Lie - Gruppen - Fachbereich Mathematik und Informatik

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partielles Skript zur Vorlesung
Lie - Gruppen
SS 2012
Prof. Dr. B. Wilking
Mathematisches Institut
Fachbereich Mathematik und Informatik
WWU Münster
2
I Hintergrundmaterial zur Vorlesung
1
Mannigfaltigkeiten, Flüsse von Vektorfeldern
Erinnerungen und Notationen:
Sei M m im folgenden eine differenzierbare m-dimensionale Mannigfaltigkeit. Den
Begriff Differenzierbar verwenden wir, wenn nicht ausdrücklich anders gesagt,
synonym mit C ∞ .
• Eine Derivation v an der Stelle p ist eine R lineare Abbildung v : C ∞ (M, R) →
R mit v(ϕ · ψ) = ψ(r)v(ϕ) + ϕ(p)v(ψ), für alle ϕ, ψ ∈ C ∞ (M, R)
• T p M := {v | v Derivation an der Stelle p} ist ein m-dimensionaler Vektorraum und
TM =
◦
[
Tp M ist eine 2m-dimensionale Mannigfaltigkeit.
p∈M
• Ein Vektorfeld X ∈ VM ist eine Abbildung X : M → T M mit
X(p) := X|p ∈ Tp M ∀p∈M und ∀f ∈C ∞ (M, R) ist Xf ∈C ∞ (M, R)
Ein wichtiges lokales Beispiel: Ist x : U → V ⊂Rm eine Karte von M , so
∂
definieren wir ein Vektorfeld ∂x
∈ VU auf U durch
i
∂
(ϕ) = (Di (ϕ◦x−1 ))(x(p)) für alle p ∈ U .
∂xi | p
• Ist f : M → N differenzierbar, so ist die induzierte Abbildung f∗ : T M →
T N gegeben durch f∗p (v(ϕ) = v(ϕ ◦ f ) für v ∈ Tp M , ϕ ∈ C ∞ (N, R). Die
induzierte Abbildung ist dann wiederum differenzierbar.
• Ist f : M → N differenzierbar, x eine Karte um p und y eine Karte um
f (p), so sehen wir fˆ = y ◦ f ◦ x−1 als die Entsprechung von f in den lokalen
Koordinaten. Die Jacobimatrix Dfˆ(x(p)) von fˆ ist dann die darstellende
, . . . , ∂y∂n |
Matrix von f∗p bzgl. der Basen ∂x∂ 1 | p , . . . , ∂x∂m | p und ∂y∂ 1 |
f (p)
f (p)
Definition 1.1. Seien X, Y ∈ VM Vektorfelder. Dann ist [X, Y ] das eindeutig
bestimmte Vektorfeld für welches die Identität [X, Y ]ϕ = X(Y ϕ) − Y (Xϕ) für
alle ϕ ∈ C ∞ (M, R) gilt.
1. Mannigfaltigkeiten, Flüsse von Vektorfeldern
3
Definition 1.2. (f -verwandte Vektorfelder) Sei f : M → N differenzierbar.
Wir sagen X ∈ VM ist f -verwandt zu X̂ ∈ VN falls f∗ X|p = X̂|f (p) . Beispiel:
∂
n
∂xi ist x- verwandt zum konstanten Vektorfeld Di ∈ R .
Beispiel:
∂
∂xi
ist x- verwandt zum konstanten Vektorfeld Di ∈ Rn .
Lemma 1.3. Sei f : M → N differenzierbar, X, Y, ∈ VM und X̂, Ŷ , ∈ VN f verwandt. Dann ist [X, Y ] f -verwandt zu [X̂, Ŷ ].
Definition 1.4. (Integralkurven). Eine Kurve c(t) ∈ M heißt Integralkurve von
·
X, falls c (t) = X|c(t)
Lemma 1.5.
a) Sei f wie oben und X ∈ VM sei f - verwandt zu X̂. Dann
bildet f Integralkurven von X auf Integralkurven von X̂ ab.
b) Zwei Integralkurven c1 , c2 : I → M mit c1 (t) = c2 (t) für ein t ∈ I stimmen bereits überein. Außerdem ist der maximale Definitionsbereich einer
Integralkurve offen
Definition 1.6.
a) Sei X ein Vektorfeld auf M und sei U ⊂ M xR offen,
derart dass für alle (p, t) ∈ U und alle λ ∈ [0, 1] folgt (p, λt) ∈ U. Dann
∂
heißt Φ : U → M lokaler Fluss, falls ∂Φ
∂t = Φ∗ ∂t = X◦Φ und Φ(0, p) = p.
b) Φ heißt maximal, wenn der Definitionsbereich von Φ maximal ist.
c) Ein Vektorfeld heißt vollständig, wenn der maximale Fluss auf R × M
definiert ist.
Bemerkung. Der Fluss eines vollständigen Vektorfeldes definiert eine 1- Parametergruppe. Es gilt also Φt+s (p) = Φt ◦Φs (p). Im allgmeinen gilt diese Gleichung
für den maximalen Fluss eines Vektorfeldes nur für diejenigen p ∈ M , für die
die rechte Seite definiert ist.
Proposition 1.7. Sei X ∈ VM .
a) Sind Φi (i = 1, 2) lokale Flüsse von X, so stimmen sie auf dem gemeinsamen Definitionsbereich überein.
b) Ist K = {p ∈ M |X|p 6= 0} kompakt, so ist X vollständig und der Fluss ist
C ∞.
c) Der maximale Fluss und damit auch jeder lokale Fluss ist differenzierbar.
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Lemma 1.8. Es sei X ein Vektorfeld mit X|p 6= 0 Dann gibt es eine Karte
x : U → V ⊂ Rn mit X = ∂x∂ 1 auf U .
Beweis von Proposition 1.7. a) folgt aus der Eindeutigkeit von Integralkurven.
b). Zunächst einmal gilt: Für alle p ∈ M gibt es eine Umgebung U von p, εp > 0
und einen differenzierbaren lokalen Fluss mit Definitionsbereich (−εp , εp ) × U .
Da dies in der Tat eine lokale Aussage ist, folgt der Satz aus dem entsprechenden
Satz für Vektorfelder in Rn , den man in den gewöhnlichen Differentialgleichungen
beweist.
Da man die kompakte Menge K durch endlich viele solcher Umgebungen
überdecken kann, folgt mit der Eindeutigkeit von lokalen Flüssen leicht, dass es
eine offene Umgebung V von K gibt und eine ε > 0 so, dass ein differenzierbarer
lokaler Fluss auf (−ε, ε) × V definiert ist. Außerdem ist natürlich R × (M \ K) →
M , (t, p) 7→ p ein lokaler Fluss von M . Insgesamt haben wir damit die Existenz
eines differenzierbaren lokalen Flusses auf (−ε, ε) × M bewiesen.
Setzen wir Φt (p) = Φ(t, p), so folgt wegen Φt ◦ Φs = Φt+s , dass der maximale
Fluss von X auf R × M definiert ist und dort differenzierbar ist.
c). Sei (p, t0 ) ∈ U derart, dass eine Integralkurve c von X mit Anfangspunkt
p bis zur Zeit t0 definiert ist. Es reicht nun einzusehen, dass der maximale Fluss
von X in einer Umgebung von (t0 , p) definiert ist und dort differenzierbar ist.
Wir wählen eine C ∞ -Funktion ψ : M → R mit ψ ≡ 1 in einer Umgebung U
von c([0, t0 ]) und mit einen kompakten Träger K := {q|ψ(q) 6= 0}.
Das Vektorfeld X̂ := ψX erfüllt somit die Voraussetzungen von b). Der Fluss
Φ̂ von X ist auf R × M definiert und C ∞ . Da Φ̂ stetig ist, gibt es dann eine
Umgebung V von p und ein ε > 0 so, dass Φ̂((−ε, t0 + ε) × V ) ⊂ U . Mithin
stimmen Φ̂ und Φ auf (−ε, t0 + ε) × V überein und insbesondere ist Φ dort
definiert und differenzierbar.
Lemma 1.9. (Lie- Klammer als Lie- Ableitung) Sei Φt lokaler Fluss von X um
p und Y ∈ VM . Dann ist
Φ−t∗ Y|Φt (p) − Y|p
= [X, Y ]|p
t→0
t
lim
Beweis. Wir nehmen zunächst an, dass X|p 6= 0 gilt. Dann gibt es eine Karte
x : U → V ⊂ Rn mit X = ∂x∂ 1 auf U . Sei Ŷ ∈ VV das x-verwandte Vektorfeld zu
Y und sei Φ̂ der Fluss des konstanten Vektorfeldes D1 ≡ e1 , welches x- verwandt
zu X ist. Es gilt:
(i) Φ̂(t, q) = q + te1
1. Mannigfaltigkeiten, Flüsse von Vektorfeldern
5
(ii) x ◦ Φ−t ◦ x−1 = Φ̂−t
x∗ (Φt∗ Y − Y|p )
= (x ◦ Φ−t )∗ YΦt (p) − x∗ Y|p
= Φ̂−t ∗ ◦x∗ YΦt(p) − Ŷx(p)
= Φ̂−t∗ ŶΦ̂t (x(p) − Ŷx(p) .
(iii) x∗ ([X, Y ]) = [D1 , Ŷ ]
Wegen (ii) und (iii) reicht es, die Behauptung für die Vektorfelder D1 ≡ e1
und Ŷ auf V ⊂ Rn zu zeigen. Für diese können wir beide Seiten der Gleichung
leicht berechnen. Wegen (i) gilt
lim
t→0
(Φ̂−t )∗ ŶΦ̂t (p) − Ŷ|p
t
= (De1 Ŷ )p ,
wobei De1 Y die Richtungableitung ist, d.h. ist
Ŷ|p =
n
X
yi (q)Di , so folgt De1 Ŷ =
i=1
n
X
∂yi
Di .
∂e1
i=1
Andererseits gilt auch
[X̂, Ŷ ] = DX̂ Ŷ − DŶ X̂ = DX̂ Ŷ = (De1 Ŷ ).
Damit ist das Lemma an den Stellen p mit X|p 6= 0 bewiesen. Gibt es pn → p
mit Xpn 6= 0, so folgt wegen
(Φ−t )∗q Y|Φtq − Y|q
d
=
t
dt |t=0
Φ−t∗q (YΦt (q) ),
dass beide Seiten der Gleichung stetig sind. Und somit die Behauptung. Gilt
X ≡ 0 in einer Umgebung von p, so folgt die Gleichung ebenfalls, da beide
Seiten der Gleichung verschwinden.
Satz 1.10. Sind X, Y vollständige Vektorfelder und Φ, Ψ die zugehörigen Flüsse,
so ist äquivalent
a) [X, Y ] ≡ 0.
6
b) Ψs ◦ Φt = Φt ◦ ψs ∀tp s ∈ R.
Beweis. a) ⇒ b).
Behauptung: Es gilt Φt∗ Y|p = Y|Φt (p) für alle t.
Wir nehmen zunächst X|p 6= 0 an und wollen die Behauptung für kleine t
zeigen. Dann gibt es eine Karte x : U → V ⊂ Rn mit X = ∂x∂ 1 auf U . Es
gilt dann in lokalen Koordinaten, dass Φt der Verschiebung um te1 entspricht.
Die darstellende Matrix von Φt∗p bzgl. der durch ∂x∂ 1 , · · · , ∂x∂m gegebenen Basen
an den Stellen p P
und Φt (p) ist also die Identität. Definieren wir andererseits
∂
∂
y1 , . . . , ym durch m
i=1 yi (q) ∂xi := Y , so folgt aus [ ∂x1 , Y ] = 0 die Gleichung
∂
∂x1 yi = und mithin entspricht yi (Φt (p))) = yi (p), i = 1, . . . , m.
Damit ist die Behauptung für kleine t gezeigt. Um die Formel für ein beliebiges t0 einzusehen, betrachten wir die Integralkurve c von X auf [0, t0 ]. Es
gilt X|c(t) 6= 0 für alle t. Wegen der Formel Φt+s ◦ Φt ◦ Φs folgt nun die Aussage
für (p, t), in dem man das kompakte Bild der Integralkurve durch viele lokale
Umgebungen überdeckt. Gilt nun X|pn 6= 0 für eine Folge pn → p, so folgt die
Behauptung aus Stetigkeitsgründen. Verschwindet X in einer Umgebung von p,
so ist nichts zu zeigen. Damit ist die obige Behauptung also bewiesen.
Y ist also Φt -verwandt zu sich selbst für alle t. Somit ist Φt (Ψ(s, p))s∈[0,s0 ] eine Integralkurve von Y mit Anfangspunkt Φt (p). Wie behauptet folgt Φt (Ψ(s, p)) =
Ψ(s, Φt (p)).
b) ⇒ a). Leiten wir die Gleichung Φt (Ψs (p)) = Ψs (Φt (p)) an der Stelle (t, 0)
nach s ab, so erhalten wir
Φt∗ Y|p = YΦt (p)
Nun folgt [X, Y ]|p = 0 aus Lemma 1.9.
2
Der Satz von Frobenius
Definition 2.1.
a) ι : M → N heißt Immersion, falls ι∗p injektiv ist ∀p ∈ M .
b) Eine immergierte Untermannigfaltigkeit ist das Bild einer injektiven Immersion.
c) ι heißt Einbettung, falls ι eine injektive Immersion ist und ι : M → ι(M )
ein Homöomorphismus aufs Bild ist. Eine eingebettete Untermannigfaltigkeit ist das Bild einer Einbettung.
2. Der Satz von Frobenius
7
Beispiel:
R → S1 × S1 ,
t 7→ (pit , pi
√
2t
)
ist eine injektive Immersion aber keine Einbettung.
Definition 2.2.
a) Eine k-dimensionale (differenzierbare) Distribution D von
M ist eine Abbildung, die jeden Punkt p von M einem k-dimensionalen
Untervektorraum D|p ⊂ Tp M zuordnet derart, dass D lokal von K punktweise linearen unabhängigen Vektorfeldern aufgespannt wird.
b) Für eine Distribution D definieren wir
Γ(D) = {X ∈ VM | Xp ∈ D|p ∀p ∈ M }
D heißt integrierbar, falls ∀X, Y ∈ Γ(D) gilt
[X, Y ] ∈ Γ(D).
Satz 2.3 (Satz von Frobenius). Sei D eine k-dimensionale integrierbare Distribution von M .
a) Dann gibt es einen geblätterten Atlas A = {xj : Uj → Vj | j ∈ J} von U ,
d. h. A ist ein differenzierbarer Atlas von U mit
(
)
∂
∂
spanR
= D|q ∀q ∈ Uj ∀j ∈ J.
,..., j
∂xj1 |q
∂xk |q
b) Für jeden Punkt ist
L(p) = {q ∈ M | ∃c : [0, 1] → M C 1 von p nach q mit ċ(t) ∈ D|c(t) }
eine immergierte Untermannigfaltigkeit. Sie heißt das Blatt von D.
Bemerkung. Man sieht leicht, dass zwei Blätter L(p) und L(q) entweder gleich
oder disjunkt sind. Die Zerlegung von M in die verschiedenen Blätter nennt man
eine Blätterung.
Beweis. a). Durch Induktion nach m. Für m = 1 ist nichts zu zeigen. Sei p ∈ M
beliebig.
Sei p in M müssen wir zeigen, dass es eine Karte x : U → V um p gibt mit
∂
∂
D|q = spanR
,··· ,
(q) ∀q ∈ U.
∂x1
∂xk
8
Sei X ∈ ι(D) mit X|p 6= 0. Wähle eine Karte y : U → V um p mit X =
∂
∂y1
auf
U und y(p) = 0. Ohne Einschränkung: V = B (0). Sei D̂ die Distribution auf V ,
welche x-verwandt ist zu D. Es gilt:
e1 ∈ D̂|q
∀q ∈ V
Setze
V 0 = B (0) ∩ spanR {e2 , · · · , em }
0
D|q
= D|q ∩ spanR {e2 , · · · , em }.
Nach Induktionsvoraussetzung gibt es einen kleinen Ball Bδ (0) ⊂ V 0 Rm−1
und einen Diffeomorphismus f : Bδ (0) → W ⊂ Rm−1 so, dass D0 und die konstante Distribution spanR e2 , . . . , ek zueinander f -verwandt sind. Transformieren
wir nun den δ Ball mittels z(te1 + p0 ) = te1 + f (p0 ) und ersetzen y durch y ◦ f so
sehen wir, dass wir ohne Einschränkung annehmen dürfen, dass D0 selbst bereits
durch die konstante Distribution spanR e2 , . . . , ek gegeben ist.
Zusammenfassend können wir also annehmen e1 ∈ D̂q für alle q ∈ Bε (0) ⊂
Rm und D̂q = spanR e1 , e2 , . . . , ek für alle q ∈ B (0) ∩ spanR {e2 , · · · , em }. Wir
können den Beweis von a) abschließen indem wir beweisen, dass insgesamt D̂
auf Bε (0) konstant ist. Dazu reicht es zu zeigen, dass c(t) = D̂q+te1 konstant in
t. Wir können c(t) als eine differenzierbare Kurve in der differenzierbaren Mannigfaltigkeit Grk (Rm ) der k-dimensionalen Untervektorräume des Rm auffassen.
Es reicht dann zu zeigen, dass c0 (t) = 0. Seien dazu X1 , . . . , Xk Vektorfelder auf
Bε (0) mit spanR {X1 , . . . , Xk } = D̂. Ohne Einschränkung sei X1 das konstante
Vektorfeld e1 . Es gilt für q = c(t0 )
d
c0 (t0 ) = dt
|t=0 spanR X1|q + tDe1 (X1 )|q ), . . . , Xk|q + tDe1 (Xk )|q
= 0,
da die Kurve auf der rechten Seite der Gleichung wegen De1 (Xi )|q = [X1 , X2 ]|q ∈
D̂q konstant in einer kleinen Umgebung von t = 0 ist.
b). Wir führen auf L(p) eine innere Topologie ein. Für q ∈ L(p) sagen wir
U ⊂ L(p) ist eine Umgebung von q bzgl. der inneren Topologie, wenn es eine
Umgebung V von q in M gibt so, dass U die Wegzusammenhangskomponente
des Punktes q der Menge V ∩ L(p) enthält. Wie üblich ist eine Menge U ⊂ L(p),
wenn sie Umgebung von q ist für alle q ∈ U . Dies definiert eine Hausdorff
Topologie auf L(p) und wir können die ersten k- Komponenten von Karten aus
dem geblätterten Atlas aus a) benutzen, um einen Atlas von L(p) zu definieren.
Alle Aussagen folgen nun leicht mit Ausnahme vielleicht eines Punktes. Wir
müssen zeigen, dass die Topologie auf L(p) eine abzählbare Basis besitzt.
3. Überlagerungen
9
Um dies einzusehen, benutzen wir einen Satz aus der Differentialgeometrie.
Die Mannigfaltigkeit M besitzt eine vollständige Riemannsche Metrik. Es ist
dann leicht zu sehen, dass die induzierte innere Metrik auf L(p) die innere Topologie induziert. Da Cauchyfolgen in L(p) auch Cauchyfolgen in M sind folgt
leicht aus der Existenz eines geblättereten Atlases, dass L(p) vollständig ist und
abgeschlossene Bälle kompakt sind. Mithin läßt sich L(p) als abzählbare Vereinigung von kompakten abgeschlossenen Bällen schreiben und also besitzt L(p)
eine abzählbare Basis der Topologie.
3
Überlagerungen
Definition 3.1. Eine stetige Abbildung ι : X → B heißt Überlagerung, falls
ι surjektiv und für alle p ∈ B eine offene Umgebung U von p existiert sowie
◦
S
eine disjunktive Zerlegung ι−1 (U ) = i∈Jp Ui in offene Teilmengen derart, dass
ι|Ui : Ui → U ein Homöomorphismus ist für alle i ∈ Jp .
Beispiel. Die Abbildungen S1 → S1 , z 7→ z 2 sowie R → S1 , t 7→ eit sind
Überlagerungen.
Lemma 3.2. Sei ι : X → B eine Überlagerung, H : [0, 1] × [0, 1] → B stetig und
p̃ ∈ ι−1 (H(0, 0)). Dann gibt es genau eine stetige Abbildung H̃ für welche das
Diagramm
H̃
[0, 1]2 −→ X
H & ↓ι
B
kommutiert.
Wir nennen H̃ einen (stetigen) Lift von H.
Beweis. Eindeutigkeit. Seien H̃1 und H̃2 zwei stetige Abbildungen so, dass das
Diagramm kommutiert und H̃1 (0, 0) = H̃2 (0, 0). Mithin ist die Menge
G := {(s, t) ∈ [0, 1]2 | H̃1 (s, t) = H̃2 (s, t)}
nicht leer. Da H1 und H2 stetig sind, ist die Menge abgeschlossen. Um G =
[0, 1]2 zu verifizieren, reicht es zu zeigen, dass G offen ist. Gilt (s, t) ∈ G, so
gibt es eine Umgebung V von H̃1 (s, t) = H̃2 (s, t) so, dass ι|V : V → ι(V ) ein
10
Homöomorphismus ist. Dann ist U = H̃1−1 (V ) ∩ H̃2−1 (V ) eine offene Umgebung
von (s, t) und wegen der Injektivität von ι|V folgt H̃i|U = ι−1
|V ◦ H|U (i = 1, 2)
und also U ⊂ G.
Existenz. Wir behandeln zunächst den Fall, dass H nur von einem Parameter abhängt. Dann ist also H(s, t) = c(t). Wähle für alle t eine offene
◦
[
Menge U (t) derart, dass ι−1 (U (t)) =
Ũi (t) und ι|Ũi (t) : Ũi (t) → U (t) ein
i∈Jt
Homöomorphismus ist.
S
Es gibt eine endliche Teilüberdeckung c([0, 1]) ⊂ kj=1 U (tj ). Wähle τ0 =
0 < · · · < τl = 1 mit c ([τi−1 , τi ]) ⊂ U (tj(i) ) für ein geeignetes j(i). Ohne Einschränkung können wir k = l und j(i) = i annehmen. Wir definieren
c̃ : [0, 1] → X durch endliche Induktion.
(IA) Sei i ∈ Jt1 mit p̃ ∈ Ũi (t1 ). Setze c̃|[0,τ1 ] = ι−1
◦ c|0,τ1 ] .
|Ũ (t )
i
1
(IS) Sei c̃[0,τj−1 ] bereits definiert. Wähle i ∈ Jtj mit c̃(τj−1 ) ∈ Ũi (tj ) und setze
◦ c[τj−1 ,τj ]
c̃[τj−1 ,τj ] := ι−1
|Ũ
i
Dies definiert offensichtlich einen stetigen Lift c̃ von c.
Wir betrachten nun den allgemeinen Fall. Sei zunächst H̃(s, 0) ein stetiger
Lift von H(s, 0) mit Anfangswert p̃. Für jedes s sei t 7→ H̃(s, t) ein stetiger Lift
von t 7→ H(s, t) mit Anfangswert H̃(s, 0). (Die Existenz dieser Lifts folgt aus
dem Spezialfall.) Es ist zu zeigen, dass H̃ stetig ist. Um zu zeigen, dass H̃ in
einer Umgebung von s × [0, 1] stetig ist, setzen wir cs (t) = H(s, t) und wählen
wie zuvor
k
[
cs ([0, 1]) ⊂
U (tj )
i=1
Wie vorher können wir annehmen, dass es 0 = τ0 < · · · < τk = 1 gibt mit
cs ([τi , τi+1 ]) ⊂ U (ti ). Wegen der Stetigkeit von c gibt es nun ein δ > 0 so, dass
cσ ([τi , τi+1 ]) ⊂ U (ti ) für alle σ ∈ [s − δ, s + δ] ∩ [0, 1].
Da die Lifts der Kurven c̃s (t) = H̃(s, t) eindeutig sind, folgt die Stetigkeit
von H̃ auf [s − δ, s + δ] × [0, 1] nun unmittelbar aus der obigen Definition der
Kurven c̃s .
Definition 3.3.
a) Zwei stetige Kurve c, γ : [0, 1] → X mit c(0) = γ(0) und
c(1) = γ(1) heißen homotop, wenn es eine stetige Abbildung H : [0, 1]2 →
X gibt mit
(i) H(0, t) = c(t) für alle t.
3. Überlagerungen
11
(ii) H(s, 0) = c(0), H(s, 1) = c(1) für alle s.
(iii) H(1, t) = γ(t) für alle t.
b) Ein Raum X heißt einfach zusammenhängend, wenn jede geschlossene
Kurve homotop zur Punktkurve ist.
c) Sei X ein topologischer Raum, p ∈ X. Im Raum der stetigen geschlossenen
Kurven c : [0, 1] → X mit c(0) = p ist die Relation homotop zueinander
zu sein eine Äquivalenzrelation und wir bezeichnen mit [c] die zugehörige
Äquivalenzklasse. Die erste Fundamentalgruppe π1 (X, p) ist die Menge der
Äquivalenzklassen. Wir definieren eine Verknüpfung · auf π1 (X, p) durch
[c] · [γ] = [c · γ], wobei c · γ(t) = c(2t) für t ∈ [0, 1/2] und c · γ(t) = γ(2t − 1)
für t ∈ [1/2, 1].
Lemma 3.4.
a) Die Verknüpfung auf π1 (X, p) ist wohldefiniert und π1 (X, p)
ist eine Gruppe.
b) Ist X wegzusammenhängend, so ist π1 (X, p) ∼
= π1 (X, q) für alle q ∈ X.
c) Jede stetige Abbildung f : X → Y induziert einen Gruppenhomomorphismus π1 (f ) : π1 (X, p) → π1 (Y, f (p)).
Korollar 3.5.
a) Sei B wegzusammenhängend, lokal wegzusammenhängend
und einfach zusammenhängend und f : B → X sei eine stetige Abbildung.
Weiter sei ι : X̃ → X eine Überlagerung, p ∈ B und y ∈ ι−1 (f (p)). Dann
gibt es genau eine stetige Abbildung f˜: B → X̃ mit f˜(p) = y und ι ◦ f˜ = f .
b) Sei B einfach zusammenhängend und lokal wegzusammenhängend, X̃ wegzusammenhängend und ι : X̃ → B eine Überlagerung. Dann ist ι ein
Homöomorphismus.
Beweis. Um f˜(q) zu definieren, wählen wir einen Weg γ : [0, 1] → B von p nach
q. Dann ist c(t) = f (γ(t)) ein stetiger Weg von f (p) nach f (q). Nach Lemma 3.2
gibt es genau einen stetigen Weg c̃ : [0, 1] → X̃ mit c̃(0) = y und ι ◦ c̃ = c.
Wir setzen dann f˜(q) = c̃(1). Um einzusehen, dass f˜(q) wohldefiniert ist und
nicht von der Wahl des Weges abhängt, betrachten wir einen weiteren Weg
γ̂ : [0, 1] → B von p nach q. Da B einfach zusammenhängend ist, gibt es eine
stetige Familie von Wegen γs (t) von p nach q. Mit γ0 (t) = γ und γ1 = γ̂. Da
cs = f (γs ) auch eine stetige Familie bildet, folgt aus Lemma 3.2, dass auch c̃s
eine stetige Familie von Kurven ist. Insbesondere ist s 7→ c̃s (1) also stetig und
es gilt ι(c̃s (1)) = cs (1) = f (q). Andererseits gibt es eine Umgebung U von c̃0 (1)
12
so, dass ι|U ein Homöomorphismus aufs Bild ist. Dies impliziert, dass die Menge
{s | c̃s (1) = c̃0 (1)} nicht nur abgeschlossen, sondern auch offen in [0, 1] ist. Also
ist c̃s (1) konstant und die Wohldefiniertheit von f˜ ist bewiesen.
Um zu zeigen, dass f stetig in q ∈ B ist, betrachten wir eine Umgebung U
von f˜(q). Wir können U als so klein annehmen, dass ι|U ein Homöomorphismus
aufs Bild ist. Da f stetig ist, ist f −1 (ι(U )) eine Umgebung von q. Da B lokal wegzusammenhängend ist, enthält diese Menge eine wegzusammenhängende
Umgebung V von q in B.
Aufgrund der Definition von f˜ (und der Wohldefiniertheit) können wir nun
˜
f˜|V = ι−1
|U ◦ f|V folgern. Mithin ist f in einer Umgebung von q stetig.
Die Eindeutigkeit von f˜ ist klar. Denn ist γ ein Weg von p nach q, so ist
˜
f (γ) der stetige Lift von f (γ) mit f˜(γ(0)) = y. Also muss man f˜ notwendig so
definieren wie eingangs beschrieben.
b). Da ι surjektiv ist, ist auch B wegzusammenhängend. Wir wenden a) an
mit X = B und f = id. Es gibt also eine stetige Abbildung f˜: X → X̃ mit
ι ◦ f˜ = id. Es bleibt f˜ ◦ ι = id zu zeigen. Sei dazu p1 = f˜(q1 ) ein Punkt im Bild
von f˜ und p2 ∈ X̃ beliebig. Wir wählen eine stetigen Weg c in X̃ von p1 nach
p2 . Dann ist ι(c) ∈ X stetig mit Anfangspunkt q1 = ι(f˜(q1 )) und f˜ ◦ ι ◦ c ist
eine stetige Kurve mit Anfangswert p1 . Wegen ι ◦ f˜ ◦ ι ◦ c = ι ◦ c, ist f˜ ◦ ι ◦ c
der eindeutig bestimmte stetige Lift von ι ◦ c mit Anfangswert p1 und also folgt
f˜ ◦ ι ◦ c = c. Insbesondere, f˜ ◦ ι(p2 ) = p2 .
Definition 3.6.
a) Sei X wegzusammenhängend, ι : X̃ → X heißt universelle Überlagerung, falls zu jeder Überlagerung σ : X̂ → X mit wegzusammenhändem X̂ und zu jedem Paar (p, q) ∈ X̃ × X̂ mit ι(p) = σ(q) genau
eine Überlagerung τ : X̃ → X̂ existiert mit τ (p) = q und σ ◦ τ = ι.
b) Sei σ : X̂ → X eine Überlagerung. Eine Decktransformation f : X̂ → X̂
ist ein Homöomorphismus mit ι ◦ f = ι. Die Überlagerung heißt normal,
falls die Gruppe der Decktransformationen transitiv auf den Fasern von σ
wirkt.
Satz 3.7. Ist X̃ wegzusammenhängend, lokal wegzusammenhängend und einfach
zusammenhängend, so ist jede Überlagerung ι : X̃ → X normal und universell.
Beweis. ι ist universell. Zunächst einmal ist klar, dass mit X̃ auch X lokal
wegzusammenhängend ist. Ist σ : X̂ → X eine weitere Überlagerung von X
und (p, q) ∈ X̃ × X̂ mit ι(p) = σ(q). So gibt es nach Korollar 3.5 genau eine
stetige Abbildung τ : X̃ → X̂ mit τ (p) = q. Es bleibt lediglich zu überprüfen,
dass τ eine Überlagerung ist. Sei p ∈ X̂ und wähle eine wegzusammenhängende
3. Überlagerungen
13
◦
S
Umgebung U ⊂ X von σ(p) so, dass ι−1 (U ) = i∈I Ui mit ι|Ui : Ui → U ein
Homöomorphismus ist. Nach eventuellem Verkleinern von U können wir weiter
◦
S
annehmen σ −1 (U ) = j∈J Vj so, dass σVj : Vj → U ein Homöomorphismus ist.
Für alle i ∈ I gibt es ein j = j(i) ∈ J mit τ (Ui )∩Vj(i) 6= ∅. Weiterhin ist τ (Ui )
◦
S
wegzusammenhängend. Wegen τ (Ui ) ⊂ j∈J Vi folgt nun bereits τ (Ui ) ⊂ Vj(i) .
−1
Daher ist auch τ|Ui = σ|V
◦ ι|Ui : Ui → Vj ein Homöomorphismus.
j
Sei nun j0 so, dass p ∈ Vj0 und I 0 = {i | j(i) = j0 }. Dann folgt insgesamt
◦
S
τ −1 (Vj0 ) = i∈I 0 Ui und τ|Ui : Ui → Vj0 ist ein Homöomorphismus.
ι ist normal. Seien p, q zwei Punkte mit ι(p) = ι(q). Dann gibt es gemäß
Korollar 3.5 eindeutig bestimmte stetige Abbildungen h1 , h2 : X̃ → X̃ mit ι◦hi =
ι und h1 (p) = q und h2 (q) = p. Weiterhin h = h1 ◦ h2 die eindeutig bestimmte
Abbildung mit ι ◦ h = ι und h(q) = q. Wegen der Eindeutigkeit folgt also
h1 ◦ h2 = id und ebenso h2 ◦ h1 = id. Also ist h1 eine Decktransformation mit
h1 (p) = q.
Definition 3.8.
a) Ein Raum X heißt im schwachen Sinne lokal einfach zusammenhängend, wenn es zu jeder Umgebung U eines Punktes p ∈ X
eine Umgebung V ⊂ U von p gibt mit π1 (i) : π1 (V, p) → π1 (X, p) ist konstant gleich e, wobei π1 (i) die durch die Inklusion i : V → X induzierte
Abbildung der Fundamentalgruppen ist.
b) Die Gruppe Γ wirke auf einem Hausdorffraum X durch Homöomorphismen.
Die Wirkung heißt eigentlich diskontinuierlich, wenn je zwei Punkte x, y ∈
X Umgebungen U und V besitzen für die {g ∈ Γ | (g ? U ) ∩ V 6= ∅}
eine endliche Menge ist. Die Wirkung heißt frei, falls für alle p ∈ X die
Standgruppe {g | g ? p = p} trivial ist.
Bemerkung. Ist X ein lokal kompakter Hausdorffraum, so ist eine Gruppenwirkung Γ auf X genau dann eigentlich diskontinuierlich, wenn f : Γ × X → X × X,
(γ, x) 7→ (γx, x) eine eigentliche Abbildung ist, d.h. f −1 (K) ⊂ Γ×X ist kompakt
für jedes Kompaktum K ⊂ X × X, wobei Γ die diskrete Topologie trägt. Dies
wiederum ist äquivalent zu der Aussage, dass für jedes Kompaktum K ⊂ X die
Menge {γ | (γ ? K) ∩ K 6= ∅} endlich ist.
Lemma 3.9. Sei X Hausdorffsch und Γ wirke frei und eigentlich diskontinuierlich auf X. Sei B := X/Γ = {Γ ? p | p ∈ X} der Bahnenraum versehen mit der
Quotiententopologie, d.h. U ⊂ B ist offen genau dann, wenn pr−1 (U ) ⊂ X offen
14
ist, wobei pr : X → X/Γ die Projektionsabbildung ist. Dann ist B Hausdorffsch
und pr ist eine Überlagerung.
Beweis. Wir wollen zunächst einsehen, dass B Hausdorffsch ist. Seien x1 und
x2 ∈ X auf zwei verschiedenen Bahnen. Wir wählen Umgebungen Ui von xi
(i = 1, 2) für die E := {g ∈ Γ | (g ? U1 ) ∩ U2 6= ∅} endlich ist.
Für jedes g ∈ E gibt es wegen g ? x1 6= x2 Umgebungen Ui (g) ⊂ Ui von xi
(i = 1,T2) derart, dass g ? U1 (g) ∩ U2 (g) = ∅. Mithin folgt für die Umgebungen
Ui0 := g∈E Ui (g) ⊂ Ui (i = 1, 2), die Gleichung g ? U10 ∩ U20 = ∅ für alle g ∈ Γ
und also sind die Bilder von U10 und U20 in B disjunkte offene Umgebungen der
Bahnen von x1 und x2 .
Um einzusehen, dass pr eine Überlagerung ist, betrachte ein beliebiges x ∈ X.
Dann gibt es eine Umgebung U von x so, dass E = {g ∈ Γ | g?U ∩U = ∅} endlich
ist. Da X Hausdorffsch und die Wirkung frei ist, gibt es eine offene Umgebung
V ⊂ U von X derart, dass (g ? V ) ∩ V = ∅ für alle von g ∈ E \ {e} und damit
für alle g ∈ Γ \ {e}. Es gilt nun pr(V ) ist offen
◦
[
pr−1 (pr(V )) =
g∈Γ
g ? V und pr|g?V : g ? V → pr(V )
ist ein Homöomorphismus.
Satz 3.10 (Hauptsatz der Überlagerungstheorie). Sei X Hausdorffsch, wegzusammenhängend, lokal wegzusammenhängend und im schwachen Sinne lokal
einfach zusammenhängend, p ∈ X. Dann gibt es eine universelle Überlagerung
ι : X̃ → X, mit X̃ ist wegzusammenhängend und einfach zusammenhängend.
a) Die Gruppe der Decktransformationen Γ von ι ist isomorph zu π1 (X, p).
Sie wirkt eigentlich diskontinuierlich und frei auf X̃ und der Bahnenraum
X̃/Γ ist homöomorph zu X.
b) Es gibt eine 1-1 Korrespondenz zwischen Untergruppen von Γ und wegzusammenhängenden Überlagerungen von X (bis auf Isomorphie). Ist σ : X̂ →
X eine Überlagerung, so gibt es eine Untergruppe Γ̂ ⊂ Γ so, dass X̃/Γ̂
homöomorph zu X̂ ist.
c) In der Situation von b) ist die Überlagerung σ normal genau dann, wenn
Γ̂ ein Normalteiler von Γ ist.
Bemerkung. Der Satz hat eine gewisse Ähnlichkeit zum Hauptsatz der Galoistheorie. Die Körpererweiterungen dort entsprechen hier den Überlagerungen
und statt Körperisomorphismen betrachten wir Decktransformationen.
3. Überlagerungen
15
Beweis. Existenz der universellen Überlagerung. Sei x ∈ X,
P := {c | c : [0, 1] → X stetig mit c(0) = x}
und sei pr : P → X gegeben durch pr(c) = c(1). Da X wegzusammenhängend
ist, ist pr surjektiv. Wir führen eine Äquivalenzrelation auf P ein. Wir sagen c
und γ sind äquivalent, wenn erstens pr(c) = pr(γ) gilt und zweitens c und γ (mit
festen Endpunkten) homotop zueinander sind. Wir definieren X̃ als die Menge
der Äquivalenzklassen und erklären ι = pr : X̃ → X durch pr([γ]) = pr(γ).
Als nächstes führen wir eine Topologie auf X̃ ein. Sei V eine offene Umgebung
von p = pr([c]) ∈ B für die π1 (V, p) → π1 (X, p) ein triviales Bild hat. Da X lokal
wegzusammenhängend können wir nach Verkleinern von V noch annehmen, dass
V wegzusammenhängend ist. Für alle y ∈ V sei γy ein stetiger Weg in V von
p nach y. Aufgrund der Wahl von V hängt die Homotopieklasse von γy in X
nur von y ab und nicht von der Wahl des Weges in V . Wir sagen dann, dass
{[c · γy ] | y ∈ V } eine Umgebung von [c] in X̃ ist. Die Äquivalenzklasse von
c · γy hängt offensichtlich nur von [c] und y ab. Wie üblich definieren wir eine
Teilmenge U ⊂ X̃ als offen, wenn sie Umgebung jedes [σ] ∈ U ist.
Um einzusehen, dass pr : X̃ → X eine Überlagerung ist, betrachten wir wieder eine Menge V wie oben. Es gilt dann
[
pr−1 (V ) =
{[c · γy ] | y ∈ V }.
[c]∈pr−1 (p)
Es ist leicht zu sehen, dass für [c1 ] 6= [c2 ] auch [c1 · γy ] 6= [c2 · γy ] für alle y ∈ V
folgt. Mithin ist die obige Vereinigung disjunkt. Weiterhin ist leicht zu sehen,
dass die Einschränkung von pr auf {[c · γy ] | y ∈ V } ein Homöomorphismus auf
V ist. Also ist pr eine Überlagerung.
Weiter ist X̃ offensichtlich wegzusammenhängend und da pr eine Überlagerung
ist, ist es auch lokal wegzusammenhängend. Um zu zeigen, dass die Überlagerung
universell ist, reicht es gemäß Satz 3.7 π1 (X̃) = 0 zu zeigen. Sei γ(s) eine geschlossene Kurve in X̃ so, dass γ(0) = [p] durch die Punktkurve repräsentiert
wird. Dann ist c = pr(γ) eine in p geschlossene Kurve in X. Wir können c
nun auch als Element in P auffassen und betrachten die Äquivalenzklassen
[c] ∈ X̃. Einerseits ist γ der eindeutig bestimmte Lift von [c] der in [p] startet. Andererseits können wir setzen cs (t) = c(st) für s, t ∈ [0, 1] und dann ist
auch s 7→ [cs ] ∈ X̃ ein Lift der Kurve c. Es gilt also γ(s) = [cs ]. Da γ(1) die
Punktkurve repräsentiert, ist wegen [c] = [c1 ] = γ(1) auch c null-homotop in X.
Da wir Homotopien liften können, folgt, dass auch γ null-homotop ist.
16
a). Da ι gemäß Satz 3.7 eine normale Überlagerung ist, gibt es zu je zwei
Punkten p̃1 , p̃2 ∈ ι−1 (p) eine Decktransformation g : X̃ → X̃ mit g(p̃1 ) = p̃2 .
Weiterhin ist aus dem Beweis klar, dass diese Decktransformation eindeutig ist.
Sei nun p̃ ∈ ι−1 (p). Wir wollen nun eine Abbildung h : π1 (M, p) → Γ definieren. Zu [c] ∈ π1 (M, p) betrachten wir den eindeutig bestimmten Lift c̃ von
c mit Anfangspunkt p̃. Da wir Homotopien liften können, hängt der Endpunkt
c̃(1) nur von [c] ab und wir definieren h([c]) als die eindeutig bestimmte Decktransformation mit h([c])(p̃) = c̃(1).
Um zu zeigen, dass h ein Gruppenhomomorphismus ist, sei c = c1 ·c2 nun das
Produkt zweier in p geschlossener Kurven. Weiter seien c̃i die Lifts von ci mit
Anfangspunkt p̃. Es gilt dann h([c1 ])(c̃2 ) ist der Lift von c̃2 mit Anfangspunkt
c̃1 (1) = h([c1 ])(p̃). Folglich gilt
h([c])(p̃) = c̃(1) = h([c1 ])(c̃2 (1)) = h([c1 ])(h([c2 ])(p̃)).
Wegen der Eindeutigkeit von Decktransformationen folgt h([c]) = h([c1 ])◦h([c2 ]).
Also ist h ein Homomorphismus. Um zu zeigen, dass h surjektiv ist, reicht es
zu verifizieren, dass das Bild von h transitiv auf ι−1 (p) wirkt. Sei dazu q̃ ∈
ι−1 (p) beliebig. Wähle in X̃ einen Weg c̃ von p̃ nach q̃. Dann ist c̃ der eindeutig
bestimmte Lift der geschlossenen Kurve c = ι ◦ c̃. Nach Konstruktion folgt
h([c])(p̃) = q̃. Schließlich bleibt noch Kern(h) = e zu zeigen. Sei also h([c]) = id.
Dann ist c̃ also eine geschlossene Kurve und da X̃ einfach zusammenhängend
ist, ist c̃ und mithin auch c null-homotop.
Um die Homöomorphie von X zu X̃/Γ einzusehen, müssen wir lediglich
überprüfen, dass eine Teilmenge U von X genau dann offen ist, wenn ι−1 (U ) offen
ist, denn dann können wir X mit dem mit der Quotiententopologie versehenen
Bahnenraum X̃/Γ identifizieren. Da ι stetig ist, ist lediglich zu überprüfen, dass
Bilder von offenen Mengen offen sind und dies folgt aus der Tatsache, dass ι
lokal ein Homöomorphismus ist.
b). Nach Satz 3.7 gibt es eine Überlagerung τ : X̃ → X̂ mit ι = σ ◦ τ . Die
Decktransformationen von τ bilden offensichtlich eine Untergruppe Γ̂ ⊂ Γ. Da τ
die universelle Überlagerung von X̂ ist folgt aus a) X̂ ist homöomorph zu X̃/Γ̂.
c). Sei Γ̂ ⊂ Γ zunächst normal. Dann gilt für jedes Element h ∈ Γ und jedes
p ∈ X̃, dass h(Γ̂ ? p) = Γ̂ ? p. Mithin wirkt Γ also auf X̃/Γ̂ durch Decktransformationen (effektiv ist dies eine Wirkung der Faktorgruppe Γ/Γ̂). Daher ist die
Überlagerung σ normal.
Ist umgekehrt die Überlagerung σ : X̂ → X normal, dann gibt zu je zwei
Punkten x, y ∈ σ −1 (p) eine Decktransformation ĥ : X̂ → X̂ mit ĥ(x) = y. Wir
können dann die Abbildung ĥ ◦ ι : X̃ → X̂ liften zu einer Abbildung h : X̃ → X̃.
3. Überlagerungen
17
Nach Konstruktion bildet dann h ∈ Γ die Γ̂-Bahnen auf Γ̂-Bahnen ab. Folglich
ist hΓ̂h−1 = Γ̂.
Ist nun g ∈ Γ beliebig, p̃ ∈ ι−1 (p). Sei ĥ : X̂ → X̂ eine Decktransformation
mit ĥ(τ (p̃)) = τ (g ? p̃). Ist dann h so wie oben, so folgt h = ag für ein a ∈ Γ̂.
Mithin impliziert obige Überlegung g Γ̂g −1 = Γ̂.
Lemma 3.11. Sei ι : X̃ → X eine Überlagerung, X Hausdorffsch und X̃ habe
höchstens abzählbar viele Wegzusammenhangskomponenten.
a) Trägt X die Struktur einer differenzierbaren Mannigfaltigkeit so gibt es auf
X̃ genau eine differenzierbare Struktur für die ι ein lokaler Diffeomorphismus ist. Weiterhin folgt dann, dass die Decktransformationen Diffeomorphismen von X̃ sind.
b) Ist X̃ eine differenzierbare Mannigfaltigkeit, ι normal und ist zusätzlich
bekannt, dass die Decktransformationen durch Diffeomorphismen wirken,
dann trägt auch X die Struktur einer differenzierbaren Mannigfaltigkeit
so, dass ι differenzierbar ist.
Beweis. b). Sei p ∈ X
S und sei U (p) eine wegzusammenhängende Umgebung
−1
von p mit ι (U ) = i∈I Ũip mit ιi : Ũip → U (p) ist ein Homöomorphismus.
S
Es gilt dann ι−1 (U ) = g∈Γ g ? Ũi0 p für ein i0 ∈ I beliebig. Nach eventuellem
Verkleinern können wir annehmen, dass auch Ũi0 im Bild einer Karte x̃ ist. Wir
. Diese Karten bilden
definieren dann x : U (p) → Vp ⊂ Rm durch x = x̃ ◦ ι−1
|Ũ
i0 p
offensichtlich einen Atlas. Um zu zeigen, dass dieser differenzierbar ist, sei nun
y = ỹ ◦ ι−1
eine weitere Karte von diesem Typ. Ist r ∈ U (q) ∩ U (p) und sind
|Ũ
j0 q
r1 ∈ Ũi0 p und r2 ∈ Ũj0 q mit ι(ri ) = r, so folgt die Differenzierbarbeit von x ◦ y −1
in einer Umgebung von y(r) wie folgt. Wähle g ∈ Γ mit g(r2 ) = r1 . Es gilt dann
in einer Umgebung von y(r)
◦ ι|Ũj
x ◦ y −1 = x̃ ◦ ι−1
Ũ
i0 p
0q
◦ ỹ −1 = x̃−1 ◦ g ◦ ỹ −1 .
Letzteres ist eine Darstellung des Diffeomorphismuses g in den Karten x̃ und ỹ
und ist also differenzierbar.
Beispiele.
a) Aus dem Hauptsatz folgt insbesondere, dass R → S1 , t 7→ eit
die universelle Überlagerung von S1 ist. Nun ist h : R → R genau dann
eine Decktransformation, wenn es ein z ∈ Z gibt mit h(x) = x + 2πz für
alle x ∈ R. Insbesondere ist die Decktransformationsgruppe also isomorph
zu Z und damit folgt nun umgekehrt π1 (S1 , 1) ∼
= Z.
18
b) Gegeben seien zwei m-te primitive Einheitswurzeln ζ, ψ ∈ S1 ⊂ C. Wir
fassen S3 als Einheitssphäre in C2 auf. Dann definiert Z/mZ × S3 → S3 ,
(i + mZ) ? (p1 , p2 ) 7→ (ζ i p1 , ψ i p2 ) eine freie Wirkung auf S3 . Da die Gruppe
endlich ist, ist die Wirkung trivialerweise eigentlich diskontinuierlich und
S3 /(Z/mZ) ist eine Mannigfaltigkeit mit Fundamentalgruppe Z/mZ. Die
so gewonnenen Mannigfaltigkeiten heißen Linsenräume.
c) Ist G eine wegzusammenhängende Liegruppe und Γ ⊂ G eine diskrete Untergruppe. Dann ist die durch γ ? g = gγ −1 definierte Wirkung von Γ auf G
eigentlich diskontinuierlich und frei. Folglich ist G/Γ eine Mannigfaltigkeit.
Ist G einfach zusammenhängend, so ist π1 (G/Γ, Γ ? e) ∼
= Γ.
1.
Die Liealgebra einer Liegruppe und Korrespondenz von Unteralgebren und
19Untergruppen
II Liegruppen
1
Die Liealgebra einer Liegruppe und Korrespondenz von Unteralgebren und Untergruppen
Definition 1.1. Eine Liegruppe G ist eine differenzierbare Mannigfaltigkeit, die
gleichzeitig eine Gruppe ist derart, dass G×G → G, (a, b) 7→ a b−1 differenzierbar
ist.
Bemerkung 1.2. Die Abbildungen
G→
G
a 7→
a−1
und
G×G→G
(a, b) 7→ ab
sind dann auch differenzierbar.
Definition 1.3.
alle g ∈ G.
a) Sei Lg : G → G a 7→ g a und Rg : G → G, a 7→ ag für
b) X ∈ V G heißt linksinvariant, falls Lg∗ X|a = Xga
c) g = {X ∈ V G | X linksinvariant } heißt Liealgebra von G
Lemma 1.4.
a) Es gibt einen kanonischen Isomorphismus g → Te G
b) ∀X, Y ∈ g gilt [X, Y ] ∈ g
Lemma 1.5. Ist X ∈ g, so ist X vollständig, d. h. der Fluss φ von X ist auf
R × G definiert.
Beweis. Sei c : (−ε, ε) → G eine Integralkurve von X mit c(0) = e. Dann ist
auch h(t) = a · c(t) eine Integralkurve von X∀a ∈ G. Mithin ist Φ definiert auf
[−ε, ε) × G. Also kann man jede Integralkurve um ε fortsetzen und somit lässt
sich c auf R und mithin Φ auf R × G fortsetzen.
Definition 1.6. Wir definieren exp : g → G durch X 7→ cX (1), wobei cX (t) die
Integralkurve von X mit cX (0) = e ist.
Satz 1.7.
a) exp ist C ∞ und exp∗0 g → Te G x 7→ X|e ist die Identiät.
Insbesondere ist exp in einer Umgebung von 0 invertierbar.
20
b) Sind X, Y ∈ g mit [X, Y ] = 0 so folgt exp(X + Y ) = exp(X) exp(Y )
c) exp(tX)
(t ∈ R) ist eine Einparametergruppe.
Definition 1.8.
a) Eine Lieuntergruppe H von G ist eine immergierte Untermannigfaltigkeit, die zugleich auch eine Untergruppe ist.
b) Ein Untervektorraum h ⊂ g ist eine Lieunteralgebra, falls h invariant unter
[·, ·] ist.
c) Ein Homomorphismus ι : H → G von Liegruppen ist ein differenzierbarer
Gruppenhomomorphismus.
Lemma 1.9. Ein Gruppenhomomorphismus ι : H → G induziert einen Homomorphismus von Liealgebra ι∗ : h → g.
Satz 1.10.
a) Zu jeder k- dimensionalen Lieuntergruppe H von G gibt es
genau eine k-dimensionale Unteralgebra h ⊂ g mit exp(h) ⊂ H.
b) Zu jeder k- dimensionalen Unteralgebra h ⊂ g gibt es genau eine k-dimensionale
zusammenhängende Lieuntergruppe H ⊂ G mit exp(h) ⊂ H
2
Abgeschlossene Untergruppen sind eingebettet
Lemma 2.1.
a) Es gelte g = m1 ⊕ · · · ⊕ mk als Vektorraum. Dann gibt es
eine Umgebung U von 0 in g, so dass Mi = exp(U ∩ mi ) Untermannigfaltigkeiten sind. Weiterhin gilt bei geeigneter Wahl von U
α : M1 × · · · × Mk → G, (a1 , · · · , ak ) 7→ a1 · · · ak
ist ein Diffeomorphismus aufs Bild und
α∗(e,··· ,e) (v1 , · · · , vk ) =
k
X
vi
i=1
k
Y
)
exp(
)
.
b) Seien X, Y ∈ g. Dann gilt exp(X + Y ) = limn→∞ exp( X
n
n
Beweis. (von b) mittels a)) Ohne Einschränkung sind X und Y linear unabhängig. Sei V ein Vektorraumkomplement von RX mit Y ∈ V . Es ist also
g = RX ⊕ V. Die Abbildungen
exp : g → G und f : g = RX ⊕ V → G, (αX + v) 7→ exp(αX) exp(v)
2. Abgeschlossene Untergruppen sind eingebettet
21
haben nach a) in 0 dasselbe Differential.
Sei U ⊂ g eine so kleine Umgebung, dass exp|U ein Diffeomorphismus auf
das Bild ist und sei U 0 ⊂ g so klein, dass f (U 0 ) ⊂ exp (U ). Es gilt dann für
0
0
h = exp−1
|U ◦f|U : U → U ⊂ g
die Gleichung
Dh(0) = I, h(0) = 0.
Ist k · k eine Norm auf g, so folgt für eine Konstante C
kh(x) − xk ≤ C kxk2
Mithin folgt für Vn = n · exp−1
|U
für alle x ∈ g mit kxk < ε.
Y
Y
=n·h X
exp X
n exp n
n + n
Vn → X + Y für n → ∞.
Da exp stetig ist, ergibt sich exp(Vn ) → exp(X + Y ) und wegen exp(Vn ) =
Y n
(exp( X
n ) exp( n )) folgt die Behauptung.
Satz 2.2. Sei H ⊂ G eine abgeschlossene Untergruppe von G. Dann ist H eine
eingebettete differenzierbare Untermannigfaltigkeit.
Beweis. Setze:
h := X ∈ g | exp(RX) ⊂ H
Schritt 1. h ist ein Untervektorraum von g.
Klar ist, dass mit X ∈ h und λ ∈ R auch λX ∈ h gilt. Sei nun X, Y ∈ h. Es
ist zu zeigen X + Y ∈ h. Nun gilt aber für alle t ∈ R
n
tX
tY
exp(t(X + Y )) = lim exp
exp
∈ H,
n→∞
n
n
da H abgeschlossen ist.
Schritt 2. Sei m ⊂ h ein Vektorraumkomplement von h. Es gibt beliebig kleine
Umgebungen U 0 von 0 ∈ h so, dass für
f : g = m ⊕ h → G, f (v + w) 7→ exp(v) · exp(w) (v ∈ m, w ∈ m)
gilt f (U 0 ) ∩ H = f (U 0 ∩ h) = exp(U 0 ∩ h).
Man beachte, dass für alle kleinen Umgebungen U von 0 ∈ g, die Abbildung f|U
nach Lemma 2.1 ein Diffeomorphismus auf f (U ) ist. Wir werden im folgenden
22
nur solche Umgebungen betrachten.
Behauptung. Für jede solche offene Umgebung U von 0 ∈ g ist f (h ∩ U ) =
exp(U ∩ h) offen in H.
Wir argumentieren mittels Widerspruch und nehmen also an, dass wir hn ∈
H \ f (h ∩ U ) finden können mit hn −→ h ∈ exp(h ∩ U ). Da h in der offenen
n→∞
Menge f (U ) ⊂ G liegt, gilt ohne Einschränkung hn ∈ f (U ). Sei
−1
f|U
(hn ) = vn + wn mit wn ∈ h und vn ∈ m.
Wegen exp(vn ) exp(wn ) ∈ H und exp(wn ) ∈ H folgt also exp(vn ) ∈ H. Weiterhin
−1
folgt wegen vn + wn → f|U
(h) ∈ h, dass vn ∈ m eine Nullfolge ist. Außerdem ist
vn 6= 0, denn sonst wäre hn = exp(vn + wn ) = exp(wn ) ∈ exp(U ∩ h).
Sei nun k · k eine Norm auf g. Wähle nun kn → ∞ mit 1 ≤ k2kn vn k ≤ 2.
Nach Übergang zu einer Teilfolge gilt un := 2kn vn → u ∈ m. Es ist klar
∀k ∈ N ∃ n0 mit kn ≥ k
∀ n ≥ n0
und mithin folgt
exp(2−k un ) ∈ H
für alle n ≥ n0 = n0 (k).
Da H abgeschlossen ist,
exp(2−k u) ∈ H
für alle k ∈ N.
Nutzen wir, dass eine H Untergruppe ist, so folgt weiter
j
exp
u ∈ H ∀j ∈ Z ∀k ∈ N.
2k
Da H abgeschlossen ist, impliziert dies exp(Ru) ⊂ H und also u ∈ h – ein
Widerspruch.
Also ist die Behauptung bewiesen und es gibt eine offene Umgebung V von e
in G mit f (h ∩ U ) = V ∩ H. Natürlich können wir V ⊂ f (U ) annehmen, da wir
gegebenenfalls V durch V ∩ f (U ) ersetzen können.
−1
Es ist dann U 0 := f|U
(V ) ⊂ U eine offene Umgebung von 0 ∈ g mit f (U 0 ) ∩
H = f (U ∩ h) = f (U 0 ∩ h). Damit ist also Schritt 2 bewiesen.
Nach Schritt 2 haben wir eine offene Umgebung f (U 0 ) gefunden derart dass
f (U 0 ) ∩ H = f (U 0 ∩ h). Da f|U 0 : U 0 → f (U 0 ) ein Diffeomorphismus ist, folgt
H ∩ f (U 0 ) ist eine eingebettete glatte Untermannigfaltigkeit.
3. Die adjungierte Darstellung einer Liegruppe und einer Liealgebra
23
Ist h ∈ H beliebig so ist Lh (f (U 0 )) eine offene Umgebung von h in G und
wegen Lh (f (U 0 ))∩H = Lh (f (U 0 )∩H) = Lh ◦f (U 0 ∩h) ist Lh (f (U 0 ))∩H ebenfalls
eine eingebettete Untermannigfaltigkeit.
Damit folgt aber insgesamt, dass H eine eingebettete Untermannigfaltigkeit
von G ist.
Natürlich liefert der Beweis dann a posteriori auch, dass g eine Lieunteralgebra ist.
Korollar 2.3. Ist p : G L(n, C) → CK stetig und ist p−1 (0) eine Untergruppe,
so ist p−1 (0) eine eingebettete Lieuntergruppe.
Beweis.
a) In dem Spezialfall, dass die Komponenten von p Polynome sind,
spricht man von einer algebraischen Untergruppe von GL(n, C).
b) Mit Hilfe des Satzes kann man ohne viel Mühe einsehen, dass alle typischen
Matrizen Untergruppen, die sie im Verlauf Ihres Studiums kennengelernt
haben, Lieuntergruppen sind.
Beispiel: SO(2), U(n), SU(n) obere Dreiecksmatrize.
Natürlich ist es meistens auch so nicht schwer zu sehen, dass diese glatte Untermannigfaltigkeiten sind.
3
Die adjungierte Darstellung einer Liegruppe und
einer Liealgebra
Im folgenden sei G Liegruppe mit Liealgera g. Wie zuvor werden wir g mitunter
mit Te G identifizieren, ohne dies explizit zu sagen.
Definition 3.1.
Ad : G → GL(g)
g 7→ Adg = Lg∗ ◦ Rg−1 ∗e
Lemma 3.2.
a) Adg ist die induzierte Abbildung des Automorphismuses
cg : G → G
u 7→ g u g −1
Insbesondere gilt [Adg X, Adg Y ] = Adg [X, Y ]
24
b) Ad : G → GL(g) ist ein Liegruppenhomomorphismus
Definition 3.3. Sei F ein Körper
a) Eine abstrakte Liealgebra h über F ist ein endlich dimensionaler Vektorraum g zusammen mit einer F bilinearen Abbildung [·, ·] : h × h → h, für
die gilt:
i. [X, X] = 0 für alle X ∈ g ⇒ [X, Y ] = −[Y, X] für alle X, Y ∈ g.
ii. 0 = [X, [Y, Z]] + [Y, [Z, X]] + [Z, [X, Y ]] für alle X, Y, Z ∈ g.
b) Die adjungierte Darstellung einer Liealgebra ist gegeben durch
ad : g → End(g)
X 7→ adX
mit adX Y = [X, Y ] für alle Y ∈ g
Lemma 3.4. Ist g eine Liealgebra und definieren wir
[A, B] = AB − BA für A, B ∈ End(g)
so ist
ad : g → End(g)
ein Liealgebrenhomomorphismus. Es gilt also
ad[X,Y ] = [adX , adY ]
Satz 3.5.
a) Die induzierte Abbildung von Ad : G → GL(g) ist gegeben durch
ad : g → End(g).
b) Es gilt
Adexp(tX)
∞
X
(t adX )k
= Exp(t adX ) =
.
k
k=0
Beweis.
a) Sei Φ : R × G → G der Fluss von X. Es gilt
Φ−t∗ YΦt (a) − Y|a
t→0
t
d
=
Φ−t∗ YΦt (a)
dt |t=0
[X, Y ]|a = lim
3. Die adjungierte Darstellung einer Liegruppe und einer Liealgebra
25
Insbesondere folgt:
d
Φt∗ YΦt (e)
dt |t=0
d
=
R
Y
dt |t=0 exp(tx)∗ exp(tx)
d
=
R
L
Y
dt |t=0 exp(tx)∗ exp(tx)∗ |e
d
Adexp(tx)∗ Y
=
dt |t=0
adX Y|e = [X, Y ]|e =
b) Für jeden Liegruppenhomomorphismus ι : H → G gilt
ι(exp(tx)) = exp(t · ι∗ x)
Weiterhin ist nach Übung bekannt, dass für GL(g) die Matrizenexponentialabbildung mit der Exponentialabbildung der Liegruppe übereinstimmt.
Mithin folgt die Behauptung aus a).
Satz 3.6. G sei eine Liegruppe und h ⊂ g sei ein Untervektorraum. Dann ist
äquivalent:
a) h ist eine Unteralgebra und die zugehörige zusammenhängende Lieuntergruppe H ⊂ G ist normal in G.
b) Adg (h) = h für alle g ∈ G.
Ist G zusammenhängend, so ist dies wiederum äquivalent zu
c) [h, g] ⊂ h (h heißt dann ein Ideal von g)
Beweis. a) ⇒ b). Ist H C G normal, so gilt für g ∈ G: die Abbildung
cg : G → G
a 7→ g a g −1
genügt
cg (H) = H.
Mithin folgt
Adg (h) = cg∗e (Te H) = Te H = h
26
b) ⇒ c). X ∈ h, Y ∈ g
d
dt |t=0
Adexp(tX) Y = adX Y = [X, Y ] ∈ h
b) ⇒ a). Wegen “b) ⇒ c)” ist klar, dass h eine Lieunteralgebra ist. Sei nun
also H die zugehörige zusammenhängende Lieuntergruppe. Sei g ∈ G beliebig
cg :G → G
a 7→ g a g −1
cg (H) ist eine zusammenhängende Lieuntergruppe mit Liealgebra. cg∗ (h) = Adg (h) =
h. Also cg (H) = H.
c) ⇒ b). Falls G zusammenhängend ist, gilt
Adexp(tX) (Y ) = Exp(t adX )Y ∈ h für alle X ∈ g und Y ∈ h,
da adX h ⊂ h. Es folgt
exp(g) ⊂ G0 = {g ∈ G | Adg h ⊂ h}
Also ist G0 eine offene Untergruppe von G und mithin G = G0 .
4
Überlagerungen von Liegruppen
Lemma 4.1.
a) Für einen surjektiven Homomorphismus ι : G → H von Liegruppen ist äquivalent
(i) ι ist eine Überlagerung.
(ii) ι∗ : g → h ist ein Isomorphismus.
(iii) Der Kern von ι ist diskret.
b) Sei G eine wegzusammenhängende Liegruppe. Dann gibt es eine einfach
zusammenhängende wegzusammenhängende Liegruppe G̃ und einen Überlagerungshomomorphismus ι : G̃ → G.
Beweis von b). Sei ι : G̃ → G die universelle Überlagerung von G. Es gilt G̃ ist
eine wegzusammenhängende einfach zusammenhängende Mannigfaltigkeit. Aber
nicht so klar ist, weswegen G̃ eine Gruppe ist. Sei ẽ ein Punkt mit ι(ẽ) = e ∈ G.
Da G̃ × G̃ wegzusammenhängend und einfach zusammenhängend ist, hat die
5. Wegzusammenhängende Untergruppen sind Liegruppen
27
differenzierbare Abbildung α : G̃ × G̃ → G, (x, y) 7→ ι(x) · ι(y) gemäß Korollar 3.5
genau einen Lift α̂ : G̃ × G̃ → G̃ mit α̂((ẽ, ẽ)) = ẽ. Die Differenzierbarkeit von α̂
ergibt sich nun unmittelbar aus der Differenzierbarkeit von α und der Tatsache,
dass ι ein lokaler Diffeomorphismus ist. Wir definieren a · b = α̂(a, b) für alle
a, b ∈ G̃. Es gilt dann nach Definition ι(a · b) = ι(a) · ι(b).
Sei ai ∈ G̃ und c̃i eine stetige Kurve von ẽ nach ai und ci (t) = ι(c̃i (t))
(i = 1, 2, 3). Da G eine Gruppe ist, folgt das sowohl (c̃1 (t)c̃2 (t))c̃3 (t) als auch
c̃1 (t)(c̃2 (t)c̃3 (t))) unter ι auf die Kurve c1 (t)c2 (t)c3 (t) abgebildet werden. Da
beide Kurven denselben Anfangspunkte haben, folgt aus der Eindeutigkeit des
Lifts, dass (a1 a2 )a3 = a1 (a2 a3 ) gilt. Es ist ebenso leicht zu sehen, dass ẽ ein
neutrales Element ist. Für die Existenz des Inversen sei γ1 (t) der Lift der Kurve
c1 (t)−1 mit γ1 (0) = ẽ. Es ist dann γ1 (t) · c1 (t) der Lift der konstanten Kurve.
Aus der Eindeutigkeit des Lifts folgt wiederum, dass auch γ1 (t) · c1 (t) konstant
gleich ẽ ist. Also ist G̃ eine Liegruppe und nach Konstruktion ist ι ein Gruppenhomomorphismus.
Satz 4.2.
a) Ist G̃ eine zusammenhängende Liegruppe und ι : G̃ → G ein
Überlagerungshomomorphismus, dann ist Kern(ι) ⊂ Zentrum(G̃). Insbesondere ist π1 (G, e) abelsch, und jede Überlagerung von zusammenhängenden
Liegruppen ist normal.
b) Sei G eine wegzusammenhängende einfach zusammenhängende Liegruppe mit Liealgebra g und H eine beliebige weitere Liegruppe mit Liealgebra
h. Dann ist jeder Homomorphismus g → h von Liealgebren die induzierte Abbildung eines eindeutig bestimmten Homomorphismuses G → H von
Liegruppen.
Bemerkung. Man kann zeigen, dass es für jede Liegruppe G mit endlich vielen Wegkomponenten eine einfach zusammenhängende Liegruppe G̃ mit endlich vielen Wegkomponenten gibt so, dass ein Überlagerungshomomorphismus
G̃ → G existiert. Im allgemeinen kann man aber nicht erzwingen, dass G̃ genauso viele Komponenten hat wie G. (G̃ hat in der Regel mehr Komponenten).
Letzteres kann man – mit etwas Mühe – an der 1-dimensionalen Untergruppe
Pin(2) = {e−iϕ | ϕ ∈ R} ∪ j · {e−iϕ | ϕ ∈ R} der Einheitsquaternionen S3 sehen.
5
Wegzusammenhängende Untergruppen sind Liegruppen
Satz 5.1. Sei H eine wegzusammenhängende Untergruppe von G. Dann ist H
eine immergierte Untermannigfaltigkeit.
28
Beweis. H̄ sei der Abschluss von H. Man sieht leicht ein, dass H̄ wiederum eine
Untergruppe ist und nach Satz 2.2 ist H̄ eine eingebettete Untermannigfaltigkeit.
Sei h̄ die Liealgebra von H̄ und k · k sei eine symmetrische Norm auf g. Setze
∀ε > 0, ∀l > 0 ∃c : [−l, l] → H stetig mit c(0) = e
h := X ∈ g .
und exp(tX) ∈ c(t) · exp(Bε (0)) für alle t ∈ [−l, l]
Schritt 1. h ist ein Untervektorraum von g.
Seien X, Y ∈ h. Um einzusehen, dass auch X + Y ∈ h gilt, müssen wir für
beliebiges ε, l > 0 eine stetige Kurve c : [−l, l] → H finden mit c(0) = e und
exp(t(X + Y )) ∈ c(t) exp(Bε (t)) für alle t ∈ [−l, l].
Wähle zunächst ein n ∈ N so groß, dass
n
tY
exp(t(X + Y )) ∈ exp tX
exp(B 2ε (0)) für alle t ∈ [−l, l].
n exp n
Dies ist möglich nach Lemma 2.1. Die Zahl n ist von nun an fest. Wähle als
nächstes ε1 ∈ (0, 2ε ) so klein, dass
exp(Bε1 (0)) exp(B 2ε (0)) ⊂ exp(Bε (0)).
Es reicht nun eine auf [−l, l] definierte stetige Kurve c(t) ∈ H zu finden mit
n
tY
∈ c(t) exp(Bε1 (0)) für alle t ∈ [−l, l].
exp tX
n exp n
Aus Stetigkeitsgründen gilt, es gibt ein δ > 0 mit
n
tY
· exp(Bε1 (0))
(c1 (t) · c2 (t))n ∈ exp tX
n exp n
tY
für alle c1 (t) ∈ exp( tX
n ) exp(Bδ (0)), c2 (t) ∈ exp n exp(Bδ (0)) und t ∈ [−l, l].
Y
Wegen X
n , n ∈ h gibt es zu (δ, l) stetige Kurven
tY
c1 , c2 : [−l, l] → H mit c1 (t) ∈ exp( tX
n ) exp(Bδ (0)) und c2 (t) ∈ exp( n ) exp(Bδ (0)).
Wir setzen nun c(t) = (c1 (t)c2 (t))n ∈ H und erhalten
n
tY
c(t) ∈ exp tX
exp(Bε1 (0)).
n exp n
Damit folgt aber auch exp
hauptung.
tX
n
exp
tY
n
n
∈ c(t) exp(Bε1 (0)) und also die Be-
5. Wegzusammenhängende Untergruppen sind Liegruppen
29
Schritt 2. h ⊂ h̄ ist ein Ideal in h̄. Insbesondere ist h eine Lieunteralgebra.
Gemäß Satz 3.6 reicht es zu verifizieren.
Behauptung. Adh X ∈ h für alle X ∈ h und h ∈ H̄.
Aus Stetigkeitsgründen reicht es h ∈ H zu betrachten. Sei ε, l > 0 gegeben.
Wähle ε0 > 0 so klein, dass Adh (Bε0 (0)) ⊂ Bε (0). Sei c(t) ∈ H stetig mit
exp(tX) ∈ c(t) exp(Bε0 (0)) für alle t ∈ [−l, l].
⇒ exp(t Adh X) = h exp(tX)h−1
∈ hc(t)h−1 exp(Adh Bε0 (0)) ⊂ c̃(t) exp(Bε (0))
| {z }
= c̃(t).
Wegen c̃(t) ∈ H folgt die Behauptung.
Schritt 3. Sei H̃ die Lieuntergruppe zu h. Dann gilt H ⊂ H̃.
Wir definieren zunächst eine innere Topologie auf H wie folgt: U ⊂ H mit h ∈ U
heißt eine Umgebung von h, falls es ein ε > 0 gibt, so dass U die Wegzusammenhangskomponente des Punktes h in der Menge H ∩ h · exp(Bε (0)) enthält. Es
ist leicht zu sehen, dass stetige Wege in H auch bezüglich der inneren Topologie
stetig bleiben. Insbesondere ist H auch bezüglich der inneren Topologie wegzusammenhängend. Es reicht daher zu zeigen, dass H ∩ H̃ ⊂ H offen bezüglich der
inneren Topologie ist. Da H ∩ H̃ eine Gruppe ist, reicht es dafür wiederum zu
zeigen, dass H ∩ H̃ eine Umgebung von e ∈ H bezüglich der inneren Topologie
ist. Andernfalls gäbe es zu ε = k1 eine stetige Kurve ck : [0, 1] → H ∩ exp(B 1 (0))
k
mit ck (0) = e und ck (1) ∈
/ H̃, k ∈ N. Sei m ⊂ g ein Vektorraumkomplement von
h. Es ist also g = h ⊕ m. Wähle ε > 0 so klein, dass
f : Bε (0) → G
(v + w) 7→ exp(v) exp(w)
mit w ∈ m, v ∈ h
ein Diffeomorphismus aufs Bild ist. Für alle großen k ist dann vk + wk :=
f −1 (ck (1)) wohldefiniert. Es gilt kvk k + kwk k < Ck für ein geeignet großes C > 0
und wk 6= 0. Wegen vk ∈ h gibt es zu δ = kwkk k einen Weg hk (t) ∈ H mit
hk (t) ∈ exp(tvk ) exp(Bδ (0)) für t ∈ [0, 1] und hk (0) = e.
Setze γk (t) = hk (t)−1 ·ck (t). Man
überprüft leicht, dass es eine Konstante C2 > 2
gibt mit γ(t) ∈ exp B C2 (0) . Weiter gilt γk (1) ∈ exp(Bδ (0)) exp(wk ) und wegen δ =
kwk k
k
k
folgt daraus, dass nach Übergang zu einer Teilfolge die Folge
mit zk := exp−1
|Bε (0) (γk (1)) gegen denselben Grenzwert z ∈ g wie die Folge
konvergiert. Mithin ist z ein Einheitsvektor in m. Wir definieren nun
zk
kzk k
wk
kwk k
30

t

falls t ∈ [0, kzk k]
γ

k kzk k




kk
γk (1)i γk t−ikz
falls t ∈ ikzk k], (i + 1)kzk k mit i > 0
γ̃k (t) =
kzk k



−1


 γk (1)i γk ikzk k−t
falls t ∈ (i − 1)kzk k, ikzk k mit i ≤ 0.
kzk k
Für jedes t ∈ R gibt es dann ein i ∈ N mit |(t − ikzk k)| ≤ kzk k, ein τ ∈ [0, 1]
und σ ∈ {1, −1} mit
γ̃k (t) = exp(izk )γk (τ )σ ∈ exp(izk ) · exp(B C2 (0)) ⊂ exp(t kzzkk k )(exp(B C2 (0)))2 .
k
k
Mithin konvergiert γ̃k auf kompakten Intervallen gleichmäßig gegen t 7→ exp(tz).
Also folgt z ∈ h. Dies ist ein Widerspruch, da anderseits z ∈ m.
Schritt 4. H = H̃.
Ohne Einschränkung ist k·k durch ein Skalarprodukt induziert. Sei v1 , · · · , vl ∈ h
eine Orthonormalbasis von h. Sei ε > 0 so klein, dass
f : h ∩ B2ε (0) → H̃,
l
X
λi vi 7→
i=1
l
Y
exp(λi vi )
i=1
ein Diffeomorphismus aufs Bild U = f (h∩B2ε (0)) ist. Wir wählen Folgen cik (t) ∈
H ⊂ H̃ stetig (t ∈ [−ε, ε], k ∈ N, i = 1, · · · , l) mit cik (0) = e und cik konvergiert
auf [−ε, ε] gleichmäßig gegen exp(tvi ). Setze
gk : h ∩ Bε (0) → H ⊂ H̃
l
X
i=1
λi vi 7→
l
Y
cik (λi ).
i=1
−1
Es gilt f|B
◦gk konvergiert gleichmäßig gegen idh∩Bε (0) . Mittels des Satzes (Teil
ε (0)
−1
b) von unten folgt: für alle großen k enthält das Bild von f|B
◦ gk die Menge
ε (0)
Bε/4 (0). Das wiederum impliziert, dass das Bild von gk die Menge f (Bε/4 (0))
enthält. Da das Bild von gk anderseits in H ist, folgt H ist offen in H̃ und mithin
H = H̃.
5. Wegzusammenhängende Untergruppen sind Liegruppen
31
Satz 5.2. Es sei Br (0) die Kugel vom Radius r im Rn .
a) f : B1 (0) → B1 (0) stetig mit f∂B1 (0) = id. Dann ist f surjektiv.
b) Sei f : B1 (0) → B2 (0) mit |p − f (p)| <
f (B1 (0)) ⊃ B 1 (0).
1
4
für alle p ∈ B1 (0). Dann gilt
4
c) (Brouwersche Fixpunktsatz) Sei f : B1 (0) → B1 (0) stetig. Dann gibt es
ein v ∈ B1 (0) mit f (v) = v.
Beweis. a). Angenommen v ∈ B1 (0) ist nicht im Bild f . Es ist leicht zu sehen, dass es einen Homöomorphismus ϕ : B1 (0) → B1 (0) gibt mit ϕ(v) = 0
und ϕ∂B1 (0) = id. Dann ist also ϕ ◦ f eine Abbildung, die die Voraussetzungen
von a) erfüllt, die aber 0 nicht im Bild hat. Mit anderen Worten es gilt ohne
Einschränkung v = 0.
Wir setzen f stetig auf Rn fort, indem wir f (p) = p für kpk ≥ 1 setzen.
Wir behaupten, dass f ohne Einschränkung differenzierbar ist. Nach Skalierung
können wir annehmen, dass f (p) = p für alle kpk ≥ 1/2 gilt. Sei nun ψ eine
differenzierbare
Funktion auf Rn mit kompaktem Träger in B1 (0), ψ(x) = ψ(−x)
R
und Rn ψ = 1. Die Abbildungen
Z
1
fk (p) = kn
ψ(k(p − q))f (q)
Rn
sind differenzierbar und konvergieren gleichmäßig gegen f . Außerdem gilt fk (q) =
q für alle q mit kqk ≥ 1 und alle k ≥ 2. Wegen der gleichmäßigen Konvergenz
ist 0 nicht im Bild von fk für alle großen k.
Damit ist klar f ist ohne Einschränkung der Allgemeinheit differenzierbar.
Dann ist auch die Abbildung g : Rn → Sn−1 , v 7→ kff (v)
(v)k differenzierbar und
erfüllt g|Sn−1 = id.
Wir wählen nun eine differenzierbare n − 1 Form ω mit kompaktem Träger
auf Rn derart, dass ι∗ ω die Volumenform auf Sn−1 ist, wobei ι : Sn−1 → Rn die
Inklusion ist. Dann ergibt sich der Widerspruch wie folgt
Z
Z
n−1
vol(S
) =
ω=
g∗ω
n−1
n−1
S
ZS
∗
=
dg ω
B1 (0)
Z
=
g ∗ dω = 0,
B1 (0)
32
wobei wir den Satz von Stokes in der dritten Gleichung verwandt haben. Die
letzte Gleichung folgt aus g ∗ dω = 0 und dies wiederum ist klar, da die Jacobimatrix von g überall verschwindende Determinanten hat.
b). Sei ψ : [0, 1] → R eine monotone stetige Funktion mit ψ(t) = 0 für t ∈
[0, 0.5] und ψ(t) = 1 für t ∈ [0.75, 1]
Setze g(p) = (1 − ψ(kpk)f (p) + ψ(kpk) · p. Es gilt g(p) = p für alle p mit
kpk ≥ 3/4 und g(p) = f (p) für alle p mit kpk ≤ 1/2.
Weiter gilt kg(p) − pk ≤ 1/4 für alle p ∈ B1 (0). Nach a) folgt g(B1 (0)) =
B1 (0). Damit folgt aber auch B1/4 (0) ⊂ g(B1/2 (0)) = f (B1/2 (0)).
c). Annahme f hat keinen Fixpunkt. Für jedes v ∈ B1 (0) betrachten wir den
Strahl cv : [0, ∞[→ R der durch cv (t) = (1−t)f (v)+tv gegeben ist. Es gibt genau
ein t(v) ∈ (0, ∞) mit kcv (t(v))k = 1. Offenbar ist t(v) = 1 und cv (t(v)) = v, falls
kvk = 1.
Es ist nun leicht zu sehen, dass h : B1 (0) → B1 (0), v 7→ cv (t(v)) eine stetige
Abbildung ist mit h∂B1 (0) = id und Bild(h) ⊂ ∂B1 (0). Die Existenz dieser
Abbildung steht aber im Widerspruch zu a).
6
Nilpotente und auflösbare Liealgebren und die Killingform.
Lemma 6.1. Ist g eine Liealgebra und h ein Ideal so sind auch
[g, h] := spanR {[X, Y ] | X ∈ g, Y ∈ h}
sowie
[h, h] := spanR {[X, Y ] | X, Y ∈ h}
Ideale von g.
Definition 6.2. Für eine Liealgebra g definiert man induktiv g(0) := g(0) := g
und g(i+1) := g(i) , g(i) und g(i+1) := [g, g(i) ].
a) Eine Liealgebra g heißt auflösbar, falls g(i) = {0} für ein geeignet großes i
gilt.
b) Eine Liealgebra g heißt nilpotent, falls g(i) = {0} für ein geeignet großes i
gilt.
Satz 6.3. (Lie) Sei V ein endlich dimensionaler C-Vektorraum und g ⊂ End(V )
eine auflösbare Unteralgebra. Dann gibt es eine Basis b1 , . . . , bn ∈ V , so dass alle
Endomorphismen in g bzgl. der Basis b1 , . . . , bn durch obere Dreiecksmatrizen
repräsentiert werden.
6. Nilpotente und auflösbare Liealgebren und die Killingform.
33
Beweis. Wir argumentieren mittels Induktion nach dim(g) + dim(V ). Falls g
null dimensional ist, ist nichts zu zeigen. Da g auflösbar ist, gibt es ein Ideal h
von g der Kodimension 1. Wir werden mit H C G < GL(V ) die zugehörigen (zu
h ⊂ g ⊂ End(V )) zusammenhängenden Untergruppen von GL(V ) bezeichnen.
Nach Induktionsvoraussetzung gibt es eine Abbildung λ : h → C, so dass
U λ = {v | Xv = λ(X)v für alle X ∈ h} =
6 {0}
ist. Für die zugehörigen Gruppen gilt, hv und v sind linear abhängig für
alle v ∈ U Λ und für alle h ∈ H. Betrachten wir den komplex projektiven Raum
PC V = V \ {0}/C∗ so gilt für die induzierte Wirkung von H auf PC V , dass
Fix(H) = {[v] ∈ PC V | h ? [v] = [v], für alle g ∈ H}
nicht trivial ist. Da HCG, ist die Menge Fix(H) invariant unter der Wirkung von
G. Es ist leicht zu sehen, dass es nur endlich viele λ : h → C gibt für die U λ 6= 0.
Folglich ist Fix(H) eine endliche Vereinigung von projektiven Unterräumen von
PC V . Da G zusammenhängend ist muss es jeden dieser projektiven Unterräume
invariant lassen und das impliziert nun, dass auch die Wirkung von G auf V die
Unterräume U λ invariant lässt.
Sei nun Y ∈ g \ h und b1 ∈ U λ \ {0} ein Eigenvektor von adY . Nach Konstruktion ist dann b1 ein Eigenvektor von adX für alle X ∈ g.
Da Rb1 ein invarianter Unterraum ist, induziert jedes Element in g einen Endomorphismus von V /Rb1 . Nach Induktionsvoraussetzung kann man eine Basis
b̄2 , . . . , b̄n von V /Rb1 finden, so dass alle induzierten Endomorphismen durch
obere Dreiecksmatrizen repräsentiert werden. Wir wählen dann bi ∈ V mit
bi + Rb1 = b̄i und es folgt, dass alle Endomorphismen bzgl der Basis b1 , . . . , bn
durch obere Dreiecksmatrizen repräsentiert werden.
Lemma 6.4. Für jede Liealgebra g über R ist die Komplexifizierung gC = g ⊗R
C = {v + iw | v, w ∈ g} zusammen mit der skalaren Multiplikation (a + ib)(v +
iw) = (av − bw) + i(aw + bv) und der Lieklammer [v1 + iw2 , v2 + iw2 ] = [v1 , v2 ] −
[w1 , w2 ]+i([v1 , w2 ]+[w1 , v2 ]) eine Liealgebra über C. Ist g nilpotent oder auflösbar
so auch gC .
Beweis. Übung.
Satz 6.5. (Satz von Engel) Eine Liealgebra g ist genau dann nilpotent, wenn
für alle X ∈ g der Endomorphismus adX : g → g nilpotent ist.
34
Beweis. Es reicht den Fall zu betrachten, dass g eine Liealgebra über C ist, da
wir andernfalls g durch die Komplexifizierung g ⊗R C ersetzen können.
Sei g zunächst nilpotent. Der Endomorphismus adX lässt die Fahne 0 =
g(i) ⊂ g(i−1) ⊂ · · · g(0) = g invariant. Genauer folgt sogar direkt aus der Definition adX (g(j) ) ⊂ g(j+1) . Damit folgt aber (adX )i (g) = 0 und also ist adX
nilpotent.
Es gelte nun umgekehrt, dass adX nilpotent ist für alle X ∈ g. Wir argumentieren mittels Induktion nach dim(g). Sei h ( g eine maximale Lieunteralgebra.
Nach Voraussetzung ist h dann nilpotent und mithin auflösbar.
Für jedes X ∈ h gilt adX (h) ⊂ h und folglich induziert adX einen Endomor¯ X des Quotientenvektorraumes g/h. Weiterhin ist leicht zu sehen,
phismus ad
¯ X ein Homomorphismus von Liealgebren ist. Da h
dass h → End(g/h), X 7→ ad
nach Induktionsvoraussetzung auflösbar ist, gibt es nach dem Satz von Lie ein
¯ X Ȳ = λ(X)Ȳ für alle X ∈ h
von null verschiedenen Vektor Ȳ ∈ g/h mit ad
¯ X nilpotent ist, folgt zudem
und für λ(X) ∈ F geeignet. Da mit adX auch ad
λ(X) = 0 für alle X.
Ist nun k das inverse Bild von RȲ unter der Projektion g → g/h, so gilt
[h, k] ⊂ h. Da h Kodimension 1 in k folgt daraus bereits [k, k] ⊂ h. Insbesondere
ist k eine Unteralgebra und wegen der Maximalität von h folgt k = g. Wegen
[g, g] ⊂ h ist h ein Ideal von g. Sei Y ∈ g im inversen Bild von Ȳ und sei
c := {X ∈ h | [X, Y ] = 0 für alle Y ∈ h} das Zentrum von h. Da h nilpotent ist,
gilt c 6= 0. Mittels Jacobiidentität folgert man leicht dass mit h auch c ein Ideal
von g ist. Also lässt adY den Raum c invariant und da adY nilpotent ist, hat
diese Einschränkung einen nicht trivialen Kern.
Dies zeigt uns, dass auch der Raum c0 := {X ∈ h | [X, Z] = 0 für alle Z ∈ g}
nicht verschwindet. Da c0 im Zentrum von g ist, ist g genau dann nilpotent, wenn
g/c0 nilpotent ist. Letzteres folgt aber aus der Induktionsvoraussetzung.
Korollar 6.6. Ist g eine auflösbare Liealgebra, dann ist [g, g] nilpotent. Weiterhin ist adX : g → g nilpotent für alle X ∈ [g, g].
Beweis. Da wir gegebenenfalls zur Komplexifizierung übergehen können, reicht
es den Fall zu betrachten, dass g eine Liealgebra über C ist. Es gibt dann
eine Basis b1 , . . . , bn von g so, dass alle Endomorphismen adX mit X ∈ g
durch obere Dreiecksmatrizen repräsentiert werden. Dann wird aber ad[X,Y ] =
adX adY − adY adX durch eine strikte obere Dreiecksmatrix repräsentiert und
ist mithin nilpotent. Nach dem Satz von Engel ist [g, g] nilpotent.
Lemma 6.7. Jede Liealgebra hat genau ein maximales auflösbares (nilpotentes)
Ideal. Dieses Ideal nennt man auflösbares ( Nil-) Radikal.
6. Nilpotente und auflösbare Liealgebren und die Killingform.
35
Beweis. Seien h1 , h2 Ideale von g. Dann gilt für h = h1 + h2 die Gleichung
[g, h] ⊂ [g, h1 ] + [g, h2 ] ⊂ h und mithin ist h ein Ideal von g. Sind h1 und h2
(1)
(1)
auflösbar, so folgt h(1) = [h, h] ⊂ [h1 , h1 ] + [h2 , h2 ] + [h1 , h2 ] ⊂ h1 + h2 + h1 ∩ h2 .
(i)
(i)
Man zeigt, dass dann induktiv h(i) ⊂ h1 + h2 + h1 ∩ h2 . Da hj auflösbar ist,
folgt dass für ein geeignetes großes i die Inklusion h(i) ⊂ h1 ∩ h2 gilt. Da auch
h1 ∩ h2 auflösbar ist, folgt damit die Auflösbarkeit von h.
Ist hi (i = 1, 2) nilpotent, so müssen zeigen dass auch h nilpotent ist.
Zunächst ist nur klar dass h und mithin auch die Komplexifizierung hC = h ⊗R C
auflösbar sind. Nach dem Satz von Lie gibt es eine Basis b1 , . . . , bn ∈ h so, dass
adX|h durch eine obere Dreiecksmatrix repräsentiert wird für alle X ∈ hC . Es
reicht nun zu zeigen, dass adX|h durch eine strikte obere Dreiecksmatrix repräsentiert wird für alle X ∈ hjC , j = 1, 2. Ist X ∈ h1C , so sind h1C und h2C invariante Unterräume und es gibt, da h1 nilpotent ist, ein i mit (adX )(i) (h1C ) = 0.
Wegen adX (h2 ) ⊂ h1C ∩ h2C folgt daraus aber (adX )(i+1) (hC ) = 0 und also wird
adX durch eine strikte obere Dreiecksmatrix repräsentiert.
Definition 6.8. Ist g eine Liealgebra über F ∈ {R, C}, so definieren wir die
Killingform K : g × g → F durch K(X, Y ) = tr(adX · adY ). Eine Liealgebra
heißt halbeinfach, falls K nicht degeneriert ist, d.h. für alle X ∈ g muss es ein
Y ∈ g geben mit K(X, Y ) 6= 0.
Lemma 6.9.
a) Die Killingform ist eine symmetrische Bilinearform und es
gilt K(adX Y, Z) = −K(Y, adX Z) für alle X, Y, Z ∈ g.
b) Ist h ein Ideal von g, so ist die Killingform K h von h gegeben durch die
Einschränkung der Killingform von g auf h.
c) Ist h ein Ideal, so ist auch h⊥ = {Y | K(X, Y ) = 0
∀ X ∈ h} ein Ideal.
Beweis. a). Da für zwei Endomorphismen A, B eines endlich dimensionalen
Vektorraumes tr(AB) = tr(BA) gilt, folgt die Symmetrie von K. Weiterhin gilt
K(adX Y, Z) = tr(ad[X,Y ] adZ ) = tr(adX adY adZ − adY adX adZ )
= tr(adY adZ adX − adY adX adZ )
= tr(adY ad[Z,X] ) = K(Y, adZ X) = −K(Y, adX Z).
b). Sei X, Y ∈ h, dann gilt adX adY (g) ⊂ h. Ist nun b1 , . . . , bn eine Basis
von g so, dass b1 , . . . bh eine Basis von h ist, so gilt wegen adX adY (g) ⊂ h für
die darstellende Matrix von adX adY , dass die Diagonaleinträge an den Stellen i
36
mit i > h verschwinden. Mithin folgt K(X, Y ) = tr(adX adY ) = tr(adX adY |h ) =
K h (X, Y ).
Lemma 6.10. Es sei V ein C-Vektorraum und m ⊂ gl(V ) ein Untervektorraum.
Setze h := {X ∈ gl(V ) | [X, m] ⊂ m}. Gilt für ein X ∈ h die Gleichung tr(XY ) =
0 für alle Y ∈ h, so folgt X ist nilpotent.
Beweis. Es sei X = Xs + Xn die Jordanzerlegung von X, d.h. Xs ist diagonalisierbar, Xn ist nilpotent und Xn und Xs kommutieren. Man sieht leicht,
dass dann adX = adXs + adXn die Jordanzerlegung des Endomorphismuses
adX : gl(V ) → gl(V ), B 7→ XB − BX ist. Da m ein invarianter Unterraum
von adX ist, ist es mithin auch invariant unter adXs . Folglich gilt Xs ∈ h. Wir
können ohne Einschränkung V = Cn annehmen und dass Xs = diag(λ1 , . . . , λn )
diagonal ist. Die Eigenwerte von adXs sind dann gegeben durch λi − λj . (Ein
zugehöriger Eigenvektor ist gegeben durch eine Matrix für die mit Ausnahme
des ij-ten Koeffizienten alle Einträge Null sind). Sei
f : spanQ {λ1 , . . . , λn } → Q
eine beliebige Q lineare Abbildung und Y = diag(f (λ1 ), . . . , f (λn )). Der Eigenraum von adXs zum Eigenwert λi −λj ist dann enthalten im Eigenraum von adY
zum Eigenwert f (λi ) − f (λj ). Da m in Eigenräume von adXs zerfällt, zerfällt m
mithin auch in Eigenräume von adY und insbesondere ist m invariant unter adY .
Es gilt also Y ∈ h.
P
Mithin folgt 0 = tr(XY ) = ni=1 λi f (λi ). Anwenden der Q-lineare Abbildung f ergibt
n
n
X
X
0=f
λi f (λi ) =
(f (λi ))2 .
i=1
i=1
Damit folgt also f (λi ) = 0 für alle i. Da f aber eine beliebige Q-lineare Abbildung spanQ {λ1 , . . . , λn } → Q war, folgt daraus wiederum λi = 0 für alle i.
Folglich ist Xs = 0 und X ist nilpotent.
Satz 6.11. Für eine Liealgebra g über R oder C ist äquivalent
a) g ist halbeinfach.
b) g hat keine nicht verschwindenden abelschen Ideale.
c) g hat keine nicht verschwindenden auflösbaren Ideale.
6. Nilpotente und auflösbare Liealgebren und die Killingform.
37
Beweis. a) ⇒ b). Sei a ⊂ g ein abelsches Ideal, X ∈ a und Y ∈ g beliebig. Dann
gilt adY adX (g) ⊂ adY (a) ⊂ a. Da a abelsch ist, folgt daraus (adY adX )2 (g) ⊂
adY adX (a) = 0. Die Abbildung adY adX ist also nilpotent und insbesondere
folgt K(X, Y ) = tr(adY adX ) = 0. Da dies für alle Y ∈ g gilt und K nicht
degeniert ist, folgt X = 0. Da X ∈ a beliebig ist, folgt also a = {0}.
b) ⇒ c). Wir argumentieren mittels Widerspruch und nehmen an s ist ein
nicht verschwindendes auflösbares Ideal von g. Wir wählen s minimal mit dieser
Eigenschaft. Nach Voraussetzung kann s nicht abelsch sein. Dann ist aber nach
obigen Lemma auch [s, s] ein nicht verschwindendes Ideal von g. Dies ist ein
Widerspruch, da [s, s] ( s, wegen der Auflösbarkeit von s.
c) ⇒ a). Nach Lemma 6.9 ist c := {Y ∈ g | K(X, Y ) = 0 ∀ X ∈ g} = g⊥
ein Ideal von g. Um zu zeigen, dass g halbeinfach ist, reicht es c = {0} zu
verifizieren. Seien X, Y ∈ c und sei nun A : g → g ein beliebiger Endomorphismus
mit [A, adg ] ⊂ adg (mit adg bezeichnen wir hier das Bild von X 7→ adX ). Es gilt
tr(ad[X,Y ] A) = tr(adX adY A − adY adX A) = tr(adX adY A − adX A adY )
= tr(adX [adY , A]) = 0,
da nach Voraussetzung [adY , A] ∈ adg . Es gilt also tr(ad[X,Y ] A) = 0 für alle
X, Y ∈ c und für alle A ∈ End(g) mit [A, adg ] ⊂ adg . Wegen der Linearität der
Gleichung folgt tr(adZ A) = 0 für alle Z ∈ [c, c] und für alle A ∈ End(g) mit
[A, adg ] ⊂ adg . Mittels Lemma 6.10 folgt adZ ist nilpotent für alle Z ∈ [c, c]
und nach dem Satz von Engel folgt [c, c] ist nilpotent. Da g keine nichttrivialen
auflösbaren Ideale hat, folgt [c, c] = {0}. Mithin ist c ein abelsches Ideal und wie
zuvor folgt c = {0}.
Korollar 6.12. Ist g halbeinfach, so ist auch jedes Ideal h ⊂ g halbeinfach. Weiterhin gilt dann g = h ⊕ h⊥ . Ist g eine zugehörige zusammenhängende Liegruppe,
so wird G von eine Produktgruppe überlagert.
Beweis. Sei h ein Ideal von g. Wir wollen einsehen, dass h keine nicht trivialen
auflösbaren Ideale hat. Nach Lemma 6.7 gibt es ein eindeutig bestimmtes maximales auflösbares Ideal s von h. Um zu zeigen, dass s = 0 gilt reicht es nach
Satz 6.11 zu überprüfen, dass s ein Ideal von g ist. Sei X ∈ g beliebig, t ∈ R.
Dann ist nach Übung exp(t adX ) ein Automorphismus der Liealgebra g:
Zur Erinnerung: (Falls bereits bekannt ist, dass g zu einer Liegruppe gehört,
kann man dies aus Exp(t adX ) = Adexp(tX) folgern). Im allgemeinen folgt aus
der Jacobiidentität adX [Y, Z] = [Y, adX Z] + [adX Y, Z] und man sieht nun leicht
ein, dass die Ableitung der Kurve Exp(−t
adX ) Exp(t adX )Y, Exp(t
adX )Z ver
schwindet. Also folgt Exp(−t adX ) Exp(t adX )Y, Exp(t adX )Z = [Y, Z].
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Da h ein invarianter Unterraum von adX ist, induziert der Liealgebraautomorphismus Exp(t adX ) von g einen Automorphismus der Liealgebra h. Folglich
ist Exp(t adX )(s) ein maximales auflösbares Ideal von h und wegen Lemma 6.7
folgt Exp(t adX )(s) = s. Differenzieren der Gleichung an der Stelle t = 0 ergibt
adX (s) ⊂ s. Folglich ist s ein Ideal von g und muss mithin verschwinden.
Also ist h halbeinfach. Aus Lemma 6.9 folgt nun, dass die Killingform von
g eingeschränkt auf h nicht degeneriert ist, da sie mit der Killingform von h
übereinstimmt. Daraus ergibt sich h ∩ h⊥ = {0}. Aus Dimensionsgründen folgt
g = h ⊕ h⊥ . Da sowohl h als auch h⊥ ein Ideal ist, gilt [h, h⊥ ] ⊂ h ∩ h⊥ = 0.
Ist nun G eine zusammenhängende Liegruppe mit Liealgebra g, so seien H1
und H2 die zusammenhängenden Lieuntergruppen zu h und h⊥ . Weiterhin sei
H̃i die universelle Überlagerung von Hi . Wir betrachten das Produkt H̃1 × H̃2 ,
dessen Liealgebra ebenfalls isomorph zu h ⊕ h⊥ = g ist. Nach Satz 4.2 b) gibt
es genau einen Überlagerungshomomorphismus H̃1 × H̃2 → G, dessen induzierte
Abbildung der vorgegebene Isomorphismus der Liealgebren ist.
7
Der Spaltungssatz von Levi
In diesem Abschnitt werden wir zwei Sätze aus der Strukturtheorie von halbeinfachen Liealgebren voraussetzen.
Satz 7.1. Jede komplexe halbeinfache Liealgebra g besitzt eine reelle Unteralgebra gR derart, dass: Die Killingform von gR ist negativ definit und g = gR ⊕ igR
als reeller Vektorraum
Satz 7.2. Ist die Killingform einer halbeinfachen Liealgebra k negativ definit,
so ist jede zugehörige Liegruppe kompakt.
Ziel des Abschnittes ist mit Hilfe dieser beiden Sätze (die wir erst später
zeigen) den folgenden Spaltungssatz von Levi zu zeigen.
Satz 7.3. Jede Liealgebra zu g über R oder C lässt sich schreiben als direkte
Summe g = s ⊕ k, wobei s das maximale auflösbare Ideal von g ist und k eine
halbeinfache Unteralgebra ist. (k ist im allgemeinen kein Ideal).
Beweis. Wir argumentieren mittels Induktion nach dim(g). Man beachte, dass
g/s eine halbeinfache Liealgebra ist.
Reduktionsschritt 1. Es reicht den Fall zu betrachten, dass s ein minimales
Ideal in g ist. Insbesondere dürfen wir s als abelsch voraussetzen.
Ist s nicht minimal, so gibt es ein Ideal s0 mit 0 ( s0 ( s. Nach Induktionsvoraussetzung besitzt dann g/s0 eine halbeinfache Unteralgebra k̂ mit g/s0 = k̂⊕s/s0 .
7. Der Spaltungssatz von Levi
39
Wir betrachten nun das inverse Bild g0 von k̂ unter der Projektion g → g/s0 .
Da dim(g0 ) < dim(g) können wir nun die Induktionsvoraussetzung ein weiteres
Mal anwenden um zu sehen, dass es eine halbeinfache Unteralgebra gibt mit
g0 = k ⊕ s0 . Es folgt nun g = k ⊕ s.
Reduktionsschritt 2. Es reicht den Satz für komplexe Liealgebren zu zeigen.
Im allgemeinen können wir g als reelle Unteralgebra der Komplexifizierung
gC = g⊗R C auffassen. Ist s das maximale auflösbare Ideal von g, so ist sC = s⊕is
das maximale auflösbare Ideal von gC . Wenn wir den Satz für komplexe Liealgebren bewiesen haben, gibt es eine halbeinfache komplexe Liealgebra kC mit
gC = kC ⊕ sC . Wir definieren nun k̂ = (g ⊕ is) ∩ kC . Es ist leicht zu sehen, dass
kC die Komplexifizierung von k̂ ist. Allerding liegt k̂ nicht unbedingt in g, sondern nur in der reellen Liealgebra g ⊕ is. Nach Reduktionschritt 1 können wir
annehmen, dass s abelsch ist. Man sieht dann leicht, dass is ein Ideal von g ⊕ is
ist. Mithin ist die Projektion auf die g Komponente von g ⊕ is ein Liealgebra–
Homomorphismus. Wir definieren nun k als das Bild von k̂ unter dieser Projektion.
Reduktionsschritt 3. Es reicht den Satz für reelle Liealgebren zu zeigen mit
der zusätzlichen Eigenschaft, dass g/s eine negativ definite Killingform hat.
Nach Schritt 2 reicht es komplexe Liealgebren g zu betrachten. In dem Fall ist
g/s eine komplexe halbeinfache Liealgebra und besitzt nach Satz 7.1 eine reelle
Unteralgebra k̂, derart dass g/s = k̂ ⊕ ik̂ und die Killingform von k̂ negativ definit
ist.
Wir definieren g0 als das inverse Bild von k̂ unter der Projektion g → g/s.
Nun ist g0 eine reelle Liealgebra mit g0 /s ist halbeinfach mit negativ definiter
Killingform. Nach Voraussetzung dürfen dann also annehmen, dass es eine halbeinfache Unteralgebra k0 gibt mit g0 = k0 ⊕ s.
Die Liealgebra k0 ist nun eine reelle Unteralgebra der komplexen halbeinfachen Algebra g. Es ist dann leicht zu sehen, dass k := k0 ⊕ik0 ⊂ g eine halbeinfache
komplexe Unteralgebra ist mit g = k ⊕ s.
Reduktionsschritt 4. Wir können annehmen, dass g triviales Zentrum hat.
Insbesondere reicht es den Fall zu betrachten, dass es zu g eine Liegruppe gibt.
Weiterhin gilt für die zugehörige zusammenhängende einfachzusammenhängende
Liegruppe G zu g, dass die Untergruppe S zu s, ebenfalls einfach zusammenhängend
ist und damit isomorph zu einer Vektorgruppe ist.
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Nach Reduktionschritt 1 können wir annehmen, dass s ein minimales Ideal ist.
Wenn g ein nicht triviales Zentrum hat, folgt damit automatisch: Das Zentrum
ist 1-dimensional und gleich s. Mithin ist s im Kern der adjungierten Darstellung
X 7→ adX . Es sei nun K ⊂ GL(g) die Liegruppe zu adg . Da wir nach 3 annehmen
dürfen, dass g/s eine halbeinfache Liealgebra mit negativ definiter Killingform
ist, folgt aus Satz 7.2, dass K kompakt ist. Man kann nun zeigen, dass es ein K
invariantes Skalarprodukt h·, ·i auf K gibt. (Übung)
Die Abbildungen Exp(t adX ) (X ∈ g) sind also orthogonal bezüglich h·, ·i.
Damit folgt, dass adX schiefadjungiert ist. Damit wiederum lässt sich nun leicht
zeigen, dass mit s auch das orthogonale Komplement von s (bezüglich des Skalarproduktes) ein Ideal k ist. Damit ist aber die gesuchte halbeinfache Unteralgebra
gefunden.
Wir nehmen nun an, dass g kein Zentrum hat. Da die adjungierte Darstellung
der Liealgebra dann injektiv ist, gibt es also eine Liegruppe zu g. Sei G die
zugehörige einfach zusammenhängende Liegruppe.
Die Gruppe S zu s ist dann abgeschlossen, denn andernfalls wäre der Abschluss von S eine abelsche Gruppe, die eine größere Dimension hätte. Da s
abelsch ist der exp : s → S ein Homomorphismus von Gruppen. Der Kern von
exp|s ist diskret und AdG -invariant. Da G zusammenhängend ist bedeutet das,
dass der Kern von exp|s im Zentrum von g ist. Da das Zentrum trivial ist der
Kern trivial und S ist isomorph zu Vektorgruppe s.
Wir kommen nun zum eigentlichen Beweis. Auf Grund der Reduktionsschritte 1, 3, 4 reicht es folgende Situation zu betrachten: Sei g eine reelle Liealgebra,
dessen maximales Ideal s abelsch ist und für die g/s eine negativ definite Killingform hat. Weiterhin können wir annehmen, dass es eine Liegruppe G zu g
gibt, für die die Untergruppe zu s isomorph zu Rk ist mit k = dim(s).
Wir haben dann eine kurze exakte Sequenz
pr
1 → Rk → G → K → 1
von Liegruppenhomomorphismen, wobei K kompakt. Ziel ist es zu zeigen, dass
es einen Homomorphismus g : K → G gibt mit pr ◦g = id.
Wir wählen dazu zunächst eine messbare beschränkte Abbildung g : K → G
mit pr ◦g = id. Wir können g zum Beispiel außerhalb einer Nullmenge als stetig
voraussetzen.
Wir definieren dann
f (x, y) := g(y)−1 g(x)−1 g(xy)
7. Der Spaltungssatz von Levi
41
Es gilt f (x, y) ∈ S ∼
= Rk . Wir schreiben die Gruppe S ∼
= Rk sowohl additiv
als auch multiplikativ. Die Verknüpfungen sind also gleich. Man verifiziert ohne
Problem die so genannte 2-Zyklen Eigenschaft von f
f (xy, z) − f (x, yz) = −g(z)f (x, y)g(z)−1 + f (y, z)
Dabei beachte man, dass die Konjugation mit g(z) einen Isomorphismus der
Liegruppe Rk induziert. Es ist wichtig zu beachten, dass dieser Isomorphismus
nur von z nicht aber von der Wahl von g(z) ∈ pr−1 (z) abhängt.
Wir wählen auf K ein linksinvariantes Maß. Da die adjungierte Darstellung
aus orthogonalen Endomorphismen besteht (somit mit Determinate ±1) ist das
Maß auch rechtsinvariant. Wir können annehmen, dass K Volumen 1 hat. Wir
setzen nun
Z
f (x, y) dµ(x)
h(y) =
K
Es gilt dann
Z
h(yz) =
f (x, yz) dµ(x)
ZK
=
Z
−1
f (xy, z) dµ(x) +
ZK
=
Z
g(z)f (x, y)g(z) dµ(x) +
f (y, z) dµ(x)
K
Z
f (x, z) dµ(x) + g(z)
f (x, y) dµ(x) g(z)−1 − f (y, z)
K
K
K
= h(z) + g(z)h(y)g(z)−1 − f (y, z)
Wir sehen also
f (y, z) = h(z) + g(z)h(y)g(z)−1 − h(yz)
Wir werden nun nachrechnen, dass ḡ(x) = g(x)h(x) der gesuchte Homomorphismus ist.
ḡ(z)−1 ḡ(y)−1 ḡ(yz) = h(z)−1 g(z)−1 h(y)−1 g(y)−1 g(yz)h(yz)
= h(z)−1 g(z)−1 h(y)−1 g(z)f (y, z)h(yz)
= f (y, z) − h(z) − g(z)−1 h(y)g(z) + h(yz)
= 0
Korollar 7.4. Zu jeder Liealgebra g über R (oder C) gibt es eine zugehörige
Liegruppe.
42
8
Literaturangaben zu weiteren Teilen der Vorlesung
S. Helgason, Differential geometry, Lie groups and symmetric spaces, ChIII
§ 3+4
J. Humphreys Introduction to Lie algebras and Representation theory (Ab S.
42 bis zur Klassifikation der Reflektionsgruppen)
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