MITTHEILUNGEN AUS DEM GEBIETE DES SEEWESENS. VOL. VI. 1878. NO. IX. Chronom eter-Studien und Anwendung der W ahrscheinlichkeits-Theorie a u f die C hronom etrie*). Von E u g e n G e le ic h , k. k. Linienschiffs-Fähnrich. Einleitung. Nimmt man die tägliche Aenderung des Chronometerganges als constant an, so bilden die Chronometerstände eine arithmetische Eeihe zweiter Ordnung, deren Anfangsglied der Stand zu einer gewissen Zeit ist, und für welche die Anfangsglieder der Differenzreihen der Gang und die Aenderung des Ganges zur gegebenen Zeit bezeichnen. Es sei St der Stand zu einer gegebenen Zeit; S0 sei der Stand, g der Gang und / l g die Aenderung des Ganges zur Zeit t, so hat man folgende Gleichung: St — S0 4 - g t +• — ^ 1g woraus folgt: St — S0 t — 1 Will man den Gang und die Aenderung des Ganges bestimmen, so ge­ nügt e s , die Chronometerstände zu drei verschiedenen Zeiten zu beobachten, um zwei Gleichungen mit zwei Unbekannten aufzustellen. Bei der Ausführung der hiefür nothwendigen Beobachtungen schleichen sich aber bekanntlich unver­ *) Benützte Quellen: „Becherches sur les Ghronometres“, herausgegeben durch das Depot des cartes et p la n s de la M arine, Service des Ghronometres; „Becherdies sur les variations dela m a rch e des P endules et des Ghronometres“ par M. A r is t id e L ie u s s o u ; „E xpeditions Ghronometriques de 1845 et 1846“ par Otto S t r u v e ; H a g e n : „W ahrscheinlichkeits-Theorie“; L it t r o w detto; C o n d o r c e t: Application de Vanalyse ä la Probabilite des decisions; Sa w it s c h : „Methode der kleinsten Q u a ­ drate“ ; B rü n n o w : „Sphärische A stronom ie“ ; Einige Hefte der „Zeitschrift fü r P hysik u n d M athem atiku. 28 434 meidliche Beobachtungsfehler ein, welche theils durch die Unvollkommenheit der Instrumente, theils durch persönliche Eigenschaften des Beobachters verur­ sacht werden und im Allgemeinen die Genauigkeit des Resultates nach­ theilig beeinflussen. Diese Fehler werden bald positiv, bald negativ sein, und es ist Aufgabe der Wahrscheinlichkeits-Theorie, dieselben gehörig zu berück­ sichtigen, um aus den erhaltenen Beobachtungsdaten das richtigste Resultat zu ermitteln. Wir schalten gleich hier die Bemerkung ein, dass solche Fehler, wenn sie gewisse Grenzen überschreiten, nicht mehr die Gesetze und Regeln der Wahrscheinlichkeits-Theorie befolgen, ebenso wenig als bei derselben constante, durch mangelhafte Kenntniss oder durch sorglose Vorprüfung des Instrumentes entstehende Fehlerquellen berücksichtigt werden. Wir setzen viel­ mehr voraus, dass der Sextant z. B. bezüglich seiner Güte gehörig geprüft und richtig befunden wurde, und dass die bei jeder Beobachtung aufs neue zu ermittelnden Fehler, als Indexfehler und Stellung des kleinen Spiegels, mit der grössten Gewissenhaftigkeit constatirt wurden. Die Grösse der zufälligen Beobachtungsfehler anzugeben, ist eine reine Unmöglichkeit. Zweifelsohne unterliegt, wie alles in der Natur, auch die Grösse dieser Fehler, so wie die Häufigkeit ihres Vorkommens gewissen bestimmten Gesetzen, die wir nicht kennen oder deren Ursachen uns nicht klar sind. Schein­ bar enthält dieser Satz einen Widerspruch, da wir früher vom zufälligen Beobach­ tungsfehler sprachen, diesen Zufall aber nachträglich als die Wirkung einer ganz bestimmten Ursache bezeichnen. In der eigentlichen Bedeutung des Wortes jedoch kennen wir den Zufall nicht und nennen jene Ereignisse zufällig, welche durch Ursachen herbeigeführt werden, deren Zusammenhang wir nicht zu fassen im Stande sind. »Alle Ereignisse« sagt J. J. L i t t r o w in seiner Einleitung zur Wahr­ scheinlichkeits-Theorie »selbst diejenigen, die durch ihre Geringfügigkeit uns ganz zufällig und von den grossen Gesetzen der Natur völlig unabhängig er­ scheinen, sind doch ohne Zweifel eine ebenso nothwendige Folge derselben ewigen Gesetze, als es die Bewegung der Sonne und aller Körper des Himmels nur immer sein kann. Nur unsere Unkenntniss des Zusammenhanges dieser Erscheinungen mit jenen Gesetzen des Weltalls lässt uns die einen derselben von bestimmten Endursachen, die ändern aber von dem blinden Zufalle ab­ hängig m achen, je nachdem sie in einer bestimmten und sichtbaren Aufein­ anderfolge, oder aber ohne irgend eine uns bemerkbare Ordnung vor sich zu gehen scheinen. Die erwähnten, übrigens oft nur eingebildeten Endursachen werden allmählig, wie sich die Grenzen unserer Kenntnisse erweitern, immer mehr und mehr zurückgerückt und sie verschwinden nur zu oft gänzlich vor dem klaren Blick des Verstandes, der in den meisten dieser Endursachen nur den Ausdruck der gänzlichen Unkenntniss erblickt, die uns die wahren Ur­ sachen jener Erscheinungen vielleicht für immer zu verbergen droht.« Wenn wir beim Spiel einen Würfel werfen, so ist es Zufall, welche von den sechs Seiten aufgeworfen wird. Werfen wir aber den Würfel 10000mal nacheinander, so bemerken wir schon im Erscheinen der einzelnen Seiten eine auffallende Regelmässigkeit. W ären wir im Stande bei jedem Wurfe die Bewegung unserer Hand, die Flugbahn des Würfels, die Art des Auffallens etc. genau zu berechnen, so könnten wir mit Bestimmtheit Voraussagen, welche der sechs Seiten aufgeworfen wird. Ebenso verhält es sich mit der Grösse des Beobachtungsfehlers. Könnten wir die Genauigkeit im Einstellen der Be­ 435 rührung der Bilder und in der Ablesung mit mathematischer Schärfe angeben, würden wir das, bei der Beobachtung und beim Entstehen der zufälligen Beob­ achtungsfehler am meisten mitbetheiligte Organ, das Auge nämlich, genau kennen, so würde es möglich sein, die zufälligen Fehler auf das präciseste zu berechnen. Der mathematischen Wissenschaft, welche die tiefsten Geheimnisse der Natur zu erforschen gesucht, ist es gelungen, wenigstens gewisse Gesetze über das Vorkommen dieser Fehler, über ihre wahrscheinliche Grösse, über ihre Be­ ziehung zum Resultate, zum wahrscheinlichsten Werthe desselben etc. aufzu­ stellen; kurz durch das unermüdliche Wirken der Gelehrten G a u s s und L a p l a c e hat man es dahin gebracht, aus einer Reihe von Beobachtungen den wahrschein­ lichsten Werth des Resultates herleiten zu können, eine Errungenschaft, deren sich das 19. Jahrhundert rühm t, und welche besonders der Astronomie und Geodäsie zu Gute gekommen ist. Man hat versucht, die WahrscheinlichkeitsTheorie auf die Erscheinungen in der geistigen und moralischen Welt auszu­ dehnen, und wenn die Fortschritte nach dieser Richtung keine grossen Dimen­ sionen erreicht haben, so ist der Grund darin zu suchen, dass wir bezüglich der bewegenden Ursachen noch viel zu wenig wissen, dass die übrigen Wissen­ schaften nicht genug vorgeschritten und die nothwendigen statistischen Daten viel zu mangelhaft sind. Wird man seinerzeit über reichhaltiges Materiale ver­ fügen, so wird es möglich sein, die stattgehabte Wahrscheinlichkeit der meisten Erscheinungen nachträglich zum mindesten zu fixiren. Aehnlich wie die geschicht­ lichen Begebenheiten dem Culturhistoriker zur Erreichung seines Zweckes dienen, ebenso wie er aus den nackten Thatsachen in der Geschichte der Menschheit auf den Grund ihres Erscheinens zu kommen versucht, auf gleiche Art trachtet die Mathematik mit den statistischen Daten in der Hand bestimmte Gesetze aufzustellen. Die Culturgeschichte weist nach, dass die Anzahl der Heiraten in einem ganz bestimmten Yerhältniss zur Korn- oder Kartoffelernte, zum wirthschaftlichen Aufschwung etc. steht; der -Culturhistoriker beweist uns haarklein, dass der Untergang der Griechen und Römer nur so kommen konnte, wie ihn die Geschichte erzählt; er zeigt uns, dass die grossen Revolutionen der Eng­ länder und Franzosen die Wirkungen ganz bestimmter Ursachen w aren, und trachtet die in der Geschichte sich wiederholenden Erscheinungen in einen gewissen Zusammenhang zu bringen. Genau dasselbe thut die Mathematik, wenn sie die Gesetze der Natur durch trockene Formeln darzustellen versucht. B u c k l e b rin g t, wie eben erwähnt, die Anzahl der Heiraten in ein gewisses Yerhältniss zur Kartoffelernte, L a m b e r t und D u v i l l a r d dagegen stellen eine Sterblichkeitsformel auf. Erreichen von lOOOO Leuten, welche geboren werden, y das Alter von x J a h re n , so gibt L a m b e r t folgende Beziehung dieser drei Grössen zu einander: x y = 10000 ( - —gg— ) 2— 6176 \ e 13*682 Verschiedene Werthe von x ergeben dann ebenso viele Werthe von y, nach welchen man die bekannten Sterblichkeits-Tabellen anfertigen kann. Wir unterlassen es, hier noch andere ähnliche interessante Fälle zu citiren, wie z. B. die Wahrscheinlichkeit der Richtersprüche, der Wahlergebnisse etc., um so bald als möglich zu unserem eigentlichen Thema zu kommen. Bei der Ausführung astronomischer oder geodätischer Messungen haben wir weder statistische Daten zur Verfügung, noch kennen wir die Anzahl der 436 möglichen, oder der einer gewissen Erscheinung günstigen Fälle, und deshalb erfordert die Lösung der diesbezüglichen Aufgaben eigene Betrachtungen. Eine sehr merkwürdige und sonderbare Erscheinung in der Geschichte der Mathe­ matik ist di e , dass es einigen Gelehrten noch vor Entdeckung der W ahrscheinlichkeits - Theorie in ihrer Anwendung auf die Beobachtungen gelang, gewisse Bedingungsgleichungen aufzustellen, durch deren Auflösung sie die Verbesserung des Beobachtungsresultates sehr genau ermittelten. Hiefür liefern d i e , Mitte des 18. Jahrhundertes berechneten Mayer’schen Mondtafeln ein schönes Beispiel. Jeder Gelehrte hatte hiebei seine eigene Methode vorzugehen, ein allgemeines Gesetz kannte man nicht. L e g e n d r e machte eineu ersten Versuch, Thatsachen der Praxis auf mathematische Wahrheiten zu basiren, G a u s s sollte aber erst die Schöpfung vollenden. L a p l a c e hat mehr das Ver­ dienst, die Richtigkeit der Gauss’schen Regeln für die Fälle der Praxis nach­ gewiesen zu haben, während E n c k e als Apostel der Gauss’schen Theorie durch seine Abhandlung im nBerliner astronomischen Jahrbuches sehr zu ihrer Ver­ breitung beigetragen hat. Es kann nicht in unserer Absicht liegen, an dieser Stelle die ganze Wahrscheinlichkeits-Theorie ableiten za wollen. W ir werden uns auf die Her­ leitung der Grundpricipien beschränken und hauptsächlich jene Regeln an­ führen, welche wir zur Anwendung dieser Theorie in der Chronometrie ge­ brauchen. Vor allem Anderen stellen wir uns folgende Frage: Welchen Nutzen kann der Nautiker aus der Wahrscheinlichkeits-Theorie schöpfen? Es wird gewiss Niemand dem Seefahrer zumuthen wollen, dass er in See bei einer Positionsbestimmung den wahrscheinlichen Fehler seiner Länge oder seiner Breite berechne. Bei der schwankenden Unterlage, bei der Mangel­ haftigkeit in der Genauigkeit beobachteter Kimmabstände, bei der Unvollkom­ menheit des Kartennetzes, der Geschwindigkeits- und Richtungs-Messinstrumente etc. etc. kann wohl von einer derart minutiösen Genauigkeit nicht die Rede sein. Ganz anders verhält es sich mit jenen Beobachtungen, welche im Hafen ausgeführt werden, und welche wir in eine Gruppe für sich als v o r b e r e i ­ t e n d e R e c h n u n g e n für die eigentliche Navigation fassen und ansehen. Noch mehr Genauigkeit kann diesen hochwichtigen, für die Navigation vom grössten Einfluss bleibenden Vorrechnungen von jenen Instituten gewidmet werden, deren Hauptsorge es ist, die Chronometer zu beobachten, während sie noch am Lande sind, oder in Beobachtung zu erhalten, während das Schiff im Hafen- liegt. Es ergeben sich hiebei folgende Aufgaben: 1 . 2. 3. Versuch Formeln Die Ermittlung des Chronometerstandes und des Ganges. Die Bestimmung des Verlässlichkeitsgrades für mehrere Chronometer. Die Erforschung der Ursachen in der Aenderung des Ganges, und der diese Aenderung in ein Gesetz zu bringen oder womöglich durch auszudrücken. Den ersten Punkt glauben wir nicht näher beleuchten zu müssen. Was die zweite Aufgabe anbelangt, so pflegt man bei grösseren Expeditionen mehrere Chronometer an Bord zu nehmen und sich dann nach jenem zu richten, dessen Gang der regelmässigste ist. Die Wahrscheinlichkeits-Theorie belehrt uns jedoch eines besseren. Beobachtet man nämlich das Verhalten der Uhren, so lange noch das Schiff im Hafen liegt, oder besser noch auf den Beobachtungs­ stationen (Stern- oder Seewarten), so ist man im Stande P r ä c i s i o n s F a c t o r e n zu bestimmen, mit deren Hilfe man aus den verschiedenen gleich­ 437 zeitigen Angaben der Chronometer die wahrscheinlichste Zeit des ersten Meri­ dians erhält. Wo viele Chronometer in Beobachtung sind, kann man ferner aus den fünf- oder zehntägigen Gängen eine förmliche Präcisions-Scala anlegen, nach welcher man auf den ersten Blick ein Urtheil über die Güte jeder Uhr, eventuell eine richtige Wahl der besser brauchbaren treffen kann. Die dritte Aufgabe soll die Unregelmässigkeiten des Ganges behandeln. Wir sagten eingangs unserer Abhandlung, der Stand nach t Tagen wäre bei Annahme einer regelmässigen Aenderung des Ganges durch die Gleichung gegeben : St = S0 -f- g t -4— —2 — " d 9 deren Differentiation nach g und Zig uns zum Resultat f — t d g -f - ---- - d /lg führt. Angenommen, ein Schiff lauft vom Canal mit der Bestimmung nach einem der südamerikanischen Häfen aus; ein solches Schiff, welches wochenlange nicht in die Gelegenheit kommt seinen Stand zu controliren, fährt bis zur Ankunft im nächsten Hafen mit dem zuletzt ermittelten Gange, ohne zu berücksichtigen, dass, um den Stand nach 60 Tagen auf nur 5 Zeitsecunden genau zu erhalten, man nach obiger Differentialgleichung die Aenderung des Ganges auf Zeitsecunde genau kennen müsste*). Die Controle des Chronometers durch Monddistanzen ist zwar in der Theorie sehr schön, wird jedoch in der Praxis gewiss nicht einmal von fünf Procent der Seefahrer angewendet. Nicht genug, dass die Schwie­ rigkeit in der Ausführung der Beobachtung nicht unbedeutend, dass die Rech­ nung sehr unbequem und lange ist, es tritt noch der Umstand dazu, dass der Beobachtungsfehler gleich dreissigfach vergrössert in das Resultat übergeht. Es mag sonderbar scheinen, wenn man in einer wissenschaftlichen Abhand­ lung auf Bequemlichkeit der Rechnung Rücksicht nimmt; unsere Ansicht geht aber dahin, dass gerade bei der Behandlung eines nautisch - mathematischen Stoffes dieser Factor gar nicht unbedeutend ist, sondern dass man im Gegentheil bei der Wahl und Besprechung der nautisch - astronomischen Methoden stets den Verhältnissen des bewegten Seelebens, u. z. nicht in letzter Linie, Rechnung tragen soll. Der Navigationsofficier hat in den seltensten Fällen bloss seine Beobachtungen und Rechnungen auszuführen; dieselben bilden zwar seine Hauptsorge, viele andere Verrichtungen warten jedoch noch seiner, und man würde ihm zuviel zumuthen, wollte man von ihm erwarten, dass er seinen Chro­ nometer durch häufige Beobachtung vou Monddistanzen controlire. Wer die Verhältnisse des Seelebens nicht nur allein vom Hörensagen, sondern aus eigener Erfahrung kennt, wird uns gewiss nicht widersprechen. Der berühmte Ad­ miral K r u s e n s t e r n traute den Monddistanzen soviel, dass er zu einer Längenbestimmung auf der Insel Kiusiu nicht weniger als 1028 Beobachtungen ausführen liess, und Admiral S m y t h befürwortet seine Längenangaben dadurch, dass er ausdrücklich erwähnt, keine einzige Längenbestimmung sei durch Beob­ achtung von Monddistanzen ausgeführt worden. Als der Gelehrte Tobias Ma y e r den Seefahrern die Längenbestimmung durch Monddistanzen so warm empfahl, hatte er jedenfalls nur einen sehr schwachen Begriff von den Verhältnissen des *) T e g e t t h o f f ’s „Compendium der D ifferential- u n d In te g r a lr e c h n u n g S. 56 438 Seelebens: er war eben der Gelehrte, welcher nur mit den Augen der Wissen­ schaft sah. Dass das englische Parlament mit englischer Freigebigkeit die Ver­ besserung der Mondtafeln belohnte*), würden wir nie zu tadeln wagen, indem die Monddistanzen schliesslich doch noch immer das einzige Mittel sind, um den Chronometer in See zu controliren, sobald man solche Aenderungen des Ganges vermuthet, dass durch dieselben die Navigation gefährdet werden könnte. Könnte man durch einfacheres Vorgehen auf eine kürzere und verlässlichere Art den Gang controliren, so würde gewiss jeder Seefahrer Tag für Tag, ebenso wie die Positionsbestimmung, auch diese Rechnung ausführen. D ie S c h w a n k u n g e n d e s C h r o n o m e t e r g a n g e s s i n d d u r c h a u s n i c h t d e r a r t , d a s s di e S t ä n d e e i n e a r i t h m e t i s c h e R e i h e z w e i t e r O r d n u n g b i l d e n w ü r d e n . Diese Schwankungen sind bekanntlich die Folge unregelmässiger Schwingungen der Unruhe, welche den Hauptbestandtheil des Chronometers bildet. Vom Triebwerk in Gang erhalten, soll sie in Folge ihrer regelmässigen Schwingungen durch die Hemmung derart auf das Räderwerk wirken, dass die Umläufe jedes Rades des letzteren in gleichen Zeitintervallen erfolge. Heftige Stösse, häufige Transporte, Temperatursveränderungen, wahr­ scheinlich der Erdmagnetismus, die E lektricität, endlich die verflossene Zeit sind lauter Factoren, durch deren Einfluss die Schwingungen der Unruhe alterirt werden. Was die Stösse, Transporte etc. anbelangt, so kanu weder Wissenschaft noch Construction dagegen wirken. Nur die gehörige Vorsicht in der Behand­ lung dieser Instrumente kann helfen, und wir werden darüber ausführlicher im dritten Theil unserer Abhandlung sprechen. Schlägt der Blitz ein, macht man Stürme durch, fährt man längere Zeit bei bewegter See, so bleibt nichts übrig als mit grösster Vorsicht das Land anzulaufen, eventuell — unserer Ansicht nach jedoch als letztes Mittel und nur unter Beobachtung derselben Vorsichten und unter Anwendung gerechtfertigten Misstrauens — Monddistanzen zu beobachten. Alle diese Gewaltfactoren werden wir an passender Stelle nochmals be­ sprechen. Hier haben wir uns mit jenen Fehlerquellen zu beschäftigen, bei welchen eine Anwendung theoretischer Principien noch möglich ist, nämlich mit der Temperatursveränderung und mit der verflossenen Zeit. Die erhöhte Temperatur dehnt die durchgehends aus Metall erzeugten Bestandtheile des Mechanismus aus, wodurch die Schwingungsamplitude der Unruhe geändert wird, während sich gleichzeitig im Laufe der Zeit durch das successive Vertrocknen des Oeles die Reibung vermehrt. Sind Einflüsse der Reibungselektricität oder des Magnetismus vorhanden, so kann man mit einiger Wahrscheinlichkeit an­ nehmen, dass die hiedurch bedingten Störungen in irgend einem uns unbe­ kannten Verhältniss zur Zeit stehen, d. h. dass sie irgend eine Function der Zeit bilden. Die Compensation der Unruhe hat zwar den Zweck, den Chronometer gegen die Temperatur unempfindlich zu machen, allein die Erfahrung beweist uns, dass an eine vollständige Compensation nicht zu denken ist. Bei ge­ wöhnlichen Taschenuhren fällt oft die Regelmässigkeit des Ganges bei ver­ schiedenen Temperaturen auf. Der Grund hiefür ist darin zu suchen, dass bei *) Vergleiche F r e e d e n : „Lehrbuch der N autili u n d ihrer H ilfsw issenschaften“ Seite 369. 439 einer gewöhnlichen Taschenuhr das Oel den Einfluss der Temperatur auf folgende Art compensirt: dehnen sich durch die Wärme Schwungrad und Feder aus, so vergrössert sich der Halbmesser des ersteren und die Länge der letzteren, wodurch die Dauer der Schwingungen verlängert und der G-ang der Uhr verlangsamt wird. Gleichzeitig dehnt sich aber auch das Oel aus, die Flüssigkeit vertheilt sich mehr im ganzen Mechanismus, die Oscillationen der Unruhe werden förmlich freier, und die Uhr hat das Streben vorzueilen. Beim Chronometer kann diese Wirkung des Oeles wegen der grösseren Dimensionen des Mechanismus’ nicht zur Geltung kommen. Die Verwendung der Spiralfeder als Regulator sollte nach theoretischen Grundsätzen den Einfluss der Vertrocknung des Oeles neutralisiren. Ist die Spiralfeder kurz gehalten, so sind die grösseren Schwingungen viel rascher als die kleineren, ist aber die Spiralfeder lang, so findet das Umgekehrte statt. Für jede Spiralfeder muss es daher eine Länge geben, bei welcher grosse und kleine Schwingungen in derselben Zeit vollbracht werden, und in der That sucht man die Länge der Spiralfeder für jede Uhr durch Versuche zu be­ stimmen. Mehr oder weniger wird man sich der geeigneten Länge nähern, ohne sie, ausser durch blossen Zufall, vollständig erreichen zu können. Bei frisch geölten Chronometern beträgt die Schwingungsamplitude 415°, nach drei Jahren soll dieselbe auf 330° heruntergehen*). Auch die Lage der metallenen Massen bei der Compensation wird empirisch bestimmt. Nicht genug, dass derlei empirische Bestimmungen nie exact ausfallen können, ist es noch sehr die Frage, ob eine Unruhe, welche z. B. bei 0° und 30° gleich schwingt, d. h. welche für 0°— 30° compensirt ist, gegen die zwischenliegenden Temperaturen unempfindlich bleibt. So kann es der Fall sein, dass die Uhr von 0° — 15° zurückbleibt und von 15° an wieder voreilt, um bei 30° Temperatur genau so zu gehen, wie bei 0°. Der Mechaniker allein kann die gewünschte Genauigkeit nie erreichen und es muss daher die Wissenschaft zu Hilfe eilen. Diese Auf­ gabe bildete das Studium vieler Fachautoritäten; so beschäftigten sich damit vorzüglich A r a g o , Bo r da, S t r u v e u. A. Da wir die Gesetze, nach welchen die unregelmässigen Schwankungen vor sich gehen, nicht kennen, werden wir diese letztere in Anbetracht ihrer Kleinheit als zufällige Erscheinungen ansehen, und mit Hilfe der Wahrschein­ lichkeitstheorie zu Schlüssen gelangen, welche, wenn auch bis heutzutage weniger berücksichtigt, im Laufe der Zeit, nach Ansammlung einer gehörigen Menge von Beobachtungsmaterial und nach Vervollkommnung der Mechanismen, doch vielleicht zu einer bedeutenden Geltung kommen werdeu. Könnte man in dieser A rt bequemere und verlässliche Formeln aufstellen, so würde dem Seemann gewiss sehr damit gedient sein, und die Anwendung der Monddistanzen würde dann auf die abnormsten Fälle beschränkt bleiben. I. Die Grundprincipien der Wahrscheinlichkeits -Theorie. 1. A l l g e m e i n e G r u n d s ä t z e . Wir haben gesehen, dass bei Annahme einer constanten Aenderung des Ganges, die Chronometerstände eine arithmetische Reihe zweiter Ordnung bilden, aus welcher der Stand für eine beliege Zeit t durch die Gleichung: *) L i e u s s o u , „Becherches sur les variations de la mar che des Pendules ecc.“ Seite 27. 440 St = s„ + gt + f ( f 2 ** zf <7 gegeben ist. Kennt man den Stand zu einer Zeit t J, so hat man die zwei Gleichungen mit zwei Unbekannten: St - S 0 t — 1 — S0 tt — 1 . 0 = -----p - 2- -------- ^ - 4 9 p==_J aus welchen durch einfache Auflösung # und z / g gefunden werden. Wir haben aber gesagt, dass durch das Zusammentreffen verschieden­ artiger Umstände jede Beobachtung mit gewissen Fehlern behaftet ist, und dass diese Fehler die Gesetze der Wahrscheinlichkeits-Theorie befolgen. Ist die Anzahl der Gleichungen und der Unbekannten gleich gross, so erhält man zwar bestimmte, jedoch vom Beobachtungsfehler beeinflusste Resultate, indem eine Berücksichtigung dieser Fehler auf keine Art möglich ist. Man wird daher mehr Beobachtungen ausführen müssen, als die Zahl der Unbekannten beträgt. Hat man eine Grösse nur einmal gemessen, so ist ihr wahrscheinlichster Werth derjenige, den man aus der Messung erhält. Ist aber die Messung oder Beobachtung wiederholt worden, so ist anzunehmen, dass die zufälligen Fehler bald positiv, bald negativ sein werden, ebenso wie z. B. beim Ziehen der Kugeln aus einer Urne, in welcher sich verschiedenfarbige Kugeln befinden, bald die eine,'bald die andere Farbe zum Vorschein kommt. Bildet man das Mittel aller Beobachtungen, so wird man bemerken, dass die Abweichungen vom Mittel bald positiv, bald negativ, bald grösser, bald kleiner werden, dass jedoch kleine Abweichungen vorherrschend sind. Bei Berücksichtigung nur zufäl­ liger Ursachen können wir daher sagen, dass positive und negative Abwei­ chungen gleich oft Vorkommen, und dass die Grösse eines Fehlers in gewissen Beziehungen zur Wahrscheinlichkeit seines Vorkommens steht. Das nun Fol­ gende stützt sich auf diese Voraussetzungen, und wir gehen zur Herleitung der, von G a u s s in der nT Jieoria m o tu s c o rp o ru m co ele stiu m u entwickelten Grundsätzen der Wahrscheinlichkeits-Theorie über. Nehmen wir an, wir hätten zwei Beobachtungen ausgeführt. Der zu­ fällige Beobachtungsfehler kann beide Male positiv oder negativ, oder das eine Mal positiv, das andere Mal negativ sein. Wenn wir uns daher die Möglich­ keit desVorkommensbildlich gruppiren, so haben wir: 1. Beobachtung n 2. Oder weil dieReihenfolge n + -f- — — -j- — -}- — des Vorkommens für uns keine Bedeutung hat: 1. Beobachtung 4- -f- — . r> u - 1- — — 2 Daher die W ahrscheinlichkeit, dass der Fehler beider Beobachtungen positiv sei 4 -, dass er negativ sei ebenso dass er einmal positiv, das andere Mal negativ ausfalle 2 X t = b Bei drei Beobachtungen hätten wir folgende Gruppirung: 1. Beobachtung + 4 “ -i- — H — — 2. n n -f- -j- — -j- — - |- — 3. 77 77 -j- --- -|— “I- — ---- “f“ --- 441 Die W ahrscheinlichkeit, dass der Fehler immer positiv sei, ist dass er immer negativ sei, ebenso Sind die Fehler verschiedenartig, so lassen sich die Fälle wie folgt zusammenziehen: 4~ 4~ + - und die Wahrscheinlichkeit für zwei positive und einen negativen Fehler = v n n n n einen positiven 7? zwei negative n = -f. » Bei vier Beobachtungen hätte m an: + + + + + + + -------- + 4- ~ - - Es fällt schon hier eine gewisse Regelmässigkeit im Vorkommen der positiven und negativen Fehler auf, die uns an ein sehr bekanntes Gesetz er­ innert. Bezeichnen wir nämlich mit a die positiven, mit b die negativen Fehler, und setzen wir die Zahlen, welche das Vorkommen derselben bedeuten, den Grössen a und b als Exponenten bei, so haben wir bei zwei Beobachtungen die Fälle: a? — — — ab &2 bei drei Beobachtungen: 44- 4+ 4- -------- a 3 a?b a b 2 ö3 etc. Allgemein daher bei n Beobachtungen: + + - + + + . anAb 4- — + . an' 2b <1 4- - 4— + . - + + 4 -- - a w'3ö3 + - . a 2 bn~2 4 -- - a b " '1 bn an a 3 &M'3 Die Wahrscheinlichkeit des Vorkommens ist bei zwei Beobachtungen: 4_ j 1 für _|_ , j\ oder . . . x* oder ^2 UUÖX a” 1 . ---n ^ j » _ } » n ab .... \ n — -----I ” 7,2 442 bei drei Beobachtungen: für c r> n n daher bei n Beobachtungen: 1 für an „ a n'x b . . an-2 yz ^_ O ■• •• 2« •••• 2 « Das Gesetz ist nicht mehr zu verkennen. Die Wahrscheinlichkeit, dass bei n Beobachtungen der Reihe nach n positive; ( w — 1) positive, ein ne­ gativer; (n — 2) positive, zwei negative etc. Fehler begangen werden, ist gleich einem Bruche, dessen Nenner zwei auf die wte Potenz ist, dessen Zähler der Reihe nach 1, (”), («), (»). . .etc. bedeutet. Das Gesetz somit, nach welchem sich die Ausdrücke für die Wahrscheinlichkeit der verschiedenen Verbindungen bilden, ergibt sich unmittelbar aus der Potenzirung eines Binoms. Man sieht daraus, dass die Wahrscheinlichkeit des Zusammentreffens lauter positiver oder negativer Fehler am kleinsten ist, dass diese Wahrscheinlichkeit umsomehr steigt, je mehr sich die Zahl positiver Fehler jener der negativen nähert und ihr Maximum bei gleichen positiven und negativen Fehlern erreicht. Da ferner die Binomial-Coefficienten von der Mitte der Reihe nach beiden Enden immer gleich sind, ist auch die Wahrscheinlichkeit des Zusammentreffens gleichartiger Combinationen dieselbe. So z. B. können bei vier Beobachtungen drei positive und ein negativer Fehler mit derselben Wahrscheinlichkeit Vorkommen, als ein positiver und drei negative. Dasselbe Gesetz kann auch für die Grösse des Fehlers abgeleitet werden. Der zufällige Beobachtungsfehler ist, wie gesagt, nie die Folge einer ein­ zigen Ursache, er setzt sich vielmehr aus verschiedenen Fehlern zusammen, die in allen Theilen der zur Beobachtung angewandten Instrumente, in der An­ wendung derselben und in persönlichen Eigenschaften des Beobachters Vor­ kommen. Der Fehler in jeder Messung oder Beobachtung stellt sich daher aus einer sehr grossen Anzahl elementarer Fehler zusammen , welche Anzahl um so grösser wird, je weiter man auf die entfernteren Fehlerquellen zurück­ 443 geht. Wir schliessen aus den bisherigen Herleitungen, d a s s de r B e o b ­ a c h t u n g s f e h l e r di e a l g e b r a i s c h e S u mm e e i n e r u n e n d l i c h g r o s s e n A n z a h l e l e m e n t a r e r F e h l e r i s t , di e a l l e g l e i c h e n W e r t h h a b e n u n d e b e n s o l e i c h t p o s i t i v , wi e n e g a t i v s e i n k ö n n e n . Soll der Fehler d bei n Beobachtungen £>inat Vorkommen, so ist seine Wahrscheinlich­ keit, die wir durch w bezeichnen wollen: w — V —. n Nach den gemachten Voraussetzungen können wir nun behaupten, dass, wenn A eine gewisse Grenze überschreite!;, w — 0 w ird, dass für Ä = 0 iv sein Maximum erreicht und dass w — w 4 wird, wenn z/ = — z/ ist. A us: V w = — n folgt: p = w . n. Daher für den Fehler <4, . . . p — w 4n u n n d , , . . . p = iv44n r n n z1m . . . p = wm n. Die Summe der Anzahl aller vorkommenden Fehler von 0 bis oo jedenfalls gleich der Anzahl der Beobachtungen, daher: ist iv, n -f- w , , n -f- ivtn n -)- . . . -f- w m n — n woraus iv, iv,, -j- w ,,, — J— . . . — |—w m — 1 was wir kurz, durch (Z (w) = 1 bezeichnen. Diese Gleichung sagt uns, dass die Summe aller vorkommenden Fehler gleich der Einheit ist. Für die Grösse des Fehlers müssen Grenzen angegeben sein, zwischen welchen dann die E (w) zu nehmen sein w ird; weil wir aber gesagt haben, dass die Wahrscheinlichkeit für z /, welche eine ge­ wisse Grenze überschreiten, ohnedem gleich Null ist, können diese Grenzen ganz allgemein von — oo bis -f- oo angenommen werden, daher: +» » £(W) = 1. — CO Stellen wir uns eine Eeihe vor, deren Glieder die einzelnen zufälligen Beob­ achtungsfehler, deren Differenz die Fehlereinheit, oder besser den elementaren Fehler bedeuten, so werden die Wahrscheinlichkeiten jedes einzelnen Fehlers ebenfalls eine Reihe bilden, in welcher die Glieder unendlich langsam ab­ nehmen. Die Anzahl der möglichen Fehler ist unendlich gross, es folgt daher, weil £ (iv) = 1 ist, dass die einzelnen w unendlich klein sein werden, d. h. wir können, in­ dem wir für w eine andere Ausdrucksform wählen, von den endlichen Grössen zur Betrachtung unendlich kleiner Grössen übergehen. 444 Die Wahrscheinlichkeit für das Eintreffen irgend eines von mehreren, sich gegenseitig ausschliessenden Ereignissen, ist bekanntlich gleich der Summe der absoluten Wahrscheinlichkeiten der einzelnen Ereignisse. Soll nun ein Fehler in den Grenzen /J und /I -|- d A liegen, so ist die Wahrscheinlichkeit dieser Annahme gleich der Summe aller zwischen diesen Grenzen gelegenen absoluten Wahrscheinlichkeiten. Sind p, q, r . . . die den einzelnen Fehlern günstigen Fälle, n die Anzahl der Beobachtungen, so ist die Wahrscheinlich­ keit des Vorkommens irgend eines Fehlers W a h r s e h . = * + g + r + .: v . n Liegen aber die Grenzen des möglichen Fehlers unendlich nahe anein­ ander, wie dies für A und A d A der Fall ist, so kann man die einzelnen Wahrscheinlichkeiten zwischen diesen Grenzen constant annehmen. Dieser Punkt wird viel einleuchtender, sobald man zu den, heutzutage so sehr be­ liebten und immer mehr gebrauchten graphischen Constructionen Zuflucht nimmt. Trägt man alle zwischen A und A , enthaltenen Fehler auf die Gerade O X als Abscisseuaxe auf, und errichtet dann die Ordinaten m n , p q , rs etc. Figur 1. derart auf 0 1 , dass dieselben die Wahrscheinlichkeit der Fehler o\m, op, or etc. bedeuten, so erhält man durch Verbindung dieser Punkte die W a h r sc h e i nlic h ke it s c ur ve . Die Curve umfasst alle möglichen Fehler von x — — oo bis cc— 4- oo; die Wahrscheinlichkeit, dass irgend einer derselben Vorkommen wird, ist Ge­ wissheit (wobei der Fehler auch Null sein kann), daher gleich 1. Die Summe der sämmtlichen Ordinaten dieser Curve muss demnach gleich 1 sein. Indem man von den Linien zu den Flächen übergeht, stellt sich diese Summe am ein­ fachsten dadurch dar, dass man jede Ordinate m it d x multiplicirt, d. h. es ist die Summe sämmtlicher Ordinaten durch den Ausdruck + <» j ydx — 1 C O gegeben. 445 Macht man von 0 1 = 4 aus, t u = d A , so ist die Wahrschein­ lichkeit, dass der Fehler zwischen den Grenzen a und b enthalten sei, gleich der Fläche v z t u , oder wenn wir diese Wahrscheinlichkeit mit a bezeichnen: b J to d d Die Wahrscheinlichkeit des Zusammentreffens mehrerer Ereignisse ist gleich dem Producte aus den absoluten Wahrscheinlichkeiten für das Ein­ treffen der einzelnen Ereignisse. Ist nun der wahrscheinlichste Werth einer Grösse x aus n Beobachtungen a , &, c, d . . . etc. zu bestimmen, so ist ci -I- ^ ®4 “ ■• • n Die einzelnen Fehler sind: a — x — A b — x = A, c — x = A f, etc. Aus d -4—b c -4- . . . x — — ------ 1------------n folgt dann: (a — x) -(- (b — x) -f- (c — x) -f- . . . = 0 Die Wahrscheinlichkeit des Eintreffens der Fehler A A , /.1,, . . . etc. ist: a) W = w, . w„ . io,,,............ und es wird jenes x das wahrscheinlichste sein, für welches W den grössten W erth erreicht, d. h. wenn der Differentialquotient der Function W in Bezug auf x, also Cl X = 0 wird. Logarithmirt man die Gleichung a ), so erhält man : log W — log w, -|- log wn -f- log w,„ -f- . . . woraus durch Differentiation folgt: d lo g W = d log w, -f d log w„ - f d log w,,, Soll W ein Maximum erreichen, so muss: d log W d log w, d log w„ dx dx dx d log w„, dx __ sein, oder d lo g w , äA, dx 'dA, d lo g w„ d A r, dx ' d A ,, . d lo g io,n d A , „ dx ' d A , ,, Es ist aber allgemein: d (a — x) dx dA dx dx dx daher: d log iv, d A, dlog to, + d log w,„ _ o d A ,„ ^ 446 Multiplicirt und dividirt man alle Glieder der Gleichung durch d , und setzt man für die einzelnen A ihre Werthe, so erhält man: (« — x) a [a , + X) — ( » - , ) „ (b — d ^ * " - - S + x ) d (b — - x) = 0- Setzt man: d lo g to, (a — (T — x') d ( a — x ) d log w „ ' x ) d ( b — x) ~ etc. so folgt: Cf (a - x) - f c„ (b — x) + c,„ (c — x) + . . . — und wir hatten: (a — x) -f- (b — cc) (c — x) ... = 0 . 0 Die Auflösung der Klammern in den letzten zwei Gleichungen ergibt: a c, - f b c„ - f c c,„ 4 - . . . — x {c, -I- c„ -\- c,„ 4 - ...) — 0 und a b -\- c . — n x — 0. Aus diesen zwei Gleichungen folgt: x = a c, 4 - b c„ -f- c c,„ 4 - . . . c, 4 - e„ 4 - c,n 4 - • • und a 4- &4- c 4* n Sollen beide Gleichungen bestehen, so muss Cf —= c,f = cfn = . . . sein, denn man hat für diesen Fall (et 4 - & - f c 4 - . . . ) c, nc, und a 4- b 4 - c 4~ • n Wir setzen in der Folge für c, = c„ = c„, — . . . = k. Aus der all­ gemeinen Form von k folgt: dlogw k = -ji2 d log w — J k d / t und durch Integration : log w — k j / Z d A oder log w — % k A* -f- log C wobei C die Integrationsconstante bedeutet. Drückt man auch rithmisch aus, so geht obige Gleichung in folgende über: loga- w — C e~ i k Um die Integrationsconstante zu eruiren, berücksichtige man, dass, je grösser der Fehler, desto kleiner die Wahrscheinlichkeit seines Vorkommens 447 ist, dass daher Je negativ ist, weshalb wir auch die Bezeichnung — h 2 an­ statt Je einführen. Wir haben dann: w — C e-fc‘A! und durch Einsetzung dieses Werthes in das bestimmte Integrale + ® J wdJ folgt: Es ist aber: + °° L -A - *) Das Integrale I = J e —“ 2 d x ist ein umgeformtes Eu l e r i s c h e s l ut e0 gr al e erster Classe, daher eine Ga mma - F u n c t i o n . Setzt man in I, y für x, so ist: CO co P — j e ~ d x J e ~ y dy O 0 = / d y $ e ~ x~~y2dx. O 0 Setzt man y = xt, so ist dy = x d t und für y = 0 ist t — 0 , für y = oo ist t = co. Die Grenzen der Integration bleiben daher dieselben, und man h at: P = f d t $ e ~ xH1 + ti)xdxEs ist aber: ( eas dz = eat a Setzt man in / e —xi (l + *2) x d x , für — x 2 — z und 1 + t* = a, so ist: und daher: J e ~ x***+ *') x d x = £ j eaz d z = 4 ji e - * ' » + p' x d x . e - I ’ |1 + ‘’1 und + d _J----- je x a x — 2 (i_j_^)Setzt man den Werth dieses Integrales in P ein, so erhält man: « P = J dt i (i_)_ 2 — \ iflTC tg co — arc tg 0) und woraus T — und V 71 2 ao J e~ * 2 d x = Y7t. 2 x d x — dz 448 Daher o y«_, h oder endlich c 7 1 Vn Man hat somit als Ausdruck der Wahrscheinlichkeit für das Vorkommen des Fehlers A h —ir- a 5 w == e ^ • ] / JC Sind n Beobachtungen ausgefiihrt worden, deren Güte und Verlässlichkeit immer gleich war, so ist die Wahrscheinlichkeit des Zusammentreffens der Fehler d , J n d , „ . . . etc. W — w ,.w ,r. w,„ . . . Setzt man die einzelnen Werthe von w, w„ w „ , . . . etc. ein, so er­ hält man W _ / ll \ ne-W [Ar + A, , 5 + A,„s +••••] VV it) W ir suchen jene Wahrscheinlichkeit, welche unter allen Umständen die grösste ist. Bezeichnet man die Summe der Fehlerquadrate ^ „ 2 4" ^ , „ 2 4 " . • • mit [z/ so ist oder W = ' 7‘ = (£ ) [AA]' W erreicht seinen Maximalwerth, wenn [ A 4 ] ein Minimum ist. Hat man daher aus den Beobachtungen a , b , c . . . den wahrscheinlichsten Werth x zu finden, so wird jener Werth der wahrscheinlichste sein, für welchen {a — # ) 2 -f- (b — # ) 2 (c — # ) 2 [z/z/] = Minimum wird. Für ein Minimum, muss der erste Differential quotient von [^/^/] in Bezug auf x Null sein, daher {a — x) -f- (& — x) 4 - (c — x) 4 ~ .. • = 0 woraus folgt x — a ~4~ 5 ~ + ••• n E s is t also j e n e r W e r t h der U n b e k a n n t e n der r i c h t i g s t e , für we lc he n die Summe der ü b r i g b l e i b e n d e n F e h l e r ein Mi ­ n i m u m wi r d. Daraus folgt, dass wenn eine Grösse mehrmals gemessen Ebenso ist, wenn man für x beliebige andere Werthe, daher auch x — d setzt, dieses Integrale immer Y n , daher auch: .+ » J e ~ ^ dJ — Vn — CO wie oben angegeben wurde. 449 wurde, der wahrscheinlichste Werth derselben das arithmetische Mittel ist. Wir sind so durch eine Reihe von Kettenschlüssen zu jenem Satz zurück­ gekommen, welchen wir unserer Herleitung zu Grunde legten. Es ist dies der von G a u s s in der T lieo ria m o tu s c o rp o ru m co ele stiu m beobachtete Vorgang. E n c k e wies im astronomischen Jahrbuch 1834 nach, dass nur das arithmetische Mittel zweier Messungen der wahrscheinlichste Werth der Grösse sei, während G a u s s schon in der T h e o ria co m b in a tio n is o b serva tio n u m e rro rib u s m in im is obnoxie 1823 jeden Beweis für die Richtigkeit der Voraussetzung für ent­ behrlich erklärte, indem dieselbe s c h o n i n s i c h b e g r ü n d e t sei*). 2. Ma s s der G e n a u i g k e i t und w a h r s c h e i n l i c h e r Fe hl e r . Wir hätten jetzt den Begriff der Constante h noch näher zu erläutern. Die zufälligen Beobachtungsfehler sind innerhalb gewisser Grenzen eingeschlossen, und nehmen wir — a und -}- a als solche an, so ist die Wahrscheinlichkeit dieser Voraussetzung VnJ —a Ist für ein anderes System von Beobachtungen die Wahrscheinlichkeit h4 y 7t eines Fehlers / I durch — — e~h ' A2 ausgedrückt, so ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Fehler in den Grenzen — a 4 und -f- a4 liege +«' VxJ — a‘ Durch eine kleine Umformung lassen sich aber diese beiden Integrale wie folgt ausdrücken**): “I*lld "TT f e ~ x* dx VnJ — ha und h‘ a‘ 1 7 — fe— VnJ - dx. h‘ a‘ Beide Integrale werden einander gleich, wenn die Grenzen gleich sind, d. h. für h a = li‘ a4. Ist also h — n h 4, so ist einleuchtend, dass bei der zweiten Beobachtung ein n mal so grosser Fehler ebenso wahrscheinlich ist, als ein einfacher bei der ersten. Aus diesem Grunde bezeichnete G a u s s die Constante h mit dem Namen M a s s d e r G e n a u i g k e i t . Wenn also auch nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeitstheorie die Grenzen der verschiedenen Fehler immer zwischen Null und unendlich sind, so ist doch die Sicherheit $ *) Vergleiche Hagen: „W ahrscheinlichkeits-Theorie“. S eite38. **) Man vollzieht diese Umformung, wenn man h d — x setzt. Es ist dann: h7d ' = X*, h d d = d x oder d J = d x. W eil ferner die Grenzen — a und + a ’ h für d gelten, sind die neuen Grenzen — h a und + ha. 2d 450 verschiedener Beobachtungsarten, je nach der Gattung der angewandten In ­ strumente, des'Zustandes der Atmosphäre, der Güte des Sehvermögens etc. auch verschieden. Die Constante h gibt eben ein charakteristisches Merkmal für den Grad der Genauigkeit. Anstatt des Masses der Genauigkeit führt man gewöhnlich einen neuen Begriff ein, und zwar den d e s w a h r s c h e i n l i c h e n Fe h l e r s . De r w a h r s c h e i n l i c h e F e h l e r b e z e i c h n e t j e n e Grenze, von d e r es e b e n s o w a h r s c h e i n l i c h i s t , d a s s si e ü b e r s c h r i t t e n , a l s d a s s s i e n i c h t e r r e i c h t wi r d . Um sich einen besseren Begriff des wahr­ scheinlichen Fehlers zu machen, stelle man sich vor, man habe eine Reihe aller Fehler, die ihrer absoluten Grösse nach geordnet sind, und von denen jeder so oft hingeschrieben ist, als er vorkommt; es ist dann der wahrschein­ liche Fehler derjenige, welcher genau in der Mitte der Reihe liegt. L a p ­ l a c e nannte diesen Fehler d e n m i t t l e r e n zu b e f ü r c h t e n d e n F e h l e r {erreur moyenne ä craindre). Allgemein ist j/w dx — j> W d. 2 — b folglich haben wir + _h - Vn a = j 2 J - V nJ (e -W d j. Setzen wir für a den wahrscheinlichen Fehler r und bezeichnen seine Wahrscheinlichkeit mit W, so ist r ä®A' 2 d A ( e— ~ h^ w = ^ ~ V n J oder bei Anwendung der früheren Umformung dieses Integrals hr W — ~ fe“ *2 V n J 0 dx. Die Auflösung dieses Integrals*) ergibt für h r — 0*476936: W = i . Nachdem der Fehler r ebensowohl erreicht werden kann als nicht, so muss hr 2 C das Integrale ~yr^t J e~ x2 ^ x ^ esen Werth, nämlich ^ haben, daher die An­ nahme h r — 0 -4 7 6 9 3 6 die einzig richtige ist. *) Zur Auflösung dieses Integrals hat man Tafeln für die verschiedenen Werthe von r h . So lange r h klein ist, hat man nämlich: r/t /■ e~* d c c = r h - f ! L + i 3 ™ 6 1 LZ151+... 2*3 7 451 Wir haben somit als Ausdruck des wahrscheinlichen Fehlers 0-476936 J ~ h 3. V e r w e n d u n g der W a l i r s c h e i n l i c h k e i t s - T h e o r i e in der Pr a x i s . Zur Bestimmung des wahrscheinlichen Fehlers aus gemachten Beobach­ tungen ist die Kenntniss des Masses der Genauigkeit nothwendig. Aus / 7? \ n folgt als Bedingung des Maximums n = 2 7j2 [> /z /] *) woraus man V h |/2 erhält. Den rechten Theil der Gleichung, nämlich V/ j-yiJr 1 - nennt man den m i t t l e r e n F e h l e r der Beobachtung. Setzt man für denselben E , so ist 1 h y = E 2 worausv , 1 n = —7—— 1 /2 E und r — 0 -47694. ] / 2 E oder r = 0 • 674489 E. Zu unserer späteren Untersuchung ist es nöthig, den wahrscheinlichen Fehler irgend einer Function verschiedener Grössen zu ermitteln, in welcher man den wahrscheinlichen Fehler der einzelnen Factoren kennt. Es sei z. B. allgemein y = F ( x , u , z . . .)• Die wahrscheinlichen Fehler von x, u } z . . . seien bekannt und man sucht den wahrscheinlichen Fehler von y. Die Differentiation obiger Gleichung ergibt d y = f d x - \ - f r d u - \ ~ f rrd g - \ - . . . . Da die Zähler der Glieder immer nur im Verkältniss von r 2 h 2 zunehmen, während der Nenner fortwährend wächst, ist die Reihe convergent, sobald r h klein ist. Diese Integrationstafel findet man in Kr a m p ’s A nalyse des refractions, im B erlin er astron. Jahrb. fü r 1834, in der von L a is bearbeiteten Wahrscheinlichkeitsrechnung von Dr. S a w it s c h etc. '*) Es muss nämlich der erste Differentialquotient Null sein, daher: U - Y n h " - 1 e - »’ IAA! _ oder : (> ^ 7r) ^ U 1e h' IAA] 3Ä jj = 0 = 0, , daher: n — 2 h [zMj = 29* 0 . 452 wo f, fn f,,, die jeweiligen Differentialquotienten bezeichnen. Ist d x der Fehler der Grösse x, so geht obige Function in folgende über F (x d x, u, z . . . ) und die Wahrscheinlichkeit, dass ein Fehler dieser Grösse eintritt, ist h e— h ' f f d x y l/i® Für den Fehler d u hätte man Für das Zusammentreffen aller Aenderungen d x , d u die Aenderung von y in y -\- d y ist: yp — ( A* t/2 dx' + also auch für *“* + /,<2 de~ + ' ' '] \ V 1t/ Die Wahrscheinlichkeit der Aenderung von y in y -f- d y ist auch durch den Ausdruck gegeben. Setzt man anstatt d x , d u , d z . . . die bekannten wahrscheinlichen Fehler co ( x ) , co ( u ) , co (z), . . . , so ersieht man aus den letzten zwei Glei­ chungen, dass, weil die Beziehung dy* = f* d x* -I- f * d u * + f„ *ds9 -f- 2 f f , d x d u + . . .*) stattfindet, man daraus jene andere erhält ® (y) = V f * a + f f co O )2 + f „ 2 03 (z f 4 - . . . M an k a n n d u r c h den v o r s t e h e n d e n A u s d r u c k d e n w a h r ­ s c h e i n l i c h e n F e h l e r e i n e s P r o d u c t es o d e r e i n e r S u mme von G l i e d e r n f i n d e n , w e n n ma n di e w a h r s c h e i n l i c h e n F e h l e r d e r F a c t o r e n , b ez ie h u n g s we is e der S umma nde n kennt. co (y) — V w2 co ( # ) 2 4 ~ s * 03 (w2)* Ist einer der Factoren constant, so ist aus x — Cy, weil dy co (x) = Gco (y). *) Diese Grössen werden als unbedeutend unberücksichtigt gelassen. 453 Sucht man den wahrscheinlichen Fehler einer Summe, so hat man aus y = x + 0 4 - ... &{y) = \ / r ca { x f 4 co (^)2 4 - . . . Aus diesen beiden Sätzen folgt die A rt, d e n w a h r s c h e i n l i c h e n F e h l e r des a r i t h m e t i s c h e n M i t t e l s von n G r ö s s e n zu f i n d e n , der en w a h r s c h e i n l i c h e n F e h l e r mankennt. Ist x — a 4" b 4" c 4* d 4" • . . — --------------!----------1--- 5 n so hat man nach dem Vorhergesagten v (o{x) — V a M ! i E 03 ( &) 2 4- a ^ + • • •, n Ist der wahrscheinliche Fehler jeder Beobachtung gleich gross und bezeichnet man denselben mit E „ so ist: , s ] / n .E ? a(x) = L —, n woraus G) (x) — J J - . y n Hat man aus n Beobachtungen das Mittel genommen, so ist dieses Resultat noch immer nicht der wahre gesuchte Werth irgend einer Grösse, sondern nur der wahrscheinlichste Werth. Zwischen dem wahren und dem wahr­ scheinlichsten W erth wird es noch immer eine gewisse, wenn auch kleine Diffe­ renz geben, die wir mit q bezeichnen wollen. Ist x das Mittel einer Reihe von Beobachtungen a, b, c, cl und bildet man die übrigbleibenden Fehler, so hat man BeobachAbweichungen tungen. Uebrigbleib. Fehl. vom wahren Werth. a b c a — x — A A 4~ P — ^ b — x — A ........... A, -}- q = d, c — x = A „ A „ + q — d,r Mittel . . x. Quadrirt man die Gleichungen J + Q = S q — d, Q = $„ A, 4so erhält man: A 3 4- p2 4- 2 A Q = d2 4 " P3 q = d? oder wenn man alle diese Gleichungen addirt: [A. A] 4- uq * 4 2q [A] = [ S. d l 454 Und weil die Summe der übrigbleibenden Fehler Null sein muss: [ z /.z /] + n Q* = [đ đ ]. Bedeutet E den mittleren Fehler einer Beobachtung, so ist n E '1 = und daher: [z /z /] + u q * = » E 3. [dd] Man wird sich der Wahrheit am meisten nähern, wenn man für q den mittleren Fehler von x setzt. Der wahrscheinliche Fehler des arithmetischen Mittels, wenn die Güte der einzelnen Beobachtungen immer gleich war, ist: E 05 (x) — — . n E Setzt man also nahezu o = 7 7 - , so erhält man Vn A z /' E = V . n — 1 für den mittleren Werth einer Beobachtung, und für den wahrscheinlichen ______ W erth: ' A 4 r — 0*674489 %•— 1 Der mittlere Fehler des arithmetischen Mittels ist 4 - E Vn und der wahrscheinliche Fehler des Mittels 0 -674489 ~ y n E. Hat man mehrere Gleichungen mit mehr als einer Unbekannten, wobei die Zahl der Gleichungen grösser sein muss als jene der Unbekannten, so lassen sich letztere nach der Wahrscheinlichkeitstheorie ermitteln. Es sei die Beziehung zwischen den Unbekannten x, y, z . . durch die Gleichung ax by -}- cs .... = A gegeben. Bestimmt man den Werth von A durch mehrere Beobachtungen, welche die W erthe A A , A n . . . etc. ergeben, so erhält man die Gleichungen a x -\- b y -f- c s - f - .............— A a x , 4 - b y , 4 - ce, + .............— A , ax„ - f by,, Hr + ............. = A„ etc. Es handelt sich um die Bestimmung der wahrscheinlichsten Werthe der Constanten a, b, c . . . Nach den besprochenen allgemeinen Grundsätzen wissen w ir, dass die Summe der Quadrate der übrigbleibenden Fehler ein Minimum sein muss. Sind B B, B t, die nach der Substitution der wahrscheinlichsten Werthe erhaltenen Beträge von A A , A„ so muss folgende Gleichung be­ stehen (B — A ) s -f- (-B/ — ^ ) 2 + (ß „ — A „ Y . •. = Minimum. 455 Die Bedingungsgleichung hiefür ist 4 f a + <B >- *> ^ ^ + ■' • = Setzt man die Werthe von B B, B„ . . . ein und berücksichtigt man, dass: dB xda x da da dB y .d b = y etc. db db ist, so erhält man folgende Gleichungen: (a x -j- by -f- c z +■ . . — Ä) x -J- (a x , ( a x -f- b y -\- c z (a x -\- by by, . . — A) y -{- {ax, -|- by, -j- cz. — A) z {ax, -f- by, -}- cz, cz, . — A,) x, -f* . . . = 0 cz, -}- . . — A t) y, -{- . . . = 0 -f- . . — A,) z, . = 0. Constanten a, b, c, so er­ [cc2] für sc2 + sc, 2 -j- sc, , 2 Ordnet man diese Gleichungen, nach den gesuchten hält man, bei Einführung der üblichen Bezeichnung -j- . . etc.: a [sc2 ] b \ x y \ -j- c [scz] + . . — A [sc] — 0 a [xtj] + & Cž/ 2 ] + c \ z y \ 4 - • • “ A iy\ = 0 a [xz] -)- b [;ijz~\-j- c [ > 2 ] -j- • • — A [#} = 0 etc. Man nennt diese Gleichungen die B e d i n g u n g s g l e i c h u n g e n , zum Unter­ schiede von den u r s p r ü n g l i c h e n G l e i c h u n g e n , welch’ letztere jene von der Form A = a x 4 - by -f- c z -f- . . . . sind. An Bedingungsgleichungen bestehen, wie einleuchtend, ebensoviele als man Unbekannte sucht. Löst man daher die Bedingungsgleichungen auf, so erhält man die wahrscheinlichsten Werthe von a , b, c . . . Um die Bedingungs­ gleichungen auf eine einfache Art zu erhalten, multiplicirt man jede ursprüng­ liche Gleichung mit jedem in ihr vorkommenden Factor aller gesuchten Un­ bekannten und addirt die jedesmaligen neuen Gleichungen. Ein Beispiel wird diesen Vorgang klarer darlegen. Man hätte die Gleichungen: 0 *4 = 2 a 4~ 3 b c 0 ‘ 6 == 2 a 4 - 4 b 4 “ 2 c 0 ’5 a 4" ^ b 4" c 0*2 = a -j- b -j- 5 c 0 *1 == a 4 ” 3 b 4 " 6 c . . . etc. Multiplicirt man jede Gleichung mit dem Factor von a , sogenannten Normalgleichungen: 0 * 8 = 4 a 4- 6&-j-2c 1 ‘2 = 4 a -j- 8 & -f- 4 c 0 *5 == a 4~ ^ b -j— ^ 0 •2 = ß - f & 4 “ 5c 0 *1 a 4 - 3 b 4 - 6 c. so erhält man die 456 Und durch Addition: I. Bedingungsgleichung: 1 * 8 = 1 1 « 4 - 216 4 - 18c. Ebenso werden die zwei anderen gebildet, indem man zuerst mit den Factoren von b, dann mit jenen von c multiplicirt und die Normalgleichungen addirt. Tritt die Unbekannte nicht als einfacher Factor auf, so hängt die Art des Vorganges von der Beschaffenheit der ursprünglichen Gleichungen ab. Wir wollen hier einige Fälle anführen. Kommt die Unbekannte in verschiedenen Potenzen vor, so führt man Näherungswerthe ein und sieht die Verbesserung derselben als die Unbekannte an. In der Gleichung «) y — a x n bx cs setzte man x = X A x ; X ist der Näherungswerth, d x fungirt dann als Unbekannte. X muss auf alle Fälle so gewählt werden, dass die Verbesserung A x so klein als möglich ausfalle, um die höheren Potenzen davon vernach­ lässigen zu können. Erhebt man X A x zur wten Potenz, so erhält man bei Ausserachtlassung der Glieder höherer Ordnung von A x \ x n — X n 4 n X n ~ 2A x und durch Einsetzung dieses Werthes in Gleichung a) y — aXn 4 anXn ~ 1A x 4 b A x — cs oder y — a X n — b X = A x (a n X n ~ 1 b) -j- cs, wodurch man es dazu gebracht h a t, dass die Unbekannte A x Factor auftritt. als einfacher Ist die Unbekannte ein Exponent, so kann man ebenso Näherungswerthe einführen, oder aber kann die Umformung durch Logarithmirung vorgenommen werden. Aus der Gleichung y = x.a* erhält man log y — log x 4 s log a. In der Gleichung y — xa? bu würde die Einführung von N äherungsw erten bequemer sein. Setzt man s — Z -j- A s und verwandelt man az + A« in eine Reihe, so erhält man bei Ausserachtlassung der Glieder höherer Ordnung von A s : az + a * — az ( 1 4 - d s logn a) und durch Einführung dieses W erthes: y = a z x ( 1 4 " d s logn ci) -\- b u oder durch Umformung: y — az x 4 d s . a z x logn a 4 " &«• 4. Ueber Gewicht und P r ä c i s i o n der B eo ba ch tu ng en . Ueber die Güte der, aus einer Serie von Beobachtungen gezogenen Resultate urtheilt man durch Vergleichung derselben mit den Beobachtungen bekannter 457 Genauigkeit. Ist f der wahrscheinliche Fehler einer Normalbeobachtung, dessen Grad der Genauigkeit als Einheit angenommen wird, und f der wahrscheinliche Fehler einer zweiten Beobachtung mit der Genauigkeit G-, so kann man fol­ gende Proportion aufstellen F : f = l : G , d. h. man kann annehmen, dass Genauigkeit und wahrscheinlicher Fehler ver­ kehrt proportionirt sind. U n t e r G e w i c h t e i n e r B e o b a c h t u n g v e r s t e h t ma n d i e A n z a h l g l e i c h g u t e r B e o b a c h t u n g e n , di e e r f o r d e r l i c h w ä r e n , um a u s dem a r i t h m e t i s c h e n Mittel de rselben eine gleiche Genauig­ k e i t w i e b e i e i n e r a n d e r e n B e o b a c h t u n g zu e r h a l t e n . Ist r der wahrscheinliche Fehler des Resultates n mit dem Gewichte 1, r ‘ der wahr­ scheinliche Fehler des Resultates n* mit dem Gewichte hJ, so haben wir: 1 : Ji, — r , : r und : Ist r, — ^ r, diesem Falledoppelt so i s t : h, — 2 h, d. h. die zweite Bestimmung wäre in so grossals die erste. Man habe s Beobachtungen, deren mittlerer Fehler m ist, und p andere Beobachtungen mit dem mittleren Fehler Je. Sollen die mittleren Fehler dieser Beobachtungen gleich sein, so muss folgende Relation stattfinden: 7c woraus folgt: V p m V s £ 2 . s ^ m2 Um also aus der zweiten Beobachtung einen gleich grossen Fehler wie bei der ersten zu erhalten, müssen p Beobachtungen ausgeführt werden, d. h. p i s t d a s G e w i c h t der zweiten Beobachtung. Das Gewicht steht somit im geraden Yerhältniss zur Anzahl der Beobachtungen, im umgekehrten jedoch zum Quadrate des mittleren Fehlers. Weil —— der mittlere Fehler des Re- Vs sultates ist, so muss das Gewicht eines Resultates dem Quadrate seines Fehlers umgekehrt proportional sein; und weil die Genauigkeit um so geringer wird, je grösser der Fehler ist, sind die Gewichte directe mit dem Quadrate des Masses der Genauigkeit proportionirt. Angenommen wir hätten n Beobachtungen, und das Gewicht einer Beobach­ tung mit dem wahrscheinlichen Fehler 1 sei 1. Bei der ersten Beobachtung sei die gesuchte Grösse x — n gefunden worden, mit dem wahrscheinlichen Fehler r. Das Gewicht dieser Bestimmung ist alsdann p — achtung sei x = n \ 1 Bei der zweiten Beob­ mit dem wahrscheinlichen Fehler r, und dem Gewicht 458 Den wahrscheinlichen Werth von X erhält man aus X = np + ^ ^ + n » P" + • • : v 4 - p , + Pt, 4 - . . . und das Gewicht von X ist: P = V + P, 4 P „ - f • • • Der wahrscheinliche Fehler von X ist: R = i7 ~ Vp Benutzt man unmittelbar den wahrscheinlichen Fehler der einzelnen Beobachtungen, so i s t : 1 i 1i 1 n TT + nt ITä + 7 7/ 'ST ____ r2 r,2 7 7 ^ + • • • ff _____ r ,,2 oder allgemein: X — [-■ f ] [f] Dann ist das Gewicht von X und der wahrscheinliche Fehler: M £l B = !/[» •“]. Sind die Resultate verschiedener Beobachtungsweisen zu verbinden und zu berechnen, hat man z. B .: x — n aus m Beobachtungen x — n, „ m, x —— „ j etc. so ist: A m n -J- m, n, -fnn 4 . . . ---------------------------------------------m 4 mt 4 m „ 4* • • • indem m m, m„ . . .etc. die Gewichte der Grössen n n, n „ . . bedeuten. Es ist danni X — n — A X — n, — A , X nu — A „ j etc. Der mittlere Fehler einer Bestimmung mit dem Gewichte 1 i s t : E = \/r v (m) (m ) — der mittlere Fehler des arithmetischen Mittels: 1 459 ] / (m ) der wahrscheinliche Fehler einer Beobachtung: r == 0*6745 E. und der wahrscheinliche Fehler des arithmetischen Mittels: R = — r 1 / (m) . Sind li h, h „ die Genauigkeiten der einzelnen Bestimmungen, so ist: Y ~h • • • ~ Ä2 + Ti? + A„» + . . . Es wird wohl selten möglich sein, die Werthe li h, h „ . . . auch nur annähernd zu bestimmen, sobald man gleichartige Beobachtungen ausgeführt hat. Sind die in Rechnung zu bringenden Grössen das Ergebniss verschie­ dener Beobachtungs-Gruppen, so ist die Angabe des Gewichtes natürlich er­ leichtert. Ebenso wenn die einzelnen Daten Rechnungsresultate sind. In den mei­ sten Fällen aber ist die Bestimmung der Gewichte Sache der Erfahrung. Einen Fall glauben wir hier besonders erwähnen zu sollen, nämlich den, wenn zur Ausführung der Beobachtungen verschiedenartige Instrumente verwendet wurden. In diesem Falle kann eine genaue Kenntniss des Instrumentes sehr nutzbrin­ gend sein. Beobachtet man z. B. mit Instrumenten, deren Theilung verschieden ist, so kann man annehmen, dass die Genauigkeit der Ablesungen im umge­ kehrten quadratischen Verhältnisse zur Grösse der Theilstriche steht, d. h. ist das eine bis aüf 2 0 ", das andere bis auf 1 0 " getheilt, so verhalten sich die Genauigkeiten der Ablösungen wie 1 zu 4. 5. U e b e r H e r l e i t u n g des G e s e t z e s e i n e r E r s c h e i n u n g gemachten Beobachtungen. aus Wie in der Einleitung bemerkt wurde , sucht man oft aus gemachten Beobachtungen, gesammelten Erfahrungen etc. die Gesetze herzuleiten, durch welche die Erscheinungen bedingt werden. Gesetze aber, welche aus Erfah­ rungen und Beobachtungen hergeleitet werden, haben nur innerhalb gewisser Grenzen Giltigkeit, d. h. bei dem heutigen Stande der Wissenschaften hat man es noch nicht dazu gebracht, diese Gesetze über jene Grenzen hinaus auszudehnen. Der bei solchen Bestimmungen zu beobachtende Vorgang ist in den ver­ schiedenen Fällen sehr verschieden, die Aufstellung der ursprünglichen Glei­ chungen meistens Sache des Scharfsinnes und wir können nur einige allge­ meine Regeln aufstellen. Im zweiten Theile unserer Aufgabe werden wir dann auf die praktische Anwendung ausführlicher zu sprechen kommen. Im Allgemeinen sucht man Beziehungen zwischen gewissen Unbekannten durch Gleichungen auszudrücken. Ist die Aenderung des Chronometerganges die Folge der TemperatursVeränderungen , so findet irgend eine Beziehung zwischen diesen zwei Grössen statt, u. z. allgemein: d g — f ( 4 t). 460 Stellt man für f ( A t) irgend eine Gleichung auf, vermuthet man z. B. dass die Aenderung des Ganges irgend einer Potenz der Temperatursänderung proportionirt sein wird, so ist: A g — A tn und es ist dann n die zu suchende Constante. Aus vielen Beobachtungen kennt man für verschiedene Werthe von A t die verschiedenen A g. Setzt man alle diese Werthe ein, so kann n aus den erhaltenen x Gleichungen nach der Wahrscheinlichkeitstheorie bestimmt werden. Setzt man in den ursprünglichen Gleichungen den gefundenen Werth von n e i n, so werden die beobachteten und die so berechneten A g von einander um mehr oder weniger abweichen, und aus der Grösse der übrigbleibenden F ehler, aus ihrem Zeichen , aus der relativen Grösse zu einander etc. kann man dann schliessen, ob die angenommene Form der f ( A t) haltbar oder zu verwerfen ist, in welch’ letzterem Falle der Vorgang mit einer neu anzuneh­ menden Gleichung wiederholt wird. (Schluss folgt.) Schiessversuche bei Meppen mit 3 5 '5 -, 30 5 -, 2 8 - und I5%> Krupp­ schen Ringkanonen. Wir entnehmen dem, von der Firma Krupp in Druck gelegten Berichte: r>Schiessversuche der Friedrich Krupp’schen Gusstahlfabrik auf dem Schiess­ platz bei Meppen am 2. und 3. Juli 1878« nachstehenden Auszug. A. Versuchsmateriale. Die E o h r e waren mit dem Eundkeil versehene Krupp’sche Ringkanonen. Ihre Bohrungsconstruction entsprach den neuesten Erfahrungen und war für Kupferführung angeordnet. Der Zündcanal ging in der Kichtung der Seellinie durch den Verschlusskeil und war mit dem Kugel ventile versehen. Jeder Theilstrich des Aufsatzes — kurzweg »Strich« genannt — betrug Viooo ^er Länge der Visirlinie. Der Aufsatz in Strich ist somit die tausendfache Tan­ gente des Elevationswinkels. Die L a f f e t i r u n g e n der 3 5 '5 -, 30*5- und 28% i-Eohre waren K ü s t e n l a f f e t e n m i t h y d r a u l i s c h e r B r e m s e . Zum Backsen dienten Kettenwinden, zum Heben der Geschosse ein am Schlitten angebrachter Krahn. Am Eaperte befand sich die bekannte Zahnbogenrichtmaschine. Die 15% »-Kanone lag in einer S c h i f f s l a f f e t e m i t L a m e l l e n B r e ms e . Die M u n i t i o n umfasste 2 * 8 Kaliber lange blindadjustirte Hart- und Zündergranaten mit Kupferführung, Kardusen mit prismatischen und mit PebblePulver und Brandei. Die G e s c h o s s e waren vorne mit dem Centrirungs-, rückwärts mit dem Führungsbande versehen. Das P u l v e r der drei grösseren Kaliber war eincanaliges, prismatisches Pulver (P.P .) von der Dichte 1 ‘75; jenes der 1 5 % -Kanone siebencanaliges prismatisches Pulver (p.P.) von der Dichte 1 ‘64, ferner 1 3— 1 6 englisches Pebble-Pulver (p. p.). Die wichtigsten Daten über das Versuchsmateriale, sowie über die Spreng­ ladungen der Projectile und über jene Normalgeschosse, welche beim Versuche nicht zur Verwendung kamen, sind aus der nachstehenden Tabelle zu ersehen. 461 Lange Lange Kurze 35-5 30-5 28 Lange 15 % -ß in g k a n o n e B e n e n n u n g K ü s t e nL a Kaliber................................................................ rm\m R ohrlänge.......................................................... „ Seelenlänge........................................................ „ Rohrgewicht (mit Verschluss)............... Kilogr. „ Hintergewicht............................................. Parallelzüge.......... ......................................... Zahl Felderbreite........ ............................... .............mL D rall........................................................................... Drallänge............................................................mj Lagerhöhe der Laffete..................................... mfm Grösste E levation ......................................... Grad „ D epression......................... ........... „ Gewicht der Laffetirung........................... Kilogr. „ „ adjustirten Stahlgranate . „ „ „ zugehörigen Sprengladung „ „ adjustirten Hartgranate .. „ „ „ zugehörigen Sprengladung „ „ „ adjustirten Zündergranate „ „ „ zugehörigen Sprengladung „ » „ Geschützladung................... „ f M a r in e - f e 355 305 280 8880 7650 6100 7740 6720 5262 52000 38700 27500 0 0 0 80 68 64 4-5 45 4-5 c 0 n s t a i11 . 16 13-725 12-6 2670 18 2380 18 2465 24 6 6 32750 20950 525 333 12-6 8-4 525 333 7 4-5 444 282 234 14-8 P. P. 115 72 in 6 t e 149-1 3850 3430 4000 85 36 3-5 progressiv, f Enddrall \ 6*71 965 15 6 13800 255 6-5 255 3-5 215-5 11-5 1930 38-5 0-95 39 0 ’5 31-5 2-33 55 8-5p.P. a.9‘5p.p. B. A usführung cler Versuche. 1. L a n g e 3 5 ‘5fm - K a n o n e . Es wurden Hartgranaten auf 2000 und 4000 *7 Distanz, und Zünder­ granaten auf 9500 ™/ Entfernung geschossen. Die näheren Umstände des Versuches und die ballistischen Resultate enthält der folgende summarische Schussrapport, den wir der Baumverhältnisse wegen gleich auf den folgenden zwei Seiten bringen. Hier werden nur einige auf Rohr, Laifete und Bedie­ nung des Geschützes Bezug habende Bemerkungen gebracht. Das R o h r erlitt beim Versuche keine Beschädigung. Vor Beginn des Schiessens war unter die Liderungsplatte eine zu starke Unterlagsscheibe ein­ gelegt worden, was die Bedienung des Verschlusses etwas erschwerte. Das K u g e l v e n t i l befriedigte nicht vollkommen, es war nämlich nach Abgabe 26 scharfer Schüsse die Platinkugel etwas unrund und wurde in Folge dessen gewechselt. Die L a f f e t e bewährte sich. Der Rücklauf bei den ersten 10 Schüssen mit Hartgranaten betrug gleichmässig 160 % . Nach Beendigung des Versuches wurde die Laffetirung untersucht; es war nur der Knopf des hinteren Treppen­ geländers losgegangen. Die B e d i e n u n g des Geschützes bewirkten 17 Mann. R e c h t s waren Nr. 1 für das rechte Richtrad, Nr. 3 zum Visiren, Nr. 5 und 7 zum Heben des Geschosses, Nr. 9 zum Führen desselben. L i n k s befanden sich die Nr. 2, 4 , 6 , 8 und 10; Nr. 2 bediente die Richtvorrichtung und half beim Oeffnen, 462 Summarischer über die letzten in Meppen mit KruppAnfänglich. Verbren­ nungsraum ’3 -p=> ui o CG +=> o > fc» \ Ul Ul O rd o Ul CD O Ü5 bß d :cö o d o3 M W M iO iO .3 cb ?H bß o 3 Bedeckt. IO 18-7° C. Ö I> iH o d (D ?h pH o OQ I» d ’S 02 C. d es G e sc h o sse s M.-T. m j 95 ^ 05 tH m1 1 M.-T. 1979 «V vor der Mündung CO co rH rH 5010 6582 433 — — — — — — — — 496 3 Ul O r> Pw N Jh bß r—H o > s o Ul CD co a Ul Ph H co d fi 3 rH r—H rd CŽ ^d +3 i t i d CD iO r> 1 Jh o3 CM N N W .. l -4m a o 7?Z rH bJD O o d CO CD Ul m cd NNW Bedeckt. 15-1° C. N N O . . 1* 12m Eegen. 13-0° C. 9 Ph L adung N +3 :d rd o Ul <D d o t OJ & bc > Energie bß öS rd ?H CD > ui bD d d ?H d) Mittlere bJD Energie Ul Geschwindi keit O 1 1 1 I rH d <D bß O rH CQ 00 05 rH ,C3 co + 1 1 1 1 o t H d CD Ul [S3 rH NNW d bD c3 W w CO CO CO Bedeckt. 18° C. ö co W i i <d Regen. 14-9° C. ä M s ä « bß (N vor der Mündung o O rH 4175 496 418-5 2973 * * TU * o O (M co CD r H co GO « MO vor der Mündung •XCO CO O 471* 2439* — — — — h r-4 bß O IO *Q csž Sh bß Ä •«# co 1 1 1 1 lO O O P< bß O 05 M i »o 7—< co (M o TH Ü5 * *H * CO o »o o H »o * t> O rH * * 05 rH t P h M *5 o o bß — — '0 3 t fl (U d ä w P 4 nj CD ß ” CsJ M S IO «S . b0Ž ÖO Ä * + h co 50™/ 539* 463* 50 «y # tH * 05 to tH rH o o tH 1979 «y vor der Mündung OT N N O .. l-9 4 m Bewölkt. 15-3° C. rH h CÖ M o 40 .3 + Ph d am <D Ph a PS co CO d c3 co O tH Ul CD 3 o 05 T—C co ’- 3 rH CO >b rH (N d <a £ 1975 mj 75 mj o3 t> \ N N O .. 2-16m Bedeckt. 16-8° C. 5 ä + -a ö a 3 d CD bß c3 . 2 .a io d iO CM d Ü5 c3 M nä J t So 00 Mip GO d CSJ C5 a N N O . . 0-98m £ P h* P-J 362* 209* 1500 «y vor der Mündung o rH 514* 422* 374* 223* E r k lä r u n g e in ig e r A b k ü r z u n g e n . Die der Windrichtung beigefügte Zahl ist Z. G. Zündergranaten. __________________ 463 Schussrapport sehen Ringkanonen abgeführten Versuche. r< 33 p S a Mittlere Streuung Mete Längen- Seiten- Höhen- "ö d &Dp Pf > pi t» Ö c -+® => S rW Längen- U l rH < D > fl 42 •+O => © <D <1 02 • rH Strich N :0 'S H Seiten- §1 Höhen- Cä m .5 bD ;§ Abweichung r rä 'S 02 42 1 93 3-5 A n m e r k u n g . rH 2054 2*40 1-35 48 0-63 0-31 CD > 9-7 Der 1. Scliuss (mit 43 Strich Aufsatz) mirde bei Ermittlung der Treffresaltate nicht in Rechnung gebracht. Die Beleuchtung des Zieles änderte sich von Schuss zu Schuss. ; I 4041* — 3*40 78 © * Reducirt auf den Mündangs— 0-92 17-7 horizont: 3975 /mj . nD C H © 'S 17° 7 9447 — 12-0 126 — Beobachtete Flugzeit: 27 Se- 1 3-30 29-6 cunden. 43-5 9 vertical. Schb. 1 1 2054 2-05 0-90 38 0*41 0-18 8-2 CD fl> d 23-5° 9 rO 9871 W .0 'S 4h 9921 28 33 © CD rfl Ä GQ 1531 CD ü 1533 fH © q >■ 1543 Der 1 . Schuss (mit 43 Strich Aufsatz) wurde bei Ermittlung der Treffresultate nicht in Rech­ nung gebracht. Beobacht. Flugzeit: 35 Sec. S'S Die mit * bezeichneten Zahlen g -2 gehören einem früher. Versuche fcDO an, bei dem Vollgeschosse von &P4 259-75Kilogr. Mittelgewicht in • r i < D 18-8 16-6 12 Verwendung kamen. 57 33 o .T hO © U M'S rtDbß C Beobachtete F lu gzeit: 34 Se4 rC aQrf-< — 85 59 — 21*4 13*5 O jJD cunden. •2 :=ä öS ohne Ausreisser Der Ausreisser jeder Serie war 1-25 1-4 36 10 *3710 *41110 *6 durch ungenügende Bremsung der mit Ausreisser Kichtmaschine hervorgerufen. 2 -0 1-4 89 10 *44 10 *39115 ‘ 8 Die mit * bezeichneten Zahlen ohne Ausreisser sind Mittel aus 10 , resp. 16 Schüs­ 1' 25 1-25 31 0 -3 1 |0*33 7-0 sen eines früheren Versuches mit Zündergranaten von 31-3 Kilogr. mit Ausreisser (rnwifiTif: 3•65 j1 *25111510 *6 8 10•35117 •8 die Windgeschwindigkeit per Secunde. C. bezeichnet Celsius, H. Gr. Hartgranaten, 4(54 Nr. 4 und 6 waren Verschlussmänner, Nr. 8 und 10 bedienten die Backsvor­ richtung. Die übrigen 7 Nummern besorgten die Munition, und zwar 3 Mann die Kardusen, 4 Mann die Geschosse. Das A n s e t z e n d e s P r o j e c t i l e s bewirkten 10 Mann. Nr. 3 und 4 führten den Ansetzer, je 4 Mann per Seite zogen ihn mittelst zweier Taue in das Rohr. Das Ansetzen ging sehr leicht von statten, und würden statt 4 auch 3 Mann per Seite genügt haben. Zum L a d e n gab man dem Rohre stets 3° Depression. Das Einbringen des Geschosses wurde jedesmal durch das Einölen der Ladeschale erleichtert. Das Heben des Projectiles erforderte 1 Minute Zeit. Eine B a c k s u n g von 75° (37*5° hin und zurück) wurde in 90 Secunden bewirkt. Die F e u e r g e s c h w i n d i g k e i t kann aus Nachstehendem entnommen werden. Die 10 Hartgranaten der 1. Serie wurden in 65 Minuten verschossen, wobei aber das Messen der Geschwindigkeiten an zwei Punkten der Bahn, sowie das Abwarten der Signale kleine Verzögerungen verursachte. Die 10 Hartgranaten der 2. Serie wurden in 5 4 ’5 Minuten verfeuert. 2. L a n g e 3 0 ‘5 % & - K a n o n e . Man schoss mit Hartgranaten auf 2000 <mf Distanz. Die Bedienung ging leicht und glatt von statten, Störungen kamen nicht vor. 3. K u r z e 28 % - K a n o n e . . Es wurden H art- und Zündergranaten auf circa lO-OOO1"/ Distanz ge­ schossen. Schon nach den ersten Schüssen wurde bemerkt, dass der Pivotbock an verschiedenen Stellen gebrochen und der untergegossene Cement zerbröckelt war. Nachdem die vordere Backsschiene mit dem Pivotbock ein Stück bildet, so war das Geschütz vorne von Schuss zu Schuss anders geneigt, was sich durch die abnorme Breitenstreuung bemerkbar machte. Der gebrochene Pivot­ bock machte es auch unmöglich, den Versuch mit der 2 8 % - Kanone fortzu­ setzen, weshalb im summarischen Schussrapporte die bei einem früheren Ver­ suche mit gleichem Geschütze und Pulverladung erhaltenen Geschossgeschwin­ digkeiten aufgenommen wurden. 4. L a n g e 1 5 l - K a n o n e . Man schoss Zündergranaten mit 9 '5 Kilogr. Pebble - Pulver und mit 8 ' 5 Kilogr. eincanaligem prismatischen Pulver auf circa 1500 *7 Distanz. Die beabsichtigte Messung der Geschossgeschwindigkeit an zwei Punkten der Bahn musste unterbleiben, da am Versuchstage die Holzrahmen durch den wiederholt gefallenen Regen ganz durchnässt und folglich die Nägel zum Um­ wickeln der Leitungsdrähte nicht mehr vollkommen isolirt waren. Es wurden daher in den summarischen Schussrapport die bei anderen Versuchen ermit­ telten Geschossgeschwindigkeiten aufgenommen. Die Gasspannungen wurden am 3. Juli nicht gemessen, aber anderen Versuchen konnte in dieser Hinsicht Folgendes entnommen werden. Mit 8 '5 Kilogr. eincanaligem prismatischen Pulver und Zündergranaten von 31 "3 Kilogr. Gewicht beträgt der mit dem Apparate von E o d m a n gemessene Bodendruck im Mittel 2244 Atmosphären, während er bei 9 ’ 5 Kilogr. Pebble-Pulver und 3 9 ' 5 Kilogr. schweren Vollgeschossen zu 2320 Atmosphären ermittelt wurde. 465 C. Vergleiche und Folgerungen. In der nachstehenden Tabelle sind die Hauptdaten der in Meppen probirten Krupp’schen Kanonen und der uugefähr gleichkaliberigen Kanonen an­ derer Systeme zusammengestellt. tr S' g q “ co s a l l i - kJ CfQ CD CP-TQ £ögD curqiägi, Et-• »R ^ £ x? ? l | l ^ CfQCDP Qjp H> g. ® s( cd P5 ® 3.5J . H-b “ C+- * 52 .CeHIQ gutrH <rt" e t - CD ö • 6 So jr'tKj S- ft: l-cn? £> C K ? P^ 0£ ® * <©^ e.: SL £•►0u wo~ gg S : *g& B B ?• •; K c f P^S - 0 CD to j - SS' HM • M- g: - r:<o o P pP= a< hi5 ® ? 6 o ; 5* . 05 05 Ol KM^ Of fh-kl O 50 Ü i © o i co rf* H l CR f f - t o HA <D o CO CO Oi O o Ol o o co CO t o CD 00 00 o co to GO o co C o H* c o CD H ^ tf* 00 Ö l o H*- Hk 00 o co 00 Ot o to co 00 Co c o O cn co o oi Ol co 05 M- 00 05 co Ol o OI 05 o O l co co c o c o ►f** 0 5 CO o c o co CD c o C0 00 ÜT to to o -5 c o 05 O l co Hi c o CD CD 05 to cn Ox co co to to 05 H*. CD GO o Hk IO 0 0 CD O i CD co o ob co CD H CD H*- to Oi co to o 05 to co H*- CO ___ o CD o CD CO O l 00 H-* K) tö 05 00 09 “ 3 tli■ *1 • • 0 9 O« tn Ol Ol te> w «a to o to CO t o CO CO o li CO 00 -J o o p ► öü ► co o Ol to o CO Hk Hk 00 Ol OI o 05 CO co Ol IO o 05 c o rf^ t o co 05 c o 05 to O i o CD H * CD OX o to to co to CD to o co co GO o ö to o to co IO co to 00 to Oi O l 00 Ü1 0 0 o o o CO H* CD CO CD CO Oi to b CO o o o Ol o to to 00 o Hk 05 O l 0 0 CD Oi o Oi CD a x co Hk hH co Hk o Ol o co CD 00 co Ol 05 00 o co O i CD 4^ ö 05 co o to CO Hk O co Ot o oi OI CO Ol 05 o to o G0 to to M* CO 00 to to -3 to o o Ol o CO Hk CO CO CD CO Oi to b o Hk CD o o 00 Hk Hk • a CO o -q to 0 5 o 6 o o Hk CO O l 05 co 00 Ol o 09 CO 0 0 CO >-k -a b o o Ol CO Hk OX CO CO CO o Ol Ol o O I o CO OQ W to Hk O I to •J to CO CD to to o o rfi*. CO CD CO CO H to o to 05 o o oc 12 "-lige Ann- strong’sche Versuchs- CO Hk to •<! 05 CD CO CD QO o o o Hk to Italienische LO 10 -a 1-2 00 -3 • <o . . © . co hi go -J O Q 30 466 Diese Zahlen zeigen: 1. Die Geschosse der Krupp’schen Kanonen sind vergleichsweise die schwersten; am meisten nähern sich ihnen die Projectile der englischen 80 und 38 Tonnen-Kanonen, also die der neueren englischen Modelle. Ueberhaupt erkennt man die Absicht aller Artillerien, die Geschosse schwerer zu machen, als früher. Das grössere Gewicht der Krupp’schen Geschosse' ist für die Ueberwindung des Luftwiderstandes von grossem W erth, wie dies die Zahlen für das Geschossgewicht per Quadratcentimeter Querschnitt zeigen. 2. Die Geschossgeschwindigkeit ist bei den Krupp’schen Kanonen grösser, als bei den Kanonen der anderen Systeme. Am meisten nähert sich den ersteren die Armstrong’sche 40 Tonnen-Kanone; doch ist bei dieser das Geschoss nur 3 -06, bei der Krupp’schen 30 • 5 % - Kanone aber 3 ‘20 Kugel schwer. Auf gleiches Geschossgewicht reducirt, würde die Geschwindigkeit bei der Armstrong’schen Kanone nur etwa 482 mii betragen. Die Geschwindigkeit von 500 mj bei den langen Krupp’schen Kanonen ist keineswegs die Grenze. Die Festigkeit des Krupp’schen Kanonenstahles und die Fortschritte in der Pulverfabrication machen es möglich, die Ladungen so zu steigern, dass Anfangsgeschwindigkeiten von 600 m\ und mehr erreicht werden. Doch dürfte der Gewinn nicht im Einklang mit den damit verbun­ denen Uebelständen stehen. Eine Anfangsgeschwindigkeit von 500 m1 genügt vorläufig für alle vorhandenen Zwecke, wie der folgende Vergleich beweiset. 3. Gleichviel, ob man die lebendige Kraft der Geschosse per Centimeter Umfang oder per Quadratcentimeter Querschnitt als Masstab für die Durch­ schlagskraft der Geschosse ansieht, in beiden Fällen leisten die Krupp’schen Kanonen gegen Panzer mehr, als die Kanonen gleichen Kalibers anderer Systeme. Aus den in verschiedenen Ländern ausgeführten Schiessversuchen lässt sich folgern, dass ein gutes Panzergeschoss so viel Decimeter Schmiedeeisen durchschlägt, als es lebendige Kraft in Metertonnen per Quadratcentimeter Querschnitt besitzt. Die Holzhinterlage ohne Winkeleisen leistet annähernd % 0, mit Winkeleisen 7 1 0 des Widerstandes einer gleich starken Eisenplatte. Bei minder guten Platten und Geschossen bester Qualität ist die Leistung bis zu 10% grösser, umgekehrt etwas geringer. Es würde demnach die Krupp’sche 3 5 'b°fm-Kanone in grösster Nähe eine schmiedeiserne Platte von 6 0 — 67 % , auf 2000™/ Entfernung noch eine solche von 4 5 — 50 % Dicke durchschlagen. 4. Die Zahlen für die lebendige Kraft des Geschosses per Kilogr. Rohr­ gewicht beweisen, dass die Ausnutzung bei den Krupp’schen Kanonen am grössten i s t ; dann aber lässt sich an ihnen auch der allgemeine Fortschritt der Artillerie erkennen, indem die neueren Constructionen eine bessere Aus­ nutzung des Materiales aufweisen, als die älteren. Sc. 467 Das internationale Havarie - Brosse-Recht. — Schon seit einer Reihe von Jahren (1860) macht sich eine Agitation zur Ausgleichung der Misstände bemerkbar, welche in den bestehenden Verschiedenheiten bei der Havarie-Grosse ihre Ursache haben, während doch die Beziehungen der letzteren zum See­ transport einerseits und zur Seeversicherung andererseits für den internatio­ nalen Verkehr gewiss sehr wichtig sind. Bei der im verflossenen Jahre in Antwerpen abgehaltenen Jahresversamm­ lung des Vereines nzur Reform und Codicirung des Völkerrechtes« stand be­ kanntlich unter Anderem auch die Berathung von internationalen Normen für ein allgemeines Havarie-Grosse-Recht neuerdings auf der Tagesordnung. Nachdem England die grösste handeltreibende Nation repräsentirt, mussten selbstverständlich die Anknüpfungspunkte für eine Vereinbarung in dieser An­ gelegenheit zunächst mit den Vertretern dieses Landes gesucht werden, welche Notliwendigkeit sich noch mehr aus der Betrachtung ergab, dass gerade Eng­ land in seinen Havarie-Grosse-Anschauungen bisher einen besonderen Stand­ punkt eingenommen h a t, während die continentalen Nationen sämmtlich so ziem­ lich auf demselben Boden stehen, und nur mehr oder weniger den englischen Anschauungen in der Sache entgegenkommen. Die letzteren machen das n Common Safety u -Princip zu ihrem Systeme, welches die Havarie-Grosse nur insoweit heranzieht, bis beide, Schiff und Ladung, in Sicherheit gebracht sind. Die Grundlage der continentalen Anschauungen ist dagegen das r Common Benefit«--Princip , welches bei der Bemessung der Havarie-Grosse auch die contractliche Verpflichtung der beiden Parteien zur Vollendung der Reise in’s Auge fasst. Für die Versammlung in Antwerpen war nun diese Angelegenheit von einem eigens hiezu eingesetzten Ausschuss vorbereitet worden, und die vom Zweigverein der Association in Bremen eingesetzte Havarie-Grosse-Commission hat das, die Havarie-Grosse in ihrem ganzen Umfange vollständig behandelnde deutsche Handelsgesetzbuch als Grundlage der Vereinbarung empfohlen. Das leitende Princip aller Havarie-Grosse ist eben klar und bündig im deutschen Handelsgesetzbuche ausgesprochen in den Worten: 7?Alle Schäden, welche dem Schiffe oder der Ladung oder beiden zum Zwecke der Errettung aus einer gemeinsamen Gefahr von dem Schiffer oder auf dessen Geheiss vorsätzlich zugefügt werden, sowie auch die durch solche Massregelu ferner verursachten Schäden, ingleichen die Kosten, welche zu dem­ selben Zwecke aufgewendet werden, sind grosse Havarie. — Die grosse Havarie wird von Schiff, Fracht und Ladung gemeinschaftlich getragen.« In diesem Grundprincipe stimmen zwar alle continentalen Nationen über­ ein, doch wurde, um England entgegenziikommen, als Grundlage der Berathung auf dem gedachten Congresse jene Reihe von Regeln angenommen, welche für denselben Zweck im Jahre 1864 auf dem International - General - AverageCongress zu York in 11 Punkten abgefasst wurden, und unter dem Namen das «Reglement von York« bekannt sind. Der Ausschuss hat letzteres Reglement einer genauen Prüfung unter­ zogen, und Modiflcationen und Zusätze beantragt, auf welche Weise das «York und Antwerpner Reglement« zu Stande kam, das vom Congresse mit überwie­ gender Majorität angenommen und als Grundlage für e i n , allen Seestaaten gleichförmiges System der Havarie-Grosse vorgeschlagen wrurde. 3o* 468 Das nYork-Antwerpener Reglement« lautet in deutscher Uebersetzung: Regel 1. S e e w u r f v on D e c k l a d u n g . Seewurf von Deckladung wird nicht als Havarie-Grosse zugelassen. Jeder Aufbau, welcher mit dem eigentlichen Schiffskörper nicht unmittel­ bar verbunden ist, wird zum Deck gerechnet. 2. S c h a d e n d u r c h S e e w u r f . Schaden, welcher durch das, in Folge eines Seewurfes durch die Lucken und in anderer Weise in das Innere dos Schiffes eindringende Wasser verursacht wird, gilt als Havarie-Grosse. Schaden, welcher durch die anlässlich eines Seewurfes erforderliche Umstauung der Ladung, also durch Bruch oder Reibung verursacht wurde, gilt als HavarieGrosse. 3. L ö s c h e n von F e u e r a n Bo r d . Jeder Schaden, welchen Schiff oder Ladung, oder beide zusammen, durch Wasser oder in anderer Weise beim Lö­ schen eines an Bord ausgebrochenen Feuers erleiden, zählt als Havarie-Grosse; jedoch wird keine Entschädigung für den Schaden geleistet, welcher durch Wasser den in Brand gerathenen Verpackungen zugefügt wurde. 4. H i n w e g s c h a f f e n v on T r ü m m e r n . Der Verlust oder Schaden, welcher durch das Hinwegschaffen der Trümmer von Masten, Takelwerke oder anderen durch Seenoth hinweggerissenen Dingen verursacht wurde, wird nicht als Havarie-Grosse gerechnet. 5. F r e i w i l l i g e S t r a n d u n g . Wenn ein Schiff absichtlich stranden gemacht wird, weil es sinkt, oder gegen Felsen oder Riffe treibt, gilt keinerlei an Schiff, Ladung oder Fracht durch die ersichtliche Strandung erlittener Schaden als Havarie-Grosse. 6 . Segelpressen. Jener Schaden, welcher dem Schiffe oder der La­ dung durch Segelpressen zugefügt wird, gilt nicht als Havarie-Grosse. 7. A u s l a g e n im Z u f l u c h t s h a f e n . Wenn ein Schiff unter solchen Verhältnissen einen Zufluchtshafen anläuft, dass die durch dieses Anlaufen verursachten Auslagen in die Havarie-Grosse gerechnet werden können, und wenn das Schiff jenen Hafen mit der ursprünglichen Ladung oder mit einem Theile derselben verlässt, so sind die Auslagen anlässlich des Auslaufens aus jenem Hafen gleichfalls als Havarie-Grosse zulässig, und so oft die Auslagen für die Löschung der Ladung in jeden Hafen als Havarie - Grosse gerechnet werden können, sind auch die Auslagen für Wiederladung und Stauung der Ladung an Bord desselben Schiffes, sowie sämmtliche Magazinsauslagen für diese Ladung gleichfalls anrechenbar. 8 . Honorar u n d U n t e r h a l t u n g s k o s t e n d e r B e m a n n u n g in e i n e m Z u f l u c h t s h a f e n . Wenn ein Schiff unter den in Regel 7 angeführten Umständen einen Zufluchtshafen angelaufen hat, so werden die Heuer und die Unterhaltskosten für Officiere und Mannschaft von dem Zeitpunkte des Ein­ laufens in den Hafen bis zu dem Zeitpunkte, in welchem das Schiff wieder klar zur Fortsetzung der Reise ist, in die Havarie-Grosse eingerechnet. 9. B e s c h ä d i g u n g d e r L a d u n g b e i m L ö s c h e n . Der Schaden, welcher in einem Zufluchtshafen der Ladung beim Löschen zugefügt wird, gilt in dem Falle nicht als Havarie-Grosse, wenn das Löschen an der Stelle und in der Weise vor sich ging, welche für Schiffe ortsüblich sind, die nicht in Folge von Seenoth einliefen. 469 10. W e r t h d e r B e i t r a g s l e i s t u n g . Die Beitragsleistung zur Ha­ varie-Grosse wird nach dem wirklichen Werthe der Güter in dem Zeitpunkte der Beendigung der Gefahr berechnet, wozu noch der als Havarie-Grosse giltige Betrag für aufgeopferte Güter hinzukömmt*, jedoch werden von der Fracht des Schiffseigenthümers und von den ihm vorausbezahlten Passagiergeldern jene Hafenauslagen und Mannschaftsheuern abgezogen, welche nicht ausgelegt worden wären, wenn Schiff und Ladung im Augenblicke der Havarie - Abma­ chung gänzlich verloren gewesen wären. Ebenso werden von dem Werthe der Güter alle späterhin durch die Geltendmachung der Havarie-Ansprüche ent­ standenen Auslagen in Abrechnung gebracht. 11. V e r l u s t an F r a c h t . Wenn ein Verlust an Ladung als HavarieGrosse angerechnet werden kann, so ist auch der dadurch etwa entstandene Verlust an Fracht anrechenbar. 12. A n r e c h e n b a r e r W e r t h f ü r v e r l o r e n g e g a n g e n e L a d u n g . Als der für verloren gegangene Güter zulässige Betrag gilt jener W erth, welchen der Eigenthümer derselben erhalten hätte, wenn jene Güter nicht verloren worden wären. — Obwohl noch mehrere Zusatzregeln beantragt worden waren und insbe­ sondere die deutsche Commission es für durchaus erforderlich hielt, nachdem die York-Rules gar kein allgemeines Princip anführen, wenigstens das Grundprincip der Havarie-Grosse, auf welches sich alle einzelnen Fälle wieder zurückführen lassen, ausdrücklich auszusprechen, und den Wortlaut des Art. 702 des deut­ schen Handelsgesetzbuches an die Spitze der Rules zu stellen, da sich keine vollständigere und concisere Definition des Begriffes denken lässt, so wurde doch nur die Annahme einer einzigen Zusatzregel beschlossen, welche nunmehr Regel 12 bildet. Dieses Reglement enthält eine Abweichung vom deutschen Handelsgesetz­ buche nur bezüglich des freiwilligen Auf-den-Strandsetzens. Die betreffende, in Regel 5 enthaltene Bestimmung ist unverändert aus den York-Rules her­ übergenommen. Hiezu hatte der obenerwähnte Bericht der Bremer HavarieGrosse-Commission bemerkt, dass das freiwillige Auf-den-Strandsetzen im deut­ schen Handelsgesetzbuche nur dann als Havarie-Grosse betrachtet wird, wenn die Abwendung des Unterganges oder der Nehmung damit bezweckt wird. Regel 5 schliesst es von der Havarie - Grosse aus, wenigstens in Betreff des ersten Punktes. Der Congress fasste schliesslich einstimmig eine Resolution des Inhalts, dass die Zweigvereine bei ihren Regierungen für Aufnahme der »York - Antwerpner-Regeln« in die respectiven Gesetzgebungen wirken möchten. Aus dem Gesagten erhellt, dass Seitens des Congresses ein allgemeines, grundlegendes Princip nicht angenommen wurde, weil die amendirten YorkerRegeln eigentlich nur eine Reihe von Grundsätzen für specielle Fälle ausspre­ chen, und in denselben die concise Definition des Grundbegriffes der HavarieGrosse nicht enthalten ist. Bedauerlicher ist, dass auch diesmal die Vertreter des Lloyd's-Comittee gegen die Beschlüsse der gedachten Conferenz Protest erhoben haben. Indessen hat der deutsche Zweigverein für Reform und Codification des Völkerrechts sich in Verfolg der Beschlüsse des Congresses zu Antwerpen an den deutschen Reichskanzler mit der Bitte gewendet, mit den verschiedenen 470 Seestaaten und vornehmlich mit England Verhandlungen anzuknüpfen, zu dem Zwecke, eine internationale Regelung der Havarie-Grosse — etwa im Wege der Berufung von Sachverständigen der verschiedenen Seestaaten behufs noch­ maliger Vorprüfung und Ergänzung der angenommenen Grundsätze — herbei­ zuführen, falls eine solche in genereller Weise aber scheitern sollte, wenigstens für Aufnahme der betreffenden Regeln in die Einzelgesetzgebungen zu wirken. Die Handelskammer in Bremen verhält sich gegenüber diesen Bestrebungen äusserst fördersam, wie nicht minder das sogenaunte niederländische Comite eine Adresse an die niederländische Regierung gerichtet hat, um die von dem Antwerpner Congresse vorgeschlagenen Havarie-Grosse-Bestimmungen zur Auf­ nahme in das niederländische Recht anzuempfehlen, respective um für eine internationale Vereinbarung über die betreffenden Congressbeschlüsse die Ini­ tiative der genannten Regierung anzuregen. Aus dem Gesagten erhellt, dass, wenn irgend eine Aussicht auf das Zu­ standekommen eines internationalen Havarie - Grosse - Gesetzes vorhanden sein soll, England seine nCommon Safetyu-Theorie aufgeben und sich zur nCommon Benefit«- Theorie der continentalen Staaten bekennen muss, wozu indessen manche Anzeichen vorhanden sind, da sich bereits, wie verlautet, eine Coalition der Rheder, Versicherer und Dispacheure von Liverpool, Hull, Newcastle on Tyne u. s. w. gegen das Lloyd's Comittee gebildet hat. Es steht zu hoffen, dass wenn hier einmal ein glücklicher Anfang inter­ nationaler Gesetzgebung gemacht sein wird, man bald zu anderen Gebieten des Seerechtes wird weiter fortschreiten können. Cz. Die Hebung (1er E u r y d i c e . — Ueber die Hebung des englischen MatrosenSchulschiffes E u r y d ic e , dessen Untergang wir im Heft VI, Seite 297 d. Jahrg. mittheilten, entnehmen wir dem nEngineeru folgenden Bericht. Nach Monaten schwerer Arbeit ist es endlich gelungen, die E u r y d ic e aus dem Bette, in welchem sie eingegraben lag , zu heben und auf harten Grund näher an Land zu schleppen. Die Schwierigkeiten, denen man bei der Hebung zu begegnen hatte, lagen fast ausschliesslich in der Witterung und Strömung, und man konnte deshalb erst mit E intritt der schönen Jahreszeit zu einem günstigen Resultate gelangen. Die E u r y d i c e lag beinahe senkrecht auf die Stromrichtung, ungefähr 30° nach Steuerbord gekrengt, am Grunde, und man nahm au, dass es am vortheilhaftesten sei, die Fregatte in dieser Position zu heben, ohne sie vorher auf geraden Kiel zu stellen; es wurde deshalb auch kein Versuch gemacht, dieselbe aufzurichten. Zur Hebung selbst wurden zwei Corvetten und zwei Kanonenboote ver­ wendet; von den ersteren war zu diesem Zwecke die P e a r l mittelst 929 Tonnen W asser um 5' 6", der R in a l d o mittelst 590 Tonnen um 4' 11" und die zwei Kanonenboote mittelst je 160 Tonnen um 3 '6 " über ihre normale Tauchung ge­ senkt. Die totale, mit der Fluth auszupumpende Wassermasse betrug somit 1839 Tonnen. Früher hatte man zu den Hebungsversuchen i y 2zöllige Ketten verwendet; diesmal jedoch waren die letzteren durch 7zöllige Stahldrahttaue ersetzt worden, welche man verlässlicher und leichter zu handhaben gefunden 471 hatte. Bei dem letzten Versuche hatte der E i n ALDO nebst der gewöhnlichen Befestigung an dem Wrack noch die Ankerketten desselben heraufgenommen; am Dienstag den 16, Juli wurden diese Ketten aber zum Schleppen benützt und statt derselben zwei Schwertakel in den Bugpforten des gesunkenen Schiffes angesetzt. Das W etter war so günstig, wie man es zu dieser Arbeit nur wünschen konnte; der Wind wehte kaum fühlbar aus Norden und die See war glatt. Die zum Heben verwendeten Schiffe hatte man Montag den 15. Juli mit der Ebbe an Ort und Stelle gebracht, und mit 60 Centner schweren Ankern quer über dem gesunkenen Schiffe vertäut. 400 Matrosen vom E x c e l l e n t und den Schiffen in Reserve bildeten die Bemannung. Die Arbeit des Straffholens aller Stahltrossen der Schiffe nach dem Wrack wurde mit Hilfe von Gangspillen, Bratspillen und Dampfwinden um 2 Uhr be­ gonnen und so lange das Wasser mit der Ebbe fiel fortgesetzt. Dies dauerte ohne Unterbrechung bis 6 Uhr, der Zeit des niedrigsten Wasserstandes, wor­ auf alle Taue belegt wurden und die gesammten Pumpen das Wasser aus den vier Schiffen zu heben begannen. Um 7 Uhr hatte sich das Wrack mit der Fluth um 14" und durch das Auspumpen der Schiffe ebenfalls um 14", zu­ sammen 2/ 4 " gehoben. Um 9 Uhr war alles Wasser ausgepumpt, als sich zeigte, das der S w an aufgehört habe das Gewicht zu fühlen — indem sich die E ur y d ic e etwas aufgerichtet hatte — und dass das Wrack fast ausschliesslich von den grossen Schiffen getragen werde. Daraufhin wurden die Stahltrossen etwas nachgeholt, Als die E u r y d ic e ganz frei vom Grunde w a r , untersuchte man, wie gross das Gewicht derselben, welches man früher nur geschätzt hatte, in W irk­ lichkeit sei. Zu diesem Behufe wurden genaue Messungen der anormalen De­ placements der vier Schiffe vorgenommen, nachdem schon vorher die zur Mehrein­ tauchung derselben um einen Zoll erforderlichen Gewichte berechnet worden waren. Die P e a r l trug nach dieser Berechnung 126, der Rin a l d o 105, die Wa v e 52 und der Sw a n 20 Tonnen; und wenn man auf die Popoff sehen Luftsäcke 5 0 Tonnen Deplacement rechnet, so betrug das Gewicht der E u r y ­ d i c e im Wasser 353 Tonnen, oder 50 Tonnen m ehr, als man angenommen hatte. Nachdem das Pumpen eingestellt war, hörte auch scheinbar jedes weitere Heben der Schiffe auf; da das Grosseselshaupt der E u r y d ic e aber constant einen Fuss über Wasser blieb, so war es unzweifelhaft, dass das volle Steigen des Wasserniveaus mit der Fluth zur Hebung ausgenützt wrerde. Um 1 % Uhr wurde beschlossen, die E u r y d ic e gegen das Land zu holen. Das Thurmschiff Th u n d e r e r , welches zum Schleppen bestimmt war und auch schon die Schlepptaue an Bord hatte, begann in diesem Augenblicke un­ glücklicherweise auf seiner Vertäuung mit der Fluth zu treiben, und war ge­ zwungen, die Schlepptaue schlüpfen zu lassen, welche auf den Grund sanken. Der Cam el und der Gr in d e r lagen aber schon, ersterer am BackbordBuge der P e a r l , letzterer am Steuerbord-Buge des Rin a l d o bereit, mit dem Befehle, die E u r y d ic e in ihrer Dwarslage gegen Nordosten in die Richtung des Culver Cliff zu schleppen. Die Verbindungstaue der Hebeschiffe untereinander|wurden dem entsprechend straff geholt, die achteren Vertäuungen abgefiert und die vorderen mit den Gangspillen eingewunden. Durch einige Zeit war keine Wirkung bemerkbar. Zehn Minuten nach 11 Uhr begannen sich 472 die Schiffe zu rühren, und um halb 12 Uhr bewegten sich dieselben sichtlich gegen Nordosten. Mittlerweile hatte der T h u n d e r e r , wieder eines der Schlepp­ taue an Bord genommen und begann gleichfalls zu arbeiten. Plötzlich brachen an Bord desselben die achteren Betinge und das Gangspill, welch’ letzteres über Bord geschleudert wurde. Mit diesem Zwischenfalle schloss die Arbeit dieses Tages; die E u r y d ic e war an demselben um 1 0 0 ' näher an Land auf harten Grund gebracht worden. Am folgenden Morgen wurden die Arbeiten fortgesetzt. Um 9 Uhr waren die Stahltrossen wieder straffgeholt, eine halbe Stunde später hob sich das Wrack und wurde von den zwei Schleppschiffen Ca m e l und G k in d e r aber­ mals , und zwar um 8 0 ' näher an Land geschleppt. Die unerwartet heftige Fluthström ung, welche eingetreten war, trieb die Schiffe von ihrem geraden Curse ab, und setzte die E u r y d ic e auf einer Sandbank auf. Dieselbe lag dort in einer um 2 0 ' geringeren Tiefe, als am Schluss des vorhergegangenen Tages. In den folgenden Tagen, nachdem die E u r y d ic e bis auf die Wasser­ oberfläche gehoben worden w ar, setzte schlechtes Wetter mit schwerem Seegang aus Osten ein, gegen welche Richtung die Sandown Bay vollkommou offen liegt. Auf Befehl von Portsmouth mussten die bei der Hebung bethei­ ligten Schiffe die E u r y d ic e vorläufig verlassen. Man befürchtete die voll­ kommene Zertrümmerung des Wracks, indem in Folge des Seeganges das Deck aufgebrochen und einige Planken in Shanklin und Sandown au Land ge­ schwemmt worden waren. Glücklicherweise bewahrheitete sich diese Befürch­ tung nicht. Nachdem der Wind nach SW umgesetzt hatte, wurde beschlossen, den Versuch, das Wrack nach Portsmouth zu schleppen, zu erneuern. Die Schiffe nahmen wieder wie früher die Hebestahltrossen an Bord uud setzten sie mit der Ebbe straff; mit der Fluth hob sich das Wrack und wurde nun gegen die Culver Cliffs geschleppt. Bei Bembridge Point, dem östlichsten Vorgebirge der Insel W ight, wurde eine Messung der Breite der Schiffsgruppe - vorgenommen und dieselbe 2 5 0 'gefunden. Da man diese Breite zu ausgedehnt für das Ein­ laufen nach Portsmouth fand, beschloss man das Wrack vorläufig in dem seichten Brading-Hafen, einer Bucht der Insel W ight, oberhalb Bembridge Point auf­ zufahren. Bei wieder eingetretenem Hochwasser wurde das Wrack weiter uferwärts geholt, wo es in 2 2 ' Wasser vorne und 2 4 ; achter liegen blieb. Bei Ebbe dürfte dasselbe vorne 1 4 ' und achter 1 6 ' Wasser haben. —x — Sechs neue französische Thornycroft-Boote. — Eine interessante Reihe von Erprobungen wurde mit der dreistündigen Dauerprobefahrt der letzten der 6 neuen, von der Firma T h o r n y er o f t & Comp, an die französische Kriegs­ marine gelieferten Torpedoboote beendet. Diese Boote sind den verbesserten L i g h t n i n g ’s , welche dieselbe Firma jetzt für die englische Marine in Bau hat, ziemlich ähnlich. Die Länge der­ selben über Deck beträgt 8 7 ', die Breite 10' 6 " und die Tauchung 5' 6 ". Sie sind aus stärkeren Blechen als der erste L i g h t n i n g gebaut, und unter­ scheiden sich von diesem auch noch dadurch, dass sie das Steuer achter von der Schraube haben. Man hat als Folge dieser Anordnung einen beträcht- 473 lichen Verlust an Fahrgeschwindigkeit befürchtet; durch eine etwas veränderte Construction der Bootskörper jedoch und die Einführung einiger Verbesserungen an den Maschinen, welche eine thatsächliche Erhöhung der nutzbaren Maschinen­ kraft zur Folge hatten, wurde dieser eventuelle Verlust, wie man aus den Probe­ fahrtsdaten ersehen kann, aufgehoben. Einige dieser Boote haben sogar eine grössere Schnelligkeit erreicht, als der erste Li g h t n in g . Die Probefahrtsresultate der 6 Thornycrofts sind folgende: Fahrgeschw. bei der Nr. der Boote Fahrgeschw. an der 3stünd. Dauerprobe gem. Meile in Knot. in Knoten 54 18-661 18-482 55 19'423 18-734 18-441 18-963 56 18-165 57 18-379 18-405 19-152 58 18-836 59 19-307 Die Fahrten an der gemessenen Meile, sechs an der Zahl per Boot, wurden in Cherbourg längs dem Wellenbrecher gemacht und di e. dreistündigen Dauer­ probefahrten in hoher See zwischen Cape la Hogue einerseits und Cape Barfleur andererseits. Die Unterschiede in den Geschwindigkeiten resultiren aus der Be­ schaffenheit der Böden und dem jeweiligen Zustande von Wind und See während der Probefahrten. Die contractlich ausbedungene Schnelligkeit betrug 18Knoten per Sfcuude, welche Verpflichtung somit reichlich erfüllt ist. Der Kohlenverbrauch per Stunde mit voller Kraft war 18 Centner bis 1 Tonne, und in den Kohlendepöts ist Raum für 5 Tonnen; bei den Probe­ fahrten befanden sich nur 3 Tonnen, der Bedarf für die dreistündige Fahrt, an Bord. Bei langsamen Gang der Maschine war der Verbrauch an Kohle ein sehr geringer; eines der Boote vollführte die Fahrt von Chiswick nach Cherbourg in 22 Stunden mit einem Consum von 2 y 2 Tonnen Kohle. Das Gewicht an Bord bestand ausser den 3 Tonnen Kohle aus einer Bemannung von 10 Mann mit Material etc., worunter ein Reservepropeller und ein equivalentes Gewicht für die später zu installirenden Torpedoapparate. (n 'E n g in e e r in g «.) — x— Ein Versuch mit geräuschlos fahrenden Torpedobooten. — In Ports­ mouth wurde ein Versuch zur Ermittlung der Entfernung vorgenommen, auf welche Torpedoboote zur Nachtzeit an ein Schiff heranfahren können, ohne sich durch das Geräusch der Maschine oder den Schein der Kesselfeuer zu verrathen. Das Kanonenboot S p e e d y im Hafen von Portsmouth stellte das feind­ liche Schiff vor; die angreifende Torpedo-Flottille bestand aus dem L ig h t n in g und 4 Dampfbarkassen, welche von der Stokes B ai, beiläufig vier Meilen von Portsmouth entfernt, ausliefen. Zwei der Barkassen wurden mit Rücksicht auf die, zum Verbergen des Feuerscheines angewendeten Mittel erprobt, die zwei anderen bezüglich der 474 Hörweite des Geräusches der Maschinen und der Lig h t n in g auf beides. Bei allen wurde Nixon’s rauchlose Kohle verwendet. Die Nacht war wind- und seestill ohne Mondschein, die Luft jedoch so vollkommen rein, dass man selbst das leiseste Geräusch ganz deutlich hören konnte. Auf ein vorher verabredetes Signal des Sp e e d y setzte sich der Lig h t n in g in Bewegung, und ihm folgten in Zeiträumen von je einer Viertel Stunde die anderen Boote. Der Lig h t n in g wurde 5 Minuten bevor er das Heck des Kanonenbootes passirt hatte, in Folge des Arbeitens seiner Thornycroft-Maschine entdeckt. Von den auf die Sichtbarkeit des Feuerscheines zu erprobenden zwei Booten hatte eines venetianische Asclienthüren einer besonderen Construction (eine E r­ findung des Maschinen-Ingenieurs W ilia m ’s), welche mit einem verticalen Rohre zur Zuführung der Luft versehen sind, wodurch die Nothwendigkeit, die Asclienthüren offen zu halten, entfällt. Dieses Boot wurde, obgleich kein Feuerschein vom Aschenraum zu sehen w ar, in Folge der Dampfausströmung durch den Schlot entdeckt, bevor das Geräusch der Maschine vernommen werden konnte. Das zweite Boot ergab ein minder befriedigendes Resultat. Von den Barkassen, welche auf die Hörweite des Arbeitens der Maschinen geprüft wurden, war eine mit Willan’s geräuschloser Maschine, die andere, ein Arsenalsboot, mit Justice’s geräuschloser Dampfausströmung versehen. Das erstere verrieth sich durch den Feuerschein, bevor man die Bewegung der Ma­ schinen hören konnte, während bei dem Arsenalsboote überhaupt kein Feuer­ schein gesehen wurde, sondern das Geräusch der Maschinen die Entdeckung herbeiführte. Da aber bei diesem Boote die Maschine ganz eingeschlossen ist, so wurde es erst l 1/^ Minute vor Passirung des Kanonenbootes von den eigens für dasselbe aufgestellten Ausluggern entdeckt. Nach diesem Versuche scheint die Construction eines vollkommen ge­ räuschlos laufenden und unsichtbaren Torpedobootes im Bereiche der Möglich­ keit zu liegen, wenn man W illan’s Maschine, Wiliam’s venetianische Aschenthüren und Justice’s geräuschlose Dampfausströmung anwendet. ( n E n g in e e r u .) — x— Probefahrt der englischen Corvette E u r y a l u s . — Die eiserne, mit Holz beplankte, gedeckte Corvette E u r y a l u s von 16 Kanonen (Typ B o a d ic e a ), machte Freitag den 5. Juli d. J. an der gemessenen Meile in Stokes Bay vor ihrer Abreise nach Ostindien eine Probefahrt. Das Ergebniss war sehr zu­ friedenstellend, und im Vergleich zu jenem der ersten Probefahrt in Sheerness nicht wenig merkwürdig. Die Maschinen von Messrs. E a s t o n & A n d e r s o n wurden in Befolg der neuen Vorschrift bei voller, bei 2/ 3 und 1/ 3 K raft, im ersteren Falle bei vier, und in den beiden letzteren bei zwei Gängen versucht. Der Dampf wurde durchgehends auf dem gleichförmigen Drucke von 75 Pfund per Quadratzoll erhalten. Während der Fahrt mit voller Kraft war das Va­ cuum in den vorderen wie rückwärtigen Condensatoren 251/2 und 26, die Um­ drehungen 7 1 ‘48 in der Minute, der mittlere Dampfdruck im HochdruckCylinder 3 4 ' 8 7 , im Niederdruck - Cylinder 1 0 ' 9 8 , und die volle entwickelte 475 Pferdekraft 5111 *67, also 138 Pferdekraft weniger, als bedungen war. Die mittlere erreichte Geschwindigkeit war 1 4 -7 1 5 Knoten. Bei 2 / 3 K raft: 62 Um­ drehungen, 3457*15 Pferdekraft und 13 Knoten Geschwindigkeit. Endlich bei % K raft: 49 */,2 Umdrehungen, 1 8 0 0 '2 4 Pferdekraft und 1 0 -8 Knoten Ge­ schwindigkeit. Ein eigentüm licher Umstand hiebei is t, dass bei der Probe­ fahrt in Sheerness, bei welcher die Maschine 71*6 Umdrehungen erreichte und 5 2 6 9 * 7 9 Pferdekraft — also ein wenig mehr als bedungen war — in­ dicate, das Schiff bei einem geringeren Tiefgange als diesmal nur eine Ge­ schwindigkeit von 1 4 '4 4 4 erreichte. Da der E u r y a l u s einen Zinkbeschlag h a t, so kann der Zustand des Bodens nicht als genügender Erklärungsgrund dieser Erscheinung angesehen werden. (» Times.«) F. K. Die russische freiwillige Flotte. — Als es zwischen England und Russ­ land aus Anlass des, von der letzteren Macht mit der Türkei abgeschlossenen Prälimiuar-Friedens zu Verwickelungen kam, die in einen Krieg zwischen den ersteren zwei Mächten iiberzugehen drohten, kam man sowohl in den russi­ schen Regierungskreisen, als auch im russischen Volke zu der Ueberzeugung, dass man im Angesichte der grossen Uebermacht der englischen Kriegsflotte, welche ein offensives Vorgehen der russischen Kriegsflotte zum Vorhinein aus­ schloss, trachten müsse, die englischen Handelsinteressen durch eine möglichst intensive Störung des Seehandels zu schädigen, was am leichtesten durch Aus­ rüstung von Kreuzern geschehen könnte. In richtiger Erkenntniss dieser Thatsache leitete die russische Regierung den Ankauf einiger, zur Umwandlung in Kreuzerschiffe geeigneten Dampfer in Nordamerika ein, und sendete auch die zu ihrer Bemannung benöthigten Mannschaften nach den Vereinigten Staaten. Die in Amerika angekauften 3 Dampfer führen die Namen E u r o p a , A sia, A f r ic a . Das russische Volk suchte die Regierung in diesem Vorhaben mit allen Kräften zu unterstützen. Es bildete sich bekanntlich ein Comite für die Sammlung von Beiträgen zur Schaffung einer freiwilligen Flotte, dessen Protectorat der Grossfürst Thronfolger übernahm. Die von Corporationen uud einzelnen Personen gespendeten und eingezahlten Beträge erreichten bis zum 15. Juli beim Central - Comite in Moskau 1,173.330 Rubel, beim Comite in Petersburg 969.713 Rubel und 15.000 Rubel an Werthsachen; an der Cassa der Gesellschaft zur Beförderung des russischen Handels und der Schiffahrt in Moskau 285.000 Rubel, zusammen somit 2 1/(l Millionen Rubel. Auf Rechnung dieses Comite’s wurden bis nun von der Hamburg-Ameri­ kanischen Packetfahrt-Actien-Gesellschaft drei Dampfer angekauft, und zwar die H o l s a t ia , H a m m o n ia , Th u r i n g i a . Die H o l s a t ia ist am 14. Juni in Kronstadt angekommen. Zur Ueberfahrt von Hamburg nach Kronstadt brauchte dieselbe angeblich 84 Stunden, was einer mittleren Geschwindigkeit von 14 Knoten entsprechen würde. Das Schiff wurde von Laird & Co. in Greenwich erbaut; die ursprünglichen Nieder­ druck-Maschinen ersetzte man im Jahre 1873 in Hamburg durch CompoundMaschinen von 350 nomineller Pferdekraft. Der Schiffskörper ist 350' lang, 3 9 ' breit und taucht vollgeladen 2 1 '; Tonnengehalt (gross tonnage) 3098 Tonnen; Briggtakelage. Mit dem Hissen der russischen Flagge erhielt die 476 den Namen R o s s ia . Die Ankaufskoston werden mit 65.000 £ angegeben. Am 18. Juni kam die H am m onia in Kronstadt an. Sie ist kleiner als die H o l sa t ia , soll jedoch die gleiche Geschwindigkeit besitzen und 50.000 £ gekostet haben; die H am m onia erhielt iu der russischen Flotte den Namen HOLSATIA Mo sk w a . Das dritte der augekauften Schiffe, die Th u r in g ia , traf am 6 . Juli in Kronstadt ein. Dieses gleichfalls von Laird gebaute Schiff hat dieselbe Länge wie die H o l s a t ia ; die Maschinen von ebenfalls 350 nomin. Pferdekraft sind jedoch einfache Niederdruck - Maschinen mit Oberflächen - Condensatoren ; auch hat die Th u r in GIA blos e i n e n Kamin, während die H o lsa tia deren zwei führt. Die Th u r in g ia erhielt den Namen P e t e r sb u r g . Der Ankaufspreis dürfte derselbe wie jener der H olsa tia sein. Diese drei Schiffe wurden sofort nach der erfolgten Uebernahme in’s Arsenal geführt, woselbst man die Arbeiten behufs ihrer Adaptirung für den Kriegsdienst vornimmt, nach deren Vollendung alle drei Schiffe sofort zur Ostsee - Escadre stossen sollen. Jedes dieser Kreuzerschiffe soll mit 7 Stück schweren Geschützen arrnirt werden, und zwar mit 1 Stück 8 -Zöller, 2 Stück 7 -Zollern und 4 Stück 6 -Zollern; ausserdem erhalten dieselben zur Abwehr von Torpedobooten einige 9-Pfünder und Kartätschengeschütze. Die Artillerie, Kaperte inbegriffen, wiegt 60 Tonnen. Auf der Ro ssia und dem P e te r sb u r g wird die Artillerie am Oberdecke, auf der Mosk w a auf dem zweiten Decke aufgestellt; demgemäss sind auch die Adaptirungsarbeiten verschieden. Die Decke wurden durch Sprengwerke aus Holz verstärkt und die 7- und 8 -zölligen Geschütze so placirt, dass sie sowohl nach Yorne als auch nach Achter in der Kiellinie schiessen, nach Bedarf aber mit den in den Breitseiten aufgestellten 6 -ZölIern ihr Feuer concentriren können. Die Munitionsdepöts wurden 5— 6 ' unter die Wasserlinie angelegt. Sie enthalten an 33 Tonnen Pulver und 107 Tonnen Geschosse, da für jedes Ge­ schütz 250 Schuss normirt wurden. Da die Kreuzerschiffe bestimmt sin d , möglichst lange ohne Berührung fremder Häfen oder ohne auf Ergänzung der Vorräthe rechnen zu müssen, in See verbleiben zu können, so erhalten sie auch bedeutende sonstige Vorräthe. So beträgt z. B. der Lebensmittelvorrath 8 6 Tonnen; der übrige disponible Raum wird von Kohlen eingenommen, von denen 1400 Tonnen eingeschifft werden sollen, was für 28 Tage unter vollem Dampf und für das Durchlaufen von 9500 Seemeilen genügen soll. K. Die neuesten Fortschritte der Artillerie. — {„Times11, 7. Juni 1878.) Der Fortschritt der Artillerie in den letzten Jahren war ein sprungweiser; einer der grössten Sprünge wurde eben jetzt gemacht. Es ist nämlich durch das Auftreten der von A r m s t r o n g für die italienische und englische Regie­ rung gelieferten 100-Tonnen-Geschütze nicht nur das Gewicht der schwersten Rohre unerwartet rasch verdreifacht worden, sondern man erzeugte und erzeugt stets neue Kanonen, welche bei gleichem Gewichte mit ihren Vorgängern einen doppelt so grossen Panzereffect aufweisen als diese. Das Charakteristische dieser 477 Rohre besteht darin, d a s s si e i h r e n G e s c h o s s e n e i n e g r o s s e A n f a n g s ge schw in digkeit ertheilen, ohne selbst übermässig an g e stre n g t zu w e r d e n . Uns mangelt der Raum , so recht in den Kern der Frage einzugehen, aber wir wollen wenigstens so viel bringen , um Jenen die Sache klar zu machen, welche für die Artillerie-Wissenschaft einiges Verständniss haben. Zunächst sei an Folgendes erinnert: Die 64 Schüsse, welche gegen Ende 1876 zu Spezia aus dem für Italien gelieferten 100-Tonnen-Geschütz gelöst wurden, bewiesen, dass die Constructeure viel weiter gehende Garantien bieten konnten. Es musste jedoch behufs Yergrösserung der Geschützwirkung das Rohr mit einer K a m m e r , d. h. mit einem erweiterten Karduslager*) versehen, also vorläufig zurückgestellt werden. Im März und April d. J. erprobte man in Spezia das mit dem erweiterten Karduslager versehene Rohr**). Beim Versuche wurden 35 scharfe Schüsse abgegeben und hiebei die Lösung folgender Aufgaben an­ gestrebt : 1. Gewinnung ballistischer Daten für das Kammerrohr und Vergleich derselben mit jenen für das Proberohr. 2 . Vergleichende Erprobung des italienischen Fossauo-Pulvers , das in der „Times“ vom 5. Jänner besprochen wurde***), und des englischen PebblePulvers P 2, welches jetzt für die schwersten englischen Dienstgeschütze ver­ wendet wird. 3. Ermittlung der günstigsten Form der Karduse und der entsprechendsten Zündweise. In Betreff des Punktes resultat : 1. ergab der Versuch nachstehendes Haupt­ Im P r o b e r o h r e erhielten beim Gebrauche der Normalladung die 2000 Pfund (907 Kilogr.) schweren Geschosse eine Anfangsgeschwindigkeit *) Es ist jedoch nicht nur die Erweiterung des Karduslagers, sondern die der ganzen Bohrung im Zuge: Das Proberohr hatte nämlich einen Kaliber von 433 ■ die anderen Rohre sollen 450-8 oder 452'8m/m Seelendurchmesser erhalten. Das Karduslager hin­ gegen soll von 433 ■8 "^ ursprünglichen Durchmesser auf 501‘6 oder 503 ■Gmh* gebracht werden. In Folge dessen wird das neue Geschoss nicht mehr 908, sondern 1034 Kilogr. wiegen und die Pulverladung auf 215 oder 220 Kilogr. steigen. **) Der Kürze halber werden wir dasselbe im Folgenden stets „Kammerrohr hingegen das ursprünglich gelieferte „Proberohr“ nennen. ***) Ueber dieses Pulver entnehmen wir dem „ G iom ale di artiglieria e genio“, Jahrgang 1876, S. 1152 Nachstehendes: Das Pulver wurde auf die gleiche Weise wie das in der Neuzeit für alle schweren Geschütze der italienischen Marine normirte Pulver erzeugt. Es wurden nämlich die ersten Pulverkuchen in unregelmässige Korne von nicht zu grossen Dimensionen zerbrochen und hierauf, mit einer bestimmten Menge feinkörnigen Pulvers gemischt, neuerdings gepresst. Die Kuchen der zweiten Pressung wurden sodann in Korne von der gewünschten Grösse zerkleinert. Sonach ist das fertige Korn kein blosser Mehlpulverkörper von bestimmter D ichte, sondern ein Complex kleinerer Korne, deren Dichte grösser ist als jene des fertigen Kornes. Von den für das 100 Tonnen-Gescliütz in Fossano erzeugten Pulvergattungen entsprach nur das Probepulver Nr. 3. Die Korne desselben wogen ungefähr 200 Gramm, waren 4-seitige Prismen (54 X 54 X 45 m/m), hatten die Dichte 1 ‘776 und bestanden aus 3 bis 6 m/migen Pulverkörnem von der Massendichte 1-79. Anmerkungen des Uebersetzers. 478 von 1424 Fuss (434 '"/) und eine lebendige Kraft von 28130 Fusstonnen (8712 Metertonnen), wobei der Gasdruck im Patronenlager 18*3 Tonnen per Quadratzoll (2733 Atmosphären) betrug; im K a m m e r r o h r e hingegen wurde dem Projectile eine Anfangsgeschwindigkeit von 1585 Fuss (483™/) und eine lebendige Kraft von 34836 Fusstonnen (10.790 Metertonnen) ertheilt, wobei der Gasdruck auf 17 Tonnen (2540 Atmosphären) fiel. Hieraus ersehen wir den Werth der Kammer: Die Anfangsgeschwindig­ keit des Geschosses stieg um 161 Fuss (49 7,!/ ) , die Energie desselben um circa 6700 Fusstonnnen (2080 Metertonnen), während der maximale Gasdruck um mehr als 1 Tonne per Quadratzoll (194 Atmosphären) fiel. Um den eben erwähnten Zuwachs an Energie gebührend zu würdigen, sei erwähnt, das der­ selbe nahezu so gross ist, wie die ganze lebendige Kraft, eines mit 110 Pfund (50 Kilogr.) Ladung geschossenen 35-Tonnen-Projectiles auf 1200 Yards (1100 mi ) Distanz. Ferner betrug die g r ö s s t e L a d u n g bei den früheren Versuchen mit dem Proberohr 375 Pfund (170 K ilogr.), hingegen bei der Beschiessung des Kammerrohres 473 Pfund (214*6 Kilogr.) englisches Pulver. Die Resultate in beiden Fällen sind aus der nachstehenden Zusammenstellung zu ersehen. Anfangsgeschwin­ Lebendige Kraft des Gasdruek im Patro­ nenlager digkeit d. Geschosses Geschosses Rohr 1 engl. Ton. per Qua­ Atmo­ dratzoll sphären englisch Meter Fuss­ tonnen (englisch) Metertonnen 1542 470 33000 10220 21 -4 319G 1627 496 36710 11370 20-8 3106 Fuss (englisch) ProbeKammer- ! 1 Diese Zahlen beweisen, dass nie ein Schiffs- oder Küstenpanzer er­ zeugt w urde, welcher dem Panzergeschosse des 100-Tonnen-Kammerrohres widerstehen könnte. Sehr begreiflich, denn die Energie des Projectiles ist nahezu 4 y „ - mal so gross als jene des 35 - Tonnen - Geschosses an der Mündung. Der zweite Versuchszweck war die C o m p a r a t i v - E r p r o b u n g des e n g l i s c h e n und de s i t a l i e n i s c h e n P u l v e r s , wobei man wieder ganz aussergewohnliche Resultate erhielt. Es wurde nämlich die Ueberlegenheit des italienischen Pulvers für Rohre grössten Kalibers festgestellt, so dass dieses Pulver seiner Vorzüge wegen ein eingehendes Studium verdient, selbst wenn später bisher unbekannte Mängel desselben offenbar werden sollten. Unter sonst gleichen Umständen ist offenbar jenes Pulver das beste, welches dem Geschosse die grösste Energie gibt und das Rohr am wenigsten anstrengt. An der Hand dieses Axioms wollen wir gewisse, mit verschiedenen Ladungen erhaltene Resultate des diesjährigen Versuches vergleichen. 479 Lebendige Kraft des Geschosses Pulver Fusstonnen (englisch) englisches PebbleFossanoenglisclies PebbleFossanoenglisches PebbleFossano- 29678 30321 33807 34508 36710 38313 Meter­ tonnen 9190 9390 10470 10690 11370 11870 Mittlerer Gasdruck im Patronenlager englische Tonnen per Atmosphären Quadratzoll englisch 17-1 12-0 175 142 2 0-8 17-4 2554 1792 2613 2121 3106 2598 Ans diesen Zahlen e rh e llt, dass beim Gebrauche des Fossano-Pulvers die lebendige Kraft des Geschosses im Mittel um circa 1000 Fusstonnen grösser und der Gasdruck um nahezu 4 Tonnen per Quadratzoll kleiner ist als bei Anwendung des englischen Pulvers. Dagegen muss bemerkt werden, dass die Ladungen mit Fossano-Pulver bedeutend schwerer waren als jene mit englischem Pulver. Es betrug nämlich bei den drei oben angeführten Schüssen das Mittelgewicht der Ladungen mit Fossano-Pulver 492 "5 Pfund (223'4K ilogr.), hingegen beim englischen Pulver nur 4 3 3 '4 Pfund (196 " 6 Kilogr.). Dieser Umstand ist jedoch gegenüber der grösseren Ausdauer des minder angestrengten Rohres ohne Bedeutung. Ueberdies liegt in der Thatsache, dass mit einem minder brisanten Pulver ohne übermässige Anstrengung des Rohres sehr grosse Geschoss-An­ fangsgeschwindigkeiten erzielt werden können, noch ein weiterer Yortheil, nämlich der, die Steigerung des Kalibers nicht nur möglich, sondern sogar leicht zu machen. In Folge dessen dürfen wir annehmeu , dass in Zukunft Projectile von 2 Tounen Gewicht mit Geschwindigkeiten geschossen werden können, gegen welche die Schnelligkeit des wildesten Sturmes zum sanften Athemzug des schlafenden Kindes wird. Schon die Resultate des letzten Schusses lassen dies erwarten, denn das nahezu eine Tonne schwere Geschoss hatte eine Anfangsgeschwindigkeit von 1 6 6 1 ’5 Fuss (506 ’4™/) per Secunde, oder in runden Zahlen von 1100 Meilen (2000 Kilometer) per Stunde. Verglichen mit den eben erwähnten, Staunen erregenden Resultaten hat die Frage der b e s t e n Z ü n d w e i s e nur untergeordneten W erth. Wir er­ wähnen daher nur , dass beim englischen Pulver die Zündung in der Mitte der Patrone*) die vortheilhafteste ist, während beim italienischen Pulver die Zündung am Boden der Karduse ohne Nachtheil sein dürfte. Zur Zeit der ersten, in Spezia ausgeführten Versuche gab es schon Männer, welche nicht ohne Berechtigung folgende Frage aufwarfen: Kann die Artillerie nicht Rohre von geringerem Gewichte erzeugen , deren Projec­ tile gleichfalls die Bordwand eines mächtigen Panzerschiffes durchbohren, oder mit anderen Worten, kann die Ueberlegenheit der gezogenen englischen *) Um dies zu ermöglichen, wird in die Karduse ein Holzconus eingesetzt, der das Feuer vom central angebrachten Zündcanale centrisch zur Mitte der Patrone leitet. 480 Geschütze über die glatten ßohre der Amerikaner nicht noch weiter gesteigert werden, so dass unsere Zukunfts-Geschütze unsere jetzigen vollends in den Schatten stellen werden? Diese Frage wurde kürzlich bei der Erprobung des n e u e n 6 - z ö l l i g e n A r m s t r o n g - G e s c h ü t z e s * ) in Shoeburyness bejahend beantwortet. Man schoss nämlich aus diesem Rohre 70 und 64 Pfund (31 * 8 und 29 Kilogr.) schwere Geschosse mit 2000 und 2070 Fuss ( 6 0 9 ' 6 und 6 3 1 onl ) Anfangsgeschwindigkeit, wobei der Gasdruck im Ladungsraum 15 Tonnen per Quadratzoll (2240 Atmosphären) nie überstieg. Um die Panzerwirkung des neuen 6 -Zöllers würdigen zu können, dürfen wir zum Vergleiche selbstverständlich nicht die weit überholten 64- und 70-pfiindigen Dienstgeschütze herbeiziehen, sondern wir müssen uns ein Rohr wählen, dessen Durchschlagsvermögen dem der neuen Kanone möglichst gieicli ist. Der beste Masstab für die Panzerwirkung des neuen 6 -Zöllers ist die per Zoll des grössten Geschossumfanges entfallende lebendige Kraft des Projectiles an der Mündung; sie beträgt 110 Fusstonnen (1 3 '4 Metertonnen per Centi­ meter des grössten Geschossumfanges). Gehen wir nun in die Tabelle für unsere Dienstgeschütze , so zeigt sic h , dass die eben erwähnte Kraft um 10 Fusstonnen grösser ist als die des 8 -zölligen Geschosses an der Mündung und nur um 1 Fusstonne kleiner als jene des 9-zölligen Projectiles auf 400 Yards (376 0,v! ) Distanz. Vielleicht ist aber diese besondere Kraftentfaltung die Folge irgend eines verheimlichten Uebelstandes, vielleicht wird sie durch ein übermässiges Rohrgewicht und einen relativ kleinen Kaliber erreicht? Im Gegentheil, denn der neue 6 -Zöller wiegt nur 77 Centner (3912 Kilogr.), also nicht einmal 4 Tonnen, während der 8 -Zöller 9 Tonnen, mithin mehr als das doppelte, und der 9-Zöller 12 Tonnen, das ist mehr als das dreifache wiegt. Hieraus suchen nun — weil der neue 6 -Zöller ein Hinterlader ist — die Anhänger des Hinterladsystems Capital zu schlagen. Mit Unrecht, denn die Rohrfabrikanten werden ihnen sogleich entgegnen, dass sie Vorder- und H inter­ lader gleich stark aufbauen können, nachdem der Lademodus die Widerstands­ fähigkeit eines Rohres nicht beeinflusst. Doch ein dem Hinterlader gemachter Einwurf wird durch die er­ reichten grossen Geschoss - Anfangsgeschwindigkeiten und die verliältnissmässig kleinen Gasdrücke sehr en tk räftet, so dass wir jetzt die An­ nahme des Hinterladppncips für Festungsgeschütze hoffen. Hiefür haben wir stets plaidirt, doch bestimmte uns hiezu nicht die von Manchem mit Unrecht vertheidigte Ueberlegenheit des Hinterladers über den Vorderlader, sondern der Umstand, dass bei jenem die Geschützbedienung dem Feuer der feindlichen Schützen besser entzogen werden kann als bei diesem. **) Soviel wir über dieses Geschütz bis jetzt erfahren konnten, ist dasselbe ein in den Elswick-works erzeugter Hinterlader mit etwas modificirtem französischen Schraubenverschlusse. Das Zugsystem soll das unter der Bezeichnung „Armstrong’sche Haarzüge“ bekannte, die Bohrungslänge eine relativ grosse sein. Die Normalladung wiegt 33 Pfund (.15 Kilogr.), die Geschosse haben kupferne Dichtuugsscheiben (gaschecks), in welche sich beim Schüsse die vielen, sehr schmalen Felder der Bohrung einschneiden. Ueber die Treffähigkeit des Geschützes lässt sich noch nicht urtheilen, aber es muss befremden, dass bei einem am 24. August zu Shoeburyness abgeführten Versuche die 1500 Yards (1371 ) ferne Scheibe dreimal hinter einander gefehlt wurde. Anmerk, d; Uebersetzers. 481 In Bezug auf das neue Rolir selbst aber müssen wir nochmals betonen, dass ein auf gleiche Weise aufgebauter Vorderlader ebenso widerstandsfähig sein wird, was uns zu folgendem Ausspruche berechtigt: E in n a c h d e n n e u e s t e n P r i n c i p i e n c o n s t r u i r t e s Rohr ist ein ebenso g u t e r P a n z e r ­ b r e c h e r al s e i n d o p p e l t so s c h w e r e s ä l t e r e s . Soll daher'ein be­ stimmter Effect erzielt werden, so braucht man in Zukunft nur halb so schwere Rohre wie je tz t; soll ein Kauffahrer bestückt werden, so kann dies in Zukunft mit Kanonen von doppelt so grosser Wirkungsfähigkeit als jetzt geschehen. Indem wir dies sagen, haben wir nicht nur den neuen 6 -Zöller im Auge, welcher dem mehr als doppelt so schweren 8 -Zöller überlegen ist, sondern wir gedenken auch der bald fertigen neuen Rohre grösseren Kalibers, mit welchen verhältnissmässig noch grössere Wirkungen erzielt werden dürften. So der neue 8 -Zöller von etwa 11 Tonnen Gewicht, der dem heutigen 1 1 Zöller von 25 Tonnen Rohrgewicht weit überlegen sein wird, so der neue 1 0 -ZöUer, dessen Panzereffect jenen der 35- und 38-Tonnen-Geschütze über­ treffen wird. W ir stehen sonach vor einer ungewöhnlichen und plötzlichen Kraft­ entfaltung der Artillerie, die ausschliesslich eine Folge englischer Erfindungen ist. Sollte man uns daher muthwillig zur Vertheidigung unseres alten Rechtes, den Seehandel zu beherrschen, zwingen, so werden wir aus den letzten Fort­ schritten der Artillerie einen grossen praktischen Nutzen ziehen. Denn es werden nicht nur die mit den neuen Geschützen armirten englischen Schiffe feindlichen Panzerschiffen gegenüber doppelt mächtig sein, sondern wir wer­ den unter Umständen durch die Armirung bisher unbestückbarer Schiffe mit zwar kleinen, aber dennoch wirksamen Kanonen einen bisher .unerreichbaren Kraftzuwachs erhalten. Die mit grosser Geschwindigkeit gefeuerten leichteren Geschosse sind nämlich in Folge der grösseren Portee und der erhöhten Treff­ fähigkeit dem Gegner gefährlicher, als die mit geringer Geschwindigkeit ge­ worfenen schweren Projectile. Ein Beispiel wird das klar machen. Bei 3 und 5° Elevation erreicht man mit dem neuen 6 -Zöller 2713 und 3795 Yards (2480 und 3470 mj ) , beim doppelt so schweren 8 -Zöller blos 1715 und 2605 Yards (1568 und 2 3 8 2 '”1/ ) Distanz. Es ist somit der Unterschied in den Schussweiten ungefähr 1000 Yards, und überdies wird man — was weit wichtiger ist — mit Geschossen von grosser Geschwindigkeit den Gegner auf jede Distanz viel leichter treffen, weil in Folge der rasanteren Bahn ein Ueber schiessen des Zieles viel unwahrscheinlicher wird. Auf die mit dem neuen 6 -Zöller unter 10° Elevation erreichte Schuss­ weite von 6000 Yards (5486 mf ) legen wir keinen besonders grossen Werth, weil auf so bedeutende Entfernungen nur ausnahmsweise geschossen wird. Nachdem aber während eines Krieges doch zuweilen ein Beschiessen sehr ferner Objecte vortheilhaft sein kann, so wäre der Vervollkommnung der Visirmittel durch Annahme feinerer Absehen und Einführung von Fernrohren eine besondere Sorgfalt zu widmen. Von sehr grossem Nutzen werden die neuen Kanonen der Hafen- und Flussvertheidigung sein, da durch sie der W erth jener kleinen, mit je einem Geschütze armirten Kanonenboote, wie deren Elswick vor einigen Jahren nach China sendete, ungemein gewinnt. Es wird nämlich in Zukunft das kleinste dieser Boote ein eben so wirksames Geschütz tragen können, als jetzt das grösste derselben. 31 482 Es lohnt sich, zum Schlüsse einen Blick auf die russischen Geschütze zu werfen. Der grösste Theil derselben ertheilt seinen Geschossen nur eine geringe Anfangsgeschwindigkeit, und überhaupt sind die russischen Kanonen gegen die in England erzeugten in jeder Hinsicht weit zurück. Auch unter den in Amerika käuflichen Geschützen finden wir nichts Aehnliches, und wir hoffen, dass die Möglichkeit, jeden Handelsdampfer durch Bestückung mit leichten, weittragenden Geschützen den allenfalls wider ihn ausgesendeten Kreuzern gewachsen zu machen, ein weiteres gewichtiges Argument zur E r­ haltung des Friedens sein dürfte. Hängt also der Weltfriede von Englands Kriegsbereitschaft ab, so wird uns die mögliche glückliche Ausnützung der eben erwähnten Fortschritte — als: bedeutende Erhöhung der Panzerwirkung der schweren Kanonen und wesent­ liche Steigerung der Leistungsfähigkeit der leichten Geschütze — sehr zu statten kommen. Sc. Die erste Maschinen - Probefahrt des I n f l e x i b l e . — Das englische Thurmschiff I n f l e x i b l e unternahm am 6 . August d. J. seine erste Fahrt, zum Behufe einer vorläufigen Erprobung der Maschinen von Seite der Firma John Eider & Comp., welche dieselben geliefert hat. Das Schiff machte mehrere Touren zwischen der W arner- und CatherineSpitze, wobei im Maximum 7294 Pferdekraft, bei 62 Rotationen per Minute, indicirt wurden. Die contractlich bedungene Maschinenkraft beträgt 8000 Pferdekraft mit 65 Rotationen. Die Maschinen konnten aber, obgleich Dampf in Ueberfluss vorhanden war, denselben nicht vollkommen verwerthen, da sie durch die Propeller über­ lastet waren. Man beabsichtiget deshalb die jetzigen Propeller, welche 2 0 ' im Durchmesser und 2 3 ' 6 " Steigung haben, durch solche mit abgerundeten Ecken von geringerem Diameter zu ersetzen. Die erreichte Fahrgeschwindigkeit betrug 1 3 '3 Knoten. Später wurden die Maschinen mit Einspritz - Condensation anstatt der Oberflächen-Condensation betrieben, und hiebei l l Y 4 Knoten Fahrt mit 4 6 1/„ Rotationen und 3172 indicirter Pferdekraft erzielt. Die Maschinen arbeiteten ausgezeichnet und ohne jeden Anstand. Die Ventilation des Maschinenraumes war jedoch mangelhaft und muss diesem Uebelstande ehestens abgeholfen werden. (n Times u.) — x— Lothungen im südatlantischen Ocean. — Der Commandant des amerika­ nischen Kriegsdampfers E s s e x berichtet dem Secretär der Vereinigten StaatenFlotte über seine Thätigkeit im südatlantischen Ocean wie folgt: Die gelothete Linie geht von St. Paul de Loanda über St. Helena nach Cap Frio. Die grösste Tiefe zwischen Afrika und St. Helena beträgt 5602 m1 und zwischen St. Helena’ und Amerika, respective Brasilien, 6006 mf . Die Lothungen östlich und westlich von St. Helena ergaben, dass sich letztere Tafel senkrecht über den 3 6 5 8 ''”/ tiefen Meeresboden erhebt. Vom afrikanischen Continent an nimmt die Tiefe fortwährend zu, bis sie auf 60 Meilen 1458 mj erreich^ Auf weitere 483 700 Meilen erreicht die Tiefe 4860 , um dann gegen St. Helena sanft ab­ zunehmen. Die Beschaffenheit des Bodens wechselt und besteht aus Schlamm, Corallen, Felsen- und Sandgrund. Das zu den Lothungen verwendete Instru­ ment ist jenes von W. T o m p s o n , verbessert vom Capt. B e lk n a p der amerika­ nischen Marine. („Revue maritime et coloniale«.) y Preis für die Erfindung eines Rettungsapparates. — Die Society of Arts schreibt einen, aus einer goldenen Medaille bestehenden Preis für die Erfindung eines Lebensrettungs-Apparates aus. Dieser Apparat muss für den Fall verwendbar sein, als man das Schiff binnen 5 Minuten in Sicht der Küste oder anderer Schiffe verlassen müsste. Die Bedingungen hiezu sind folgende: 1. Den Vorzug erhält jene Erfindung, gegen welche die wenigsten Ein­ wände erhoben werden. Diese Einwände betreffen: den Platz, welchen der Apparat einnimmt, die Stauung der H auptbestandteile, die Form, die leichte Hantirung und die Einfachheit der Zusammensetzung im Augenblick des Bedarfes. 2. Jener Apparat wird bevorzugt, von welchem die Aerzte erklären werden, dass er der Gesundheit nicht schaden oder Gefahr bringen kann. 3. Seeleute werden ihr TJrtheil bezüglich der Bequemlichkeit, Einfach­ heit etc. abzugeben haben. 4. Der Apparat muss 40 Pfund im Minimum flott erhalten können. N o te . Der Korkgürtel, welcher gewöhnlich angewendet wird, wiegt 5 Pfund und trägt 20 Pfund. Ein Mensch von gewöhnlicher Taille bleibt mit dem Kork­ gürtel bis zum Rand der Schultern ober Wasser. Bei vorzüglichem Korke, wie jener der königl. nationalen Rettungsgesellschaft, werden 25 Pfund durch einen Gürtel von 5 Pfund getragen. 5. Berücksichtigung wird weiters jener Apparat verdienen, zu dessen Zusammenstellung man sich gewöhnlicher, auf den Schiffen vorhandener Gegen­ stände bedienen kann. 6. Der Kostenpunkt sowohl der ersten Anschaffung und Installirung, sowie der ferneren Conservirung und Instandhaltung wird in Rechnung ge­ zogen. 7. Der Apparat muss den Einflüssen des Klimas widerstehen und wird bevorzugt, sobald die Hantirung desselben keine grosse Sorgfalt erfordert. 8 . Boote und Flösse sind hiebei ausgeschlossen, da im Princip ange­ nommen wird, dass man beim plötzlichen Verlassen des Schiffes wohl nicht die Zeit hat, derlei Gegenstände zu bereiten und in’s Wasser zu werfen. 9. Rettungskränze, welche geringere Tragfähigkeit als 40 Pfund be­ sitzen, können nicht mitconcurriren, da es von grösster Wichtigkeit ist, dass Nasenlöcher und Mund so hoch als möglich über Wasser bleiben. Gürtel, welche für Schwimmer allein berechnet s in d , können nicht als .vollkommene Rettungsmitte] angesehen werden, da man auf Weiber und Kinder Rücksicht zu nehmen hat. 10. Kautschuk- und Gummipräparate werden nicht angenommen, da sie den Einflüssen des Klimas zu stark unterworfen sind und überdies eine zu sorgfältige Behandlung verlangen. 31 * 484 N o te . 1. Es versteht sich von selbst, dass, nachdem dieser Apparat nur für jene Fälle gebraucht werden soll, bei welchen Land oder andere Schilfe in der Nähe sind, auf Verproviantirung nicht Rücksicht zu nehmen ist. 2. Die Bewerber können immerhin einen Unterschied zwischen Kriegs- und Handelsschiffen, Post- und Passagierschiffen etc. machen. Ebenso können die verschie­ denen Umstände, welche beim Verlassen des Schiffes bei Tag und Nacht Vorkommen können, gewürdigt werden. Die goldene Medaille wird jenem Apparate zuerkannt, welcher allen an­ geführten Bedingungen am besten entspricht. Das Comite behält sich das Recht vor, den Preis zurückzubehalten, falls keiner der Apparate entsprechen sollte. Der Apparat muss längstens bis 1. August 1878 (?) eingesendet werden, und zwar der Society o f A r ts , John Street, Adelphi, Londres W. C. (Gezeichnet:) P. Le Veve F o s t e r , Secretär.) („Revue maritime et colonialeu, Augustheft.) y. Zur Theorie des Stahles. — Ueber die Theorie des Stahles reproduciren wir hier eine von W. M a t t i e u W i l l i a m s in der nMetallurgical Review« veröffentlichte Abhandlung nach vDingier's polyt. Journal«. Im Stahle ist uns ein Material gegeben, welchem wir den höchsten Härte­ grad und jede beliebige Form mit Leichtigkeit geben und es dazu benutzen können, ändern Stahl damit zu bearbeiten; hierdurch ist der Stahl für uns von unschätzbarer Wichtigkeit. Die auffälligste Eigenschaft dieses Materiales liegt jedoch darin, dass es sich tempern lässt, d. h. dass man ihm je nach dem Temperaturgrade, dem man es aussetzt und je nach der Zeit der Abkühlung, jeden beliebigen Grad von Härte oder Weichheit zu ertheilen vermag. Bekanntlich ist der Stahl im W esentlichen eine Verbindung von Eisen mit ungefähr 1 Procent Kohlenstoff und aus seinen äusserlichen wie inner­ lichen Eigenschaften ist ersichtlich, dass diese Verbiudung weder als eine rein chemische, noch als eine rein mechanische auftritt. Eine rein chemische Ver­ bindung kann der Stahl schon deshalb nicht sein, weil derselbe mit allen mög­ lichen Kohlenstoffverhältnissen zwischen * /4 bis 3 Procent vorkommt. Als eine rein mechanische Verbindung darf man den Stahl deshalb nicht ansehen, weil er die Fähigkeit besitzt, eine Härtung anzunehmen, welche weder dem Eisen noch dem Kohlenstoff für sich allein zukommt. Hieraus ergibt sich in ganz natürlicher Weise, dass man den Stahl als eine Verbindung oder Legirung von metallischem Eisen mit Kohleneisen anzusehen hat, welche in jedem beliebigen Verhältniss auftreten kann. Dieses Kohleneisen ist eine chemische Verbin­ dung von constanter Zusammensetzung, welche durch die Formel Fe^C (4 Atome Eisen auf 1 Atom Kohlenstoff) dargestellt wird. Die bedeutendsten Metallurgen haben nachgewiesen, dass diese Verbiudung wirklich vorhanden ist und in der That durch die besten Sorten von Spiegeleisen repräsentirt wird. Der Berech­ nung zufolge enthält sie 5 ‘ 36 Procent Kohlenstoff. W i l l i a m s hat mehr­ fach Gelegenheit gehabt, die verschiedensten Spiegeleisensorten zu analysiren und dabei stets gefunden, dass die im Spiegeleisen' auftretenden hochkantigen Lamellen, welche den höchsten Grad der Krystallisation zeigen, fast genau nach der Formel Fe^C zusammengesetzt sind. Wird angenommen, der Stahl sei lediglich ein Gemisch dieser Verbindung mit Eisen, so wird die H ärtbar­ keit des Stahles sehr leicht erklärlich. Wir wissen, dass Eisen um so leichter 485 schmelzbar ist, je mehr Kohlenstoff es enthält. An der Grenze der Schwer­ schmelzbarkeit steht in dieser Beziehung das reinste Stabeisen und ihm gegen­ über das hochgekohlte Spiegeleisen. Noch leichtflüssiger als letzteres ist nach dieser Theorie die Verbindung F exC. Es steht nun aber der Annahme nichts entgegen, dass das schwer schmelzbare Schmiedeisen, bis zu einem gewissen Grade, in einem Bade von geschmolzenem Fe^C löslich ist. Die neuere Dar­ stellung von homogenem Stahl führt uns direct zu dieser Anschauung, inso­ fern derselbe dadurch erzeugt wird, dass man Abfälle von Schmiedeisen in einem Bade von geschmolzenem Spiegeleisen löst. Die bis heute noch nicht ganz aufgeklärte Theorie der Cementstahlfabrication, deren hier besondere Erwähnung geschieht, weil sie von der Her­ stellung des Stahles im Allgemeinen wesentlich abweicht, findet ihr Analogon in vielen Fabricationszweigen, wo die Oberfläche eines schwerer schmelzbaren Metalles mit flüssigem, leichter schmelzbarem bis zu einer gewissen Tiefe durchdrungen wird. So geschieht es bei der Galvanisirung des Eisens, bei der Verzinnung des Kupfers, bei der Amalgamation der verschiedenen Metalle mit Quecksilber etc. Nehmen wir nun an, dass beim Einpacken von Schmied­ eisen in kohlehaltigen Substanzen und darauf folgendem Glühen sich zunächst an der Oberfläche F e ^ C in mindestens teigigem Zustand bildet, welches in dem Masse, wie es entsteht, von dem festen rothglühenden Eisen absorbirt wird, so ist damit die Darstellung des Cementstahles erklärt. Wir wissen, dass in jedem Körper ein geringerer oder grösserer Grad von Molekularanziehung vorhanden ist, welcher sich bei festen Körpern bis zur Sprö­ digkeit steigern kann. Wenn nun auch Schmiedeisen in-geschmolzenem F e i C löslich ist, so wird doch bei abnehmender Temperatur ein Zeitpunkt eintreten, bei welchem ersteres erstarrt, während letzteres sich noch in halbflüssigem oder plastischem Zustand befindet. Da nun Flüssigkeiten sich während der Ab­ kühlung stärker zusammenziehen, als feste Substanzen, so muss eine so hete­ rogene Masse, wie Schmiedeisen und F e ^ G, unter gleichen Umständen eine heftige Molekularanziehung durch den Widerstand erzeugen, welchen das er­ starrte Eisen der grössern Zusammenziehung des halbflüssigen Kohleneisens entgegensetzt. Und hierin ist die Erklärung für das Härten des Stahles gegeben. Flüssige Substanzen ziehen sich bei einer Temperaturverminderung nicht nur stärker zusammen als feste, sondern es findet auch ein gewisses Verhält­ nis s zwischen der Ausdehnung und Zusammenziehung der festen Substanzen selbst statt. Im Allgemeinen haben leichtflüssige Körper einen grössern Ausdehnungs- Coefficienten, als schwerschmelzbare. So dehnt sich Stahl stärker aus als Schmiedeisen und Gusseisen mehr als Stahl, unter den Roheisensorten aber Spiegeleisen am stärksten. Es ist nun leicht begreiflich, dass bei lang­ samer Abkühlung einer Mischung von Schmiedeisen mit F e ^ C das erstere während der Zusammenziehung durch letzteres allmälig in solche Formen und Dimensionen zusammengequetscht oder ausgezogen w ird, welche seinen Mole­ kularverhältnissen besser entsprechen, als wenn die Abkühlung plötzlich er­ folgt, und so erhalten wir die Erklärung von der Eigenschaft des Stahles, bei langsamer Abkühlung weich zu werden. Nach obiger Auseinandersetzung muss gehärteter Stahl ein geringeres specifisches Gewicht haben als ungehärteter, was wir auch überall bestätigt finden. G m e 1 i n gibt das specifische Ge­ wicht von gehärtetem Gusstahl zu O '6578 an und von nicht gehärtetem zu 486 7 *9288; ebenso ist es bekannt, dass weicher Stahldraht noch durch ein Loch gesteckt werden kanti, welches er nach dem Härten nicht mehr zu passiren im Stande ist. Wenn die Theorie der Molekularanziehung des Stahles richtig is t, so müssen ähnliche Anziehungskräfte auch bei anderen Metallmischungen wirksam sein, und in der That ist dies so allgemein der F all, dass man es als ein physikalisches Gesetz aufstellen darf: Wenn zwei Metalle von verschiedener Schmelzbarkeit mit einander vermischt werden, so ist der Härtegrad der Legirung grösser, als die mittlere Härte beider Mischungstheile, gewöhnlich sogar grösser, als derjenige des härtern von beiden. Dies finden wir in der Praxis beim Spiegelmetall, Kanonenmetall, Glockenmetall, bei der Bronze und anderen Verbindungen von Kupfer mit Zinn und Zink etc. Noch bessere Analogien bieten die Verbindung des Eisens mit anderen Metalloiden. Schwefel und Eisen bilden verschiedene chemische Verbindungen, unter denen uns namentlich das Einfachschwefeleisen durch seine Eigenschaft, das Eisen rothbrtichig zu machen, bekannt ist. Phosphor verbindet sich mit dem Eisen in allen Verhältnissen und liefert ein sehr hartes, leicht schrnelziges Product, so dass man lange Zeit geglaubt hat, durch Verschmelzen beider Körper Stahl erzeugen zu können; doch ist dasselbe so brüchig, dass es den Stössen und Erschütterungen, welchen Werkzeuge ausgesetzt zu sein pflegen, nicht widersteht. Die Eigenschaften, wrelche Silicium dem Eisen verleiht, sind den durch Kohlenstoff bewirkten so ähnlich, dass man sogar zeitweise Silicium­ stahl erzeugt und zu Werkzeugen verarbeitet h at; derselbe enthält ebenso viel Silicium als Kohlenstoff. Sehr grosse Aehnlichkeit mit den Eigenschaften des Stahles und der übrigen eben beschriebenen Verbindungen zeigt das Glas; letzteres besteht be­ kanntlich aus verschiedenen Alkalien, Erden, Metallen und Kieselsäure, je nach dem Zwecke, welchem es dient, und die verschiedenen Grade der Schmelzbar­ keit seiner Bestandtheile bedingen die Eigenschaft, dass es je nach der Be­ handlung hart oder weich erscheint. Jedenfalls trägt die Eigenschaft, sowohl des Stahles als des Glases, beim Uebergang aus dem festen in den flüssigen Zustand ein Stadium der Plasticität zu durchlaufen, dazu bei, diese Eigen­ tüm lich k eit zu erzeugen. Wenn der leichter schmelzbare Stoff plötzlich aus dem flüssigen in den festen Zustand übergeht, wie dies mit den Schwefel- und Phosphorverbindungen des Eisens der Fall ist, so kann die Molekularanziehung oder Brüchigkeit durch allmälige Abkühlung nicht gemässigt werden. Probefahrten von zwei neuen englischen Torpedobooten. — Am 13. Juli d. J. fand die Erprobung von zwei bei der Firma Y a r r o w u. Comp, für die russische Marine erbauten und später von der englischen Regierung angekauften Torpedobooten statt. Die erzielten Geschwindigkeitsresultate über­ treffen alles, was bisher in dieser Beziehung geleistet wurde. Die Erprobung geschah während einer zweistündigen Fahrt (ohne Stillstand der Maschinen), in welcher Zeit die Boote 6 Touren an der gemessenen Meile machten, 3 mit und 3 gegen den Strom. Die beiden Boote und deren Maschinen sind in jeder Hinsicht gleich, ausge­ nommen die Schraube, welche bei einem (Nr. 419) 3-flüglig und bei dem anderen 487 (Nr. 420) 2-flüglig ist; beide Schrauben haben aber denselben Durchmesser und dieselbe Steigung. Die Gewichte an Bord wurden genau bestimmt und betrugen je 6 Tonnen mit Einschluss der Kohlen, des Wassers, der Beman­ nung und des Ballastes. P r o b e f a h r t e n d e s B o o t e s Nr. 419. Geschwindigkeit pr. Std. n Knoten Die erste Fahrt stromab benöthigte 2 m 36s 23 073 3 20 18 0 0 0 >> stromauf 2 stromab 35 23 226 M zweite 3 16 stromauf 18 367 ?? 2 32 stromab 23 684 >> dritte 3 14 stromauf 18 557 M Mittel aus den 6 Fahrten 20*818 Knoten. Mittlerer Dampfdruck 115 Pfund per Quadratzoll. Vacuum 23x/ 2". Mittlere Rotationszahl per Minute 456. P r o b e f a h r t e n de s B o o t e s Nr. 420. Die erste Fahrt stromab benöthigte „ „ ,, stromauf „ „ zweite ,, stromab ,, „ „ „ stromauf ,, ,, dritte „ stromab ,, stromauf ,, 2n 3 3 / 2S 3 257«. 2 32% 3 21 32 24 2 3 23-452 17-518 23- 606 17-910 23-684 17- 647 Mittel aus den 6 Fahrten 2 0 '6 3 6 Knoten per Stunde. Mittlerer Dampfdruck 115 Pfund per Quadratzoll. Vacuum 24". Mittlere Rotationszahl per Minute 466. Die grösste Geschwindigkeit ergab das Boot Nr. 419 bei der dritten F a h rt; das Mittel aus den beiden Touren mit und gegen die Strömung war in diesem Falle 21 12 Knoten, wobei die Maschine 470 Botationen per Minute machte. Während der ganzen Probefahrt zeigte sich nicht das geringste Warmlaufen. („Engineer.11) —x— Benennung der neuen russischen Torpedoboote. — A usser den auf Seite 293 dieses Jahrganges unserer „Mittheilungen“ angeführten Nam en von 85 neuen russischen Torpedobooten wurden in der letzten Zeit die Nam en von weiteren 20 in Bau befindlichen russischen Torpedobooten verlautbart. D iese Boote h eissen : S w i r i s t e l (der Seidenschw anz); P o d o r o s c h n i k (die Schnee­ lerche) ; G a l k a (die D o h le ); SELESEN (der E n trich ); D r a k o n (der D ra ch e); K o s s a t k a (der N ordkapper); D e l f i n (der D e lfin ); S ir e n a (die S ir e n e ); M e t s c h (das Sch w ert); K o p ie (der S p ie ss); J a d r o (das Geschoss) 5 B u l a w a (der Streitkolbeu); S a m o p a l (das F eu ergew eh r); B om b a (die B om b e); R a k e t a (die R a k ete); P a l i t z a (der S ta b ); L u k (der B o g en ); S t r j e l a (der P f e il) ; P r a s c h t s c h (die Schleuder); S c h t y k (das Bajonet). K. 488 Ueber die Breite der Schiffe. — Einer der jüngsten Nummern des „Broad Arroiv“ entnehmen wir den folgenden, nicht uninteressanten Aufsatz, den wir hiemit auszugsweise wiedergeben. Durch nahezu zwei Jahrhunderte erhielt sich das Yerhältniss zwischen der Länge und Breite von Schilfen fast unverändert; es betrug 3 bis 2>x/„ : 1 und erreichte nur bei den schnellsten Schiffen, wie Aviso’s oder Depeschen­ schiffe, die Höhe von 4 : 1 . E rst im Anfänge der zweiten Hälfte dieses Jahrhundertes begann man die Längen und die Tonnengehalte sowohl der Handels- als Kriegsfahrzeuge beträchtlich zu vergrössern. Bis zu dieser Zeit hatte ein regelmässiges, aber nur sehr allmäliges Wachsen dieser Dimensionen stattgefunden. Yom Jahre 1670— 1719 war der Tonnengehalt (.Builders measurement) eines 100 Kanonenschiffes von 1550 auf 1869 Tonnen gestiegen; das Jahr 1745 fand dieselbe Schiffskategorie mit 2000 Tonnen; bis 1786 hatte ein weiteres Fortschreiten auf 2500 und bis zum Jahre 1850 auf 2800 Tonnen statt­ gefunden. Kurz vor der Einführung der Panzerschiffe hatte das grösste Linien­ schiff eine Länge von 273', eine Breite von 59', einen Tonnengehalt von 4100 und ein Deplacement von 6700 Tonnen. Der Tonnengehalt der grössten Kriegsschiffe war also in 180 Jahren von 1500 auf 4000 Tonnen, und das Yerhältniss der Länge zur Breite von 3 : 1 auf 4Y 7 : 1 angewachsen. Seit dem Jahre 1860 jedoch fand im Schiffbauwesen in Bezug auf die erwähnten Dimensionsverhältnisse ein bedeutend rapideres Fortschreiten statt, als in den verflossenen 200 Jahren zusammen. Der erste kühne Schritt geschah mit dem Bau des Gr e a t E a s t e r n , welcher nicht weniger als 692' lang und 83' breit ist, bei einem Deplacement von nahezu 30.000 Tonnen. Dieses Riesenschiff gibt das fast unmittel­ bare Resultat der Anwendung des Eisens als Baumaterial und des Dampfes als Motor. Der W a r r io r , welcher kurz darauf für die Kriegsmarine gebaut wurde, hat eine Länge von 380' und eine Breite von 58'. Wir sehen hier mit diesen zwei Schiffen im Beginne der Sechziger Jahre die Verliältnisszahlen der Längenund Breitendimensionen ummittelbar von B1/^ und 4 : 1 auf 8 x/ 3 : 1 und 6 y Q: 1 steigen. Gegenwärtig gibt es viele Ocean-Dampfer, bei welchen dieses Verhältniss 10— 10Y 2 : 1 beträgt. Der Dampfer A d r i a t ic , von der White Star Line, ist 4 3 5 1/ 2/ lang, 4 1 2/ 3' breit und hat 8250 Tonnen Deplacement. Auf den W a r r io r folgten der A g in c o u r t , Min o t o u r und N o r t h ­ mit 4 0 0 ' Länge und 5 9 1/3; Breite, ein Verhältniss von 6 3 / 4 : 1 ; dies ist das höchste bis jetzt in der Kriegsmarine angewendete Dimensionsverhältniss und wir zweifeln, dass dasselbe je wieder erreicht werden wird. Seit der Vollendung dieser Schiffe zeigte sich eine stetige Tendenz zur Ver­ minderung der Längen und Vergrösserung der Breiten der Kriegsschiffe. Der I n f l e x i b l e , unser grösstes Panzerschiff, ist 324' lang und 75' breit, ein Dimensionsverhältniss von 4Y 3 : 1 , mithin ungefähr dasselbe, welches vor An­ wendung des Eisens und Dampfes in der Kriegsmarine üblich war. um berland Wir erwähnen diese Facten im Hinblick auf die Controversen, welche während der letzten Jahre in Marinekreisen über die Frage entstanden, 489 ob es wünschenswert sei, mit der VergrÖsserung der Breiten der Schiffe noch weiter zu gehen. Yor dem T h u n d e r e r , der De v a s t a t io n und dem D r e a d n o u g h t gab es kein Schiff, welches die Breite von 60' erreicht hätte; die ebengenannten Schiffe sind alle etwas über 62' breit, und nun war man bei dem I n f l e x i b l e mit einem Schritt auf 75' übergegangen. Die russischen Popoffka’s sind in dieser Beziehung noch merkwürdiger; sie baben, wie bekannt, gleiche Länge und Breite. Der N o w g o r o d misst 101', der Y i c e -A d m ir a l P o p o f f 121/ im Diameter und ersterer läuft mit einer Geschwindigkeit von 7 Knoten per Stunde. Die russische Regierung hat sogar beabsichtigt, eine 320' im Durchmesser haltende Panzerbatterie zu bauen, mit welcher Admiral Popoff eine Schnelligkeit von 14 Knoten zu erreichen hoffte. Wir wissen aber bis jetzt noch von keinen Versuchen oder ermittelten Widerstandsgesetzen, welche diese Erwartung irgendwie rechtfertigen würden. Nach Mr. S c o t t R u s s e l ’s Wellenlinientheorie, welche vor ungefähr fünfzehn Jahren allgemein als richtig angenommen wurde, war es unmöglich mit einem Schiffe eine gegebene Geschwindigkeit unter auch nur annähernd ökonomischen Bedingungen zu erzielen, wenn das Yor- und Achterschiff nicht eine bestimmte Länge hatten, und die Linien derselben nicht in bestimmten, genau angegebenen Curven verliefen. Mr. R e e d , damals Chef-Constructeur der Kriegsmarine, ging mit einemmale wreit von der bisherigen Regel a b ; er zeigte, dass es möglich sei, einem Schiffe, welches 5 — 5 Y2mal so lang als breit ist, bei ökonomischem Verbrauch von Brennmaterial eine Schnelligkeit von 14 Knoten per Stunde zu ertheilen. Aber weder R e e d noch sonst Jemand dachte an die Möglichkeit, dass ein kurzes, breites Schiff bei grossen Geschwindigkeiten einen geringeren Wider­ stand im Wasser erfahre, als wenn dasselbe lang und schmal gebaut ist. Und doch ist dies der Pall. Mr. F r o u d e hat vor ungefähr 10 Jahren zur Ermittlung der Gesetze der Widerstände im Wasser, der Stabilität, der Roll­ bewegungen etc. der Schiffe Experimente in grossem Masstabe unternommen, von welchen unstreitig die Widerstandsgesetze des Wassers bei verschiedenen Formen, Dimensionsverhältnissen und Geschwindigkeiten den grössten prak­ tischen W erth haben. Als ein Beispiel der merkwürdigen Ergebnisse dieser Untersuchungen wollen wir jene anführen, welche den I n f l e x i b l e betreffen. Dieses Schiff ist, wie bereits erwähnt, 324' lang und 75' breit. Der Gesammtwiderstand im Wasser bei 12, 13" und 14 Knoten Fahrgeschwindigkeit beträgt 21, 2 6 ‘ 6 und 35 2 Tonnen. Wenn man den I n f l e x i b l e 102' breit gemacht und ihm entsprechende Linien gegeben hätte, so würde der Widerstand bei den­ selben Geschwindigkeiten 2 1 ' 8 , 2 6 ’4 und 32*1 Tonnen betragen haben. Man ersieht somit hieraus, dass das 102' breite Schiff bei 12 Knoten Schnelligkeit einen etwas grösseren Widerstand im Wasser erfahren hätte, als jenes von 75' Breite; bei 13 Knoten wäre der Widerstand praktisch der gleiche, jedoch bei dem breiteren Schiffe schon etwas geringer; bei 14 Knoten Fahrgeschwin­ digkeit hätte aber der 102' breite Körper ta tsä c h lich um 3 Tonnen oder 8 l / 2 Percent weniger Widerstand zu überwinden, als das schmälere. Die respectiven Deplacements der beiden verglichenen Schiffe würden 11.090 und 12.260 490 Tonnen betragen, woraus man entnehmen kann, dass die grössere Breite des letzteren schärfere Bug- und Achterlinien zur Folge hätte. Thatsächlich adoptirte Mr. F r o u d e auch als günstigste Form für den geringsten Widerstand im Wasser eine scharfe hohle Bug- und Achterform und ein kurzes breites Mittelschiff. Die sonstigen Vortheile einer grossen Breite bei Kriegsschiffen sind ziemlich einleuchtend und lassen sich in wenigen Worten, wie folgt, zusammen­ fassen : erhöhte Stabilität, Reduction der Flächen der horizontalen Deckpanzer unter W asser, sowie auch jener der Seitenpanzer, vortheilhafte Ausnützung der breiten Seitenräume für Passagen, Zellen und wasserdichte Abtheilungen, und endlich vermehrter Raum zur Bedienung von Geschützen schweren Kalibers*). Es ist zwar nicht unmöglich, dass wieder Umstände eintreten, welche lange schmale Schiffe erfordern; v o r dieser Periode aber werden wir bestimmt schon manches breitere und vielleicht kürzere Schiff gebaut haben, als der In f l e x i b l e . — x— Neue schwere amerikanische Kanone. — Das Ju li-A u g u st-H eft der nJRivista m arittim m bringt einen, dem rHeraldu von Washington entnom­ menen Artikel folgenden Inhalts: Das Artillerie - Departement hat eine s c h w e r e g e z o g e n e K a ­ n o n e vo n 305mfm K a l i b e r und 40.500 Kilogr. Gewicht erzeugt, die jetzt der vorgeschriebenen Erprobung zu Sandy Hook unterzogen wird. Das R o h r aus Gusseisen ist mit einer Lage schmiedeiserner Fretten ver­ sehen , hat eine Seelenlänge von 5 ‘ 57 und lagert in einer Laffete neuester Construction. Diese vereint alle modernen Vervollkommnungen, welche behufs Verringerung des Rücklaufes und zur Erleichterung des Ladens und der Manipulation ersonnen wurden. Die R e s u l t a t e , welche mit diesem Geschütze bis jetzt erhalten w urden, sind sehr befriedigend. Man kann daher — trotz der be­ schränkten Zahl der bis nun gemachten Schüsse — schon behaupten, dass die Panzerwirkung dieser Kanone, wenn nicht grösser , so doch ebenso gross ist, als jene der gleichkalibrigen Geschütze aller Nationen. Hiezu träg t namentlich die grosse Bohrungslänge und die Beschaffen­ heit der Projectile und des Pulvers bei. Nun ergeht sich »Heraidu in •Vergleichen über die Bohrungs­ längen, die Ladungen, die Geschossgewichte und die anfänglichen leben­ digen Kräfte der Projectile, zieht aber zum Vergleiche Material heran, das längst nicht mehr mustergiltig ist und es zum Theile — wie der 25 Tonnen schwere englische 1 2 -Zoller Nr. III — auch nie war. Selbstverständlich ergibt sich aus den, überdies oft unrichtigen Daten dieses sonderbaren Vergleichs folgendes Resultat: die neue amerikanische Kanone ist den besten Fabrikaten Englands und Krupp’s mindestens ebenbürtig, denn sie ertheilt einem 315 Kilogr. schweren Geschosse mit 4 9 ‘5 Kilogr. Ladung eine Energie von 9551 Fusstonnen (2958 Meter­ tonnen). *) Der einzige übrigens nicht unbedeutende Nachtheil solcher Schilfe wäre die geringe Breite der jetzt vorhandenen Docks, welche kaum mehr für den I n f l e x i b l e ausreichen. 491 ' 12" Arm­ strong. Versuchs­ kanone Engl. 12Zöller Marke II Jedenfalls ist diese Leistung respectabel, aber dem nIlerald« können wir nicht beipflicbten, wie ein Blick auf die nachstehende Zusammenstellung beweisst. ® cL o za 0 § s £3 *p cö <joM Hl M Benennung Q ^ co 30 ‘ 5 % -Kan. 3 04-8 304*8 305 305 305 K aliber.............................. mU 35- 6 39 6 35- 6 38- 7 40*5 Rohrgewicht. . . Metertonnen 72 49- 8 81- 5 72 49*5 Ladung....................... Kilogr. 336 333 317 317 315 Geschossgewicht . . . . n Energie des Geschosses an der 3783 3911 4244 2534 Mündung. . . . Metertonnen 2958 Energie des Geschosses per 52- 5 58-9 4 8- 0 59- 7 50*9 Kilogr. Pulver Metertonnen Diese Zahlen sagen deutlich, dass das amerikanische Geschütz blos dem englischen 12-Zöller, Marke II etwas überlegen ist, den drei übrigen Rohren aber weit nachsteht. Nur in einer Hinsicht, nämlich in der Ausnützung des Pulvers als Triebmittel, wäre nach den Daten der vorstehenden Tabelle die amerikanische Kanone im Vortheile, was bei der relativ kleinen Ladung dieses Geschützes ganz begreiflich ist. Sc. Neue Steuerung. — Linienschiffs - Capitain F r e v e der franz. Marine hat einen elektro-magnetischen Apparat erdacht, durch welchen die Steuerung der Maschine von der Commandobrücke aus zu leiten sein soll. Diese Erfin­ dung wurde der Pariser Akademie der Wissenschaften am .20. Juli vorgelegt. (wMoniteur de la Flottek.) y. Marine-Reserve Englands. — Ueber die Bildung der Reserve für die englische Kriegsmarine gab der Vertreter der Regierung in der Parlaments­ sitzung vom 15. März d. J. gelegentlich der Vorlage des Marinebudget die folgenden Details: Die erste Reserve bilden die Coast Guard Service, be­ stehend aus älteren ehemaligen Unterofficieren. Sie werden in ihrem Dienst durch kriegsuntaugliche Leute ersetzt. Der Stand derselben ist gegenwärtig 332 Officiere und 3968 Mann. Die zweite Reserve, die sogenannte königliche Marine-Reserve, theilt sich in zwei Classen. Die erste besteht aus 12.135 Mann der Mercantilmarine, welche 10 £ 10 sh. jährlich erhalten und alljährlich zu den Uebungen einberufen werden. Die zweite Classe, 5479 Mann stark, sind die Fischer. Letztere erhalten 7 £ 17 sh. jährlich und verpflichten sich für 5 Jahre auf den ersten Befehl in den Dienst zu treten. Endlich eine dritte Reserve, 850 Mann stark, wird alljährlich einberufen und erhält während dieser Zeit die volle Gebühr. Die Uebungen der dritten Reserve dauern 14 Tage. Die Freiwilligen der Marine - Artillerie zur V erteidigung der Küste bestehen aus 1025 Mann und kosten dem Lande 1500 £ . y. 492 N achtsignal- Apparat für Kriegsschiffe. Hiezu Fig. 3, 4, 5 Tafel VII. Mit diesem Apparat bezweckt man, in der Nacht bei möglichst geringem Aufwande an Zeit und Arbeit ein intensives Signallicht zu erzeugen. Als Leucht­ stoff wird hiezu Petroleum verwendet, welches in Form eines künstlich er­ zeugten Nebels mit grosser Geschwindigkeit durch eine ringförmige Spiritus­ flamme getrieben, von derselben entzündet und im Luftstrome verbrannt wird. Der Apparat setzt sich zusammen aus der Vorrichtung zur Erzeugung eines kräftigen Luftstromes, aus einem Mechanismus zur genauen Vertheilung der Menge des zur Verbrennung gelangenden Leuchtstoffes und aus der Spiritus­ lampe, in welcher derselbe zur Verbrennung gebracht wird. Die Zeichnungen auf Taf. VII stellen den Apparat in Fig. 3 in der äusseren Ansicht, in Fig. 4 im Verticaldurchschnitt durch die Behälter für Petroleum und Spiritus dar und veranschaulichen auch die innere Einrichtung des Dochtes und der Stellvor­ richtung. Die am Apparat gut befestigten Luftpumpen « , al dienen zur Erzeu­ gung eines kräftigen Luftstromes; durch Drehen an den Handkurbeln b, by wird atmosphärische Luft in den Windkessel c gepresst. Ueber dem Wind­ kessel befindet sich der Petroleiimbehälter d , darüber der Spiritusbehälter e und die Spirituslampe. Das Rohr f ist durch die Achse der Behälter d und e geführt, mündet oben in den Brennraum der Spirituslampe und unten in den Windkessel. Durch Lüftung der Verschlusschraube an der Füllöffnung des Petroleumbehälters kann die gepresste Luft im Apparate abgeblasen werden; auch kann man an Stelle der Verschlusschraube ein Manometer aubringen, um den Druck im Apparate zu messen. Der Handgriff li des Drehschiebers g dient als Signalgeber, und man öffnet oder schliesst mit demselben die Aus­ mündung o : in ersterem Fall strömt Luft und Petroleumdampf, durch die Spirituslampe entzündet, in mächtiger Flamme aus; im zweiten wird beides im Apparate zurückgehalten. Die Luftröhren i (Fig. 4) stehen mit dem Petro­ leumbehälter und dem Windkessel in Verbindung, daher in beiden die gleiche Luftspannung vorhanden ist. Der Petroleumbehälter steht ausserdem mittels der Rohrstücke l (Fig. 4) mit dem ringförmigen Hohlraum in Verbindung, welcher durch die hohle Petroleumspindel 1c in dem Rohr f abgetheilt ist. Das Pe­ troleum wird dadurch zugleich mit der Luft, die dem Windkessel entströmt, aus. der geöffneten Mündung o herausgeblasen und fein zerstäubt. Den Zufluss des Petroleums zum Lichtstrom regulirt man durch die Spindel h, weshalb sie in ihrer Achsrichtung durch Schraube ohne Ende und Schneckenrädchen mit­ tels Knopf m von aussen verstellbar ist. Es kann sonach der Ausgangscanal des Petroleums zur Ausmündung o je nach Erforderniss geöffnet werden. Die Spirituslampe dient zur Entzündung des im Luftstrome zerstäubten Petroleum s; der ringförmige Spiritusbehälter e communicirt nur durch das Ver­ bindungsrohr s mit dem Dochtcylinder p ; letzterer ist mit Muttergewinde ver­ sehen, in welche die am unteren Ende befestigte Dochtschraube q eingreift. Durch Zapfen und Nuthführung an dem Rohre f ist diese Dochtschraube am Drehen verhindert, und es kann somit durch Rechts- oder Linksdrehung des Dochtcylinders mit dem Dochte dieselbe herauf oder herunter geschoben werden. Es geschieht dies mit Hilfe einer Radspindel, deren Stellkopf n sich ebenfalls an der Aussenseite des Apparates befindet. Die Messinghülse u dient zum Schutze des Drehschiebers g und ist obeu in den Runddocht eingelegt. Der Brenncylinder r ist über die Spirituslampe eingeschraubt und das Schutzblech t 493 über den Brenncylinder geschoben. Dadurch wird der Spiritusbehälter gegen die Wärmestrahlung der Apparatflamme geschützt. Unterhalb der Verschluss­ thür zum Brennraum der Spirituslampe ist der Spiritusbehälter mit einer kleinen Oefl'nung x (Fig. 3) versehen. Es wird hierdurch der Entstehung eines Gasdruckes im Spiritusbehälter vorgebeugt und mit ihm der schädlichen Einwirkung auf das ruhige Brennen der Spirituslampe. Der trichterförmige Aufsatz v dient zum Schutze der Apparatflamme ; ebenso der Windschirm w (Fig. 5) bei stürmischem Wetter. Soll nun mit dem Apparat signalisirt werden, so wird zuerst die Spi­ rituslampe angezündet; es kann dies innerhalb ihres weiten Brennraumes selbst bei stürmischem Wetter mit einem Schwefelholz geschehen, wenn man nur die Vorsicht gebraucht, den Docht vorher mit einigen Tropfen Spiritus oder Terpentinöl zu befeuchten. Brennt die Lampe, die erst nach einiger Er­ wärmung eine zur Entzündung des Petroleums genügende Flamme gibt, so werden die Luftpumpen in Bewegung gesetzt und die Luft im Apparat so stark verdichtet, wie dies mit der gegebenen Kraft zu ermöglichen ist. Eine Gefahr für den Apparat ist hierbei nicht zu befürchten, da derselbe genügende Sicherheit bietet, um einem Druck von 12 Atmosphären zu wider­ stehen. Es ist nun beim Signalisiren besonders darauf zu achten, dass der Signalhebel li mit Euhe und sicherer Hand gehandhabt wird, daher ein heftiges Oeffnen und Schliessen des A bsperrventils gänzlich zu vermeiden. Mit Hilfe der Stellschraube m, deren Kopf wie gesagt nach aussen am Apparat vorsteht, regulirt man nun den Petroleumzufluss so, dass durch Verbrennung desselben im Luftstrome eine intensive weisse Flamme entsteht. Da eine unvollständige Verbrenuung des Petroleums eine matte Flamme mit schwarzem Rauch an den Spitzen derselben zur Folge hat, so ist jede Rauchbildung zu verhindern. Das Auslöschen der Spiritusflamme nach Beendigung des Signalisirens wird bewirkt durch Einlegen des Verschlussdeckels r v (Fig. 3) in den Windschirm. Der in Vorstehendem beschriebene Signalfeuer - Apparat ist seit einiger Zeit auf den Schiffen der deutschen Marine eingeführt und bewährt sich nach dem Urtheil der Sachkenner in so ausgezeichneter Weise, dass •— wie uns mitgetheilt wird — auch andere Seemächte demselben ihre Aufmerksamkeit zuwenden, um ihn ebenfalls einzuführen. Derselbe ist eine deutsche Erfindung und wurde in der mechanischen Werkstätte des königl. Laboratoriums in Spandau construirt und ausgeführt. („Dingiers polyt. J o u r n a l “) Lafargue’s hydraulischer Steuerapparat. (Hiezu Fig. 1 u. 2 ,Taf. VH.) — Dem itEngineers entnehmen wir nachfolgende Beschreibung nebst Zeichnung einer hydraulischen Steuervorrichtung, welche in der britischen Abtheilung der Pariser Weltausstellung im Modell ausgestellt ist. Der Ruderstamm a trägt oben einen mit Rinnen oder besser gesagt Zügen versehenen Kragen I) , welcher mit dem Stamm durch Keile und schmiede­ eiserne Ringe am oberen und unteren Ende fest verbunden ist. Diese Züge verlaufen derart schief an der Aussenfläche des K ragens, dass die geringste Hebung oder Senkung der Gleitstücke d d eine drehende Bewegung des Ruders hervorbringen muss. Die Gleitstücke sind an dem Kreuzkopf c befestiget,' 494 welcher durch die hohle Kolbenstange li mittelst hydraulischem Drucke auf den Kolben e auf- und abbewegt wird , wobei die Führungsstangen g die Gleit­ stücke zwingen, diese Bewegung in geradliniger Eichtung zu vollführen. Die Verbindung des unteren Cylinderraumes mit dem Accumulator, in welchem ein constanter Druck erhalten wird, ist immer offen. Auf die obere Kolbenfläche jedoch kann durch eine Eohrleitung mit Ventil hydraulischer Druck ausgeübt, oder die Verbindung mit Aussen hergestellt werden. Nachdem nun die obere Kolbenfläche viel grösser ist als die untere, so wird im ersten Falle eine Bewegung des Kolbens nach abwärts, und im zweiten, in Folge des constanten Druckes von unten, eine Bewegung nach aufwärts statt­ finden, respective durch die sich in den Zügen verschiebenden Gleitstücke eine entsprechende Drehung des Kuders erzeugt werden. Durch eine sehr einfache Vorrichtung wird jede dem Euder mitgetheilte Bewegung von einem auf der Brücke installirten Indicator angezeigt, welcher auch zur Eegulirung des Wasserdruckes dient. Die Pumpe für diesen Zweck ist von der einfachsten Construction; die bei dem Modelle angewendete ist eine doppelt wirkende Handpumpe und nimmt einen Eaum von 2 — 3 ^ ' ein. Dieselbe kann im Maschinenraum aufgestellt und mit Dampf betrieben werden. — x— Chaudre’s Wasserstandzeiger mit Schwimmer. (Hiezu Fig. 6 und 7, Tafel VII). — Die Aufgabe, die Bewegung eines im Kessel schwimmenden Hohlkörpers auf einen Zeiger ausserhalb des Kessels mit Vermeidung von Stopfbüchsen zu übertragen, ist bei einer von C h a u d r e in Paris patentirten und in Fig. 6 und 7, Taf. VII veranschaulichten Construction auf recht sinn­ reiche Weise gelöst. Der Schwimmer A hängt an einem Winkelhebel B, dessen aufwärts ge­ bogener gegabelter Schenkel das kugelförmige Ende einer Stange C umfasst. Diese ist mit dem einen Ende eines sie theilweise umschliessenden dünnen Kupferrohres E verlöthet, dessen anderes Ende dampfdicht im Boden des mit dem Dampfraum des Kessels in Verbindung stehenden Gehäuses F befestigt ist. Das durch das Kupferrohr in’s Freie tretende Ende der Stange C ist ebenfalls gekugelt und greift in eine stark steigende Schraubennuth des an der Achse des Zeigers H. sitzenden Cylinders Gr. Bei jeder Aenderung des Wasserstandes erfährt die Stange C unter gleichzeitiger Durchbiegung des Kupferrohres E eine kleine Schwingung, welche eine entsprechende Drehung des Nuthcylinders und Zeigers zur Folge h at; die Lage des letzteren lässt dann auf dem Zifferblatte D den jeweiligen Wasserstand im Kessel erkennen. Diese Apparate, welche die so oft wieder verlassene Anwendung des Schwimmers zur Wasserstandsanzeige neuerdings und vielleicht erfolgreicher in Aufnahme bringen dürften, werden von Im e r und B r e u n i n g in Bern geliefert. (v Dingier's polytechnisches Journal.«) 495 Beobachtete Strömungsverhältnisse im Suezcanal und daraus g e­ zogene Folgerungen. — Herr von L e s s e p s hielt in der Pariser Akademie der Wissenschaften einen Vortrag über die Strömungen im Suezcanal, von welchem wir hier einen Auszug geben. nUm verlässliche Daten zu erhalten, hat die Gesellschaft längs des ganzen Canals von Port Said bis Suez Stationen errichtet, an welchen seit dem Mo­ nate Mai 1871 die sorgfältigsten Beobachtungen ausgeführt werden. Der Chef­ ingenieur L e m a s s o n sammelte das Beobachtungsmateriale und arbeitete auf Grund desselben sein »Regime des eaux dans le canal maritime de Suez, et ä ses embouchures«. Er behandelt darin sehr ausführlich folgende Punkte: 1. Untersuchung der Fluth und Strömungen vom Mittelmeer in Port Said. 2 . Dieselbe Untersuchung bezüglich des rothen Meeres und Suez. 3. Die Fortpflanzung der Fluth des mittelländischen und rothen Meeres im Canal. Der Timsah- und die Bitterseen bilden zwei grosse Regulatoren, in welchen die Fluthströmungen zur Geltung kommen. Vom Monat Mai bis October erheben die herrschenden N- und NW-Winde das Niveau von Port Said, während sie jenes von Suez herabdrücken. Unter dem Einflüsse dieser Niveaudifferenz, welche im September 40 Centimeter erreicht, entsteht während des Sommers eine zwar durch die Fluth modiflcirte Strömung, welche jedoch trotz des letzteren Umstandes grössere Wassermassen von Norden nach Süden treibt. Im Winter dagegen sind die Südwinde die vorwiegenden, das Niveau des rothen Meeres steht höher und die grösste Niveaudifferenz beträgt im Jänner 30 Centimeter; die Richtung der Strömung ist dann natürlich Nord. Durch diese fortwährenden Strömungen wird eine jährliche Wassermasse von 400 Millionen Kubikmeter in Bewegung gebracht, welche der Verdun­ stung des Wassers an der Oberfläche der Seen förmlich das Gleichgewicht hält, indem sie zur Auflösung der Salzbänke in denselben viel beiträgt. Die Localströmungen, verursacht durch die F luth, erreichen eine Ge­ schwindigkeit von 0 15 bis 0 ‘45*"/ per Secunde; manchmal erreichen sie selbst 0 *50 bis 0 ' 60 . Zwischen Suez und den Bitterseen ist die Geschwin­ digkeit 0*60 bis 1 * 1 0 7"/ und kann sogar bis 1 *30 ^ steigen. Diese Strö­ mungen sind von keinem Belang für die Navigation. Die bei den Salzbänken der Bitterseen ausgeführten Lothungen ergaben, dass diese Bänke in Auflösung begriffen sind. Es zeigt dies, wie unrichtig die Behauptung w ar, dass die grossen Salzanlagerungen mit der Zeit den Canal unschiffbar machen werden. (nComptes rendus.«) y. Geschichte der österreichisch - ungarischen Monarchie, das ist die Entwicklung des österreichischen Staatsgebildes von seinen ersten Anfängen bis zu seinem gegenwärtigen Bestände. Ein Volksbuch von M o r i t z S me t s . Wien, A. Hartleben. 1878. 496 Es war sicher ein ganz richtiger Gedanke, dem grossen Publicum ein nach Darstellung und Inhalt entsprechendes Handbuch der vaterländischen Ge­ schichte zu bieten, da ein solches thatsächlich nicht vorhanden ist. Aber gerade der Umstand, dass es sich um eine populäre Schrift, um einen histo­ risch ungeschulten Leserkreis handelte, machte die völlig richtige Lösung- der Aufgabe keineswegs leicht. Wenn wir auch dem Verfasser des oben bezeich­ n te n Werkes die Anerkennung nicht versagen können, dass er die besten und neuesten Quellen zu Rathe zog und den umfangreichen Stoff zu bewältigen verstand, so können wir doch nicht das gestellte Ziel völlig erreicht finden. Und der Grund hievon liegt hauptsächlich schon in dem Mangel einer klaren Uebersicht des historischen Stoffes. Gerade die grosse Menge wird aus einer Darstellung der eigenen Geschichte nur dann den rechten und bleibenden Nutzen ziehen, wenn sich ihr die hauptsächlichsten Entwicklungsmomente scharf ein­ prägen, wenn also die Darstellung bemüht ist, die grossen Linien dem Leser einzuprägen, welche gleichsam das Gerüste des ganzen Aufbaues bilden. S m e t s' Buch liest sich vielfach ganz fliessend, aber es verhilft in keinerlei Weise dem Leser zum Festhalten des Gelesenen und ein populär-wissenschaftliches Werk soll diesen Zweck niemals aus dem Auge verlieren, denn das Publicum, für welches derlei Werke bestimmt sind, bedarf der Leitung. Hinsichtlich des In­ haltes wollen wir nur bemerken, dass es vielleicht besser gewesen wäre, den Stoff in der gewohnten Weise mit dem Jahre 1815 abzuschliessen, als die Zeit von da ab in jener flüchtigen und systemlosen Weise zu behandeln, wie es in der Schlusslieferung geschehen ist. Die Ausstattung des Buches ist gut; auch mangeln nicht die herkömmlichen Illustrationen, aus denen freilich die historische Volksbildung keinen wesentlichen Vortheil ziehen wird. — ß — -------- Berichtigung. Heft VIII, Seite 404, Zeile 12 von oben lies: z w e i t h e i l i g e n statt zweitseitigen. B e i l a g e n : Kundmachungen für Seefahrer, Nr.28—33. 1878. — Hydrographische Nachrichten. Nr. 13—16. 1878. — Meteorologische Beobachtungen am hydrographischen Amte der k. k. Kriegsmarine, Juli 1878. — Verlegt, herausgegehen und redigirt vom k. k. hydrographischen Amte (Mariiie-Hibliotliek). Druck von Carl Gerold’s Sohn in Wien.