Ruhr-Universität Bochum Prof. Dr. med. J. Pfeilschifter Dienstort: Evengelisches Krankenhaus Lutherhaus GmbH Abteilung Medizinische Klinik I Die subklinische Hyperthyreose als eigenständiger Risikofaktor für Vorhofflimmern unter besonderer Berücksichtigung von kardialen und nicht – kardialen Risikofaktoren Inaugural – Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin einer Hohen Medizinischen Fakultät der Ruhr – Universität Bochum vorgelegt von Jörg Wolf-Dietrich Schreiber aus Gelsenkirchen 2007 Dekan: Prof. Dr. med. G. Muhr Referent: Prof. Dr. med. J. Pfeilschifter Koreferent: Prof. Dr. med. D. Horstkotte Tag der mündlichen Prüfung: 15.04.2008 Abstrakt Schreiber, Jörg Die subklinische Hyperthyreose als eigenständiger Risikofaktor für Vorhofflimmern unter besonderer Berücksichtigung von kardialen und nicht – kardialen Risikofaktoren Fragestellung: Eine manifeste Hyperthyreose ist ein etablierter Risikofaktor für Vorhofflimmern. Ob eine subklinische Schilddrüsenüberfunktion ebenfalls ein eigenständiger und unabhängiger Risikofaktor für Vorhofflimmern ist, ist dagegen bisher noch nicht ausreichend gesichert. Methode: Im Rahmen einer Fall-Kontrollstudie wurde bei 132 Patienten, die im Zeitraum zwischen Februar 2003 und Juni 2004 konsekutiv in zwei Akutkrankenhäusern aufgenommen wurden und bei denen bei der Aufnahme die Erstdiagnose eines Vorhofflimmerns gestellt wurde, die Schilddrüsenfunktion untersucht. Als Kontrollgruppe dienten 264 Patienten, die im gleichen Zeitraum mit ähnlichen Diagnosen und einem ähnlichen klinischen Risikoprofil stationär aufgenommen wurden und bei denen kein Vorhofflimmern vorlag. Für die Gesamtauswertung wurden die Daten einer früheren ähnlichen Fall-Kontroll-Studie im Zeitraum zwischen 2000 und 2003 einbezogen, so dass insgesamt Daten von 295 Patienten mit der Erstdiagnose eines Vorhofflimmerns und von 611 Kontrollpersonen ohne Vorhofflimmern zur Verfügung standen. Ergebnis: Bei 13 der 295 (4,41%) Patienten mit der Erstdiagnose eines Vorhofflimmerns und bei 10 der 611 (1,84%) Patienten ohne Vorhofflimmern fand sich ein supprimiertes Serum-TSH bei normalen peripheren Schilddrüsenhormonen (Odds Ratio: 2,8; 95%-Konfidenzintervall 1,2 – 6,4). Das erhöhte Risiko für Vorhofflimmern bei einem supprimierten TSH persistierte auch nach Adjustierung für klinische Unterschiede in beiden Gruppen, die durch das Matching noch nicht ausreichend berücksichtigt worden waren. Das höchste Risiko für Vorhofflimmern hatten erwartungsgemäß Patienten mit einer manifesten Hyperthyreose, während das Risiko für Vorhofflimmern bei Patienten mit erniedrigten, aber nicht supprimierten TSH-Werten zwischen 0,1 und 0,3 mU/l nicht erhöht war. Diskussion: Patienten mit vorbestehenden kardialen Risikofaktoren und einer subklinischen Hyperthyreose hatten in dieser aus zwei Fall-Kontrollstudien kombinierten Analyse bei TSH-Werten <0,1 mU/l eine 2,8-fach höhere Wahrscheinlichkeit für Vorhofflimmern als Patienten mit einer normalen Schilddrüsenfunktion. Die Ergebnisse unterstützen die Hypothese, dass eine subklinische Hyperthyreose bei TSH-Werten von < 0,1 mU/l ein von anderen Risikofaktoren für Vorhofflimmern unabhängiger und klinisch relevanter Risikofaktor für Vorhofflimmern darstellt. Bei erniedrigten, aber noch nicht supprimierten TSH-Werten scheint das Risiko für Vorhofflimmern dagegen nicht wesentlich erhöht zu sein. Für meine Eltern Margret & Wolfgang Schreiber Inhaltsverzeichnis 1. EINLEITUNG 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 Schilddrüse und Vorhofflimmern Fall-Kontroll-Studie zur Beantwortung der Fragestellung Die subklinische Hyperthyreose Vorhofflimmern Einfluss der Schilddrüse auf die Funktion des Herz – Kreislauf – Systems Fragestellung 6 7 7 8 11 14 2. Methodik 2.1 Erfassung von Patienten mit der Erstdokumentation eines Vorhofflimmerns 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7 2.8 2.9 2.10 15 Kontrollpersonen 15 Ausschlusskriterien 15 Erhobene anamnestische, klinische und laborchemische Parameter 16 Gruppeneinteilung nach Schilddrüsenfunktionszuständen 17 Gruppierung der Einweisungsdiagnosen 18 Ablauf der Datenerhebung 19 Einbeziehung der Daten einer früheren Fall-Kontrollstudie in die Gesamtanalyse 22 Statistik 22 Schilddrüsenhormon-Messungen 22 3. ERGEBNISSE 3.1 3.2 3.3 Risiko für Vorhofflimmern in Abhängigkeit von der Schilddrüsenfunktion Vergleichbarkeit der Patienten mit und ohne Vorhofflimmern in Hinblick auf klinische und laborchemische Charakteristika Charakterisierung der Patientengruppen in Hinblick auf eine Vergleichbarkeit der Einweisungsdiagnosen 23 25 32 4. DISKUSSION 4.1 4.2 4.3 4.4 Diskussion der Studienlage 34 Was geben die hier gezeigten Ergebnisse an neuer Information? 35 Wie vergleichbar waren die Gruppen der Patienten mit und ohne Vorhofflimmern? 36 Welche möglichen Konsequenzen ergeben sich aus den Ergebnissen für die Klinik? 37 5. SCHLUSSFOLGERUNGEN 38 ZUSAMMENFASSUNG LITERATURVERZEICHNIS Danksagung Lebenslauf 39 41 49 50 - Seite - 1. EINLEITUNG 1.1 Schilddrüse und Vorhofflimmern Die Auswirkungen einer Schilddrüsenüberfunktion auf das Herz-Kreislaufsystem wurden bereits frühzeitig erkannt: Schon im Jahr 1835 sprach Caleb Hiller Parry über die „Vergrößerung der Schilddrüse im Zusammenhang mit der Vergrößerung des Herzens oder Palpitationen des Herzens“ [68]. Viele invasive und nichtinvasive Messungen haben ergeben, dass Herzfunktionen wie Frequenz, Auswurffraktion und systemischer Gefäßwiderstand eng mit der Funktion der Schilddrüse verzahnt sind [19, 36, 50]. Das kardiovaskuläre System reagiert sehr empfindlich auf Schilddrüsenhormone, verglichen mit anderen Organen, die selbst bei schweren Hyperthyreosen selten in ihrer Funktion beeinflusst werden, wie z.B. Leber oder Nieren [56]. Beim Vorhofflimmern handelt es sich um die häufigste kardiale Arrhythmie, die annähernd 1% der Gesamtbevölkerung betrifft [85]. Die manifeste Hyperthyreose gilt heute als gesicherter Risikofaktor für das Auftreten von Vorhofflimmern. Vorhofflimmern lässt sich bei 10 bis 15% der Patienten, die unter einer manifesten Hyperthyreose leiden, diagnostizieren. Es tritt gehäuft bei Älteren auf und ist dort oft der einzige Hinweis auf die Schilddrüsenerkrankung [76, 83]. Subklinische Hyperthyreosen treten bei über 60-jährigen Personen wesentlich häufiger auf als manifeste Hyperthyreosen. Nur zu einem kleineren Teil gehen sie in eine manifeste Hyperthyreose über [76, 83]. Oft ist die latente Hyperthyreose iatrogen bedingt durch eine zu hohe Substitution mit Schilddrüsenhormonen bei Patienten mit einer Hypothyreose. Post hoc Analysen von zwei epidemiologischen Studien legen nahe, dass auch eine subklinische Hyperthyreose ein starker Risikofaktor für Vorhofflimmern ist [15, 76]. Der Zusammenhang zwischen einer latenten Hyperthyreose und Vorhofflimmern ist aber noch nicht so gut gesichert wie bei der manifesten Hyperthyreose. Auch ist noch nicht ausreichend geklärt, ab welchem Grad einer subklinischen Hyperthyreose von einem erhöhten Risiko für Vorhofflimmern auszugehen ist und ob eine subklinische Hyperthyreose auch bei Patienten mit vorbestehenden kardiovaskulären Risikofaktoren ein unabhängiger zusätzlicher Risikofaktor für Vorhofflimmern ist [15, 76, 77]. - Seite - 1.2 Fall-Kontroll-Studie zur Beantwortung der Fragestellung Die Abhängigkeit des Risikos für Vorhofflimmern vom Ausmaß der TSHErniedrigung und anderen Risikofaktoren für Vorhofflimmern wurden in der vorliegenden Arbeit untersucht. Aufgrund der generellen methodischen Schwierigkeiten, diese Fragestellungen bei einer ausreichenden Zahl von Personen prospektiv im Rahmen einer epidemiologischen Studie zu untersuchen, wurde hierfür das Studiendesign einer Fall-Kontrollstudie gewählt. Ein wichtiger Aspekt dieser Arbeit war es deshalb, für die untersuchten Patienten mit Vorhofflimmern ein geeignetes Kontrollkollektiv zu definieren, um den für die Qualität von FallKontrollstudien kritischen Selektionsbias möglichst zu minimieren [5, 17, 59, 77, 78, 84]. In der vorliegenden Arbeit sollten daher den Patienten mit Vorhofflimmern, Patienten ohne Vorhofflimmern zugeordnet werden, die sich in möglichst wenig klinischen Merkmalen außer dem Vorhofflimmern unterscheiden sollten. 1.3 Die subklinische Hyperthyreose Definition Bei der subklinischen Hyperthyreose handelt es sich um eine meist klinisch asymptomatische (daher der Name) Schilddrüsenfunktionsstörung, die durch einen erniedrigten TSH-Wert (< 0,3 mU/l) bei normalen peripheren SchilddrüsenhomonWerten charakterisiert ist. Häufigkeit Subklinische Hyperthyreosen sind wesentlich häufiger als manifeste Hyperthyreosen [76]. Die Prävalenz einer subklinischen Hyperthyreose lag in der Wickham-Studie und in anderen Untersuchungen zwischen 0,3 und 1,0% [57]. Andere Autoren sprechen sogar von einem Prozentsatz zwischen 0,5 und 3,0 bei Erwachsenen aller Altersklassen in Gebieten mit ausreichender Jodversorgung [4] und von etwa 10% im höheren Lebensalter [67]. In Jodmangelgebieten sind noch höhere Prävalenzen einer subklinischen Hyperthyreose von bis zu 20% beschrieben [57]. Ätiologie Bei der Pathogenese einer endogenen subklinischen Hyperthyreose spielt der Jodmangel eine große Rolle. Durch die Entwicklung autonomer mono- oder multifokaler Areale in einer Jodmangelstruma kommt es nach Ausschöpfung der Regulationsmöglichkeiten des normalen Schilddrüsengewebes zur endogenen Entwicklung einer subklinischen Hyperthyreose. Die in vielen Ländern häufigste Form der subklinischen Hyperthyreose ist aber die der unphysiologisch hohen - Seite - Behandlung mit exogenen Schilddrüsenhormonpräparaten geworden [56, 57]. Man schätzt, dass etwa ein Drittel aller Patienten mit einer L-Thyroxinmedikation ein zu niedriges TSH im Sinne einer subklinischen Hyperthyreose aufweisen. Andere Ursachen einer subklinischen Hyperthyreose, z.B. im Rahmen von Thyreoditiden, sind eher selten. Klinik Die subklinische Hyperthyreose verläuft, wie ihr Name besagt, in der Regel klinisch asymptomatisch [57]. Beschwerden wie vermehrte Palpitationen und eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit sind aber beschrieben [8, 9, 22, 39, 51, 69]. Ein Serum-TSH-Spiegel <0,1 mU/l ist assoziiert mit einer verminderten Knochendichte [87]. Auch finden sich Änderungen verschiedener Parameter der kardiovaskulären Funktion in echokardiographischen und angiologischen Untersuchungen, die denen einer manifesten Hyperthyreose ähneln. 1.4 Vorhofflimmern Definition Beim Vorhofflimmern handelt es sich um eine unkoordinierte Vorhofaktion [31]. Die Vorhöfe werden mit einer Frequenz zwischen 400 und 600 Schlägen pro Minute [85] stimuliert, was zu kaum registrierbaren Bewegungen, dem so genannten Flimmern, führt. Durch die refraktäre Überleitung im AV-Knoten kommt es zu einer unregelmäßigen und langsameren Überleitung der Vorhofaktionen auf die Kammer. Ohne frequenzmodulierende Medikamente überwiegt meist ein tachykarder Grundrhythmus [85]. Man unterscheidet zwischen paroxysmalem, persistierendem und permanentem Vorhofflimmern. Bei der paroxysmalen Form handelt es sich um Episoden, die meist nicht länger als 48 Stunden andauern und spontan in Sinusrhythmus konvertieren. Bei der persistierenden Form ist eine Konversion durch therapeutische Intervention möglich. Bei der permanenten Form des Vorhofflimmerns ist eine Konversion in einen Sinusrhythmus dauerhaft nicht mehr möglich [2]. Häufigkeit Vorhofflimmern ist die häufigste kardiale Arrhythmie und betrifft annähernd 1% der Gesamtbevölkerung [85]. Die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Vorhofflimmern nimmt mit dem Alter zu und ist bei Männern häufiger als bei Frauen anzutreffen [88]. Die Prävalenz von Vorhofflimmern verdoppelt bis verdreifacht sich - Seite - annähernd mit jeder Lebensdekade: Sie liegt bei 0,5% bei 50-59-Jährigen und bei 8,8% bei 80-89-Jährigen [10]. Andere Studien sprechen von einer Prävalenz von 5% bei über 65-Jährigen [24, 45]. Entsprechend der Alterung der Gesellschaft ist es in den letzten Jahrzehnten zu einem deutlichen Anstieg der Inzidenz von Vorhofflimmern in der Gesamtbevölkerung der westlichen Länder gekommen [42, 89]. Ätiologie und Pathophysiologie Epidemiologisch bedeutsame Risikofaktoren für das Auftreten von Vorhofflimmern sind die koronare Herzerkrankung (5-10% der Patienten mit einem Myokardinfarkt in der Vorgeschichte leiden unter Vorhofflimmern) [34, 38, 70] und ein arterieller Hypertonus. In der Framingham-Heart-Studie hatten Frauen mit einem Hypertonus ein 1,4 fach höheres Risiko und Männer mit einem Hypertonus ein 1,5-fach höheres Risiko, an Vorhofflimmern zu erkranken [45]. Ein erhöhter Bluthochdruck mit seinen Folgeerscheinungen wie die linksventrikuläre Hypertrophie und eine verminderte ventrikuläre Füllung ist auch ein Prädiktor von postoperativem Vorhofflimmern bei kardiochirurgischen Patienten [80]. Zu den nichtkardialen Risikofaktoren für Vorhofflimmern gehört u. a. das Rauchen [45, 58]. Diabetes mellitus wurde als ein unabhängiger Risikofaktor für Vorhofflimmern in der FraminghamKohorte beschrieben (adjustiertes relatives Risiko bei Männern 1,4 und bei Frauen 1,6) [45]. Weitere Risikofaktoren für Vorhofflimmern sind Klappenvitien und hier vor allem Mitralklappenvitien [18]. Herzklappenfehler waren in der FraminghamHeart-Studie mit einem 1,8-fach höheren Risiko für Vorhofflimmern bei Männern und einem 3,4-fach höheres Risiko für Vorhofflimmern bei Frauen verbunden [45]. Auch Pneumonien, Malignome und Alkoholabusus [14], Myokarditiden und operative Eingriffe am Herzen sind als Risikofaktoren für Vorhofflimmern beschrieben [31]. Darüber hinaus gibt es eine große Zahl seltener Erkrankungen, die mit einem erhöhten Risiko für Vorhofflimmern einhergehen können [58, 63]. Eine manifeste Hyperthyreose gehört ebenfalls zu den etablierten Ursachen eines Vorhofflimmerns. [86]. Es wird angenommen, dass Entzündungen eine Rolle in der Entwicklung von Vorhofflimmern nach herzchirugischen Eingriffen spielen [32]. C-reaktives Protein (CRP) ein wichtiger Entzündungsmarker, ist sowohl bei Patienten mit persistierendem als auch paroxysmalem Vorhofflimmern erhöht. Auch wird diskutiert, ob CRP eine prognostische Bedeutung hinsichtlich einer erfolgreichen Kardioversion des Vorhofflimmerns hat [54]. Neuerdings werden außerdem genetische Ursachen diskutiert, wobei das Chromosom 6q 14-16 eine Rolle spielt [20]. Außerdem wurde beschrieben, dass das Risiko für Nachkommen von Eltern, die unter Vorhofflimmern leiden, selbst daran zu erkranken, erhöht ist [27]. - Seite - Klinik Die Analyse des „Canadian Registry of Atrial Fibrillation“ zeigte bei 25% der Patienten Zeichen einer zerebralen Hypoperfusion, wie Schwindel, Präsynkopen oder Synkopen. Mehr als 20% der Patienten gaben Dyspnoe an. Zu den Symptomen paroxysmalen oder chronischen Vorhofflimmerns zählen Palpitationen, Unruhe und Angst, Herzrasen, Dyspnoe (Ruhe- und Belastungsdyspnoe), Schwindel, Angina pectoris, Präsynkopen und Synkopen [70]. Die Beschwerdesymptomatik resultiert ganz überwiegend aus der Kammerüberleitungsfrequenz sowie der myokardialen Leitungskapazität [70]. Beobachtungen zeigen eine signifikante Störung der Lebensqualität während des Vorhofflimmerns, verglichen mit der Lebensqualität nach der Wiederherstellung des Sinusrhythmus [43]. Die Beeinträchtigung der Lebensqualität der Menschen mit paroxysmalem Vorhofflimmern ist häufig gleichzusetzen mit der von Patienten, die unter schweren Herzerkrankungen leiden [43]. Die Erkrankung kann sowohl symptomatisch als auch asymptomatisch verlaufen, sogar bei ein- und derselben Person. Symptome variieren in Abhängigkeit von der Dauer des Vorhofflimmerns, dem Einfluss auf die Kammer und dem Zustand des Betroffenen. Vorhofflimmern ist assoziiert mit embolischen Geschehen, wie z.B. Schlaganfällen [38]. Die ursächlichen Thromben entstehen durch die unkoordinierten Vorhofkontraktionen [66]. In den späten siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts ist Vorhofflimmern als unabhängiger Risikofaktor für Schlaganfälle identifiziert worden [25, 30, 40, 90]. Jeder sechste Apoplex ereignet sich bei einem Patienten mit dieser Form der Arrhythmie [38]. Es besteht die Gefahr, dass durch das Vorhofflimmern der atriale Beitrag zur ventrikulären Füllung fehlt und dadurch die linke Kammer ein geringeres Auswurfvolumen kompensieren muss [85]. Falls die erhöhte myokardiale Sauerstoffanforderung wegen der erhöhten zu erbringenden Leistung nicht durch eine Vasodilatation der Koronararterien gewährleistet werden kann, kann eine myokardiale Ischämie die Folge sein, vor allem, wenn eine koronare Herzkrankheit oder Koronarspasmen bestehen, was wiederum zum Herzversagen führen kann [23]. Folgen des Vorhofflimmerns können eine Kardiomyopathie, cerebrovaskuläre Erkrankungen oder Synkopen sein [31]. Die Gefahr des Erleidens eines Apoplexes kann durch eine rechtzeitige Antikoagulation verhindert werden [38]. Allerdings muss bei erfolgender Antikoagulation das Risiko einer erhöhten Blutungsgefahr berücksichtigt werden. Vorhofflimmern steht in Zusammenhang mit Schlganfällen, vor allem bei Älteren und Patienten mit bereits bestehenden Riskofaktoren für cerebrale Insulte [61]. Bei (jüngeren) Patienten mit Vorhofflimmern als alleiniger Herzerkrankung sind Nutzen und Risiko als beinahe gleich einzustufen, bei älteren Patienten und/oder Patienten mit zusätzlichen - Seite 10 - kardialen Krankheiten überwiegen die positiven Aspekte der Antikoagulation [33]. Die Sterblichkeit bei Vorhofflimmern ist doppelt so hoch wie bei der Normalbevölkerung, wobei sich das höhere Risiko überwiegend auf die zugrunde liegenden kardiovaskulären Erkrankungen zurückführen lässt [44]. Innerhalb der Framingham-Studie betrug während des 20-jährigen Nachbeobachtungszeitraums die kardiovaskuläre Mortalität des Kollektivs mit Vorhofflimmern 42% und war damit im Vergleich zu Patienten mit Sinusrhythmus (18%) erheblich erhöht [70]. Die Arrhythmie kann als unabhängige Todesursache betrachtet werden, mit einem relativen Risiko von 1,5 bei Männern und 1,9 bei Frauen [11]. Andere Arbeiten bescheinigen dem Vorhofflimmern keine eigenständige Rolle für eine erhöhte kardiovaskuläre Mortalität, sondern sehen in dieser Form der supraventrikulären Arrhythmie eher den Ausdruck eines Fortschreitens kardialer Erkrankungen [7, 16]. 1.5 Einfluss der Schilddrüse auf die Funktion des Herz – Kreislauf – Systems Allgemeines Schilddrüsenhormone beeinflussen die Herzfunktion sowohl indirekt, indem sich der periphere Sauerstoffverbrauch und die Substratanforderungen erhöhen, als auch direkt, in Form von einer direkter Steigerung der myokardialen Kontraktilität. [19, 36, 50].Schilddrüsenhormone besitzen sowohl einen positiv chronotropen als auch positiv bathmotropen Effekt auf die Kardiomyozyten [13]. Sie regulieren Gene, die strukturelle und regulatorische Proteine des Herzens verschlüsseln, und haben so Auswirkungen auf die myokardiale Kontraktilität [48]. Die Gabe von Schilddrüsenhormonen führt zu einem Anstieg der Sinusknotenentladungen, einer Erniedrigung der atrialen Erregungsschwelle und zu einer Verkürzung der Refraktärperiode der Myokardzellen [29]. Das Auftreten supraventrikulärer Arrhythmien lässt sich mit einer vermehrten Exprimierung kardialer ß-Rezeptoren in der Vorhöfen erklären [35]. Die Schilddrüsenhormone stellen Wachstumsfaktoren für das Myokard dar [6, 49, 65]. Das biologisch wirksame Trijodthyronin (T3) bindet auf molekularer Ebene an einen spezifischen Trijodthyronin-Rezeptor, der an bestimmte Sequenzen der DNS bindet und somit Einfluss auf die Transkriptionsrate gewisser Gene gewinnt, d.h. sie inhibiert oder stimuliert, die dann für die Expression, z.B. kontraktiler Proteine des Myokards, verantwortlich sind. Die Kontraktilität des Myokards wird dadurch gesteigert, dass sich eine Änderung von der alpha- zu der beta-Form der - Seite 11 - Myosin-Schwerkette vollzieht [82]. Aber auch Gene, die für die Calcium-ATPase des sarkoplasmatischen Retikulums oder für das atrionatriuretische Peptid verschlüsseln, werden reguliert [28]. Veränderungen auf molekularer Ebene umfassen eine Zunahme der mRNA, die für kontraktile Elemente [37] und die Ca2+-ATPase des sarkoplasmatischen Retikulums verschlüsseln [74]. Die Masse des linken Ventrikels wächst [6], und es kommt echokardiographisch zu einer diastolischen Dysfunktion [60]. Erhöhte T3-Konzentrationen führen außerdem zu einer verstärkten Kalzium-und Glukose-Aufnahme in die Myozyten. Allerdings machen diese Veränderungen die Herzkontraktion weniger effizient, und es resultiert eine erhöhte Wärmeentwicklung [82]. Aber auch über den möglichen Einfluss von Schilddrüsenhormonen außerhalb des Zellkerns und direkt über Änderungen der Funktion der Zellmembran ist geschrieben worden [72]. Petretta et al. befassten sich mit den Interaktionen zwischen den Schilddrüsenhormonen und dem sympathischen Nervensystem und stellten eine reduzierte parasympathische und eine erhöhte sympathische Aktivität sowie eine Steigerung der Auswurffraktion des Herzens fest. Ein erhöhtes Ansprechen des Herzmuskels auf Katecholamine ist beschrieben worden [21, 72], andererseits sind die Serum- und Urinkonzentrationen von Katecholaminen bei Menschen mit Hyperthyreosen im Normbereich oder sogar erniedrigt gemessen worden, und es gibt keine schlüssigen Beweise für ein verbessertes Ansprechen auf Katecholamine, wenngleich die ß-Rezeptorendichte im Herzmuskel erhöht ist [82]. Relativ aktuelle Experimente an Myozyten des linken und rechten Herzvorhofes bei hyperthyreoten Mäusen ergab, dass die Aktionspotenzialdauer im rechten Vorhof stärker verkürzt ist als im linken Vorhof, was die Neigung zu supraventrikulären Arrhythmien nahe legen könnte [41]. Schilddrüsenhormone wirken sich vor allem auf die periphere Gefäßdynamik aus, was eine Adaptation des Herzens nach sich zieht [12]. So wird der periphere Gefäßwiderstand reduziert [52], und das zirkulierende Blutvolumen nimmt zu [88]. Durch das erhöhte Blutvolumen steigt der systolische Blutdruck. Allerdings bewirkt der gleichzeitige Abfall des peripheren Widerstandes eine Erniedrigung des diastolischen Druckes, so dass der arterielle Mitteldruck kaum beeinflusst wird [52]. Die Nachlast des Herzens wird dadurch reduziert, dass die systemische Gefäßresistance um 50-70% gesenkt wird, was durch direkte Effekte des T3 und indirekte Effekte einer exzessiven Laktat-Produktion auf die glatten Gefäßmuskelzellen zustande kommt. Der Blutfluss in die Haut, zum Herzen und in die Muskulatur ist erheblich gesteigert [82]. Durch die verringerte systemische Gefäßresistance fällt das effektive arterielle Füllvolumen, was zu einer gesteigerten Renin-Sekretion und somit zu einer Aktivierung des Renin-AngiotensinAldosteron-Systems führt [73]. - Seite 12 - Eine Hyperthyreose ist durch eine erhöhte linksventrikuläre Ejektionsfraktion in Ruhe, aber paradoxerweise auch durch eine deutliche Reduktion derselben bei Anstrengung gekennzeichnet, was die geringere Belastungsfähigkeit hyperthyreoter Patienten erklären könnte [82]. Die Langzeitbehandlung mit L-Thyroxin kann zu einer Beeinträchtigung der Diastole und der linksventrikulären Füllung führen. Gründe für die Verkürzung der Diastole liegen in der gestörten Fähigkeit des Ventrikels, aktiv zu relaxieren sowie in der verminderten Elastizität (Steifheit der Kammer). Dabei korreliert die späte diastolische Füllung eng mit der Hypertrophie des linken Ventrikels, die besonders bei Patienten mit einer milden (subklinischen) Hyperthyeose auftritt [22]. Weitere Einflüsse der Schilddüsenhormone bestehen in einer Steigerung der Vorlast des Herzens und einer damit verbundenen gesteigerten links-ventrikulären Aktivität, einem erhöhten end-diastolischen Volumen, einer Verkürzung der atrialen effektiven Refraktärzeit (arrhythmogene Wirkung) [53] und einer Verminderung der Nachlast durch eine relaxierende Wirkung auf glatte Muskelzellen der Arterienwand durch T3 und T4 [46, 47. 64]. Schilddrüsenhormone üben sowohl einen direkten Einfluss auf das Myokard als auch auf das Gefäßsystem und das vegetative Nervensystem aus, was zu Herzrhythmusstörungen, vor allem auf Vorhofebene, führen kann. Die Vorhöfe scheinen eher als die Ventrikel von einer Überfunktion der Schilddrüse betroffen zu sein, und ventrikuläre Arrhythmien sind untypisch [88]. Maligne Arrhythmien, wie z.B. Kammerflimmern, sind ungewöhnlich und treten gewöhnlich nur bei begleitenden Herzerkrankungen auf [72]. Gründe dafür könnten darin bestehen, dass die ß-Rezeptoren-Dichte in den Vorhöfen höher ist [35], die autonome Innervation von Vorhöfen und Kammern unterschiedlich sind oder die Ansprechbarkeit von Vorhof-oder Kammermyozyt auf die Schilddrüsenhormone variiert [72]. Paroxysmale Tachykardien auf Vorhofebene sind im Zusammenhang mit einer Hyperthyreose unüblich, und Vorhofflattern ist extrem selten [56]. Die charakteristische Tachykardie wird verursacht durch eine Kombination der schnelleren diastolischen Depolarisation und der Verkürzung des Aktionspotentials der Zellen des Sinusknotens. Die Refraktärzeit ist ebenfalls verkürzt, was die verstärkte Neigung zum Vorhofflimmern erklären könnte [82]. Die Bedeutung einer Hyperthyreose für das Auftreten von Vorhofflimmern Vorhofflimmern fand sich in einer Studie bei 33% der Probanden mit Knotenstruma und Hyperthyreose [1], verglichen mit 2-4% der Gesamtpopulation über 60 Jahre [71]. Umgekehrt wurde geschrieben, dass bei 13% der Patienten, die sich aufgrund Vorhofflimmerns in einer kardiologischen Klinik untersuchen ließen, eine manifeste oder latente Hyperthyreose nachzuweisen war [26]. Eine andere Studie fand allerdings, dass bei neu aufgetretenem Vorhofflimmern weniger als 1% durch eine manifeste Hyperthyreose hervorgerufen werden [55]. - Seite 13 - Eine latente Hyperthyreose war bei den 60-jährigen oder älteren Patienten der Framingham-Herzstudie mit einem beinahe dreifach höheren Risiko für Vorhofflimmern innerhalb eines Zeitraums von 10 Jahren assoziiert [81]. Es zeigte sich eine kumulative Inzidenz für Vorhofflimmern über zehn Jahre von 28% der Patienten mit erniedrigtem TSH (Patienten mit latenter Hyperthyreose) gegenüber einer Inzidenz von 11% der Patienten mit normalen TSH- Werten. Nachdem für andere bekannte Risikofaktoren adjustiert wurde, resultierte ein relatives Risiko für das Auftreten von Vorhofflimmern von 3,1 (95%- Konfidenzintervall 1,7 – 5,5; p< 0,001). Dabei schien es eine Rolle zu spielen, wie weit der Serum-TSH-Spiegel erniedrigt ist: So entwickelte sich Vorhofflimmern bei 21% der Individuen mit TSH-Spiegeln <0,1 mU pro Liter, verglichen mit 12% bei solchen mit nur leicht erniedrigten Werten (0,2 bis 0,4 mU pro Liter) und nur 8% bei solchen mit Messwerten im Normbereich [76]. Lerch et al. beobachteten ebenfalls ein 3-fach erhöhtes Risiko für das Auftreten von Vorhofflimmern bei einer subklinisch verlaufenden Schilddrüsenüberfunktion [57]. Auer et al. dokumentierten eine mehr als fünffach höhere Prävalenz von Vorhofflimmern bei Patienten mit erniedrigtem TSH gegenüber Patienten mit einem normwertigen TSH-Spiegel, ohne signifikanten Unterschied zwischen Patienten mit manifester und latenter Hyperthyreose. Es ergab sich ein relatives Risiko von 5,2 (95% Konfidenzintervall 2,1 – 8,7; p< 0,01) für Vorhofflimmern bei Patienten mit latenter Hyperthyreose gegenüber Patienten mit euthyreoter Stoffwechsellage [3]. Durch die Behandlung der zugrundeliegenden Schilddüsenüberfunktion mit Thyreostatika, können bei frühzeitiger Behandlung bis zu 60% der Patienten wieder in den Sinusrhythmus konvertiert werden [62]. Die Wahrscheinlichkeit einer Konversion in den Sinusrhythmus ist am größten, wenn es gelingt, innerhalb von 6 Monaten eine euthyreote Stoffwechsellage zu erzielen [79]. 1.6 Fragestellung Ziel dieser Arbeit war es, die Bedeutung einer subklinischen Hyperthyreose für die Entstehung von Vorhofflimmern zu untermauern und die Interaktion des Risikos für Vorhofflimmern mit dem Ausmaß der TSH-Erniedrigung und anderen Risikofaktoren für Vorhofflimmern näher zu untersuchen. - Seite 14 - 2. Methodik 2.1 Erfassung von Patienten Vorhofflimmerns mit der Erstdokumentation eines Das Studiendesign entsprach dem einer Fall-Kontrollstudie. Der Studienzeitraum war Februar 2003 bis Juni 2004. Erfasst wurden konsekutiv alle Patienten, die sich in diesem Zeitraum mit einer neu gestellten Diagnose „Vorhofflimmern“ auf den internistischen Stationen der BG-Kliniken Bergmannsheil, Bochum und der kardiologischen Station des St. Josef-Hospitals, Bochum, in stationärer Behandlung befanden. Eingeschlossen wurden sowohl Patienten mit einer klinischen Manifestation des Vorhofflimmern, als auch Patienten, bei denen das Vorhofflimmern als Nebenbefund erstmalig im Rahmen der Diagnostik festgestellt wurde. Die Diagnose des Vorhofflimmerns wurde mit Hilfe des Elektrokardiogramms gestellt. 2.2 Kontrollpersonen Als Kontrollpersonen dienten Patienten mit einem zum Untersuchungszeitpunkt elektrokardiographisch dokumentierten Sinusrhythmus und ohne Vorgeschichte eines Vorhofflimmerns. Die Patienten der Kontrollgruppe wurden aus dem gleichen Kollektiv stationärer Patienten der beiden Kliniken rekrutiert. Die Patienten der Kontrollgruppe wurden so rekrutiert, dass sie bezüglich der Indikation zur Aufnahme, des Geschlechts, der Lebensdekade und der Grunderkrankungen (Hypertonus, KHK, COPD, Vitium, Herzinsuffizienz) mit den Patienten der Gruppe mit Vorhofflimmern bestmöglich übereinstimmten. 2.3 Ausschlusskriterien Ausgeschlossen wurden alle Patienten, deren Medikation die TSH-Konzentration möglicherweise verfälscht haben könnte. So wurden Patienten, die mit Dopamin, Carbamazepin, Phenytoin, oralen Glucocorticoiden oder Somatostatin behandelt wurden, nicht in die Studie einbezogen, da diese Wirkstoffe die TSH-Konzentration unabhängig von einer subklinischen Hyperthyreose erniedrigen können. Auch Patienten mit Hypophysenerkrankungen wurden aus diesem Grund ausgeschlossen. Ebenso führte die Einnahme von Metoclopramid und Domperidom zu einem Ausschluss, da unter dieser Therapie falsch hohe TSH-Konzentrationen vorkommen können. Ebenso ausgeschlossen wurden Patienten, deren Medikation das Auftreten - Seite 15 - von Vorhofflimmern wesentlich beeinflussen könnte. So wurden Patienten, die mit Antiarrhythmika therapiert wurden, die eine konvertierende Wirkung besitzen, ausgeschlossen. Explizit wurden Patienten mit einer Amiodaron-Therapie ausgeschlossen, bei denen über die antiarrhytmische Wirkung hinaus zusätzlich auch ein Einfluss auf die Schilddrüsenfunktion beschrieben ist [82, 86]. Patienten mit einer ß-Blocker- oder Carvedilol-Therapie wurden dagegen in die Studie eingeschlossen. Ebenfalls ausgeschlossen wurden Patienten mit einer unklaren Therapie mit Phenprocoumon , wenn nicht eindeutig zu klären war, ob es sich bei der Therapie bereits um eine zielgerichtete Therapie des Vorhoffflimmern gehandelt hat, in deren Rahmen möglicherweise auch bereits eine Abklärung der Schilddrüsenfunktion durchgeführt worden war. 2.4 Erhobene anamnestische, klinische und laborchemische Parameter Im Folgenden wird die Erfassung der erhobenen klinischen und untersuchungstechnischen Parameter näher erläutert: Die Erhebung fand auf der betreffenden Station statt, auf die der Patient aufgenommen wurde. Erfasst wurden das Geschlecht, die Aufnahmenummer, das Aufnahmedatum, das Alter, die Größe, das Gewicht, sowie die Einweisungs- und Aufnahmediagnose. Diese Angaben wurden der Patientendokumentation entnommen. Aus Datenschutzgründen wurden alle personenbezogenen Patientendaten über fortlaufende Nummern anonymisiert. Die Erläuterung zum Diagnoseschlüssel findet sich weiter unten. Die stationäre Liegezeit wurde nach Entlassung der Patienten von der Station mit Hilfe der Patientendokumentation bzw. anhand des ärztlichen Entlassungsbriefes erfasst. Die Diagnose „Vorhofflimmern“ wurde mit Hilfe des Elektrokardiogramms und bei paroxysmalem Vorhofflimmern anamnestisch gestellt. Eine koronare Herzkrankheit wurde durch eine entsprechende aktuelle oder im Rahmen stationärer Voraufenthalte erfolgte Dokumentation erfasst. Die Diagnose eines arteriellen Hypertonus wurde bei stationär erhöhten Blutdruckwerten oder Vorliegen einer antihypertensiven Medikation gestellt. Ein Vitium wurde nur bei beweisendem EchokardiographieBefund und/oder der Anamnese einer Herzklappen-Operation vermerkt. Eine Herzinsuffizienz wurde angenommen, wenn sich die Diagnose in der aktuellen Dokumentation oder vorausgegangenen Dokumentation fand. Ein Diabetes mellitus wurde bei stationär erhöhten Blutzuckerwerte oder der Einnahme von oralen Antidiabetika bzw. der Anwendung von Insulin angenommen. Für die Diagnose - Seite 16 - einer chronisch-obstruktiven Atemwegserkrankung (COPD) waren die Anamnese und entsprechende Medikamente ausschlaggebend, für eine Kardiomyopathie die Echokardiographie und für einen apoplektischen Insult die Anamnese. Das Rauchverhalten wurde dem Anamnesebogen, bzw. der Akte entnommen, ebenso die Anamnese eines Myokardinfarkts oder einer Lungenembolie. Eventuelle Operationen, Entzündungen oder sonstige komplikative Ereignisse, wie eine etwaige Reanimation wurden ebenfalls dokumentiert. Gleiches galt für eine Kardioversion. Außerdem wurden, falls vorhanden, Echokardiographiebefunde gesichtet und hinsichtlich der Vorhofgröße, der Septumdicke und der Ejektionsfraktion des linken Ventrikels ausgewertet. Die Serumlaborparameter Kalium, Kalzium, C-reaktives-Protein, Gesamtcholesterin, Nüchternglucose, Kreatinin, Harnstoff und Gesamtprotein, die während des stationären Aufenthalts routinemäßig bestimmt wurden, wurden der Patientendokumentation entnommen. Dabei wurde nur der erste nach der Aufnahme gemessene Wert berücksichtigt. Die Medikamente des Patienten wurden der Patientendokumentation entnommen, wobei nur die Arzneimittel berücksichtigt wurden, die der Patient bis zum Zeitpunkt der stationären Aufnahme einnahm. Erst nach Erfassung aller anderen Parameter wurden der TSH-Wert und, sofern vom Normbereich abweichend, die Konzentration der peripheren Schilddrüsenhormone der Patientendokumentation entnommen. 2.5 Gruppeneinteilung nach Schilddrüsenfunktionszuständen Die Einteilung der Patienten erfolgte je nach Stoffwechsellage in eine von insgesamt 7 Gruppen. Die erste Gruppe wurde aus solchen Patienten gebildet, die eine euthyreote Stoffwechsellage aufwiesen, d.h., deren TSH-Konzentration im Normbereich zwischen 0,3 und 4 mU/l lag. In die zweite Gruppe wurden Patienten mit einer subklinischen Hyperthyreose mit TSH-Konzentrationen von weniger als 0,1 mU/l und im Normbereich liegenden peripheren Schilddrüsenparametern eingruppiert. - Seite 17 - Die dritte Gruppe bestand aus den Patienten mit einer subklinischen Hyperthyreose, bei denen die TSH-Konzentration zwischen 0,1 mU/l und 0, 3 mU/l lag. Die vierte Gruppe beinhaltete Patienten mit einer TSH – Erhöhung von mehr als 4,0 mU/l. In Gruppe fünf wurden Patienten mit einem so genannten Low-T3-Syndrom zusammengefasst. Bei der Messung lag eine isolierte Erniedrigung des T3-Spiegels vor bei in der Regel unauffälligen übrigen Schilddrüsenparametern. Patienten mit einer manifesten Hyperthyreose mit TSH-Konzentration <0,1 mU/l und erhöhten peripheren Schilddrüsenwerten bildeten die sechste Gruppe. In der siebten Gruppe wurden schließlich alle Patienten zusammengefasst, deren Zuordnung zu einer der Gruppen 1-6 nicht eindeutig vorgenommen werden konnte, weil beispielsweise bei einer auffälligen TSH-Konzentration keine peripheren Schilddrüsenwerte bestimmt worden waren. 2.6 Gruppierung der Einweisungsdiagnosen Für die Auswertung der Aufnahmediagnosen wurden die Patienten mit und ohne Vorhofflimmern verschiedenen Diagnosegruppen zugeordnet: In der ersten Gruppe wurden die Patienten mit kardiovaskulären Einweisungsdiagnosen zusammengefasst. Darunter fielen Einweisungsdiagnosen wie Blutdruckentgleisung, Herzinsuffizienz, Angina-pectoris-Beschwerden, Myokardinfarkt oder Vorhofflimmern selbst. Die zweite Gruppe bildeten Patienten mit pulmonalen Erkrankungen, die zur Hospitalisierung führten. Einweisungsdiagnosen waren überwiegend Exazerbationen einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung oder eine Pneumonie, Die dritte Gruppe bestand aus Patienten mit Entzündungen anderer Organe. In der vierten Gruppe wurden die Patienten mit endokrinologischen Einweisungsdiagnosen zusammengefasst. Häufigste Einweisungdiagnose waren hier ein entgleister Diabetes mellitus oder andere Diabetes-bezogene Komplikationen. In Bezug auf die Frage eines möglichen Selektionsbias ist es - Seite 18 - hierbei wichtig zu betonen, dass es primäre Einweisungen aufgrund einer Hyperthyreose oder einer anderen Schilddrüsenfunktionsstörung in dieser Gruppe nicht gab. Die fünfte Gruppe der neurologischen Erkrankungen beinhaltete Einweisungen z.B. aufgrund apoplektischer Insulte. Schließlich wurden in einer sechsten Gruppe diejenigen Patienten eingruppiert, deren Einweisungsdiagnose sich den Gruppen eins bis fünf nicht eindeutig zuordnen ließ. 2.7 Ablauf der Datenerhebung Die Stationsärzte wurden zweimal wöchentlich befragt, ob sich Patienten mit neu diagnostiziertem Vorhofflimmern auf der Station befanden. Zusätzlich erfolgte eine Sichtung der Akten der zu diesem Zeitpunkt auf den Stationen befindlicher Patienten. Dabei wurde jeweils das Aufnahme-EKG analysiert und interpretiert und anhand der Unterlagen überprüft, ob Vorhofflimmern bereits bekannt war. In diesem Fall wurde der Patient nicht in die Studie mit einbezogen. Anschließend wurden die weiteren Parameter wie Vorerkrankungen oder Laborwerte mit Hilfe des abgebildeten Erfassungsbogens erhoben (Tabelle 1). Erst abschließend wurden die Schilddrüsenparameter gesichtet, um einen Bias bei der Auswahl der Vorhoffflimmerpatienten und der Kontrollen bezüglich des Schilddrüsenstatus zu vermeiden. Diese Vorgehensweise wurde sowohl bei den Patienten mit Vorhofflimmern als auch bei den Vergleichspatienten durchgeführt. Alle Datenerhebungen fanden mit Einverständnis der Patienten statt. - Seite 19 - Tabelle 1: Fragebogen Name: Alter: Geschlecht: Station: Aufnahme-Nr.: Aufnahmedatum: Liegezeit: Größe: Gewicht: BMI: Aufnahmediagnose: Einweisungsdiagnose: ja nein neu Vorhofflimmern TSH SD-Sono: TT3 TT4 fT3 SD-Szinti: fT4 SD-Antikörper Schilddrüsendiagnose: - Seite 20 - paroxysmal chronisch Risikofaktor KHK Ja Nein Dauer Vitium arterielle Hypertonie Herzinsuffizienz Diabetes mellitus (1/2) HbA1C Komplikationen COPD CMP Raucher Apoplex Kalzium (frei/gebunden) Kalium CRP (1. und 2. Tag) Cholesterin Glucose Kreatinin Harnstoff Gesamt-Protein Entzündungen Komplikationen (OP, ...) Aufnahmemedikation / UKG-Befunde / Kardioversion / Herzinfarkt/ Lungenembolie - Seite 21 - 2.8 Einbeziehung der Daten in die Gesamtanalyse einer früheren Fall-Kontrollstudie In die Gesamtanalyse der Daten der hier dargestellten Fall-Kontrollstudie wurden die Daten einer zeitlich früheren ähnlichen Fall-Kontrollstudie einbezogen, die ebenfalls den Zusammenhang zwischen der Schilddrüsenfunktion und Vorhofflimmern bei einem ähnlichen Patientenkollektiv als primäres Studienziel hatte. Für Einzelheiten wird hier auf die Dissertation von Frau Karin Johannigmann aus dem Jahr 2004 mit dem Titel „Die Bedeutung der latenten Hyperthyreose für das Neuauftreten von Vorhofflimmern bei Patienten mit kardialen Vorerkrankungen“ verwiesen. Für diese Arbeit waren 180 Patienten mit Vorhofflimmern und 359 Patienten mit Sinusrhythmus untersucht worden. Infolge der ähnlichen Methodik und Fragestellung konnten die Daten aus dieser Voruntersuchung mit den hier erhobenen Daten gepoolt werden, um die statistische Aussagekraft der Datenanalyse bezüglich der primären Fragestellung zu erhöhen. Durch das Poolen der beiden Datenkollektive standen für die Analyse insgesamt Daten von 307 Personen mit Vorhofflimmern und von 621 Personen ohne Vorhofflimmern zur Verfügung. Im Folgenden werden im Ergebnisteil die Analysen der gepoolten Daten aus beiden Untersuchungszeiträumen dargestellt. 2.9 Statistik Zur statistischen Auswertung der Daten wurde das Statistikprogramm SAS genutzt. Die Patientencharakteristika wurden für kontinuierliche Parameter als Mittelwerte und 95% Konfidenzintervalle angegeben. Die Odds ratio für die Wahrscheinlichkeit von Vorhofflimmern bei einer subklinischen Hyperthyreose im Vergleich zu einer normalen Schilddrüsenfunktion wurde mit Hilfe des χ2 Tests ermittelt. Die Nullhypothese wurde bei einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 0,05 verworfen. Adjustierungen für mögliche Confounder wurden mit Hilfe der Mantel-Haenszel-Prozedur vorgenommen. 2.10 Schilddrüsenhormon-Messungen Die Schilddrüsenfunktion wurde in beiden Kliniken routinemäßig bei der stationären Aufnahme des Patienten bestimmt. In beiden Kliniken wurde bei TSH-Werten außerhalb des Normbereichs automatisch eine Nachbestimmung der peripheren Schilddrüsenhormone vorgenommen. Als Normbereich für den TSH-Wert wurden Werte zwischen 0,3 und 4 mU/l definiert, die Normwerte für TT3 lagen bei 0,7 – 1,8 µg/L, für fT3 bei 3,7 – 6,9 pmol/l, für TT4 bei 60-120 µg/L und für fT4 bei 7 – 20 ng/L. - Seite 22 - 3. ERGEBNISSE Um zu untersuchen, in wie weit die latente Hyperthyreose ein eigenständiger Risikofaktor für das Auftreten von Vorhofflimmern bei Patienten mit bereits existierenden kardialen und nicht- kardialen Risikofaktoren ist, wurden 307 stationäre Patienten mit der Diagnose „neu aufgetretenes Vorhofflimmern“ untersucht. Diese wurden mit 621 Patienten verglichen, die zeitgleich ins Krankenhaus eingewiesen wurden, bei denen aber kein Vorhofflimmern (weder akut, noch in der Vorgeschichte) bekannt war. Beide Patientengruppen waren nach weiter oben aufgeführten Kriterien vergleichbar und besaßen somit ein ähnliches Risikoprofil. 3.1 Risiko für Vorhofflimmern Schilddrüsenfunktion in Abhängigkeit von der In den Gruppen 1-4 und 6 hatten insgesamt 611 Patienten einen Sinusrhythmus und 295 Patienten Vorhofflimmern. Das Gesamtkollektiv umfasste zwar 307 Patienten mit und 621 Patienten ohne Vorhofflimmern, die Patienten mit einem Low – T3 – Syndrom und einem fraglichen Schilddrüsenfunktionszustand wurden aber hier ausgeklammert. Die größte Gruppe bildete die Gruppe der Patienten mit einer euthyreoten Stoffwechsellage. 569 Personen davon befanden sich zum Beobachtungszeitpunkt im Sinusrhythmus (93,1% aller Patienten mit Sinusrhythmus), 256 Personen litten unter Vorhofflimmern (86,8% aller Patienten mit Vorhofflimmern). Bei 13 von 295 Patienten mit Vorhofflimmern (4,4%) wurde eine subklinische Hyperthyreose mit einem supprimierten TSH – Wert (< 0,1 mU/l) diagnostiziert, während nur bei 10 von 611 Patienten der Kontrollgruppe (1,6%) eine subklinische Hyperthyreose mit einem supprimierten TSH vorlag. Die Tabelle 3 zeigt entsprechend eine Odds ratio für das Neuauftreten von Vorhofflimmern bei Patienten mit einer subklinischen Hyperthyreose mit einem supprimierten TSH im Vergleich zu Patienten mit einer euthyreoten Stoffwechsellage von 2,8 mit einem 95%-Konfidenzintervall von 1,2 – 6,4 (p = 0,013). Sieben von 295 (2,4%) Patienten mit Vorhofflimmern wiesen während der Datenerhebung eine subklinische Hyperthyreose mit einem erniedrigten TSH auf, während diese Laborkonstellation bei 14 von 611 (2,3%) der Kontrollpatienten anzutreffen war. Im Falle einer subklinischen Hyperthyreose mit erniedrigtem - Seite 23 - TSH (0,1 – 0,3 mU/l) ergab sich somit gegenüber euthyreoten Patienten in Bezug auf das Risiko für Vorhofflimmern eine Odds ratio von 1,1 bei einem 95%-Konfidenzintervall von 0,4 bis 2,6 (p = 0,94). Bei 7 von 295 (2,4%) Patienten mit Vorhofflimmern fand sich ein erhöhter TSH – Wert, 16 von 611 (2,6%) Patienten ohne Vorhofflimmern wiesen einen TSH – Wert oberhalb von 4 mU/l bei der Blutuntersuchung auf. In Bezug auf das Risiko für Vorhofflimmern hatten die Patienten mit einem erhöhten TSH eine Odds ratio von 0,9 (95%-Konfidenzintervall 0,4 – 2,2). Schließlich fand sich bei 12 von 295 (4,1%) Personen mit Erstdiagnose eines Vorhofflimmerns eine manifeste Hyperthyreose. Dies war nur bei 2 von 611 (0,3%) Patienten mit Sinusrhythmus der Fall. In Bezug auf das Risiko für Vorhofflimmern betrug bei diesen Patienten mit einer manifesten Hyperthyreose gegenüber Individuen ohne Schilddrüsenfunktionsstörung die Odds ratio 12,9 mit einem 95%Konfidenzintervall von 2,9 bis 58,1 (p < 0,001). Tabelle 2: Schilddrüse und Vorhofflimmern – Ergebnisse in absoluten und prozentualen Zahlen Gruppe Kennzahl Sinusrhythmus Vorhofflimmern absolut relativ absolut relativ Euthyreot 1 569 61,31 256 27,59 subklinische Hyperthyreose, 2 10 1,08 13 1,40 TSH supprimiert subklinische Hyperthyreose, 3 14 1,51 7 0,75 TSH erniedrigt TSH erhöht 4 16 1,72 7 0,75 Low-T3-Syndrom 5 4 0,43 4 0,43 Manifeste 6 2 0,22 12 1,29 Hyperthyreose Fragliche Diagnose 7 6 0,65 8 0,86 Gesamt 621 66,92 307 33,08 - Seite 24 - Tabelle 3: Schilddrüsenfunktionsstatus und Risiko für Vorhofflimmern: Odds ratios und 95% Konfidenzintervalle Gruppe Gruppe Odds Ratio [95%-Konf.-Intervall] Euthyreot 1 Lat. Hyperthyreose, TSH supprimiert 2 2,89 [1,2; 6,7] Lat. Hyperthyreose, TSH erniedrigt 3 1,11 [0,4; 2,78] Hypothyreose 4 0,97 [0,39; 2,39] Manifeste Hyperthyreose 6 13,33 [2,96; 60,01] 3.2 Vergleichbarkeit der Patienten mit und ohne Vorhofflimmern in Hinblick auf klinische und laborchemische Charakteristika Hier wurde die Vergleichbarkeit der Patienten mit und ohne Vorhofflimmern beleuchtet. Zum einen wurden alle Schilddrüsenfunktionszustände betrachtet und dann separat die Untergruppe der Patienten mit latenter Hyperthyreose mit supprimiertem TSH. Dabei ergaben sich folgende Ergebnisse: - Seite 25 - Tabelle 4: Klinische und Laborchemische Charakteristika der Patienten mit und ohne Vorhofflimmern (alle Schilddrüsenfunktionszustände, kontinuierliche Parameter) Parameter Sinusrhythmus Vorhofflimmern T-Test (Mittelwert ± (Mittelwert ± Standardfehler) Standardfehler) Alter 69,4 ± 0,4 Jahre 71,2 ± 0,6 Jahre *p < 0,05 Größe 1,68 ± 0,004 m 1,70 ± 0,006 m **p < 0,01 Gewicht 75,9 ± 0,6 kg 79,3 ± 1,1 kg **p < 0,01 Liegezeit 14,5 ± 0,8 Tage 15,9 ± 1,0 Tage p > 0,05 TSH 1,6 ± 0,14 mU/l 1,3 ± 0,07 mU/l p > 0,05 fT3 4,9 ± 0,2 pmol/l 5,5 ± 0,5 pmol/l p > 0,05 fT4 14,3 ± 0,3 ng/l 17,0 ± 0,9 ng/l **p < 0,01 TT3 1,1 1,2 ± 0,0737 μg/l *p < 0,05 TT4 80,1 ± 2,9 μg/l 99,1 ± 7,0 μg/l *p < 0,05 HbA1c 6,9 ± 0,1 % 6,5 ± 0,2 % p > 0,05 Calcium 2,3 ± 0,009 mmol/l 2,4 ± 0,017 mmol/l p > 0,05 Kalium 4,3 ± 0,03 mmol/l 4,2 ± 0,04 mmol/l p > 0,05 CRP (Tag 1) 3,1 ± 0,3 mg/dl 2,9 ± 0,5 mg/dl p > 0,05 CRP (Tag 2) 3,7 ± 0,4 mg/dl 3,5 ± 0,6 mg/dl p > 0,05 Cholesterin 204,7 ± 3,9 mg/dl 197,9 ± 5,3 mg/dl p > 0,05 Harnstoff 33,1 ± 1,6 mg/dl 37,7 ± 3,0 mg/dl p > 0,05 Gesamtprotein 6,7 ± 0,6 g/dl 6,7 ± 0,8 g/dl p > 0,05 Kreatinin 1,2 ± 0,04 mg/dl 1,3 ± 0,07 mg/dl p > 0,05 Vorhofgröße 41,5 ± 0,5 mm 44,7 ± 0,8 mm **p < 0,01 Septumdicke 12,3 ± 0,2 mm 12,7 ± 0,3 mm p > 0,05 Ejektionsfraktion 58,9 ± 0,9 % 56,2 ± 1,4 % p > 0,05 ± 0,0457 μg/l - Seite 26 - Tabelle 5: Parameter Klinische Charakteristika der Patienten mit und ohne Vorhofflimmern (alle Schilddrüsenfunktionszustände, diskrete Parameter) Sinusrhythmus Vorhofflimmern T-Test Ja Nein Anteil „Ja“ Ja Nein Anteil „Ja“ KHK 324 296 52,3 % 137 170 44,6 % *p < 0,05 Zustand nach Infarkt 177 443 28,5 % 59 248 19,2 % **p < 0,01 Arterielle Hypertonie 524 97 84,4 % 262 45 85,3 % p > 0,05 Herzinsuffizienz 129 492 20,8 % 93 214 30,3 % **p < 0,01 Klappenvitium 166 455 26,7 % 129 178 42,0 % **p < 0,01 Kardiomyopathie 10 611 1,6 % 11 296 3,6 % p > 0,05 COPD 127 494 20,5 % 62 245 20,2 % p > 0,05 Zustand nach Lungenembolie 15 604 2,4 % 10 295 3,3 % p > 0,05 Diabetes mellitus 254 366 41,0 % 116 191 37,8 % p > 0,05 Raucher 146 475 23,5 % 64 242 20,9 % p > 0,05 Zustand nach Apoplex 50 570 8,1 % 30 277 9,8 % p > 0,05 Entzündungen 30 232 11,5 % 19 108 15,0 % p > 0,05 Komplikationen 75 187 28,6 % 21 105 16,7 % **p < 0,01 ß-Blocker 213 408 34,3 % 107 196 35,3 % p > 0,05 ACE-Hemmer 133 129 50,8 % 42 84 33,3 % **p < 0,01 Schilddrüsenhormone 39 580 6,3 % 26 277 8,6 % p > 0,05 Psychopharmaka 6 255 2,3 % 6 120 4,8 % p > 0,05 Statine 47 215 17,9 % 14 112 11,1 % p > 0,05 Geschlecht 339 282 54,6 % 154 153 50,2 % p > 0,05 Bei den Patienten mit Sinusrhythmus lag das Durchschnittsalter bei 69,4 Jahren und bei Patienten mit Vorhofflimmern bei 71,2 Jahren. Hier liegt ein signifikanter Unterschied vor. Die durchschnittliche Körperlänge betrug bei Patienten mit Sinusrhythmus 1,68 m und bei Patienten mit Vorhofflimmern 1,70 m. Auch hier ist der Unterschied wiederum signifikant. In der Kontrollgruppe belief sich das durchschnittliche Gewicht auf 75,9 kg und in der Patientengruppe auf 79,3 kg. Hier zeigte sich ein signifikanter Unterschied. - Seite 27 - Es bestand bei Patienten mit Sinusrhythmus ein Mittelwert bei der Liegezeit von 14,5 und bei Patienten mit Vorhofflimmern von 15,9 Tagen (p > 0,05). Der durchschnittliche TSH- Wert lag in der Kontrollgruppe bei 1,6 mU/l und in der Patientengruppe bei 1,3 mU/l (p > 0,05). Der Unterschied zwischen der Patienten- und der Kontrollgruppe hinsichtlich des Mittelwerts für fT3 ist nicht signifikant (p > 0,05) Es ergab sich ein Mittelwert für fT3 in der Kontrollgruppe von 4,9 pmol/l und in der Patientengruppe von 5,5 pmol/l. Der Unterschied zwischen der Patienten- und der Kontrollgruppe hinsichtlich des Mittelwerts für fT4 ist signifikant (p < 0,01): Der durchschnittliche fT4-Spiegel in der Kontrollgruppe lag bei 14,3 ng/l und in der Gruppe der Patienten mit Vorhofflimmern bei 17,0 ng/l. Der TT3- Spiegel lag bei Patienten mit Sinusrhythmus insgesamt im Mittel bei 1,1 μg/l und bei Patienten mit Vorhofflimmern bei 1,2 μg/l mit einem signifikanten Unterschied (p < 0,05). Was das TT4 betrifft, so belief dich der durchschnittliche Wert bei Patienten ohne Arrhythmie auf 80,1 μg/l und bei Patienten mit Arrhythmie auf 99,1 μg/l. Hier findet sich ein signifikanter Unterschied bei der Betrachtung beider Gruppen. Keinen signifikanten Unterschied gibt es bei Patienten mit und ohne Vorhofflimmern hinsichtlich des HbA1c-Wertes: Er lag bei Patienten mit Sinusrhythmus im Durchschnitt bei 6,9% und bei Patienten mit Vorhofflimmern im Durchschnitt bei 6,5 %. Der Kalzium- Spiegel betrug im Serum der Kontrollgruppe durchschnittlich 2,3 mmol/l und im Serum der Patientengruppe durchschnittlich 2,4 mmol/l. Auch hier liegt kein signifikanter Unterschied vor. Der durchschnittliche Kalium- Spiegel betrug im Serum der Kontrollgruppe 4,3 mmol/l und im Serum der Patientengruppe 4,2 mmol/l. Ein signifikanter Unterschied besteht nicht. Der Mittelwert des C-reaktiven Proteins betrug in der Kontrollgruppe am 1. Tag 3,1 mg/dl und in der Patientengruppe 2,9 mg/dl (kein signifikanter Unterschied). Der Mittelwert des C-reaktiven Proteins betrug in der Kontrollgruppe am 2. Tag 3,7 mg/dl und in der Patientengruppe 3,5 mg/dl. Auch hier lag wiederum kein signifikanter Unterschied vor. - Seite 28 - Das Serum- Cholesterin lag bei der Betrachtung aller Schilddrüsenfunktionszustände in der Kontrollgruppe im Mittel bei 204 mg/dl und in der Patientengruppe bei 197 mg/dl. Einen signifikanten Unterschied gibt es hier nicht. Der durchschnittliche Wert für den Harnstoff im Serum betrug bei Patienten mit Sinusrhythmus 33,1 mg/dl und bei Patienten mit Vorhofflimmern 37,7 mg/dl. Der Unterschied hier ist nicht signifikant. Der Unterschied zwischen der Kontroll- und der Patientengruppe hinsichtlich des durchschnittlichen Gesamtproteinwertes war nicht signifikant und lag sowohl in der Gruppe der Patienten mit Sinusrhythmus als auch mit Vorhofflimmern bei 6,7 mg/dl. Patienten mit Sinusrhythmus wiesen ein durchschnittliches Serumkreatinin von 1,2 mg/dl auf, Patienten mit Vorhofflimmern ein durchschnittliches Serumkreatinin von 1,3 mg/dl. Der Unterschied ist nicht signifikant. Eine Signifikanz bezüglich der Unterschiede gibt es bei der Vorhofgröße. Während das Atrium bei Patienten ohne Vorhofflimmern durchschnittlich 41,5 mm im Durchmesser maß, maß es bei Patienten mit Vorhofflimmern durchschnittlich 44,7 mm (p < 0,01). Die Septumdicke des Herzens besaß in der Kontrollgruppe einen Durchschnittswert von 12,3 mm und in der Patientengruppe einen Durchschnittswert von 12,7 mm. Ein signifikanter Unterschied ist hier nicht gegeben. Signifikante Unterschiede bei Patienten mit und ohne Vorhofflimmern hinsichtlich der Ejektionsfraktion sind nicht gegeben. Bei Patienten mit einem Sinusrhythmus lag der Mittelwert bei 58,9%, bei Patienten mit Vorhofflimmern bei 56,2%. 52,3% der Patienten mit Sinusrhythmus und 44,6% der Patienten mit Vorhofflimmern litten an einer koronaren Herzkrankheit. Dieser Unterschied ist signifikant (p < 0,05). 28,5% der Patienten mit Sinusrhythmus hatten bereits einen Herzinfarkt erlitten. Dagegen hatten die Patienten mit Vorhofflimmern nur 19,2% einen Herzinfarkt erlitten. Hier liegt ein signifikanter Unterschied vor (p < 0,01). - Seite 29 - Die Unterschiede hinsichtlich der arteriellen Hypertonie sind nicht signifikant unterschiedlich. Eine arterielle Hypertonie war bei 84,4% der Patienten mit einem Sinusrhythmus diagnostiziert worden und bei 85,3% der Patienten mit Vorhofflimmern. 20,8% der Patienten mit im Elektrokardiogramm aufgezeichneten Sinusrhythmus waren laut Dokumentation herzinsuffizient, während das bei 30,3% der Patienten mit Vorhofflimmern der Fall war. Hier liegt ein signifikanter Unterschied vor (p < 0,01). Ein Klappenvitium war echokardiographisch bei 26,7% der Patienten mit Sinusrhythmus und bei 42,0% der Patienten mit Vorhofflimmern ohne Unterscheidung des Schilddrüsenfunktionszustandes nachgewiesen worden (signifikanter Unterschied, p < 0,01). Der Anteil der Patienten der Kontrollgruppe mit einer dokumentierten Kardiomyopathie lag bei 1,6% und in der Patientengruppe bei 3,6%. Dieser Unterschied ist wiederum nicht signifikant. Von einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung waren annähernd gleich viele Patienten der Kontroll- und Patientengruppe betroffen: 20,5% der Patienten mit Sinusrhythmus und 20,2% der Patienten mit Vorhofflimmern. Der Anteil der Patienten, die eine Lungenembolie in ihrer Anamnese aufwiesen, lag in der Gruppe der Patienten ohne Vorhofflimmern bei 2,4% und in der Gruppe der Patienten mit Vorhofflimmern bei 3,3%. Ein signifikanter Unterschied war nicht gegeben. Der Anteil der Patienten mit einem Diabetes mellitus lag bei 41,0% in der Kontrollgruppe und bei 37,8% in der Patientengruppe. Ein signifikanter Unterschied ist nicht gegeben. Unter den Patienten mit einem Sinusrhythmus waren 23,5% Raucher, während der Anteil bei Patienten mit Vorhofflimmern bei 20,9% lag. Der Unterschied hinsichtlich des Rauchverhaltens bei beiden Gruppen ist nicht signifikant. 8,1% der Patienten in der Kontrollgruppe hatten zum Zeitpunkt der Datenerhebung bereits einen Apoplex erlitten, während dies bei 9,8% innerhalb der Patientengruppe der Fall war. Signifikante Unterschiede hinsichtlich eines Apoplex gibt es nicht. - Seite 30 - Entzündungen traten bei ca. 11,5% der Patienten ohne Herzrhythmusstörung auf und bei ca. 15% der Patienten mit Herzrhythmusstörung p > 0,05. Auch in diesem Punkt waren die beiden Gruppen nicht signifikant unterschiedlich. Komplikationen wurden bei 28,6% der Patienten mit Sinusrhythmus und 16,7% der Patienten mit Vorhofflimmern dokumentiert. Der Unterschied zwischen den beiden Gruppen war mit p < 0,01 signifikant. ß-Blocker wurden vor dem Krankenhausaufenthalt, währenddessen die Daten zusammengetragen wurden, von 34,3% der Patienten mit einem Sinusrhythmus und von 35,3% mit Vorhofflimmern eingenommen. Der Unterschied war nicht signifikant. ACE-Hemmer waren bereits vor stationärer Behandlung von 50,8% der Patienten mit Sinusrhythmus und von 33,3% der Patienten mit Vorhofflimmern eingenommen worden. Der Unterschied hier ist signifikant (p < 0,01). Der Anteil der Patienten, die Schilddrüsenhormone eingenommen hatten, lag bei 6,3% in der Kontroll- und bei 8,6% in der Patientengruppe (kein signifikanter Unterschied, p > 0,05). Mit Psychopharmaka waren vor der stationären Aufnahme 2,3% der Patienten mit Sinusrhythmus und 4,8% der Patienten mit Vorhofflimmern behandelt worden. Ein signifikanter Unterschied ist das nicht. Statine waren von 17,9% (Kontrollgruppe), bzw. 11,1% (Patientengruppe) aller Patienten eingenommen worden (kein signifikanter Unterschied). Unterscheidet man nicht hinsichtlich des Schilddrüsenfunktionszustandes, waren 54,6% in der Kontrollgruppe weiblichen Geschlechts, während dies bei 50,2% in der Patientengruppe der Fall war. Es gibt hier keinen signifikanten Unterschied. Mittels Maentel-Haenszel-Schätzung wurde für die über das Matching primär nicht erfassten Unterschiede hinsichtlich der Risikofaktoren Übergewicht und stattgehabter Myokardinfarkt adjustiert. Die Odds ratio für das Auftreten von Vorhofflimmern bei einer latenten Hypothyreose nach Adjustierung für das Gewicht betrug 3,5 (95%-Konfidenzintervall von 1,5 – 8,6) und die Odds ratio nach Adjustierung für einen stattgehabten Myokardinfarkt 3,0 (95%-Konfidenzintervall von 1,3 – 7,1) (Tabelle 8). - Seite 31 - Tabelle 6: Odds Ratio für VHF bei Lat. Hyperthyreose, TSH supprimiert Zu kontrollierende Variable Odds Ratio [95%-Konf.-Intervall] adjustiert nach Maentel-Haenszel-Schätzung 2,9* (nicht adjustiert) [1,2;6,7] Gewicht (≥ Median) 3,5* [1,4;8,5] Myokardinfarkt 3,0* [1,3;7,1] Gewicht + Myokardinfarkt 3,6* [1,5;9,0] * signifikant p < 0,05 3.3 Charakterisierung der Patientengruppen in Hinblick auf eine Vergleichbarkeit der Einweisungsdiagnosen Die Abbildungen 1 und 2 zeigen die Charakteristika der Patienten mit und ohne Vorhofflimmern bezüglich der Einweisungsdiagnosen. Bei 86,2% der Patienten mit Vorhofflimmern führten kardiologische Erkrankungen zur Einweisung, aber nur 72,2% der Kontrollpatienten wurden wegen kardiologischer Beschwerden eingewiesen. Pulmologische Erkrankungen waren bei 3,2% der Patienten mit Vorhofflimmern, aber bei 7,0% der Patienten mit Sinusrhythmus verantwortlich für die Indikation zur Einweisung. Akute Entzündungen standen bei 1,1% der Patienten mit Vorhofflimmern und bei 2,2% der Patienten der Kontrollgruppe im Vordergrund. Endokrinologisch-dominierte Einweisungsdiagnosen fanden sich bei 4,3% der Patienten mit Vorhofflimmern und bei 9,3% der Patienten ohne Vorhofflimmern. Schilddrüsenbezogene Einweisungen gab es darunter nicht. Neurologische Ursachen waren unter den Einweisungsdiagnosen der Patienten mit Vorhofflimmern nicht vertreten, während 0,4% der Kontrollgruppe unter neurologischen Gesichtspunkten eingewiesen wurde. Sonstige Ursachen beziffern sich folgendermaßen: 5,3% unter den Patienten mit Vorhofflimmern und 8,8% unter den Kontrollpatienten. Die Einweisungsdiagnosen konnten nur bei einem Teil des Kollektivs erforscht werden, was sich aus fehlender Dokumentation ergab. - Seite 32 - Abbildung 1: Einweisungsdiagnosen Kontrollgruppe Abbildung 2: Einweisungsdiagnosen Patienten mit Vorhofflimmern - Seite 33 - 4. DISKUSSION Beim Vorhofflimmern handelt es sich um die häufigste kardiale Arrhythmie, die etwa 1% der Gesamtbevölkerung betrifft [88]. Die Ergebnisse der hier vorgestellten Fall-Kontrollstudie bestärken die Hypothese, dass eine latente Hyperthyreose bei einem supprimierten TSH unabhängig von anderen etablierten Risikofaktoren für Vorhofflimmern ein starker Risikofaktor für das Auftreten von Vorhofflimmern ist. 4.1 Diskussion der Studienlage Die erste und bekannteste Studie, die den Zusammenhang zwischen einer latenten Hyperthyreose und Vorhofflimmern untersucht hat, war die Framingham-Studie. In einer Unteranalyse dieser epidemiologischen Studie fand sich bei 61 der 2007 Patienten ein suprimierter TSH-Wert, wovon wiederum 13 Patienten im Verlauf der nächsten 10 Jahre Vorhofflimmern entwickelten. Das entsprach einem 3,1-fach erhöhten Risiko für das Neuauftreten von Vorhofflimmern bei Patienten mit einer Ausgangs-TSHKonzentration von < 0,1 mU/l [79] bei euthyreoten peripheren Schilddrüsenwerten. Abgesehen davon, dass es sich um eine post-hoc-Analyse handelte, blieb bei der Analyse der Ergebnisse der Framinghamstudie aber unklar, ob sich das Vorhofflimmern bei diesen Patienten tatsächlich im Stadium einer latenten Hyperthyreose entwickelt hatte oder ob ein Teil der Patienten im Verlauf der folgenden 10 Jahre eventuell doch manifest hyperthyreot geworden war, da Untersuchungen der Schilddrüsenhormone zum Zeitpunkt des Auftretens des Vorhofflimmerns nicht erneut bestimmt wurden, sondern nur einmalig zu Beginn der Verlaufsuntersuchung. Die Studie lässt auch die Frage offen, ob eine latente Hyperthyreose ein unabhängiges Risiko für die Entwicklung von Vorhofflimmern auch bei Patienten mit anderen Risiken für Vorhofflimmern ist. In der Studie von Auer et al. aus dem Jahr 2001 wurde der Zusammenhang zwischen einer latenten Hyperthyreose und Vorhofflimmern retrospektiv bei einer sehr großen Zahl von Patienten (n=23638) untersucht. Bei 12,7% der Patienten mit latenter Hyperthyreose wurde Vorhofflimmern diagnostiziert. Es ergab sich ein relatives Risiko von 5,2 für das Auftreten von Vorhofflimmern bei latenter Hyperthyreose im Vergleich zu Patienten mit euthyreoter Stoffwechsellage [3]. Die Aussage der Studie wird aber dadurch erheblich eingeschränkt, dass hier Patienten mit primär schilddrüsenbezogenen Erkrankungen mit Patienten mit primär kardiologischen Diagnosen verglichen wurden, so dass die Wahrscheinlichkeit eines Selektionsbias hoch ist. In einer kürzlich in JAMA publizierten Kohortenstudie wurde die Schilddrüsen- Seite 34 - hormonkonzentration bei 3233 in den USA lebenden 65 Jahre oder älteren Personen untersucht. Die Studienteilnehmer mit einer latenten Hyperthyreose hatten ein erhöhtes Risiko für Vorhofflimmern. Der Zusammenhang zwischen einer latenten Hyperthyreose und dem Auftreten anderer kardiovaskulärer Erkrankungen oder einer erhöhten Mortalität konnte nicht gezeigt werden [15]. Es handelt sich um eine hinsichtlich des Alters eingeschränkte Gruppe, wenngleich die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Vorhofflimmern mit dem Alter zunimmt [24, 45]. Bei der Studie wurde nicht zwischen TSH-Werten kleiner 0,1 mU/l und größer als 01, mU/l unterschieden, so dass zu der Frage, ab welchem TSH-Wert tatsächlich ein erhöhtes Risiko für Vorhofflimmern vorliegt, anders als in dieser Studie keine Stellung genommen werden kann. Da es sich um eine Kohortenstudie mit einer einmaligen Messung der TSH-Konzentration nur zu Beginn der Studie handelt, bleibt ähnlich wie bei der Framinghamstudie offen, ob der Funktionszustand bei den Personen, die im Verlauf Vorhofflimmern hatten und bei Studienbeginn eine subklinische Hyperthyreose hatten, auch zum Zeitpunkt des Eintritts des Vorhofflimmerns unverändert war oder ob zwischenzeitlich ein Übergang in eine manifeste Hyperthyreose aufgetreten war. 4.2 Was geben die hier gezeigten Ergebnisse an neuer Information? Zum einen wird in der vorliegenden Studie an einer größeren Fallzahl von Patienten der Zusammenhang zwischen der Entwicklung eines Vorhofflimmerns und einer subklinischen Hyperthyreose erhärtet. Da alle Patienten zum aktuellen Erfassungszeitpunkt eine subklinische Hyperthyreose und Vorhofflimmern aufwiesen, stärkt dies die Hypothese, dass das Risiko für Vorhofflimmern tatsächlich schon bei noch im Normbereich liegenden peripheren Schilddrüsenkonzentrationen erhöht ist und dass das im Rahmen der Kohortenstudien beobachtete erhöhte Risiko nicht auf einen Übergang in eine manifeste Hyperthyreose zurückzuführen ist. Bei den bisherigen Studien war nicht klar, ob zum Zeitpunkt des Auftretens des Vorhofflimmerns tatsächlich noch eine subklinische Hyperthyreose vorlag oder ob die Patienten zum diesem Zeitpunkt bereits eine manifeste Hyperthyreose aufwiesen. Auch in dieser Studie kann nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass in den zurückliegenden Monaten Phasen einer manifesten Schilddrüsenüberfunktion vorgelegen haben könnten, aber die Wahrscheinlichkeit hierfür ist eher als gering anzusehen. Die jetzige Studie bestätigt, dass das Risiko für Vorhofflimmern erst bei TSHKonzentrationen < 0,1 mU/l deutlich erhöht ist. Sie lässt offen, ob bei höheren TSHKonzentrationen noch ein geringgradig erhöhtes Risiko besteht. Eine klinische - Seite 35 - Relevanz scheint aber erst bei TSH-Konzentrationen < 0,1 mU/l gegeben zu sein. Die meisten der in Studie eingeschlossenen Patienten wiesen andere starke Risikofaktoren für Vorhofflimmern auf. Die Studie zeigt somit, dass eine subklinische Schilddrüsenüberfunktion ein von diesen Risikofaktoren unabhängiger zusätzlicher Risikofaktor ist. 4.3 Wie vergleichbar waren die Gruppen der Patienten mit und ohne Vorhofflimmern? Im Rahmen dieser Studie wurde, ähnlich wie in der Vorstudie „Die Bedeutung der latenten Hyperthyreose für das Neuauftreten von Vorhofflimmern bei Patienten mit kardialen Vorerkrankungen“ von Karin Johannigmann aus dem Jahr 2004, versucht, die Patientengruppen in Bezug auf die wichtigsten Parameter für Vorhofflimmern vergleichbar zu machen. Das heißt, jedem Individuum der Patientengruppe wurden 2 Patienten der gleichen Station, des gleichen Geschlechts, der gleichen Lebensdekade und der gleichen (kardialen) Grunderkrankung (arterieller Hypertonus, koronare Herzkrankheit, Herzklappenvitium, chronisch-obstruktive Lungenerkrankung) zugeordnet. Diese Patienten bildeten die Kontrollgruppe. Wie bereits beschrieben, ist es wünschenswert, Patienten- und Kontrollgruppe möglichst in allen Aspekten ähnlich zu machen, abgesehen von dem zu untersuchenden Risikofaktor, um einen Selektionsbias zu verhindern [5, 17, 59, 77, 78, 84]. Aus diesem Grunde wurden zunächst die verschiedenen Einweisungsdiagnosen beleuchtet. Es stellte sich folgendes heraus: kardiale Erkrankungen führten bei 86,2% der Patientengruppe und bei 72,2% der Kontrollgruppe zur Einweisung, pulmologische Erkrankungen führten bei 3,2% der Patientengruppe und 7,0% der Kontrollgruppe zur Einweisung, akute Entzündungen führten bei 1,1% der Patientengruppe und bei 2,2% der Kontrollgruppe zur Einweisung, endokrinologische Erkrankungen führten bei 4,3% der Patientengruppe und 9,3% der Kontrollgruppe zur Einweisung, neurologische Erkrankungen führten bei 0,0% der Patientengruppe und 0,4% der Kontrollgruppe zur Einweisung, sonstige Ursachen führten bei 5,3% der Patientengruppe und bei 8,8% der Kontrollgruppe zur Einweisung. Es fanden sich also kleinere Unterschiede zwischen den Einweisungsdiagnosen, die aber die Gruppenzusammenzusetzung insgesamt nicht wesentlich beeinflusst haben. Die kardialen Einweisungsdiagnosen repräsentieren in beiden Gruppen den Großteil der Patienten. - Seite 36 - Danach wurde betrachtet, wie es sich mit anderen, in der Literatur beschriebenen, Risikofaktoren verhält, für die nicht gematcht wurde. Bei den meisten durch das Matching nicht erfassten klinischen und laborchemischen Charakteristika fanden sich keine relevanten Unterschiede. Hinsichtlich des Gewichtmittelwerts ergab sich ein geringer, aber signifikanter Unterschied zwischen der Gruppe der Patienten mit Vorhofflimmern und der Gruppe der Patienten mit Sinusrhythmus. Auch befanden sich in der Gruppe der Patienten mit Vorhofflimmern weniger Patienten mit der Anamnese eines Myokardinfarktes (19%) als in der Gruppe der Kontrollpersonen (29%). Die Adjustierung für diese beiden Unterschiede änderte die Odds Ratio für Vorhofflimmern aber nicht wesentlich. 4.4 Welche möglichen Konsequenzen ergeben sich aus den Ergebnissen für die Klinik? Die vorliegenden Daten machen einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Auftreten eines Vorhofflimmerns und einer subklinischen Hyperthyreose sehr wahrscheinlich, zumal sich der Zusammenhang auch pathophysiologisch gut begründen lässt. Bei Risikopatienten für Vorhofflimmern sollte man deshalb vor allem bei zusätzlichem Vorliegen einer subklinischen Hyperthyreose eine Therapie der Hyperthyreose in Erwägung ziehen. Bislang ist allerdings ungeklärt, ob eine prophylaktische Therapie einer subklinischen Hyperthyreose vor Auftreten eines Vorhofflimmers die Inzidenz von Vorhofflimmern tatsächlich senken kann. Ebenso ist nicht durch Studien geklärt, in welchem Prozentsatz die Therapie einer subklinischen Hyperthyreose nach Eintreten eines Vorhofflimmerns die Inzidenz von Vorhofflimmern längerfristig senken kann. Beide Studien sind aufgrund der hierfür benötigten Fallzahl im Rahmen einer klinischen Studie leider nur schwierig durchzuführen. Für eine generelle Empfehlung der Therapie einer endogenen subklinischen Hyperthyreose wären diese Daten gerade in Hinblick auf die hohe Prävalenz der subklinischen Hyperthyreose jedoch sicherlich wünschenswert. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es aber in jedem Fall empfehlenswert, die ebenfalls sehr häufigen und leicht zu vermeidenden Zustände einer subklinischen Hyperthyreose durch eine zu hohe Dosis von Schilddrüsenhormonen durch eine regelmäßige Kontrolle von TSH-Werten und eine entsprechende Anpassung der Dosis zu vermeiden. - Seite 37 - 5. SCHLUSSFOLGERUNGEN Die Rolle der manifesten Hyperthyreose für das Neuauftreten von Vorhofflimmern gilt als gesichert [88]. Ziel dieser Studie war es, die anhand Voruntersuchungen gebildete Hypothese einer latenten Hyperthyreose als eigenständigen Risikofaktor für Vorhofflimmern mit Hilfe eines großen Patientenkollektivs weiter zu erhärten. In unserem Patientenkollektiv hatten Patienten mit einer latenten Hyperthyreose bei einem supprimierten TSH-Wert ein 2,8-fach erhöhtes Risiko, Vorhofflimmern zu entwickeln, so dass dies die Hypothese einer latenten Hyperthyreose als eigenständigen und klinisch relevanten Risikofaktor für Vorhofflimmern bestärkt. Die Ergebnisse dieser Studie lassen ferner vermuten, dass eine Risikoerhöhung nur bei einem supprimierten TSH der TSH-Bestimmungen der 3. Generation besteht, nicht aber bei TSH-Konzentrationen im erniedrigten Bereich, bei denen das TSH aber noch messbar ist. Die Studie bekräftigt, dass supprimierte TSH-Konzentrationen bis auf begründete Ausnahmen vermieden werden sollten. - Seite 38 - ZUSAMMENFASSUNG Diese Fall-Kontroll-Studie hat folgende Aspekte untersucht: 1) 2) 3) Kann die Eigenständigkeit der subklinischen Hyperthyreose als Risikofaktor für das Auftreten von Vorhofflimmern untermauert werden? Gibt es bezüglich des Risikos für Vorhofflimmern Unterschiede zwischen einer subklinischen Hyperthyreose mit einem supprimiertem TSH und einer subklinischen Hyperthyreose mit erniedrigten, aber nicht vollständig supprimierten TSH-Konzentrationen? Ist die subklinische Hyperthyrese ein eigenständiger Risikofaktor für Vorhofflimmern unabhängig von dem Vorliegen anderer klinischer Risikofaktoren für Vorhofflimmern? Um diesen Fragestellungen nachzugehen, wurden zwischen Februar 2003 und Juni 2004 konsekutiv 132 Patienten der Berufsgenossenschaftlichen Kliniken Bergmannsheil, Bochum, und des St. Josef Hospitals, Bochum, prospektiv untersucht, bei denen erstmalig Vorhofflimmern diagnostiziert worden war. Diese wurden 264 Patienten ohne jemals aufgetretenes Vorhofflimmern, aber vergleichbarem Risikoprofil gegenübergestellt. Zur Vergrößerung des Kollektivs wurden für die Datenanalyse 175 Patienten mit Vorhofflimmern und 356 vergleichbare Patienten ohne Vorhofflimmern aus einer früheren Fall-Kontrollstudie einbezogen (Dissertation Frau Karin Johannigmann 2004). Bei allen Studienpatienten wurde die TSH–Konzentration und – falls vom Normwert abweichend – auch die Konzentration der peripheren Schilddrüsenhormonwerte bestimmt. Ausgeschlossen wurden Patienten, die Medikamente einnahmen oder Konditionen aufwiesen, die zu einer falschen Interpretation der TSH-Messungen oder des Herzrhythmus geführt haben könnten. Bei 13 von 295 Patienten (4,41%) mit der Erstdiagnose eines Vorhofflimmern fand sich ein supprimiertes TSH (< 0,1 mU/l) bei normalen peripheren Schilddrüsenhormonwerten. Demgegenüber fand sich nur bei 10 von 611 Patienten (1,84%) mit Sinusrhythmus ein supprimiertes TSH bei normalen peripheren Schilddrüsenhormonwerten. Die Odds ratio für Neuauftreten von Vorhofflimmern betrug entsprechend bei 2,8 (95% - Konfidenzintervall 1,2 – 6,4; p = 0,013). Das höchste Risiko für Vorhofflimmern hatten erwartungsgemäß Patienten mit einer manifesten Hyperthyreose, während das Risiko für Vorhofflimmern bei Patienten mit erniedrigten, ab nicht supprimierten TSH-Werten zwischen 0,1 und 0,3 mU/l nicht erhöht war. - Seite 39 - Die beiden Gruppen der Patienten mit und ohne Vorhofflimmern unterschieden sich bezüglich der Einweisungsdiagnosen, sowie der klinischen, anamnestischen und laborchemischen Charakteristika nur unwesentlich voneinander. Dort, wo über das Matching hinaus deutlichere Unterschiede zwischen den beiden Gruppen bestanden, änderte sich das Risiko für Vorhofflimmern bei Vorliegen einer subklinischen Hyperthyreose mit supprimierten TSH nach Adjustierung nur unwesentlich. Die Ergebnisse unterstützen die Hypothese, dass eine subklinische Hyperthyreose bei TSH-Werten von < 0,1 mU/l ein von anderen Risikofaktoren für Vorhofflimmern unabhängiger und klinisch relevanter Risikofaktor für Vorhofflimmern darstellt. Bei erniedrigten, aber noch nicht supprimierten TSH-Werten scheint das Risiko für Vorhofflimmern dagegen nicht wesentlich erhöht zu sein. - Seite 40 - LITERATURVERZEICHNIS [1] Agner, T., Almdal, T., Thorsteinson, B., Agner, E. (1984). A reevaluation of atrial fibrillation in thyrotoxicosis. Dan. Med. Bull. 31, 157-159 [2] Allessie, M. A., Boyden, P. A., Camm, A. J., Kléber, A. G., Lab, M. J., Legato, M. J., Rosen, M. R., Schwartz, P. J., Spooner, P. M., van Wagoner, D. R., Waldo, A. L. (2001). Pathophysiology and prevention of atrial fibrillation. Circulation 103, 769-777 [3] Auer, J., Scheibner, P., Mische, T., Langesteger, W., Eber, O., Eber, B. (2001). Subclinical hyperthyroidism as a risk factor for atrial fibrillation. Am. 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Pfeilschifter für die Ermöglichung der Arbeit, sowie für die umfassende Betreuung und fachliche Unterstützung Herrn Moritz Albrecht für die Beratung und den Zeitaufwand hinsichtlich der statistischen Auswertung Frau Melanie Schmitz für die Hilfe bei der Zusammentragung der Daten Herrn Knut Finstermeier für die Mühe bei der Mitarbeit der gestaltlichen Umsetzung der Arbeit und für Motivationshilfe Lebenslauf Jörg Schreiber Persönliche Daten Jörg Wolf-Dietrich Schreiber, geboren am 19.04.1979 in Gelsenkirchen ledig Berufstätigkeit seit Juli 2006 Assistenzarzt in der kardiologischen Abteilung des Elisabeth-Krankenhauses in Recklinghausen Studium 1999 – 2006 Studium der Humanmedizin an der Ruhr-Universität-Bochum Praktisches Jahr Innere Medizin: Chirurgie: Psychiatrie: Augusta Krankenanstalten, Bochum Augusta Krankenanstalten, Bochum Westfälisches Zentrum für Psychiatrie, Bochum Famulaturen Innere Medizin: Anästhesie: Dermatologie: Praxisfamulatur: Wahlfamulatur Anatomie: Städtisches Klinikum „St. Georg“, Leipzig (2002) University of Debrecen, Medical and Health Science Center, Debrecen, Ungarn (2004) Universitätsklinikum Leipzig (2003) St. Josef-Hospital, Universitätsklinik, Bochum (2004) kardiologische Praxis, Gelsenkirchen (2003) Ruhr-Universität Bochum (2002) Zivildienst 1998 – 1999 Zivildienst im St. Josef-Hospital in Gelsenkirchen-Horst auf einer viszeralchirurgischen Station mit überwiegend krankenpflegerischen Aufgaben Schulbildung 1985 – 1989 1989 – 1998 Gemeinschaftsgrundschule an der Beckeradstraße in Gelsenkirchen-Buer Leibniz-Gymnasium in Gelsenkirchen-Buer Abschluss: Allgemeine Hochschulreife