da andererseits jede Teilmenge M j ⊆ M mit d(M j ) < für ein beliebiges η j ∈ M j in U (η j ) enthalten ist, lässt sich totale Beschränktheit auch folgendermaßen charakterisieren: Zu jedem > 0 gibt es y1 , . . . , yn ∈ M, sodass M ⊆ U (y1 ) ∪ · · · ∪ U (yn ). 3. Ist M j ⊆ X und sind x, y ∈ M j , so gibt es wegen Lemma 5.1.12 gegen x bzw. y konvergente Folgen (xn )n∈N und (yn )n∈N aus M j . Also folgt d(x, y) = limn→∞ d(xn , yn ) ≤ d(M j ), und daher d(M j ) = d(M j ). Ist M total beschränkt und > 0, so gilt M = M1 ∪ · · · ∪ Mn mit d(M j ) < für j = 1, . . . , n. Es folgt nunmehr M = M1 ∪ · · · ∪ Mn mit d(M j ) < für j = 1, . . . , n, womit auch M total beschränkt ist. Insbesondere kann man für abgeschlossenes M die Mengen M j auch abgeschlossen wählen. 12.13.3 Satz. Für eine Teilmenge K eines metrischen Raumes (X, d) sind folgende Aussagen äquivalent. (i) K ist kompakt im Sinne von Definition 12.11.1. (ii) Jede unendliche Teilmenge von K hat einen Häufungspunkt in K. (iii) Jede Folge in K hat eine gegen einen Punkt in K konvergente Teilfolge. (iv) K ist total beschränkt, und (K, d|K×K ) ist ein vollständig metrischer Raum. Beweis. (i) ⇒ (ii): Sei M ⊆ K unendlich. Hätte M keinen Häufungspunkt in K, so gibt es zu jedem y ∈ K ein (y) > 0, sodass (vgl. Definition 5.1.7) M ∩ U(y) (y) ⊆ {y} . Da y ∈ K beliebig war, ist {U(y) (y) : y ∈ K} eine offene Überdeckung von K, die voraussetzungsgemäß eine endliche Teilüberdeckung hat. Also gibt es y1 , . . . , yk ∈ K, sodass K ⊆ U(y1 ) (y1 ) ∪ · · · ∪ U(yk ) (yk ). Wegen M = M ∩ K ⊆ M ∩ U(y1 ) (y1 ) ∪ · · · ∪ U(yk ) (yk ) ⊆ {y1 , . . . , yn } , wäre M dann endlich. 456 12 Topologische Grundlagen (ii) ⇒ (iii): Habe jede unendliche Teilmenge von K einen Häufungspunkt in K, und sei (xn )n∈N eine Folge aus K. Ist {xn : n ∈ N} endlich, so gilt sicherlich xn = x für ein x ∈ K und für unendlich viele n ∈ N. Somit hat (xn )n∈N eine Teilfolge, die konstant gleich x ist. Also ist x ein Häufungspunkt unserer Folge. Anderenfalls ist {xn : n ∈ N} ⊆ K unendlich, und laut Voraussetzung hat sie einen Häufungspunkt x in K. Da jede -Kugel um x unendlich viele Punkte aus {xn : n ∈ N} enthält (vgl. Fakta 5.1.10), muss für N ∈ N jede -Kugel auch unendlich viele Punkte aus {xn : n ∈ N, n ≥ N} enthalten. Insbesondere gibt es ein n(1) ∈ N mit d(xn(1) , x) < 1. Hat man natürliche n(1) < · · · < n(k) mit d(xn( j) , x) < 1j für j = 1, . . . , k, so sei n(k + 1) ∈ N mit n(k + 1) > n(k) 1 (x). Wir haben somit rekursiv derart, dass xn(k+1) ∈ {xn : n ∈ N, n ≥ n(k) + 1} ∩ U k+1 eine Teilfolge konstruiert, die gegen x konvergiert. (iii) ⇒ (iv): Angenommen K wäre nicht total beschränkt. Dann gibt es ein > 0, sodass, wenn immer M1 , . . . , Mn endlich viele Teilmengen mit Durchmesser kleiner von K sind, niemals M1 ∪ · · · ∪ Mn = K gilt. Aus dieser Tatsache werden wir nun auf die Existenz einer Folge ohne Häufungspunkt schließen. Sei x1 ∈ K beliebig. Angenommen wir haben x1 , . . . , xk ∈ K definiert, dann hat für j ∈ {1, . . . , k} nach der Dreiecksungleichung die Kugel U 3 (x j ) einen Durchmesser kleiner oder gleich 23 . Wegen unserer Wahl von ist (U 3 (x1 ) ∪ · · · ∪ U 3 (xk )) ∩ K eine echte Teilmenge von K. Wir wählen xk+1 ∈ K \ U 3 (x1 ) ∪ · · · ∪ U 3 (xk ) . Diese induktiv definierte Folge (xk )k∈N hat offensichtlich die Eigenschaft, dass für k ∈ N der Punkt xk nicht in U 3 (x1 ) ∪ · · · ∪ U 3 (xk−1 ) liegt, und somit d(xk , xl ) ≥ für l < k . 3 Insbesondere kann keine Teilfolge von (xk )k∈N eine Cauchy-Folge sein und schon gar nicht konvergieren. Das widerspricht aber der Voraussetzung (iii). Es bleibt die Vollständigkeit von (K, d|K×K ) zu zeigen. Dazu sei (xk )k∈N eine CauchyFolge in K. Diese hat voraussetzungsgemäß eine in K konvergente Teilfolge. Gemäß Lemma 3.5.7 ist dann auch (xk )k∈N in K konvergent. (iv) ⇒ (i): Zunächst folgt wegen Lemma 9.1.6 aus der Vollständigkeit, dass K abgeschlossen ist. Sei nun U eine offene Überdeckung von K, und sei angenommen, dass U keine endliche Teilüberdeckung enthält. Die Menge K ist gleich der Vereinigung von endlich vielen abgeschlossenen Mengen mit Durchmesser kleiner als 1. Mindestens eine von diesen Mengen kann nicht durch endlich viele Mengen aus U überdeckt werden. Diese sei K1 . Die Menge K1 ist gleich der Vereinigung von endlich vielen abgeschlossenen Mengen mit Durchmesser kleiner als 12 . Mindestens eine von diesen kann nicht durch 12.13 Kompaktheit in metrischen Räumen 457 endlich viele Mengen aus U überdeckt werden. Diese sei K2 . Verfährt man induktiv weiter, so erhält man eine Folge K ⊇ K1 ⊇ K2 ⊇ K3 ⊇ . . . von abgeschlossenen Mengen, sodass Kn einen Durchmesser kleiner als kein Kn durch endlich viele Mengen aus U überdeckt werden kann. 1 n hat, und Wählt man für jedes n ∈ N einen Punkt xn ∈ Kn , so ist (xn )n∈N wegen xm , xn ∈ Kmin(m,n) 1 mit d(Kmin(m,n) ) < min(m,n) eine Cauchy-Folge. Die Vollständigkeit von K sichert die Existenz eines Grenzwertes x ∈ K von (xn )n∈N . Als Überdeckung enthält U ein V ∈ U mit x ∈ V. Da V offen ist, gibt es eine Kugel U (x) ⊆ V. Sei n ∈ N, sodass 1 < 2 und d(xn , x) < 2 . Wegen d(Kn ) < 1n folgt für y ∈ Kn n d(x, y) ≤ d(x, xn ) + d(xn , y) < . Also gilt Kn ⊆ V, im Widerspruch zur Tatsache, dass Kn nicht durch endlich viele Mengen aus U überdeckt werden kann. q 12.13.4 Bemerkung. Eine Situation, wo obiger Satz Anwendung findet, ist die, dass (X, d) ein vollständig metrischer Raum ist, und dass G eine total beschränkte Teilmenge von X ist. Der Abschluss K von G ist dann auch total beschränkt und vollständig, also kompakt. 12.13.5 Bemerkung (*). Satz 12.13.3 besagt insbesondere, dass in metrischen Räumen die Begriffe kompakt, abzählbar kompakt und folgenkompakt zusammenfallen; vgl. Definition 12.11.5. 12.13.6 Korollar (*). Sei (X, d) ein metrischer Raum. Ist K ⊆ X kompakt, dann ist K separabel, hat also eine dichte abzählbare Teilmenge. n Beweis. Nach Satz 12.13.3 gibt es zu n ∈ N endlich viele Punkte x1n , . . . , xm(n) ∈ K, sodass n U 1n (x1n ) ∪ · · · ∪ U 1n (xm(n) )⊇ K. (12.19) S n Setzen wir D := n∈N {x1n , . . . , xm(n) }, so ist D sicher eine abzählbare Teilmenge von K. Sei y ∈ K und > 0, und wähle n ∈ N so groß, dass ≤ n1 . Wegen (12.19) gibt es ein j ∈ {1, . . . , m(n)} mit d(y, xnj ) < n1 ≤ und daher xnj ∈ U (y). Infolge gilt y ∈ D. q 12.13.7 Proposition (*). Ein metrischer Raum (X, d) ist genau dann separabel, wenn er das zweite Abzählbarkeitsaxiom erfüllt, also eine abzählbare Basis hat. Beweis. Ist B eine abzählbare Basis von T (d), so wähle für jede nichtleere Teilmenge B ∈ B irgendeinen Punkt xB aus B. Klarerweise ist D := {xB : ∅ , B ∈ B} abzählbar. Zu beliebigem y ∈ X und offenem O 3 y gibt es ein B ∈ B mit y ∈ B ⊆ O. Insbesondere gilt xB ∈ O ∩ D, und infolge y ∈ D. Also ist X separabel. Ist umgekehrt (X, d) separabel mit einer abzählbaren und dichten Teilmenge D ⊆ X, so besteht B := {U n1 (x) : n ∈ N, x ∈ D} 458 12 Topologische Grundlagen aus abzählbar vielen Mengen. Ist nun O ⊆ X offen, so sei für jedes y ∈ O die Zahl n(y) ∈ N 2 (y) ⊆ O. Wir zeigen nun, dass so groß, dass U n(y) [ O= U 1n (x) , (12.20) x∈D∩O n∈N:U 1 (x)⊆O n und damit dass B eine Basis von T (d) ist. Klarerweise ist die rechte Seite in O enthalten. 1 (y) ⊆ D ∩ O. Daraus Ist y ∈ O, so gibt es wegen der Dichtheit von D ein x ∈ D ∩ U n(y) 1 (x). Für jedes t ∈ U 1 (x) gilt zudem erhält man y ∈ U n(y) n(y) d(t, y) ≤ d(t, x) + d(x, y) < 1 2 1 + = , n(y) n(y) n(y) 2 (y), wodurch U 1 (x) ⊆ U 2 (y) ⊆ O. Also liegt jedes y ∈ O in der Vereinigung also t ∈ U n(y) n(y) n(y) auf der rechten Seite von (12.20). q 12.13.8 Bemerkung (*). Da wir im ersten Beweisteil nicht verwendet haben, dass T (d) eine metrische Topologie ist, gilt allgemein in topologischen Räumen, dass aus (ABII) die Separabilität folgt. Ein wichtiges Beispiel von kompakten Teilmengen eines vollständigen metrischen Raumes liefert uns der Satz von Ascoli. Dabei betrachtet man den Raum Cb (X, R) bzw. Cb (X, C) aller beschränkten, stetigen und reell- bzw. komplexwertigen Funktionen auf einem topologischen Raum (X, T ). Wir haben solche Räume schon kennengelernt, aber nur in dem Fall, dass X ein metrischer Raum ist. Wir wollen zunächst bemerken, dass wenn X kompakt ist, jede stetige Funktion f automatisch beschränkt ist, denn nach Lemma 12.11.8 ist dann f (X) kompakt, und nach Proposition 5.2.8 ist f (X) beschränkt. 12.13.9 Lemma. Die Räume Cb (X, R) und Cb (X, C) sind abgeschlossene Teilräume der Banachräume B(X, R) und B(X, C) versehen mit k.k∞ und daher selbst Banachräume. Beweis. Wir wissen aus Beispiel 9.1.9, dass B(X, R) und B(X, C) Banachräume sind. Laut Definition sind Cb (X, R) und Cb (X, C) Teilmengen von B(X, R) bzw. B(X, C). Wegen Korollar 12.6.9 sind sie sogar lineare Teilräume. Konvergiere nun eine Folge ( fn )n∈N aus Cb (X, R) bzw. Cb (X, C) gegen ein f aus B(X, R) bzw. B(X, C) bezüglich k.k∞ , also gleichmäßig. Ist x ∈ X und (x j ) j∈J ein gegen x konvergentes Netz, so wissen wir aus Lemma 8.7.1, dass lim j∈J limn→∞ fn (x j ) = lim j∈J f (x j ) existiert und mit lim lim fn (x j ) = lim fn (x) = f (x) n→∞ j∈J n→∞ übereinstimmt. Da das Netz beliebig war, ist f stetig, also f ∈ Cb (X, R) bzw. f ∈ Cb (X, C). q 12.13.10 Satz (Ascoli). Sei (X, T ) ein kompakter topologischer Raum und sei Φ eine punktweise beschränkte und gleichgradig stetige Teilmenge von Cb (X, R) bzw. Cb (X, C), also Φ ⊆ Cb (X, R) bzw. Φ ⊆ Cb (X, C) mit: 12.13 Kompaktheit in metrischen Räumen 459 (i) Für jedes x ∈ X ist sup{| f (x)| : f ∈ Φ} beschränkt. (ii) Für jedes x ∈ X und > 0 gibt es eine Umgebung V ∈ U(x) mit | f (y) − f (x)| < für alle y ∈ V, f ∈ Φ. Dann ist Φ total beschränkt. Ist umgekehrt Φ total beschränkt, so gelten (i) und (ii). Beweis. Erfülle Φ die Bedingungen (i) und (ii). Wir zeigen, dass Φ total beschränkt ist. Dazu sei > 0 gegeben. Zu jedem x ∈ X können wir eine Umgebung V x von x wählen, sodass (ii) für V = V x erfüllt ist. Da jede Umgebung von x eine x enthaltende offene Menge umfasst, können wir die V x offen wählen. Offensichtlich ist {V x : x ∈ X} eine offene Überdeckung von X. S Wegen der Kompaktheit von X existieren x1 , . . . , xn ∈ X, sodass schon X = ni=1 V xi . Für i = 1, . . . , n und beliebigen x ∈ V xi und f ∈ Φ gilt dann | f (x) − f (xi )| < . Wegen (i) gilt M := sup{ f (xi ) : i = 1, . . . , n, f ∈ Φ} < +∞. n n C R Bezeichne mit K die abgeschlossene Kreisscheibe K M (0) bzw. K M (0) mit Radius n n M in R bzw. C um 0 bezüglich der k.k∞ Norm, und definiere die Abbildung T p : Φ → K durch p( f ) := f (x1 ), . . . , f (xn ) . Also kompakte Menge (siehe Korollar 5.2.9) ist K gemäß Satz 12.13.3 total beschränkt. Mit K ist auch seine Teilmenge p(Φ) total beschränkt; vgl. Fakta 12.13.2. Also existieren endlich viele f1 , . . . , fm ∈ Φ, sodass es für jedes f ∈ Φ ein k ∈ {1, . . . , m} gibt mit kp( f ) − p( fk )k∞ < . Das bedeutet | f (xi ) − fk (xi )| < für i = 1, . . . , n . (12.21) Sei nun f ∈ Φ und k ∈ {1, . . . , m}, sodass (12.21) gilt. Jedes x ∈ X liegt in einer Menge V xi , und für dieses i gilt | f (x) − f (xi )| < sowie | fk (x) − fk (xi )| < . Wir erhalten | f (x) − fk (x)| ≤ | f (x) − f (xi )| + | f (xi ) − fk (xi )| + | fk (x) − fk (xi )| < 3 für alle x ∈ X und somit k f − fk k∞ ≤ 3. Die abgeschlossenen Kugeln mit Radius 3 und Mittelpunkt fk überdecken also ganz Φ. Infolge ist Φ total beschränkt. 460 12 Topologische Grundlagen Zur Umkehrung sei zunächst bemerkt, dass total beschränkte Teilmengen von (Cb (X, R), k.k∞ ) bzw. (Cb (X, C), k.k∞ ) beschränkt und somit auch punktweise beschränkt sind; also gilt (i). Wegen der totalen Beschränktheit gibt es zu > 0 endlich viele f1 , . . . , fm ∈ Φ, sodass es zu jedem f ∈ Φ ein fk mit k f − fk k∞ < gibt. Zu einem x ∈ X gibt es wegen der Stetigkeit der fk ’s für k = 1, . . . , m, Umgebungen Vk ∈ U(x) mit | fk (y) − fk (x)| < für alle y ∈ Vk . Setzen wir V = V1 ∩ · · · ∩ Vm , so ist V ∈ U(x) und für f ∈ Φ folgt für das richtige fk und y ∈ V | f (y) − f (x)| < | f (y) − fk (y)| + | fk (y) − fk (x)| + | f (x) − fk (x)| < 3 . Somit gilt (ii). q Zusammen mit Bemerkung 12.13.4 folgt aus Satz 12.13.10 12.13.11 Korollar. Für Φ ⊆ Cb (X, C) bzw. Φ ⊆ Cb (X, C) ist Φ genau dann kompakt, wenn Φ punktweise beschränkt und gleichgradig stetig ist. Insbesondere enthält in diesem Fall jede Folge in Φ eine gleichmäßig konvergente Teilfolge. Eine wichtige Anwendung dieses Satzes gibt es in der Theorie der gewöhnlichen Differentialgleichungen, wo dieser die Existenz von Lösungen von einer großen Klasse von Differentialgleichungen liefert. 12.13.12 Bemerkung (*). Mit fast denselben Beweisen kann man Satz 12.13.10 und Korollar 12.13.11 allgemeiner für Teilmengen Φ von Cb (X, R p ) zeigen, wobei R p mit irgendeiner der Normen k.k1 , k.k2 , k.k∞ versehen ist. 12.14 Alexandroff-Kompaktifizierung Ein einfaches Beispiel von lokalkompakten Räumen liefert das Korollar 5.2.9 zum Satz von Bolzano-Weierstraß. Dieses besagt ja, dass im Rn jede Menge der Form Kr (0) = {y ∈ Rn : kyk ≤ r} und daher (vgl. Lemma 12.11.8) auch jede Menge der Form x + Kr (0) = Kr (x) kompakt ist. Da diese Mengen einen Umgebungsbasis von x darstellen, ist der Rn lokalkompakt. 12.14.1 Satz. Ein topologischer Hausdorff-Raum (X, T ) ist genau dann lokal kompakt, wenn er offene Teilmenge eines kompakten Hausdorff-Raumes ist, also wenn es einen topologischen Hausdorff-Raum (Y, O) gibt, der kompakt ist, sodass X eine offene Teilmenge von Y ist, und sodass T = O|X . Eine mögliche Wahl von Y ist die, dass man ein Y := X ∪ {∞} mit einem Element ∞ < X und n o O = T ∪ {∞} ∪ (X \ K) : X ⊇ K kompakt (12.22) setzt.4 . 4 Dieser Topologische Raum wird als Alexandroff-Kompaktifizierung oder auch als EinpunktKompaktifizierung bezeichnet. 12.14 Alexandroff-Kompaktifizierung 461 Beweis. Sei X ein offene Teilmenge des kompakten Raumes Y. Nach Lemma 12.11.11 ist Y insbesondere regulär. Also gibt es zu der Umgebung X von x eine Umgebung V von x in Y, sodass V ⊆ X. Aus Lemma 12.11.7 folgt die Kompaktheit von V in Y. Wegen Proposition 12.11.2, (K2), und O|V = (O|X )|V ist V auch kompakt in X, und daher ist X lokalkompakt. Sei umgekehrt (X, T ) lokalkompakt, und definiere Y := X ∪ {∞} und O wie in (12.22). Mit Hilfe von Lemma 12.11.7, (iii), überprüft man leicht, dass O eine Topologie auf Y ist, wobei X ∈ O. Um zu zeigen, dass diese Hausdorffsch ist, seien x, y ∈ Y zunächst derart, dass x, y ∈ X. Dann gibt es disjunkte O x , Oy ∈ T ⊆ O mit x ∈ O x , y ∈ Oy , da ja (X, T ) voraussetzungsgemäß Hausdorffsch ist. Ist x ∈ X und y = ∞, so gibt es wegen der Lokalkompaktheit eine kompakte Umgebung V von x in X. Ist O x eine x enthaltende offene Teilmenge von V, und ist Oy := {∞} ∪ (X \ V), so gilt Oy ∈ O und O x ∩ Oy = ∅. Wir müssen noch zeigen, dass Y kompakt ist. Dazu sei {Oi : i ∈ I} eine offene Überdeckung von Y. Insbesondere gibt es mindestens ein j ∈ I mit ∞ ∈ O j . Nach Konstruktion der Topologie gilt O j = {∞} ∪ X \ K für eine kompakte Teilmenge K von X. Nun ist sicherlich {Oi \ {∞} : i ∈ I} eine offene Überdeckung von K. Also gibt es i1 , . . . , in ∈ I mit Oi1 ∪ · · · ∪ Oin ⊇ K, und daher Y = Oi1 ∪ · · · ∪ Oin ∪ O j . q 12.14.2 Bemerkung. In Satz 12.14.1 ist offenbar X dicht in Y genau dann, wenn X nicht kompakt ist. Man kann auch unschwer nachweisen, dass der in Satz 12.14.1 konstruierte kompakte Hausdorff-Raum (Y, O), sodass (X, T ) als offene Teilmenge in Y mit O|X = T enthalten ist und sodass Y \ X nur einen Punkt enthält, bis auf Homöomorphismen eindeutig ist. Allgemeiner gilt, dass, falls (Z, TZ ) ein weiterer kompakter Hausdorff-Raum ist, der (X, T ) als offene Teilmenge mit TZ |X = T enthält, dann sich die Einbettungsabbildung ι : X → Y durch φ({Z \ X}) = {∞} zu einer stetigen Abbildung φ : Z → Y fortsetzen lässt. 12.14.3 Korollar. Lokalkompakte Hausdorff-Räume (X, T ) sind regulär. Zudem gibt es zu jedem x ∈ X und jeder Umgebung U ∈ U(x) ein offenes P ⊆ X mit x ∈ P ⊆ P ⊆ U, sodass P kompakt ist. Beweis. Wegen Satz 12.14.1 können wir X als offene Teilmenge eines kompakten Hausdorff-Raumes (Y, O) mit T = O|X betrachten. Nach Lemma 12.11.11 ist (Y, O) regulär und wegen Bemerkung 12.9.4 somit auch (X, T ). Jedes U ∈ U(x) ist auch Umgebung von x betrachtet als Teilmenge von Y. Wegen Korollar 12.9.3 gibt es ein offenes P ⊆ Y, sodass x ∈ P ⊆ P ⊆ U, wobei P ad hoc der Abschluss von P in Y ist. Nach Lemma 12.11.7 ist P kompakt, wegen P ⊆ X ist P auch offen in X, und wegen P ⊆ X zusammen mit (12.13) ist P auch der Abschluss von P in (X, T ). q 12.14.4 Beispiel. Man betrachte C ∪ {∞} versehen mit der chordalen Metrik χ. Ist O die Topologie, die von χ auf C ∪ {∞} erzeugt wird, so ist (C ∪ {∞}, O) genau die AlexandroffKompaktifizierung von C versehen mit der euklidischen Topologie. 12.14.5 Definition. Für einen lokalkompakten Hausdorff-Raum (X, T ) bezeichnet C0 (X, R) die Menge aller stetigen g : X → R, sodass ∀ > 0 ∃K kompakt : ∀x ∈ X \ K ⇒ |g(x)| < . 462 12 Topologische Grundlagen Entsprechend definiert man C0 (X, C). Wählt man etwa = 1 und K wie in der Definition, so ist t 7→ |g(t)| auf K wegen der Kompaktheit beschränkt, und auf X \ K gilt ohnehin |g(x)| < 1. Also sind alle Funktionen aus C0 (X, R) bzw. C0 (X, C) beschränkt. 12.14.6 Proposition. Bezeichne (Y, O) die Alexandroff-Kompaktifizierung des lokalkompakten Hausdorff-Raumes (X, T ) wie in Satz 12.14.1. (i) Für f ∈ C(Y, R) mit f (∞) = 0 liegt die Einschränkung g := f |X in C0 (X, R). (ii) Ist umgekehrt g ∈ C0 (X, R), und setzt man g zu einer Funktion f auf Y durch f (∞) = 0 fort, so gilt f ∈ C(Y, R). (iii) Dabei ist f 7→ f |X eine lineare Bijektion von N := { f ∈ C(Y, R) : f (∞) = 0} auf C0 (X, R), wobei k f k∞ = k f |X k∞ . (iv) Schließlich ist die Hyperebene N abgeschlossen in C(Y, R), und C0 (X, R) versehen mit der Supremumsnorm ist ein Banachraum. Analoge Aussagen gelten im Fall von komplexwertigen Funktionen. Beweis. (i) Ist f ∈ C(Y, R) mit f (∞) = 0, so ist klarerweise f |X stetig auf X bzgl. O|X = T . Außerdem gibt es wegen der Stetigkeit von f bei ∞ zu jedem > 0 eine offene Umgebung von ∞, also eine kompakte Menge K in X, sodass | f (x) − f (∞)| = | f (x)| < für alle x ∈ X \ K. Somit haben wir f |X ∈ C0 (X, R). (ii) Ist g ∈ C0 (X, R) und setzt man f (x) := g(x) für alle x ∈ X und f (∞) := 0, so ist f stetig auf Y, da die Bedingung aus Definition 12.14.5 genau die Stetigkeit von f bei ∞ bedeutet, und da für x ∈ X wegen der Tatsache, dass X offen in Y ist, die Stetigkeit von g bei x unmittelbar auf f übertragen wird. (iii) f 7→ f |X ist offensichtlich eine lineare Bijektion, wobei k f k∞ = sup | f (x)| = sup | f (x)| = k f |X k∞ , x∈Y x∈X da ja Y = X ∪ {∞} und f (∞) = 0. (iv) Wegen N = ϕ−1 ({0}) mit dem linearen beschränkten und daher stetigen Punktauswertungsfunktional ϕ : f 7→ f (∞) ist N als Urbild der abgeschlossenen Menge {0} ⊆ R selbst abgeschlossen. Somit ist (N, k.k∞ ) ein Banachraum (vgl. Lemma 9.1.6) und wegen k f k∞ = k f |X k∞ auch C0 (X, R). q 12.15 Der Satz von Stone-Weierstraß 463 12.14.7 Korollar (*). Sei (X, T ) ein lokalkompakter Hausdorffraum. Ist K ⊆ X kompakt und O ⊇ K offen, so gibt es ein stetige Funktion f : X → [0, 1], sodass f (K) ⊆ {1} und sodass der Träger supp( f ) := {x : f (x) , 0} von f kompakt und in O enthalten ist. Beweis. Wegen der Lokalkompaktheit von (X, T ) folgt aus Korollar 12.14.3, dass es zu jedem x ∈ K eine offene Umgebung O x gibt, sodass x ∈ O x ⊆ O x ⊆ O, wobei O x ebenfalls kompakt ist. Da (O x ) x∈K eine offene Überdeckung von K ist, gibt es aufgrund der Kompaktheit von K endlich viele x1 , . . . , xn ∈ K, sodass K⊆ n [ j=1 Ox j ⊆ | {z } =:R n [ j=1 Ox j ⊆ O . | {z } =R S Dabei ist R = nj=1 O x j (siehe Lemma 12.2.5) als Vereinigung endlich vieler kompakter Mengen wieder kompakt; vgl. Lemma 12.11.7. Somit ist (R, T |R ) ein kompakter Hausdorffraum und gemäß Lemma 12.11.11 normal. Die Menge K und R \ R sind darin zwei disjunkte abgeschlossene Mengen. Also gibt es nach Korollar 12.10.2 ein stetiges g : R → [0, 1] mit g(K) ⊆ {1} und g(R \ R) ⊆ {0} . Ist h : X \ R → [0, 1] die konstante Nullfunktion, so stimmen g und h am Schnitt ihrer Definitionsbereiche X \ R ∩ R = R \ R überein. Nach Lemma 12.6.4 ist f := g ∪ h stetig, und erfüllt offensichtlich f (K) ⊆ {1}. Wegen {x : f (x) , 0} ⊆ R ⊆ O ist der Träger von f kompakt und in O enthalten. q 12.14.8 Bemerkung (*). Aus dem Beweis von Korollar 12.14.7 wollen wir für lokalkompakte Hausdorffräume (X, T ) noch herausstellen, dass es zu jedem kompakten K ⊆ X eine offene Obermenge R gibt, die kompakten Abschluss hat. 12.15 Der Satz von Stone-Weierstraß 12.15.1 Definition. Sei E irgendeine Menge. Dann heißt eine Menge A ⊆ RE bzw. A ⊆ CE von Funktionen f : E → R (C) eine Algebra von Funktionen, falls gilt: (i) A ist ein linearer Teilraum. (ii) Mit f, g ∈ A ist auch f · g ∈ A. Offenbar sind B(E, R) und B(E, C) Algebren von Funktionen; vgl. Definition 6.6.3 sowie Definition 6.8.1 samt nachfolgender Tatsachen. Ist E mit einer Topologie versehen, so folgt aus der Tatsache, dass das Produkt von zwei stetigen Funktion wieder stetig ist (vgl. Korollar 12.6.9), dass auch die Räume Cb (E, R) und Cb (E, C) aller beschränkten und stetigen Funktionen eine Algebra darstellt. 464 12 Topologische Grundlagen 12.15.2 Lemma. Sei A eine Algebra auf einer Menge E, und bezeichne B den Abschluss von A in B(E, R) bzw. B(E, C) bezüglich k.k∞ . Dann ist B wieder eine Algebra. Beweis. Nach Lemma 9.1.8 ist B ein linearer Teilraum von B(E, R) bzw. B(E, C). Für f, g, fn , gn ∈ A, n ∈ N mit fn → f, gn → g folgt aus der Beschränktheit von k fn k∞ k fn gn − f gk∞ = k fn k∞ kgn − gk∞ + k fn − f k∞ kgk∞ → 0 . q Also ist mit f, g ∈ B auch f g ∈ B. 12.15.3 Definition. Sei A eine Algebra auf E. Man sagt, A ist punktetrennend, falls es zu je zwei verschiedenen Punkten x1 , x2 ∈ E eine Funktion f ∈ A gibt mit f (x1 ) , f (x2 ). Man nennt die Algebra A ist nirgends verschwindend, falls es zu jedem x ∈ E ein f ∈ A gibt, sodass f (x) , 0. Enthält A eine konstante Funktion ungleich der Nullfunktion, so ist A offensichtlich nirgends verschwindend. ) 1 12.15.4 Bemerkung. Für x1 , x2 ∈ E, x1 , x2 , ist φ x1 ,x2 : f 7→ ff (x als Abbildung von A (x2 ) 2 nach R linear. Ist für jedes solche Paar x1 , x2 diese Abbildung surjektiv, also für alle c1 , c2 ∈ R gibt es eine Funktion f ∈ A mit f (x1 ) = c1 , f (x2 ) = c2 , so ist A offensichtlich punktetrennend und nirgends verschwindend. Ist A umgekehrt nirgends verschwindend 1 und punktetrennend, so centhält φ x1 ,x2 (A) wegen der Linearität einen Vektor der Form d , einen Vektor der Form 1 und einen der Form ef mit e , f . Ist cd , 1, so sind die ersten beiden Vektoren linear unabhängig. Ist c = d = 1, so sind die ersten beiden gleich und der letzte dazu linear 1·c unabhängig. Falls cd = 1 , 0c, so ist – da A sogar eine Algebra ist – auch dc = d·1 ∈ φ x1 ,x2 (A). Nun ist 00 , 1−d = c c 1 − d ∈ φ x1 ,x2 (A) linear unabhängig von d . In jedem Fall ist der Teilraum φ x1 ,x2 (A) von 1 2 R mindestens zweidimensional, und daher φ x1 ,x2 (A) = R2 . Ehe wir den Satz von Stone-Weierstraß beweisen, benötigen wir noch 12.15.5 Lemma. Es gibt eine Folge von Polynomen pn ∈ R[x], n ∈ N, die auf [−1, 1] gleichmäßig gegen die Funktion t 7→ |t| konvergiert. √ Beweis. Sei g : [0, 1] → R definiert durch g(x) = 1 − x. Bekannterweise ist g auf [0, 1) unendlich oft differenzierbar. Gemäß Proposition 8.8.2 erhalten wir für die Anschlussstelle y = 0 die Taylor-Approximation g(x) = n X g( j) (0) j=0 | j! {z =:qn (x) xn +Rn (x), x ∈ [0, 1) . } 12.15 Der Satz von Stone-Weierstraß Rn (x) = Zx 0 465 (x − t)n 1 1 3 2n − 1 1 g(n+1) (t) dt = − · · · · · · n! 2 2 2 2 n! −n− 12 0 1 (1 − t)−n− 2 (x − t)n dt − 12 n erfüllt wegen (1 − t) Zx (x − t) ≤ (1 − t) für 0 ≤ t ≤ x < 1 die Abschätzung ! Z 1 ! n n X 1 1 1Y − 12 1− · (1 − t) dt = exp( ln 1 − ). |Rn (x)| ≤ 2 j=1 2j 2j 0 j=1 | {z } =2 Aus der durch elementare Kurvendiskussion nachzuweisenden Ungleichung ln s ≤ s − 1 P P für s > 0 folgt nj=1 ln(1 − 21j ) ≤ − nj=1 21j . Also erhalten wir n 1 X 1 n→∞ sup g(x) − qn (x) = sup |Rn (x)| ≤ exp(− ) −→ 0 . 2 j=1 j x∈[0,1) x∈[0,1] Die erste Gleichheit hier gilt, da g und qn beide sogar auf [0, 1] stetig sind. Setzen wir schließlich pn (x) = qn (1 − x2 ), so gilt auch n→∞ sup |x| − pn (x) = sup g(1 − x2 ) − qn (1 − x2 ) = sup |g(x) − qn (x)| −→ 0 . x∈[−1,1] x∈[−1,1] x∈[0,1] q 12.15.6 Satz (Stone-Weierstraß). Sei (K, T ) ein kompakter topologischer Raum, und sei A ⊆ Cb (K, R) eine punktetrennende, nirgends verschwindende Algebra stetiger Funktionen. Dann ist A dicht in Cb (K, R) bezüglich der Supremumsnorm. Beweis. Nach Lemma 12.15.2 ist der Abschluss B von A in B(K, R) ein Algebra. Da Cb (K, R) abgeschlossen in B(K, R) ist, haben wir auch B ⊆ Cb (K, R). Der Beweis erfolgt nun in vier Schritten: (i) Ist f ∈ B, so zeigen wir, dass auch | f | ∈ B. Dividieren wir f , 0 nötigenfalls durch k f k∞ , so können wir ohne Beschränkung der Allgemeinheit k f k∞ ≤ 1 annehmen. Gemäß Lemma 12.15.5 gibt es zu > 0 ein reelles Polynom p (y), sodass p (y) − |y| ≤ für alle y ∈ [−1, 1] . P Setzt man y = 0, so folgt |p (0)| ≤ , womit für mj=1 a j y j := p (y) − p (0) m X j a j y − |y| ≤ 2 für alle y ∈ [−1, 1] . j=1 Als Algebra enthält B auch Pm j=1 a j f j , wobei m X a j f j − | f | ≤ 2 . j=1 ∞ Da > 0 beliebig war und da B abgeschlossen ist, folgt | f | ∈ B. 466 12 Topologische Grundlagen (ii) Sind f1 , . . . , fn ∈ B, so gilt auch max( f1 , . . . , fn ) und min( f1 , . . . , fn ) in B, dann für n = 2 hat man f1 + f2 | f1 − f2 | max( f1 , f2 ) = + , 2 2 f1 + f2 | f1 − f2 | min( f1 , f2 ) = − , 2 2 und für n > 2 folgt die Behauptung durch vollständiger Induktion. (iii) Ist f ∈ Cb (K, R), x ∈ K, > 0, dann existiert eine Funktion g x ∈ B mit g x (x) = f (x) und g x (t) > f (t) − für alle t ∈ K. Um das zu sehen, bemerken wir zunächst, dass mit A ist auch B (⊇ A) punktetrennend und nirgends verschwindend ist. Wegen Bemerkung 12.15.4 existiert für jedes y ∈ K eine Funktion hy ∈ B mit hy (x) = f (x) und hy (y) = f (y) . Wegen der Stetigkeit von f − hy bei y existiert eine offene Umgebung Uy von y, sodass insbesondere hy (t) > f (t) − für alle t ∈ Uy . Da K kompakt ist, existieren endlich viele Punkte y1 , . . . , yn ∈ K mit K ⊆ Uy1 ∪ . . . ∪ Uyn . Setzt man g x := max(hy1 , . . . , hyn ), dann liegt g x in B und hat die gewünschten Eigenschaften. (iv) Ist f ∈ C(K) und > 0, so existiert h ∈ B mit k h − f k∞ < . Dazu betrachte die Funktionen g x , x ∈ K, aus (iii). Da g x − f bei x stetig ist, existiert eine offene Umgebung V x von x mit g x (t) < f (t) + für alle t ∈ V x . Da K kompakt ist, existieren x1 , . . . , xm ∈ K mit K ⊆ V x1 ∪ . . . ∪ V xm . Setzt man nun h := min(g x1 , . . . , g xm ), dann ist h ∈ B und erfüllt h(t) < f (t) + für alle t ∈ K. Mit den g x hat aber auch h die Eigenschaft h(t) > f (t) − . q 12.15.7 Beispiel. Sei [a, b] ein kompaktes Intervall in R, und sei A := R[x]|[a,b] der Raum aller Polynome mit reellen Koeffizienten betrachtet als Funktionen auf [a, b]. Offensichtlich ist A eine Algebra bestehend aus stetigen Funktionen, die alle linearen Polynome also alle Geraden enthält. A ist daher punktetrennend und nirgends verschwindend. Nach dem Satz von Stone-Weierstraß ist A (bzgl.k.k∞ ) dicht in C([a, b], R). 12.15 Der Satz von Stone-Weierstraß 467 12.15.8 Korollar. Sei A ⊆ Cb (K, C) eine punktetrennende und nirgends verschwindende Algebra stetiger Funktionen auf einer kompakten Menge K, sodass mit f ∈ A immer auch die komplex konjugierte Funktion f¯ zu A gehört. Dann ist A dicht in der Algebra Cb (K, C) aller stetigen Funktionen auf K. Beweis. Man betrachte die Menge AR aller h ∈ A, sodass h nur Werte in R hat. Nach ¯ ¯ Voraussetzung ist mit f auch Re f = f +2 f und Im f = f 2i− f in A, und somit Re f, Im f ∈ AR . Daraus erkennt man leicht, dass AR auch punktetrennend und nirgends verschwindend ist. Nach Satz 12.15.6 ist AR dicht in Cb (K, R). Insbesondere gibt es zu jedem f ∈ Cb (K, C) zwei Folgen gn , hn ∈ AR mit gn → Re f, hn → Im f . Daraus folgt gn + ihn → f , und somit die Dichtheit von A in Cb (K, C). q 12.15.9 Beispiel. Sei A die lineare Hülle in Cb (T, C) von {(ζ 7→ ζ n ) : n ∈ Z}. A ist dann der Raum aller Trigonometrischen Polynome. Da für ζ ∈ T die Beziehung ζ̄ = 1ζ gilt, ist A invariant unter der komplexen Konjugation. Weiters ist A punktetrennend, da für ζ1 , ζ2 ∈ T und c1 , c2 ∈ C p(ζ) = c2 ζ − ζ1 ζ − ζ2 + c1 ζ2 − ζ1 ζ1 − ζ2 eine Funktion in A mit p(ζ1 ) = c1 und p(ζ2 ) = c2 ist. Nach obigen Satz ist A dicht in Cb (T, C). Da Cb (T, C) isomorph zu den stetigen, 2π-periodischen Funktionen P auf R ist, folgt daraus auch, dass die lineare Hülle der Funktionen t 7→ exp(itn), n ∈ Z dicht in P ist. Wir wollen nun eine Version des Satzes von Stone-Weierstraß für lokalkompakte HausdorffRäume (X, T ) herleiten. 12.15.10 Korollar. Sei (X, T ) ein lokalkompakter Hausdorff-Raum, und sei A ⊆ C0 (X, R) bzw. A ⊆ C0 (X, C) eine punktetrennende, nirgends verschwindende Algebra, die im komplexen Falle unter der komplexen Konjugation abgeschlossen ist. Dann ist A dicht in C0 (X, R) bzw. in C0 (X, C). Beweis. Aus Proposition 12.14.6 wissen wir, dass C0 (X) isometrisch isomorph zu N ⊆ C(Y) = Cb (Y) ist, wobei Y = X ∪ {∞} die Alexandroff-Kompaktifizierung aus Satz 12.14.1 ist. Also können wir A auch als Algebra in Cb (Y) betrachten. Als solche ist sie aber nicht mehr nirgends verschwindend, da ja f (∞) = 0 für alle f ∈ A. Um diesen Nachteil zu beheben, betrachten wir B := A + h1Y i, also die lineare Hülle von A und der konstanten 1-Funktion auf Y. Nun überprüft man leicht, dass B eine punktetrennende, nirgends verschwindende Algebra auf Y ist. Nach Satz 12.15.6 bzw. Korollar 12.15.8 ist B dicht in Cb (Y). Ist jetzt f ∈ C0 (X), so gibt es daher eine Folge gn ∈ B mit gn → f bzgl. k.k∞ . Insbesondere gilt gn (∞) → f (∞) = 0, und infolge n→∞ fn := gn − gn (∞) · 1Y −→ f − 0 · 1Y = f . Nun ist aber fn (∞) = 0, also fn ∈ A, und wir sehen, dass A dicht in C0 (X) ist. q 468 12 Topologische Grundlagen 12.15.11 Beispiel. Sei D eine offene Teilmenge von Rn . Als offene Teilmenge eines lokalkompakten Raumes ist D auch lokalkompakt. ∞ Nun sei A die Menge C00 (D) aller auf D unendlich oft differenzierbaren reell- bzw. komplexwertigen Funktionen f mit kompakten Träger, also ist der Abschluss von {x ∈ D : f (x) , 0} in Rn eine kompakte Teilmenge von D. ∞ ∞ Da das Produkt zweier Funktionen f, g ∈ C00 (D) wieder in C00 (D) liegt, überprüft man leicht, dass A eine Algebra ist. Um Korollar 12.15.10 anwenden zu können, müssen wir nur noch zeigen, dass A punktetrennend ist. Dazu betrachte man zunächst die Funktion ψ : R → R, 1 e− x , falls x > 0 , ψ(x) := 0 , falls x ≤ 0 . die bekannterweise beliebig oft differenzierbar ist; vgl. Beispiel 7.2.20. Für ein x0 ∈ D und δ > 0 mit Kδ (x0 ) ⊆ D sei kx − x0 k22 f x0 ,δ (x) := ψ(1 − ). δ2 Man sieht unmittelbar, dass der Träger von f x0 ,δ in der kompakten Menge Kδ (x0 ) enthalten ist, und dass f x0 ,δ auf D als Zusammensetzung von C ∞ -Funktionen beliebig oft ∞ differenzierbar ist; also f x0 ,δ ∈ C00 (D). Sind nun x1 , x2 ∈ D, c1 , c2 ∈ R (C), und ist 3δ ≤ kx1 − x2 k2 , so hat die Funktion c1 f x1 ,δ + c2 f x2 ,δ Werte c1 bei x1 und c2 bei x2 . ∞ Also können wir Korollar 12.15.10 anwenden, und erhalten, dass C00 (D) dicht in C0 (D) ist. 12.16 Übungsaufgaben 12.1 Sei hX, di ein metrischer Raum. Zeigen Sie, dass die Abbildung d̂(x, y) := d(x, y) , x, y ∈ X , 1 + d(x, y) eine Metrik auf X mit T (d) = T (d̂) ist, und dass stets 0 ≤ d̂(x, y) ≤ min 1, d(x, y) . Anmerkung: d und d̂ erzeugen zwar dieselbe Topologie, sind aber im Allgemeinen nicht äquivalent im Sinne von (12.6). 12.2 Zeigen Sie, dass für eine Menge M und einen Filter F auf M ein Mengensystem B ⊆ F genau dann eine Filterbasis von F ist, wenn F = {F ∈ P(M) : ∃B ∈ B : B ⊆ F} . Zeigen Sie auch, dass ein Mengensystem B Filterbasis höchstens eines Filters ist. Schließlich zeige man, dass ein Mengensystem B genau dann Filterbasis eines Filters ist, wenn gilt: (FB1) B , ∅ und ∅ < B, 12.16 Übungsaufgaben 469 (FB2) B1 , B2 ∈ B ⇒ ∃B3 ∈ B : B3 ⊆ B1 ∩ B2 . 12.3 Für eine Funktion f : M → N und einen Filter F auf M. zeige man, dass f (F) = { f (F) : F ∈ F} eine Filterbasis eines Filters G auf N ist. Man zeige, dass dabei G = {G ⊆ N : f −1 (G) ∈ F} ist. Man gebe schließlich ein Beispiel an, sodass f (F) zwar eine Filterbasis, aber kein Filter ist. 12.4 Sei X eine nichtleere Menge und d die diskrete Metrik, also d(x, y) = 1, x , y und d(x, x) = 0. Man zeige, dass dann T (d) = P(X). 12.5 Man zeige, dass X = [−∞, +∞) versehen mit T< := {[−∞, a) : a ∈ [−∞, +∞]} ein topologischer ist; siehe Beispiel 12.1.4, (v). 12.6 Man zeige, dass in X = [−∞, +∞) versehen mit T< = {[−∞, a) : a ∈ [−∞, +∞]} ein Netz (xi )i∈I gegen ein x ∈ [−∞, +∞) genau dann konvergiert, wenn x ≥ lim supi∈I xi ; vgl. Beispiel 12.1.14, (ii). 12.7 Man betrachte X := {1, 2, 3}, T := {∅, {1}, {1, 2}, X}. Man zeige, dass (X, T ) ein Topologischer Raum ist. Ist er Hausdorffsch? Weiters bestimme man den Umgebungsfilter und eine möglichst kleine Filterbasis davon um jeden Punkt x ∈ X. Schließlich bestimme man den Abschluss einer jeden Teilmenge von X! 12.8 Man zeige: Ist (X, T ) ein Hausdorffraum und x ∈ X, so gilt immer ∩U∈U(x) U = {x}. Weiters zeige man, dass {x} ⊆ X abgeschlossen ist. 12.9 Sei X eine nichtleere Menge, und definiere T1 , T2 ⊆ X als T1 := A ⊆ X : A = ∅ oder X \ A endlich , T2 := A ⊆ X : A = X oder A endlich . Für welche X sind T1 bzw. T2 Topologien? Begründen Sie Ihre Antwort! Hinweis: Unterscheide die Fälle, dass X endlich oder unendlich ist. 12.10 Sei T die Topologie T1 aus dem letzten Beispiel! Man spricht von der cofiniten Topologie auf der Menge X. (i) Ist die cofinite Topologie Hausdorff? (ii) Erfüllt sie das Trennungsaxiom T 3 ? (iii) Erfüllt sie das Trennungsaxiom T 4 ? 12.11 Sei T wie im vorherigen Beispiel die cofinite Topologie auf der Menge X. (i) Bestimme alle abgeschlossenen Teilmengen und den Abschluss einer beliebigen Teilmenge von X. (ii) Ist hX, T i kompakt? (iii) Für welche X ist T eine metrische Topologie, gibt es also eine Metrik d, sodass T = T (d)? 470 12 Topologische Grundlagen 12.12 Für eine topologischen Raum (X, T ) zeige man: (i) B ⊆ X ⇒ B◦ ⊆ B. (ii) C ⊆ B ⇒ C ◦ ⊆ B◦ . (iii) B ⊆ X ist genau dann offen, wenn B = B◦ . (iv) C, B ⊆ X ⇒ (C ∩ B)◦ = C ◦ ∩ B◦ . 12.13 Für eine topologischen Raum (X, T ) und M ⊆ X sei ∂M := M \ M ◦ ! Man zeige: (i) ∂M ist immer abgeschlossen. (ii) ∂M = {x ∈ X : ∀U ∈ U(x) ⇒ U ∩ M , ∅ , U \ M}. (iii) ∂M = ∂(M c ). (iv) ∂M = ∅ ⇐⇒ M, M c ∈ T . 12.14 Zeigen Sie, dass in einem topologischen Raum der Durchschnitt von endlich vielen offenen und dichten Mengen wieder offen und dicht ist. 12.15 Sei G eine Gruppe und T eine Topologie auf G, sodass für alle g ∈ G die Abbildungen h 7→ gh und h 7→ hg stetig sind. Zeigen Sie, dass für jedes g ∈ G diese Abbildungen sogar Homöomorphismen sind. Zeigen Sie, auch dass eine Untergruppe H von G, welche bzgl. T offen ist, auch abgeschlossen ist! Hinweis: Zeigen Sie, dass {gH : g ∈ G} eine Partition abgibt, also dass dieses Mengensystem die Restklassenmenge einer Äquivalenzrelation ist. 12.16 Sei X = R2 versehen mit der von d2 induzierten Topologie. Weiters sei Y = (−1, 1) × (−1, 1) versehen mit der von der Einschränkung d2 |Y×Y von d2 auf Y induzierten Topologie. Man gebe einen Homöomorphismus von X auf Y an! 12.17 Zeigen Sie, dass die chordale Metrik χ (siehe Übungsbeispiel 6.39) und die 2-Metrik d2 auf R2 C dieselbe Topologie induzieren, aber dort nicht äquivalent sind! 12.18 Sei f : X → Y mit topologischen Räumen (X, TX ) und (Y, TY ), wobei (X, TX ) das erste Abzählbarkeitsaxiom erfüllt. Zeigen Sie, dass f bei x ∈ X genau dann stetig ist, wenn für jede Folge (xn ) aus X mit Grenzwert x folgt, dass f (xn ) → f (x)! 12.19 Sei f : X → Y mit topologischen Räumen (X, TX ) und (Y, TY ). Zeigen Sie, dass f bei jedem isolierten Punkt x ∈ X, also {x} ∈ TX , stetig ist. Für nicht isolierte x ∈ X zeige man, dass die Stetigkeit in x dazu äquivalent ist, dass limi∈I f (xi ) = f (x), wobei (xi )i∈I das Netz aus Lemma 12.2.6 mit B = X \ {x} ist. Anmerkung: Diese Äquivalenz entspricht der Charakterisierung f (x) = limt→x f (t) von Stetigkeit im metrischen Fall; vgl. Proposition 6.1.4. 12.20 Ist (X, T ) ein topologischer Raum und B eine Basis von T , so zeige man zunächst, dass für jedes x ∈ X das Mengensystem {B ∈ B : x ∈ B} eine Filterbasis des Umgebungsfilters U(x) von x ist. Schließlich zeige man, dass (X, T ) separabel ist (enthält also eine abzählbare dichte Teilmenge), wenn (X, T ) das zweite Abzählbarkeitsaxiom erfüllt! Hinweis für den zweiten Teil: Man greife aus jedem B einen Punkt heraus, wobei B alle Mengen einer abzählbaren Basis durchläuft, und zeige die Dichtheit dieser Menge in X! 12.16 Übungsaufgaben 471 12.21 Zeigen Sie, dass für einen metrischen Raum (X, d) auch die Umkehrung gilt: Ist (X, T (d)) separabel (enthält also eine abzählbare dichte Teilmenge), dann erfüllt (X, T (d)) das zweite Abzählbarkeitsaxiom! Hinweis: Betrachte {U (x) : x ∈ D, Q 3 > 0} mit D ⊆ X abzählbar und dicht! 12.22 Mit der Notation aus dem Übungsbeispiel 12.7 zeige man: Jede Basis B der Topologie T muss schon mit T oder mit {{1}, {1, 2}, X} übereinstimmen. Weiters zeige man: V ist eine Subbasis von T genau dann wenn V ⊇ {{1}, {1, 2}}. 12.23 Sei (X, T ) ein kompakter topologischer Raum und f : X → R stetig. Dann zeigen Sie, dass f ein Maximum und ein Minimum auf X hat. 12.24 Seien (Xn , dn ), n ∈ N, metrische Räume. Weiters seien (cn )n∈N und (c̃n )n∈N Folgen positiver P Q 2 reeller Zahlen mit cn → 0 bzw. ∞ n∈N Xn → n=1 c̃n < +∞. Definiere Abbildungen d, d̃ : R durch d n ( fn , g n ) , d( f, g) := max cn n∈N 1 + dn ( fn , gn ) Q d̃( f, g) := ∞ X c̃n n=0 dn ( fn , gn ) , 1 + d n ( fn , g n ) wobei f = ( fn )n∈N , g = (gn )n∈N ∈ n∈N Xn . Zeige, dass d und d̃ Metriken sind, und dass Q sowohl T (d) als auch T (d̃) mit n∈N T (dn ) übereinstimmt. 12.25 Sei (Y, T ) ein Topologischer Raum und sei X ⊆ Y versehen mit der Spurtopologie T |X . Man weise nach: (i) U ⊆ X ist genau dann eine Umgebung eines x ∈ X bezüglich T |X , falls U = X ∩ V für eine Umgebung V von x bezüglich T . (ii) Ist A ⊆ X und ist A der Abschluss von A in (Y, T ), so ist A ∩ X genau der Abschluss von A in (X, T |X ). (iii) Sei (Z, O) ein weiterer topologischer Raum und f : Y → Z eine stetige Funktion. Dann ist auch f |X : X → Z stetig, wenn man X mit T |X versieht. 12.26 Gibt es in R nichttriviale Teilmengen, also , ∅ und , R, die bzgl. E := T (d2 ) gleichzeitig offen und abgeschlossen sind? Hinweis: Der Begriff Zusammenhang aus dem ersten Semester! 12.27 Sei (X, T ) ein topologischer Raum, λ ≥ 0 und f1 , f2 : X → [−∞, +∞) von oben halbstetig; vgl. Beispiel 12.3.5. Zeigen Sie, dass λ f1 und f1 + f2 ebenfalls von oben halbstetig sind, indem sie zuerst die Stetigkeit von t 7→ λt von [−∞, +∞) in sich und von (s, t) → s + t von [−∞, +∞) × [−∞, +∞) nach [−∞, +∞) nachweisen! 12.28 Seien hXi , Ti i, i ∈ I, topologische Räume, sei Y eine Menge, und seien fi : Y → Xi , i ∈ I, Abbildungen. Bezeichne mit T die initiale Topologie auf Y bezüglich der Familie { fi : i ∈ I} von Abbildungen. Sei vorausgesetzt, dass die Familie { fi : i ∈ I} punktetrennend operiert, also dass es zu je zwei verschiedenen Punkten a, b ∈ Y eine Funktion fi0 gibt mit fi0 (a) , fi0 (b). Zeigen Sie: Sind alle Räume hXi , Ti i Hausdorff, so hat auch hY, T i diese Eigenschaft. Zeigen Sie auch: Q Q Sind alle Räume (Xi , Ti ) Hausdorff, so auch ( Xi , Ti ). 472 12 Topologische Grundlagen Q 12.29 Sei X = R[0,1] = x∈[0,1] R die Menge aller reellwertigen Funktionen mit Definitionsbereich D = [0, 1] versehen mit der Produkttopologie. Man zeige, dass für f ∈ X das Mengensystem {V x1 ,...,xn ; ( f ) : n ∈ N; x1 , . . . , xn ∈ D; > 0} , wobei V x1 ,...,xn ; ( f ) := {g ∈ X : |g(x j ) − f (x j )| < , j = 1, . . . , n} , eine Filterbasis des Umgebungsfilters U( f ) von f abgibt. Sind die Mengen V x1 ,...,xn ; ( f ) offen bzgl. der Produkttopologie? Zeigen Sie auch, dass der Umgebungsfilter von f keine Filterbasis bestehend aus abzählbar vielen Mengen besitzt. Gibt es dann eine Metrik d, sodass T (d) = T ? Hinweis: Falls es eine abzählbare Filterbasis (Uk )k∈N von U( f ) gibt, so konstruiere man induktiv x11 , . . . xn11 , x12 , . . . xn22 , · · · ∈ [0, 1] und eine Nullfolge 1 ≥ 2 ≥ · · · > 0, sodass V x1 ,...xn1 ,...,xk ,...xnk ;k ( f ) ⊆ Uk und daher auch (V x1 ,...xn1 ,...,xk ,...xnk ;k ( f ))k∈N eine Filterbasis abgibt. 1 1 1 1 1 1 k k T Nun zeige man g ∈ k∈N V x1 ,...xn1 ,...,xk ,...xnk ;k ( f ) ⇔ g(xkj ) = f (xkj ), ∀k ∈ N, j ∈ {1, . . . , nk }..... 1 1 1 k 12.30 Mit der Notation aus dem vorherigen Beispiel sei B(D) die Teilmenge aller beschränkten Funktion aus X. Also B(D) = { f ∈ X : supt∈D | f (t)| < +∞}. Sei nun T1 die von der Supremumsmetrik d∞ ( f, g) := supt∈D | f (t) − g(t)| erzeugte Topologie auf B(D), und sei T2 die Spurtopologie T |B(D) , wobei T die Produkttopologie aus dem vorherigen Beispiel ist. Man zeige: Wenn f j → f für ein Netz aus B(D) bzgl. T1 , dann gilt auch f j → f bzgl. T2 . Die Umkehrung gilt aber nicht. Man zeige auch, dass T1 echt feiner als T2 ist, bzw. äquivalent dazu, dass id : (B(D), T1 ) → (B(D), T2 ) stetig ist, aber id : (B(D), T2 ) → (B(D), T1 ) nicht stetig ist. 12.31 Indem man eine offene Überdeckung angibt, die keine endliche Teilüberdeckung hat, zeige man, dass (0, 1] als Teilmenge von R versehen mit E = T (d2 ) nicht kompakt ist, und dass eine unendliche Menge X versehen mit der diskreten Topologie nicht kompakt ist. 12.32 Sei M eine dichte Teilmenge von R. Man zeige, dass {(−∞, q) : q ∈ M} ∪ {(q, ∞) : q ∈ M} eine Subbasis der von der Euklidischen Metrik erzeugten Topologie (Euklidischen Topologie) ist. 12.33 Zeigen Sie, dass jeder metrische, kompakte Raum auch separabel ist, also eine abzählbare dicht Menge enthält! 12.34 Seien (X1 , T1 ) und (X2 , T2 ) kompakte topologische Räume. Man zeige ohne den Satz von Tychonoff, dass X1 × X2 versehen mit der Produkttopologie kompakt ist! Hinweis: Siehe Fakta 8.7.8 für den metrischen Fall! 12.35 Sei I eine gerichtete Menge und ∞ ein nicht in I enthaltenes Element. Man versehe I ∪ {∞} derart mit einer Topologie, sodass für jeden topologischen Raum X und jedes Netz (xi )i∈I in X mit betrefflicher Menge I als Indexmenge und jedes x ∈ X folgende beiden Aussagen äquivalent sind: xi → x, i ∈ I. f : I ∪ {∞} → X ist stetig, wobei f (i) = xi und f (∞) = x. 12.16 Übungsaufgaben 473 12.36 Sei (G, T ) eine topologische Gruppe, also eine Gruppe versehen mit einer Topologie, sodass (g, h) 7→ gh als Abbildung von G × G (versehen mit der Produkttopologie) nach G und g 7→ g−1 als Abbildung von G nach G stetig sind. Weiters seien M1 , M2 Teilmengen von G. Weisen Sie nach, dass wenn (I, ) eine gerichtete Menge und (xi )i∈I , (yi )i∈I zwei Netze in G über dieser gerichteten Menge mit xi → x und yi → y für x, y ∈ G sind, dann auch xi yi → xy. Weiters zeige man, dass wenn M1 und M2 kompakt sind, dann auch M1 · M2 eine kompakte Teilmenge von G ist. 12.37 Mit der Notation aus vorherigen Beispiel zeige man, dass M1 · M2 abgeschlossen ist, wenn eine der beiden Mengen abgeschlossen und die andere kompakt ist. Hinweis: Nehmen Sie an, dass z im Abschluss von M1 · M2 ist, und betrachten Sie ein Netz, dass aus M1 · M2 heraus gegen z konvergiert! Anmerkung: M1 · M2 ist am Allgemeinen nicht abgeschlossen, wenn man nur fordert, dass M1 und M2 abgeschlossen sind. Beispielsweise sind in √ √ der topologischen Gruppe (R, +) die Mengen Z und 2 Z abgeschlossen. Die Menge Z + 2 Z ( R ist aber dicht in R und damit nicht abgeschlossen. 12.38 Zeigen Sie, dass Φ = { f ∈ C 1 [0, 1] : f (0) = 0, k f 0 k∞ ≤ 1} als Teilmenge von C([0, 1], R) relativ kompakt ist, also dass Φ kompakt ist. 12.39 Man gebe an, ob Φ ⊆ C(K, R) total beschränkt ist, wobei (a) K = [0, 1] und Φ = {(t 7→ tn ) : n ∈ N} (b) K = [0, 1] und Φ = { f ∈ C(K, R) : k f k∞ ≤ 1} (c) K = [0, 1] und Φ = {(t 7→ (d) K = [0, 2] und Φ = {(t 7→ tn n) tn n) : n ∈ N} : n ∈ N} 12.40 Ist Φ = {(t 7→ tn ) : n ∈ N} ⊆ C([0, 1), R) gleichgradig stetig? Begründung! 12.41 Zeigen Sie, dass für einen kompakten metrischen Raum K ein Φ ⊆ C(K, R) genau dann total beschränkt ist, wenn Φ als Teilmenge des normierten Raumes (C(K, R), k.k∞ ) beschränkt ist und wenn Φ gleichmäßig und gleichgradig stetig ist. Letzteres bedeutet, dass es zu jeden > 0 ein δ > 0 gibt, sodass | f (x) − f (y)| < für alle f ∈ Φ und alle x, y ∈ X mit d(x, y) < δ. 474 12 Topologische Grundlagen Kapitel 13 Lemma von Zorn* In diesem Anhang wollen wir insbesondere einen Beweis des Lemmas von Zorn bringen, das im Beweis des Satzes von Tychonoff, Satz 12.12.2, verwendet wurde. Ordnungen 13.0.1 Definition. Sei M eine Menge, und eine Relation auf M, d.h. ist eine Teilmenge von M×M. Dann heißt Halbordnung auf M, oder kurz (M, ) Halbordnung, falls folgende drei Axiome gelten: Reflexiv: x ∈ M ⇒ x x. Antisymmetrisch: x y ∧ y x ⇒ x = y. Transitiv: x y ∧ y z ⇒ x z. Eine Halbordnung (M, ) heißt Totalordnung, falls je zwei Elemente vergleichbar sind, d.h. x, y ∈ M ⇒ x y ∨ y x . 13.0.2 Definition. Sei eine Halbordnung auf der Menge M. Ist R ⊆ M, dann heißt y obere (untere) Schranke von R, falls x y (y x) für alle x ∈ R. Ist R ⊆ M, dann heißt ein m ∈ R maximales (minimales) Element von R, falls aus x ∈ R ∧ m x (x ∈ R ∧ x m) folgt, dass x = m. Ein maximales (minimales) Element m heißt größtes (kleinstes) Element von R, wenn x m (m x) für alle x ∈ R. Ist R ⊆ M, dann heißt y Supremum oder kleinste obere Schranke (Infimum oder größte unter Schranke) von R, falls y eine obere (untere) Schranke von R ist, und gleichzeitig y x (x y) für alle oberen (unteren) Schranken x von R gilt. 13.0.3 Definition. Sei eine Halbordnung auf der Menge M. Dann heißt (M, ) Verband, wenn jede zweielementige Teilmenge von M ein Supremum und ein Infimum hat. Ein Verband (M, ) heißt vollständig, falls jede Teilmenge von M ein Supremum und ein Infimum hat. 476 13 Lemma von Zorn* Ist M eine Menge, so ist P(M) versehen mit der Mengeninklusion ein vollständiger Verband. Ein weiters Beispiel ist die Menge aller Topologien auf einer Menge. Das nun folgende Lemma von Zorn ist ein fundamentales Hilfsmittel aus der Mengenlehre. Es ist äquivalent zum Auswahlaxiom und zum Wohlordnungssatz und war von daher vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts umstritten. Mittlerweile sind die Mathematiker entspannter, auch wenn ein möglicher Verzicht auf das Auswahlaxiom immer noch in manchen Situationen explizit hervorgehoben wird. 13.0.4 Definition (Auswahlaxiom). Gegeben sei eine Indexmenge I und eine Familie von S nichtleeren Mengen Ai , i ∈ I, so existiert eine Funktion (Auswahlfunktion) f : I → i∈I Ai , sodass f (i) ∈ Ai . Q Man beachte, dass das Auswahlaxiom nichts anderes besagt als, dass i∈I Ai , ∅. 13.0.5 Definition. Sei (M, ≤) eine halbgeordnete Menge. Wenn für jede total geordnete Teilmenge von M eine obere Schranke existiert, dann heißt M induktiv geordnet. Wenn sogar jeweils eine kleinste obere Schranke existiert, dann heißt M strikt induktiv geordnet. Folgendes Lemma ist der zentrale Hilfsatz zum Beweis des Lemma von Zorn. 13.0.6 Lemma. Es sei (M, ≤) eine nichtleere halbgeordnete Menge mit einem kleinsten Element o, sodass M strikt induktiv ist. Schließlich sei F : M → M eine Abbildung mit der Eigenschaft (Monotonie) m ≤ F(m) für alle m ∈ M . Dann gibt es ein m ∈ M mit F(m) = m. Beweis. Wie nennen eine Teilmenge S von M zulässig, wenn die folgenden drei Bedingungen gelten: o ∈ S , F(S ) ⊆ S , und für jede total geordnete Teilmenge T ⊆ S liegt auch die kleinste obere Schranke sup T in S . Zum Beispiel ist M selbst zulässig. Nun sei S 0 der Durchschnitt aller zulässigen Teilmengen von M. Da in jeder zulässigen Teilmenge auch o liegt, enthält der Durchschnitt zumindest das Element o . Außerdem gelten auch die beiden anderen Bedingungen für Zulässigkeit. Also ist S 0 selbst zulässig und damit die kleinste aller zulässigen Teilmengen von M. Wenn wir nun zeigen können, dass S 0 total geordnet ist, dann folgt daraus für die kleinste obere Schranke sup S 0 , dass sup S 0 das größte Element von S 0 ist. Somit gilt wegen der Zulässigkeit F(sup S 0 ) ≤ sup S 0 . Wir bekommen insgesamt sup S 0 ≤ F(sup S 0 ) ≤ sup S 0 , und damit die gewünschte Gleichheit. Noch zu zeigen ist also die Behauptung, dass S 0 total geordnet ist. Für den Beweis nennen wir e ∈ S 0 ein extremales Element, wenn für alle s ∈ S 0 mit s ≤ e, s , e (s < e) gilt, dass F(s) ≤ e. Zum Beispiel ist o extremal. Für ein extremales e setzen wir S e := {s ∈ S 0 : s ≤ e ∨ F(e) ≤ s} . Dann ist für jedes extremale e die Menge S e zulässig: 477 o liegt in S e . Für jedes Element s ∈ S e folgt aus s < e schon F(s) ≤ e, aus s = e folgt F(s) = F(e), und aus s e folgt F(e) ≤ s ≤ F(s). Also gilt insgesamt F(S e ) ⊆ S e . Es sei T eine total geordnete Teilmenge von S e . Wenn dann für alle t ≤ sup T die Ungleichung t ≤ e gilt, dann gilt auch sup T ≤ e. Wenn es aber mindestens ein t gibt, sodass t e gilt, dann ist F(e) ≤ t ≤ sup T . Wir sehen also in beiden Fällen, dass sup T ∈ S e . Da aber S 0 die kleinste zulässige Teilmenge von M ist, muss also für alle extremalen e gelten: Se = S0 . Nun müssen wir noch zeigen, dass jedes e ∈ S 0 extremal ist. Dann folgt nämlich für s ∈ S 0 , dass s ∈ S e bzw. s ≤ e ∨ e ≤ F(e) ≤ s , also die Tatsache, dass S 0 total geordnet ist. Um zu beweisen, dass jedes e ∈ S 0 extremal ist, betrachten wir E := {e ∈ S 0 : e ist extremal} . Wir weisen nach, dass E zulässig und damit gleich S 0 ist. o ∈ E ist klar. Wir müssen zeigen, dass mit e auch F(e) in E liegt. Ist s ∈ S 0 = S e und s < F(e), so müssen wir F(s) ≤ F(e) folgern. Da s ∈ S e , gilt s ≤ e oder F(e) ≤ s, wobei wir letzteres wegen unserer Voraussetzung ausschließen können. Aus s = e folgt trivialerweise F(s) ≤ F(e) und aus s < e folgt wegen e ∈ E, dass F(s) ≤ e ≤ F(e). Nun sei noch T ⊆ E total geordnet. Zu zeigen ist, dass sup T ∈ E. Sei dazu s ∈ S 0 , s < sup T . Wenn für jedes t ∈ T die Relation F(t) ≤ s gelten würde, dann wäre wegen t ≤ F(t) auch sup T ≤ s. Das ist ein Widerspruch. Also gibt es ein extremales e ∈ T mit F(e) s, und da S 0 = S e gilt, folgt daraus zwangsweise s ≤ e. Ist s , e, so folgt wegen e ∈ E, dass F(s) ≤ e ≤ sup T . Da sup T ∈ S 0 = S e , s < sup T folgt aus s = e, dass F(s) = F(e) ≤ sup T . Damit folgt insgesamt, dass sup T extremal ist. q Nun können wir das Lemma von Zorn aus dem Auswahlaxiom herleiten. 13.0.7 Satz. Es sei (M, ≤) eine nichtleere induktiv geordnete Menge. Dann besitzt M ein maximales Element. 478 13 Lemma von Zorn* Beweis. Wir behandeln zuerst den Fall einer strikt induktiv geordneten Menge. Sei x ∈ M fest. Ist m maximales Element von {y ∈ M : x ≤ y}, so ist m auch maximales Element von M. Also dürfen wir uns auf den Fall beschränken, dass M ein kleinstes Element enthält. Wir nehmen an, es gebe kein maximales Element. Dann finden wir für jedes m ∈ M ein größeres Element F(m) und definieren damit eine Funktion F : M → M, für die gilt: ∀m ∈ M : m < F(m) . Man beachte, dass man für die Existenz einer solchen Funktion F das Auswahlaxiom verwendet. In der Tat ist F eine Auswahlfunktion der Familie (Am )m∈M , wobei Am = {x ∈ M : m ≤ x, m , x}. Da M strikt induktiv geordnet ist, folgt aus Lemma 13.0.6 der Widerspruch F(m) = m für ein m ∈ M. Nun sei M induktiv geordnet, und sei H die Menge aller total geordneten Teilmengen von M. Dann ist H bezüglich der Inklusion eine Halbordnung, und zwar eine strikt induktive, S denn ist T ⊆ H totalgeordnet (bzgl. ⊆), so ist es auch N∈T N (bzgl. ≤), und diese Teilmenge von M ist auch die kleinste obere Schranke von T (bzgl. ⊆). Also besitzt H nach dem ersten Beweisteil ein maximales Element T . Es sei O eine obere Schranke von T . Dann muss O zu T gehören, da sonst T ∪ {O} eine total geordnete Menge wäre, die T echt umfasste. Dieses Element O ist dann ein maximales Element von M, denn für jedes m ∈ M folgt aus O ≤ m, dass m eine obere Schranke von T ist, und somit ebenfalls zu T gehören muss. Insbesondere folgt m ≤ O und damit m = O. q