Matthäus 8,18-34: Die Souveränität von Jesus 17. März 2013 Lesung: „Doch Jesus erwiderte: "Komm jetzt mit mir, und überlass es den Toten, ihre Toten zu begraben!“ „Alle fragten sich voller Staunen: "Was ist das für ein Mensch? Selbst Wind und Wellen gehorchen ihm!“ „Nun liefen alle Leute aus der Stadt Jesus entgegen. Sie baten ihn, ihre Gegend wieder zu verlassen.“ (Verse 22, 27 und 34) Gebet: „Herr, öffne meine Augen, damit ich die herrlichen Wahrheiten in deinem Gesetz erkenne.“ (Psalm 119,18) Intro: Besonders die Evangelien zeigen uns Jesus als Menschen: als abhängiger kleiner Mensch geboren, der wachsen, lernen und arbeiten musste, in der Abhängigkeit vom himmlischen Vater lebend, im Vertrauen auf den Vater, mitleidend, betend, kämpfend, mit schwachen Momenten, leidend, sterbend. Wir sehen heute in Vers 20 wie Jesus sich (zum ersten Mal im Matthäusevangelium) als „Menschensohn“ bezeichnet. Zum Einen bedeutet Menschensohn einfach 'Mensch'. Zum Anderen ist es aber auch ein messianischer Titel aus dem AT (Buch Daniel). Das NT zeigt uns aber auch Jesus in seiner Gottheit. Das ist beim letzten Mal schon deutlich geworden: Die Berührung mit ihm machte Menschen rein und gesund. Ein Wort von ihm genügte, um Krankheit und Leid ein Ende zu setzen. Es reichte aus, dass er wollte, dass der Aussätzige rein und der Sklave des römischen Hauptmanns sowie die Schwiegermutter von Petrus gesund werden. Er wollte, er berührte, er sprach das Wort – und es geschah. Heute sehen wir noch mehr von seiner Macht und Souveränität. Es ist offensichtlich eine göttliche Macht. Auf dem Hintergrund des monotheistischen Weltbilds der Autoren und Empfänger der neutestamentlichen Schriften ist klar, was das bedeuten muss: Jesus ist Gott. Auch wenn immer noch gerne behauptet wird, dass ihm seine Göttlichkeit erst nach seinem Ableben angedichtet worden sei – das Neue Testament selbst spricht eine andere Sprache. Und ich finde, dass es wichtig ist, das deutlich zu sagen: Christen glauben, dass Jesus die zweite Person des dreieinigen Gottes ist. Nicht nur Gottes Sohn, sondern Gott, der Sohn. 1. Souverän über die Menschen (18-22) „Die Menschenmenge, die sich um Jesus drängte, war so groß, dass er seinen Jüngern befahl, mit ihm auf die andere Seite des Sees hinüberzufahren. Da sprach ihn ein Schriftgelehrter an. »Meister«, sagte er, »ich will dir folgen, wohin du auch gehst.« Jesus erwiderte: »Die Füchse haben ihren Bau und die Vögel ihre Nester; aber der Menschensohn hat keinen Ort, wo er sich ausruhen kann.« Ein anderer, einer von seinen Jüngern, sagte zu Jesus: »Herr, erlaube mir, zuerst noch ´nach Hause` zu gehen und mich um das Begräbnis meines Vaters zu kümmern.« Doch Jesus erwiderte: »Folge mir nach, und lass die Toten ihre Toten begraben!« Hier zeigt sich zuerst die Souveränität von Jesus über die Menschen. Er kam als rechtmäßiger König Israels und der ganzen Welt zu diesen Menschen. Er kannte seine Mission, wusste, dass er zuerst sterben musste. Er muss von seiner eigenen Auferstehung und Himmelfahrt und der Geburt des Christentums ausgegangen sein. Ansonsten machen diese Verse keinen Sinn! a) Er verließ die Menschenmenge. Er versuchte den Hype um seine Person an diesem Punkt zu vermeiden. Er wollte nicht als Prophet zum König gemacht, sondern später als Auferstandener und zum Himmel aufgefahrener Gott angebetet werden. Seine Flucht vor der Menschenmenge auf die andere Seite des Sees zeigt, dass er nicht von den Menschen abhängig war. Er brauchte keine große Fangemeinde. b) Er verweist auf den Verzicht. Menschlich/pragmatisch gesehen, wäre es bestimmt gut für Jesus gewesen, einen Theologen im Team zu haben (ich hätte mich auf jeden Fall gefreut). Aber Jesus konfrontiert ihn knallhart mit dem Verzicht. Ihm nachzufolgen bedeutete an diesem Punkt, ein Leben ohne festen Wohnsitz. Kein Zuhause, wo man nach getaner Arbeit die Tür hinter sich zumachen und die Füße hochlegen kann. Kein eigenes Bett. An dieser Aussage zeigt sich wieder die Unabhängigkeit von Jesus: er spielt den Ball zurück zu diesem Schriftgelehrten. Er überlässt es dem Willen dieses Mannes, seiner Entscheidung! Dass Gott dem Willen und der Entscheidungsfähigkeit des Menschen Raum gibt, dass er Ablehnung, Hass und Gleichgültigkeit als mögliche Reaktionen nicht nur akzeptiert, sondern mit einkalkuliert, beweist seine Souveränität! Am Deutlichsten wird das am Kreuz, wo die Menschen das mit ihm machten, was sie wollten. Aber das Kreuz war das von Gott gewählte Mittel, um Erlösung möglich zu machen. c) Er schreckt bewusst ab. In der zweiten Konfrontation von der hier berichtet wird, geht er noch wesentlich weiter. Zum Einen wird er hier von einem angesprochen, der bereits im Team war: einem Jünger/Nachfolger, jemand mit dem Auftrag zur Verkündigung des Evangeliums (Lukas 9,60). Zum Anderen ist diese abgeschlagene Bitte (Lass mich nach Hause gehen und meinen Vater begraben) ein echter Hammer, vor Allem mit der gegebenen Begründung. Warum diese harten Worte? Zum Einen ist es möglich, dass der Vater noch gar nicht gestorben war. Möglicherweise geht es hier nicht um die Beerdigung an sich, sondern darum, sich um den Vater zu kümmern, bis er sterben würde, bzw. sich um all das zu kümmern, was nach dem Tod des Vaters anstehen würde. In diesem Fall würde es bedeuten, dass er seine Nachfolge komplett abbrechen würde. Jesus will, dass dieser Mann sein Vaterhaus hinter sich zurück lässt, dass er die Nachfolge wirklich an die erste Stelle setzt. (Kulturelle Unterschiede Wichtigkeit der Familie) Zum Anderen will Jesus die Wichtigkeit seiner Mission deutlich machen. Natürlich ist klar, dass das „Vater und Mutter ehren“ (durch Gehorsam, Respekt und Versorgung) ein Gebot Gottes ist. Dass Jesus trotzdem so eine radikale Forderung stellt zeigt, dass er für sich herausnimmt, mit seinem Ruf zur Nachfolge eine Ausnahme für dieses Gebot zu bilden. Was die gute Frage aufwirft: Für wen hält der sich eigentlich? Und drittens will Jesus ein Statement über geistliche Zustände machen. Wenn er sagt, dass 'die Toten' den toten Vater begraben sollten, ist das kein Skript für eine Szene aus einem Zombiefilm. Er sagt damit aus, dass die anderen Menschen auf eine gewisse Art und Weise genauso tot sind wie der Vater (sein würde). Wie in dem Gespräch davor geht es um spezifische und einmalige Begegnungen, aus denen man kein allgemeingültiges Prinzip ableiten darf: Es ist also nicht so zu verstehen, dass alle Christen ohne festen Wohnsitz leben müssten, oder dass man als Nachfolger von Jesus nicht helfen darf, seine nächsten Verwandten zu beerdigen. Unabhängig davon, was alles in den Aussagen von Jesus hier steckt – eins ist klar: wir stoßen uns an ihnen, sie werfen viele Fragen auf. Und das ist, glaube ich, worum es hier geht. Und wieder geht es ihm ganz offensichtlich nicht darum, einfach Menschen zu ködern. Aus irgendeinem Grund kann er es sich leisten, Menschen so heftig an den Karren zu fahren. Es ist wieder ein Zeichen seiner Souveränität in der Jüngersuche. Ein paar Jahre später würde Jesus selbst begraben werden, und eine Ruhestätte für sein Haupt im Grab eines reichen Mannes finden. Aber weil er der Sohn des lebendigen Gottes ist, konnte das Grab ihn nicht halten. Als Freunde sein Grab besuchen wollten, wurden sie von Engeln empfangen, die die Frage stellten: Warum sucht ihr den Lebenden unter den Toten? Seine Auferstehung ist das Siegel seiner Souveränität und Macht. 2. Souverän über die Naturgewalten (23-27) „Daraufhin stieg Jesus in das Boot; seine Jünger folgten ihm, ´und sie fuhren los`. Plötzlich brach auf dem See ein heftiger Sturm los, sodass das Boot fast von den Wellen begraben wurde. Jesus aber schlief. Die Jünger stürzten zu ihm und weckten ihn. »Herr«, schrien sie, »rette uns, wir sind verloren!« Aber Jesus sagte zu ihnen: »Warum habt ihr solche Angst, ihr Kleingläubigen?« Dann stand er auf und wies den Wind und die Wellen in ihre Schranken. Da trat eine große Stille ein. Die Leute aber fragten voller Staunen: »Wer ist das, dass ihm sogar Wind und Wellen gehorchen?« Hier haben wir einen Abschnitt, der wirklich überraschend gut zu Psalm 18 passt, aus dem wir eingangs gelesen haben. Jesus befindet sich mit seinen Jüngern im Boot, mitten auf dem See. Ein Sturm bricht los, der so heftig ist, dass selbst die Fischer unter den Jüngern (Fachleute) davon ausgehen, dass ihr letztes Stündlein geschlagen hat. Jesus schlief. Warum? Weil er seinen Auftrag kannte. Er wusste, dass er seinen Weg zum Kreuz bis zum Ende gehen würde. Deswegen schlief er wie ein Kind. (Beispiel Talita Gewitter) Sein Schlafen bezeugt seine Souveränität. Jesus wird wach und weist die Jünger für ihre Angst zurecht. Mit der Bezeichnung „ihr Kleingläubigen“ beantwortet er seine rhetorische Frage selber. Woran hätten sie glauben sollen, um in dieser lebensbedrohlichen Situation angstfrei zu bleiben? An Jesus. Sie hätten wissen müssen, dass sie in Sicherheit waren, weil sie mit Jesus im Boot, mit Jesus im Sturm waren. Sie sahen sich als Spielball der Naturgewalten. Er wusste, dass sicher er in der Hand des Vaters war. Wenn wir diesen Glauben an die Souveränität von Jesus haben, können wir Abends mit dem Psalmisten beten: „Ich will mich in Frieden hinlegen und schlafen, denn du allein, Herr, gibst mir Geborgenheit.“ (4,9) Dann können wir den Schlaf des Gerechten schlafen, wortwörtlich! Die Situation gibt uns aber auch ein gutes Bild für das Evangelium: die Rettung ist an der Person Jesus Christus festgemacht. Mit ihm bist du sicher, egal, wie heftig die Stürme in deinem Leben selbst für Fachleute zu sein scheinen. Du wirst an deinem Ziel ankommen. Doch Jesus legt sich nicht wieder schlafen, er zeigt, dass er Herr über den Sturm ist. Er befiehlt Wind und Wellen, sich auch wieder schlafen zu legen, und sie gehorchen ihm, wie gut erzogene Hunde. Jesus ist souverän über den Sturm. Der Sturm, in dem du dich vielleicht gerade befindest – Jesus kann ihn mit einem Wort zum Verstummen bringen. Vielleicht will er es tun, und so seine Macht zeigen. Vielleicht will er aber auch, dass du lernst, ihm im Sturm zu vertrauen... 3. Souverän über das Böse (28-34) „Als Jesus in das Gebiet der Gadarener am gegenüberliegenden Ufer kam, liefen ihm aus den Grabhöhlen zwei Besessene entgegen. Sie waren so gefährlich, dass niemand den Weg benutzen konnte, der dort vorbeiführte. »Was willst du von uns, Sohn Gottes?«, schrien sie. »Bist du gekommen, um uns schon vor der festgesetzten Zeit zu quälen?« In einiger Entfernung weidete eine große Herde Schweine. Die Dämonen baten ihn: »Wenn du uns austreibst, lass uns doch in die Schweineherde fahren!« – »Geht!«, sagte Jesus. Da verließen die Dämonen die beiden Männer und fuhren in die Schweine. Und augenblicklich stürzte sich die ganze Herde den Abhang hinunter in den See, und die Tiere ertranken in den Fluten. Die Schweinehirten rannten davon, liefen in die Stadt und berichteten alles, ´was geschehen war,` auch das mit den Besessenen. Da machte sich die ganze Stadt auf den Weg; alle gingen Jesus entgegen. Als sie sahen, ´was geschehen war,` drängten sie ihn, ihr Gebiet zu verlassen.“ Als Letztes sehen wir wie Jesus und die Jünger mit dem Boot in einer Gegend ankamen, wo es viele Nichtjuden gab. Das wird u. a. dadurch deutlich, dass sie sich Schweine hielten. Für die jüdischen Begleiter von Jesus ist das hier wirklich eine Szene aus dem Vorhof zur Hölle: sie findet statt in einem heidnischen Gebiet und die Hauptrolle spielen zwei Dämonenbesessene, die bei den Toten lebten, sowie eine Schweineherde. Hier sehen wir am dramatischsten die Souveränität von Jesus über das offensichtlich Böse. Das wird besonders an folgenden Punkten deutlich: a) Die gefährlichen Besessenen kommen zu Jesus. Sie unterwerfen sich, ergeben sich, bevor er überhaupt zu ihnen kommt. Der Stärkere war zu ihnen gekommen. b) Sie winseln um Gnade. Sie nennen Jesus 'Sohn Gottes' und bitten um Aufschub ihrer Bestrafung. Im Jakobusbrief heißt es „Du glaubst, dass es nur einen Gott gibt? Schön und gut! Aber auch die Dämonen glauben das – und zittern!“ (2,19) c) Er schickt die Dämonen in die Schweine. Jesus schickt die Dämonen von A nach B. Die Vorstellung einer besessenen Schweineherde ist natürlich sehr bizarr – vor Allem der anschließende Massensuizid. Schweine können nämlich eigentlich gut schwimmen. Das Erlebnis der Jünger mit dem gestillten Sturm führte zu staunender Ehrfurcht. Dieser Machtbeweis hier erschütterte die Welt der dort ansässigen Menschen so stark, dass sie auf Jesus einredeten, und ihn baten, sie in Ruhe zu lassen. Das wirft die grundlegende Frage nach unserem Verhältnis zum Bösen und Dunklen auf. Es ist leicht, naiv zu sein, und davon auszugehen, dass alle Menschen sich die Befreiung vom Bösen wünschen. In seinem Evangelium schreibt Johannes: „Und so vollzieht sich das Gericht: Das Licht ist vom Himmel in die Welt gekommen, aber sie liebten die Dunkelheit mehr als das Licht, weil ihre Taten böse waren. Sie hassen das Licht, weil sie im Dunkeln Böses tun. Sie bleiben dem Licht fern, weil sie Angst haben, dass ihre Taten aufgedeckt werden. Wer sich aber nach der Wahrheit ausrichtet, tritt ans Licht und jeder kann sehen, dass er in Verantwortung vor Gott handelt.« (3,19-21) So lange wir nicht reinen Tisch machen wollen, weil wir das Dunkle, Schmutzige und Verdorbene lieben, werden wir das Licht meiden. Hier kommt das Licht in Person zu diesen Menschen, und sie schicken es wieder weg. Sie wollen in Ruhe gelassen werden. Johannes sagt: So vollzieht sich das Gericht. Wer so handelt, verurteilt sich selbst zu einem Leben (und einer Ewigkeit) in der Dunkelheit, einem Ort an dem Weinen und Zähneknirschen sein wird. Als Souverän respektiert Jesus die Entscheidung der Gadarener und verlässt die Gegend wieder – allerdings nicht, ohne in den Befreiten ein Zeugnis für die Kraft des Lichts hinterlassen zu haben. Jesus hinterlässt seine Visitenkarte...und gibt den Menschen damit noch eine Chance.