MITTHEILUNGEN

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MITTHEILUNGEN
AUS DEM
GEBIETE DES SEEWESENS.
VOL. VI.
1878.
NO. IX.
Chronom eter-Studien und Anwendung der W ahrscheinlichkeits-Theorie
a u f die C hronom etrie*).
Von E u g e n G e le ic h , k. k. Linienschiffs-Fähnrich.
Einleitung.
Nimmt man die tägliche Aenderung des Chronometerganges als constant
an, so bilden die Chronometerstände eine arithmetische Eeihe zweiter Ordnung,
deren Anfangsglied der Stand zu einer gewissen Zeit ist, und für welche die
Anfangsglieder der Differenzreihen der Gang und die Aenderung des Ganges
zur gegebenen Zeit bezeichnen.
Es sei St der Stand zu einer gegebenen Zeit; S0 sei der Stand, g der
Gang und / l g die Aenderung des Ganges zur Zeit t, so hat man folgende
Gleichung:
St — S0 4 - g t +• —
^ 1g
woraus folgt:
St — S0
t —
1
Will man den Gang und die Aenderung des Ganges bestimmen, so ge­
nügt e s , die Chronometerstände zu drei verschiedenen Zeiten zu beobachten, um
zwei Gleichungen mit zwei Unbekannten aufzustellen. Bei der Ausführung der
hiefür nothwendigen Beobachtungen schleichen sich aber bekanntlich unver­
*) Benützte Quellen: „Becherches sur les Ghronometres“, herausgegeben durch
das Depot des cartes et p la n s de la M arine, Service des Ghronometres; „Becherdies
sur les variations dela m a rch e des P endules et des Ghronometres“ par M. A r is t id e
L ie u s s o u ; „E xpeditions Ghronometriques de 1845 et 1846“ par Otto S t r u v e ;
H a g e n : „W ahrscheinlichkeits-Theorie“; L it t r o w detto; C o n d o r c e t: Application
de Vanalyse ä la Probabilite des decisions; Sa w it s c h : „Methode der kleinsten Q u a ­
drate“ ; B rü n n o w : „Sphärische A stronom ie“ ; Einige Hefte der „Zeitschrift fü r P hysik
u n d M athem atiku.
28
434
meidliche Beobachtungsfehler ein, welche theils durch die Unvollkommenheit
der Instrumente, theils durch persönliche Eigenschaften des Beobachters verur­
sacht werden und im Allgemeinen die Genauigkeit des Resultates nach­
theilig beeinflussen. Diese Fehler werden bald positiv, bald negativ sein, und
es ist Aufgabe der Wahrscheinlichkeits-Theorie, dieselben gehörig zu berück­
sichtigen, um aus den erhaltenen Beobachtungsdaten das richtigste Resultat
zu ermitteln. Wir schalten gleich hier die Bemerkung ein, dass solche Fehler,
wenn sie gewisse Grenzen überschreiten, nicht mehr die Gesetze und Regeln
der Wahrscheinlichkeits-Theorie befolgen, ebenso wenig als bei derselben constante, durch mangelhafte Kenntniss oder durch sorglose Vorprüfung des
Instrumentes entstehende Fehlerquellen berücksichtigt werden. Wir setzen viel­
mehr voraus, dass der Sextant z. B. bezüglich seiner Güte gehörig geprüft
und richtig befunden wurde, und dass die bei jeder Beobachtung aufs neue
zu ermittelnden Fehler, als Indexfehler und Stellung des kleinen Spiegels,
mit der grössten Gewissenhaftigkeit constatirt wurden.
Die Grösse der zufälligen Beobachtungsfehler anzugeben, ist eine reine
Unmöglichkeit. Zweifelsohne unterliegt, wie alles in der Natur, auch die Grösse
dieser Fehler, so wie die Häufigkeit ihres Vorkommens gewissen bestimmten
Gesetzen, die wir nicht kennen oder deren Ursachen uns nicht klar sind. Schein­
bar enthält dieser Satz einen Widerspruch, da wir früher vom zufälligen Beobach­
tungsfehler sprachen, diesen Zufall aber nachträglich als die Wirkung einer
ganz bestimmten Ursache bezeichnen. In der eigentlichen Bedeutung des Wortes
jedoch kennen wir den Zufall nicht und nennen jene Ereignisse zufällig, welche
durch Ursachen herbeigeführt werden, deren Zusammenhang wir nicht zu fassen
im Stande sind.
»Alle Ereignisse« sagt J. J. L i t t r o w in seiner Einleitung zur Wahr­
scheinlichkeits-Theorie »selbst diejenigen, die durch ihre Geringfügigkeit uns
ganz zufällig und von den grossen Gesetzen der Natur völlig unabhängig er­
scheinen, sind doch ohne Zweifel eine ebenso nothwendige Folge derselben
ewigen Gesetze, als es die Bewegung der Sonne und aller Körper des Himmels
nur immer sein kann. Nur unsere Unkenntniss des Zusammenhanges dieser
Erscheinungen mit jenen Gesetzen des Weltalls lässt uns die einen derselben
von bestimmten Endursachen, die ändern aber von dem blinden Zufalle ab­
hängig m achen, je nachdem sie in einer bestimmten und sichtbaren Aufein­
anderfolge, oder aber ohne irgend eine uns bemerkbare Ordnung vor sich zu
gehen scheinen. Die erwähnten, übrigens oft nur eingebildeten Endursachen
werden allmählig, wie sich die Grenzen unserer Kenntnisse erweitern, immer
mehr und mehr zurückgerückt und sie verschwinden nur zu oft gänzlich vor
dem klaren Blick des Verstandes, der in den meisten dieser Endursachen nur
den Ausdruck der gänzlichen Unkenntniss erblickt, die uns die wahren Ur­
sachen jener Erscheinungen vielleicht für immer zu verbergen droht.«
Wenn wir beim Spiel einen Würfel werfen, so ist es Zufall, welche
von den sechs Seiten aufgeworfen wird. Werfen wir aber den Würfel 10000mal nacheinander, so bemerken wir schon im Erscheinen der einzelnen Seiten
eine auffallende Regelmässigkeit. W ären wir im Stande bei jedem Wurfe die
Bewegung unserer Hand, die Flugbahn des Würfels, die Art des Auffallens etc.
genau zu berechnen, so könnten wir mit Bestimmtheit Voraussagen, welche
der sechs Seiten aufgeworfen wird. Ebenso verhält es sich mit der Grösse
des Beobachtungsfehlers. Könnten wir die Genauigkeit im Einstellen der Be­
435
rührung der Bilder und in der Ablesung mit mathematischer Schärfe angeben,
würden wir das, bei der Beobachtung und beim Entstehen der zufälligen Beob­
achtungsfehler am meisten mitbetheiligte Organ, das Auge nämlich, genau
kennen, so würde es möglich sein, die zufälligen Fehler auf das präciseste zu
berechnen.
Der mathematischen Wissenschaft, welche die tiefsten Geheimnisse der
Natur zu erforschen gesucht, ist es gelungen, wenigstens gewisse Gesetze über
das Vorkommen dieser Fehler, über ihre wahrscheinliche Grösse, über ihre Be­
ziehung zum Resultate, zum wahrscheinlichsten Werthe desselben etc. aufzu­
stellen; kurz durch das unermüdliche Wirken der Gelehrten G a u s s und L a p l a c e
hat man es dahin gebracht, aus einer Reihe von Beobachtungen den wahrschein­
lichsten Werth des Resultates herleiten zu können, eine Errungenschaft, deren
sich das 19. Jahrhundert rühm t, und welche besonders der Astronomie und
Geodäsie zu Gute gekommen ist. Man hat versucht, die WahrscheinlichkeitsTheorie auf die Erscheinungen in der geistigen und moralischen Welt auszu­
dehnen, und wenn die Fortschritte nach dieser Richtung keine grossen Dimen­
sionen erreicht haben, so ist der Grund darin zu suchen, dass wir bezüglich
der bewegenden Ursachen noch viel zu wenig wissen, dass die übrigen Wissen­
schaften nicht genug vorgeschritten und die nothwendigen statistischen Daten
viel zu mangelhaft sind. Wird man seinerzeit über reichhaltiges Materiale ver­
fügen, so wird es möglich sein, die stattgehabte Wahrscheinlichkeit der meisten
Erscheinungen nachträglich zum mindesten zu fixiren. Aehnlich wie die geschicht­
lichen Begebenheiten dem Culturhistoriker zur Erreichung seines Zweckes dienen,
ebenso wie er aus den nackten Thatsachen in der Geschichte der Menschheit
auf den Grund ihres Erscheinens zu kommen versucht, auf gleiche Art trachtet
die Mathematik mit den statistischen Daten in der Hand bestimmte Gesetze
aufzustellen. Die Culturgeschichte weist nach, dass die Anzahl der Heiraten
in einem ganz bestimmten Yerhältniss zur Korn- oder Kartoffelernte, zum wirthschaftlichen Aufschwung etc. steht; der -Culturhistoriker beweist uns haarklein,
dass der Untergang der Griechen und Römer nur so kommen konnte, wie ihn
die Geschichte erzählt; er zeigt uns, dass die grossen Revolutionen der Eng­
länder und Franzosen die Wirkungen ganz bestimmter Ursachen w aren, und
trachtet die in der Geschichte sich wiederholenden Erscheinungen in einen
gewissen Zusammenhang zu bringen. Genau dasselbe thut die Mathematik,
wenn sie die Gesetze der Natur durch trockene Formeln darzustellen versucht.
B u c k l e b rin g t, wie eben erwähnt, die Anzahl der Heiraten in ein gewisses
Yerhältniss zur Kartoffelernte, L a m b e r t und D u v i l l a r d dagegen stellen eine
Sterblichkeitsformel auf. Erreichen von lOOOO Leuten, welche geboren werden,
y das Alter von x J a h re n , so gibt L a m b e r t folgende Beziehung dieser drei
Grössen zu einander:
x
y = 10000 ( - —gg— ) 2— 6176 \ e
13*682
Verschiedene Werthe von x ergeben dann ebenso viele Werthe von y,
nach welchen man die bekannten Sterblichkeits-Tabellen anfertigen kann. Wir
unterlassen es, hier noch andere ähnliche interessante Fälle zu citiren, wie
z. B. die Wahrscheinlichkeit der Richtersprüche, der Wahlergebnisse etc., um
so bald als möglich zu unserem eigentlichen Thema zu kommen.
Bei der Ausführung astronomischer oder geodätischer Messungen haben
wir weder statistische Daten zur Verfügung, noch kennen wir die Anzahl der
436
möglichen, oder der einer gewissen Erscheinung günstigen Fälle, und deshalb
erfordert die Lösung der diesbezüglichen Aufgaben eigene Betrachtungen. Eine
sehr merkwürdige und sonderbare Erscheinung in der Geschichte der Mathe­
matik ist di e , dass es einigen Gelehrten noch vor Entdeckung der W ahrscheinlichkeits - Theorie in ihrer Anwendung auf die Beobachtungen gelang,
gewisse Bedingungsgleichungen aufzustellen, durch deren Auflösung sie die
Verbesserung des Beobachtungsresultates sehr genau ermittelten. Hiefür liefern
d i e , Mitte des 18. Jahrhundertes berechneten Mayer’schen Mondtafeln ein
schönes Beispiel. Jeder Gelehrte hatte hiebei seine eigene Methode vorzugehen,
ein allgemeines Gesetz kannte man nicht. L e g e n d r e machte eineu ersten
Versuch, Thatsachen der Praxis auf mathematische Wahrheiten zu basiren,
G a u s s sollte aber erst die Schöpfung vollenden. L a p l a c e hat mehr das Ver­
dienst, die Richtigkeit der Gauss’schen Regeln für die Fälle der Praxis nach­
gewiesen zu haben, während E n c k e als Apostel der Gauss’schen Theorie durch
seine Abhandlung im nBerliner astronomischen Jahrbuches sehr zu ihrer Ver­
breitung beigetragen hat.
Es kann nicht in unserer Absicht liegen, an dieser Stelle die ganze
Wahrscheinlichkeits-Theorie ableiten za wollen. W ir werden uns auf die Her­
leitung der Grundpricipien beschränken und hauptsächlich jene Regeln an­
führen, welche wir zur Anwendung dieser Theorie in der Chronometrie ge­
brauchen. Vor allem Anderen stellen wir uns folgende Frage: Welchen Nutzen
kann der Nautiker aus der Wahrscheinlichkeits-Theorie schöpfen?
Es wird gewiss Niemand dem Seefahrer zumuthen wollen, dass er in See
bei einer Positionsbestimmung den wahrscheinlichen Fehler seiner Länge oder
seiner Breite berechne. Bei der schwankenden Unterlage, bei der Mangel­
haftigkeit in der Genauigkeit beobachteter Kimmabstände, bei der Unvollkom­
menheit des Kartennetzes, der Geschwindigkeits- und Richtungs-Messinstrumente
etc. etc. kann wohl von einer derart minutiösen Genauigkeit nicht die Rede
sein. Ganz anders verhält es sich mit jenen Beobachtungen, welche im Hafen
ausgeführt werden, und welche wir in eine Gruppe für sich als v o r b e r e i ­
t e n d e R e c h n u n g e n für die eigentliche Navigation fassen und ansehen.
Noch mehr Genauigkeit kann diesen hochwichtigen, für die Navigation vom
grössten Einfluss bleibenden Vorrechnungen von jenen Instituten gewidmet
werden, deren Hauptsorge es ist, die Chronometer zu beobachten, während sie
noch am Lande sind, oder in Beobachtung zu erhalten, während das Schiff im
Hafen- liegt. Es ergeben sich hiebei folgende Aufgaben:
1 .
2.
3.
Versuch
Formeln
Die Ermittlung des Chronometerstandes und des Ganges.
Die Bestimmung des Verlässlichkeitsgrades für mehrere Chronometer.
Die Erforschung der Ursachen in der Aenderung des Ganges, und der
diese Aenderung in ein Gesetz zu bringen oder womöglich durch
auszudrücken.
Den ersten Punkt glauben wir nicht näher beleuchten zu müssen. Was
die zweite Aufgabe anbelangt, so pflegt man bei grösseren Expeditionen mehrere
Chronometer an Bord zu nehmen und sich dann nach jenem zu richten, dessen
Gang der regelmässigste ist. Die Wahrscheinlichkeits-Theorie belehrt uns jedoch
eines besseren. Beobachtet man nämlich das Verhalten der Uhren, so lange
noch das Schiff im Hafen liegt, oder besser noch auf den Beobachtungs­
stationen (Stern- oder Seewarten), so ist man im Stande P r ä c i s i o n s F a c t o r e n zu bestimmen, mit deren Hilfe man aus den verschiedenen gleich­
437
zeitigen Angaben der Chronometer die wahrscheinlichste Zeit des ersten Meri­
dians erhält.
Wo viele Chronometer in Beobachtung sind, kann man ferner aus den
fünf- oder zehntägigen Gängen eine förmliche Präcisions-Scala anlegen, nach
welcher man auf den ersten Blick ein Urtheil über die Güte jeder Uhr, eventuell
eine richtige Wahl der besser brauchbaren treffen kann.
Die dritte Aufgabe soll die Unregelmässigkeiten des Ganges behandeln.
Wir sagten eingangs unserer Abhandlung, der Stand nach t Tagen wäre bei
Annahme einer regelmässigen Aenderung des Ganges durch die Gleichung
gegeben :
St = S0 -f- g t -4— —2 — " d 9
deren Differentiation nach g und Zig uns zum Resultat
f — t d g -f - ---- -
d /lg
führt.
Angenommen, ein Schiff lauft vom Canal mit der Bestimmung nach einem
der südamerikanischen Häfen aus; ein solches Schiff, welches wochenlange nicht
in die Gelegenheit kommt seinen Stand zu controliren, fährt bis zur Ankunft im
nächsten Hafen mit dem zuletzt ermittelten Gange, ohne zu berücksichtigen, dass,
um den Stand nach 60 Tagen auf nur 5 Zeitsecunden genau zu erhalten, man
nach obiger Differentialgleichung die Aenderung des Ganges auf
Zeitsecunde
genau kennen müsste*). Die Controle des Chronometers durch Monddistanzen
ist zwar in der Theorie sehr schön, wird jedoch in der Praxis gewiss nicht
einmal von fünf Procent der Seefahrer angewendet. Nicht genug, dass die Schwie­
rigkeit in der Ausführung der Beobachtung nicht unbedeutend, dass die Rech­
nung sehr unbequem und lange ist, es tritt noch der Umstand dazu, dass der
Beobachtungsfehler gleich dreissigfach vergrössert in das Resultat übergeht.
Es mag sonderbar scheinen, wenn man in einer wissenschaftlichen Abhand­
lung auf Bequemlichkeit der Rechnung Rücksicht nimmt; unsere Ansicht geht
aber dahin, dass gerade bei der Behandlung eines nautisch - mathematischen
Stoffes dieser Factor gar nicht unbedeutend ist, sondern dass man im Gegentheil bei der Wahl und Besprechung der nautisch - astronomischen Methoden
stets den Verhältnissen des bewegten Seelebens, u. z. nicht in letzter Linie,
Rechnung tragen soll. Der Navigationsofficier hat in den seltensten Fällen bloss
seine Beobachtungen und Rechnungen auszuführen; dieselben bilden zwar seine
Hauptsorge, viele andere Verrichtungen warten jedoch noch seiner, und man
würde ihm zuviel zumuthen, wollte man von ihm erwarten, dass er seinen Chro­
nometer durch häufige Beobachtung vou Monddistanzen controlire. Wer die
Verhältnisse des Seelebens nicht nur allein vom Hörensagen, sondern aus eigener
Erfahrung kennt, wird uns gewiss nicht widersprechen. Der berühmte Ad­
miral K r u s e n s t e r n traute den Monddistanzen soviel, dass er zu einer
Längenbestimmung auf der Insel Kiusiu nicht weniger als 1028 Beobachtungen
ausführen liess, und Admiral S m y t h befürwortet seine Längenangaben dadurch,
dass er ausdrücklich erwähnt, keine einzige Längenbestimmung sei durch Beob­
achtung von Monddistanzen ausgeführt worden. Als der Gelehrte Tobias Ma y e r
den Seefahrern die Längenbestimmung durch Monddistanzen so warm empfahl,
hatte er jedenfalls nur einen sehr schwachen Begriff von den Verhältnissen des
*) T e g e t t h o f f ’s „Compendium der D ifferential- u n d In te g r a lr e c h n u n g S. 56
438
Seelebens: er war eben der Gelehrte, welcher nur mit den Augen der Wissen­
schaft sah. Dass das englische Parlament mit englischer Freigebigkeit die Ver­
besserung der Mondtafeln belohnte*), würden wir nie zu tadeln wagen, indem
die Monddistanzen schliesslich doch noch immer das einzige Mittel sind, um
den Chronometer in See zu controliren, sobald man solche Aenderungen des
Ganges vermuthet, dass durch dieselben die Navigation gefährdet werden könnte.
Könnte man durch einfacheres Vorgehen auf eine kürzere und verlässlichere
Art den Gang controliren, so würde gewiss jeder Seefahrer Tag für Tag, ebenso
wie die Positionsbestimmung, auch diese Rechnung ausführen.
D ie S c h w a n k u n g e n d e s C h r o n o m e t e r g a n g e s s i n d d u r c h a u s
n i c h t d e r a r t , d a s s di e S t ä n d e e i n e a r i t h m e t i s c h e R e i h e z w e i t e r
O r d n u n g b i l d e n w ü r d e n . Diese Schwankungen sind bekanntlich die Folge
unregelmässiger Schwingungen der Unruhe, welche den Hauptbestandtheil des
Chronometers bildet. Vom Triebwerk in Gang erhalten, soll sie in Folge ihrer
regelmässigen Schwingungen durch die Hemmung derart auf das Räderwerk
wirken, dass die Umläufe jedes Rades des letzteren in gleichen Zeitintervallen
erfolge. Heftige Stösse, häufige Transporte, Temperatursveränderungen, wahr­
scheinlich der Erdmagnetismus, die E lektricität, endlich die verflossene Zeit
sind lauter Factoren, durch deren Einfluss die Schwingungen der Unruhe
alterirt werden.
Was die Stösse, Transporte etc. anbelangt, so kanu weder Wissenschaft
noch Construction dagegen wirken. Nur die gehörige Vorsicht in der Behand­
lung dieser Instrumente kann helfen, und wir werden darüber ausführlicher
im dritten Theil unserer Abhandlung sprechen.
Schlägt der Blitz ein, macht man Stürme durch, fährt man längere Zeit
bei bewegter See, so bleibt nichts übrig als mit grösster Vorsicht das Land
anzulaufen, eventuell — unserer Ansicht nach jedoch als letztes Mittel und nur
unter Beobachtung derselben Vorsichten und unter Anwendung gerechtfertigten
Misstrauens — Monddistanzen zu beobachten.
Alle diese Gewaltfactoren werden wir an passender Stelle nochmals be­
sprechen. Hier haben wir uns mit jenen Fehlerquellen zu beschäftigen, bei
welchen eine Anwendung theoretischer Principien noch möglich ist, nämlich
mit der Temperatursveränderung und mit der verflossenen Zeit. Die erhöhte
Temperatur dehnt die durchgehends aus Metall erzeugten Bestandtheile des
Mechanismus aus, wodurch die Schwingungsamplitude der Unruhe geändert wird,
während sich gleichzeitig im Laufe der Zeit durch das successive Vertrocknen
des Oeles die Reibung vermehrt. Sind Einflüsse der Reibungselektricität oder
des Magnetismus vorhanden, so kann man mit einiger Wahrscheinlichkeit an­
nehmen, dass die hiedurch bedingten Störungen in irgend einem uns unbe­
kannten Verhältniss zur Zeit stehen, d. h. dass sie irgend eine Function der
Zeit bilden.
Die Compensation der Unruhe hat zwar den Zweck, den Chronometer
gegen die Temperatur unempfindlich zu machen, allein die Erfahrung beweist
uns, dass an eine vollständige Compensation nicht zu denken ist. Bei ge­
wöhnlichen Taschenuhren fällt oft die Regelmässigkeit des Ganges bei ver­
schiedenen Temperaturen auf. Der Grund hiefür ist darin zu suchen, dass bei
*) Vergleiche F r e e d e n : „Lehrbuch der N autili u n d ihrer H ilfsw issenschaften“
Seite 369.
439
einer gewöhnlichen Taschenuhr das Oel den Einfluss der Temperatur auf
folgende Art compensirt: dehnen sich durch die Wärme Schwungrad und Feder
aus, so vergrössert sich der Halbmesser des ersteren und die Länge der
letzteren, wodurch die Dauer der Schwingungen verlängert und der G-ang der
Uhr verlangsamt wird. Gleichzeitig dehnt sich aber auch das Oel aus, die
Flüssigkeit vertheilt sich mehr im ganzen Mechanismus, die Oscillationen der
Unruhe werden förmlich freier, und die Uhr hat das Streben vorzueilen. Beim
Chronometer kann diese Wirkung des Oeles wegen der grösseren Dimensionen
des Mechanismus’ nicht zur Geltung kommen.
Die Verwendung der Spiralfeder als Regulator sollte nach theoretischen
Grundsätzen den Einfluss der Vertrocknung des Oeles neutralisiren. Ist die
Spiralfeder kurz gehalten, so sind die grösseren Schwingungen viel rascher als
die kleineren, ist aber die Spiralfeder lang, so findet das Umgekehrte statt.
Für jede Spiralfeder muss es daher eine Länge geben, bei welcher grosse und
kleine Schwingungen in derselben Zeit vollbracht werden, und in der That
sucht man die Länge der Spiralfeder für jede Uhr durch Versuche zu be­
stimmen. Mehr oder weniger wird man sich der geeigneten Länge nähern,
ohne sie, ausser durch blossen Zufall, vollständig erreichen zu können. Bei
frisch geölten Chronometern beträgt die Schwingungsamplitude 415°, nach drei
Jahren soll dieselbe auf 330° heruntergehen*). Auch die Lage der metallenen
Massen bei der Compensation wird empirisch bestimmt. Nicht genug, dass
derlei empirische Bestimmungen nie exact ausfallen können, ist es noch sehr
die Frage, ob eine Unruhe, welche z. B. bei 0° und 30° gleich schwingt, d. h.
welche für 0°— 30° compensirt ist, gegen die zwischenliegenden Temperaturen
unempfindlich bleibt. So kann es der Fall sein, dass die Uhr von 0° — 15°
zurückbleibt und von 15° an wieder voreilt, um bei 30° Temperatur genau so zu
gehen, wie bei 0°. Der Mechaniker allein kann die gewünschte Genauigkeit
nie erreichen und es muss daher die Wissenschaft zu Hilfe eilen. Diese Auf­
gabe bildete das Studium vieler Fachautoritäten; so beschäftigten sich damit
vorzüglich A r a g o , Bo r da, S t r u v e u. A.
Da wir die Gesetze, nach welchen die unregelmässigen Schwankungen
vor sich gehen, nicht kennen, werden wir diese letztere in Anbetracht ihrer
Kleinheit als zufällige Erscheinungen ansehen, und mit Hilfe der Wahrschein­
lichkeitstheorie zu Schlüssen gelangen, welche, wenn auch bis heutzutage weniger
berücksichtigt, im Laufe der Zeit, nach Ansammlung einer gehörigen Menge
von Beobachtungsmaterial und nach Vervollkommnung der Mechanismen, doch
vielleicht zu einer bedeutenden Geltung kommen werdeu. Könnte man in dieser
A rt bequemere und verlässliche Formeln aufstellen, so würde dem Seemann
gewiss sehr damit gedient sein, und die Anwendung der Monddistanzen würde
dann auf die abnormsten Fälle beschränkt bleiben.
I. Die Grundprincipien der Wahrscheinlichkeits -Theorie.
1. A l l g e m e i n e G r u n d s ä t z e .
Wir haben gesehen, dass bei Annahme einer constanten Aenderung des
Ganges, die Chronometerstände eine arithmetische Reihe zweiter Ordnung
bilden, aus welcher der Stand für eine beliege Zeit t durch die Gleichung:
*) L i e u s s o u , „Becherches sur les variations de la mar che des Pendules ecc.“
Seite 27.
440
St = s„ + gt + f ( f 2
** zf
<7
gegeben ist. Kennt man den Stand zu einer Zeit t J, so hat man die zwei
Gleichungen mit zwei Unbekannten:
St - S 0
t — 1
— S0
tt — 1
.
0 = -----p - 2- -------- ^ - 4 9
p==_J
aus welchen durch einfache Auflösung # und z / g gefunden werden.
Wir haben aber gesagt, dass durch das Zusammentreffen verschieden­
artiger Umstände jede Beobachtung mit gewissen Fehlern behaftet ist, und
dass diese Fehler die Gesetze der Wahrscheinlichkeits-Theorie befolgen. Ist die
Anzahl der Gleichungen und der Unbekannten gleich gross, so erhält man zwar
bestimmte, jedoch vom Beobachtungsfehler beeinflusste Resultate, indem eine
Berücksichtigung dieser Fehler auf keine Art möglich ist. Man wird daher
mehr Beobachtungen ausführen müssen, als die Zahl der Unbekannten beträgt.
Hat man eine Grösse nur einmal gemessen, so ist ihr wahrscheinlichster
Werth derjenige, den man aus der Messung erhält. Ist aber die Messung oder
Beobachtung wiederholt worden, so ist anzunehmen, dass die zufälligen Fehler
bald positiv, bald negativ sein werden, ebenso wie z. B. beim Ziehen der
Kugeln aus einer Urne, in welcher sich verschiedenfarbige Kugeln befinden,
bald die eine,'bald die andere Farbe zum Vorschein kommt. Bildet man das
Mittel aller Beobachtungen, so wird man bemerken, dass die Abweichungen
vom Mittel bald positiv, bald negativ, bald grösser, bald kleiner werden, dass
jedoch kleine Abweichungen vorherrschend sind. Bei Berücksichtigung nur zufäl­
liger Ursachen können wir daher sagen, dass positive und negative Abwei­
chungen gleich oft Vorkommen, und dass die Grösse eines Fehlers in gewissen
Beziehungen zur Wahrscheinlichkeit seines Vorkommens steht. Das nun Fol­
gende stützt sich auf diese Voraussetzungen, und wir gehen zur Herleitung
der, von G a u s s in der nT Jieoria m o tu s c o rp o ru m co ele stiu m u entwickelten
Grundsätzen der Wahrscheinlichkeits-Theorie über.
Nehmen wir an, wir hätten zwei Beobachtungen ausgeführt. Der zu­
fällige Beobachtungsfehler kann beide Male positiv oder negativ, oder das eine
Mal positiv, das andere Mal negativ sein. Wenn wir uns daher die Möglich­
keit desVorkommensbildlich gruppiren,
so haben wir:
1. Beobachtung
n
2.
Oder weil dieReihenfolge
n
+ -f- — —
-j- —
-}- —
des Vorkommens für uns keine Bedeutung hat:
1. Beobachtung 4- -f- —
.
r>
u
- 1- — —
2
Daher die W ahrscheinlichkeit, dass der Fehler beider Beobachtungen
positiv sei 4 -, dass er negativ sei ebenso
dass er einmal positiv, das andere
Mal negativ ausfalle 2 X t = b
Bei drei Beobachtungen hätten wir folgende Gruppirung:
1. Beobachtung
+
4 “ -i- — H
— —
2.
n
n
-f- -j- —
-j- — - |- —
3.
77
77
-j- --- -|— “I- — ---- “f“ ---
441
Die W ahrscheinlichkeit, dass der Fehler immer positiv sei, ist
dass
er immer negativ sei, ebenso
Sind die Fehler verschiedenartig, so lassen
sich die Fälle wie folgt zusammenziehen:
4~ 4~
+
-
und die Wahrscheinlichkeit für zwei positive und einen negativen Fehler =
v n
n
n
n einen positiven 7? zwei negative
n
= -f.
»
Bei vier Beobachtungen hätte m an:
+
+
+
+
+
+
+ --------
+ 4- ~ -
-
Es fällt schon hier eine gewisse Regelmässigkeit im Vorkommen der
positiven und negativen Fehler auf, die uns an ein sehr bekanntes Gesetz er­
innert. Bezeichnen wir nämlich mit a die positiven, mit b die negativen Fehler,
und setzen wir die Zahlen, welche das Vorkommen derselben bedeuten, den
Grössen a und b als Exponenten bei, so haben wir bei zwei Beobachtungen
die Fälle:
a?
—
—
—
ab
&2
bei drei Beobachtungen:
44-
4+
4- --------
a 3 a?b a b 2 ö3
etc. Allgemein daher bei n Beobachtungen:
+
+ -
+
+
+
.
anAb
4- —
+
.
an' 2b <1
4- -
4—
+ . -
+
+
4 --
-
a w'3ö3
+
-
.
a 2 bn~2
4 --
-
a b " '1
bn
an
a 3 &M'3
Die Wahrscheinlichkeit des Vorkommens ist bei zwei Beobachtungen:
4_ j
1
für _|_
, j\ oder
. . . x* oder ^2
UUÖX a” 1 . ---n
^ j
» _ } »
n
ab
.... \
n
—
-----I
”
7,2
442
bei drei Beobachtungen:
für c
r>
n
n
daher bei n Beobachtungen:
1
für an
„
a n'x b
. .
an-2 yz
^_ O
■• •• 2«
••••
2
«
Das Gesetz ist nicht mehr zu verkennen. Die Wahrscheinlichkeit, dass
bei n Beobachtungen der Reihe nach n positive; ( w — 1) positive, ein ne­
gativer; (n — 2) positive, zwei negative etc. Fehler begangen werden, ist gleich
einem Bruche, dessen Nenner zwei auf die wte Potenz ist, dessen Zähler
der Reihe nach 1, (”), («), (»). . .etc. bedeutet. Das Gesetz somit, nach welchem
sich die Ausdrücke für die Wahrscheinlichkeit der verschiedenen Verbindungen
bilden, ergibt sich unmittelbar aus der Potenzirung eines Binoms. Man sieht
daraus, dass die Wahrscheinlichkeit des Zusammentreffens lauter positiver oder
negativer Fehler am kleinsten ist, dass diese Wahrscheinlichkeit umsomehr
steigt, je mehr sich die Zahl positiver Fehler jener der negativen nähert und
ihr Maximum bei gleichen positiven und negativen Fehlern erreicht. Da ferner
die Binomial-Coefficienten von der Mitte der Reihe nach beiden Enden immer
gleich sind, ist auch die Wahrscheinlichkeit des Zusammentreffens gleichartiger
Combinationen dieselbe. So z. B. können bei vier Beobachtungen drei positive
und ein negativer Fehler mit derselben Wahrscheinlichkeit Vorkommen, als ein
positiver und drei negative.
Dasselbe Gesetz kann auch für die Grösse des Fehlers abgeleitet werden.
Der zufällige Beobachtungsfehler ist, wie gesagt, nie die Folge einer ein­
zigen Ursache, er setzt sich vielmehr aus verschiedenen Fehlern zusammen, die
in allen Theilen der zur Beobachtung angewandten Instrumente, in der An­
wendung derselben und in persönlichen Eigenschaften des Beobachters Vor­
kommen. Der Fehler in jeder Messung oder Beobachtung stellt sich daher
aus einer sehr grossen Anzahl elementarer Fehler zusammen , welche Anzahl
um so grösser wird, je weiter man auf die entfernteren Fehlerquellen zurück­
443
geht. Wir schliessen aus den bisherigen Herleitungen, d a s s de r B e o b ­
a c h t u n g s f e h l e r di e a l g e b r a i s c h e S u mm e e i n e r u n e n d l i c h g r o s s e n
A n z a h l e l e m e n t a r e r F e h l e r i s t , di e a l l e g l e i c h e n W e r t h h a b e n
u n d e b e n s o l e i c h t p o s i t i v , wi e n e g a t i v s e i n k ö n n e n . Soll der
Fehler d bei n Beobachtungen £>inat Vorkommen, so ist seine Wahrscheinlich­
keit, die wir durch w bezeichnen wollen:
w — V
—.
n
Nach den gemachten Voraussetzungen können wir nun behaupten, dass,
wenn A eine gewisse Grenze überschreite!;, w — 0 w ird, dass für Ä = 0
iv sein Maximum erreicht und dass w — w 4 wird, wenn z/ = — z/ ist. A us:
V
w = —
n
folgt:
p = w . n.
Daher für den Fehler <4, . . . p — w 4n
u n
n d , , . . . p = iv44n
r n
n z1m . . . p = wm n.
Die Summe der Anzahl aller vorkommenden Fehler von 0 bis oo
jedenfalls gleich der Anzahl der Beobachtungen, daher:
ist
iv, n -f- w , , n -f- ivtn n -)- . . . -f- w m n — n
woraus
iv,
iv,, -j- w ,,, —
J— . . . —
|—w m
— 1
was wir kurz, durch
(Z (w) = 1
bezeichnen. Diese Gleichung sagt uns, dass die Summe aller vorkommenden
Fehler gleich der Einheit ist. Für die Grösse des Fehlers müssen Grenzen
angegeben sein, zwischen welchen dann die E (w) zu nehmen sein w ird; weil
wir aber gesagt haben, dass die Wahrscheinlichkeit für z /, welche eine ge­
wisse Grenze überschreiten, ohnedem gleich Null ist, können diese Grenzen
ganz allgemein von — oo bis -f- oo angenommen werden, daher:
+»
»
£(W) = 1.
— CO
Stellen wir uns eine Eeihe vor, deren Glieder die einzelnen zufälligen Beob­
achtungsfehler, deren Differenz die Fehlereinheit, oder besser den elementaren
Fehler bedeuten, so werden die Wahrscheinlichkeiten jedes einzelnen Fehlers
ebenfalls eine Reihe bilden, in welcher die Glieder unendlich langsam ab­
nehmen. Die Anzahl der möglichen Fehler ist unendlich gross, es folgt daher,
weil
£ (iv) =
1
ist, dass die einzelnen w unendlich klein sein werden, d. h. wir können, in­
dem wir für w eine andere Ausdrucksform wählen, von den endlichen Grössen
zur Betrachtung unendlich kleiner Grössen übergehen.
444
Die Wahrscheinlichkeit für das Eintreffen irgend eines von mehreren,
sich gegenseitig ausschliessenden Ereignissen, ist bekanntlich gleich der Summe
der absoluten Wahrscheinlichkeiten der einzelnen Ereignisse. Soll nun ein
Fehler in den Grenzen /J und /I -|- d A liegen, so ist die Wahrscheinlichkeit
dieser Annahme gleich der Summe aller zwischen diesen Grenzen gelegenen
absoluten Wahrscheinlichkeiten. Sind p, q, r . . . die den einzelnen Fehlern
günstigen Fälle, n die Anzahl der Beobachtungen, so ist die Wahrscheinlich­
keit des Vorkommens irgend eines Fehlers
W a h r s e h . = * + g + r + .: v .
n
Liegen aber die Grenzen des möglichen Fehlers unendlich nahe anein­
ander, wie dies für A und A
d A der Fall ist, so kann man die einzelnen
Wahrscheinlichkeiten zwischen diesen Grenzen constant annehmen. Dieser
Punkt wird viel einleuchtender, sobald man zu den, heutzutage so sehr be­
liebten und immer mehr gebrauchten graphischen Constructionen Zuflucht
nimmt.
Trägt man alle zwischen A und A , enthaltenen Fehler auf die Gerade
O X als Abscisseuaxe auf, und errichtet dann die Ordinaten m n , p q , rs etc.
Figur 1.
derart auf 0 1 , dass dieselben die Wahrscheinlichkeit der Fehler o\m, op, or etc.
bedeuten, so erhält man durch Verbindung dieser Punkte die W a h r sc h e i nlic h ke it s c ur ve .
Die Curve umfasst alle möglichen Fehler von x — — oo bis cc— 4- oo;
die Wahrscheinlichkeit, dass irgend einer derselben Vorkommen wird, ist Ge­
wissheit (wobei der Fehler auch Null sein kann), daher gleich 1. Die Summe
der sämmtlichen Ordinaten dieser Curve muss demnach gleich 1 sein. Indem
man von den Linien zu den Flächen übergeht, stellt sich diese Summe am ein­
fachsten dadurch dar, dass man jede Ordinate m it d x multiplicirt, d. h. es
ist die Summe sämmtlicher Ordinaten durch den Ausdruck
+ <»
j ydx — 1
C
O
gegeben.
445
Macht man von 0 1 = 4 aus, t u = d A ,
so ist die Wahrschein­
lichkeit, dass der Fehler zwischen den Grenzen a und b enthalten sei, gleich
der Fläche v z t u , oder wenn wir diese Wahrscheinlichkeit mit a bezeichnen:
b
J
to d d
Die Wahrscheinlichkeit des Zusammentreffens mehrerer Ereignisse ist
gleich dem Producte aus den absoluten Wahrscheinlichkeiten für das Ein­
treffen der einzelnen Ereignisse. Ist nun der wahrscheinlichste Werth einer
Grösse x aus n Beobachtungen a , &, c, d . . . etc. zu bestimmen, so ist
ci -I- ^
®4 “ ■• •
n
Die einzelnen Fehler sind:
a — x — A
b — x = A,
c — x = A f,
etc.
Aus
d -4—b
c -4- . . .
x — — ------ 1------------n
folgt dann:
(a — x) -(- (b — x) -f- (c — x) -f- . . . = 0
Die Wahrscheinlichkeit des Eintreffens der Fehler A A , /.1,, . . . etc. ist:
a)
W = w, . w„ . io,,,............
und es wird jenes x das wahrscheinlichste sein, für welches W den grössten
W erth erreicht, d. h. wenn der Differentialquotient der Function W in Bezug
auf x, also
Cl X
=
0 wird.
Logarithmirt man die Gleichung a ), so erhält
man :
log W — log w, -|- log wn -f- log w,„ -f- . . .
woraus durch Differentiation folgt:
d lo g W =
d log w, -f d log w„ - f d log w,,,
Soll W ein Maximum erreichen, so muss:
d log W
d log w,
d log w„
dx
dx
dx
d log w„,
dx
__
sein, oder
d lo g w ,
äA,
dx
'dA,
d lo g w„ d A r,
dx
' d A ,,
. d lo g io,n d A , „
dx
' d A , ,,
Es ist aber allgemein:
d (a — x)
dx
dA
dx
dx
dx
daher:
d log iv,
d A,
dlog to,
+
d log w,„ _ o
d A ,„
^
446
Multiplicirt und dividirt man alle Glieder der Gleichung durch d , und
setzt man für die einzelnen A ihre Werthe, so erhält man:
(« —
x) a [a
, +
X)
—
( » - , ) „
(b
—
d ^ * " - - S +
x ) d (b
—
-
x)
=
0-
Setzt man:
d lo g to,
(a
—
(T —
x') d ( a — x )
d log w „
'
x ) d ( b — x) ~
etc.
so folgt:
Cf (a - x) - f c„ (b — x) + c,„ (c — x) + . . . —
und wir hatten:
(a — x) -f- (b — cc)
(c — x)
... = 0 .
0
Die Auflösung der Klammern in den letzten zwei Gleichungen ergibt:
a c, - f b c„ - f c c,„
4
- . . . — x {c, -I- c„ -\- c,„
4
- ...) —
0
und
a
b -\- c
. — n x — 0.
Aus diesen zwei Gleichungen folgt:
x
=
a c, 4 - b c„ -f- c c,„ 4 - . . .
c, 4 - e„ 4 - c,n 4 - • •
und
a
4- &4- c 4*
n
Sollen beide Gleichungen bestehen, so muss
Cf —= c,f = cfn = . . .
sein, denn man hat für diesen Fall
(et 4 - & - f c 4 - . . . ) c,
nc,
und
a 4- b
4
- c 4~ •
n
Wir setzen in der Folge für c, = c„ = c„, — . . . = k. Aus der all­
gemeinen Form von k folgt:
dlogw
k = -ji2
d log w — J k d / t
und durch Integration :
log w — k j / Z d A
oder
log w — % k A* -f- log C
wobei C die Integrationsconstante bedeutet. Drückt man auch
rithmisch aus, so geht obige Gleichung in folgende über:
loga-
w — C e~ i k
Um die Integrationsconstante zu eruiren, berücksichtige man, dass, je
grösser der Fehler, desto kleiner die Wahrscheinlichkeit seines Vorkommens
447
ist, dass daher Je negativ ist, weshalb wir auch die Bezeichnung — h 2 an­
statt Je einführen.
Wir haben dann:
w — C e-fc‘A!
und durch Einsetzung dieses Werthes in das bestimmte Integrale
+ ®
J
wdJ
folgt:
Es ist aber:
+ °°
L -A -
*) Das Integrale I = J e —“ 2 d x ist ein umgeformtes Eu l e r i s c h e s l ut e0
gr al e erster Classe, daher eine Ga mma - F u n c t i o n . Setzt man in I, y für x, so ist:
CO
co
P — j e ~ d x J e ~ y dy
O
0
= / d y $ e ~ x~~y2dx.
O
0
Setzt man y = xt, so ist dy = x d t und für y = 0 ist t — 0 , für y = oo ist
t = co. Die Grenzen der Integration bleiben daher dieselben, und man h at:
P = f d t $ e ~ xH1 + ti)xdxEs ist aber:
( eas dz =
eat
a
Setzt man in / e —xi (l + *2) x d x , für — x 2 — z und 1 + t* = a, so ist:
und daher:
J e ~ x***+ *') x d x = £ j eaz d z = 4
ji e - * ' » + p' x d x .
e -
I ’ |1
+
‘’1
und
+
d
_J-----
je
x a x — 2 (i_j_^)Setzt man den Werth dieses Integrales in P ein, so erhält man:
«
P = J dt
i
(i_)_
2
— \ iflTC tg co — arc tg 0)
und
woraus
T —
und
V
71
2
ao
J
e~
* 2
d x = Y7t.
2
x d x — dz
448
Daher
o y«_,
h
oder endlich
c
7
1
Vn
Man hat somit als Ausdruck der Wahrscheinlichkeit für das Vorkommen
des Fehlers A
h —ir- a 5
w ==
e
^ •
] / JC
Sind n Beobachtungen ausgefiihrt worden, deren Güte und Verlässlichkeit
immer gleich war, so ist die Wahrscheinlichkeit des Zusammentreffens der
Fehler d , J n d , „ . . . etc.
W — w ,.w ,r. w,„ . . .
Setzt man die einzelnen Werthe von w, w„ w „ , . . . etc. ein, so er­
hält man
W _
/
ll \ ne-W [Ar + A, , 5 + A,„s +••••]
VV it)
W ir suchen jene Wahrscheinlichkeit, welche unter allen Umständen die
grösste ist. Bezeichnet man die Summe der Fehlerquadrate
^ „ 2 4" ^ , „ 2 4 " . • •
mit [z/
so ist
oder
W =
'
7‘
= (£ )
[AA]'
W erreicht seinen Maximalwerth, wenn [ A 4 ] ein Minimum ist. Hat
man daher aus den Beobachtungen a , b , c . . . den wahrscheinlichsten Werth x
zu finden, so wird jener Werth der wahrscheinlichste sein, für welchen
{a — # ) 2 -f- (b — # ) 2
(c — # ) 2
[z/z/] = Minimum
wird. Für
ein Minimum, muss der erste Differential quotient von [^/^/]
in Bezug auf x Null sein, daher
{a — x) -f- (& — x)
4
- (c — x)
4
~ .. •
=
0
woraus folgt
x —
a ~4~ 5 ~
+
•••
n
E s is t also j e n e r W e r t h der U n b e k a n n t e n der r i c h t i g s t e ,
für we lc he n die Summe der ü b r i g b l e i b e n d e n F e h l e r ein Mi ­
n i m u m wi r d. Daraus folgt, dass wenn eine Grösse mehrmals gemessen
Ebenso ist, wenn man für x beliebige andere Werthe, daher auch x — d setzt,
dieses Integrale immer Y n , daher auch:
.+ »
J e ~ ^ dJ — Vn
— CO
wie oben angegeben wurde.
449
wurde, der wahrscheinlichste Werth derselben das arithmetische Mittel ist.
Wir sind so durch eine Reihe von Kettenschlüssen zu jenem Satz zurück­
gekommen, welchen wir unserer Herleitung zu Grunde legten. Es ist dies der
von G a u s s in der T lieo ria m o tu s c o rp o ru m co ele stiu m beobachtete Vorgang.
E n c k e wies im astronomischen Jahrbuch 1834 nach, dass nur das arithmetische
Mittel zweier Messungen der wahrscheinlichste Werth der Grösse sei, während
G a u s s schon in der T h e o ria co m b in a tio n is o b serva tio n u m e rro rib u s m in im is
obnoxie 1823 jeden Beweis für die Richtigkeit der Voraussetzung für ent­
behrlich erklärte, indem dieselbe s c h o n i n s i c h b e g r ü n d e t sei*).
2.
Ma s s der G e n a u i g k e i t und w a h r s c h e i n l i c h e r Fe hl e r .
Wir hätten jetzt den Begriff der Constante h noch näher zu erläutern.
Die zufälligen Beobachtungsfehler sind innerhalb gewisser Grenzen eingeschlossen,
und nehmen wir — a und -}- a als solche an, so ist die Wahrscheinlichkeit
dieser Voraussetzung
VnJ
—a
Ist für ein anderes System von Beobachtungen die Wahrscheinlichkeit
h4
y 7t
eines Fehlers / I durch — — e~h ' A2 ausgedrückt, so ist die Wahrscheinlichkeit,
dass der Fehler in den Grenzen — a 4 und -f- a4 liege
+«'
VxJ
— a‘
Durch eine kleine Umformung lassen sich aber diese beiden Integrale
wie folgt ausdrücken**):
“I*lld
"TT
f e ~ x* dx
VnJ
— ha
und
h‘ a‘
1 7 — fe—
VnJ
-
dx.
h‘ a‘
Beide Integrale werden einander gleich, wenn die Grenzen gleich sind,
d. h. für h a = li‘ a4. Ist also h — n h 4, so ist einleuchtend, dass bei der
zweiten Beobachtung ein n mal so grosser Fehler ebenso wahrscheinlich ist,
als ein einfacher bei der ersten. Aus diesem Grunde bezeichnete G a u s s die
Constante h mit dem Namen M a s s d e r G e n a u i g k e i t . Wenn also auch
nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeitstheorie die Grenzen der verschiedenen
Fehler immer zwischen Null und unendlich sind, so ist doch die Sicherheit
$
*) Vergleiche Hagen: „W ahrscheinlichkeits-Theorie“. S eite38.
**) Man vollzieht diese Umformung, wenn man h d — x setzt.
Es ist dann:
h7d ' = X*, h d d = d x oder d J =
d x. W eil ferner die Grenzen — a und + a
’
h
für d gelten, sind die neuen Grenzen — h a und + ha.
2d
450
verschiedener Beobachtungsarten, je nach der Gattung der angewandten In ­
strumente, des'Zustandes der Atmosphäre, der Güte des Sehvermögens etc.
auch verschieden. Die Constante h gibt eben ein charakteristisches Merkmal
für den Grad der Genauigkeit. Anstatt des Masses der Genauigkeit führt man
gewöhnlich einen neuen Begriff ein, und zwar den d e s w a h r s c h e i n l i c h e n
Fe h l e r s . De r w a h r s c h e i n l i c h e F e h l e r b e z e i c h n e t j e n e Grenze,
von d e r es e b e n s o w a h r s c h e i n l i c h i s t , d a s s si e ü b e r s c h r i t t e n , a l s
d a s s s i e n i c h t e r r e i c h t wi r d . Um sich einen besseren Begriff des wahr­
scheinlichen Fehlers zu machen, stelle man sich vor, man habe eine Reihe
aller Fehler, die ihrer absoluten Grösse nach geordnet sind, und von denen
jeder so oft hingeschrieben ist, als er vorkommt; es ist dann der wahrschein­
liche Fehler derjenige, welcher genau in der Mitte der Reihe liegt. L a p ­
l a c e nannte diesen Fehler d e n m i t t l e r e n zu b e f ü r c h t e n d e n F e h l e r
{erreur moyenne ä craindre).
Allgemein ist
j/w
dx —
j> W d.
2
— b
folglich haben wir
+
_h
-
Vn
a
=
j
2 J -
V nJ
(e -W
d j.
Setzen wir für a den wahrscheinlichen Fehler r und bezeichnen seine
Wahrscheinlichkeit mit W, so ist
r
ä®A' 2 d A
( e—
~ h^
w = ^ ~
V n J
oder bei Anwendung der früheren Umformung dieses Integrals
hr
W — ~
fe“
*2
V n J
0
dx.
Die Auflösung dieses Integrals*) ergibt für h r — 0*476936:
W = i .
Nachdem der Fehler r ebensowohl erreicht werden kann als nicht, so muss
hr
2
C
das Integrale ~yr^t J e~ x2 ^ x ^ esen Werth, nämlich ^ haben, daher die An­
nahme
h r — 0 -4 7 6 9 3 6
die einzig richtige ist.
*) Zur Auflösung dieses Integrals hat man Tafeln für die verschiedenen Werthe
von r h . So lange r h klein ist, hat man nämlich:
r/t
/■
e~* d c c = r h - f ! L + i
3
™
6
1
LZ151+...
2*3
7
451
Wir haben somit als Ausdruck des wahrscheinlichen Fehlers
0-476936
J ~
h
3.
V e r w e n d u n g der W a l i r s c h e i n l i c h k e i t s - T h e o r i e in der Pr a x i s .
Zur Bestimmung des wahrscheinlichen Fehlers aus gemachten Beobach­
tungen ist die Kenntniss des Masses der Genauigkeit nothwendig. Aus
/
7? \ n
folgt als Bedingung des Maximums
n =
2
7j2 [> /z /] *)
woraus man
V
h |/2
erhält.
Den rechten Theil der Gleichung, nämlich
V/ j-yiJr
1
- nennt man
den m i t t l e r e n F e h l e r der Beobachtung. Setzt man für denselben E , so ist
1
h y
= E
2
worausv
,
1
n = —7——
1 /2 E
und
r — 0 -47694. ] / 2 E
oder
r = 0 • 674489 E.
Zu unserer späteren Untersuchung ist es nöthig, den wahrscheinlichen
Fehler irgend einer Function verschiedener Grössen zu ermitteln, in welcher
man den wahrscheinlichen Fehler der einzelnen Factoren kennt. Es sei z. B.
allgemein
y = F ( x , u , z . . .)•
Die wahrscheinlichen Fehler von x, u } z . . . seien bekannt und man
sucht den wahrscheinlichen Fehler von y. Die Differentiation obiger Gleichung
ergibt
d y = f d x - \ - f r d u - \ ~ f rrd g - \ - . . . .
Da die Zähler der Glieder immer nur im Verkältniss von r 2 h 2 zunehmen, während
der Nenner fortwährend wächst, ist die Reihe convergent, sobald r h klein ist. Diese
Integrationstafel findet man in Kr a m p ’s A nalyse des refractions, im B erlin er astron.
Jahrb. fü r 1834, in der von L a is bearbeiteten Wahrscheinlichkeitsrechnung von
Dr. S a w it s c h etc.
'*) Es muss nämlich der erste Differentialquotient Null sein, daher:
U - Y
n h " - 1 e - »’ IAA! _
oder : (> ^ 7r) ^ U
1e
h'
IAA] 3Ä
jj =
0
= 0,
, daher: n — 2 h [zMj =
29*
0
.
452
wo f, fn f,,, die jeweiligen Differentialquotienten bezeichnen. Ist d x der
Fehler der Grösse x, so geht obige Function in folgende über
F (x
d x, u, z . . . )
und die Wahrscheinlichkeit, dass ein Fehler dieser Grösse eintritt, ist
h
e— h ' f f d x y
l/i®
Für den Fehler d u hätte man
Für das Zusammentreffen aller Aenderungen d x , d u
die Aenderung von y in y -\- d y ist:
yp — (
A* t/2 dx' +
also auch für
*“* + /,<2 de~ + ' ' ']
\ V 1t/
Die Wahrscheinlichkeit der Aenderung von y in y -f- d y ist auch durch den
Ausdruck
gegeben. Setzt man anstatt d x , d u , d z . . . die bekannten wahrscheinlichen
Fehler co ( x ) , co ( u ) , co (z), . . . , so ersieht man aus den letzten zwei Glei­
chungen, dass, weil die Beziehung
dy* = f* d x* -I- f * d u * + f„ *ds9
-f- 2 f f , d x d u + . . .*)
stattfindet, man daraus jene andere erhält
® (y) = V f * a
+ f f co O )2 + f „ 2 03 (z f 4 - . . .
M an k a n n d u r c h den v o r s t e h e n d e n A u s d r u c k d e n w a h r ­
s c h e i n l i c h e n F e h l e r e i n e s P r o d u c t es o d e r e i n e r S u mme von
G l i e d e r n f i n d e n , w e n n ma n di e w a h r s c h e i n l i c h e n F e h l e r d e r
F a c t o r e n , b ez ie h u n g s we is e der S umma nde n kennt.
co (y) — V w2 co ( # ) 2 4 ~ s * 03 (w2)*
Ist einer der Factoren constant, so ist aus
x — Cy,
weil
dy
co (x) = Gco (y).
*) Diese Grössen werden als unbedeutend unberücksichtigt gelassen.
453
Sucht man den wahrscheinlichen Fehler einer Summe, so hat man aus
y = x + 0 4 - ...
&{y) = \ / r ca { x f 4 co (^)2 4 - . . .
Aus diesen beiden Sätzen folgt die A rt, d e n w a h r s c h e i n l i c h e n
F e h l e r des a r i t h m e t i s c h e n M i t t e l s
von n G r ö s s e n
zu f i n d e n ,
der en w a h r s c h e i n l i c h e n F e h l e r mankennt.
Ist
x —
a 4" b 4" c 4* d 4" • . .
—
--------------!----------1---
5
n
so hat man nach dem Vorhergesagten
v
(o{x) — V a M ! i E 03 ( &) 2 4- a ^ + • • •,
n
Ist der wahrscheinliche Fehler jeder Beobachtung gleich gross und bezeichnet
man denselben mit E „ so ist:
, s
] / n .E ?
a(x) = L
—,
n
woraus
G) (x) — J J - .
y n
Hat man aus n Beobachtungen das Mittel genommen, so ist dieses
Resultat noch immer nicht der wahre gesuchte Werth irgend einer Grösse,
sondern nur der wahrscheinlichste Werth. Zwischen dem wahren und dem wahr­
scheinlichsten W erth wird es noch immer eine gewisse, wenn auch kleine Diffe­
renz geben, die wir mit q bezeichnen wollen. Ist x das Mittel einer Reihe
von Beobachtungen a, b, c, cl und bildet man die übrigbleibenden Fehler,
so hat man
BeobachAbweichungen
tungen. Uebrigbleib. Fehl.
vom wahren Werth.
a
b
c
a — x — A
A 4~ P — ^
b — x — A ........... A, -}- q = d,
c — x = A „
A „ + q — d,r
Mittel . . x.
Quadrirt man die Gleichungen
J
+ Q = S
q — d,
Q = $„
A, 4so erhält man:
A 3 4- p2 4- 2 A Q = d2
4 " P3
q =
d?
oder wenn man alle diese Gleichungen addirt:
[A. A] 4-
uq *
4 2q [A] = [ S. d l
454
Und weil die Summe der übrigbleibenden Fehler Null sein muss:
[ z /.z /] + n Q* = [đ đ ].
Bedeutet E den mittleren Fehler einer Beobachtung, so ist n E '1 =
und daher:
[z /z /] + u q * = » E 3.
[dd]
Man wird sich der Wahrheit am meisten nähern, wenn man für q den mittleren
Fehler von x setzt. Der wahrscheinliche Fehler des arithmetischen Mittels,
wenn die Güte der einzelnen Beobachtungen immer gleich war, ist:
E
05 (x) — — .
n
E
Setzt man also nahezu o = 7 7 - , so erhält man
Vn
A z /'
E =
V
.
n — 1
für den mittleren Werth einer Beobachtung, und für den wahrscheinlichen
______
W erth:
' A 4
r — 0*674489
%•— 1
Der mittlere Fehler des arithmetischen Mittels ist
4 - E
Vn
und der wahrscheinliche Fehler des Mittels
0 -674489 ~
y n
E.
Hat man mehrere Gleichungen mit mehr als einer Unbekannten, wobei
die Zahl der Gleichungen grösser sein muss als jene der Unbekannten, so
lassen sich letztere nach der Wahrscheinlichkeitstheorie ermitteln. Es sei die
Beziehung zwischen den Unbekannten x, y, z . . durch die Gleichung
ax
by -}- cs
.... = A
gegeben. Bestimmt man den Werth von A durch mehrere Beobachtungen,
welche die W erthe A A , A n . . . etc. ergeben, so erhält man die Gleichungen
a x -\- b y -f- c s - f - .............— A
a x , 4 - b y , 4 - ce, + .............— A ,
ax„ - f by,, Hr
+ ............. = A„
etc.
Es handelt sich um die Bestimmung der wahrscheinlichsten Werthe der Constanten a, b, c . . . Nach den besprochenen allgemeinen Grundsätzen wissen
w ir, dass die Summe der Quadrate der übrigbleibenden Fehler ein Minimum
sein muss. Sind B B, B t, die nach der Substitution der wahrscheinlichsten
Werthe erhaltenen Beträge von A A , A„ so muss folgende Gleichung be­
stehen
(B — A ) s -f- (-B/ —
^
) 2
+ (ß „ — A „ Y
. •. = Minimum.
455
Die Bedingungsgleichung hiefür ist
4
f a + <B >-
*> ^
^
+
■' • =
Setzt man die Werthe von B B, B„ . . . ein und berücksichtigt man, dass:
dB
xda
x
da
da
dB
y .d b
= y etc.
db
db
ist, so erhält man folgende Gleichungen:
(a x -j- by -f- c z +■ . . — Ä) x -J- (a x ,
( a x -f- b y -\- c z
(a x -\- by
by,
. . — A) y -{- {ax, -|- by, -j-
cz. — A) z
{ax, -f- by, -}- cz,
cz,
. — A,) x, -f* . . .
= 0
cz, -}- . . — A t) y, -{- . . .
= 0
-f- . . — A,) z,
.
= 0.
Constanten a, b, c, so er­
[cc2] für sc2 + sc, 2 -j- sc, , 2
Ordnet man diese Gleichungen, nach den gesuchten
hält man, bei Einführung der üblichen Bezeichnung
-j- . . etc.:
a [sc2 ]
b \ x y \ -j- c [scz] + . . — A [sc] — 0
a [xtj] + & Cž/ 2 ] + c \ z y \ 4 - • • “ A iy\ = 0
a [xz] -)- b [;ijz~\-j- c [ > 2 ] -j- • • — A [#} = 0
etc.
Man nennt diese Gleichungen die B e d i n g u n g s g l e i c h u n g e n , zum Unter­
schiede von den u r s p r ü n g l i c h e n G l e i c h u n g e n , welch’ letztere jene von
der Form
A = a x 4 - by -f- c z -f- . . . .
sind. An Bedingungsgleichungen bestehen, wie einleuchtend, ebensoviele als man
Unbekannte sucht. Löst man daher die Bedingungsgleichungen auf, so erhält
man die wahrscheinlichsten Werthe von a , b, c . . . Um die Bedingungs­
gleichungen auf eine einfache Art zu erhalten, multiplicirt man jede ursprüng­
liche Gleichung mit jedem in ihr vorkommenden Factor aller gesuchten Un­
bekannten und addirt die jedesmaligen neuen Gleichungen. Ein Beispiel wird
diesen Vorgang klarer darlegen. Man hätte die Gleichungen:
0 *4 = 2 a 4~ 3 b
c
0 ‘ 6 == 2 a 4 - 4 b 4 “ 2 c
0 ’5
a 4" ^ b 4" c
0*2 =
a -j- b -j- 5 c
0 *1 ==
a 4 ” 3 b 4 " 6 c . . . etc.
Multiplicirt man jede Gleichung mit dem Factor von a ,
sogenannten Normalgleichungen:
0 * 8 =
4 a 4- 6&-j-2c
1 ‘2 = 4 a -j- 8 & -f- 4 c
0 *5 == a 4~ ^ b -j— ^
0 •2 =
ß - f & 4 “ 5c
0 *1
a 4 - 3 b 4 - 6 c.
so erhält man die
456
Und durch Addition:
I. Bedingungsgleichung:
1 * 8 =
1 1 « 4 - 216 4 - 18c.
Ebenso werden die zwei anderen gebildet, indem man zuerst mit den Factoren
von b, dann mit jenen von c multiplicirt und die Normalgleichungen addirt.
Tritt die Unbekannte nicht als einfacher Factor auf, so hängt die Art
des Vorganges von der Beschaffenheit der ursprünglichen Gleichungen ab.
Wir wollen hier einige Fälle anführen.
Kommt die Unbekannte in verschiedenen Potenzen vor, so führt man
Näherungswerthe ein und sieht die Verbesserung derselben als die Unbekannte
an. In der Gleichung
«) y — a x n
bx
cs
setzte man x = X
A x ; X ist der Näherungswerth, d x fungirt dann als
Unbekannte. X muss auf alle Fälle so gewählt werden, dass die Verbesserung
A x so klein als möglich ausfalle, um die höheren Potenzen davon vernach­
lässigen zu können. Erhebt man X
A x zur wten Potenz, so erhält man
bei Ausserachtlassung der Glieder höherer Ordnung von A x \
x n — X n 4 n X n ~ 2A x
und durch Einsetzung dieses Werthes in Gleichung a)
y — aXn 4 anXn ~ 1A x 4
b A x — cs
oder
y — a X n — b X = A x (a n X n ~ 1
b) -j- cs,
wodurch man es dazu gebracht h a t, dass die Unbekannte A x
Factor auftritt.
als einfacher
Ist die Unbekannte ein Exponent, so kann man ebenso Näherungswerthe
einführen, oder aber kann die Umformung durch Logarithmirung vorgenommen
werden.
Aus der Gleichung
y = x.a*
erhält man
log y — log x
4
s log a.
In der Gleichung
y — xa?
bu
würde die Einführung von N äherungsw erten bequemer sein. Setzt man
s — Z -j- A s und verwandelt man az + A« in eine Reihe, so erhält man
bei Ausserachtlassung der Glieder höherer Ordnung von A s :
az + a * — az ( 1 4 - d s logn a)
und durch Einführung dieses W erthes:
y = a z x ( 1 4 " d s logn ci) -\- b u
oder durch Umformung:
y — az x 4 d s . a z x logn a 4 " &«•
4.
Ueber Gewicht und P r ä c i s i o n der B eo ba ch tu ng en .
Ueber die Güte der, aus einer Serie von Beobachtungen gezogenen Resultate
urtheilt man durch Vergleichung derselben mit den Beobachtungen bekannter
457
Genauigkeit. Ist f der wahrscheinliche Fehler einer Normalbeobachtung, dessen
Grad der Genauigkeit als Einheit angenommen wird, und f der wahrscheinliche
Fehler einer zweiten Beobachtung mit der Genauigkeit G-, so kann man fol­
gende Proportion aufstellen
F : f = l : G ,
d. h. man kann annehmen, dass Genauigkeit und wahrscheinlicher Fehler ver­
kehrt proportionirt sind.
U n t e r G e w i c h t e i n e r B e o b a c h t u n g v e r s t e h t ma n d i e A n z a h l
g l e i c h g u t e r B e o b a c h t u n g e n , di e e r f o r d e r l i c h w ä r e n , um a u s
dem a r i t h m e t i s c h e n Mittel de rselben eine gleiche Genauig­
k e i t w i e b e i e i n e r a n d e r e n B e o b a c h t u n g zu e r h a l t e n . Ist r der
wahrscheinliche Fehler des Resultates n mit dem Gewichte 1, r ‘ der wahr­
scheinliche Fehler des Resultates n* mit dem Gewichte hJ, so haben wir:
1 : Ji, — r , : r
und :
Ist r, — ^ r,
diesem Falledoppelt
so i s t : h, — 2 h, d. h. die zweite Bestimmung wäre in
so grossals die erste.
Man habe s Beobachtungen, deren mittlerer Fehler m ist, und p andere
Beobachtungen mit dem mittleren Fehler Je. Sollen die mittleren Fehler dieser
Beobachtungen gleich sein, so muss folgende Relation stattfinden:
7c
woraus folgt:
V
p
m
V
s
£ 2 . s
^
m2
Um also aus der zweiten Beobachtung einen gleich grossen Fehler wie
bei der ersten zu erhalten, müssen p Beobachtungen ausgeführt werden, d. h.
p i s t d a s G e w i c h t der zweiten Beobachtung. Das Gewicht steht somit im
geraden Yerhältniss zur Anzahl der Beobachtungen, im umgekehrten jedoch
zum Quadrate des mittleren Fehlers.
Weil —— der mittlere Fehler des Re-
Vs
sultates ist, so muss das Gewicht eines Resultates dem Quadrate seines Fehlers
umgekehrt proportional sein; und weil die Genauigkeit um so geringer wird,
je grösser der Fehler ist, sind die Gewichte directe mit dem Quadrate des
Masses der Genauigkeit proportionirt.
Angenommen wir hätten n Beobachtungen, und das Gewicht einer Beobach­
tung mit dem wahrscheinlichen Fehler 1 sei 1. Bei der ersten Beobachtung sei
die gesuchte Grösse x — n gefunden worden, mit dem wahrscheinlichen Fehler r.
Das Gewicht dieser Bestimmung ist alsdann p —
achtung sei x = n \
1
Bei der zweiten Beob­
mit dem wahrscheinlichen Fehler r, und dem Gewicht
458
Den wahrscheinlichen Werth von X erhält man aus
X =
np + ^ ^ + n » P" + • • :
v 4 - p , + Pt, 4 - . . .
und das Gewicht von X ist:
P = V + P, 4 P „ - f • • •
Der wahrscheinliche Fehler von X ist:
R = i7 ~ Vp
Benutzt man unmittelbar den wahrscheinlichen Fehler der einzelnen
Beobachtungen, so i s t :
1 i
1i
1
n TT + nt ITä +
7
7/
'ST ____
r2
r,2
7
7
^ + • • •
ff
_____
r ,,2
oder allgemein:
X —
[-■
f
]
[f]
Dann ist das Gewicht von X
und der wahrscheinliche Fehler:
M £l
B = !/[» •“].
Sind die Resultate verschiedener Beobachtungsweisen zu verbinden und
zu berechnen, hat man z. B .:
x — n aus m Beobachtungen
x — n, „ m,
x ——
„
j etc.
so ist:
A
m n -J- m, n, -fnn 4 . . .
---------------------------------------------m
4 mt 4 m „ 4* • • •
indem m m, m„ . . .etc. die Gewichte der Grössen n n, n „ . . bedeuten. Es ist
danni
X — n — A
X — n, — A ,
X
nu — A „
j etc.
Der mittlere Fehler einer Bestimmung mit dem Gewichte 1 i s t :
E = \/r
v
(m)
(m ) —
der mittlere Fehler des arithmetischen Mittels:
1
459
] / (m )
der wahrscheinliche Fehler einer Beobachtung:
r == 0*6745 E.
und der wahrscheinliche Fehler des arithmetischen Mittels:
R = —
r
1 / (m)
.
Sind li h, h „ die Genauigkeiten der einzelnen Bestimmungen, so ist:
Y
~h • • •
~
Ä2 + Ti? + A„» + . . .
Es wird wohl selten möglich sein, die Werthe li h, h „ . . . auch nur
annähernd zu bestimmen, sobald man gleichartige Beobachtungen ausgeführt
hat. Sind die in Rechnung zu bringenden Grössen das Ergebniss verschie­
dener Beobachtungs-Gruppen, so ist die Angabe des Gewichtes natürlich er­
leichtert. Ebenso wenn die einzelnen Daten Rechnungsresultate sind. In den mei­
sten Fällen aber ist die Bestimmung der Gewichte Sache der Erfahrung. Einen
Fall glauben wir hier besonders erwähnen zu sollen, nämlich den, wenn zur
Ausführung der Beobachtungen verschiedenartige Instrumente verwendet wurden.
In diesem Falle kann eine genaue Kenntniss des Instrumentes sehr nutzbrin­
gend sein. Beobachtet man z. B. mit Instrumenten, deren Theilung verschieden
ist, so kann man annehmen, dass die Genauigkeit der Ablesungen im umge­
kehrten quadratischen Verhältnisse zur Grösse der Theilstriche steht, d. h. ist
das eine bis aüf 2 0 ", das andere bis auf 1 0 " getheilt, so verhalten sich die
Genauigkeiten der Ablösungen wie 1 zu 4.
5. U e b e r H e r l e i t u n g des G e s e t z e s e i n e r E r s c h e i n u n g
gemachten Beobachtungen.
aus
Wie in der Einleitung bemerkt wurde , sucht man oft aus gemachten
Beobachtungen, gesammelten Erfahrungen etc. die Gesetze herzuleiten, durch
welche die Erscheinungen bedingt werden. Gesetze aber, welche aus Erfah­
rungen und Beobachtungen hergeleitet werden, haben nur innerhalb gewisser
Grenzen Giltigkeit, d. h. bei dem heutigen Stande der Wissenschaften hat
man es noch nicht dazu gebracht, diese Gesetze über jene Grenzen hinaus
auszudehnen.
Der bei solchen Bestimmungen zu beobachtende Vorgang ist in den ver­
schiedenen Fällen sehr verschieden, die Aufstellung der ursprünglichen Glei­
chungen meistens Sache des Scharfsinnes und wir können nur einige allge­
meine Regeln aufstellen. Im zweiten Theile unserer Aufgabe werden wir dann
auf die praktische Anwendung ausführlicher zu sprechen kommen.
Im Allgemeinen sucht man Beziehungen zwischen gewissen Unbekannten
durch Gleichungen auszudrücken. Ist die Aenderung des Chronometerganges
die Folge der TemperatursVeränderungen , so findet irgend eine Beziehung
zwischen diesen zwei Grössen statt, u. z. allgemein:
d g — f ( 4 t).
460
Stellt man für f ( A t) irgend eine Gleichung auf, vermuthet man z. B.
dass die Aenderung des Ganges irgend einer Potenz der Temperatursänderung
proportionirt sein wird, so ist:
A g — A tn
und es ist dann n die zu suchende Constante.
Aus vielen Beobachtungen kennt man für verschiedene Werthe von A t
die verschiedenen A g. Setzt man alle diese Werthe ein, so kann n aus den
erhaltenen x Gleichungen nach der Wahrscheinlichkeitstheorie bestimmt werden.
Setzt man in den ursprünglichen Gleichungen den gefundenen Werth von n
e i n, so werden die beobachteten und die so berechneten A g von einander
um mehr oder weniger abweichen, und aus der Grösse der übrigbleibenden
F ehler, aus ihrem Zeichen , aus der relativen Grösse zu einander etc. kann
man dann schliessen, ob die angenommene Form der f ( A t) haltbar oder zu
verwerfen ist, in welch’ letzterem Falle der Vorgang mit einer neu anzuneh­
menden Gleichung wiederholt wird.
(Schluss folgt.)
Schiessversuche bei Meppen mit 3 5 '5 -, 30 5 -, 2 8 - und I5%> Krupp­
schen Ringkanonen.
Wir entnehmen dem, von der Firma Krupp in Druck gelegten Berichte:
r>Schiessversuche der Friedrich Krupp’schen Gusstahlfabrik auf dem Schiess­
platz bei Meppen am 2. und 3. Juli 1878« nachstehenden Auszug.
A. Versuchsmateriale.
Die E o h r e waren mit dem Eundkeil versehene Krupp’sche Ringkanonen.
Ihre Bohrungsconstruction entsprach den neuesten Erfahrungen und war für
Kupferführung angeordnet. Der Zündcanal ging in der Kichtung der Seellinie
durch den Verschlusskeil und war mit dem Kugel ventile versehen. Jeder
Theilstrich des Aufsatzes — kurzweg »Strich« genannt — betrug Viooo ^er
Länge der Visirlinie. Der Aufsatz in Strich ist somit die tausendfache Tan­
gente des Elevationswinkels.
Die L a f f e t i r u n g e n der 3 5 '5 -, 30*5- und 28% i-Eohre waren K ü s t e n l a f f e t e n m i t h y d r a u l i s c h e r B r e m s e . Zum Backsen dienten Kettenwinden,
zum Heben der Geschosse ein am Schlitten angebrachter Krahn. Am Eaperte
befand sich die bekannte Zahnbogenrichtmaschine.
Die 15% »-Kanone lag in einer S c h i f f s l a f f e t e m i t L a m e l l e n B r e ms e .
Die M u n i t i o n umfasste 2 * 8 Kaliber lange blindadjustirte Hart- und
Zündergranaten mit Kupferführung, Kardusen mit prismatischen und mit PebblePulver und Brandei.
Die G e s c h o s s e waren vorne mit dem Centrirungs-, rückwärts mit dem
Führungsbande versehen.
Das P u l v e r der drei grösseren Kaliber war eincanaliges, prismatisches
Pulver (P.P .) von der Dichte 1 ‘75; jenes der 1 5 % -Kanone siebencanaliges
prismatisches Pulver (p.P.) von der Dichte 1 ‘64, ferner 1 3— 1 6 englisches
Pebble-Pulver (p. p.).
Die wichtigsten Daten über das Versuchsmateriale, sowie über die Spreng­
ladungen der Projectile und über jene Normalgeschosse, welche beim Versuche
nicht zur Verwendung kamen, sind aus der nachstehenden Tabelle zu ersehen.
461
Lange Lange Kurze
35-5
30-5
28
Lange
15
% -ß in g k a n o n e
B e n e n n u n g
K ü s t e nL a
Kaliber................................................................ rm\m
R ohrlänge.......................................................... „
Seelenlänge........................................................ „
Rohrgewicht (mit Verschluss)............... Kilogr.
„
Hintergewicht.............................................
Parallelzüge.......... ......................................... Zahl
Felderbreite........ ............................... .............mL
D rall...........................................................................
Drallänge............................................................mj
Lagerhöhe der Laffete..................................... mfm
Grösste E levation ......................................... Grad
„
D epression......................... ........... „
Gewicht der Laffetirung........................... Kilogr.
„
„
adjustirten Stahlgranate . „
„
„
zugehörigen Sprengladung
„
„
adjustirten Hartgranate .. „
„
„
zugehörigen Sprengladung „
„
„
adjustirten Zündergranate „
„
„
zugehörigen Sprengladung „
»
„
Geschützladung...................
„
f
M a r in e -
f
e
355
305
280
8880
7650
6100
7740 6720
5262
52000 38700 27500
0
0
0
80
68
64
4-5
45
4-5
c 0 n s t a i11 .
16
13-725
12-6
2670
18
2380
18
2465
24
6
6
32750 20950
525
333
12-6
8-4
525
333
7
4-5
444
282
234
14-8
P. P.
115
72
in
6
t
e
149-1
3850
3430
4000
85
36
3-5
progressiv,
f Enddrall
\
6*71
965
15
6
13800
255
6-5
255
3-5
215-5
11-5
1930
38-5
0-95
39
0 ’5
31-5
2-33
55
8-5p.P. a.9‘5p.p.
B. A usführung cler Versuche.
1. L a n g e
3 5 ‘5fm - K a n o n e .
Es wurden Hartgranaten auf 2000 und 4000 *7 Distanz, und Zünder­
granaten auf 9500 ™/ Entfernung geschossen. Die näheren Umstände des
Versuches und die ballistischen Resultate enthält der folgende summarische
Schussrapport, den wir der Baumverhältnisse wegen gleich auf den folgenden
zwei Seiten bringen. Hier werden nur einige auf Rohr, Laifete und Bedie­
nung des Geschützes Bezug habende Bemerkungen gebracht.
Das R o h r erlitt beim Versuche keine Beschädigung. Vor Beginn des
Schiessens war unter die Liderungsplatte eine zu starke Unterlagsscheibe ein­
gelegt worden, was die Bedienung des Verschlusses etwas erschwerte. Das
K u g e l v e n t i l befriedigte nicht vollkommen, es war nämlich nach Abgabe
26 scharfer Schüsse die Platinkugel etwas unrund und wurde in Folge dessen
gewechselt.
Die L a f f e t e bewährte sich. Der Rücklauf bei den ersten 10 Schüssen
mit Hartgranaten betrug gleichmässig 160 % . Nach Beendigung des Versuches
wurde die Laffetirung untersucht; es war nur der Knopf des hinteren Treppen­
geländers losgegangen.
Die B e d i e n u n g des Geschützes bewirkten 17 Mann. R e c h t s waren
Nr. 1 für das rechte Richtrad, Nr. 3 zum Visiren, Nr. 5 und 7 zum Heben
des Geschosses, Nr. 9 zum Führen desselben. L i n k s befanden sich die Nr. 2,
4 , 6 , 8
und 10; Nr. 2 bediente die Richtvorrichtung und half beim Oeffnen,
462
Summarischer
über die letzten in Meppen mit KruppAnfänglich.
Verbren­
nungsraum
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223*
E r k lä r u n g e in ig e r A b k ü r z u n g e n . Die der Windrichtung beigefügte Zahl ist
Z. G. Zündergranaten.
__________________
463
Schussrapport
sehen Ringkanonen abgeführten Versuche.
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Mittlere
Streuung
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Höhen-
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A n m e r k u n g .
rH 2054 2*40 1-35 48 0-63 0-31
CD
>
9-7
Der 1. Scliuss (mit 43 Strich Aufsatz)
mirde bei Ermittlung der Treffresaltate
nicht in Rechnung gebracht.
Die Beleuchtung des Zieles änderte
sich von Schuss zu Schuss.
;
I
4041* — 3*40 78
©
* Reducirt auf den Mündangs— 0-92 17-7 horizont: 3975 /mj .
nD
C
H
©
'S
17°
7
9447
—
12-0 126 —
Beobachtete Flugzeit: 27 Se- 1
3-30 29-6 cunden.
43-5
9
vertical. Schb. 1
1
2054 2-05 0-90 38 0*41 0-18 8-2
CD
fl>
d
23-5° 9 rO 9871
W
.0
'S
4h
9921
28
33
©
CD
rfl
Ä GQ 1531
CD
ü 1533
fH
©
q >■
1543
Der 1 . Schuss (mit 43 Strich
Aufsatz) wurde bei Ermittlung
der Treffresultate nicht in Rech­
nung gebracht.
Beobacht. Flugzeit: 35 Sec.
S'S
Die mit * bezeichneten Zahlen
g -2 gehören einem früher. Versuche
fcDO
an, bei dem Vollgeschosse von
&P4 259-75Kilogr. Mittelgewicht in
•
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18-8 16-6 12 Verwendung kamen.
57 33
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U
M'S
rtDbß
C
Beobachtete F lu gzeit: 34 Se4
rC
aQrf-<
— 85 59 — 21*4 13*5 O
jJD cunden.
•2 :=ä
öS
ohne Ausreisser
Der Ausreisser jeder Serie war
1-25 1-4 36 10 *3710 *41110 *6
durch ungenügende Bremsung der
mit Ausreisser
Kichtmaschine hervorgerufen.
2 -0 1-4 89 10 *44 10 *39115 ‘ 8
Die mit * bezeichneten Zahlen
ohne Ausreisser
sind Mittel aus 10 , resp. 16 Schüs­
1' 25 1-25 31 0 -3 1 |0*33 7-0 sen eines früheren Versuches mit
Zündergranaten von 31-3 Kilogr.
mit Ausreisser
(rnwifiTif:
3•65 j1 *25111510 *6 8 10•35117 •8
die Windgeschwindigkeit per Secunde. C. bezeichnet Celsius, H. Gr. Hartgranaten,
4(54
Nr. 4 und 6 waren Verschlussmänner, Nr. 8 und 10 bedienten die Backsvor­
richtung. Die übrigen 7 Nummern besorgten die Munition, und zwar 3 Mann
die Kardusen, 4 Mann die Geschosse.
Das A n s e t z e n d e s P r o j e c t i l e s bewirkten 10 Mann. Nr. 3 und 4
führten den Ansetzer, je 4 Mann per Seite zogen ihn mittelst zweier Taue
in das Rohr. Das Ansetzen ging sehr leicht von statten, und würden statt
4 auch 3 Mann per Seite genügt haben.
Zum L a d e n gab man dem Rohre stets 3° Depression. Das Einbringen
des Geschosses wurde jedesmal durch das Einölen der Ladeschale erleichtert.
Das Heben des Projectiles erforderte 1 Minute Zeit.
Eine B a c k s u n g von 75° (37*5° hin und zurück) wurde in 90 Secunden bewirkt.
Die F e u e r g e s c h w i n d i g k e i t kann aus Nachstehendem entnommen
werden. Die 10 Hartgranaten der 1. Serie wurden in 65 Minuten verschossen,
wobei aber das Messen der Geschwindigkeiten an zwei Punkten der Bahn,
sowie das Abwarten der Signale kleine Verzögerungen verursachte. Die 10
Hartgranaten der 2. Serie wurden in 5 4 ’5 Minuten verfeuert.
2. L a n g e 3 0 ‘5 % & - K a n o n e .
Man schoss mit Hartgranaten auf 2000 <mf Distanz. Die Bedienung ging
leicht und glatt von statten, Störungen kamen nicht vor.
3. K u r z e 28 % - K a n o n e .
. Es wurden H art- und Zündergranaten auf circa lO-OOO1"/ Distanz ge­
schossen. Schon nach den ersten Schüssen wurde bemerkt, dass der Pivotbock
an verschiedenen Stellen gebrochen und der untergegossene Cement zerbröckelt
war. Nachdem die vordere Backsschiene mit dem Pivotbock ein Stück bildet,
so war das Geschütz vorne von Schuss zu Schuss anders geneigt, was sich
durch die abnorme Breitenstreuung bemerkbar machte. Der gebrochene Pivot­
bock machte es auch unmöglich, den Versuch mit der 2 8 % - Kanone fortzu­
setzen, weshalb im summarischen Schussrapporte die bei einem früheren Ver­
suche mit gleichem Geschütze und Pulverladung erhaltenen Geschossgeschwin­
digkeiten aufgenommen wurden.
4. L a n g e 1 5 l - K a n o n e .
Man schoss Zündergranaten mit 9 '5 Kilogr. Pebble - Pulver und mit
8 ' 5 Kilogr. eincanaligem prismatischen Pulver auf circa 1500 *7 Distanz.
Die beabsichtigte Messung der Geschossgeschwindigkeit an zwei Punkten
der Bahn musste unterbleiben, da am Versuchstage die Holzrahmen durch den
wiederholt gefallenen Regen ganz durchnässt und folglich die Nägel zum Um­
wickeln der Leitungsdrähte nicht mehr vollkommen isolirt waren. Es wurden
daher in den summarischen Schussrapport die bei anderen Versuchen ermit­
telten Geschossgeschwindigkeiten aufgenommen.
Die Gasspannungen wurden am 3. Juli nicht gemessen, aber anderen
Versuchen konnte in dieser Hinsicht Folgendes entnommen werden. Mit 8 '5
Kilogr. eincanaligem prismatischen Pulver und Zündergranaten von 31 "3 Kilogr.
Gewicht beträgt der mit dem Apparate von E o d m a n gemessene Bodendruck
im Mittel 2244 Atmosphären, während er bei 9 ’ 5 Kilogr. Pebble-Pulver und
3 9 ' 5 Kilogr. schweren Vollgeschossen zu 2320 Atmosphären ermittelt wurde.
465
C. Vergleiche und Folgerungen.
In der nachstehenden Tabelle sind die Hauptdaten der in Meppen probirten Krupp’schen Kanonen und der uugefähr gleichkaliberigen Kanonen an­
derer Systeme zusammengestellt.
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466
Diese Zahlen zeigen:
1. Die Geschosse der Krupp’schen Kanonen sind vergleichsweise die
schwersten; am meisten nähern sich ihnen die Projectile der englischen 80
und 38 Tonnen-Kanonen, also die der neueren englischen Modelle. Ueberhaupt
erkennt man die Absicht aller Artillerien, die Geschosse schwerer zu machen,
als früher.
Das grössere Gewicht der Krupp’schen Geschosse' ist für die Ueberwindung des Luftwiderstandes von grossem W erth, wie dies die Zahlen für das
Geschossgewicht per Quadratcentimeter Querschnitt zeigen.
2. Die Geschossgeschwindigkeit ist bei den Krupp’schen Kanonen grösser,
als bei den Kanonen der anderen Systeme. Am meisten nähert sich den ersteren
die Armstrong’sche 40 Tonnen-Kanone; doch ist bei dieser das Geschoss nur
3 -06, bei der Krupp’schen 30 • 5 % - Kanone aber 3 ‘20 Kugel schwer. Auf
gleiches Geschossgewicht reducirt, würde die Geschwindigkeit bei der Armstrong’schen Kanone nur etwa 482 mii betragen.
Die Geschwindigkeit von 500 mj bei den langen Krupp’schen Kanonen
ist keineswegs die Grenze. Die Festigkeit des Krupp’schen Kanonenstahles und
die Fortschritte in der Pulverfabrication machen es möglich, die Ladungen so
zu steigern, dass Anfangsgeschwindigkeiten von 600 m\ und mehr erreicht
werden. Doch dürfte der Gewinn nicht im Einklang mit den damit verbun­
denen Uebelständen stehen. Eine Anfangsgeschwindigkeit von 500 m1 genügt
vorläufig für alle vorhandenen Zwecke, wie der folgende Vergleich beweiset.
3. Gleichviel, ob man die lebendige Kraft der Geschosse per Centimeter
Umfang oder per Quadratcentimeter Querschnitt als Masstab für die Durch­
schlagskraft der Geschosse ansieht, in beiden Fällen leisten die Krupp’schen
Kanonen gegen Panzer mehr, als die Kanonen gleichen Kalibers anderer
Systeme.
Aus den in verschiedenen Ländern ausgeführten Schiessversuchen lässt
sich folgern, dass ein gutes Panzergeschoss so viel Decimeter Schmiedeeisen
durchschlägt, als es lebendige Kraft in Metertonnen per Quadratcentimeter
Querschnitt besitzt. Die Holzhinterlage ohne Winkeleisen leistet annähernd
% 0, mit Winkeleisen 7 1 0 des Widerstandes einer gleich starken Eisenplatte.
Bei minder guten Platten und Geschossen bester Qualität ist die Leistung bis
zu 10% grösser, umgekehrt etwas geringer.
Es würde demnach die Krupp’sche 3 5 'b°fm-Kanone in grösster Nähe
eine schmiedeiserne Platte von 6 0 — 67 % , auf 2000™/ Entfernung noch eine
solche von 4 5 — 50 % Dicke durchschlagen.
4. Die Zahlen für die lebendige Kraft des Geschosses per Kilogr. Rohr­
gewicht beweisen, dass die Ausnutzung bei den Krupp’schen Kanonen am
grössten i s t ; dann aber lässt sich an ihnen auch der allgemeine Fortschritt
der Artillerie erkennen, indem die neueren Constructionen eine bessere Aus­
nutzung des Materiales aufweisen, als die älteren.
Sc.
467
Das internationale Havarie - Brosse-Recht. — Schon seit einer Reihe
von Jahren (1860) macht sich eine Agitation zur Ausgleichung der Misstände
bemerkbar, welche in den bestehenden Verschiedenheiten bei der Havarie-Grosse
ihre Ursache haben, während doch die Beziehungen der letzteren zum See­
transport einerseits und zur Seeversicherung andererseits für den internatio­
nalen Verkehr gewiss sehr wichtig sind.
Bei der im verflossenen Jahre in Antwerpen abgehaltenen Jahresversamm­
lung des Vereines nzur Reform und Codicirung des Völkerrechtes« stand be­
kanntlich unter Anderem auch die Berathung von internationalen Normen für
ein allgemeines Havarie-Grosse-Recht neuerdings auf der Tagesordnung.
Nachdem England die grösste handeltreibende Nation repräsentirt, mussten
selbstverständlich die Anknüpfungspunkte für eine Vereinbarung in dieser An­
gelegenheit zunächst mit den Vertretern dieses Landes gesucht werden, welche
Notliwendigkeit sich noch mehr aus der Betrachtung ergab, dass gerade Eng­
land in seinen Havarie-Grosse-Anschauungen bisher einen besonderen Stand­
punkt eingenommen h a t, während die continentalen Nationen sämmtlich so ziem­
lich auf demselben Boden stehen, und nur mehr oder weniger den englischen
Anschauungen in der Sache entgegenkommen. Die letzteren machen das
n Common Safety u -Princip zu ihrem Systeme, welches die Havarie-Grosse nur
insoweit heranzieht, bis beide, Schiff und Ladung, in Sicherheit gebracht sind.
Die Grundlage der continentalen Anschauungen ist dagegen das r Common
Benefit«--Princip , welches bei der Bemessung der Havarie-Grosse auch die contractliche Verpflichtung der beiden Parteien zur Vollendung der Reise in’s
Auge fasst.
Für die Versammlung in Antwerpen war nun diese Angelegenheit von
einem eigens hiezu eingesetzten Ausschuss vorbereitet worden, und die vom
Zweigverein der Association in Bremen eingesetzte Havarie-Grosse-Commission
hat das, die Havarie-Grosse in ihrem ganzen Umfange vollständig behandelnde
deutsche Handelsgesetzbuch als Grundlage der Vereinbarung empfohlen.
Das leitende Princip aller Havarie-Grosse ist eben klar und bündig im
deutschen Handelsgesetzbuche ausgesprochen in den Worten:
7?Alle Schäden, welche dem Schiffe oder der Ladung oder beiden zum
Zwecke der Errettung aus einer gemeinsamen Gefahr von dem Schiffer oder
auf dessen Geheiss vorsätzlich zugefügt werden, sowie auch die durch solche
Massregelu ferner verursachten Schäden, ingleichen die Kosten, welche zu dem­
selben Zwecke aufgewendet werden, sind grosse Havarie. — Die grosse Havarie
wird von Schiff, Fracht und Ladung gemeinschaftlich getragen.«
In diesem Grundprincipe stimmen zwar alle continentalen Nationen über­
ein, doch wurde, um England entgegenziikommen, als Grundlage der Berathung
auf dem gedachten Congresse jene Reihe von Regeln angenommen, welche für
denselben Zweck im Jahre 1864 auf dem International - General - AverageCongress zu York in 11 Punkten abgefasst wurden, und unter dem Namen
das «Reglement von York« bekannt sind.
Der Ausschuss hat letzteres Reglement einer genauen Prüfung unter­
zogen, und Modiflcationen und Zusätze beantragt, auf welche Weise das «York
und Antwerpner Reglement« zu Stande kam, das vom Congresse mit überwie­
gender Majorität angenommen und als Grundlage für e i n , allen Seestaaten
gleichförmiges System der Havarie-Grosse vorgeschlagen wrurde.
3o*
468
Das nYork-Antwerpener Reglement« lautet in deutscher Uebersetzung:
Regel 1. S e e w u r f v on D e c k l a d u n g . Seewurf von Deckladung wird nicht
als Havarie-Grosse zugelassen.
Jeder Aufbau, welcher mit dem eigentlichen Schiffskörper nicht unmittel­
bar verbunden ist, wird zum Deck gerechnet.
2. S c h a d e n d u r c h S e e w u r f . Schaden, welcher durch das, in Folge
eines Seewurfes durch die Lucken und in anderer Weise in das Innere dos
Schiffes eindringende Wasser verursacht wird, gilt als Havarie-Grosse. Schaden,
welcher durch die anlässlich eines Seewurfes erforderliche Umstauung der
Ladung, also durch Bruch oder Reibung verursacht wurde, gilt als HavarieGrosse.
3. L ö s c h e n von F e u e r a n Bo r d . Jeder Schaden, welchen Schiff oder
Ladung, oder beide zusammen, durch Wasser oder in anderer Weise beim Lö­
schen eines an Bord ausgebrochenen Feuers erleiden, zählt als Havarie-Grosse;
jedoch wird keine Entschädigung für den Schaden geleistet, welcher durch
Wasser den in Brand gerathenen Verpackungen zugefügt wurde.
4. H i n w e g s c h a f f e n v on T r ü m m e r n . Der Verlust oder Schaden,
welcher durch das Hinwegschaffen der Trümmer von Masten, Takelwerke oder
anderen durch Seenoth hinweggerissenen Dingen verursacht wurde, wird nicht
als Havarie-Grosse gerechnet.
5. F r e i w i l l i g e S t r a n d u n g . Wenn ein Schiff absichtlich stranden
gemacht wird, weil es sinkt, oder gegen Felsen oder Riffe treibt, gilt keinerlei
an Schiff, Ladung oder Fracht durch die ersichtliche Strandung erlittener
Schaden als Havarie-Grosse.
6 . Segelpressen.
Jener Schaden, welcher dem Schiffe oder der La­
dung durch Segelpressen zugefügt wird, gilt nicht als Havarie-Grosse.
7. A u s l a g e n im Z u f l u c h t s h a f e n . Wenn ein Schiff unter solchen
Verhältnissen einen Zufluchtshafen anläuft, dass die durch dieses Anlaufen
verursachten Auslagen in die Havarie-Grosse gerechnet werden können, und
wenn das Schiff jenen Hafen mit der ursprünglichen Ladung oder mit einem
Theile derselben verlässt, so sind die Auslagen anlässlich des Auslaufens aus
jenem Hafen gleichfalls als Havarie-Grosse zulässig, und so oft die Auslagen
für die Löschung der Ladung in jeden Hafen als Havarie - Grosse gerechnet
werden können, sind auch die Auslagen für Wiederladung und Stauung der
Ladung an Bord desselben Schiffes, sowie sämmtliche Magazinsauslagen für
diese Ladung gleichfalls anrechenbar.
8 . Honorar
u n d U n t e r h a l t u n g s k o s t e n d e r B e m a n n u n g in
e i n e m Z u f l u c h t s h a f e n . Wenn ein Schiff unter den in Regel 7 angeführten
Umständen einen Zufluchtshafen angelaufen hat, so werden die Heuer und die
Unterhaltskosten für Officiere und Mannschaft von dem Zeitpunkte des Ein­
laufens in den Hafen bis zu dem Zeitpunkte, in welchem das Schiff wieder
klar zur Fortsetzung der Reise ist, in die Havarie-Grosse eingerechnet.
9. B e s c h ä d i g u n g d e r L a d u n g b e i m L ö s c h e n . Der Schaden,
welcher in einem Zufluchtshafen der Ladung beim Löschen zugefügt wird, gilt
in dem Falle nicht als Havarie-Grosse, wenn das Löschen an der Stelle und
in der Weise vor sich ging, welche für Schiffe ortsüblich sind, die nicht in
Folge von Seenoth einliefen.
469
10. W e r t h d e r B e i t r a g s l e i s t u n g . Die Beitragsleistung zur Ha­
varie-Grosse wird nach dem wirklichen Werthe der Güter in dem Zeitpunkte
der Beendigung der Gefahr berechnet, wozu noch der als Havarie-Grosse giltige
Betrag für aufgeopferte Güter hinzukömmt*, jedoch werden von der Fracht des
Schiffseigenthümers und von den ihm vorausbezahlten Passagiergeldern jene
Hafenauslagen und Mannschaftsheuern abgezogen, welche nicht ausgelegt
worden wären, wenn Schiff und Ladung im Augenblicke der Havarie - Abma­
chung gänzlich verloren gewesen wären. Ebenso werden von dem Werthe der
Güter alle späterhin durch die Geltendmachung der Havarie-Ansprüche ent­
standenen Auslagen in Abrechnung gebracht.
11. V e r l u s t an F r a c h t . Wenn ein Verlust an Ladung als HavarieGrosse angerechnet werden kann, so ist auch der dadurch etwa entstandene
Verlust an Fracht anrechenbar.
12. A n r e c h e n b a r e r W e r t h f ü r v e r l o r e n g e g a n g e n e L a d u n g .
Als der für verloren gegangene Güter zulässige Betrag gilt jener W erth, welchen
der Eigenthümer derselben erhalten hätte, wenn jene Güter nicht verloren
worden wären. —
Obwohl noch mehrere Zusatzregeln beantragt worden waren und insbe­
sondere die deutsche Commission es für durchaus erforderlich hielt, nachdem die
York-Rules gar kein allgemeines Princip anführen, wenigstens das Grundprincip
der Havarie-Grosse, auf welches sich alle einzelnen Fälle wieder zurückführen
lassen, ausdrücklich auszusprechen, und den Wortlaut des Art. 702 des deut­
schen Handelsgesetzbuches an die Spitze der Rules zu stellen, da sich keine
vollständigere und concisere Definition des Begriffes denken lässt, so wurde
doch nur die Annahme einer einzigen Zusatzregel beschlossen, welche nunmehr
Regel 12 bildet.
Dieses Reglement enthält eine Abweichung vom deutschen Handelsgesetz­
buche nur bezüglich des freiwilligen Auf-den-Strandsetzens. Die betreffende,
in Regel 5 enthaltene Bestimmung ist unverändert aus den York-Rules her­
übergenommen. Hiezu hatte der obenerwähnte Bericht der Bremer HavarieGrosse-Commission bemerkt, dass das freiwillige Auf-den-Strandsetzen im deut­
schen Handelsgesetzbuche nur dann als Havarie-Grosse betrachtet wird, wenn
die Abwendung des Unterganges oder der Nehmung damit bezweckt wird.
Regel 5 schliesst es von der Havarie - Grosse aus, wenigstens in Betreff des
ersten Punktes.
Der Congress fasste schliesslich einstimmig eine Resolution des Inhalts,
dass die Zweigvereine bei ihren Regierungen für Aufnahme der »York - Antwerpner-Regeln« in die respectiven Gesetzgebungen wirken möchten.
Aus dem Gesagten erhellt, dass Seitens des Congresses ein allgemeines,
grundlegendes Princip nicht angenommen wurde, weil die amendirten YorkerRegeln eigentlich nur eine Reihe von Grundsätzen für specielle Fälle ausspre­
chen, und in denselben die concise Definition des Grundbegriffes der HavarieGrosse nicht enthalten ist.
Bedauerlicher ist, dass auch diesmal die Vertreter des Lloyd's-Comittee
gegen die Beschlüsse der gedachten Conferenz Protest erhoben haben.
Indessen hat der deutsche Zweigverein für Reform und Codification des
Völkerrechts sich in Verfolg der Beschlüsse des Congresses zu Antwerpen an
den deutschen Reichskanzler mit der Bitte gewendet, mit den verschiedenen
470
Seestaaten und vornehmlich mit England Verhandlungen anzuknüpfen, zu dem
Zwecke, eine internationale Regelung der Havarie-Grosse — etwa im Wege
der Berufung von Sachverständigen der verschiedenen Seestaaten behufs noch­
maliger Vorprüfung und Ergänzung der angenommenen Grundsätze — herbei­
zuführen, falls eine solche in genereller Weise aber scheitern sollte, wenigstens
für Aufnahme der betreffenden Regeln in die Einzelgesetzgebungen zu wirken.
Die Handelskammer in Bremen verhält sich gegenüber diesen Bestrebungen
äusserst fördersam, wie nicht minder das sogenaunte niederländische Comite
eine Adresse an die niederländische Regierung gerichtet hat, um die von dem
Antwerpner Congresse vorgeschlagenen Havarie-Grosse-Bestimmungen zur Auf­
nahme in das niederländische Recht anzuempfehlen, respective um für eine
internationale Vereinbarung über die betreffenden Congressbeschlüsse die Ini­
tiative der genannten Regierung anzuregen.
Aus dem Gesagten erhellt, dass, wenn irgend eine Aussicht auf das Zu­
standekommen eines internationalen Havarie - Grosse - Gesetzes vorhanden sein
soll, England seine nCommon Safetyu-Theorie aufgeben und sich zur nCommon
Benefit«- Theorie der continentalen Staaten bekennen muss, wozu indessen
manche Anzeichen vorhanden sind, da sich bereits, wie verlautet, eine Coalition der
Rheder, Versicherer und Dispacheure von Liverpool, Hull, Newcastle on Tyne
u. s. w. gegen das Lloyd's Comittee gebildet hat.
Es steht zu hoffen, dass wenn hier einmal ein glücklicher Anfang inter­
nationaler Gesetzgebung gemacht sein wird, man bald zu anderen Gebieten des
Seerechtes wird weiter fortschreiten können.
Cz.
Die Hebung (1er E u r y d i c e . — Ueber die Hebung des englischen MatrosenSchulschiffes E u r y d ic e , dessen Untergang wir im Heft VI, Seite 297 d. Jahrg.
mittheilten, entnehmen wir dem nEngineeru folgenden Bericht.
Nach Monaten schwerer Arbeit ist es endlich gelungen, die E u r y d ic e
aus dem Bette, in welchem sie eingegraben lag , zu heben und auf harten
Grund näher an Land zu schleppen.
Die Schwierigkeiten, denen man bei der Hebung zu begegnen hatte, lagen
fast ausschliesslich in der Witterung und Strömung, und man konnte deshalb
erst mit E intritt der schönen Jahreszeit zu einem günstigen Resultate gelangen.
Die E u r y d i c e lag beinahe senkrecht auf die Stromrichtung, ungefähr
30° nach Steuerbord gekrengt, am Grunde, und man nahm au, dass es am
vortheilhaftesten sei, die Fregatte in dieser Position zu heben, ohne sie vorher
auf geraden Kiel zu stellen; es wurde deshalb auch kein Versuch gemacht,
dieselbe aufzurichten.
Zur Hebung selbst wurden zwei Corvetten und zwei Kanonenboote ver­
wendet; von den ersteren war zu diesem Zwecke die P e a r l mittelst 929 Tonnen
W asser um 5' 6", der R in a l d o mittelst 590 Tonnen um 4' 11" und die zwei
Kanonenboote mittelst je 160 Tonnen um 3 '6 " über ihre normale Tauchung ge­
senkt. Die totale, mit der Fluth auszupumpende Wassermasse betrug somit
1839 Tonnen. Früher hatte man zu den Hebungsversuchen i y 2zöllige Ketten
verwendet; diesmal jedoch waren die letzteren durch 7zöllige Stahldrahttaue
ersetzt worden, welche man verlässlicher und leichter zu handhaben gefunden
471
hatte. Bei dem letzten Versuche hatte der E i n ALDO nebst der gewöhnlichen
Befestigung an dem Wrack noch die Ankerketten desselben heraufgenommen;
am Dienstag den 16, Juli wurden diese Ketten aber zum Schleppen benützt
und statt derselben zwei Schwertakel in den Bugpforten des gesunkenen Schiffes
angesetzt.
Das W etter war so günstig, wie man es zu dieser Arbeit nur wünschen
konnte; der Wind wehte kaum fühlbar aus Norden und die See war glatt.
Die zum Heben verwendeten Schiffe hatte man Montag den 15. Juli mit der
Ebbe an Ort und Stelle gebracht, und mit 60 Centner schweren Ankern quer
über dem gesunkenen Schiffe vertäut. 400 Matrosen vom E x c e l l e n t und
den Schiffen in Reserve bildeten die Bemannung.
Die Arbeit des Straffholens aller Stahltrossen der Schiffe nach dem Wrack
wurde mit Hilfe von Gangspillen, Bratspillen und Dampfwinden um 2 Uhr be­
gonnen und so lange das Wasser mit der Ebbe fiel fortgesetzt. Dies dauerte
ohne Unterbrechung bis 6 Uhr, der Zeit des niedrigsten Wasserstandes, wor­
auf alle Taue belegt wurden und die gesammten Pumpen das Wasser aus den
vier Schiffen zu heben begannen. Um 7 Uhr hatte sich das Wrack mit der
Fluth um 14" und durch das Auspumpen der Schiffe ebenfalls um 14", zu­
sammen 2/ 4 " gehoben.
Um 9 Uhr war alles Wasser ausgepumpt, als sich zeigte, das der S w an
aufgehört habe das Gewicht zu fühlen — indem sich die E ur y d ic e etwas
aufgerichtet hatte — und dass das Wrack fast ausschliesslich von den grossen
Schiffen getragen werde. Daraufhin wurden die Stahltrossen etwas nachgeholt,
Als die E u r y d ic e ganz frei vom Grunde w a r , untersuchte man, wie
gross das Gewicht derselben, welches man früher nur geschätzt hatte, in W irk­
lichkeit sei. Zu diesem Behufe wurden genaue Messungen der anormalen De­
placements der vier Schiffe vorgenommen, nachdem schon vorher die zur Mehrein­
tauchung derselben um einen Zoll erforderlichen Gewichte berechnet worden waren.
Die P e a r l trug nach dieser Berechnung 126, der Rin a l d o 105, die
Wa v e 52 und der Sw a n 20 Tonnen; und wenn man auf die Popoff sehen
Luftsäcke 5 0 Tonnen Deplacement rechnet, so betrug das Gewicht der E u r y ­
d i c e im Wasser 353 Tonnen, oder 50 Tonnen m ehr, als man angenommen
hatte. Nachdem das Pumpen eingestellt war, hörte auch scheinbar jedes weitere
Heben der Schiffe auf; da das Grosseselshaupt der E u r y d ic e aber constant
einen Fuss über Wasser blieb, so war es unzweifelhaft, dass das volle Steigen
des Wasserniveaus mit der Fluth zur Hebung ausgenützt wrerde.
Um 1 % Uhr wurde beschlossen, die E u r y d ic e gegen das Land zu holen.
Das Thurmschiff Th u n d e r e r , welches zum Schleppen bestimmt war und
auch schon die Schlepptaue an Bord hatte, begann in diesem Augenblicke un­
glücklicherweise auf seiner Vertäuung mit der Fluth zu treiben, und war ge­
zwungen, die Schlepptaue schlüpfen zu lassen, welche auf den Grund sanken.
Der Cam el und der Gr in d e r lagen aber schon, ersterer am BackbordBuge der P e a r l , letzterer am Steuerbord-Buge des Rin a l d o bereit, mit dem
Befehle, die E u r y d ic e in ihrer Dwarslage gegen Nordosten in die Richtung
des Culver Cliff zu schleppen. Die Verbindungstaue der Hebeschiffe untereinander|wurden dem entsprechend straff geholt, die achteren Vertäuungen abgefiert und die vorderen mit den Gangspillen eingewunden. Durch einige Zeit
war keine Wirkung bemerkbar. Zehn Minuten nach 11 Uhr begannen sich
472
die Schiffe zu rühren, und um halb 12 Uhr bewegten sich dieselben sichtlich
gegen Nordosten. Mittlerweile hatte der T h u n d e r e r , wieder eines der Schlepp­
taue an Bord genommen und begann gleichfalls zu arbeiten. Plötzlich brachen
an Bord desselben die achteren Betinge und das Gangspill, welch’ letzteres
über Bord geschleudert wurde. Mit diesem Zwischenfalle schloss die Arbeit
dieses Tages; die E u r y d ic e war an demselben um 1 0 0 ' näher an Land auf
harten Grund gebracht worden.
Am folgenden Morgen wurden die Arbeiten fortgesetzt. Um 9 Uhr waren
die Stahltrossen wieder straffgeholt, eine halbe Stunde später hob sich das
Wrack und wurde von den zwei Schleppschiffen Ca m e l und G k in d e r aber­
mals , und zwar um 8 0 ' näher an Land geschleppt. Die unerwartet heftige
Fluthström ung, welche eingetreten war, trieb die Schiffe von ihrem geraden
Curse ab, und setzte die E u r y d ic e auf einer Sandbank auf. Dieselbe lag
dort in einer um 2 0 ' geringeren Tiefe, als am Schluss des vorhergegangenen
Tages.
In den folgenden Tagen, nachdem die E u r y d ic e bis auf die Wasser­
oberfläche gehoben worden w ar, setzte schlechtes Wetter mit schwerem
Seegang aus Osten ein, gegen welche Richtung die Sandown Bay vollkommou
offen liegt. Auf Befehl von Portsmouth mussten die bei der Hebung bethei­
ligten Schiffe die E u r y d ic e vorläufig verlassen. Man befürchtete die voll­
kommene Zertrümmerung des Wracks, indem in Folge des Seeganges das Deck
aufgebrochen und einige Planken in Shanklin und Sandown au Land ge­
schwemmt worden waren. Glücklicherweise bewahrheitete sich diese Befürch­
tung nicht.
Nachdem der Wind nach SW umgesetzt hatte, wurde beschlossen, den
Versuch, das Wrack nach Portsmouth zu schleppen, zu erneuern. Die Schiffe
nahmen wieder wie früher die Hebestahltrossen an Bord uud setzten sie mit
der Ebbe straff; mit der Fluth hob sich das Wrack und wurde nun gegen die
Culver Cliffs geschleppt. Bei Bembridge Point, dem östlichsten Vorgebirge der
Insel W ight, wurde eine Messung der Breite der Schiffsgruppe - vorgenommen
und dieselbe 2 5 0 'gefunden. Da man diese Breite zu ausgedehnt für das Ein­
laufen nach Portsmouth fand, beschloss man das Wrack vorläufig in dem seichten
Brading-Hafen, einer Bucht der Insel W ight, oberhalb Bembridge Point auf­
zufahren. Bei wieder eingetretenem Hochwasser wurde das Wrack weiter uferwärts geholt, wo es in 2 2 ' Wasser vorne und 2 4 ; achter liegen blieb. Bei
Ebbe dürfte dasselbe vorne 1 4 ' und achter 1 6 ' Wasser haben.
—x —
Sechs neue französische Thornycroft-Boote. — Eine interessante Reihe
von Erprobungen wurde mit der dreistündigen Dauerprobefahrt der letzten
der 6 neuen, von der Firma T h o r n y er o f t & Comp, an die französische Kriegs­
marine gelieferten Torpedoboote beendet.
Diese Boote sind den verbesserten L i g h t n i n g ’s , welche dieselbe Firma
jetzt für die englische Marine in Bau hat, ziemlich ähnlich. Die Länge der­
selben über Deck beträgt 8 7 ', die Breite 10' 6 " und die Tauchung 5' 6 ".
Sie sind aus stärkeren Blechen als der erste L i g h t n i n g gebaut, und unter­
scheiden sich von diesem auch noch dadurch, dass sie das Steuer achter von
der Schraube haben. Man hat als Folge dieser Anordnung einen beträcht-
473
lichen Verlust an Fahrgeschwindigkeit befürchtet; durch eine etwas veränderte
Construction der Bootskörper jedoch und die Einführung einiger Verbesserungen
an den Maschinen, welche eine thatsächliche Erhöhung der nutzbaren Maschinen­
kraft zur Folge hatten, wurde dieser eventuelle Verlust, wie man aus den Probe­
fahrtsdaten ersehen kann, aufgehoben. Einige dieser Boote haben sogar eine
grössere Schnelligkeit erreicht, als der erste Li g h t n in g .
Die Probefahrtsresultate der 6 Thornycrofts sind folgende:
Fahrgeschw. bei der
Nr. der Boote
Fahrgeschw. an der
3stünd. Dauerprobe
gem. Meile in Knot.
in Knoten
54
18-661
18-482
55
19'423
18-734
18-441
18-963
56
18-165
57
18-379
18-405
19-152
58
18-836
59
19-307
Die Fahrten an der gemessenen Meile, sechs an der Zahl per Boot, wurden
in Cherbourg längs dem Wellenbrecher gemacht und di e. dreistündigen Dauer­
probefahrten in hoher See zwischen Cape la Hogue einerseits und Cape Barfleur
andererseits. Die Unterschiede in den Geschwindigkeiten resultiren aus der Be­
schaffenheit der Böden und dem jeweiligen Zustande von Wind und See während
der Probefahrten. Die contractlich ausbedungene Schnelligkeit betrug 18Knoten
per Sfcuude, welche Verpflichtung somit reichlich erfüllt ist.
Der Kohlenverbrauch per Stunde mit voller Kraft war 18 Centner bis
1 Tonne, und in den Kohlendepöts ist Raum für 5 Tonnen; bei den Probe­
fahrten befanden sich nur 3 Tonnen, der Bedarf für die dreistündige Fahrt,
an Bord.
Bei langsamen Gang der Maschine war der Verbrauch an Kohle ein sehr
geringer; eines der Boote vollführte die Fahrt von Chiswick nach Cherbourg
in 22 Stunden mit einem Consum von 2 y 2 Tonnen Kohle.
Das Gewicht an Bord bestand ausser den 3 Tonnen Kohle aus einer
Bemannung von 10 Mann mit Material etc., worunter ein Reservepropeller und
ein equivalentes Gewicht für die später zu installirenden Torpedoapparate.
(n 'E n g in e e r in g «.)
— x—
Ein Versuch mit geräuschlos fahrenden Torpedobooten. — In Ports­
mouth wurde ein Versuch zur Ermittlung der Entfernung vorgenommen, auf
welche Torpedoboote zur Nachtzeit an ein Schiff heranfahren können, ohne
sich durch das Geräusch der Maschine oder den Schein der Kesselfeuer zu
verrathen.
Das Kanonenboot S p e e d y im Hafen von Portsmouth stellte das feind­
liche Schiff vor; die angreifende Torpedo-Flottille bestand aus dem L ig h t n in g
und 4 Dampfbarkassen, welche von der Stokes B ai, beiläufig vier Meilen von
Portsmouth entfernt, ausliefen.
Zwei der Barkassen wurden mit Rücksicht auf die, zum Verbergen des
Feuerscheines angewendeten Mittel erprobt, die zwei anderen bezüglich der
474
Hörweite des Geräusches der Maschinen und der Lig h t n in g auf beides. Bei
allen wurde Nixon’s rauchlose Kohle verwendet.
Die Nacht war wind- und seestill ohne Mondschein, die Luft jedoch so
vollkommen rein, dass man selbst das leiseste Geräusch ganz deutlich hören
konnte.
Auf ein vorher verabredetes Signal des Sp e e d y setzte sich der Lig h t n in g
in Bewegung, und ihm folgten in Zeiträumen von je einer Viertel Stunde die
anderen Boote.
Der Lig h t n in g wurde 5 Minuten bevor er das Heck des Kanonenbootes
passirt hatte, in Folge des Arbeitens seiner Thornycroft-Maschine entdeckt.
Von den auf die Sichtbarkeit des Feuerscheines zu erprobenden zwei Booten
hatte eines venetianische Asclienthüren einer besonderen Construction (eine E r­
findung des Maschinen-Ingenieurs W ilia m ’s), welche mit einem verticalen
Rohre zur Zuführung der Luft versehen sind, wodurch die Nothwendigkeit, die
Asclienthüren offen zu halten, entfällt. Dieses Boot wurde, obgleich kein
Feuerschein vom Aschenraum zu sehen w ar, in Folge der Dampfausströmung
durch den Schlot entdeckt, bevor das Geräusch der Maschine vernommen
werden konnte. Das zweite Boot ergab ein minder befriedigendes Resultat.
Von den Barkassen, welche auf die Hörweite des Arbeitens der Maschinen
geprüft wurden, war eine mit Willan’s geräuschloser Maschine, die andere,
ein Arsenalsboot, mit Justice’s geräuschloser Dampfausströmung versehen. Das
erstere verrieth sich durch den Feuerschein, bevor man die Bewegung der Ma­
schinen hören konnte, während bei dem Arsenalsboote überhaupt kein Feuer­
schein gesehen wurde, sondern das Geräusch der Maschinen die Entdeckung
herbeiführte. Da aber bei diesem Boote die Maschine ganz eingeschlossen ist,
so wurde es erst l 1/^ Minute vor Passirung des Kanonenbootes von den eigens
für dasselbe aufgestellten Ausluggern entdeckt.
Nach diesem Versuche scheint die Construction eines vollkommen ge­
räuschlos laufenden und unsichtbaren Torpedobootes im Bereiche der Möglich­
keit zu liegen, wenn man W illan’s Maschine, Wiliam’s venetianische Aschenthüren und Justice’s geräuschlose Dampfausströmung anwendet.
( n E n g in e e r u .)
— x—
Probefahrt der englischen Corvette E u r y a l u s . — Die eiserne, mit
Holz beplankte, gedeckte Corvette E u r y a l u s von 16 Kanonen (Typ B o a d ic e a ),
machte Freitag den 5. Juli d. J. an der gemessenen Meile in Stokes Bay vor
ihrer Abreise nach Ostindien eine Probefahrt. Das Ergebniss war sehr zu­
friedenstellend, und im Vergleich zu jenem der ersten Probefahrt in Sheerness
nicht wenig merkwürdig. Die Maschinen von Messrs. E a s t o n & A n d e r s o n
wurden in Befolg der neuen Vorschrift bei voller, bei 2/ 3 und 1/ 3 K raft, im
ersteren Falle bei vier, und in den beiden letzteren bei zwei Gängen versucht.
Der Dampf wurde durchgehends auf dem gleichförmigen Drucke von 75 Pfund
per Quadratzoll erhalten. Während der Fahrt mit voller Kraft war das Va­
cuum in den vorderen wie rückwärtigen Condensatoren 251/2 und 26, die Um­
drehungen 7 1 ‘48 in der Minute, der mittlere Dampfdruck im HochdruckCylinder 3 4 ' 8 7 , im Niederdruck - Cylinder 1 0 ' 9 8 , und die volle entwickelte
475
Pferdekraft 5111 *67, also 138 Pferdekraft weniger, als bedungen war. Die
mittlere erreichte Geschwindigkeit war 1 4 -7 1 5 Knoten. Bei 2 / 3 K raft: 62 Um­
drehungen, 3457*15 Pferdekraft und 13 Knoten Geschwindigkeit. Endlich bei
% K raft: 49 */,2 Umdrehungen, 1 8 0 0 '2 4 Pferdekraft und 1 0 -8 Knoten Ge­
schwindigkeit. Ein eigentüm licher Umstand hiebei is t, dass bei der Probe­
fahrt in Sheerness, bei welcher die Maschine 71*6 Umdrehungen erreichte
und 5 2 6 9 * 7 9 Pferdekraft — also ein wenig mehr als bedungen war — in­
dicate, das Schiff bei einem geringeren Tiefgange als diesmal nur eine Ge­
schwindigkeit von 1 4 '4 4 4 erreichte. Da der E u r y a l u s einen Zinkbeschlag
h a t, so kann der Zustand des Bodens nicht als genügender Erklärungsgrund
dieser Erscheinung angesehen werden.
(» Times.«) F. K.
Die russische freiwillige Flotte. — Als es zwischen England und Russ­
land aus Anlass des, von der letzteren Macht mit der Türkei abgeschlossenen
Prälimiuar-Friedens zu Verwickelungen kam, die in einen Krieg zwischen den
ersteren zwei Mächten iiberzugehen drohten, kam man sowohl in den russi­
schen Regierungskreisen, als auch im russischen Volke zu der Ueberzeugung,
dass man im Angesichte der grossen Uebermacht der englischen Kriegsflotte,
welche ein offensives Vorgehen der russischen Kriegsflotte zum Vorhinein aus­
schloss, trachten müsse, die englischen Handelsinteressen durch eine möglichst
intensive Störung des Seehandels zu schädigen, was am leichtesten durch Aus­
rüstung von Kreuzern geschehen könnte. In richtiger Erkenntniss dieser Thatsache leitete die russische Regierung den Ankauf einiger, zur Umwandlung in
Kreuzerschiffe geeigneten Dampfer in Nordamerika ein, und sendete auch die
zu ihrer Bemannung benöthigten Mannschaften nach den Vereinigten Staaten.
Die in Amerika angekauften 3 Dampfer führen die Namen E u r o p a , A sia,
A f r ic a . Das russische Volk suchte die Regierung in diesem Vorhaben mit
allen Kräften zu unterstützen. Es bildete sich bekanntlich ein Comite für die
Sammlung von Beiträgen zur Schaffung einer freiwilligen Flotte, dessen Protectorat der Grossfürst Thronfolger übernahm. Die von Corporationen uud
einzelnen Personen gespendeten und eingezahlten Beträge erreichten bis zum
15. Juli beim Central - Comite in Moskau 1,173.330 Rubel, beim Comite in
Petersburg 969.713 Rubel und 15.000 Rubel an Werthsachen; an der Cassa
der Gesellschaft zur Beförderung des russischen Handels und der Schiffahrt in
Moskau 285.000 Rubel, zusammen somit 2 1/(l Millionen Rubel.
Auf Rechnung dieses Comite’s wurden bis nun von der Hamburg-Ameri­
kanischen Packetfahrt-Actien-Gesellschaft drei Dampfer angekauft, und zwar die
H o l s a t ia , H a m m o n ia , Th u r i n g i a .
Die H o l s a t ia ist am 14. Juni in Kronstadt angekommen. Zur Ueberfahrt von Hamburg nach Kronstadt brauchte dieselbe angeblich 84 Stunden,
was einer mittleren Geschwindigkeit von 14 Knoten entsprechen würde. Das
Schiff wurde von Laird & Co. in Greenwich erbaut; die ursprünglichen Nieder­
druck-Maschinen ersetzte man im Jahre 1873 in Hamburg durch CompoundMaschinen von 350 nomineller Pferdekraft. Der Schiffskörper ist 350' lang,
3 9 ' breit und taucht vollgeladen 2 1 '; Tonnengehalt (gross tonnage) 3098
Tonnen; Briggtakelage. Mit dem Hissen der russischen Flagge erhielt die
476
den Namen R o s s ia . Die Ankaufskoston werden mit 65.000 £
angegeben.
Am 18. Juni kam die H am m onia in Kronstadt an. Sie ist kleiner als
die H o l sa t ia , soll jedoch die gleiche Geschwindigkeit besitzen und 50.000 £
gekostet haben; die H am m onia erhielt iu der russischen Flotte den Namen
HOLSATIA
Mo sk w a .
Das dritte der augekauften Schiffe, die Th u r in g ia , traf am 6 . Juli in
Kronstadt ein. Dieses gleichfalls von Laird gebaute Schiff hat dieselbe Länge
wie die H o l s a t ia ; die Maschinen von ebenfalls 350 nomin. Pferdekraft sind
jedoch einfache Niederdruck - Maschinen mit Oberflächen - Condensatoren ; auch
hat die Th u r in GIA blos e i n e n Kamin, während die H o lsa tia deren zwei
führt. Die Th u r in g ia erhielt den Namen P e t e r sb u r g . Der Ankaufspreis
dürfte derselbe wie jener der H olsa tia sein.
Diese drei Schiffe wurden sofort nach der erfolgten Uebernahme in’s
Arsenal geführt, woselbst man die Arbeiten behufs ihrer Adaptirung für den
Kriegsdienst vornimmt, nach deren Vollendung alle drei Schiffe sofort zur
Ostsee - Escadre stossen sollen. Jedes dieser Kreuzerschiffe soll mit 7 Stück
schweren Geschützen arrnirt werden, und zwar mit 1 Stück 8 -Zöller, 2 Stück
7 -Zollern und 4 Stück 6 -Zollern; ausserdem erhalten dieselben zur Abwehr
von Torpedobooten einige 9-Pfünder und Kartätschengeschütze. Die Artillerie,
Kaperte inbegriffen, wiegt 60 Tonnen. Auf der Ro ssia und dem P e te r sb u r g
wird die Artillerie am Oberdecke, auf der Mosk w a auf dem zweiten Decke
aufgestellt; demgemäss sind auch die Adaptirungsarbeiten verschieden. Die
Decke wurden durch Sprengwerke aus Holz verstärkt und die 7- und 8 -zölligen
Geschütze so placirt, dass sie sowohl nach Yorne als auch nach Achter in der
Kiellinie schiessen, nach Bedarf aber mit den in den Breitseiten aufgestellten
6 -ZölIern ihr Feuer concentriren können.
Die Munitionsdepöts wurden 5— 6 ' unter die Wasserlinie angelegt. Sie
enthalten an 33 Tonnen Pulver und 107 Tonnen Geschosse, da für jedes Ge­
schütz 250 Schuss normirt wurden.
Da die Kreuzerschiffe bestimmt sin d , möglichst lange ohne Berührung
fremder Häfen oder ohne auf Ergänzung der Vorräthe rechnen zu müssen, in
See verbleiben zu können, so erhalten sie auch bedeutende sonstige Vorräthe.
So beträgt z. B. der Lebensmittelvorrath 8 6 Tonnen; der übrige disponible
Raum wird von Kohlen eingenommen, von denen 1400 Tonnen eingeschifft
werden sollen, was für 28 Tage unter vollem Dampf und für das Durchlaufen
von 9500 Seemeilen genügen soll.
K.
Die neuesten Fortschritte der Artillerie. — {„Times11, 7. Juni 1878.)
Der Fortschritt der Artillerie in den letzten Jahren war ein sprungweiser;
einer der grössten Sprünge wurde eben jetzt gemacht. Es ist nämlich durch
das Auftreten der von A r m s t r o n g für die italienische und englische Regie­
rung gelieferten 100-Tonnen-Geschütze nicht nur das Gewicht der schwersten
Rohre unerwartet rasch verdreifacht worden, sondern man erzeugte und erzeugt
stets neue Kanonen, welche bei gleichem Gewichte mit ihren Vorgängern einen
doppelt so grossen Panzereffect aufweisen als diese. Das Charakteristische dieser
477
Rohre besteht darin, d a s s si e i h r e n G e s c h o s s e n e i n e g r o s s e A n f a n g s ge schw in digkeit ertheilen, ohne selbst übermässig an g e stre n g t
zu w e r d e n .
Uns mangelt der Raum , so recht in den Kern der Frage einzugehen,
aber wir wollen wenigstens so viel bringen , um Jenen die Sache klar zu
machen, welche für die Artillerie-Wissenschaft einiges Verständniss haben.
Zunächst sei an Folgendes erinnert: Die 64 Schüsse, welche gegen
Ende 1876 zu Spezia aus dem für Italien gelieferten 100-Tonnen-Geschütz
gelöst wurden, bewiesen, dass die Constructeure viel weiter gehende Garantien
bieten konnten. Es musste jedoch behufs Yergrösserung der Geschützwirkung
das Rohr mit einer K a m m e r , d. h. mit einem erweiterten Karduslager*)
versehen, also vorläufig zurückgestellt werden.
Im März und April d. J. erprobte man in Spezia das mit dem
erweiterten Karduslager versehene Rohr**).
Beim Versuche wurden 35
scharfe Schüsse abgegeben und hiebei die Lösung folgender Aufgaben an­
gestrebt :
1. Gewinnung ballistischer Daten für das Kammerrohr und Vergleich
derselben mit jenen für das Proberohr.
2 . Vergleichende Erprobung des italienischen
Fossauo-Pulvers , das in
der „Times“ vom 5. Jänner besprochen wurde***), und des englischen PebblePulvers P 2, welches jetzt für die schwersten englischen Dienstgeschütze ver­
wendet wird.
3. Ermittlung der günstigsten Form der Karduse und der entsprechendsten
Zündweise.
In Betreff des Punktes
resultat :
1. ergab der Versuch nachstehendes Haupt­
Im P r o b e r o h r e erhielten beim Gebrauche der Normalladung die
2000 Pfund (907 Kilogr.) schweren Geschosse eine Anfangsgeschwindigkeit
*) Es ist jedoch nicht nur die Erweiterung des Karduslagers, sondern die der ganzen
Bohrung im Zuge: Das Proberohr hatte nämlich einen Kaliber von 433 ■
die anderen
Rohre sollen 450-8 oder 452'8m/m Seelendurchmesser erhalten. Das Karduslager hin­
gegen soll von 433 ■8 "^ ursprünglichen Durchmesser auf 501‘6 oder 503 ■Gmh* gebracht
werden. In Folge dessen wird das neue Geschoss nicht mehr 908, sondern 1034 Kilogr.
wiegen und die Pulverladung auf 215 oder 220 Kilogr. steigen.
**) Der Kürze halber werden wir dasselbe im Folgenden stets „Kammerrohr
hingegen das ursprünglich gelieferte „Proberohr“ nennen.
***) Ueber dieses Pulver entnehmen wir dem „ G iom ale di artiglieria e genio“,
Jahrgang 1876, S. 1152 Nachstehendes: Das Pulver wurde auf die gleiche Weise wie
das in der Neuzeit für alle schweren Geschütze der italienischen Marine normirte
Pulver erzeugt. Es wurden nämlich die ersten Pulverkuchen in unregelmässige Korne
von nicht zu grossen Dimensionen zerbrochen und hierauf, mit einer bestimmten
Menge feinkörnigen Pulvers gemischt, neuerdings gepresst. Die Kuchen der zweiten
Pressung wurden sodann in Korne von der gewünschten Grösse zerkleinert. Sonach
ist das fertige Korn kein blosser Mehlpulverkörper von bestimmter D ichte, sondern
ein Complex kleinerer Korne, deren Dichte grösser ist als jene des fertigen Kornes.
Von den für das 100 Tonnen-Gescliütz in Fossano erzeugten Pulvergattungen
entsprach nur das Probepulver Nr. 3. Die Korne desselben wogen ungefähr 200 Gramm,
waren 4-seitige Prismen (54 X 54 X 45 m/m), hatten die Dichte 1 ‘776 und bestanden
aus 3 bis 6 m/migen Pulverkörnem von der Massendichte 1-79.
Anmerkungen des Uebersetzers.
478
von 1424 Fuss (434 '"/) und eine lebendige Kraft von 28130 Fusstonnen
(8712 Metertonnen), wobei der Gasdruck im Patronenlager 18*3 Tonnen per
Quadratzoll (2733 Atmosphären) betrug; im K a m m e r r o h r e hingegen wurde
dem Projectile eine Anfangsgeschwindigkeit von 1585 Fuss (483™/) und eine
lebendige Kraft von 34836 Fusstonnen (10.790 Metertonnen) ertheilt, wobei
der Gasdruck auf 17 Tonnen (2540 Atmosphären) fiel.
Hieraus ersehen wir den Werth der Kammer: Die Anfangsgeschwindig­
keit des Geschosses stieg um 161 Fuss (49 7,!/ ) , die Energie desselben um
circa 6700 Fusstonnnen (2080 Metertonnen), während der maximale Gasdruck
um mehr als 1 Tonne per Quadratzoll (194 Atmosphären) fiel. Um den eben
erwähnten Zuwachs an Energie gebührend zu würdigen, sei erwähnt, das der­
selbe nahezu so gross ist, wie die ganze lebendige Kraft, eines mit 110 Pfund
(50 Kilogr.) Ladung geschossenen 35-Tonnen-Projectiles auf 1200 Yards
(1100 mi ) Distanz.
Ferner betrug die g r ö s s t e L a d u n g bei den früheren Versuchen
mit dem Proberohr 375 Pfund (170 K ilogr.), hingegen bei der Beschiessung des Kammerrohres 473 Pfund (214*6 Kilogr.) englisches Pulver. Die
Resultate in beiden Fällen sind aus der nachstehenden Zusammenstellung zu
ersehen.
Anfangsgeschwin­ Lebendige Kraft des Gasdruek im Patro­
nenlager
digkeit d. Geschosses
Geschosses
Rohr
1
engl. Ton.
per Qua­
Atmo­
dratzoll sphären
englisch
Meter
Fuss­
tonnen
(englisch)
Metertonnen
1542
470
33000
10220
21 -4
319G
1627
496
36710
11370
20-8
3106
Fuss
(englisch)
ProbeKammer-
!
1
Diese Zahlen beweisen, dass nie ein Schiffs- oder Küstenpanzer er­
zeugt w urde, welcher dem Panzergeschosse des 100-Tonnen-Kammerrohres
widerstehen könnte. Sehr begreiflich, denn die Energie des Projectiles ist
nahezu 4 y „ - mal so gross als jene des 35 - Tonnen - Geschosses an der
Mündung.
Der zweite Versuchszweck war die C o m p a r a t i v - E r p r o b u n g des
e n g l i s c h e n und de s i t a l i e n i s c h e n P u l v e r s , wobei man wieder ganz
aussergewohnliche Resultate erhielt. Es wurde nämlich die Ueberlegenheit des
italienischen Pulvers für Rohre grössten Kalibers festgestellt, so dass dieses
Pulver seiner Vorzüge wegen ein eingehendes Studium verdient, selbst wenn
später bisher unbekannte Mängel desselben offenbar werden sollten.
Unter sonst gleichen Umständen ist offenbar jenes Pulver das beste,
welches dem Geschosse die grösste Energie gibt und das Rohr am wenigsten
anstrengt. An der Hand dieses Axioms wollen wir gewisse, mit verschiedenen
Ladungen erhaltene Resultate des diesjährigen Versuches vergleichen.
479
Lebendige Kraft des
Geschosses
Pulver
Fusstonnen
(englisch)
englisches PebbleFossanoenglisclies PebbleFossanoenglisches PebbleFossano-
29678
30321
33807
34508
36710
38313
Meter­
tonnen
9190
9390
10470
10690
11370
11870
Mittlerer Gasdruck im
Patronenlager
englische
Tonnen per Atmosphären
Quadratzoll
englisch
17-1
12-0
175
142
2 0-8
17-4
2554
1792
2613
2121
3106
2598
Ans diesen Zahlen e rh e llt, dass beim Gebrauche des Fossano-Pulvers
die lebendige Kraft des Geschosses im Mittel um circa 1000 Fusstonnen
grösser und der Gasdruck um nahezu 4 Tonnen per Quadratzoll kleiner ist
als bei Anwendung des englischen Pulvers. Dagegen muss bemerkt werden,
dass die Ladungen mit Fossano-Pulver bedeutend schwerer waren als jene mit
englischem Pulver. Es betrug nämlich bei den drei oben angeführten Schüssen
das Mittelgewicht der Ladungen mit Fossano-Pulver 492 "5 Pfund (223'4K ilogr.),
hingegen beim englischen Pulver nur 4 3 3 '4 Pfund (196 " 6 Kilogr.). Dieser
Umstand ist jedoch gegenüber der grösseren Ausdauer des minder angestrengten
Rohres ohne Bedeutung.
Ueberdies liegt in der Thatsache, dass mit einem minder brisanten
Pulver ohne übermässige Anstrengung des Rohres sehr grosse Geschoss-An­
fangsgeschwindigkeiten erzielt werden können, noch ein weiterer Yortheil,
nämlich der, die Steigerung des Kalibers nicht nur möglich, sondern sogar
leicht zu machen. In Folge dessen dürfen wir annehmeu , dass in Zukunft
Projectile von 2 Tounen Gewicht mit Geschwindigkeiten geschossen werden
können, gegen welche die Schnelligkeit des wildesten Sturmes zum sanften
Athemzug des schlafenden Kindes wird. Schon die Resultate des letzten
Schusses lassen dies erwarten, denn das nahezu eine Tonne schwere Geschoss
hatte eine Anfangsgeschwindigkeit von 1 6 6 1 ’5 Fuss (506 ’4™/) per Secunde,
oder in runden Zahlen von 1100 Meilen (2000 Kilometer) per Stunde.
Verglichen mit den eben erwähnten, Staunen erregenden Resultaten hat
die Frage der b e s t e n Z ü n d w e i s e nur untergeordneten W erth. Wir er­
wähnen daher nur , dass beim englischen Pulver die Zündung in der Mitte
der Patrone*) die vortheilhafteste ist, während beim italienischen Pulver die
Zündung am Boden der Karduse ohne Nachtheil sein dürfte.
Zur Zeit der ersten, in Spezia ausgeführten Versuche gab es schon
Männer, welche nicht ohne Berechtigung folgende Frage aufwarfen: Kann
die Artillerie nicht Rohre von geringerem Gewichte erzeugen , deren Projec­
tile gleichfalls die Bordwand eines mächtigen Panzerschiffes durchbohren,
oder mit anderen Worten, kann die Ueberlegenheit der gezogenen englischen
*) Um dies zu ermöglichen, wird in die Karduse ein Holzconus eingesetzt, der
das Feuer vom central angebrachten Zündcanale centrisch zur Mitte der Patrone leitet.
480
Geschütze über die glatten ßohre der Amerikaner nicht noch weiter gesteigert
werden, so dass unsere Zukunfts-Geschütze unsere jetzigen vollends in den
Schatten stellen werden? Diese Frage wurde kürzlich bei der Erprobung des
n e u e n 6 - z ö l l i g e n A r m s t r o n g - G e s c h ü t z e s * ) in Shoeburyness bejahend
beantwortet. Man schoss nämlich aus diesem Rohre 70 und 64 Pfund
(31 * 8 und 29 Kilogr.) schwere Geschosse mit 2000 und 2070 Fuss ( 6 0 9 ' 6
und 6 3 1 onl ) Anfangsgeschwindigkeit, wobei der Gasdruck im Ladungsraum
15 Tonnen per Quadratzoll (2240 Atmosphären) nie überstieg.
Um die Panzerwirkung des neuen 6 -Zöllers würdigen zu können, dürfen
wir zum Vergleiche selbstverständlich nicht die weit überholten 64- und
70-pfiindigen Dienstgeschütze herbeiziehen, sondern wir müssen uns ein Rohr
wählen, dessen Durchschlagsvermögen dem der neuen Kanone möglichst gieicli
ist. Der beste Masstab für die Panzerwirkung des neuen 6 -Zöllers ist die per
Zoll des grössten Geschossumfanges entfallende lebendige Kraft des Projectiles
an der Mündung; sie beträgt 110 Fusstonnen (1 3 '4 Metertonnen per Centi­
meter des grössten Geschossumfanges). Gehen wir nun in die Tabelle für
unsere Dienstgeschütze , so zeigt sic h , dass die eben erwähnte Kraft um
10 Fusstonnen grösser ist als die des 8 -zölligen Geschosses an der Mündung
und nur um 1 Fusstonne kleiner als jene des 9-zölligen Projectiles auf
400 Yards (376 0,v! ) Distanz.
Vielleicht ist aber diese besondere Kraftentfaltung die Folge irgend
eines verheimlichten Uebelstandes, vielleicht wird sie durch ein übermässiges
Rohrgewicht und einen relativ kleinen Kaliber erreicht? Im Gegentheil, denn
der neue 6 -Zöller wiegt nur 77 Centner (3912 Kilogr.), also nicht einmal
4 Tonnen, während der 8 -Zöller 9 Tonnen, mithin mehr als das doppelte,
und der 9-Zöller 12 Tonnen, das ist mehr als das dreifache wiegt.
Hieraus suchen nun — weil der neue 6 -Zöller ein Hinterlader ist — die
Anhänger des Hinterladsystems Capital zu schlagen. Mit Unrecht, denn die
Rohrfabrikanten werden ihnen sogleich entgegnen, dass sie Vorder- und H inter­
lader gleich stark aufbauen können, nachdem der Lademodus die Widerstands­
fähigkeit eines Rohres nicht beeinflusst.
Doch ein dem Hinterlader gemachter Einwurf wird durch die er­
reichten grossen Geschoss - Anfangsgeschwindigkeiten und die verliältnissmässig kleinen Gasdrücke sehr en tk räftet, so dass wir jetzt die An­
nahme des Hinterladppncips für Festungsgeschütze hoffen. Hiefür haben
wir stets plaidirt, doch bestimmte uns hiezu nicht die von Manchem mit
Unrecht vertheidigte Ueberlegenheit des Hinterladers über den Vorderlader,
sondern der Umstand, dass bei jenem die Geschützbedienung dem Feuer der
feindlichen Schützen besser entzogen werden kann als bei diesem.
**) Soviel wir über dieses Geschütz bis jetzt erfahren konnten, ist dasselbe ein
in den Elswick-works erzeugter Hinterlader mit etwas modificirtem französischen
Schraubenverschlusse. Das Zugsystem soll das unter der Bezeichnung „Armstrong’sche
Haarzüge“ bekannte, die Bohrungslänge eine relativ grosse sein. Die Normalladung
wiegt 33 Pfund (.15 Kilogr.), die Geschosse haben kupferne Dichtuugsscheiben (gaschecks), in welche sich beim Schüsse die vielen, sehr schmalen Felder der Bohrung
einschneiden. Ueber die Treffähigkeit des Geschützes lässt sich noch nicht urtheilen,
aber es muss befremden, dass bei einem am 24. August zu Shoeburyness abgeführten
Versuche die 1500 Yards (1371
) ferne Scheibe dreimal hinter einander gefehlt wurde.
Anmerk, d; Uebersetzers.
481
In Bezug auf das neue Rolir selbst aber müssen wir nochmals betonen, dass
ein auf gleiche Weise aufgebauter Vorderlader ebenso widerstandsfähig sein
wird, was uns zu folgendem Ausspruche berechtigt: E in n a c h d e n n e u e s t e n
P r i n c i p i e n c o n s t r u i r t e s Rohr ist ein ebenso g u t e r P a n z e r ­
b r e c h e r al s e i n d o p p e l t so s c h w e r e s ä l t e r e s . Soll daher'ein be­
stimmter Effect erzielt werden, so braucht man in Zukunft nur halb so schwere
Rohre wie je tz t; soll ein Kauffahrer bestückt werden, so kann dies in Zukunft
mit Kanonen von doppelt so grosser Wirkungsfähigkeit als jetzt geschehen.
Indem wir dies sagen, haben wir nicht nur den neuen 6 -Zöller im Auge,
welcher dem mehr als doppelt so schweren 8 -Zöller überlegen ist, sondern
wir gedenken auch der bald fertigen neuen Rohre grösseren Kalibers, mit
welchen verhältnissmässig noch grössere Wirkungen erzielt werden dürften.
So der neue 8 -Zöller von etwa 11 Tonnen Gewicht, der dem heutigen 1 1 Zöller von 25 Tonnen Rohrgewicht weit überlegen sein wird, so der neue
1 0 -ZöUer, dessen Panzereffect jenen der 35- und 38-Tonnen-Geschütze über­
treffen wird.
W ir stehen sonach vor einer ungewöhnlichen und plötzlichen Kraft­
entfaltung der Artillerie, die ausschliesslich eine Folge englischer Erfindungen
ist. Sollte man uns daher muthwillig zur Vertheidigung unseres alten Rechtes,
den Seehandel zu beherrschen, zwingen, so werden wir aus den letzten Fort­
schritten der Artillerie einen grossen praktischen Nutzen ziehen. Denn es
werden nicht nur die mit den neuen Geschützen armirten englischen Schiffe
feindlichen Panzerschiffen gegenüber doppelt mächtig sein, sondern wir wer­
den unter Umständen durch die Armirung bisher unbestückbarer Schiffe mit
zwar kleinen, aber dennoch wirksamen Kanonen einen bisher .unerreichbaren
Kraftzuwachs erhalten. Die mit grosser Geschwindigkeit gefeuerten leichteren
Geschosse sind nämlich in Folge der grösseren Portee und der erhöhten Treff­
fähigkeit dem Gegner gefährlicher, als die mit geringer Geschwindigkeit ge­
worfenen schweren Projectile. Ein Beispiel wird das klar machen. Bei 3 und
5° Elevation erreicht man mit dem neuen 6 -Zöller 2713 und 3795 Yards
(2480 und 3470 mj ) , beim doppelt so schweren 8 -Zöller blos 1715 und
2605 Yards (1568 und 2 3 8 2 '”1/ ) Distanz. Es ist somit der Unterschied in
den Schussweiten ungefähr 1000 Yards, und überdies wird man — was weit
wichtiger ist — mit Geschossen von grosser Geschwindigkeit den Gegner auf
jede Distanz viel leichter treffen, weil in Folge der rasanteren Bahn ein
Ueber schiessen des Zieles viel unwahrscheinlicher wird.
Auf die mit dem neuen 6 -Zöller unter 10° Elevation erreichte Schuss­
weite von 6000 Yards (5486 mf ) legen wir keinen besonders grossen Werth,
weil auf so bedeutende Entfernungen nur ausnahmsweise geschossen wird.
Nachdem aber während eines Krieges doch zuweilen ein Beschiessen sehr
ferner Objecte vortheilhaft sein kann, so wäre der Vervollkommnung der
Visirmittel durch Annahme feinerer Absehen und Einführung von Fernrohren
eine besondere Sorgfalt zu widmen.
Von sehr grossem Nutzen werden die neuen Kanonen der Hafen- und
Flussvertheidigung sein, da durch sie der W erth jener kleinen, mit je einem
Geschütze armirten Kanonenboote, wie deren Elswick vor einigen Jahren nach
China sendete, ungemein gewinnt. Es wird nämlich in Zukunft das kleinste
dieser Boote ein eben so wirksames Geschütz tragen können, als jetzt das
grösste derselben.
31
482
Es lohnt sich, zum Schlüsse einen Blick auf die russischen Geschütze
zu werfen. Der grösste Theil derselben ertheilt seinen Geschossen nur eine
geringe Anfangsgeschwindigkeit, und überhaupt sind die russischen Kanonen
gegen die in England erzeugten in jeder Hinsicht weit zurück. Auch unter
den in Amerika käuflichen Geschützen finden wir nichts Aehnliches, und wir
hoffen, dass die Möglichkeit, jeden Handelsdampfer durch Bestückung mit
leichten, weittragenden Geschützen den allenfalls wider ihn ausgesendeten
Kreuzern gewachsen zu machen, ein weiteres gewichtiges Argument zur E r­
haltung des Friedens sein dürfte.
Hängt also der Weltfriede von Englands Kriegsbereitschaft ab, so wird
uns die mögliche glückliche Ausnützung der eben erwähnten Fortschritte —
als: bedeutende Erhöhung der Panzerwirkung der schweren Kanonen und wesent­
liche Steigerung der Leistungsfähigkeit der leichten Geschütze — sehr zu statten
kommen.
Sc.
Die erste Maschinen - Probefahrt des I n f l e x i b l e . — Das englische
Thurmschiff I n f l e x i b l e unternahm am 6 . August d. J. seine erste Fahrt,
zum Behufe einer vorläufigen Erprobung der Maschinen von Seite der Firma
John Eider & Comp., welche dieselben geliefert hat.
Das Schiff machte mehrere Touren zwischen der W arner- und CatherineSpitze, wobei im Maximum 7294 Pferdekraft, bei 62 Rotationen per Minute,
indicirt wurden. Die contractlich bedungene Maschinenkraft beträgt 8000
Pferdekraft mit 65 Rotationen.
Die Maschinen konnten aber, obgleich Dampf in Ueberfluss vorhanden
war, denselben nicht vollkommen verwerthen, da sie durch die Propeller über­
lastet waren. Man beabsichtiget deshalb die jetzigen Propeller, welche 2 0 '
im Durchmesser und 2 3 ' 6 " Steigung haben, durch solche mit abgerundeten
Ecken von geringerem Diameter zu ersetzen.
Die erreichte Fahrgeschwindigkeit betrug 1 3 '3 Knoten.
Später wurden die Maschinen mit Einspritz - Condensation anstatt der
Oberflächen-Condensation betrieben, und hiebei l l Y 4 Knoten Fahrt mit 4 6 1/„
Rotationen und 3172 indicirter Pferdekraft erzielt.
Die Maschinen arbeiteten ausgezeichnet und ohne jeden Anstand.
Die Ventilation des Maschinenraumes war jedoch mangelhaft und muss
diesem Uebelstande ehestens abgeholfen werden.
(n Times u.) — x—
Lothungen im südatlantischen Ocean. — Der Commandant des amerika­
nischen Kriegsdampfers E s s e x berichtet dem Secretär der Vereinigten StaatenFlotte über seine Thätigkeit im südatlantischen Ocean wie folgt: Die gelothete
Linie geht von St. Paul de Loanda über St. Helena nach Cap Frio. Die
grösste Tiefe zwischen Afrika und St. Helena beträgt 5602 m1 und zwischen
St. Helena’ und Amerika, respective Brasilien, 6006 mf . Die Lothungen östlich
und westlich von St. Helena ergaben, dass sich letztere Tafel senkrecht über
den 3 6 5 8 ''”/ tiefen Meeresboden erhebt. Vom afrikanischen Continent an nimmt
die Tiefe fortwährend zu, bis sie auf 60 Meilen 1458 mj erreich^ Auf weitere
483
700 Meilen erreicht die Tiefe 4860 , um dann gegen St. Helena sanft ab­
zunehmen. Die Beschaffenheit des Bodens wechselt und besteht aus Schlamm,
Corallen, Felsen- und Sandgrund. Das zu den Lothungen verwendete Instru­
ment ist jenes von W. T o m p s o n , verbessert vom Capt. B e lk n a p der amerika­
nischen Marine.
(„Revue maritime et coloniale«.) y
Preis für die Erfindung eines Rettungsapparates. — Die Society of
Arts schreibt einen, aus einer goldenen Medaille bestehenden Preis für die
Erfindung eines Lebensrettungs-Apparates aus. Dieser Apparat muss für den
Fall verwendbar sein, als man das Schiff binnen 5 Minuten in Sicht der Küste
oder anderer Schiffe verlassen müsste. Die Bedingungen hiezu sind folgende:
1. Den Vorzug erhält jene Erfindung, gegen welche die wenigsten Ein­
wände erhoben werden. Diese Einwände betreffen: den Platz, welchen der
Apparat einnimmt, die Stauung der H auptbestandteile, die Form, die leichte Hantirung und die Einfachheit der Zusammensetzung im Augenblick des Bedarfes.
2. Jener Apparat wird bevorzugt, von welchem die Aerzte erklären
werden, dass er der Gesundheit nicht schaden oder Gefahr bringen kann.
3. Seeleute werden ihr TJrtheil bezüglich der Bequemlichkeit, Einfach­
heit etc. abzugeben haben.
4. Der Apparat muss 40 Pfund im Minimum flott erhalten können.
N o te . Der Korkgürtel, welcher gewöhnlich angewendet wird, wiegt 5 Pfund
und trägt 20 Pfund. Ein Mensch von gewöhnlicher Taille bleibt mit dem Kork­
gürtel bis zum Rand der Schultern ober Wasser. Bei vorzüglichem Korke, wie jener
der königl. nationalen Rettungsgesellschaft, werden 25 Pfund durch einen Gürtel von
5 Pfund getragen.
5. Berücksichtigung wird weiters jener Apparat verdienen, zu dessen
Zusammenstellung man sich gewöhnlicher, auf den Schiffen vorhandener Gegen­
stände bedienen kann.
6. Der Kostenpunkt sowohl der ersten Anschaffung und Installirung,
sowie der ferneren Conservirung und Instandhaltung wird in Rechnung ge­
zogen.
7. Der Apparat muss den Einflüssen des Klimas widerstehen und wird
bevorzugt, sobald die Hantirung desselben keine grosse Sorgfalt erfordert.
8 . Boote und Flösse sind hiebei
ausgeschlossen, da im Princip ange­
nommen wird, dass man beim plötzlichen Verlassen des Schiffes wohl nicht
die Zeit hat, derlei Gegenstände zu bereiten und in’s Wasser zu werfen.
9. Rettungskränze, welche geringere Tragfähigkeit als 40 Pfund be­
sitzen, können nicht mitconcurriren, da es von grösster Wichtigkeit ist, dass
Nasenlöcher und Mund so hoch als möglich über Wasser bleiben. Gürtel,
welche für Schwimmer allein berechnet s in d , können nicht als .vollkommene
Rettungsmitte] angesehen werden, da man auf Weiber und Kinder Rücksicht
zu nehmen hat.
10. Kautschuk- und Gummipräparate werden nicht angenommen, da sie
den Einflüssen des Klimas zu stark unterworfen sind und überdies eine zu
sorgfältige Behandlung verlangen.
31 *
484
N o te . 1. Es versteht sich von selbst, dass, nachdem dieser Apparat nur für
jene Fälle gebraucht werden soll, bei welchen Land oder andere Schilfe in der Nähe
sind, auf Verproviantirung nicht Rücksicht zu nehmen ist.
2.
Die Bewerber können immerhin einen Unterschied zwischen Kriegs- und
Handelsschiffen, Post- und Passagierschiffen etc. machen. Ebenso können die verschie­
denen Umstände, welche beim Verlassen des Schiffes bei Tag und Nacht Vorkommen
können, gewürdigt werden.
Die goldene Medaille wird jenem Apparate zuerkannt, welcher allen an­
geführten Bedingungen am besten entspricht. Das Comite behält sich das
Recht vor, den Preis zurückzubehalten, falls keiner der Apparate entsprechen
sollte. Der Apparat muss längstens bis 1. August 1878 (?) eingesendet
werden, und zwar der Society o f A r ts , John Street, Adelphi, Londres W. C.
(Gezeichnet:) P. Le Veve F o s t e r , Secretär.)
(„Revue maritime et colonialeu, Augustheft.) y.
Zur Theorie des Stahles. — Ueber die Theorie des Stahles reproduciren
wir hier eine von W. M a t t i e u W i l l i a m s in der nMetallurgical Review«
veröffentlichte Abhandlung nach vDingier's polyt. Journal«.
Im Stahle ist uns ein Material gegeben, welchem wir den höchsten Härte­
grad und jede beliebige Form mit Leichtigkeit geben und es dazu benutzen
können, ändern Stahl damit zu bearbeiten; hierdurch ist der Stahl für uns von
unschätzbarer Wichtigkeit. Die auffälligste Eigenschaft dieses Materiales liegt
jedoch darin, dass es sich tempern lässt, d. h. dass man ihm je nach dem
Temperaturgrade, dem man es aussetzt und je nach der Zeit der Abkühlung,
jeden beliebigen Grad von Härte oder Weichheit zu ertheilen vermag.
Bekanntlich ist der Stahl im W esentlichen eine Verbindung von Eisen
mit ungefähr 1 Procent Kohlenstoff und aus seinen äusserlichen wie inner­
lichen Eigenschaften ist ersichtlich, dass diese Verbiudung weder als eine rein
chemische, noch als eine rein mechanische auftritt. Eine rein chemische Ver­
bindung kann der Stahl schon deshalb nicht sein, weil derselbe mit allen mög­
lichen Kohlenstoffverhältnissen zwischen * /4 bis 3 Procent vorkommt. Als eine
rein mechanische Verbindung darf man den Stahl deshalb nicht ansehen, weil
er die Fähigkeit besitzt, eine Härtung anzunehmen, welche weder dem Eisen
noch dem Kohlenstoff für sich allein zukommt. Hieraus ergibt sich in ganz
natürlicher Weise, dass man den Stahl als eine Verbindung oder Legirung von
metallischem Eisen mit Kohleneisen anzusehen hat, welche in jedem beliebigen
Verhältniss auftreten kann. Dieses Kohleneisen ist eine chemische Verbin­
dung von constanter Zusammensetzung, welche durch die Formel Fe^C (4 Atome
Eisen auf 1 Atom Kohlenstoff) dargestellt wird. Die bedeutendsten Metallurgen
haben nachgewiesen, dass diese Verbiudung wirklich vorhanden ist und in der
That durch die besten Sorten von Spiegeleisen repräsentirt wird. Der Berech­
nung zufolge enthält sie 5 ‘ 36 Procent Kohlenstoff. W i l l i a m s hat mehr­
fach Gelegenheit gehabt, die verschiedensten Spiegeleisensorten zu analysiren
und dabei stets gefunden, dass die im Spiegeleisen' auftretenden hochkantigen
Lamellen, welche den höchsten Grad der Krystallisation zeigen, fast genau
nach der Formel Fe^C zusammengesetzt sind. Wird angenommen, der Stahl
sei lediglich ein Gemisch dieser Verbindung mit Eisen, so wird die H ärtbar­
keit des Stahles sehr leicht erklärlich. Wir wissen, dass Eisen um so leichter
485
schmelzbar ist, je mehr Kohlenstoff es enthält. An der Grenze der Schwer­
schmelzbarkeit steht in dieser Beziehung das reinste Stabeisen und ihm gegen­
über das hochgekohlte Spiegeleisen. Noch leichtflüssiger als letzteres ist nach
dieser Theorie die Verbindung F exC. Es steht nun aber der Annahme nichts
entgegen, dass das schwer schmelzbare Schmiedeisen, bis zu einem gewissen
Grade, in einem Bade von geschmolzenem Fe^C löslich ist. Die neuere Dar­
stellung von homogenem Stahl führt uns direct zu dieser Anschauung, inso­
fern derselbe dadurch erzeugt wird, dass man Abfälle von Schmiedeisen in
einem Bade von geschmolzenem Spiegeleisen löst.
Die bis heute noch nicht ganz aufgeklärte Theorie der Cementstahlfabrication, deren hier besondere Erwähnung geschieht, weil sie von der Her­
stellung des Stahles im Allgemeinen wesentlich abweicht, findet ihr Analogon
in vielen Fabricationszweigen, wo die Oberfläche eines schwerer schmelzbaren
Metalles mit flüssigem, leichter schmelzbarem bis zu einer gewissen Tiefe
durchdrungen wird. So geschieht es bei der Galvanisirung des Eisens, bei
der Verzinnung des Kupfers, bei der Amalgamation der verschiedenen Metalle
mit Quecksilber etc. Nehmen wir nun an, dass beim Einpacken von Schmied­
eisen in kohlehaltigen Substanzen und darauf folgendem Glühen sich zunächst
an der Oberfläche F e ^ C in mindestens teigigem Zustand bildet, welches in
dem Masse, wie es entsteht, von dem festen rothglühenden Eisen absorbirt
wird, so ist damit die Darstellung des Cementstahles erklärt.
Wir wissen, dass in jedem Körper ein geringerer oder grösserer Grad von
Molekularanziehung vorhanden ist, welcher sich bei festen Körpern bis zur Sprö­
digkeit steigern kann. Wenn nun auch Schmiedeisen in-geschmolzenem F e i C
löslich ist, so wird doch bei abnehmender Temperatur ein Zeitpunkt eintreten,
bei welchem ersteres erstarrt, während letzteres sich noch in halbflüssigem oder
plastischem Zustand befindet. Da nun Flüssigkeiten sich während der Ab­
kühlung stärker zusammenziehen, als feste Substanzen, so muss eine so hete­
rogene Masse, wie Schmiedeisen und F e ^ G, unter gleichen Umständen eine
heftige Molekularanziehung durch den Widerstand erzeugen, welchen das er­
starrte Eisen der grössern Zusammenziehung des halbflüssigen Kohleneisens
entgegensetzt. Und hierin ist die Erklärung für das Härten des Stahles
gegeben.
Flüssige Substanzen ziehen sich bei einer Temperaturverminderung nicht
nur stärker zusammen als feste, sondern es findet auch ein gewisses Verhält­
nis s zwischen der Ausdehnung und Zusammenziehung der festen Substanzen
selbst statt. Im Allgemeinen haben leichtflüssige Körper einen grössern Ausdehnungs- Coefficienten, als schwerschmelzbare. So dehnt sich Stahl stärker
aus als Schmiedeisen und Gusseisen mehr als Stahl, unter den Roheisensorten
aber Spiegeleisen am stärksten. Es ist nun leicht begreiflich, dass bei lang­
samer Abkühlung einer Mischung von Schmiedeisen mit F e ^ C das erstere
während der Zusammenziehung durch letzteres allmälig in solche Formen und
Dimensionen zusammengequetscht oder ausgezogen w ird, welche seinen Mole­
kularverhältnissen besser entsprechen, als wenn die Abkühlung plötzlich er­
folgt, und so erhalten wir die Erklärung von der Eigenschaft des Stahles, bei
langsamer Abkühlung weich zu werden. Nach obiger Auseinandersetzung muss
gehärteter Stahl ein geringeres specifisches Gewicht haben als ungehärteter,
was wir auch überall bestätigt finden. G m e 1 i n gibt das specifische Ge­
wicht von gehärtetem Gusstahl zu O '6578 an und von nicht gehärtetem zu
486
7 *9288; ebenso ist es bekannt, dass weicher Stahldraht noch durch ein Loch
gesteckt werden kanti, welches er nach dem Härten nicht mehr zu passiren
im Stande ist.
Wenn die Theorie der Molekularanziehung des Stahles richtig is t, so
müssen ähnliche Anziehungskräfte auch bei anderen Metallmischungen wirksam
sein, und in der That ist dies so allgemein der F all, dass man es als ein
physikalisches Gesetz aufstellen darf: Wenn zwei Metalle von verschiedener
Schmelzbarkeit mit einander vermischt werden, so ist der Härtegrad der Legirung grösser, als die mittlere Härte beider Mischungstheile, gewöhnlich sogar
grösser, als derjenige des härtern von beiden. Dies finden wir in der Praxis
beim Spiegelmetall, Kanonenmetall, Glockenmetall, bei der Bronze und anderen
Verbindungen von Kupfer mit Zinn und Zink etc.
Noch bessere Analogien bieten die Verbindung des Eisens mit anderen
Metalloiden. Schwefel und Eisen bilden verschiedene chemische Verbindungen,
unter denen uns namentlich das Einfachschwefeleisen durch seine Eigenschaft,
das Eisen rothbrtichig zu machen, bekannt ist. Phosphor verbindet sich mit
dem Eisen in allen Verhältnissen und liefert ein sehr hartes, leicht schrnelziges Product, so dass man lange Zeit geglaubt hat, durch Verschmelzen beider
Körper Stahl erzeugen zu können; doch ist dasselbe so brüchig, dass es den
Stössen und Erschütterungen, welchen Werkzeuge ausgesetzt zu sein pflegen,
nicht widersteht. Die Eigenschaften, wrelche Silicium dem Eisen verleiht, sind
den durch Kohlenstoff bewirkten so ähnlich, dass man sogar zeitweise Silicium­
stahl erzeugt und zu Werkzeugen verarbeitet h at; derselbe enthält ebenso viel
Silicium als Kohlenstoff.
Sehr grosse Aehnlichkeit mit den Eigenschaften des Stahles und der
übrigen eben beschriebenen Verbindungen zeigt das Glas; letzteres besteht be­
kanntlich aus verschiedenen Alkalien, Erden, Metallen und Kieselsäure, je nach
dem Zwecke, welchem es dient, und die verschiedenen Grade der Schmelzbar­
keit seiner Bestandtheile bedingen die Eigenschaft, dass es je nach der Be­
handlung hart oder weich erscheint. Jedenfalls trägt die Eigenschaft, sowohl
des Stahles als des Glases, beim Uebergang aus dem festen in den flüssigen
Zustand ein Stadium der Plasticität zu durchlaufen, dazu bei, diese Eigen­
tüm lich k eit zu erzeugen. Wenn der leichter schmelzbare Stoff plötzlich aus
dem flüssigen in den festen Zustand übergeht, wie dies mit den Schwefel- und
Phosphorverbindungen des Eisens der Fall ist, so kann die Molekularanziehung
oder Brüchigkeit durch allmälige Abkühlung nicht gemässigt werden.
Probefahrten von zwei neuen englischen Torpedobooten. — Am
13. Juli d. J. fand die Erprobung von zwei bei der Firma Y a r r o w u. Comp,
für die russische Marine erbauten und später von der englischen Regierung
angekauften Torpedobooten statt. Die erzielten Geschwindigkeitsresultate über­
treffen alles, was bisher in dieser Beziehung geleistet wurde. Die Erprobung
geschah während einer zweistündigen Fahrt (ohne Stillstand der Maschinen),
in welcher Zeit die Boote 6 Touren an der gemessenen Meile machten, 3 mit
und 3 gegen den Strom.
Die beiden Boote und deren Maschinen sind in jeder Hinsicht gleich, ausge­
nommen die Schraube, welche bei einem (Nr. 419) 3-flüglig und bei dem anderen
487
(Nr. 420) 2-flüglig ist; beide Schrauben haben aber denselben Durchmesser
und dieselbe Steigung. Die Gewichte an Bord wurden genau bestimmt und
betrugen je 6 Tonnen mit Einschluss der Kohlen, des Wassers, der Beman­
nung und des Ballastes.
P r o b e f a h r t e n d e s B o o t e s Nr. 419.
Geschwindigkeit
pr. Std. n Knoten
Die erste Fahrt stromab benöthigte 2 m 36s
23 073
3 20
18 0 0 0
>> stromauf
2
stromab
35
23 226
M zweite
3 16
stromauf
18 367
??
2 32
stromab
23 684
>> dritte
3 14
stromauf
18 557
M
Mittel aus den 6 Fahrten 20*818 Knoten.
Mittlerer Dampfdruck 115 Pfund per Quadratzoll.
Vacuum 23x/ 2".
Mittlere Rotationszahl per Minute 456.
P r o b e f a h r t e n de s B o o t e s Nr. 420.
Die erste Fahrt stromab benöthigte
„
„
,, stromauf
„
„ zweite
,, stromab
,,
„
„
„ stromauf
,,
,, dritte
„ stromab
,,
stromauf
,,
2n 3 3 / 2S
3 257«.
2
32%
3
21
32
24
2
3
23-452
17-518
23- 606
17-910
23-684
17- 647
Mittel aus den 6 Fahrten 2 0 '6 3 6 Knoten per Stunde.
Mittlerer Dampfdruck 115 Pfund per Quadratzoll.
Vacuum 24".
Mittlere Rotationszahl per Minute 466.
Die grösste Geschwindigkeit ergab das Boot Nr. 419 bei der dritten
F a h rt; das Mittel aus den beiden Touren mit und gegen die Strömung war
in diesem Falle 21 12 Knoten, wobei die Maschine 470 Botationen per
Minute machte.
Während der ganzen Probefahrt zeigte sich nicht das geringste Warmlaufen.
(„Engineer.11) —x—
Benennung der neuen russischen Torpedoboote. — A usser den auf
Seite 293 dieses Jahrganges unserer „Mittheilungen“ angeführten Nam en von
85 neuen russischen Torpedobooten wurden in der letzten Zeit die Nam en von
weiteren 20 in Bau befindlichen russischen Torpedobooten verlautbart. D iese
Boote h eissen : S w i r i s t e l (der Seidenschw anz); P o d o r o s c h n i k (die Schnee­
lerche) ; G a l k a (die D o h le ); SELESEN (der E n trich ); D r a k o n (der D ra ch e);
K o s s a t k a (der N ordkapper); D e l f i n (der D e lfin ); S ir e n a (die S ir e n e ); M e t s c h
(das Sch w ert); K o p ie (der S p ie ss); J a d r o (das Geschoss) 5 B u l a w a (der
Streitkolbeu); S a m o p a l (das F eu ergew eh r); B om b a (die B om b e); R a k e t a
(die R a k ete); P a l i t z a (der S ta b ); L u k (der B o g en ); S t r j e l a (der P f e il) ;
P r a s c h t s c h (die Schleuder); S c h t y k (das Bajonet).
K.
488
Ueber die Breite der Schiffe. — Einer der jüngsten Nummern des
„Broad Arroiv“ entnehmen wir den folgenden, nicht uninteressanten Aufsatz,
den wir hiemit auszugsweise wiedergeben.
Durch nahezu zwei Jahrhunderte erhielt sich das Yerhältniss zwischen
der Länge und Breite von Schilfen fast unverändert; es betrug 3 bis 2>x/„ : 1
und erreichte nur bei den schnellsten Schiffen, wie Aviso’s oder Depeschen­
schiffe, die Höhe von 4 : 1 .
E rst im Anfänge der zweiten Hälfte dieses Jahrhundertes begann man
die Längen und die Tonnengehalte sowohl der Handels- als Kriegsfahrzeuge
beträchtlich zu vergrössern.
Bis zu dieser Zeit hatte ein regelmässiges, aber nur sehr allmäliges
Wachsen dieser Dimensionen stattgefunden.
Yom Jahre 1670— 1719 war der Tonnengehalt (.Builders measurement)
eines 100 Kanonenschiffes von 1550 auf 1869 Tonnen gestiegen; das Jahr 1745
fand dieselbe Schiffskategorie mit 2000 Tonnen; bis 1786 hatte ein weiteres
Fortschreiten auf 2500 und bis zum Jahre 1850 auf 2800 Tonnen statt­
gefunden. Kurz vor der Einführung der Panzerschiffe hatte das grösste Linien­
schiff eine Länge von 273', eine Breite von 59', einen Tonnengehalt von
4100 und ein Deplacement von 6700 Tonnen. Der Tonnengehalt der grössten
Kriegsschiffe war also in 180 Jahren von 1500 auf 4000 Tonnen, und das
Yerhältniss der Länge zur Breite von 3 : 1 auf 4Y 7 : 1 angewachsen.
Seit dem Jahre 1860 jedoch fand im Schiffbauwesen in Bezug auf die
erwähnten Dimensionsverhältnisse ein bedeutend rapideres Fortschreiten statt,
als in den verflossenen 200 Jahren zusammen.
Der erste kühne Schritt geschah mit dem Bau des Gr e a t E a s t e r n ,
welcher nicht weniger als 692' lang und 83' breit ist, bei einem Deplacement
von nahezu 30.000 Tonnen. Dieses Riesenschiff gibt das fast unmittel­
bare Resultat der Anwendung des Eisens als Baumaterial und des Dampfes
als Motor.
Der W a r r io r , welcher kurz darauf für die Kriegsmarine gebaut wurde,
hat eine Länge von 380' und eine Breite von 58'. Wir sehen hier mit diesen
zwei Schiffen im Beginne der Sechziger Jahre die Verliältnisszahlen der Längenund Breitendimensionen ummittelbar von B1/^ und 4 : 1 auf 8 x/ 3 : 1 und 6 y Q: 1
steigen. Gegenwärtig gibt es viele Ocean-Dampfer, bei welchen dieses Verhältniss 10— 10Y 2 : 1 beträgt. Der Dampfer A d r i a t ic , von der White Star
Line, ist 4 3 5 1/ 2/ lang, 4 1 2/ 3' breit und hat 8250 Tonnen Deplacement.
Auf den W a r r io r folgten der A g in c o u r t , Min o t o u r und N o r t h ­
mit 4 0 0 ' Länge und 5 9 1/3; Breite, ein Verhältniss von 6 3 / 4 : 1 ;
dies ist das höchste bis jetzt in der Kriegsmarine angewendete Dimensionsverhältniss und wir zweifeln, dass dasselbe je wieder erreicht werden wird.
Seit der Vollendung dieser Schiffe zeigte sich eine stetige Tendenz zur Ver­
minderung der Längen und Vergrösserung der Breiten der Kriegsschiffe. Der
I n f l e x i b l e , unser grösstes Panzerschiff, ist 324' lang und 75' breit, ein
Dimensionsverhältniss von 4Y 3 : 1 , mithin ungefähr dasselbe, welches vor An­
wendung des Eisens und Dampfes in der Kriegsmarine üblich war.
um berland
Wir erwähnen diese Facten im Hinblick auf die Controversen, welche
während der letzten Jahre in Marinekreisen über die Frage entstanden,
489
ob es wünschenswert sei, mit der VergrÖsserung der Breiten der Schiffe
noch weiter zu gehen.
Yor dem T h u n d e r e r , der De v a s t a t io n und dem D r e a d n o u g h t gab
es kein Schiff, welches die Breite von 60' erreicht hätte; die ebengenannten
Schiffe sind alle etwas über 62' breit, und nun war man bei dem I n f l e x i b l e
mit einem Schritt auf 75' übergegangen.
Die russischen Popoffka’s sind in dieser Beziehung noch merkwürdiger;
sie baben, wie bekannt, gleiche Länge und Breite.
Der N o w g o r o d misst 101', der Y i c e -A d m ir a l P o p o f f 121/ im Diameter
und ersterer läuft mit einer Geschwindigkeit von 7 Knoten per Stunde. Die
russische Regierung hat sogar beabsichtigt, eine 320' im Durchmesser haltende
Panzerbatterie zu bauen, mit welcher Admiral Popoff eine Schnelligkeit von
14 Knoten zu erreichen hoffte. Wir wissen aber bis jetzt noch von keinen
Versuchen oder ermittelten Widerstandsgesetzen, welche diese Erwartung
irgendwie rechtfertigen würden.
Nach Mr. S c o t t R u s s e l ’s Wellenlinientheorie, welche vor ungefähr
fünfzehn Jahren allgemein als richtig angenommen wurde, war es unmöglich
mit einem Schiffe eine gegebene Geschwindigkeit unter auch nur annähernd
ökonomischen Bedingungen zu erzielen, wenn das Yor- und Achterschiff nicht
eine bestimmte Länge hatten, und die Linien derselben nicht in bestimmten,
genau angegebenen Curven verliefen.
Mr. R e e d , damals Chef-Constructeur der Kriegsmarine, ging mit einemmale wreit von der bisherigen Regel a b ; er zeigte, dass es möglich sei, einem
Schiffe, welches 5 — 5 Y2mal so lang als breit ist, bei ökonomischem Verbrauch
von Brennmaterial eine Schnelligkeit von 14 Knoten per Stunde zu ertheilen.
Aber weder R e e d noch sonst Jemand dachte an die Möglichkeit, dass ein
kurzes, breites Schiff bei grossen Geschwindigkeiten einen geringeren Wider­
stand im Wasser erfahre, als wenn dasselbe lang und schmal gebaut ist.
Und doch ist dies der Pall. Mr. F r o u d e hat vor ungefähr 10 Jahren zur
Ermittlung der Gesetze der Widerstände im Wasser, der Stabilität, der Roll­
bewegungen etc. der Schiffe Experimente in grossem Masstabe unternommen,
von welchen unstreitig die Widerstandsgesetze des Wassers bei verschiedenen
Formen, Dimensionsverhältnissen und Geschwindigkeiten den grössten prak­
tischen W erth haben.
Als ein Beispiel der merkwürdigen Ergebnisse dieser Untersuchungen
wollen wir jene anführen, welche den I n f l e x i b l e betreffen. Dieses Schiff
ist, wie bereits erwähnt, 324' lang und 75' breit. Der Gesammtwiderstand
im Wasser bei 12, 13" und 14 Knoten Fahrgeschwindigkeit beträgt 21, 2 6 ‘ 6
und 35 2 Tonnen. Wenn man den I n f l e x i b l e 102' breit gemacht und
ihm entsprechende Linien gegeben hätte, so würde der Widerstand bei den­
selben Geschwindigkeiten 2 1 ' 8 , 2 6 ’4 und 32*1 Tonnen betragen haben. Man
ersieht somit hieraus, dass das 102' breite Schiff bei 12 Knoten Schnelligkeit
einen etwas grösseren Widerstand im Wasser erfahren hätte, als jenes von
75' Breite; bei 13 Knoten wäre der Widerstand praktisch der gleiche, jedoch
bei dem breiteren Schiffe schon etwas geringer; bei 14 Knoten Fahrgeschwin­
digkeit hätte aber der 102' breite Körper ta tsä c h lich um 3 Tonnen oder
8 l / 2 Percent weniger Widerstand zu überwinden, als das schmälere. Die respectiven Deplacements der beiden verglichenen Schiffe würden 11.090 und 12.260
490
Tonnen betragen, woraus man entnehmen kann, dass die grössere Breite des
letzteren schärfere Bug- und Achterlinien zur Folge hätte.
Thatsächlich adoptirte Mr. F r o u d e auch als günstigste Form für den
geringsten Widerstand im Wasser eine scharfe hohle Bug- und Achterform und
ein kurzes breites Mittelschiff.
Die sonstigen Vortheile einer grossen Breite bei Kriegsschiffen sind
ziemlich einleuchtend und lassen sich in wenigen Worten, wie folgt, zusammen­
fassen : erhöhte Stabilität, Reduction der Flächen der horizontalen Deckpanzer
unter W asser, sowie auch jener der Seitenpanzer, vortheilhafte Ausnützung
der breiten Seitenräume für Passagen, Zellen und wasserdichte Abtheilungen,
und endlich vermehrter Raum zur Bedienung von Geschützen schweren Kalibers*).
Es ist zwar nicht unmöglich, dass wieder Umstände eintreten, welche
lange schmale Schiffe erfordern; v o r dieser Periode aber werden wir bestimmt
schon manches breitere und vielleicht kürzere Schiff gebaut haben, als der
In f l e x i b l e .
— x—
Neue schwere amerikanische Kanone. — Das Ju li-A u g u st-H eft der
nJRivista m arittim m bringt einen, dem rHeraldu von Washington entnom­
menen Artikel folgenden Inhalts:
Das Artillerie - Departement hat eine s c h w e r e g e z o g e n e K a ­
n o n e vo n 305mfm K a l i b e r und 40.500 Kilogr. Gewicht erzeugt, die
jetzt der vorgeschriebenen Erprobung zu Sandy Hook unterzogen wird.
Das R o h r aus Gusseisen ist mit einer Lage schmiedeiserner Fretten ver­
sehen , hat eine Seelenlänge von 5 ‘ 57
und lagert in einer Laffete
neuester Construction. Diese vereint alle modernen Vervollkommnungen,
welche behufs Verringerung des Rücklaufes und zur Erleichterung des
Ladens und der Manipulation ersonnen wurden.
Die R e s u l t a t e , welche mit diesem Geschütze bis jetzt erhalten
w urden, sind sehr befriedigend. Man kann daher — trotz der be­
schränkten Zahl der bis nun gemachten Schüsse — schon behaupten,
dass die Panzerwirkung dieser Kanone, wenn nicht grösser , so doch
ebenso gross ist, als jene der gleichkalibrigen Geschütze aller Nationen.
Hiezu träg t namentlich die grosse Bohrungslänge und die Beschaffen­
heit der Projectile und des Pulvers bei.
Nun ergeht sich »Heraidu in •Vergleichen über die Bohrungs­
längen, die Ladungen, die Geschossgewichte und die anfänglichen leben­
digen Kräfte der Projectile, zieht aber zum Vergleiche Material heran,
das längst nicht mehr mustergiltig ist und es zum Theile — wie der
25 Tonnen schwere englische 1 2 -Zoller Nr. III — auch nie war.
Selbstverständlich ergibt sich aus den, überdies oft unrichtigen Daten
dieses sonderbaren Vergleichs folgendes Resultat: die neue amerikanische
Kanone ist den besten Fabrikaten Englands und Krupp’s mindestens
ebenbürtig, denn sie ertheilt einem 315 Kilogr. schweren Geschosse mit
4 9 ‘5 Kilogr. Ladung eine Energie von 9551 Fusstonnen (2958 Meter­
tonnen).
*) Der einzige übrigens nicht unbedeutende Nachtheil solcher Schilfe wäre die
geringe Breite der jetzt vorhandenen Docks, welche kaum mehr für den I n f l e x i b l e
ausreichen.
491 '
12" Arm­
strong.
Versuchs­
kanone
Engl. 12Zöller
Marke II
Jedenfalls ist diese Leistung respectabel, aber dem nIlerald« können wir
nicht beipflicbten, wie ein Blick auf die nachstehende Zusammenstellung beweisst.
® cL
o
za
0
§ s
£3 *p cö
<joM
Hl M
Benennung
Q
^ co
30 ‘ 5 % -Kan.
3 04-8
304*8
305
305
305
K aliber.............................. mU
35- 6
39 6
35- 6
38- 7
40*5
Rohrgewicht. . . Metertonnen
72
49- 8
81- 5
72
49*5
Ladung....................... Kilogr.
336
333
317
317
315
Geschossgewicht . . . .
n
Energie des Geschosses an der
3783
3911
4244
2534
Mündung. . . . Metertonnen 2958
Energie des Geschosses per
52- 5
58-9
4 8- 0
59- 7
50*9
Kilogr. Pulver Metertonnen
Diese Zahlen sagen deutlich, dass das amerikanische Geschütz blos dem
englischen 12-Zöller, Marke II etwas überlegen ist, den drei übrigen Rohren
aber weit nachsteht. Nur in einer Hinsicht, nämlich in der Ausnützung des
Pulvers als Triebmittel, wäre nach den Daten der vorstehenden Tabelle die
amerikanische Kanone im Vortheile, was bei der relativ kleinen Ladung dieses
Geschützes ganz begreiflich ist.
Sc.
Neue Steuerung. — Linienschiffs - Capitain F r e v e der franz. Marine
hat einen elektro-magnetischen Apparat erdacht, durch welchen die Steuerung
der Maschine von der Commandobrücke aus zu leiten sein soll. Diese Erfin­
dung wurde der Pariser Akademie der Wissenschaften am .20. Juli vorgelegt.
(wMoniteur de la Flottek.) y.
Marine-Reserve Englands. — Ueber die Bildung der Reserve für die
englische Kriegsmarine gab der Vertreter der Regierung in der Parlaments­
sitzung vom 15. März d. J. gelegentlich der Vorlage des Marinebudget die
folgenden Details: Die erste Reserve bilden die Coast Guard Service, be­
stehend aus älteren ehemaligen Unterofficieren. Sie werden in ihrem Dienst
durch kriegsuntaugliche Leute ersetzt. Der Stand derselben ist gegenwärtig
332 Officiere und 3968 Mann. Die zweite Reserve, die sogenannte königliche
Marine-Reserve, theilt sich in zwei Classen. Die erste besteht aus 12.135 Mann
der Mercantilmarine, welche 10 £ 10 sh. jährlich erhalten und alljährlich zu
den Uebungen einberufen werden. Die zweite Classe, 5479 Mann stark, sind
die Fischer. Letztere erhalten 7 £ 17 sh. jährlich und verpflichten sich für
5 Jahre auf den ersten Befehl in den Dienst zu treten. Endlich eine dritte
Reserve, 850 Mann stark, wird alljährlich einberufen und erhält während dieser
Zeit die volle Gebühr. Die Uebungen der dritten Reserve dauern 14 Tage.
Die Freiwilligen der Marine - Artillerie zur V erteidigung der Küste bestehen
aus 1025 Mann und kosten dem Lande 1500 £ .
y.
492
N achtsignal- Apparat für Kriegsschiffe. Hiezu Fig. 3, 4, 5 Tafel VII.
Mit diesem Apparat bezweckt man, in der Nacht bei möglichst geringem Aufwande an Zeit und Arbeit ein intensives Signallicht zu erzeugen. Als Leucht­
stoff wird hiezu Petroleum verwendet, welches in Form eines künstlich er­
zeugten Nebels mit grosser Geschwindigkeit durch eine ringförmige Spiritus­
flamme getrieben, von derselben entzündet und im Luftstrome verbrannt wird.
Der Apparat setzt sich zusammen aus der Vorrichtung zur Erzeugung eines
kräftigen Luftstromes, aus einem Mechanismus zur genauen Vertheilung der
Menge des zur Verbrennung gelangenden Leuchtstoffes und aus der Spiritus­
lampe, in welcher derselbe zur Verbrennung gebracht wird. Die Zeichnungen
auf Taf. VII stellen den Apparat in Fig. 3 in der äusseren Ansicht, in Fig. 4
im Verticaldurchschnitt durch die Behälter für Petroleum und Spiritus dar und
veranschaulichen auch die innere Einrichtung des Dochtes und der Stellvor­
richtung.
Die am Apparat gut befestigten Luftpumpen « , al dienen zur Erzeu­
gung eines kräftigen Luftstromes; durch Drehen an den Handkurbeln b, by
wird atmosphärische Luft in den Windkessel c gepresst. Ueber dem Wind­
kessel befindet sich der Petroleiimbehälter d , darüber der Spiritusbehälter e
und die Spirituslampe. Das Rohr f ist durch die Achse der Behälter d und e
geführt, mündet oben in den Brennraum der Spirituslampe und unten in den
Windkessel. Durch Lüftung der Verschlusschraube an der Füllöffnung des
Petroleumbehälters kann die gepresste Luft im Apparate abgeblasen werden;
auch kann man an Stelle der Verschlusschraube ein Manometer aubringen, um
den Druck im Apparate zu messen. Der Handgriff li des Drehschiebers g
dient als Signalgeber, und man öffnet oder schliesst mit demselben die Aus­
mündung o : in ersterem Fall strömt Luft und Petroleumdampf, durch die
Spirituslampe entzündet, in mächtiger Flamme aus; im zweiten wird beides im
Apparate zurückgehalten. Die Luftröhren i (Fig. 4) stehen mit dem Petro­
leumbehälter und dem Windkessel in Verbindung, daher in beiden die gleiche
Luftspannung vorhanden ist. Der Petroleumbehälter steht ausserdem mittels
der Rohrstücke l (Fig. 4) mit dem ringförmigen Hohlraum in Verbindung, welcher
durch die hohle Petroleumspindel 1c in dem Rohr f abgetheilt ist. Das Pe­
troleum wird dadurch zugleich mit der Luft, die dem Windkessel entströmt,
aus. der geöffneten Mündung o herausgeblasen und fein zerstäubt. Den Zufluss
des Petroleums zum Lichtstrom regulirt man durch die Spindel h, weshalb sie
in ihrer Achsrichtung durch Schraube ohne Ende und Schneckenrädchen mit­
tels Knopf m von aussen verstellbar ist. Es kann sonach der Ausgangscanal
des Petroleums zur Ausmündung o je nach Erforderniss geöffnet werden.
Die Spirituslampe dient zur Entzündung des im Luftstrome zerstäubten
Petroleum s; der ringförmige Spiritusbehälter e communicirt nur durch das Ver­
bindungsrohr s mit dem Dochtcylinder p ; letzterer ist mit Muttergewinde ver­
sehen, in welche die am unteren Ende befestigte Dochtschraube q eingreift.
Durch Zapfen und Nuthführung an dem Rohre f ist diese Dochtschraube am
Drehen verhindert, und es kann somit durch Rechts- oder Linksdrehung des
Dochtcylinders mit dem Dochte dieselbe herauf oder herunter geschoben werden.
Es geschieht dies mit Hilfe einer Radspindel, deren Stellkopf n sich ebenfalls
an der Aussenseite des Apparates befindet. Die Messinghülse u dient zum
Schutze des Drehschiebers g und ist obeu in den Runddocht eingelegt. Der
Brenncylinder r ist über die Spirituslampe eingeschraubt und das Schutzblech t
493
über den Brenncylinder geschoben. Dadurch wird der Spiritusbehälter gegen
die Wärmestrahlung der Apparatflamme geschützt. Unterhalb der Verschluss­
thür zum Brennraum der Spirituslampe ist der Spiritusbehälter mit einer
kleinen Oefl'nung x (Fig. 3) versehen. Es wird hierdurch der Entstehung
eines Gasdruckes im Spiritusbehälter vorgebeugt und mit ihm der schädlichen
Einwirkung auf das ruhige Brennen der Spirituslampe. Der trichterförmige
Aufsatz v dient zum Schutze der Apparatflamme ; ebenso der Windschirm w
(Fig. 5) bei stürmischem Wetter.
Soll nun mit dem Apparat signalisirt werden, so wird zuerst die Spi­
rituslampe angezündet; es kann dies innerhalb ihres weiten Brennraumes
selbst bei stürmischem Wetter mit einem Schwefelholz geschehen, wenn man
nur die Vorsicht gebraucht, den Docht vorher mit einigen Tropfen Spiritus
oder Terpentinöl zu befeuchten. Brennt die Lampe, die erst nach einiger Er­
wärmung eine zur Entzündung des Petroleums genügende Flamme gibt,
so werden die Luftpumpen in Bewegung gesetzt und die Luft im Apparat
so stark verdichtet, wie dies mit der gegebenen Kraft zu ermöglichen
ist. Eine Gefahr für den Apparat ist hierbei nicht zu befürchten, da derselbe
genügende Sicherheit bietet, um einem Druck von 12 Atmosphären zu wider­
stehen. Es ist nun beim Signalisiren besonders darauf zu achten, dass der
Signalhebel li mit Euhe und sicherer Hand gehandhabt wird, daher ein heftiges
Oeffnen und Schliessen des A bsperrventils gänzlich zu vermeiden. Mit Hilfe
der Stellschraube m, deren Kopf wie gesagt nach aussen am Apparat vorsteht,
regulirt man nun den Petroleumzufluss so, dass durch Verbrennung desselben
im Luftstrome eine intensive weisse Flamme entsteht. Da eine unvollständige
Verbrenuung des Petroleums eine matte Flamme mit schwarzem Rauch an den
Spitzen derselben zur Folge hat, so ist jede Rauchbildung zu verhindern. Das
Auslöschen der Spiritusflamme nach Beendigung des Signalisirens wird bewirkt
durch Einlegen des Verschlussdeckels r v (Fig. 3) in den Windschirm.
Der in Vorstehendem beschriebene Signalfeuer - Apparat ist seit einiger
Zeit auf den Schiffen der deutschen Marine eingeführt und bewährt sich nach
dem Urtheil der Sachkenner in so ausgezeichneter Weise, dass •— wie uns
mitgetheilt wird — auch andere Seemächte demselben ihre Aufmerksamkeit
zuwenden, um ihn ebenfalls einzuführen. Derselbe ist eine deutsche Erfindung
und wurde in der mechanischen Werkstätte des königl. Laboratoriums in Spandau
construirt und ausgeführt.
(„Dingiers polyt. J o u r n a l “)
Lafargue’s hydraulischer Steuerapparat. (Hiezu Fig. 1 u. 2 ,Taf. VH.) —
Dem itEngineers entnehmen wir nachfolgende Beschreibung nebst Zeichnung
einer hydraulischen Steuervorrichtung, welche in der britischen Abtheilung der
Pariser Weltausstellung im Modell ausgestellt ist.
Der Ruderstamm a trägt oben einen mit Rinnen oder besser gesagt
Zügen versehenen Kragen I) , welcher mit dem Stamm durch Keile und schmiede­
eiserne Ringe am oberen und unteren Ende fest verbunden ist. Diese Züge
verlaufen derart schief an der Aussenfläche des K ragens, dass die geringste
Hebung oder Senkung der Gleitstücke d d eine drehende Bewegung des Ruders
hervorbringen muss. Die Gleitstücke sind an dem Kreuzkopf c befestiget,'
494
welcher durch die hohle Kolbenstange li mittelst hydraulischem Drucke auf den
Kolben e auf- und abbewegt wird , wobei die Führungsstangen g die Gleit­
stücke zwingen, diese Bewegung in geradliniger Eichtung zu vollführen.
Die Verbindung des unteren Cylinderraumes mit dem Accumulator, in
welchem ein constanter Druck erhalten wird, ist immer offen. Auf die obere
Kolbenfläche jedoch kann durch eine Eohrleitung mit Ventil hydraulischer
Druck ausgeübt, oder die Verbindung mit Aussen hergestellt werden.
Nachdem nun die obere Kolbenfläche viel grösser ist als die untere, so
wird im ersten Falle eine Bewegung des Kolbens nach abwärts, und im zweiten,
in Folge des constanten Druckes von unten, eine Bewegung nach aufwärts statt­
finden, respective durch die sich in den Zügen verschiebenden Gleitstücke eine
entsprechende Drehung des Kuders erzeugt werden.
Durch eine sehr einfache Vorrichtung wird jede dem Euder mitgetheilte
Bewegung von einem auf der Brücke installirten Indicator angezeigt, welcher
auch zur Eegulirung des Wasserdruckes dient.
Die Pumpe für diesen Zweck ist von der einfachsten Construction; die
bei dem Modelle angewendete ist eine doppelt wirkende Handpumpe und nimmt
einen Eaum von 2 — 3 ^ ' ein. Dieselbe kann im Maschinenraum aufgestellt
und mit Dampf betrieben werden.
— x—
Chaudre’s Wasserstandzeiger mit Schwimmer. (Hiezu Fig. 6 und 7,
Tafel VII). — Die Aufgabe, die Bewegung eines im Kessel schwimmenden
Hohlkörpers auf einen Zeiger ausserhalb des Kessels mit Vermeidung von
Stopfbüchsen zu übertragen, ist bei einer von C h a u d r e in Paris patentirten
und in Fig. 6 und 7, Taf. VII veranschaulichten Construction auf recht sinn­
reiche Weise gelöst.
Der Schwimmer A hängt an einem Winkelhebel B, dessen aufwärts ge­
bogener gegabelter Schenkel das kugelförmige Ende einer Stange C umfasst.
Diese ist mit dem einen Ende eines sie theilweise umschliessenden dünnen
Kupferrohres E verlöthet, dessen anderes Ende dampfdicht im Boden des mit
dem Dampfraum des Kessels in Verbindung stehenden Gehäuses F befestigt
ist. Das durch das Kupferrohr in’s Freie tretende Ende der Stange C ist
ebenfalls gekugelt und greift in eine stark steigende Schraubennuth des an
der Achse des Zeigers H. sitzenden Cylinders Gr. Bei jeder Aenderung des
Wasserstandes erfährt die Stange C unter gleichzeitiger Durchbiegung des
Kupferrohres E eine kleine Schwingung, welche eine entsprechende Drehung
des Nuthcylinders und Zeigers zur Folge h at; die Lage des letzteren lässt
dann auf dem Zifferblatte D den jeweiligen Wasserstand im Kessel erkennen.
Diese Apparate, welche die so oft wieder verlassene Anwendung des
Schwimmers zur Wasserstandsanzeige neuerdings und vielleicht erfolgreicher
in Aufnahme bringen dürften, werden von Im e r und B r e u n i n g in Bern
geliefert.
(v Dingier's polytechnisches Journal.«)
495
Beobachtete Strömungsverhältnisse im Suezcanal und daraus g e­
zogene Folgerungen. — Herr von L e s s e p s hielt in der Pariser Akademie
der Wissenschaften einen Vortrag über die Strömungen im Suezcanal, von
welchem wir hier einen Auszug geben.
nUm verlässliche Daten zu erhalten, hat die Gesellschaft längs des ganzen
Canals von Port Said bis Suez Stationen errichtet, an welchen seit dem Mo­
nate Mai 1871 die sorgfältigsten Beobachtungen ausgeführt werden. Der Chef­
ingenieur L e m a s s o n sammelte das Beobachtungsmateriale und arbeitete auf
Grund desselben sein »Regime des eaux dans le canal maritime de Suez,
et ä ses embouchures«. Er behandelt darin sehr ausführlich folgende Punkte:
1. Untersuchung der Fluth und Strömungen vom Mittelmeer in Port Said.
2 . Dieselbe Untersuchung bezüglich des rothen Meeres und Suez.
3. Die Fortpflanzung der Fluth des mittelländischen und rothen Meeres
im Canal.
Der Timsah- und die Bitterseen bilden zwei grosse Regulatoren, in
welchen die Fluthströmungen zur Geltung kommen. Vom Monat Mai bis October
erheben die herrschenden N- und NW-Winde das Niveau von Port Said, während
sie jenes von Suez herabdrücken. Unter dem Einflüsse dieser Niveaudifferenz,
welche im September 40 Centimeter erreicht, entsteht während des Sommers
eine zwar durch die Fluth modiflcirte Strömung, welche jedoch trotz des letzteren
Umstandes grössere Wassermassen von Norden nach Süden treibt. Im Winter
dagegen sind die Südwinde die vorwiegenden, das Niveau des rothen Meeres
steht höher und die grösste Niveaudifferenz beträgt im Jänner 30 Centimeter;
die Richtung der Strömung ist dann natürlich Nord.
Durch diese fortwährenden Strömungen wird eine jährliche Wassermasse
von 400 Millionen Kubikmeter in Bewegung gebracht, welche der Verdun­
stung des Wassers an der Oberfläche der Seen förmlich das Gleichgewicht hält,
indem sie zur Auflösung der Salzbänke in denselben viel beiträgt.
Die Localströmungen, verursacht durch die F luth, erreichen eine Ge­
schwindigkeit von 0 15 bis 0 ‘45*"/ per Secunde; manchmal erreichen sie
selbst 0 *50 bis 0 ' 60 . Zwischen Suez und den Bitterseen ist die Geschwin­
digkeit 0*60 bis 1 * 1 0 7"/ und kann sogar bis 1 *30 ^ steigen. Diese Strö­
mungen sind von keinem Belang für die Navigation. Die bei den Salzbänken
der Bitterseen ausgeführten Lothungen ergaben, dass diese Bänke in Auflösung
begriffen sind. Es zeigt dies, wie unrichtig die Behauptung w ar, dass die
grossen Salzanlagerungen mit der Zeit den Canal unschiffbar machen werden.
(nComptes rendus.«) y.
Geschichte der österreichisch - ungarischen Monarchie, das ist die
Entwicklung des österreichischen Staatsgebildes von seinen ersten Anfängen
bis zu seinem gegenwärtigen Bestände. Ein Volksbuch von M o r i t z S me t s .
Wien, A. Hartleben. 1878.
496
Es war sicher ein ganz richtiger Gedanke, dem grossen Publicum ein
nach Darstellung und Inhalt entsprechendes Handbuch der vaterländischen Ge­
schichte zu bieten, da ein solches thatsächlich nicht vorhanden ist. Aber
gerade der Umstand, dass es sich um eine populäre Schrift, um einen histo­
risch ungeschulten Leserkreis handelte, machte die völlig richtige Lösung- der
Aufgabe keineswegs leicht. Wenn wir auch dem Verfasser des oben bezeich­
n te n Werkes die Anerkennung nicht versagen können, dass er die besten
und neuesten Quellen zu Rathe zog und den umfangreichen Stoff zu bewältigen
verstand, so können wir doch nicht das gestellte Ziel völlig erreicht finden.
Und der Grund hievon liegt hauptsächlich schon in dem Mangel einer klaren
Uebersicht des historischen Stoffes. Gerade die grosse Menge wird aus einer
Darstellung der eigenen Geschichte nur dann den rechten und bleibenden Nutzen
ziehen, wenn sich ihr die hauptsächlichsten Entwicklungsmomente scharf ein­
prägen, wenn also die Darstellung bemüht ist, die grossen Linien dem Leser
einzuprägen, welche gleichsam das Gerüste des ganzen Aufbaues bilden. S m e t s'
Buch liest sich vielfach ganz fliessend, aber es verhilft in keinerlei Weise dem
Leser zum Festhalten des Gelesenen und ein populär-wissenschaftliches Werk
soll diesen Zweck niemals aus dem Auge verlieren, denn das Publicum, für
welches derlei Werke bestimmt sind, bedarf der Leitung. Hinsichtlich des In­
haltes wollen wir nur bemerken, dass es vielleicht besser gewesen wäre, den
Stoff in der gewohnten Weise mit dem Jahre 1815 abzuschliessen, als die
Zeit von da ab in jener flüchtigen und systemlosen Weise zu behandeln, wie
es in der Schlusslieferung geschehen ist. Die Ausstattung des Buches ist gut;
auch mangeln nicht die herkömmlichen Illustrationen, aus denen freilich die
historische Volksbildung keinen wesentlichen Vortheil ziehen wird. — ß —
--------
Berichtigung.
Heft VIII, Seite 404, Zeile 12 von oben lies: z w e i t h e i l i g e n statt zweitseitigen.
B e i l a g e n : Kundmachungen für Seefahrer, Nr.28—33. 1878. — Hydrographische
Nachrichten. Nr. 13—16. 1878. — Meteorologische Beobachtungen am hydrographischen
Amte der k. k. Kriegsmarine, Juli 1878. —
Verlegt, herausgegehen und redigirt vom k. k. hydrographischen Amte (Mariiie-Hibliotliek).
Druck von Carl Gerold’s Sohn in Wien.
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