Zusammenfassung 147 5 Zusammenfassung Der Verlust von SMAD4 in der Karzinogenese wird mit Induktion von Angiogenese, Invasivität und Metastasierung assoziiert. Diese Eigenschaften prägen die Tumorzellen im Rahmen vielfältiger Interaktionen mit Matrix und Stroma innerhalb des Tumorgewebes aus. Veränderte Interaktionen nach SMAD4-Verlust zeigen sich in Befunden unserer Arbeitsgruppe mit SMAD4-reexprimierenden Tumorzellen, sowie in Analysen von Primärtumoren (Pankreas und Kolon) und auch in einem APC/SMAD4Doppel-Knockout-Mausmodell. Auf molekularer Ebene fungiert SMAD4 als Transkriptionsfaktor im TGFβ–Signalweg und integriert zelluläre Antworten auf weitere Cytokine und Wachstumsfaktoren. Stromazellen an der invasiven Front von Tumoren exprimieren verstärkt Cytokine wie TGFβ, TNFα und andere. Um diesen Kontext in vitro widerzuspiegeln, führten wir Induktionen mit verschiedenen Cytokinen durch. Die Behandlung mit TNFα zeigte in unseren Zellmodellen eine Entkopplung der Regulation der drei Ketten von Laminin-5 in SMAD4-negativen Zellen auf und führte zur Freisetzung der Laminin gamma-2 Kette. Laminin gamma-2 markiert in vivo häufig die invasive Front kolorektaler Karzinome. Somit erscheinen diese Zellmodelle geeignet, nach SMAD4-Verlust veränderte Interaktionen zwischen Tumorzellen und ihrer Umgebung widerzuspiegeln. Um weitere SMAD4-abhängige (TGFβ +) TNFα–Antworten zu identifizieren, welche im Kontext invasiver kolorektaler Karzinome Tumor-Stroma-Interaktionen modulieren können, wurde der Kandidatenansatz im Rahmen dieser Arbeit auf ein differentielles mRNA-Profiling ausgeweitet. Dazu wurden RNA-Pools Cytokin-behandelter Einzelklone unserer Zellmodelle (SW480KD, SW480, SW620) mit kommerziellen Microarrays analysiert. Die Adenomzelllinie LT97 wurde zum Vergleich für Cytokin-abhängige Antworten einer prämalignen Tumorzelle herangezogen. Die Rohdaten der MicroarrayAnalyse wurden bioinformatisch pre-prozessiert und statistisch ausgewertet. Dabei waren viele weitere Antworten auf (TGFβ +) TNFα SMAD4-abhängig reguliert. Die anschließende Auswertung des Datensatzes mittels Gene-Ontology-Analysen identifizierte eine Vielzahl von Mitgliedern der Cytokin-Familie, insbesondere Chemokine, als (TGFβ +) TNFα-abhängige SMAD4-Zielgene. SMAD4-abhängige Transkripte dieser Genfamilie reagierten häufig bei SMAD4-rekonstituierten Klonen sowie bei LT97-Zellen gleichermaßen auf den Cytokin-Stimulus. Die Überprüfung ausgewählter Cytokine zeigte meistens konsistente mRNA-Regulationen bei Einzelklo- Zusammenfassung 148 nen nach einem (TGFβ +) TNFα-Stimulus. Darunter waren Cytokine konsistent reguliert, welche die Differenzierung und Rekrutierung von Stromazellen beeinflussen können. Auch ein Verlust der Autoregulation von TNFα konnte bei SMAD4-defizienten Einzelklonen im Vergleich zu SMAD4-reexprimierenden Klonen nachgewiesen werden. Auf Basis von TNFα–abhängig SMAD4-regulierten Chemokinen wurde eine differentielle Rekrutierung von monozytären Zellen überprüft. Dabei zeigte sich eine verstärkte Rekrutierung bei SMAD4-positiven Zellen, welche unabhängig von TNFα war. Diese SMAD4-vermittelte Rekrutierung korreliert mit den Befunden in primären kolorektalen Karzinomen. Neben SMAD4-Zielgenen der Cytokin-Familie wurde auch die pro-invasive Matrix Metalloprotease MMP9 (TGFβ +) TNFα–abhängig SMAD4-reguliert. Entsprechend dem mRNA-Expressionslevel wurde im Sekretom SMAD4-defizienter Klone eine verstärkte Freisetzung des Zymogens von MMP9 (Monomer und Homodimer) detektiert. Diese Befunde suggerieren einen alternativen Mechanismus im Vergleich zum APC/SMAD4Doppel-Knockout-Mausmodell. In diesem Modell waren unreife myeloide Zellen für die Freisetzung von MMP9 verantwortlich, die verstärkt durch SMAD4-defiziente kolorektale Tumore zur invasiven Front rekrutiert wurden. In vivo ist ein komplexes Zusammenspiel von Proteasen an der Spaltung des Zymogens bzw. der Aktivierung von pro-MMP9 beteiligt. Der Startpunkt einer solchen Aktivierungskaskade ist das u-PA/t-PA-System, wodurch Plasminogen zu Plasmin gespalten wird. Komponenten dieses Systems wurden ebenfalls durch (TGFβ +) TNFα induziert (SMAD4-abhängig und SMAD4unabhängig). Plasmin kann pro-MMP3 aktivieren, welche von Stromazellen an der kolorektalen Tumorfront freigesetzt wird. Im letzten Schritt dieser Kaskade kann proMMP9 durch MMP3 aktiviert werden. Übereinstimmend mit der Reihenfolge einzelner Aktivierungsschritte waren die Induktionen von u-PA, t-PA und PAI-1 der mRNAHochregulation von MMP9 zeitlich vorgeschaltet. Aufgrund dieser Befunde könnten SMAD4-defiziente Tumorzellen durch Induktion von MMP9 nach einem (TGFβ +) TNFα–Stimulus verstärkt Invasivität an der kolorektalen Tumorfront vermitteln. Insgesamt ermöglichen die Ergebnisse der Microarray-Analyse von Cytokin- behandelten SMAD4–defizienten und SMAD4-rekonstituierten Tumorzellen einen stark erweiterten Einblick in die komplexen Auswirkungen eines SMAD4-Verlustes in der Kolonkarzinogenese auch im Rahmen von Interaktionen von Tumorzellen mit der Mikroumgebung in vivo.