UNIVERSIT . . AT BONN Physikalisches Institut - HEP1

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UNIVERSIT AT BONN
Physikalisches Institut
Studie zum Entdeckungspotential
im Prozess Higgs → W W → lνlν
mit dem ATLAS-Experiment
unter Berücksichtigung des
W+Jets-Untergrundes
von
Malte Rast
One of the main goals of the ATLAS experiment at the LHC is the discovery of
a Higgs boson. The decay channel H → W W → lνlν yields the highest discovery
potential for the SM Higgs boson in the mass region mH = 130 − 180 GeV.
The production of W bosons with additional jets can lead to dilepton final states,
that can be mistaken as a Higgs signal, either by leptonic decays of hadrons or
misidentifications in addition to the leptonic W decay. Up to now, this background
has only been modeled in fast simulation or neglected completely. A full detector
simulation is crucial, since the main criterion for suppression of W+jets events is
lepton isolation, which is not described sufficiently in the fast simulation.
In this study, cut selections for the discovery of a Higgs boson produced via gluon
fusion (GF) and vector boson fusion (VBF) in the decay channel H → W W → lνlν
are performed and the discovery potential is updated.
Results: The VBF channel is protected against W+jets by the forward jets signature. In the GF channel, it is shown that a strong lepton isolation criterion can
disentangle W+jets from signal and other backgrounds, which is important for methods of background normalization and the reduction of systematic uncertainties.
Post address:
Nussallee 12
53115 Bonn
Germany
BONN-IB-2007-09
Bonn University
November 2007
..
UNIVERSIT AT BONN
Physikalisches Institut
Studie zum Entdeckungspotential
im Prozess Higgs → W W → lνlν
mit dem ATLAS-Experiment
unter Berücksichtigung des
W+Jets-Untergrundes
von
Malte Rast
Dieser Forschungsbericht wurde als Diplomarbeit von der Mathematisch - Naturwissenschaftlichen
Fakultät der Universität Bonn angenommen.
Angenommen am:
Referent:
Korreferent:
31. Oktober 2007
Prof. Dr. N. Wermes
Prof. Dr. I. Brock
Inhaltsverzeichnis
1
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2
2 Grundlagen
4
3 Der LHC und das ATLAS-Experiment
10
3.1 Der Large Hadron Collider (LHC) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
3.2 Der ATLAS-Detektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
4 Higgs-Boson-Suche im Kanal H → W W → lνlν
4.1 Signatur des Produktionsprozesses . . . . . . . . . .
4.1.1 Gluon-Fusion (GF) . . . . . . . . . . . . . .
4.1.2 Vektor-Boson-Fusion (VBF) . . . . . . . . .
4.2 Signatur der Zerfalls-Produkte . . . . . . . . . . . .
4.3 Untergrundprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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15
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15
16
17
5 Monte-Carlo-Generierung, Detektor-Simulation
und Ereignis-Rekonstruktion
5.1 Verwendete Monte-Carlo-Generatoren . . . . . .
5.2 Ereignisrekonstruktion . . . . . . . . . . . . . .
5.2.1 Jet-Rekonstruktion . . . . . . . . . . . .
5.2.2 Myon-Identifikation . . . . . . . . . . .
5.2.3 Elektron-Identifikation . . . . . . . . . .
5.2.4 Lepton-Isolation . . . . . . . . . . . . .
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24
24
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6 W-Produktion mit zusätzlichen Jets im Endzustand
28
+
−
6.1 W W -Asymmetrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
6.2 W+Jets als Untergrund zu dileptonischen Endzuständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
6.2.1 Vorselektion von W+Jets-Ereignissen auf Generatorniveau . . . . . . . . . . . . 31
6.2.2 Untersuchung von Leptonisolation und Stoßparameter-Signifikanz in voll simulierten W+Jets-Ereignissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
7 Die Schnittanalyse
43
7.1 Schnittanalyse Gluon-Fusion H → W W → lνlν . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
7.2 Schnittanalyse Vektor-Boson-Fusion H → W W → lνlν . . . . . . . . . . . . . . . 62
8 Multivariate Analysemethoden zur Verbesserung der Signifikanz
71
8.1 Die Likelihood-Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
8.2 Anwendung der Likelihood-Methode in Vektor-Boson-Fusion . . . . . . . . . . . . . . 71
9 Zusammenfassung und Ausblick
75
A Leptonische Zerfälle langlebiger Hadronen
76
B bb-Produktion als Untergrund zur Higgs-Suche
im Kanal Gluon-Fusion H → W W → lνlν
78
2
1 Einleitung
1 Einleitung
Das Standardmodell der Teilchenphysik beschreibt die elementaren Bausteine der Materie und deren
Wechselwirkungen. Es wurde in den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts entwickelt und hat seitdem immer wieder seine Vorhersagekraft unter Beweis gestellt. Beispielsweise wurde das Top-Quark
lange vor seiner Entdeckung vorhergesagt. 1994 war es sogar möglich auf Basis präziser Messungen von
Standardmodell-Parametern die Top-Quark-Masse auf 145 < mtop < 185 GeV einzuschränken. Nach
seiner Entdeckung 1995 am Fermilab durch die Experimente D0 und CDF hat man die Masse des TopQuarks mittlerweile zu (170,9 ± 1,9) GeV bestimmt. Nach dem Nachweis des Tau-Neutrinos 2000 am
Experiment DONUT enthält das Standardmodell nur noch ein Teilchen, das bis jetzt noch nicht experimentell beobachtet wurde - das Higgs-Boson.
Es nimmt eine besondere Rolle im Standardmodell ein, da es zur Erklärung der Massen der anderen
Elementarteilchen postuliert wurde. Seine Masse ist ein freier Parameter, der nur durch bisherige Suchen
und theoretische Argumente in Verbindung mit Präzsisionsmessungen von Standardmodell-Parametern
eingegrenzt werden kann.
In Theorien, die über das Standardmodell hinausgehen, wie beispielsweise der Minimalen Supersymmetrischen Erweiterung des Standardmodells (MSSM) ist der Higgs-Sektor vielfältiger und enthält mehrere
Higgs-Bosonen.
Der Large Hadron Collider (LHC), der sich zur Zeit am CERN1 in der Fertigstellung befindet, wird die
Untersuchung von Proton-Proton-Kollisionen bei einer Schwerpunktsenergie von 14 TeV ermöglichen.
Studien haben gezeigt, dass damit ein Higgs-Boson, wie es im Standardmodell vorhergesagt wird, oder
mindestens eins der Higgs-Bosonen des MSSM nachgewiesen werden kann. Allerdings wird der LHC
keine Higgs-Bosonen-Fabrik sein. Man erwartet nur in etwa jeder 1010 ten inelastischen Wechselwirkung
ein Higgs-Boson.
Das Higgs-Boson zerfällt sofort nach seiner Produktion wieder, dabei hängt der bevorzugte Zerfallskanal von seiner Masse ab. Zur Selektion der Higgs-Boson-Ereignisse im gesamten erlaubten Massenbereich wurden verschiedene Strategien entwickelt, die die Signatur von Produktion und Zerfall des
Higgs-Bosons nutzen. Dabei ist es von großer Bedeutung sowohl alle anderen Prozesse, die eine ähnliche Signatur haben, als auch das Antwortverhalten des Detektors genau zu kennen.
In den bisherigen Analysen der ATLAS-Kollaboration im Zerfall H → W W → lνlν wurde der Untergrund aus der Produktion von W-Bosonen in Assoziation mit zusätzlichen Jets (W+Jets) vernachlässigt
oder nur in schneller Detektorsimulation behandelt. Eine Untersuchung in vollständiger Detektorsimulation ist aber unerlässlich, da das wichtigste Merkmal zur Erkennung und Unterdrückung von W+JetsEreignissen, die Lepton-Isolation, nur in vollständiger Detektorsimulation realistisch beschrieben wird.
Der große Wirkungsquerschnitt von W+Jets und die CPU-intensive vollständige Detektorsimulation erfordern effiziente Methoden zur Auswahl relevanter Ereignisse. Genau darin besteht die Schwierigkeit
in der Untersuchung von W+Jets und das ist die Haupt-Problemstellung dieser Arbeit.
Die vorliegende Arbeit gliedert sich wie folgt: Zunächst werden einige Grundlagen der Higgs-Physik
im Hinblick auf die Suche am LHC dargelegt. Darauf folgt eine kurze Beschreibung des LHC und
des ATLAS-Experimentes. In Kapitel 4 werden die zu untersuchenden Signalprozesse Gluon-Fusion
und Vektor-Boson-Fusion H → W W → lνlν und ihre Signatur erläutert. Diese Studie basiert auf
Monte-Carlo-Ereignissen, die fast ausschließlich im Rahmen dieser Arbeit erstellt wurden. Die Generierung und Rekonstruktion dieser Ereignisse wird in Kapitel 5 beschrieben. Den Hauptteil der Arbeit bilden die Kapitel 6-8. Hier wird zunächst eine Unterscheidung und Einschätzung unterschiedlicher Ereignisklassen im W+Jets-Untergrund vorgenommen. Es wird eine Methode entwickelt, um für
die wichtigste Ereignisklasse Monte-Carlo-Datensätze in vollständiger Detektorsimulation mit hinreichender statistischer Aussagekraft zu erstellen, die relevant für die Analysen in H → W W → lνlν
sind. Die darauf folgende Schnitt-Analyse wird unter Berücksichtigung aller relevanten Untergrundpro1
Conseil Europeén pour la Recherche Nucléaire
3
zesse inklusive W+Jets durchgeführt und schließt mit einer Aktualisierung des Entdeckungspotentials
gegenüber früheren Analysen. Zusätzlich werden die Möglichkeiten einer weiteren Unterdrückung von
W+Jets-Ereignissen durch Lepton-Isolation ausgelotet. Als Alternative zur Schnitt-Selektion wird in der
Vektor-Boson-Fusions-Analyse eine Likelihood-Methode angewandt und mit der Standard-Analyse verglichen. Die Zusammenfassung mit einem Ausblick auf weiterführende Forschungs-Themen bilden den
Abschluss der Arbeit.
4
2 Grundlagen
2 Grundlagen
Im Folgenden werden einige Probleme eines Standardmodells ohne Higgs-Felder umrissen und dann
die spontane Brechung der Eichsymmetrie U (1)Y × SU (2)IW nach U (1)Q und der Higgs-KibbleMechanismus skizziert. Ausführlichere Darstellungen finden sich beispielsweise in [1, 2, 3, 4]. Desweiteren werden theoretische und experimentelle Grenzen auf die Higgs-Masse angegeben und schließlich
die Mechanismen zu Higgs-Boson-Produktion und -Zerfall am LHC und das Entdeckungspotential mit
dem ATLAS-Detektor dargestellt.
Elektroschwache Symmetriebrechung und Higgs-Mechanismus
Das Standardmodell ohne Higgs-Boson hat keine Erklärung für die Massen der Teilchen, insbesondere
die Massen der mit etwa 80 und 90 GeV sehr schweren Eichbosonen W und Z. Die Forderung nach
lokaler Eichinvarianz einer Theorie führt natürlicherweise zu den Feldern der Eichbosonen, welche die
fundamentalen Kräfte vermitteln. Gleichzeitig verbietet sie aber auch die “ad hoc“-Einführung von Massentermen. Die Lagrangedichte des elektromagnetischen Feldes
1
Lem = − (∂µ Aν − ∂ν Aµ ) (∂ µ Aν − ∂ ν Aµ )
4
(1)
ist invariant unter der lokalen Eichtransformation Aµ (x) → Aµ (x) − ∂µ χ(x), die Lagrangedichte eines
massiven Vektorfeldes
1 2 µ
1
W Wµ
LmV = − (∂µ Wν − ∂ν Wµ ) (∂ µ W ν − ∂ ν W µ ) + MW
4
2
(2)
ist dagegen nicht invariant unter Wµ (x) → Wµ (x) − ∂µ χ(x). Ohne diese Eichsymmetrie ist die Theorie
nicht mehr renormierbar, d.h. sie ist nicht mehr durch eine endliche Zahl von Parametern beschreibbar,
und verliert somit ihre Vorhersagekraft.
Ein weiteres Beispiel für ein Problem des Standardmodells ohne Higgs-Boson ist die Streuung von WBosonen. Die Amplitude der s-Wellen-Streuung verletzt ab einer Schwerpunktsenergie von etwa 1,2
TeV die Unitarität, also die Wahrscheinlichkeitserhaltung. Die Einführung eines skalaren Bosons, das
an die W-Bosonen proportional zu deren Masse koppelt (gHW W ∝ MW ), führt auf weitere Beiträge
zur W-Paar-Streuung und erhält so die Unitarität. Ähnliche Überlegungen für die Fermionen des Standardmodells führen auf entsprechende Kopplungen gHf f ∝ mf . Die kleinste Darstellung eines solchen
skalaren Higgs-Feldes, mit dem sich das bekannte Teilchenspektrum beschreiben lässt, ist ein komplexes
Isospindublett
1
Φ3 + iΦ4
Φ=
mit schwacher Hyperladung Y = 1 und Isospin IW =
(3)
Φ1 + iΦ2
2
mit vier reellen Parametern Φi . Die dazugehörige Lagrangedichte hat die Form
LHiggs = (Dµ Φ)† (Dµ Φ) − V (Φ)
2
†
†
V (Φ) = µ Φ Φ + λ(Φ Φ)
2
(4)
λ>0
(5)
mit der kovarianten Ableitung
1
~ µ − 1 ig ′ Y Bµ )Φ .
Dµ Φ = (∂µ − ig~σ W
2
2
(6)
Die Eichbosonen der elektroschwachen Wechselwirkung werden hier durch ein masseloses Isotriplett
~ µ zu SU (2)I und ein masseloses Isosingulett Bµ zu U (1)Y beschrieben.
W
W
Für µ2 <0 hat das Potential V beliebig viele gleichberechtigte Minima 6= 0. Durch die Auswahl eines
5
solchen Minimums als Grundzustand wird die Symmetrie des Systems spontan gebrochen. Eine Wahl,
3 + Y /2)Φ = 0) führt, ist
die zu einem elektrisch neutralen Vakuum (QΦ0 = (IW
0
1
0
√
Φ0 =
,
(7)
v
2
wobei der Valkuumerwartungswert aus der Messung der Fermi-Konstanten zu v = 246 GeV bestimmt
werden kann. Das physikalische Spektrum des Higgs-Feldes kann man durch Oszillationen
!
0
(8)
Φ(x) = exp(i~
ρ(x)σ)
v+H(x)
√
2
um den Grundzustand < Φ0 > beschreiben. Für jeden gebrochenen Generator einer Symmetrie erhält man ein masseloses Goldstone-Boson. Hier sind das die drei Komponenten von ρ
~ aus der Brechung
U (1)Y ×SU (2)IW nach U (1)Q . Diese drei Freiheitsgrade werden nicht als Teilchen beobachtet, sondern
über die Wahl der unitären Eichung in die Longitudinalkomponenten der W und Z-Bosonen überführt,
die dadurch ihre Masse erhalten. Dies ist der Higgs-Kibble-Mechanismus. Einsetzen in die Lagrangedichte ergibt:
LHiggs = (∂µ H)(∂ µ H) − µ2 H 2
(9)
2
2
2
2
1 g (v + H)
1 g (v + H)
+ ·
|Zµ |2
(10)
|Wµ+ |2 + |Wµ− |2 + ·
2
4
2 4cos2 θW
Die Masseneigenzustände der beobachteten schweren Bosonen Wµ± und Zµ und dem masselosen Photon
~ µ und Bµ ,
Aµ ergeben sich aus der Mischung der Vektorfelder W
r
1
±
Wµ =
Wµ1 ∓ iWµ2
(11)
2
Aµ = Bµ cosθW + Wµ3 sinθW
(12)
Zµ = −Bµ sinθW + Wµ3 cosθW
(13)
mit dem schwachen Mischungswinkel θW (sinθW ≈ 0,231). Jetzt kann man Yukawa-Wechselwirkungsterme für die Kopplungen des Higgs-Feldes an die Fermionen in die Lagrangedichte schreiben.
i
h
(14)
LY ukawa = −gf R(Φ† L) + (LΦ)R
Sowohl für die W- und Z-Bosonen, als auch für die Fermionen führen die Wechselwirkungsterme durch
den nicht verschwindenden Vakuumerwartungswert des Higgs-Feldes auf Massenterme, die die Eichsymmetrie erhalten. Der Propagator eines massebehafteten Teilchens setzt sich zusammen aus dem freien Propagator 1/q 2 und der Summe über j = 1..∞ aller Propagatoren mit j Wechselwirkungen mit dem
Higgs-Hintergrundfeld Φ0 (siehe Gl. 15,16). Setzt man den Wert dieser konvergenten geometrischen
Reihe mit der Form des massebehafteten Propagators 1/(q 2 − M 2 ) gleich, erhält man einen linearen Zusammenhang zwischen den Massen M , mf der Teilchen und ihren Kopplungen g, gf an das Higgs-Feld.
Der einzige unbekannte Parameter ist die Higgs-Boson-Masse mH oder äquivalent dazu die quartische
Higgs-Selbstkopplung λ = m2H /(2v 2 ).
6
2 Grundlagen
X 1
1
1
→ 2+
2
q
q
q2
j
"
gv
√
2
2
1
q2
#j
=
q2
1
1 X 1 gf v 1 j
1
√
→ +
=
q
q
q
q − mf
2 q
j 1
− M2
=⇒
=⇒
v
M = g√
2
v
mf = gf √
2
(15)
(16)
Abbildung 1: Veranschaulichung der Massengenerierung durch Kopplung an das Higgs-Hintergrundfeld in
Formeln und diagrammatisch.
Oben: W- bzw. Z-Eichboson-Propagator
Unten: Fermionpropagator
Theoretische und experimentelle Grenzen auf die Higgs-Boson-Masse
Wie im letzten Abschnitt erwähnt, ermöglicht die Existenz eines Higgs-Bosons die Erhaltung der Unitarität in der W-Paarstreuung. Dies gilt allerdings nur, wenn die Higgs-Boson-Masse etwa 1 TeV nicht
übersteigt. Eine Untergrenze auf die Higgs-Boson-Masse ergibt sich aus der Forderung nach einem stabilen Vakuum, d.h. dass die quartische Selbstkopplung λ(Q2 ) bis zu einer bestimmten Skala Q = Λ positiv
bleibt, das Higgs-Potential also ein stabiles Minimum hat. Je größer die Higgs-Masse ist, desto schneller
steigt λ mit der Energieskala und erreicht den sogenannten Landau-Pol. Verlangt man die Gültigkeit des
Standardmodells, also Vakuumstabilität und keinen Landau-Pol bis zur Planck-Skala von Λ ≈ 1019 GeV,
muss die Higgs-Masse etwa im Bereich 130 < mH < 190 GeV liegen (siehe Abb. 2).
Abbildung 2: Grenzen auf die Higgs-Masse in Abhängigkeit von der Skala, bis zu der das SM gültig sein
soll [3].
7
Eine experimentelle Untergrenze auf die Higgs-Boson-Masse haben die direkten Suchen der vier Experimente Aleph, Delphi, L3 und Opal bei LEP2 geliefert. Dieser Elektron-Positron-Speicherring wurde
von 1989 bis 2000 betrieben und hat mit einer maximalen Schwerpunktsenergie von 209 GeV eine
Standardmodell-Higgs-Masse von weniger als 114,4 GeV mit 95% Vertrauensniveau ausgeschlossen.
Desweiteren kombiniert die “LEP Elektroweak Working Group“ [5] elektroschwache Observablen, die
an den LEP-Experimenten gemessen wurden, mit Ergebnissen anderer Experimente, wie D0, CDF, NuTeV und SLD. Die ∆χ2 -Verteilung einer Anpassung der Standardmodellparameter an diese Daten in
Abhängigkeit der Higgsmasse ist in Abb. 3 dargestellt. Der von dieser Anpassung favorisierte Wert liegt
mit 76 GeV deutlich unterhalb der Ausschlussgrenze. Das Standardmodell bevorzugt also ein leichtes Higgs-Boson. Unter Berücksichtigung der Ausschlussgrenze und theoretischer und experimenteller
Unsicherheiten kann man ein SM-Higgs-Boson mit einer Masse von über 182 GeV mit 95% Vertrauensniveau ausschließen.
Abbildung 3: ∆χ2 der Anpassung von Standardmodellparametern an Daten in Abhängigkeit der HiggsMasse [5].
Higgs-Boson-Produktion, -Zerfall und Entdeckungspotential am LHC
In vorhergehenden Studien der ATLAS-Kollaboration [6, 8, 9] wurde gezeigt, dass das ATLAS-Experiment mit einer Datenmenge, die einer integrierten Luminosität von 30 fb−1 entspricht, in der Lage ist, ein
Standardmodell-Higgs-Boson im gesamten nicht ausgeschlossenen Massenbereich nachzuweisen (Abb.
4). Von Nachweis oder Entdeckung spricht man, wenn die Signalsigifikanz 5σ erreicht, d.h. in einem
Zählexperiment ein Überschuss an Ereignissen gefunden wurde, der mindestens fünfmal so groß ist, wie
die Unsicherheit auf die erwartete Anzahl der Untergrundereignisse3 . Da die Higgs-Kopplung an ein Teilchen proportional zu dessen Masse ist, wird der Zerfall H → W W im Bereich mH ≈ 2 × mW , wo das
Higgs in zwei W-Bosonen auf deren Massenschale zerfallen kann, dominant (Abb. 5). Schon ab mH >
130 GeV trägt der Zerfallskanal H → W W mit einem virtuellen W maßgeblich zum Entdeckungspotential bei und ist für mH ≈ 170 GeV die einzige signifikante Nachweismöglichkeit. Dabei bietet der
dileptonische
Zerfallskanal trotz des geringen Verzweigungsverhältnisses von BR(W → lν) = 10,8%,
P
bzw. l=e,µ BR(W W → lνlν) = 4,5%, die besten Möglichkeiten zur Trennung des Signals vom Untergrund. Die Mechanismen zur Higgs-Produktion mit dem größten Wirkungsquerschnitt (Abb. 6) sind
2
3
Large Electron-Positron Collider
Die Wahrscheinlichkeit einer Fluktuation des Untergrundes um > 5σ ist 3 · 10−7
8
2 Grundlagen
die Gluon-Fusion und die Vektor-Boson-Fusion (Abb. 7). Dabei bietet die Vektor-Boson-Fusion durch
die Produktion zusätzlicher Jets im Vorwärts- und Rückwärtsbereich des Detektors eine klarere Signatur.
Dadurch ergibt sich trotz des kleineren Wirkungsquerschnittes ein höheres Entdeckungspotential für die
Zerfallskanäle H → τ τ und H → W W .
Abbildung 4: Entdeckungspotential für ein Standardmodell-Higgs-Boson bei einer integrierten Luminosität
von 30 fb−1 , entnommen aus [9].
9
Abbildung 5: Verzweigungsverhältnisse des Standardmodell-Higgs-Zerfalls in Abhängigkeit von der HiggsBoson-Masse, entnommen aus [10].
Abbildung 6: Wirkungsquerschnitte der verschiedenen SM-Higgs-Boson-Produktionsprozesse am LHC bei
einer Schwerpunktsenergie von 14 TeV [11]. Die Vektor-Boson-Fusion qq → qqH ist bis zur nächstführenden Ordnung (NLO, engl.: Next-to-Leading Order) in der QCD-Entwicklung (Quantenchromodynamik,
Eichtheorie der starken Wechselwirkung) berechnet worden, die Gluon-Fusion gg → H noch eine weitere
Ordnung genauer (NNLO, engl.: Next-to-Next-to-Leading Order).
Abbildung 7: Beispiel-Feynman-Graphen für Higgs-Boson-Produktion in Gluon-Fusion (GF, links) und
Vektor-Boson-Fusion (VBF, rechts).
10
3 Der LHC und das ATLAS-Experiment
3 Der LHC und das ATLAS-Experiment
3.1 Der Large Hadron Collider (LHC)
Der Large Hadron Collider ist ein Proton-Proton-Collider mit einer Schwerpunktsenergie von 14 TeV
und einer geplanten Luminosität von 1034 cm−2 s−1 . Die Protonen-Pakete haben einen Abstand von 25
ns. Man erwartet bei jeder Kollision im Mittel etwa 23 Proton-Proton-Wechselwirkungen. Der LHC wird
voraussichtlich im Mai 2008 in Betrieb genommen. Er soll in einer dreijährigen Anfangsphase mit einer
niedrigeren Luminosität von 1033 cm−2 s−1 betrieben werden, mit nur etwa 2-3 Wechselwirkungen pro
Kollision.
Einige wichtige Begriffe, die später immer wieder aufgegriffen werden, sind:
• Harter Prozess
Parton-Parton-Wechselwirkung mit dem höchsten Impuls transversal zur Strahlachse in einer Proton-Proton-Kollision.
• Unterliegendes Ereignis (UE)
Wechselwirkung zwischen anderen Partonen im gleichen Proton-Proton-Paar wie das harte Ereignis.
• Minimum-Bias-Ereignisse
Inelastische Wechselwirkungen zwischen weiteren Proton-Proton-Paaren.
• Pile-Up
Da der zeitliche Abstand zwischen den Kollisionen geringer als die Auslesezeit des Kalorimeters
ist, wird das Signal des betrachteten harten Prozesses nicht nur von Minimum-Bias-Ereignissen
der gleichen Kollision, sondern auch der Kollisionen davor und danach überlagert. In der MonteCarlo-Produktion (siehe Abschnitt 5) wird die Überlagerung der sogenannten “hits“, also Treffer
im inneren Detektor und Energieeinträge im Kalorimeter, vom hartem Prozess (inklusive UE) mit
“hits“ aus separat generierten Minimum-Bias-Ereignissen von -36 bis +32 Kollisionen relativ zur
betrachteten Kollision als “Pile-Up“ bezeichnet.
3.2 Der ATLAS-Detektor
Abbildung 8 zeigt den ATLAS-Detektor mit seinen wichtigsten Komponenten. Ich beschränke mich
hier auf eine Einführung in die Beschreibung von Spur-Objekten bzw. geladenen Teilchen relativ zur
Detektor-Geometrie und gehe etwas genauer auf den inneren Detektor zum Nachweis von geladenen
Spuren und das Kalorimeter zur Energiemessung aller wechselwirkenden Teilchen ein. Darstellung und
angegebene Größen sind [6] entnommen.
Koordinatensystem und wichtige Größen
Die Strahlrichtung definiert die z-Achse, die x-y-Ebene steht senkrecht zum Strahl. Dabei zeigt die xAchse vom Wechselwirkungspunkt zur Mitte des LHC-Speicherrings und die y-Achse nach oben. Der
Azimuth-Winkel φ wird um die Strahlachse herum gemessen und der Polar-Winkel θ gegen die Strahlachse.
Die Pseudorapidität ist definiert als η = −ln tan (θ/2) und ist eine gute Näherung4 für die Rapidität
L
y = 12 ln E+p
E−pL . Bei den bei Hadron-Collidern üblichen Energien kann man die Partonen innerhalb des
Protons, also Quarks und Gluonen, als quasi-frei betrachten. Die Wechselwirkungen finden zwischen
diesen Partonen statt, deren Anteil x am Impuls des Protons im Einzelfall unbekannt ist. Somit ist auch
der Lorentz-Boost des Parton-Parton-Schwerpunktsystems in z-Richtung unbekannt. Die Rapidität ist
4
in dem hier normalerweise gegebenen Fall E >> m0
3.2 Der ATLAS-Detektor
11
Abbildung 8: Der ATLAS-Detektor.
bei Hadron-Collidern eine nützliche Größe, da Abstände ∆y Lorentz-invariant und damit unabhängig
vom Lorentz-Boost in z-Richtung sind. Desweiteren ist der η-φ-Parameter-Raum des Detektors gleichmäßig mit
p Jets aus QCD-Wechselwirkungen belegt. Abstände in diesem Parameter-Raum werden mit
∆R = (∆η)2 + (∆φ)2 angegeben.
p
Statt des Teilchenimpulses p wird oft dessen Anteil transversal zur Strahlachse pT = (px )2 + (py )2
verwendet, ebenfalls wegen des unbekannten Lorentz-Boosts in z-Richtung. Die in einer Wechselwirkung produzierten Teilchen sind pT -balanciert, d.h. die vektorielle pT -Summe aller Teilchen ist Null.
Bei einem Detektor, der den gesamten Raumwinkelbereich abdeckt, ist es somit möglich, den in dieser
Bilanz fehlenden transversalen Impuls pmiss
auf nicht wechselwirkende Teilchen, wie z.B. Neutrinos
T
zurückzuführen.
X
p~Tmiss = −
p~Ti
über alle nachgewiesenen Teilchen i
(17)
i
Die Flugbahn eines geladenen Teilchens in einem homogenen Magnetfeld lässt sich durch eine Helix mit
den folgenden fünf Parametern beschreiben.
• 1/pT
p
Reziproke des Impulses transversal zur Strahlachse, wobei pT = (px )2 + (py )2 .
• φ
Azimuth-Winkel am sogenannten "point of closest approach", also dem Punkt mit dem geringsten
Abstand in der transversalen Ebene zwischen Helix und Strahlachse, wobei tan(φ) = py /px .
• d0
Transversaler Stoßparameter, definiert als transversaler Abstand zur Strahlachse am "point of
closest approach"; das Vorzeichen wird entsprechend folgender Konvention gewählt: Sei φ0 der
Azimuth-Winkel zum "point of closest approach", dann ist d0 positiv, wenn φ0 − φ = π2 + n · 2 · π
mit n ∈ Z0 [7].
12
3 Der LHC und das ATLAS-Experiment
• cot(θ)
Kotangens des Polarwinkels, wobei cot(θ) = pz /pT .
• z0
Longitudinaler Stoßparameter, definiert als z-Komponente des "point of closest approach".
Der Stoßparameter kann dazu verwendet werden, zu entscheiden, ob das Teilchen direkt vom Primäroder einem Sekundär-Vertex vom Zerfall eines anderen Teilchens stammt. Diese Information wird beispielsweise in der Identifikation von Teilchenbündeln (Jets) aus der Hadronisierung von Bottom-Quarks
genutzt, da B-Hadronen durchschnittlich noch einige Millimeter im Detektor zurücklegen, bevor sie zerfallen.
Spur- und Vertexrekonstruktion im inneren Detektor
Der innere Detektor (siehe Abb. 9) befindet sich in einem 2T Solenoid-Magnetfeld. Über die Krümmung
der geladenen Spur lässt sich dadurch der Impuls eines Teilchens bestimmen. Für eine möglichst exakte Bestimmung von Sekundär-Vertizes ist es notwendig, Spurpunkte mit hoher Auflösung nah an der
Strahlachse zu messen. Diese Aufgabe übernimmt der Silizium-Pixel-Detektor mit seinen drei Lagen im
Zentralbereich mit 50,5 mm, 88,5 mm und 122,5 mm Abstand zur Strahlachse und je drei Scheiben im
Vorwärts- und Rückwärtsbereich. Darauf folgt der Silizium-Streifen-Detektor (SCT) mit vier Lagen und
je neun Scheiben. Diese sind auf beiden Seiten mit leicht gegeneinander verkippten Streifendetektoren
belegt, die so auch die Messung der z-Position ermöglichen. Die Pixel- und Streifen-Sensoren funktionieren nach dem Prinzip einer in Sperr-Richtung geschalteten Diode. Geladene Teilchen erzeugen auf
ihrer Bahn durch den depletierten Bereich Elektronen-Loch-Paare. Diese beweglichen Ladungsträger
werden durch ein elektrisches Feld gesammelt und ausgelesen. Die letzte und äußerste Komponente des
inneren Detektors ist der Übergangsstrahlungsdetektor (TRT) mit 50000 sogenannten “Straw Tubes“ im
Zentral- und 320000 im Vorwärts- und Rückwärtsbereich. Vereinfacht handelt es sich bei einer Straw
Tube um ein 4 mm dünnes Proportional-Zählrohr. Die Kombination aus wenigen sehr genau bekannten
Spurpunkten der Halbleiterdetektoren und den vielen Spurpunkten mit etwas schlechterer Auflösung im
TRT sind ein guter Ausgangspunkt für eine stabile Spuranpassung. Laut [6] erreicht der innere Detektor
folgende Auflösung für Transversalimpuls und transversalen Stoßparameter in Abhängigkeit von pT (in
GeV):
1
13
√
σ
(TeV−1 )
(18)
≈ 0,36 ⊕
pT
pT sinθ
73
√
σ (d0 ) ≈ 11 ⊕
(µm)
(19)
pT sinθ
Der TRT kann außerdem zur Teilchenidentifikation beitragen. Die Übergangsstrahlung, die erzeugt wird,
wenn ein geladenes Teilchen in die zwischen den Straw Tubes liegende Folie eintritt, trägt ebenfalls zur
Ionisation des Gases in den Straw Tubes bei. Ein Elektron verliert bei gleichem Impuls mehr Energie
durch Übergangsstrahlung als ein Pion aufgrund des höheren Lorentz-Faktors γ = E/m. Die in den
Straw Tubes durch Ionisations-Kaskaden verstärkte Ladung ist nährungsweise proportional zur primär
erzeugten Ionisationsladung. So lässt sich durch einen Schnitt auf die Anzahl der sogenannten “HighThreshold-Hits“, also TRT-Signale über einer bestimmten Pulshöhe, bei einer Elektronen-Akzeptanz von
90% eine Pion-Unterdrückung von etwa 100 erreichen (d.h. eine Pion-Akzeptanz von ca. 1%).
Kalorimetrie zur Messung von Teilchenenergien
Das Kalorimeter-System des ATLAS-Detektors (Abb. 10) ist ein sogenanntes “Sampling - Kalorimeter“, in dem sich Schichten aus aktiven Materialen zum Teilchennachweis mit passiven Absorbern für
3.2 Der ATLAS-Detektor
13
Abbildung 9: Quadrant des Detektors mit Halbleiterdetektoren, TRT und elektromagnetischem Kalorimeter.
die Schauerbildung abwechseln. Das elektromagnetische Kalorimeter (ECal, Abb. 11) besteht aus akkordeonartig angeordneten Kaptonelektroden, flüssigem Argon als aktivem und Blei als passivem Material.
Die Akkordeon-Struktur ermöglicht eine komplette φ-Symmetrie und schnelle elektronische Auslese.
Für Elektronen und Photonen wird eine Energieauflösung von
σ E
E
10%
≈p
E/GeV
(20)
√
erwartet. Die Abhängigkeit σE ∝ E ergibt sich daraus, dass die Entwicklung von Schauern im Kalorimeter ein statistischer Prozess ist. Die Anzahl der produzierten Teilchen N ist proportional zur Primärenergie.
Für große N lässt sich also die statistische
Schwankung in der Nachweiswahrscheinlichkeit
√
√
mit N und damit die Energieauflösung mit E beschreiben. Das hadronische Kalorimeter (HCal)
besteht im Zentralbereich bis |η| < 1,7 aus Platten von Plastik-Szintillatoren (sogenannten Tiles) und
Bleiabsorbern. Für das hadronische Endkappenkalorimeter (1,5 < |η| < 3,2) und das Vorwärtskalorimeter (3,1 < |η| < 4,9) wurde aufgrund der höheren Strahlenhärte flüssiges Argon verwendet. Die
Energieauflösung für Jets wird voraussichtlich bei
σ E
E
50%
≈p
⊕ 3%
E/GeV
(21)
liegen.
Bei niedriger Luminosität erwartet man für den fehlenden transversalen Impuls das folgende Auflösungsvermögen:
qX
ET /GeV
(GeV)
(22)
≈
0,46
·
σ pmiss
x,y
P
Dabei ist ET die Summe über die transversalen Energien aller Kalorimeterzellen.
14
3 Der LHC und das ATLAS-Experiment
Abbildung 10: Die ATLAS-Kalorimeter.
Abbildung 11: Ausschnitt aus dem elektromagnetischen Kalorimeter im Zentralbereich. Die drei “Samplings“ werden auch als Lagen des Kalorimeters bezeichnet.
15
4 Higgs-Boson-Suche im Kanal H → W W → lνlν
4.1 Signatur des Produktionsprozesses
4.1.1 Gluon-Fusion (GF)
Die Gluon-Fusion (Abb. 12) ist der Produktionsprozess mit dem größten Wirkungsquerschnitt. Da das
Higgs-Boson nicht direkt an masselose Teilchen koppelt, erfolgt die Produktion über eine Quarkschleife.
Dabei ist die Top-Quark-Schleife der dominante Beitrag, da die Higgs-Top-Kopplung gHtt aufgrund der
großen Top-Masse besonders stark ist. Die beiden Gluonen und damit das Higgs-Boson haben meist wenig pT , das von anderen Partonen kompensiert werden müsste. Daher wird außer den Zerfallsprodukten
des Higgs-Bosons kaum Aktivität im Detektor erwartet. Dies wird im Zerfall H → W W → lνlν durch
ein Veto gegen Jets ausgenutzt.
Dabei ist zu bedenken, dass es abgesehen vom Signalprozess noch weitere Quellen für Jets wie UE und
Minimum-Bias-Ereignisse gibt. Desweiteren kann Pile-Up die Jet-Energie-Messung verfälschen bzw erschweren (siehe Abschnitt 3.1).
Abbildung 12: Beispiel-Feynman-Graph für Higgs-Boson-Produktion in Gluon-Fusion.
4.1.2 Vektor-Boson-Fusion (VBF)
Obwohl die Vektor-Boson-Fusion (Abb. 13) einen kleineren Wirkungsquerschnitt hat als die GluonFusion, bietet dieser Prozess doch das größere Entdeckungspotential, da die Jet-Signatur eine bessere Signal-Untergrund-Trennung ermöglicht [9]. Die beiden eingehenden Partonen strahlen jeweils ein
schweres Vektor-Boson (W,Z) ab und erhalten so ausreichend pT um im Vorwärtsbereich des Detektors
nachgewiesen zu werden. Die Jets dieser beiden Partonen werden Tagging-Jets5 genannt. Die beiden Woder Z-Bosonen fusionieren zu einem Higgs-Boson. Da zwischen den Partonen im harten Prozess keine
Farbladung ausgetauscht wird, erwartet man im Bereich zwischen den beiden Jets nur geringe Aktivität,
abgesehen von den Zerfallsprodukten des Higgs-Bosons. Diesen Umstand nutzt das sogenannte “MiniJet-Veto“, das als Veto gegen zusätzliche Jets in einem festen zentralen η-Bereich oder zwischen den
beiden Tagging-Jets umgesetzt werden kann. Zusätzlich oder alternativ kann man auch verlangen, dass
Tagging-Jets und Higgs-Boson-Zerfallsprodukte in pT balanciert sind. Letztere Variante des “Mini-JetVetos“ wurde in [12] entwickelt.
Abbildung 13: Beispiel-Feynman-Graph für Higgs-Boson-Produktion in Vektor-Boson-Fusion.
5
aus dem Englischen von “to tag - markieren“
16
4 Higgs-Boson-Suche im Kanal H → W W → lνlν
4.2 Signatur der Zerfalls-Produkte
Die Kinematik im Prozess H → W W → lνlν wird von Spinkorrelationen zwischen den W-Bosonen
stark beeinflusst (siehe Abb. 14). Betrachten wir dazu das Ruhesystem des Higgs-Bosons. Für mH ≈
2×mW sind die beiden W-Bosonen in diesem System ebenfalls fast in Ruhe. Das Higgs-Boson ist skalar,
daher sind die Spins der beiden W-Bosonen entgegengesetzt orientiert. Da das Neutrino linkshändig ist,
wird es entgegengesetzt der Spinrichtung des W + ausgesandt und das positive Lepton dementsprechend
in Spinrichtung. Das Umgekehrte gilt für den W − -Zerfall. Daraus ergibt sich, dass sich die geladenen Leptonen bevorzugt in die gleiche Richtung und die beiden Neutrinos entgegengesetzt bewegen.
Dementsprechend ist ein kleiner Abstand in η und φ zwischen den beiden Leptonen charakteristisch für
den Signalprozess (siehe Abb. 41, 42 in Abschnitt 7.1 und 49 in Abschnitt 8.2). Diese Charakteristik
wird undeutlicher, wenn mH deutlich verschieden von 2 × mW ist.
Abbildung 14: Skizze zur Erläuterung der Spinkorrelation in H → W W → lνlν.
Da sich die longitudinalen Komponenten der Neutrinos nicht bestimmen und auch deren Beiträge zum
fehlenden transversalen Impuls nicht trennen lassen, kann man die Higgs-Boson-Masse nicht direkt rekonstruieren. In [13] wird eine Methode beschrieben, wie unter einigen Annahmen und der Verwendung
der W-Boson-Masse als Zwangsbedingung eine Rekonstruktion möglich ist. Da diese Methode numerische Probleme und schwer einzuschätzende systematische Fehler mit sich bringt, wird hier wie in den
bisherigen Analysen der ATLAS-Kollaboration die transversale Masse verwendet. Die transversale Masse des Lepton-Neutrino-Systems ist definiert als
q
(ETllmiss )2 − (pllmiss
)2
(23)
mT (llν) =
T
q
→
→
(ETll + ETmiss )2 − (−
p llT + −
p miss
)2
(24)
=
T
Die Spinkorrelationen motivieren die Annahme, dass mll und mνν vernachlässigbar sind und die Näherung ETll ≈ pllT und ETmiss ≈ pmiss
gültig ist.
T
q
→
→
⇒ mT (llν) =
2pllT pmiss
− 2−
p llT −
p miss
(25)
T
T
q
2pllT pmiss
(1 − cos∆φ)
(26)
mT (llν) =
T
mit dem Winkel ∆φ zwischen dem Zwei-Lepton-System und dem pmiss
-Vektor in der transversalen
T
Ebene. Diese kann aber nur maximal so groß wie die Higgs-Boson-Masse werden, nämlich in dem
Grenzfall, dass das Higgs-Boson keinen Longitudinal-Impuls hat, sämtliche Zerfallsprodukte transversal
zur Strahlachse ausgesandt werden und dabei die Impulse der geladenen Leptonen und der Neutrinos
jeweils parallel liegen6 . Daher hat die mT (llν)-Verteilung des Signals eine charakteristische Kante7 bei
6
7
Das entspricht exakt der in Abb. 14 skizzierten Konfiguration.
In der Messung der W-Boson-Masse an Hadron-Collidern anhand der transversalen Masse mT (lν) zeigt sich eine vergleichbare Verteilung. Das Maximum einer solchen transversalen Masse wird auch als Jacobi-Spitze bezeichnet [14].
4.3 Untergrundprozesse
17
der Higgs-Boson-Masse (siehe Abb. 42 in Abschnitt 7.1 und Abb. 47 in Abschnitt 7.2). In Gleichung 26
werden die invarianten Massen der Lepton- bzw Neutrino-Paare vernachlässigt. Nutzt man wieder die
Annahme, dass die W-Bosonen im Ruhe-System des Higgs-Bosons ebenfalls in Ruhe sind, können die
invarianten Massen gleichgesetzt werden mll ≈ mνν . Damit lassen sich dann wie folgt die transversalen
Energien des Lepton- und des Neutrino-Systems und die transversale Masse berechnen.
q
ETll =
(pllT )2 + m2ll
(27)
q
ETνν =
(pmiss
)2 + m2ll
(28)
T
q
→
→
(ETll + ETνν )2 − (−
p llT + −
p miss
)2
(29)
MT =
T
Die beiden alternativen Definitionen mT (llν) und MT werden in den Analysen verglichen. Die Verwendung einer bestimmten Definition wird im Einzelfall motiviert.
4.3 Untergrundprozesse
Hier werden die wichtigen Untergrundprozesse zu den beiden Analysen H → W W → lνlν in GluonFusion und in Vektor-Boson-Fusion aufgelistet und ihre Kinematik erläutert.
• tt
Abbildung 15: Beispiel-Feynman-Graph für tt-Produktion.
Die Top-Quarks zerfallen zu nahezu 100% in je ein Bottom-Quark und ein W-Boson. Zerfallen die
W-Bosonen leptonisch, besteht der Endzustand aus zwei Leptonen, fehlendem Transversalimpuls
und zwei b-Jets. Je nach dem, ob die b-Jets rekonstruiert werden und genug Transversalimpuls
haben, können sie ein Veto auslösen oder Tagging-Jet-Kandidaten abgeben. Die Produktion von
tt-Paaren ist mit einem Wirkungsquerschnitt von
X
σtt × (
BR(W → lν))2 = 51 pb
(30)
l=e,µ,τ
ein wichtiger Untergrund für die Analysen in Gluon-Fusion und Vektor-Boson-Fusion.
18
4 Higgs-Boson-Suche im Kanal H → W W → lνlν
• Wt
Abbildung 16: Beispiel-Feynman-Graph für Wt-Produktion.
Wt hat den gleichen Endzustand wie tt, nur einen b-Jet weniger. Die Abstrahlung eines harten
Gluons könnte den zweiten Tagging-Jet-Kandidaten liefern. Der Wirkungsquerschnitt beträgt
X
σW t × (
BR(W → lν))2 = 6,5 pb.
(31)
l=e,µ,τ
• WWjj
Abbildung 17: Beispiel-Feynman-Graphen für WWjj-Produktion.
Links: elektroschwacher (EW) Prozess
Rechts: QCD-Prozess
Für die VBF-Analyse ist dieser Prozess wegen des exakt gleichen Endzustands ein wichtiger Untergrund. Der elektroschwache Prozess (4 elektroschwache Vertizes) hat einen kleinen Wirkungsquerschnitt
X
EW
σW
BR(W → lν))2 = 109 fb,
(32)
W jj × (
l=e,µ,τ
jedoch eine sehr ähnliche Kinematik wie das Signal. Der QCD-Prozess hat einen deutlich größeren
Wirkungsquerschnitt von
X
QCD
σW
BR(W → lν))2 = 17 pb,
(33)
W jj × (
l=e,µ,τ
aber die Kinematik ist VBF-untypisch und durch den Farbaustausch zwischen den Partonen wird
mehr hadronische Aktivität im Zentralbereich des Detektors erwartet.
4.3 Untergrundprozesse
19
• Zjj
Abbildung 18: Beispiel-Feynman-Graphen für Zjj-Produktion.
Links: elektroschwacher Prozess
Rechts: QCD-Prozess
Im Zerfall Z → τ τ → lννlνν erhält man alle Komponenten des VBF-Endzustandes und auch die
Zerfälle Z → ee/µµ können durch die begrenzte ETmiss -Auflösung zum Untergrund beitragen.
Für die Kinematik der EW- und QCD-Anteile gilt ähnliches wie für WWjj.
• qq → W W
Abbildung 19: Beispiel-Feynman-Graph für den Prozess qq → W W .
Der Hauptuntergrund zu H → W W in Gluon-Fusion ist die direkte Produktion von W-BosonPaaren mit
X
σqq→W W × (
BR(W → lν))2 = 7,7 pb.
(34)
l=e,µ,τ
• gg → W W
Abbildung 20: Beispiel-Feynman-Graph für den Prozess gg → W W .
Dieser Beitrag zur W-Boson-Paarproduktion ist in der bisherigen ATLAS-Analyse [8] nicht berücksichtigt worden. In [27] ist ein Monte-Carlo-Generator für diesen Prozess vorgestellt und der
Wirkungsquerschnitt zu
X
σgg→W W × (
BR(W → lν))2 = 540 fb
(35)
l=e,µ,τ
berechnet worden. Allerdings liegt die theoretische Unsicherheit bei etwa 20%.
20
4 Higgs-Boson-Suche im Kanal H → W W → lνlν
• Z,WZ,ZZ
Abbildung 21: Beispiel-Feynman-Graphen für Z-,WZ- und ZZ-Produktion.
Für die Analyse in Gluon-Fusion kann die Produktion von Z-Bosonen, insbesondere im Zerfall
Z → τ τ → lννlνν und auch WZ-Produktion mit W → lν, Z → ll und ZZ-Produktion mit
Z → ll, Z → νν, zum Untergrund beitragen.
• W+Jets
Abbildung 22: Beispiel-Feynman-Graphen für W-Produktion mit zusätzlichen Jets
im Endzustand.
W-Boson-Produktion mit zusätzlichen Jets im Endzustand kann bei beiden Analysen zum Untergrund beitragen, wenn ausser dem Lepton aus dem W-Boson-Zerfall noch weitere Leptonen
im Ereignis rekonstruiert werden, seien es Fehlidentifikationen oder echte Leptonen aus HadronZerfällen. Der Wirkungsquerschnitt
X
σW +Jets ×
BR(W → lν) = 52 nb
(36)
l=e,µ,τ
P
liegt drei Größenordnungen über σtt × ( l=e,µ,τ BR(W → lν))2 . Bei den bisherigen Suchen
nach dem Higgs-Boson im Zerfall H → W W → lνlν am Proton-Antiproton-Collider Tevatron
mit den beiden Experimenten D0 und CDF ist W+Jets ein wichtiger Untergrund [15, 16]. In der
ATLAS-Analyse [8] in GF ist W+Jets nur mit schneller Detektorsimulation untersucht worden.
Die ATLAS-Analyse [9] in VBF vernachlässigt W+Jets vollständig. Dieser Untergrund wird in
Abschnitt 6.2 genauer diskutiert.
4.3 Untergrundprozesse
21
• bb
Abbildung 23: Beispiel-Feynman-Graph für bb-Produktion.
Aufgrund des großen Wirkungsquerschnitts von σbb = 500 µb ist die Abschätzung des Untergrundes aus bb-Produktion mit semileptonischen b-Hadron-Zerfällen schwierig. Ein Ansatz dazu
wird in Anhang B diskutiert. In den genannten Analysen [8, 9] wird der bb-Untergrund vernachlässigt.
22
5 Monte-Carlo-Generierung, Detektor-Simulation
und Ereignis-Rekonstruktion
5 Monte-Carlo-Generierung, Detektor-Simulation
und Ereignis-Rekonstruktion
Abbildung 24 zeigt schematisch den
gesamten Verlauf der Monte-CarloProduktionskette
mit voller Simulation des Detektors
im Rahmen der ATLAS-UmgebungsSoftware ATHENA.
Zunächst wird das Matrixelement des
zu beschreibenden Prozesses berechnet. Es beschreibt die Übergangswahrscheinlichkeit zwischen ein- und ausgehenden Teilchen, abhängig von deren Quantenzahlen, wie Impuls, Spin
etc. Die eingehenden Teilchen im Matrixelement sind nicht Protonen, sondern Partonen, also Quarks und Gluonen, die entsprechend den PartonDichte-Funktionen ausgewählt werden,
welche die Impulsdichte der Partonen im Proton beschreiben. In dieser
Arbeit wird dafür ausschließlich die
Parametrisierung CTEQ6L1 [17] verwendet. Der Wirkungsquerschnitt ergibt sich durch Integration über den
Phasenraum. Zur Beschreibung weiterer Wechselwirkungen innerhalb einer
Abbildung 24: Schematische Darstellung der Monte-CarloProton-Proton-Kollision wird zum ErProduktion.
eignis üblicherweise noch ein einfacher, in der Regel weicher 2 → 2 QCDStreuprozess hinzugefügt. Zusätzliche starke und elektromagnetische Abstrahlungen im Anfangs- und
Endzustand beschreibt der sogenannte Partonschauer. Anschließend folgt die Hadronisierung, also der
Übergang von Gluonen und Quarks zu Hadronen, und Zerfälle von kurzlebigen Teilchen. Damit ist die
Ereignisgenerierung abgeschlossen. Die Eigenschaften des Ereignisses auf diesem sogenannten Generatorniveau werden als “wahre“ Größen bezeichnet.
Die Simulation des Antwortverhaltens der verschiedenen Detektorkomponenten auf das Ereignis wird
mit dem Programm G EANT 4 [18] durchgeführt. Wünschenswert wäre die Simulation sämtlicher PhysikProzesse zwischen 10 eV (z.B. Ionisationspotential des LAr im Kalorimeter) und 1 TeV. Dabei muss aber
ein Kompromiss zwischen Genauigkeit und Rechenzeit geschlossen werden. Besonders aufwendig ist
hierbei die Simulation der Schauerbildung im Kalorimeter, so dass die untere Grenze hier auf etwa 100
keV angehoben wird. In dieser Arbeit wird zur Beschreibung des Detektors das Layout ATLAS-CSC-0102-00 verwendet, in dem auch Material z.B. des Kryostaten oder der Ausleseelektronik und realistische
Fehler in der Ausrichtung der Komponenten zueinander berücksichtigt werden.
Die so produzierten Daten, wie Treffer im inneren Detektor und Energieeinträge im Kalorimeter, werden
dann digitalisiert und auf ein Format gebracht, welches auch der echte Detektor als Aufzeichnung eines
realen Ereignisses liefern würde.
Wie in Grafik 24 zu erkennen, besteht die Möglichkeit die Schritte Simulation, Digitalisierung und Rekonstruktion durch die schnelle Detektorsimulation mit ATLFast [19] zu ersetzen. Dabei werden die Ereignisse auf Generatorniveau entsprechend einer Parametrisierung verschmiert, die auf der vollen Simu-
5.1 Verwendete Monte-Carlo-Generatoren
23
lation basiert. Nachweiswahrscheinlichkeiten werden nicht berücksichtigt; Formen elektromagnetischer
und hadronischer Schauer und der Einfluss des Detektors auf Isolationsvariablen werden nur oberflächlich modelliert. Aufgrund des hohen Rechenaufwands der vollen Simulation8 ist die schnelle Simulation
trotzdem ein wichtiges Hilfsmittel.
Die in dieser Arbeit verwendeten Monte-Carlo-Daten sind ausschließlich im Limes verschwindender
Luminosität generiert worden, d.h. ohne Minimum-Bias-Ereignisse und Pile-Up. In den folgenden Abschnitten werde ich auf die Unterschiede der verwendeten Generatoren eingehen und anschließend erläutern, wie aus realen Daten - oder deren Simulation - Ereignisse rekonstruiert werden.
5.1 Verwendete Monte-Carlo-Generatoren
• Pythia6.4 [20]
Pythia ist ein bewährter Vielzweckgenerator, der eine Vielzahl von festgelegten Prozessen beschreibt. Außer dem harten Prozess selbst lassen sich in Pythia ebenfalls Partonschauer und Fragmentation modellieren.
• Sherpa1.0.9 [21]
Sherpa produziert den Quellcode für einen Generator, der dann Ereignisse des zuvor spezifizierten
Prozesses generiert. Dabei müssen nur Anfangs- und Endzustand definiert werden, dann berücksichtigt Sherpa alle beitragenden Graphen bis auf Schleifendiagramme. Die Anzahl der starken und
elektroschwachen Vertizes kann festgelegt, bzw. eingeschränkt werden. Sherpa berechnet Matrixelemente mit bis zu 6 Teilchen im Endzustand. Eine Besonderheit dieses Generators ist die Kombination von Matrixelement und Partonschauer zur Beschreibung von Gluon-Abstrahlungen. Die
divergenten kollinearen Abstrahlungen werden im Partonschauer zusammengefasst, während harte Abstrahlungen besser im Matrixelement beschrieben werden. Der dabei entstehende Überlapp
im Phasenraum wird nachträglich entfernt. Diese in [22] vorgestellte Methode wird als “CKKWMatching“ bezeichnet. Sie ermöglicht oft eine bessere Beschreibung der Ausläufer von Jet-pT Verteilungen. Daher eignet sich Sherpa insbesondere, um der Frage nachzugehen, inwiefern zusätzliche Abstrahlungen in Untergrundprozessen in einer VBF-Analyse als Tagging-Jets akzeptiert werden oder welche Auswirkungen die genauere Beschreibung von Abstrahlungen auf das
wichtige Veto gegen zentrale Jets hat. Dies wurde in [23, 24] ausführlich untersucht. In Sherpa1.0.9 werden das Partonschauer- und das Fragmentationsmodell von Pythia6.2 verwendet. Das
Sherpa1.0.9-eigene Datenformat wurde mit dem Paket ReadSherpa_i-00-00-19 in ATHENA eingelesen.
• AcerMC3.4 [25]
AcerMC ist auf einige Standardmodell-Prozesse am LHC spezialisiert und beschreibt nur den
harten Prozess selbst. In der ATLAS-Kollaboration wird er neben anderen zur Beschreibung von
Top-Quark-Produktionsprozessen verwendet. Die Ereignisse wurden in ATHENA mit Pythia eingelesen, um dessen Fragmentations- und Partonschauermodell zu verwenden.
• MadGraph/MadEvent (Version 4) [26]
MadGraph funktioniert nach einem ähnlichen Prinzip wie Sherpa. Auch hier können die Anzahl
der Vertizes, Anfangs-, End- aber auch intermediäre Zustände vorgegeben werden. Die Helizitätsamplituden aller beitragenden Baumdiagramme werden berechnet. Vierervektor und Spininformationen des harten Prozesses werden im XML-Format ausgegeben. Dieses wurde in ein älteres
MadGraph-Format konvertiert, das von ATHENA12.0.6 gelesen werden kann. Auch hier wird Pythia für Fragmentation und Partonschauer verwendet.
8
Simulation, Digitalisierung und Rekonstruktion dauert mindestens 10 Minuten pro Ereignis auf einem AMD Opteron 2.2GHz
CPU.
Zum Vergleich: Unter eine Sekunde pro Ereignis mit ATLFast.
5 Monte-Carlo-Generierung, Detektor-Simulation
und Ereignis-Rekonstruktion
24
• gg2WW [27]
Der Prozess gg → W W enthält in niedrigster Ordnung eine Quarkschleife, so dass er von Generatoren, die nur Baumdiagramme zulassen, nicht berücksichtigt wird. In der Analyse H → W W
ohne weitere Jets ist der Beitrag nicht vernachlässigbar, wie in [28] gezeigt wurde. Die hier verwendeten Ereignisse wurden von M. Dührssen und N. Kauer mit gg2WW generiert und in das
AcerMC-Format konvertiert.
5.2 Ereignisrekonstruktion
Zur Rekonstruktion von vollständig simulierten Ereignissen wird das Software-Paket
RecExCommon-00-07-04-53 in ATHENA12.0.6 verwendet. Die Spurrekonstruktion erfolgt mit dem Paket NewTracking [31], das ausgehend von den Paketen XkalMan und IPatRec [32] weiterentwickelt
wurde.
5.2.1 Jet-Rekonstruktion
Es stehen Rekonstruktionsalgorithmen mit verschiedenen, aber festen Kegelgrößen (Cone) und einer
flexiblen Gruppierungsmethode (Kt) mit verschiedenen Abstandsparametern zur Verfügung. Der ConeJetalgorithmus bildet ausgehend von einem “Seed“, also einer Keimzelle im Kalorimeter mit mindestens
1 GeV, den Schwerpunkt aller Kalorimeter-Cluster in einem festen Kegel. In dem neuen Kegel um diesen
Schwerpunkt wird dann iterativ immer wieder ein neuer Schwerpunkt berechnet, bis der Schwerpunkt
stabil und dadurch die Jet-Achse festgelegt ist. Die Objekte, auf denen der Algorithmus operiert, können sogenannte Kalorimeter-“Tower“ sein, deren seitliche Ausdehnung in allen Lagen des Kalorimeters
gleich ist, oder aber topologischen Cluster, bei denen Zellen in den verschiedenen Lagen des Kalorimeters flexibler zusammengefasst werden, um dem transversalen Schauerprofil Rechnung zu tragen. In
dieser Arbeit werden “Cone4TopoJets“ verwendet, also der ConeJet-Algorithmus mit einer Kegelgröße
von ∆R = 0.4 auf topologischen Clustern angewandt. Studien [33] haben gezeigt, dass Cone und Kt
ähnliche Ergebnisse liefern. Etwas kleinere Kegel wie ∆R = 0.4 und die topologischen Cluster bieten
im Vorwärtsbereich des Detektors eine höhere Nachweiswahrscheinlichkeit. Dies ist natürlich insbesondere im Hinblick auf die Identifikation von Vektor-Boson-Fusions-Ereignissen anhand der Vorwärts-Jets
wichtig.
5.2.2 Myon-Identifikation
Das verwendete Paket MUID kombiniert Spuren, die jeweils im inneren Detektor (ID) und im MyonSystem (MS) rekonstruiert wurden. Dazu wird die ID-Spur bis zum Myon-System extrapoliert, unter Berücksichtigung mehrerer Streu-Ebenen, die das Kalorimeter und weiteres Material repräsentieren. Dabei
kann auch die Energiedeposition im Kalorimeter miteinbezogen werden. Nun wird die Übereinstimmung
zwischen der extrapolierten Spur und den Spur-Kandidaten im MS geprüft. Für die beste Kombination
und alle weiteren, deren χ2match -Wahrscheinlichkeit besser als 0.001 ist, wird eine kombinierte Spuranpassung durchgeführt. Das χ2f it dieser Anpassung und χ2match sind die wichtigsten Qualitätskriterien
eines Myon-Kandidaten.
5.2.3 Elektron-Identifikation
Das Material des inneren Detektors vor dem ECal gemittelt über |η| < 2,5 beträgt etwa eine halbe
elektromagnetische Wechselwirkungslänge X0 . Beispielsweise haben etwa 20% aller Elektronen beim
Verlassen des inneren Detektors schon die Hälfte ihrer Energie durch Bremsstrahlung verloren. Die Energieeinträge des Elektrons und der Bremsstrahlungsphotonen im ECal liegen normalerweise nah beeinander und können zusammengefasst werden (zu einem sogenannten Cluster), so dass die Energiemessung relativ unbeeinträchtigt bleibt. Bei der Impulsmessung werden verschiedene Methoden angewandt,
5.2 Ereignisrekonstruktion
25
z.B. kann eine kontinuierliche Änderung der Krümmung erlaubt werden, bei der Kalman-Filter-Methode
kann der Energieverlust durch einen zusätzlichen Fehlerterm berücksichtigt werden oder der Impuls wird
nur aus den ersten Siliziumlagen bestimmt. Die Methoden liefern für Elektronen mit ≈ 20 GeV ähnliche
pT -Auflösungen im Bereich 2 − 4%. Zur Elektron-Identifikation bzw. insbesondere zur Elektron-PionTrennung werden verschiedene Variablen verwendet. Auf diese werden optimierte Schnitte angewandt
und die Akzeptanzen werden jeweils als logische Bits zur Variablen isEM zusammengefasst.
Die folgenden Erläuterungen der in isEM verwendeten Variablen richtet sich nach [34], und entsprechen
der Definition von isEM in der verwendeten Athena-Version.
• Energiedeposition im hadronischen Kalorimeter
Die sogenannte “hadronic leakage” ist definiert als Verhältnis aus der transversalen Energie in
einem ∆η × ∆φ = 0,2 × 0,2-Fenster der ersten Lage des hadronischen Kalorimeters zur transversalen Energie, die im EM-Kalorimeter rekonstruiert wurde. Elektronen deponieren typischerweise
weniger als 2% ihrer Energie im hadronischen Kalorimeter.
• Zweite Lage des EM-Kalorimeters (siehe Abb. 11 in Abschnitt 3.2)
Elektromagnetische Schauer deponieren den größten Teil ihrer Energie in der zweiten Lage des
EM-Kalorimeters. Die Form des Schauers wird durch folgende Variablen ausgedrückt:
– Die seitliche Ausdehnung elektromagnetischer Schauer ist meist begrenzt auf einen Bereich
von ∆η × ∆φ = 3 × 7 Zellen. Somit liegt das Verhältnis Rη (37) aus transversaler Energie
in einem ∆η × ∆φ = 3 × 7-Cluster und dem dazugehörigen ∆η × ∆φ = 7 × 7-Cluster nahe
Eins. Für hadronische Jets erhält man lange Ausläufer zu niedrigen Werten.
– Die Breite des Schauers wird in einem Fenster von ∆η × ∆φ = 3 × 5 Zellen unter Verwendung der Summe über alle Zellpositionen in η, gewichtet mit der Energie, berechnet.
ωη 2 =
s P
2
EZelle × ηZelle
P
EZelle
−
P
EZelle × ηZelle
P
EZelle
2
(37)
• Erste Lage des EM-Kalorimeters
Die erste Lage des EM-Kalorimeters ist in Streifen segmentiert, die eine feine Granularität in η
bieten. Dadurch wird die Auflösung von Substrukturen in Schauern, beispielsweise von π 0 - oder
η-Teilchen in Jets, ermöglicht.
– Hadronische Schauer enthalten oft zwei Maxima. In einem Bereich ∆η × ∆φ = 0,125 × 0,2
um die Zelle mit dem höchsten Energieeintrag wird nach einem zweiten Maximum gesucht
und ∆E = Emax2 − Emin , die Differenz zwischen der dem zweiten Maximum zugeordneten Energie und dem kleinsten Energieeintrag in einem Streifen zwischen den Maxima, als
diskriminierende Variable gewählt. Ebenfalls verwendet wird
∆Emax2 = Emax2 /(1 + 9 · 10−3 ET /GeV) ,
(38)
wobei ET die transversale Energie des gesamten ECal-Clusters ist.
– Die Breite des Schauers wird in einem ∆η × ∆φ = 0,0625 × 0,2-Fenster (etwa 40 Streifen)
bestimmt.
s P
Ei × (i − imax )2
P
(39)
ωη 1 =
Ei
Dabei ist i die Streifennummer, Ei die im Streifen deponierte Energie und imax bezeichnet
den höchstenergetischen Streifen.
5 Monte-Carlo-Generierung, Detektor-Simulation
und Ereignis-Rekonstruktion
26
– Die verbliebenen schmalen Schauer werden durch zwei weitere Variablen charakterisiert.
Fside =
E(±3) − E(±1)
E(±1)
(40)
mit E(±n) der Energie in ±n Streifen um den Höchstenergetischen und der Breite des
Schauers unter Einschränkung auf ±3 Streifen um das Maximum:
s P
Ei × (i − imax )2
P
(41)
ω3Streif en =
Ei
• Verwendung des inneren Detektors zur Elektron-Identifikation
Nach Schnitten auf die vorhergehenden Variablen wird der Untergrund von Photon-Konversionen
und Jets mit wenigen geladenen Spuren und hochenergetischen π 0 -Mesonen dominiert. Dieser
kann reduziert werden, indem man eine gute Spur-Qualität verlangt und überprüft, wie gut Spur
und ECal-Cluster räumlich und energetisch zu einander passen.
– Spurqualität
∗ mindestens 9 Präzisionstreffer (Pixeldetektor und SCT)
∗ mindestens zwei Treffer im Pixeldetektor, davon einer in der innersten Lage
∗ transversaler Stoßparameter |d0 | < 1 mm
– Räumliche Übereinstimmung von Spur und ECal-Cluster
L1
∆η = |ηCluster
− ηID | und ∆φ = |φL2
Cluster − φID |
L1
Dabei wird ηCluster in der fein in η segmentierten ersten Lage des ECals berechnet und
φL2
Cluster in der zweiten, da diese die feinere Segmentierung in φ besitzt. ηID bzw. φID sind
die Pseudorapidität und der Azimuthalwinkel der Spur, extrapoliert zum ECal.
– Das Verhältnis E/p der im ECal gemessenen Energie zum Impuls der im inneren Detektor
vermessenen Spur sollte für Elektronen nahe 1 liegen.
– Übergangsstrahlendetektor (TRT)
Entsprechend der Erläuterung in Abschnitt 3.2 wird das Verhältnis aus der Anzahl Treffer
über einer bestimmten Pulshöhe zur Gesamt-Trefferzahl als trennende Variable verwendet.
Die Breite eines Teilchen-Schauers ist das wichtigste Kriterium um mit dem ECal elektromagnetische
und hadronische Schauer zu unterscheiden. Hadronische Schauer sind typischerweise breiter. In der ersten und zweiten Lage des Kalorimeters werden mehrere Variablen (ωη2 , ωη1 , Fside , ω3Streif en ) zur Beschreibung der Schauerbreite verwendet, die dementsprechend für elektromagnetische Schauer kleinere
Werte aufweisen als für hadronische. Dabei wird die Breite immer nur in η berechnet, da Schauer von
Elektronen aufgrund der Bremsstrahlung in φ aufgeweitet sind.
In der Analyse werden zur Elektron-Vorselektion alle isEM-Bits abgefragt, bis auf das TRT-Bit. Ob das
TRT-Bit das Verhältnis von Signal zu Untergrund verbessert, kann von der Art der Analyse abhängen
und ist nur auf Basis sehr großer voll simulierter Monte-Carlo-Datensätze oder echter Daten zu beurteilen. Im Rahmen dieser Arbeit würde die Verwendung des TRT-Bits nur zu einer etwas niedrigeren
Nachweiswahrscheinlichkeit führen. Die Unterdrückung von Jets durch isEM mit TRT in der verwendeten ATHENA-Version liegt laut einer Studie [35] bei 0,2 − 0,5 · 105 . In dieser Studie ist ebenfalls eine
Likelihood-Diskriminante entwickelt worden, die auf isEM-ähnlichen Variablen basiert und eine etwas
bessere Jet-Unterdrückung liefert. Diese ist allerdings erst ab ATHENA-Version 13 verfügbar.
5.2.4 Lepton-Isolation
Leptonen aus Hadron-Zerfällen sind normalerweise nicht isoliert, d.h. es gibt hadronische Aktivität in
ihrer Nähe. Dasselbe erwartet man beispielsweise für geladene Pionen, die als Elektronen fehlidentifiziert wurden.
5.2 Ereignisrekonstruktion
27
Die wichtigste Variable um Isolation von Elektronen zu beschreiben ist etcone, definiert als transversale Energie im elektromagnetischen und hadronischen Kalorimeter in einem Kegel um das Elektron,
abzüglich der transversalen Energie, die dem Elektron selbst zugeordnet ist.
X
etcone =
ET (ECal-Zelle)
(42)
∆R(l± ,ECal-Zelle)<0.45
+
X
ET (HCal-Zelle)
(43)
∆R(l± ,HCal-Zelle)<0.45
−
X
ET (ECal-Zelle)
(44)
∆η×∆φ(l± ,ECal-Zelle)<2,5×3,5 ZL2
Das zu subtrahierende Fenster im ECal hat die Größe ∆η ×∆φ = 5×7ZL2 , wobei ZL2 = 0,025×0,025
die Zellengröße in der zweiten ECal-Lage bezeichnen soll. Im Zentralbereich entspricht ZL2 ungefähr
einem Molière-Radius, in dem durchschnittlich 90% der Energie eines elektromagnetischen Schauers
enthalten sind. Das Fenster ist in φ etwas größer als in η gewählt, da der Schauer durch die Ablenkung des Elektrons im Magnetfeld und die daraus resultierende Bremsstrahlung in φ verbreitert wird.
Die verwendeten Kalorimeterzellen sind auf elektronisches Rauschen korrigiert, so dass ideal isolierte
Leptonen im Mittel ein etcone von Null aufweisen. Das Rauschen ist proportional zur Wurzel aus der
Anzahl der Zellen, also proportional zum Kegelradius mit etwa 3GeV × ∆R. Dadurch sind auch leicht
negative etcone-Werte möglich. Für verschiedene Kegelgrößen ∆R = 0,2/0,3/0,4... wird etcone mit
etcone20/etcone30/etcone40... bezeichnet, dabei ist etcone ≡ etcone45. Die Definition von etcone
wird für Myonen genauso gewählt. Die Entsprechung von etcone auf Generatorniveau wird im Folgenden true_etcone genannt und ist die vektorielle pT -Summe aller stabilen wechselwirkenden Teilchen in
einem Kegel um das Lepton.
X
−
→
p T (ww.Teilchen)
(45)
true_etcone =
∆R(l± ,ww.Teilchen)<0.45
Da die Energien der Kalorimeterzellen zur Berechnung von etcone unkalibriert sind, ist zu erwarten,
dass etcone deutlich unterhalb des entsprechenden true_etcone liegt. Die zur Rekonstruktion verwendete ATHENA-Version 12.0.6 enthält leider zwei Fehler bei der Berechnung von etcone. Erstens ist das
zu subtrahierende Fenster im ECal doppelt so groß in φ wie beschrieben. Zweitens wurde die Subtraktion des sogenannten “TileGap3“ vergessen. Dabei handelt es sich um eine Korrektur, die basierend auf
einem Szintillator in der Lücke zwischen Szintillator-Tiles und den Endkappen bei η ≈ 1.5 den Energieverlust im Kryostaten und anderem passivem Material ausgleichen soll (siehe Abb. 9 in Abschnitt 3.2).
Da ein Elektron in dieser Lücke Energie in diesem Szintillator deponiert, muss diese Energie ebenfalls
abgezogen werden. Ersteres lässt sich auch als nicht optimale Definition auffassen. Zweiteres führt dazu,
das lokal bei η ≈ 1.5 Elektronen als schlechter isoliert erscheinen als sie sind, was effektiv eine leichte
Verschlechterung der Nachweiswahrscheinlichkeit nach sich zieht. Etwas Ähnliches könnte beim realen
Detektor bei der Datennahme ebenfalls passieren. Aus diesem Grund und weil die offiziellen, zentral
produzierten Datensätze, die bei Anfertigung der Arbeit zur Verfügung standen, diese Fehler ebenfalls
enthalten, wurde auf eine Korrektur verzichtet.
28
6 W-Produktion mit zusätzlichen Jets im Endzustand
6 W-Produktion mit zusätzlichen Jets im Endzustand
Abb. 25 zeigt Wirkungsquerschnitte und Produktionsraten für verschiedene Prozesse am LHC. Der Wirkungsquerschnitt für die W-Produktion beträgt etwa 200 nb und liegt damit vier Größenordnungen über
dem für die Higgs-Produktion.
In diesem Abschnitt wird zunächst auf eine Besonderheit der W-Produktion an einem Proton-ProtonCollider eingegangen, nämlich die W + W − -Asymmetrie. Weiterhin wird diskutiert, wie die W-Produktion zum Untergrund zu H → W W → lνlν beiträgt und wie dieser Untergrund effizient mit Hilfe der
im letzten Abschnitt beschriebenen vollen Simulation abgeschätzt werden kann.
Abbildung 25: Wirkungsquerschnitte und Produktionsraten für verschiedene Prozesse in Proton-(Anti-)
Proton-Kollisionen als Funktion der Schwerpunktsenergie.
6.1 W + W −-Asymmetrie
Die Produktionswirkungsquerschnitte σW für W + - und W − -Bosonen sind am LHC unterschiedlich groß
und haben unterschiedliche Abhängigkeiten von der Rapidität y. Die folgenden Erläuterungen richten
6.1 W + W −-Asymmetrie
29
sich nach [36]. Dafür ist es zunächst ausreichend, sich auf den Prozess in führender Ordnung (LO, leading
order) qq → W zu beschränken, da dieser den Wirkungsquerschnitt mit etwa 80% dominiert.
Abbildung 26: Zerlegung des LO-Wirkungsquerschnitts für W-Produktion in die Flavour der eingehenden
Quarks [36].
Abb. 26 zeigt eine Zerlegung des Wirkungsquerschnittes in die Flavour der eingehenden Quarks. Den
größten Beitrag liefern ud → W + und du → W − . Dominant ist dabei an einem pp-Collider die Streuung
von Valenzquarks an See-Antiquarks. Nimmt man weiterhin an, dass die Partondichtefunktionen für
Anti-Up- und Anti-Down-Quarks im See gleich sind, erwartet man angesichts des Proton-Valenz-QuarkInhalts uud:
σ −
d u
d
d·u
R∓ = W ≈
= · ≈ ≈ 0,5
(46)
σW +
u d
u
u·d
Zieht man alle Quark-Flavour in Betracht und verwendet die Partondichtefunktionen MRST99 [36, 37]
erhält man für den LHC eine Erwartung von:
R∓ = 0,731 ± 0,005
(47)
Die Rapiditätsverteilungen für W + und W − sind symmetrisch um yW = 0, aber sehr unterschiedlich
für große yW (siehe Abb. 27). Die Erhöhung in der W + -Verteilung ab yW ≈ 3 rührt von der Streuung
von Valenz-Up-Quarks mit großem Impulsanteil x1 an Anti-Down-Quarks mit kleinem x2 her. Für die
Produktion massiver Teilchen über 2 → 1-Prozesse ist eine Relation von x1 und x2 durch die Masse des
30
6 W-Produktion mit zusätzlichen Jets im Endzustand
produzierten Teilchens näherungsweise9 festgelegt:
2
Q2 = ŝ = x1 x2 s = MW
(48)
Dabei entspricht die Skala Q des harten Streuprozesses im s-Kanal gerade der Schwerpunktsenergie des
Parton-Parton-Systems ŝ, die über x1 und x2 mit der Proton-Proton-Schwerpunktsenergie s verknüpft
ist. Dadurch lässt sich ein Impulsanteil xi aus der Definition der Pseudorapidität eliminieren:
1
1
E + pL
x1
yW = ln
(49)
= ln
2
E − pL
2
x2
Gl.48
=⇒
MW
x1 = √ eyW
s
und
MW
x2 = √ e−yW
s
(50)
Das Verhältnis der Rapiditätsverteilungen ist gegeben durch das Verhältnis der PDF-Produkte, ausgewertet bei den x1 und x2 , die den yW entsprechen.
R∓ (yW ) =
d(x1 ) u(x2 )
dσ/dyW (W − )
d(x1 ) · u(x2 )
=
≈
·
dσ/dyW (W + )
u(x
u(x1 ) · d(x2 )
1 ) d(x2 )
(51)
Für x2 → 0, d.h. auch steigende Rapidität yW , wird die Annahme u(x2 )/d(x2 ) → 1 sehr gut erfüllt,
da die See-PDFs immer weniger durch Interferenz mit den Valenz-PDFs beeinflusst werden. Somit ist
R∓ (yW ) bei großen Rapiditäten yW (d.h. großem x1 und kleinem x2 ) ein direktes Maß für das d/u2 .
Verhältnis der Partonen bei großem x und Q2 = MW
R∓ (yW ) ≈
d(x1 )
u(x1 )
(52)
Hierbei wurden wieder die Beiträge von Strange- und schwereren Quarks vernachlässigt. Des Weiteren sind die Rapiditätsverteilungen der W-Bosonen nicht direkt, sondern nur über die Verteilungen der
Leptonen experimentell messbar.
Abbildung 27: Rapiditätsverteilungen der W + - und W − -Bosonen am LHC (100 000 Ereignisse generiert
mit Pythia6.4).
9
Dies wird als “narrow width approximation“ bezeichnet.
6.2 W+Jets als Untergrund zu dileptonischen Endzuständen
31
6.2 W+Jets als Untergrund zu dileptonischen Endzuständen
Beschränkt man sich auf den Kanal H → W W → lνlν, stehen bei einer integrierten Luminosität von
30 fb−1 etwa 1,5 · 109 leptonisch zerfallende W-Bosonen ungefähr 50000 Signalereignissen gegenüber.
Wird in einem W+Jets Ereignis ein weiteres Lepton rekonstruiert, erhält man einen ähnlichen Endzustand wie beim Signal. Solche Leptonen können Fehlidentifikationen sein oder aber echte Leptonen, die
natürlicherweise in Hadron-Zerfällen vorkommen. Laut [6, 35] wird eine Unterdrückung von Jets in der
Elektron-Identifikation von etwa 105 erwartet10 . Die Wahrscheinlichkeit, dass beispielsweise ein geladenes Pion durch das Kalorimeter schlägt und ein Signal im Myon-System hinterlässt, wird durch die
Dicke des Kalorimeters in Einheiten der hadronischen Wechselwirkungslänge λ bestimmt. Kalorimeter
und zusätzliche Strukturen vor den Myonkammern liefern mit 11λ eine Durchschlagswahrscheinlichkeit
von e−11 ≈ 10−5 . Die Durchschlagrate liegt damit 3-4 Größenordnungen unterhalb der Produktionsrate für prompte Myonen aus Charm-, Bottom-, oder K/π-Zerfällen [38]. Die Rate für Myonen, die in
hadronischen Schauern im Kalorimeter entstehen, liegt 2-3 Größenordnungen unter der prompten Rate.
Beide Typen können durch Vergleich der Spuren in innerem Detektor und Myon-System und der im Kalorimeter deponierten Energie weiter unterdrückt werden [39]. Um solche Fehlidentifikationen genau zu
modellieren, müssten etwa 105 Ereignisse die gesamte in Abschnitt 5 beschriebene zeitintensive Generationskette durchlaufen, um ein potentiell relevantes Ereignis zu erhalten. In dieser Arbeit werden daher
nur Ereignisse mit zusätzlichen echten Leptonen betrachtet.
6.2.1 Vorselektion von W+Jets-Ereignissen auf Generatorniveau
Ereignisse mit echten Leptonen aus Hadron-Zerfällen lassen sich gezielt auf Generatorniveau auswählen,
so dass nur die potentiell relevanten Ereignisse die gesamte Generationskette durchlaufen müssen. Beispielsweise ist es möglich mit einem Generatorfilter nur Ereignisse auszuwählen, die zwei Leptonen mit
jeweils einem Minimum an transversalem Impuls im η-Akzeptanzbereich des Detektors enthalten. Durch
eine solche Selektion werden Zerfälle langlebiger Hadronen, wie K/π → µν nicht berücksichtigt. Dieser
Beitrag wird in Anhang A diskutiert. Desweiteren soll hier untersucht werden, ob ein Isolations-Schnitt
auf Generatorniveau möglich ist, um die Effizenz bei der Auswahl relevanter Ereignisse zu erhöhen.
Ein Schnitt auf Generatorniveau sollte immer ausreichend weicher gewählt werden, als der entsprechende Analyseschnitt. Beispielsweise liegt die Auflösung für den Transversalimpuls pT von Leptonen mit
pT = 15 GeV bei etwa 3%. Ein Schnitt von pT > 13 GeV auf Generatorniveau liegt damit etwa 4,4 σ
unterhalb des entsprechenden Analyse-Schnittes pT > 15 GeV. Der Verlust relevanter Ereignisse ist also
vernachlässigbar. Abbildung 28 zeigt das pT -Spektrum von Leptonen aus Hadronzerfällen aufgeschlüsselt nach dem Quarkinhalt des Elternteilchens. Hierfür wurden zwei Datensätze kombiniert, um den
niedrig-pT -Bereich, aber insbesondere die Ausläufer gut darzustellen. Für den Bereich ab 13 GeV sind
mit Pythia6.4 etwa 100 Millionen W+Jets-Ereignisse generiert und auf 2 Leptonen mit pT > 13 GeV
in |η| < 2.7 gefiltert worden. Die Filterakzeptanz beträgt (4,90 ± 0,02) · 10−4 . Die an das pT -Spektrum
angepasste Pametrisierung11
1
NEreignisse
mit
×
dNLeptonen
exp(−pT /p0T )
= N orm ·
dpT
(pT )α
N orm = 0,038 ± 0,001
p0T = 17,6 ± 0,3 GeV
(GeV −1 )
(53)
α = 2,08 ± 0,01
fällt stärker als exponentiell. Daher ist es im Hinblick auf eine effiziente Auswahl relevanter Ereignisse sinnvoll, schon auf Generatorniveau einen möglichst harten pT -Schnitt ausreichend unterhalb des
Analyseschnitts anzuwenden. Es wird also für die Erstellung der W+Jets-Datensätze für die folgenden
10
11
siehe auch Abschnitt 5.2.3
Die Wahl der Funktion ist nicht physikalisch motiviert, sondern sollte bei möglichst wenig Parametern eine akzeptable
Anpassung an die Daten ermöglichen und somit ein Maß für das Gefälle geben.
32
6 W-Produktion mit zusätzlichen Jets im Endzustand
Analysen ein Generatorfilter
"DiLep A": Mindestens 2 Leptonen mit pT > 13 GeV innerhalb |η| < 2,7
(54)
verwendet. Außerdem wäre eine Anhebung des pT -Schnitts in der Analyse eine effektive Möglichkeit
zur Unterdrückung von W+Jets.
Abbildung 28: pT -Spektrum von Leptonen aus Hadronzerfällen zerlegt in den Quarkinhalt der Elternteilchen
(Generatorniveau). Die Skala auf der Y-Achse ist als Wahrscheinlichkeit interpretierbar, in einem W+JetsEreignis ein Lepton aus dem W-Zerfall mit pT > 13 GeV und |η| < 2,7 und ein weiteres Lepton aus einem
Hadron-Zerfall mit |η < 2,7| in dem auf der X-Achse gegebenen 1 GeV -pT -Interval zu finden. Es wurde eine
Parametrisierung (Gleichung 53) an das Spektrum angepasst.
Abbildung 28 zeigt weiterhin, dass Charm-Hadronen, wie beispielsweise D± ,D0 ,Ds den größten Beitrag zu leptonischen Hadron-Zerfällen liefern. Mesonen mit einem Charm- oder Bottomquark zerfallen
schwach und haben somit einen recht großen Anteil leptonischer Zerfallskanäle. Die Produktion von
W+Charm ist aber gegenüber W+Bottom aus den folgenden Gründen deutlich bevorzugt. Die Partondichtefunktion (PDF) von Strange-Quarks im Proton ist bei kleinem Impulsanteil (kleinem Bjorken-x)
ähnlich groß wie die PDFs von Up- oder Down-Quarks. Für die Produktion von W-Bosonen bei einer
Schwerpunktsenergie von 14 TeV sind kleine Impulsanteile der Partonen ausreichend. Damit trägt der
Prozess gs → W c (Abb. 29) durch den Übergang innerhalb der selben Quark-Generation signifikant zur
W-Boson-Produktion mit einem zusätzlichen Quark bei. Die Produktion von W+Bottom ist nur mit einer
anderen Quark-Generation, wie gu → W b, gc → W b möglich und durch die entsprechenden CKMMatrixelemente und die kleinere Charm-PDF unterdrückt. Der Prozess W + bb über Gluon-Aufspaltung
(Abb. 29) ist daher der wichtigere Prozess zur Produktion von Bottom-Hadronen, allerdings zwei Größenordnungen kleiner als W+Charm.
6.2 W+Jets als Untergrund zu dileptonischen Endzuständen
33
Abbildung 29: Beispiel-Feynmangraphen für W + c - und W + bb - Produktion. Nach Sherpa betragen die
P
Wirkungsquerschnitte
etwa σ(W + c + 0,1,2Jets) × l=e,µ,τ BR(W → lν) = 2 nb bzw. σ(W + bb +
P
0,1,2Jets) × l=e,µ,τ BR(W → lν) = 22 pb.
In der Schnittanalyse verlangt man, dass die rekonstruierten Leptonen isoliert sind, beispielsweise mit
einem Schnitt auf etcone20 < 10 GeV. Abbildung 30 zeigt die Verteilung der entsprechenden Generatorgröße true_etcone20, wieder aufgeschlüsselt nach den Elternteilchen der Leptonen. Leptonen aus
b-Hadron-Zerfällen sind offensichtlich deutlich isolierter als solche aus Charm- oder insbesondere leichten Hadronen. Je massiver ein Quark, desto größer ist der Impulsanteil des Hadrons, das dieses Quark
nach der Fragmentation trägt, am Impuls des ursprünglichen Quarks. Damit bleibt für weitere Teilchen
aus der Fragmentation eines b-Quarks weniger Impuls übrig. Außerdem erhalten Leptonen aus Zerfällen
schwerer Teilchen mehr Transversalimpuls bzgl. der Flugrichtung ihres Elternteilchens. Beides trägt zur
Isolation bei. Daher erhöht sich der relative Beitrag von W + bb nach einem Isolationsschnitt und sollte
nicht vernachlassigt werden.
Abbildung 30: true_etcone20-Spektrum von Leptonen aus Hadronzerfällen zerlegt in den Quarkinhalt der
Elternteilchen (Generatorniveau). Zum Vergleich ist auch die Verteilung für Leptonen aus W-Zerfällen dargestellt. Alle Leptonen erfüllen pT > 13 GeV und |η| < 2,7.
34
6 W-Produktion mit zusätzlichen Jets im Endzustand
Verlangt man in den W+Jets-Ereignissen mit zwei Leptonen über 13 GeV zusätzlich true_etcone20 <
15 GeV für beide Leptonen, wird der Untergrund schon vor der vollen Simulation um einen weiteren
Faktor 7 unterdrückt. Um festzustellen, ob ein solcher Schnitt möglich ist, ohne relevanten Untergrund
zu verlieren, muss zunächst die Auflösung von etcone20 untersucht werden. Dafür wurden mit Sherpa
zwei Datensätze mit den Endzuständen l+ν +charm und l+ν +charm+2jets erstellt. Diese enthalten
jeweils etwa 10000 Ereignisse mit zwei Leptonen über 13 GeV pT . In verschiedenen true_etconeIntervallen12 wurden an die Verteilung von etcone/true_etcone Gausskurven angepasst (Beispiel Abb.
31), deren Erwartungswerte und Standardabweichungen in den Graphen 32 und 33 gegen das Zentrum
des true_etcone-Intervalles aufgetragen sind.
Abbildung 31: Verteilung von etcone20/true_etcone20 im Intervall 80 GeV
160 GeV mit Anpassung einer Gauß-Kurve.
< true_etcone20 <
Der Erwartungswert lässt sich in Abhängigkeit der etcone-Energie folgendermaßen parametrisieren:
etcone
−true_etcone
= a − (a − b) · exp
(55)
true_etcone
c
mit
etcone
a =
(true_etcone → ∞) = (84,6 ± 0,8)%
true_etcone
etcone
(true_etcone → 0) = (45,9 ± 2,3)%
b =
true_etcone
c = (60,3 ± 6,6) GeV
Da es sich bei etcone um unkalibrierte Energie handelt, ist das Verhältnis aus rekonstruierter zu tatsächlicher Energie mit einem Wert von deutlich unter 1 zu erwarten. Bei niedrigeren true_etcone-Werten
12
Es wurden die Intervalle 10 − 20(5 − 20), 20 − 40, 40 − 80, 80 − 160 und 160 − 320 GeV gewählt, um in allen Intervallen
ähnlich viele Ereignisse zu finden.
6.2 W+Jets als Untergrund zu dileptonischen Endzuständen
35
Abbildung 32: Erwartungswert der angepassten Gauß-Kurve, aufgetragen gegen die Mitte des true_etconeIntervalls. Die Funktion < etcone/true_etcone > (siehe Gleichung 55) wurde an die Daten angepasst.
36
6 W-Produktion mit zusätzlichen Jets im Endzustand
Abbildung 33: Standardabweichung der angepassten Gauß-Kurve, aufgetragen gegen die Mitte des true_etcone-Intervalls. Die Funktionen σ(etcone20)/true_etcone20 (s. Gl. 56) und
σ(etcone45)/true_etcone45 (s. Gl. 57) wurden jeweils an die Daten mit den entsprechenden Kegelgrößen angepasst. Zum Vergleich ist die untere Kurve Cone4Jets σ(E)/E (s. Gl. 58) eingezeichnet, welche
die Auflösung von unkalibrierten Jets angibt, die mit dem Cone-Algorithmus und einer Kegelgröße von
∆R = 0.4 rekonstruiert wurden [6].
6.2 W+Jets als Untergrund zu dileptonischen Endzuständen
37
sinkt das Verhältnis noch weiter ab. Niederenergetische Teilchen können durch das Magnetfeld eher aus
dem Kegel gelenkt werden, erleiden einen größeren relativen Energieverlust und stärkere Streuung durch
das Material vor dem Kalorimeter. Die Standardabweichung ist für etcone20 und etcone45 unterschied√
lich und kann durch einen konstanten Term und den für Kalorimeterenergien typischen σE ∝ E-Term
beschrieben werden.
σ(etcone20)
true_etcone20
=
σ(etcone45)
true_etcone45
=
(116,8 ± 3,4)%
p
⊕ (9,1 ± 0,5)%
true_etcone20/GeV
(73,0 ± 5,6)%
p
⊕ (13,0 ± 0,6)%
true_etcone45/GeV
(56)
(57)
Der Beitrag durch Fluktuationen in den Kalorimeterzellen ist proportional zur Wurzel aus der Anzahl
Zellen und damit zum Kegelradius, dadurch ist wohl der konstante Term bei größerem Kegel etwas größer. Durchschnittlich ist etwa 44% der Energie in etcone45 schon in etcone20 enthalten, der aber nur
20% der Fläche ausmacht. Wie man erwarten würde, sind also die zusätzlichen Teilchen bei einem nicht
isolierten Lepton eher in der Nähe des Leptons, also der Mitte des Kegels, zu finden. Dadurch befinden
sich bei einem kleineren Kegel mehr Teilchen in der Nähe der Kegelgrenze. Daher ist die Fluktuation
durch Teilchen, die zwischen Generator- und Rekonstruktionsebene aus oder in den Kegel gestreut werden, höher und die Auflösung schlechter. Im Vergleich zur Energieauflösung, die in [6] für unkalibrierte
Jets angegeben wird, die mit dem Cone-Algorithmus mit Kegelgröße ∆R = 0.4 rekonstruiert wurden,
σ(E)
62,4%
=p
⊕ 1,7%
E
E/GeV
(58)
ist die Auflösung für etcone besonders im konstanten Term schlechter. Allerdings besteht auch ein konzeptioneller Unterschied zwischen Jet- und etcone-Energie. Beim Jet ist der Kegel um den Energieschwerpunkt zentriert und dieser kann sich vom Generatorniveau zur Rekonstruktion verschieben. Der
etcone-Kegel ist durch das Lepton fixiert und entspricht nicht unbedingt dem Energieschwerpunkt.
Will man nun einen Generatorschnitt auf die Isolation anbringen, der drei Standardabweichungen über
einem üblichen Analyseschnitt von etcone20 < 10 GeV liegt, kann man true_etcone20 < 55 GeV
verlangen. Dadurch wird der W+Jets Untergrund allerdings nur um etwa 30% reduziert. Da dies die
Effizienz in der vollständigen Simulation von relevanten W+Jets-Untergrundereignissen nur geringfügig
verbessert, wurde im weiteren auf einen Isolationsschnitt auf Generatorniveau verzichtet. Die gewonnene
Parametrisierung von etcone in Abhängigkeit von true_etcone wird aber in der Modellierung der Leptonisolation in der Untersuchung des bb - Untergrundes auf Generatorniveau in Anhang B Verwendung
finden.
38
6 W-Produktion mit zusätzlichen Jets im Endzustand
6.2.2 Untersuchung von Leptonisolation und Stoßparameter-Signifikanz in voll
simulierten W+Jets-Ereignissen
In diesem Abschnitt werden einige Variablen auf Rekonstruktionsebene daraufhin untersucht, ob sie
sich zur Trennung isolierter Leptonen aus W-Boson-Zerfällen von nicht isolierten Leptonen aus HadronZerfällen eignen. Zu einem üblichen Isolationsschnitt,
Std.-Isol.: e± etcone20 < 10 GeV und µ± etcone20 < 5 GeV
(59)
der so oder ähnlich in vielen ATLAS-Analysen verwendet wird, soll eine Alternative gefunden werden, die sich insbesondere zur Unterdrückung von W+Jets-Ereignissen eignet. Die Variablen werden
anhand von Leptonen aus Hadron-Zerfällen im Datensatz W+Jets und Leptonen aus W-Boson-Zerfällen
im Signaldatensatz H170 untersucht. Beide Datensätze sind mit voller Detektorsimulation erstellt worden
(Details in Abschnitt 7, Tabelle 1 und Unterabschnitt Vorselektion). Die Nachweiswahrscheinlichkeiten
für Elektronen und Myonen in Abbildung 34 zeigen, dass Leptonen aus Hadron-Zerfällen schon durch
Rekonstruktions- und Identifikations-Algorithmen und die Schnitte der Vorselektion deutlich unterdrückt
werden.
Die Verteilungen der folgenden Variablen sind in den Abbildungen 35, 36 dargestellt.
• etcone20 und etone40 − etcone20
Die etcone-Variable wurde in Abschnitt 5.2.4 erläutert. etone40 − etcone20 ist dementsprechend
die transversale Energie in einem Hohlkegel mit Außenradius ∆R = 0,4 und Innenradius ∆R =
0,2.
• min∆R(e/µ,Jet)
Der Abstand in ∆R zwischen Lepton und nächstliegendem Jet.
• N(Spuren Cone20), N(Spuren Cone40)
Anzahl Spuren mit pT > 1 GeV in einem Kegel mit Radius ∆R = 0,2 bzw. ∆R = 0,4 um das
Lepton. Die Lepton-Spur wird mitgezählt.
• pT (Spuren Cone20), pT (Spuren Cone40)
Vektorielle Summe der Transversalimpulse aller Spuren mit pT > 1 GeV in einem Kegel mit
Radius ∆R = 0,2 bzw. ∆R = 0,4 um das Lepton. Der Transversalimpuls der Lepton-Spur wird
subtrahiert.
• d0 /σ(d0 )
Signifikanz des transversalen Stoßparameters13 (siehe Abschnitt 3.2). Der Hauptteil der relevanten Leptonen aus Hadron-Zerfällen stammt aus Mesonen mit Charm- oder Bottom-Inhalt, welche
noch einige Millimeter im Detektor zurücklegen, bevor sie zerfallen. Falls die Leptonen beim Zerfall Impuls transversal zur Flugrichtung des Elternteilchens erhalten, sollten sie größere d0 -Werte
aufweisen als Leptonen aus W-Zerfällen.
• Elektron E233/E277
Verhältnis der transversalen Energien in einem ∆η × ∆φ = 3 × 3 Zellen großen Cluster in der
zweiten Lage des elektromagnetischen Kalorimeters und dem dazugehörigen ∆η × ∆φ = 7 × 7Cluster. Diese Variable beschreibt die Breite des elektromagnetischen Schauers und ist eine Variation von Rη (37), das schon in isEM zur Elektron-Identifikation verwendet wird (siehe Abschnitt
5.2.3). Teilchen, die ihre Energie im selben Cluster deponieren wie das Elektron, tragen nicht zur
etcone-Energie bei (siehe Abschnitt 5.2.4), können aber zu einem breiteren Schauer führen.
13
Die gemessenen Stoßparameter liegen in der gleichen Größenordnung wie die Auflösung. Die Auflösung des Stoßparameters
hängt stark von der Qualität der rekonstruierten Spur ab. Um den Einfluss der Spurrekonstruktion zu verringern, wird daher
die Signifikanz des Stoßparameters verwendet.
6.2 W+Jets als Untergrund zu dileptonischen Endzuständen
39
Abbildung 34: Nachweiswahrscheinlichkeiten für Elektronen und Myonen in η- und pT -Intervallen. Die
Nachweiswahrscheinlichkeiten für Leptonen aus W-Boson-Zerfällen und Hadron-Zerfällen in W+Jets sind
getrennt dargestellt. Zum Vergleich ist auch die Nachweiswahrscheinlichkeit im Signaldatensatz H170 dargestellt.
Auf die Abhängigkeit der Nachweiswahrscheinlichkeit von der Detektorgeometrie wird in Abschnitt 7, Bildunterschrift zu Abb. 37 eingegangen.
40
6 W-Produktion mit zusätzlichen Jets im Endzustand
Abbildung 35: Variablen zur Trennung isolierter Elektronen aus W-Boson-Zerfällen von nicht isolierten
Elektronen aus Hadron-Zerfällen. Verglichen werden Elektronen aus W-Zerfällen im Datensatz H170 und
Elektronen aus Hadronzerfällen im Datensatz W+Jets nach einem Schnitt auf zwei Leptonen mit pT > 15
GeV und |η| < 2,5. Die Verteilungen sind flächenormiert auf Eins. Im Histogramm rechts oben ist der Anteil
Ereignisse ohne Jet im höchsten Intervall eingetragen.
6.2 W+Jets als Untergrund zu dileptonischen Endzuständen
Abbildung 36: Verteilungen für Myonen analog zu Abbildung 35.
41
42
6 W-Produktion mit zusätzlichen Jets im Endzustand
Nach der obigen Definition der Standard-Isolation sind die meisten der Leptonen aus Hadron-Zerfällen,
die die Vorselektion passieren, isoliert. Das liegt daran, dass bei Elektronen etcone20 mit den isEMVariablen zur Elektron-Identifikation korreliert ist. Myonen werden nicht akzeptiert, wenn innerhalb
∆R = 0,4 ein Jet mit pT > 15 GeV rekonstruiert wurde. Der Standard-Isolationsschnitt ist außerdem im Hinblick auf eine hohe Lepton-Nachweiswahrscheinlichkeit gewählt worden. Die Variablen
min∆R(e/µ,Jet) und d0 /σ(d0 ) zeigen nur eine geringe Trennkraft. Die Leptonen, die in der Hadronisierung und Fragmentation eines Quarks oder Gluons entstanden sind und die Vorselektion passieren,
werden also nicht transversal zur Jet-Achse abgestrahlt und zusätzlich zum Jet rekonstruiert. Sie übernehmen eher einen großen Anteil am Impuls des primären Partons, so dass die Impulsrichtung des Leptons
kaum von der des primären Partons abweicht und die restlichen Teilchen aus der Hadronisierung nicht
genug Energie tragen, um als Jet rekonstruiert zu werden. Die Verteilung von E233/E277 zeigt, dass
auch nach der Vorselektion durch isEM noch Information in der Form des elektromagnetischen Schauers steckt, die zur Charakterisierung der Leptonisolation beitragen kann. Die restlichen Variablen zeigen
eine deutliche Trennkraft, sind aber stark korreliert, da sie alle Teilchenzahl/-energie im Kegel um das
Lepton beschreiben. In der Analyse H → W W → lνlν ist es sinnvoller, kleinere Kegel zu verwenden, da die Leptonen aufgrund der Spinkorrelation nah beieinander liegen. Ein Lepton innerhalb dessen
etcone-Kegel ein anderes Elektron Energie deponiert, würde als nicht isoliert verworfen. Beispielsweise
hat der Standard-Isolations-Schnitt im Signal nach Analyseschnitten (ohne Isolation) eine Effizenz von
98%. Verlangt man statt dessen etcone45 < 15 GeV für beide Leptonen, liegt die Effizienz nur bei
85%. Beide Schnitte haben eine Effizienz von etwa 85% bei W+Jets. Die Verwendung größerer Kegel
erscheint dementsprechend nicht sinnvoll, diese müssten gegebenenfalls um die Energie anderer Elektronen korrigiert werden.
In der folgenden Analyse wird zunächst die Standard-Isolation verwendet und ein Vergleich mit einem
härteren Isolationsschnitt durchgeführt.
Harte Isol.:
e± etcone20 < 5 GeV und µ± etcone20 < 2,5 GeV
±
e
±
und µ
N(Spuren Cone20) = 1
(60)
(61)
Allgemein ist noch zu bemerken, dass hier nicht berücksichtigte Minimum-Bias-Ereignisse und Pile-Up
zu mehr niederenergetischen Spuren und zusätzlichen Energieeinträgen im Kalorimeter führen. Dadurch
würden die Verteilungen der Isolationsvariablen sicherlich beeinflusst.
43
7 Die Schnittanalyse
Die Schnitte in der Analyse Gluon-Fusion H → W W → lνlν richten sich größtenteils nach [28, 8]. Die
Schnittanalyse Vektor-Boson-Fusion H → W W → lνlν orientiert sich an [9]. Beide Analysen wurden bisher nur mit schneller Detektorsimulation durchgeführt. In den Tabellen 1 und 2 sind die für die
Schnittanalysen verwendeten Monte-Carlo-Datensätze aufgelistet. Die meisten Untergrund-Datensätze
sind ebenfalls in schneller Detektorsimulation erstellt worden, da die von der ATLAS-Kollaboration
zentral produzierten voll simulierten Datensätze oft eine zu geringe Statistik aufweisen und eine private Produktion zu viel CPU-Zeit benötigt. Für das Signal wird in beiden Analysen jeweils ein zentral
produzierter voll simulierter Datensatz mit den privaten schnell und voll (nur GF) simulierten Datensätzen verglichen. Da der W+Jets-Untergrund stark von Isolationsvariablen abhängt, kann dieser Untergrund nur in voller Simulation untersucht werden. Für die Analyse in Gluon-Fusion ist mit Pythia6.4 ein
Datensatz W+Jets erstellt worden, der mit dem in Abschnitt 6.2 definierten Generator-Schnitt "DiLep
A"gefiltert wurde. Für die Analyse in Vektor-Boson-Fusion ist die Beschreibung zusätzlicher Jets in der
W-Produktion allein durch Partonschauer und die in Pythia6.4 integrierte W+1Jet Matrixelementkorrektur nicht ausreichend. Daher wurde der in Abschnitt 5 näher beschriebene Generator Sherpa verwendet.
Da Sherpa einerseits mehr Zeit zur Ereignisgenerierung benötigt und andererseits die Möglichkeit bietet,
explizit Quark-Typen im Endzustand zu spezifizieren, wurden zwei spezialisierte Datensätze W+c+Jets
und W+bb+Jets erstellt. Die Produktionsprozesse W + c und W + bb wurden in Abschnitt 6.2 als die für
Zwei-Lepton-Endzustände relevanten identifiziert, gegenüber denen die weiteren vernachlässigbar sind.
In beiden Datensätzen wurde jeweils die Abstrahlung von 0, 1 und 2 weiteren Jets im Matrixelement
berechnet.
7 Die Schnittanalyse
Name /
Prozess
H150_f
H160
H160_f
H170
H170_CSC
H170_f
H180_f
H190_f
VBFH110_f
VBFH120_f
VBFH130_f
VBFH140_f
VBFH150_f
VBFH160_f
VBFH170_CSC
VBFH170_f
VBFH180_f
VBFH190_f
Zerfall
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
→ WW
→ WW
→ WW
→ WW
→ WW
→ WW
→ WW
→ WW
→ WW
→ WW
→ WW
→ WW
→ WW
→ WW
→ WW
→ WW
→ WW
→ WW
Generator
→ lνlν
→ lνlν
→ lνlν
→ lνlν
→ lνlν
→ lνlν
→ lνlν
→ lνlν
→ lνlν
→ lνlν
→ lνlν
→ lνlν
→ lνlν
→ lνlν
→ lνlν
→ lνlν
→ lνlν
→ lνlν
Pythia6.4
Pythia6.4
Pythia6.4
Pythia6.4
Pythia6.3
Pythia6.4
Pythia6.4
Pythia6.4
Pythia6.4
Pythia6.4
Pythia6.4
Pythia6.4
Pythia6.4
Pythia6.4
Pythia6.4
Pythia6.4
Pythia6.4
Pythia6.4
Hadronisierung
Pythia6.4
Pythia6.4
Pythia6.4
Pythia6.4
Pythia6.3
Pythia6.4
Pythia6.4
Pythia6.4
Pythia6.4
Pythia6.4
Pythia6.4
Pythia6.4
Pythia6.4
Pythia6.4
Pythia6.4
Pythia6.4
Pythia6.4
Pythia6.4
Simulation /
Rekonstruktion
ATLFasta
voll Sim. Ac
ATLFast
voll Sim. A
voll Sim. Bd
ATLFast
ATLFast
ATLFast
ATLFast
ATLFast
ATLFast
ATLFast
ATLFast
ATLFast
voll Sim. B
ATLFast
ATLFast
ATLFast
GeneratorFilter
Dilep Bb
Dilep B
Dilep B
Dilep B
Dilep B
Dilep B
Dilep B
Dilep B
Dilep B
Dilep B
Dilep B
Dilep B
Dilep B
Dilep B
Dilep B
Dilep B
Dilep B
Dilep B
σ [fb]
584
706
706
692
694
692
615
469
9,58
26,4
56,9
90,4
122
151
154
153
141
109
Anzahl
Ereignisse
100 000
4950
100 000
5000
4500
100 000
100 000
100 000
100 000
100 000
100 000
100 000
100 000
150 000
4 000
100 000
100 000
100 000
Tabelle 1: Verwendete Monte-Carlo-Datensätze für die Signalprozesse. Schnell simulierte Daten sind mit “_f“, zentral von der ATLAS-Kollaboration produzierte,
voll simulierte Daten sind mit “_CSC“ bezeichnet. Alle weiteren wurden im Rahmen dieser Arbeit in voller Simulation erstellt.
a
schnelle Detektor-Simulation mit Atlfast-AtlasReconstruction-00-00-17 in ATHENA12.0.6.3
Es werden mindestens zwei Leptonen mit pT > 5 GeV innerhalb von |η| < 2,7 verlangt.
c
volle Detektor-Simulation in ATHENA12.0.6.1, Digitalisierung und Rekonstruktion in ATHENA12.0.6.3
d
volle Detektor-Simulation in ATHENA12.0.31, Digitalisierung und Rekonstruktion in ATHENA12.0.6.1
44
b
Name /
Prozess
ttbar_f
Wt_f
qq2WW_f
gg2WW_f
WZ_f
ZZ_f
Ztautau_f
WWjj_f
WWjj
Ztautau_CSC
W+Jets
W+c+Jets
W+bb+Jets
Zerfall
Generator
tt → bbW W → bblνlν
W t → bW W → blνlν
W W → lνlν
W W → lνlν
W Z → lνll
ZZ → llνν
Z → ττ
W W → lνlν
W W → lνlν
Z → ττ
W → lν
W → lν
W → lν
AcerMC3.4
AcerMC3.4
MadGraph4
gg2WW [27]
Pythia6.4
Pythia6.4
Pythia6.4
MadGraph4
MadGraph4
AlpGend
Pythia6.4
Sherpa1.0.9
Sherpa1.0.9
Hadronisierung
Pythia6.4
Pythia6.4
Pythia6.4
Pythia6.4
Pythia6.4
Pythia6.4
Pythia6.4
Pythia6.4
Pythia6.4
Jimmye
Pythia6.4
Pythia6.2
Pythia6.2
Simulation /
Rekonstruktion
ATLFasta
ATLFast
ATLFast
ATLFast
ATLFast
ATLFast
ATLFast
ATLFast
voll Sim. Cc
voll Sim. C
voll Sim. C
voll Sim. C
voll Sim. C
GeneratorFilter
DiLep Bb
DiLep B
DiLep B
f
Lep + VBFg
DiLep Ah
DiLep A + VBF
DiLep A + VBF
σ [fb]
51,1 · 103
6,48 · 103
7,69 · 103
540
329
499
67,2 · 103
109
109
6,21 · 103
26,0 · 103
2,97 · 103
365
Anzahl
Ereignisse
5 825 000
210 000
179 999
130 000
50 000
50 000
500 000
408 922
9 900
500 000
97 684
33 358
4 900
Tabelle 2: Verwendete Monte-Carlo-Datensätze für die Untergrundprozesse. Schnell simulierte Daten sind mit “_f“, zentral von der ATLAS-Kollaboration produzierte, voll simulierte Daten sind mit “_CSC“ bezeichnet. Alle weiteren wurden im Rahmen dieser Arbeit in voller Simulation erstellt.
a
schnelle Detektor-Simulation mit Atlfast-AtlasReconstruction-00-00-17 in ATHENA12.0.6.3
Es werden mindestens zwei Leptonen mit pT > 5 GeV innerhalb von |η| < 2,7 verlangt.
c
volle Detektor-Simulation in ATHENA12.0.31, Digitalisierung und Rekonstruktion in ATHENA12.0.6
d
Alpgen [29] ist ein auf W/Z+Jets-Produktion spezialisierter Matrixelement-Generator, hier wurden zentral produzierte Z+2,3,4,5Jets-Datensätze kombiniert.
e
Jimmy ist ein Satz von Bibliotheken, der auf [30] basiert und zur Hadronisierung und Fragmentierung von Monte-Carlo-Ereignissen verwendet wird.
f
Es wird mindetens ein Lepton mit pT > 10 GeV innerhalb von |η| < 2,7 verlangt.
g
Es gibt mindestens eine Kombination aus zwei Jets, die ausgehend von allen wechselwirkenden Teilchen auf Generatorniveau mit dem Cone-Algorithmus mit Kegelgröße ∆R = 0,4
(Cone4TruthJets) rekonstruiert wurden, die pJet1
> 20 GeV, pJet2
> 15 GeV, |η Jet1/2 | < 5, Mjj > 300GeV und ∆ηjj < 2 erfüllt.
T
T
h
Es werden mindestens zwei Leptonen mit pT > 13 GeV innerhalb von |η| < 2,7 verlangt.
b
45
46
7 Die Schnittanalyse
Vorselektion rekonstruierter Objekte
Rekonstruktionsalgorithmen für verschiedene Objekte werden meist unabhängig voneinander angewandt.
So wird beispielsweise ein Elektron fast immer auch als Jet rekonstruiert. Es ist daher notwendig, den
Überlapp zwischen den Objekten zu entfernen und dabei gewisse Qualitätskriterien an die Objekte zu
stellen. Dies wurde hier mithilfe des ATHENA12.0.6-Paketes EventView-00-00-19 durchgeführt. Dabei
werden Objekte in einer gewissen Reihenfolge in ein sogenanntes “EventView“, also eine Sichtweise
oder Interpretation des Ereignisses, eingefügt. Überlappt ein Objekt innerhalb eines bestimmten ∆R mit
einem schon eingefügten Objekt, wird es verworfen. Es wurden folgende Reihenfolge und Vorselektion
gewählt.
1. Elektronen
• Kinematik: pT > 10 GeV, |η| < 2,5
• isEM: Es werden alle isEM-Bits abgefragt, bis auf das TRT-Bit (siehe Abschnitt 5.2.3).
• Überlapp: Elektronen innerhalb ∆R = 0,1 eines schon eingefügten Elektrons werden verworfen. So werden vereinzelt auftretende Mehrfachrekonstruktionen entfernt.
2. Jets
• Algorithmus: Cone4TopoJets (siehe Abschnitt 5.2.1)
• Kinematik: pT > 15 GeV, |η| < 5
• Überlapp: Jets innerhalb ∆R = 0,4 eines schon eingefügten Objekts werden verworfen.
3. Myonen
• Kinematik: pT > 10 GeV, |η| < 2,5
• Spurqualität: χ2match < 20 (Anzahl Freiheitsgrade N dof = 5 ),
χ2f it /N dof < 5 (N dof variabel)
• Überlapp: Myonen innerhalb ∆R = 0,4 eines eingefügten Jets werden verworfen, da diese mit großer Wahrscheinlichkeit aus dem Jet stammen und desweiteren spätere Isolationsschnitte nicht passieren würden. Myonen innerhalb ∆R = 0,1 eines schon eingefügten Myons werden verworfen, um Mehrfachrekonstruktionen zu entfernen.
Photonen und Tau-Jets werden vernachlässigt. Hochenergetische Photonen kommen in den verwendeten
Datensätzen so gut wie gar nicht vor. Die Anzahl der Ereignisse mit zwei Leptonen und Tau-Jet(s) ist
ebenfalls vernachlässigbar. Außerdem würde eine separate Rekonstruktion von Tau-Jets nicht zur SignalUntergrund-Trennung beitragen. Isolation ist normalerweise schon Teil der Vorselektion von Leptonen.
Es wurde bewusst auf einen direkten Isolations-Schnitt auf etcone in der Vorselektion verzichtet, um die
Isolation nach der Vorselektion studieren zu können.
Nachweiswahrscheinlichkeiten
Die Nachweiswahrscheinlichkeit für Jets liegt nahe bei Eins und sinkt für Jets mit niedrigem Transversalimpuls (10 < pT < 20 GeV) auf etwa 90% ab. Für eine detaillierte Studie der Nachweiswahrscheinlichkeit für Jets wird auf [33] verwiesen.
In Studien, die auf schneller Detektorsimulation basieren, wurde bisher üblicherweise eine Nachweiswahrscheinlichkeit für Leptonen von 90% angenommen. Die volle Simulation zeigt, dass die Nachweiswahrscheinlichkeit insbesondere für Elektronen niedriger ist. Optimalerweise würde man die Nachweiswahrscheinlichkeit in Abhängigkeit von η und pT der Leptonen aus der vollen Simulation auf ATLFast
47
übertragen. Leider steht für eine zweidimensionale Abtastung keine ausreichende Statistik zur Verfügung. Da für Leptonen im Bereich pT > 15 GeV und |η| < 2,5 die η-Abhängigkeit aufgrund der
Detektor-Geometrie größer als die pT -Abhängigkeit ist, wird hier die Nachweiswahrscheinlichkeit in
η-Intervallen verwendet. Eine leichte Korrelation (hohes η ⇔ niedriges pT ) führt dazu, dass die Modellierung in η die niedrigere Nachweiswahrscheinlichkeit für pT < 20 GeV schon näherungsweise
beschreibt. Trotzdem werden die Leptonen in den Intervallen 10 < pT < 15 GeV, 15 < pT < 20 GeV
und pT > 20 GeV noch entsprechend der Nachweiswahrscheinlichkeit in voller Simulation korrigiert.
Die Nachweiswahrscheinlichkeit für die volle Simulation, ATLFast und ATLFast mit der Modellierung
der Nachweiswahrscheinlichkeiten sind in Abbildung 37 für den Datensatz H170 dargestellt. Hierbei
ist die Nachweiswahrscheinlichkeit definiert als der Anteil wahrer Leptonen, zu denen innerhalb von
∆R < 0,01 ein rekonstruiertes Lepton assoziiert werden kann, welches die Vorselektion passiert. Das
∆R-Kriterium ist so gewählt, dass die Assoziation eindeutig ist und der mittlere Abstand zwischen wahrem und rekonstruiertem Lepton < ∆R >= 6 · 10−4 deutlich darunter liegt. Die Anzahl nicht assoziierter rekonstruierter Leptonen liegt unter 0,1%. Die Nachweiswahrscheinlichkeiten für volle Simulation
und ATLFast mit Modellierung stimmen im verwendeten Bereich (pT > 15 GeV und |η| < 2,5) recht
gut überein. Die Modellierung wurde noch einmal anhand von WWjj-Ereignissen überprüft (siehe Abb.
38).
Die Struktur des Detektors wirkt sich deutlich auf die Nachweiswahrscheinlichkeiten aus. Für Elektronen
ist die Nachweiswahrscheinlichkeit im Bereich 1,3 < |η| < 1,8 durch den Übergang zum Endkappenkalorimeter, bzw. die Kabel zum Inneren Detektor und das Kalorimeter-Kühlsystem zwischen Zentral- und
Enkappenkalorimeter verschlechtert (siehe auch Abbschnitt 3.2 Abb. 9). Generell funktioniert die Identifikation im Zentralbereich besser, da dort der elektromagnetische Schauer durch die feine Segmentierung
des Kalorimeters und das senkrechte Auftreffen besser vermessen werden kann. Für Myonen sinkt die
Nachweiswahrscheinlichkeit bei η = 0 stark ab, weil sich dort eine Lücke zwischen den Myon-Kammern
befindet, durch die Kabel zum inneren Detektor laufen und das Kalorimeter-Kühlsystem versorgt wird.
Im Bereich um |η| ≈ 1,2 wird die Nachweiswahrscheinlichkeit durch den Übergang zu den Endkappen
beeinträchtigt.
Lepton pT -Schnitte und Trigger
Die untere Grenze auf das pT des zweiten Leptons wurde in der GF-Analyse von 10 auf 15 GeV angehoben und damit an die VBF-Analyse angeglichen, da einerseits dadurch der Untergrund aus HadronZerfällen deutlich reduziert wird (siehe Abb. 28) und andererseits die Sensitivität der Analyse auf die
Nachweiswahrscheinlichkeit von niedrig-pT -Leptonen verringert wird. Des Weiteren wird so in jeder
Kombination die Trigger-Schwelle überschritten, was im Fall von zwei Elektronen mit 20 und 10 GeV
nicht der Fall wäre. Das Trigger-System des ATLAS-Detektors wählt Ereignisse zur Aufzeichnung aus,
die potentiell interessant sind. Der Lepton-Trigger akzeptiert Ereignisse, die eine der folgenden Bedingungen für Leptonen im Bereich |η| < 2,5 erfüllen:
1µ mit pT > 20 GeV oder
(62)
2µ mit pT > 10 GeV oder
(63)
1e mit pT > 25 GeV oder
(64)
2e mit pT > 15 GeV oder
(65)
1µ mit pT > 10 GeV und 1 e mit pT > 15 GeV
(66)
Da die Lepton-Schnitte in den beiden folgenden Analysen die Trigger-Schwelle überschreiten, wurde
auf eine weitere Berücksichtigung des Triggers verzichtet.
48
7 Die Schnittanalyse
Abbildung 37: Nachweiswahrscheinlichkeiten für Elektronen und Myonen in voller Simulation, ATLFast
und ATLFast mit Modellierung für den Datensatz H170. Für die Modellierung wurden die Nachweiswahrscheinlichkeiten in η-Intervallen (also die beiden Verteilungen für die volle Simulation links) auf die Leptonen in ATLFast angewandt. Leptonen im Bereich pT < 15 GeV wurden nicht verwendet, sind hier nur
mit dargestellt, um die schlechtere Nachweiswahrscheinlichkeit für niedrig-pT -Elektronen darzulegen. Auf
die Intervalle 10 < pT < 15GeV, 15 < pT < 20GeV und pT > 20GeV wurde zusätzlich eine Korrektur
angewandt.
49
Abbildung 38: Nachweiswahrscheinlichkeiten für Elektronen und Myonen in voller Simulation, ATLFast
und ATLFast mit Modellierung im Datensatz WWjj. Es wurde die Modellierung verwendet, die auf Datensatz
H170 (Abb. 37) beruht.
50
7 Die Schnittanalyse
7.1 Schnittanalyse Gluon-Fusion H → W W → lνlν
Die Analyse wird für Higgs-Boson-Massen im Bereich von 150 − 190 GeV durchgeführt. Außerhalb
dieses Bereiches trägt die Analyse nicht zum Entdeckungspotential bei. Die Higgs-Boson-Produktion in
VBF wird hier auch berücksichtigt, da in geringem Maße auch VBF-Ereignisse selektiert werden, bei
denen die Tagging-Jets nicht rekonstruiert wurden. Folgende Selektion wird angewandt:
1. Leptonakzeptanz
Es werden zwei isolierte Leptonen entgegengesetzter Ladung mit pLep1
> 20 GeV und pLep2
> 15
T
T
GeV innerhalb von |η| < 2,5 verlangt. Isolation bedeutet dabei, dass für Elektronen etcone20 <
10 GeV und für Myonen etcone20 < 5 GeV gilt (Standard-Isolation aus Abschnitt 6.2.2).
2. pmiss
T
Der fehlende transversale Impuls pmiss
soll mindestens 40 GeV betragen.
T
P Es wird die Größe “METRefFinal“ verwendet. Dafür wird die gesamte transversale Energie
ET aus den kalibrierten
Objekten Elektronen, Myonen und Jets und den verbliebenen
Kalorimeterzellen,
welche keinem
P
miss
Objekt zugeordnet sind, berechnet. Dann gilt px,y = − Ex,y . Dieser Schnitt reduziert alle
Untergründe, die keine Neutrinos enthalten, wie beispielsweise qq → Z → ee/µµ.
3. PTllmiss
Der Betrag der vektoriellen Summe der Leptonimpulse in der transversalen Ebene und des fehlenden transversalen Impulses
PTllmiss =
sX
(pLep1
+ pLep2
+ pmiss
)2
i
i
i
(67)
i=x,y
soll weniger als 60 GeV betragen. Dadurch wird der große tt und W t Untergrund reduziert.
4. b-Jet-Veto
Es werden alle Ereignisse verworfen, welche einen rekonstruierten b-Jet mit pT > 20 GeV innerhalb von |η| < 2,5 enthalten.
In ATLFast wird ein Jet als b-Jet bezeichnet, wenn sich ein b-Quark in einem Abstand von ∆R <
0,4 zur Jet-Achse befindet. Desweiteren wird eine Rekonstruktions-Wahrscheinlichkeit von 60%
für b-Jets und eine Fehlidentifikationsrate von 1% für leichte Jets (u,d,s,g) und 16% für c-Jets angenommen.
In der vollen Simulation werden Rekonstruktionswahrscheinlichkeiten und Fehlidentifikationen
vollständig realistisch beschrieben. Dafür wird aus verschiedenen rekonstruierten Variablen, wie
beispielsweise der Signifikanz des Stoßparameters (siehe Abschnitt 3.2) der Spuren im Jet ein
Gewicht berechnet, welches die Wahrscheinlichkeit angibt, dass der Jet ein b-Jet ist. Auf dieses
Gewicht wird ein Schnitt angewandt, der einer Rekonstruktionswahrscheinlichkeit von 60% entspricht. Dabei ist die Fehlidentifikationsrate für leichte Jets 0,5%14 . Da nur im Intervall |η| < 2,5
Spuren rekonstruiert werden können, werden in ATLFast und voller Simulation auch nur in diesem
Bereich b-Jets identifiziert.
5. Jet-Veto
Alle Ereignisse, die einen Jet mit pT > 40 GeV innerhalb von |η| < 4,5 enthalten, werden verworfen. Die Vetos gegen b-Jets und gegen Jets allgemein reduzieren den tt und W t Untergrund
weiter.
14
Die Fehlidentifikationsrate für c-Jets wird von der zur Bestimmung der Raten verwendeten Routine leider nicht berechnet,
wurde aber in den Datensätzen richtig berücksichtigt.
7.1 Schnittanalyse Gluon-Fusion H → W W → lνlν
51
6. Mll
Im Ruhesystem des Higgs-Bosons wird das Lepton- und das Neutrino-Paar entgegengesetzt mit
gleicher Energie ausgesandt. Daher ist die invariante Masse des Lepton-Paares Mll beschränkt
durch mH /2. Ein Schnitt auf Mll < 80 GeV verwirft insbesondere Untergrundereignisse, bei
denen die Lepton-Paare aus einem Z-Boson stammen. Auch gegen die anderen Untergrundklassen
ist der Schnitt effizient.
7. Z → τ τ Veto
Unter der Hypothese, dass die beiden Leptonen und der fehlende transversale Impuls aus einem
Zerfall Z → τ τ → lννlνν stammen, lässt sich die Z-Masse bzw. invariante Tau-Paar-Masse Mτ τ
mithilfe der kollinearen Näherung rekonstruieren. Dabei geht man davon aus, dass die Impulse der
Tau-Zerfallsprodukte aufgrund des großen Lorentzboosts parallel zum Tau-Impuls selbst liegen.
Der Anteil des Lepton-Impulses am Tau-Impuls wird mit xτ 1 bzw. xτ 2 bezeichnet und lässt sich
dann mithilfe der Impulserhaltung in der transversalen Ebene berechnen:
−
→
−
→
p Lep2
p Lep1
→
−
→
−
→
→
→
τ2
τ1
T
pT + pT =
+ T
=−
p Lep1
+−
p Lep2
+−
p miss
T
T
T
xτ 1
xτ 2
⇒ xτ 1 =
xτ 2 =
(68)
pLep1
pLep2
− pLep1
pLep2
x
y
y
x
(69)
pLep1
pLep2
− pLep1
pLep2
x
y
y
x
(70)
pLep2
pmiss
− pLep2
pmiss
+ pLep1
pLep2
− pLep1
pLep2
y
x
x
y
y
x
x
y
pLep1
pmiss
− pLep1
pmiss
+ pLep1
pLep2
− pLep1
pLep2
x
y
x
y
y
x
y
x
Unter Vernachlässigung der Leptonmassen ergibt sich die invariante Tau-Paar-Masse zu
Mτ τ = √
Mll
,
xτ 1 · xτ 2
(71)
Eine detailliertere Beschreibung der kollinearen Näherung findet sich in [41, 12].
In Abb. 39 sind Mτ τ und xτ 1 gegen xτ 2 für den Signalprozess und Z → τ τ dargestellt. Im Gegensatz zum Signalprozess sind bei Z → τ τ die xτ größtenteils beide > 0, d.h. unter dieser Hypothese
physikalisch sinnvoll. Die Mτ τ -Verteilung für Z → τ τ ist zwar durch die pmiss
-Auflösung stark
T
verbreitert, zeigt aber ein deutliches Maximum bei der Z-Masse. Die kollineare Näherung ist daher
ein geeignetes Mittel zur Identifizierung und Unterdrückung des Z → τ τ -Untergrundes.
Alle Ereignisse mit xτ 1 > 0, xτ 2 > 0 und |MZ − Mτ τ | < 25 GeV werden verworfen.
8. ∆ηll
Ein Schnitt auf die Differenz der Pseudorapiditäten ∆ηll < 1,5 nutzt die in Abschnitt 4.2 diskutierten Spinkorrelation (s. Abschnitt 4.2) in H → W W , aufgrund derer sich die beiden Leptonen
räumlich näher sind als in den Untergrundprozessen.
9. ηll
→
→
Für die Pseudorapidität des Zwei-Lepton-System ηll = η(−
p Lep1 + −
p Lep2 ) wird ηll < 1,47
verlangt. Dadurch werden qq → W W -Untergrundereignisse unterdrückt, die durch Streuung von
Valenz- an Seequarks erzeugt werden. In solchen Ereignissen erhält das W-Paar einen größeren
Lorentz-Boost in Vorwärts-Richtung als beim Signalprozess, wodurch das Zwei-Lepton-System
eine größere Pseudorapitität hat.
10. ∆Φll
Ein Schnitt auf ∆Φll < 1,0 rad trägt deutlich zur Signal-Untergrund-Trennung bei, da sich die
erwähnte Spinkorrelation insbesondere auf den Winkel zwischen den Leptonen in der transversalen
Ebene auswirkt.
52
7 Die Schnittanalyse
11. mT (llν)
Die transversale Masse des Lepton-Neutrino-Systems unter Vernachlässigung der Masse des LeptonPaares ist im Signalprozess durch die Masse des Higgs-Bosons begrenzt. Der Bereich niedriger
mT (llν) wird vom Untergrund dominiert. Daher ist es sinnvoll, einen Fensterschnitt anzuwenden,
der von der erwarteten Higgs-Boson-Masse abhängt. Die größte Signifikanz erreicht man dabei für
mH −40 GeV < mT (llν) < mH bei mH = 170−190 GeV und mH −30 GeV < mT (llν) < mH
bei mH = 150 − 160 GeV.
Abbildung 39: Graphen zur Motivation der Z → τ τ Veto Schnitte.
Oben: Verteilung von xτ 1 gegen xτ 2 für Signalprozess und Z → τ τ . Zwei Leptonen im Ereignis wurden
verlangt, keine weiteren Schnitte.
Unten: Auf Flächeninhalt Eins normierte Mτ τ -Verteilungen für Ereignisse mit zwei Leptonen und xτ 1 > 0 ,
xτ 2 > 0.
Die Histogramme in den Abbildungen 40-42 zeigen die Verteilungen der verwendeten Variablen sukzessive nach den vorhergehenden Schnitten. In Tabelle 3 sind die Wirkungsquerschnitte der Prozesse sukzessive nach jedem Schnitt angegeben. Der Isolationsschnitt wurde relativ moderat gewählt (Vergleich
Abschnitt 6.2.2), da zunächst studiert werden sollte, in welchem kinematischen Bereich die W+Jets Ereignisse liegen.
7.1 Schnittanalyse Gluon-Fusion H → W W → lνlν
Abbildung 40:
Obere 4 Graphen: pT und η der beiden Leptonen nach Schnitt 1.
Unten links: Fehlender Transversalimpuls nach Schnitt 1.
Unten rechts: PTllmiss -Verteilung nach Schnitt 2.
Alle Verteilungen sind auf Flächeninhalt Eins normiert.
53
54
7 Die Schnittanalyse
Abbildung 41:
Jet
Oben links: Transversalimpuls pJet
T des Jets mit größten pT innerhalb von |η| < 4,5 im Ereignis nach Schnitt
4. Ereignisse, in denen kein Jet rekonstruiert wurden, sind bei pJet
T = 0 eingetragen.
Oben rechts: Invariante Masse des Lepton-Paares nach Schnitt 5.
Unten links: Pseudorapiditätsabstand zwischen den Leptonen nach Schnitt 7.
Unten rechts: Pseudorapidität des Lepton-Paares nach Schnitt 8.
Alle Verteilungen sind auf Flächeninhalt Eins normiert.
7.1 Schnittanalyse Gluon-Fusion H → W W → lνlν
55
Abbildung 42:
Oben links: Winkel zwischen den Leptonen in der transversalen Ebene nach Schnitt 9.
Oben rechts: Verteilung der transversalen Masse mT (llν) nach Schnitt 10.
Unten links: Zum Vergleich die Verteilung der transversalen Masse MT unter Berücksichtigung der LeptonPaar-Masse nach Schnitt 10.
Alle Verteilungen sind auf den Wirkungsquerschnitt des Prozesses nach dem angegebenen Schnitt normiert
und in der durch die Legende angegebenen Reihenfolge gestapelt.
7 Die Schnittanalyse
Schnitt:
ohne Schnitte
1. Leptonakzeptanz
+ Isolation
2. ETmiss
3. PTllmiss
4. b-Jet-Veto
5. Jet-Veto
6. Mll
7. Z → τ τ Veto
8. ∆ηll
9. ηll
10. ∆Φll
11. mT (llν)
H170
692
297
284
227
146
145
117
114
114
107
93,7
60,4
35,0
H170_CSC
694
287
273
221
139
138
112
108
108
102
87,7
56,1
33,2
H170_f
692
298
294
234
144
142
116
113
112
107
91,3
58,0
34,2
ttbar_f
51100
10300
10200
7940
2130
670
198
78,7
78,0
70,9
59,8
23,2
10,8
Wt_f
6480
1440
1430
1060
383
206
125
54,6
54,3
48,8
42,4
18,6
8,67
qq2WW_f
7690
1140
1130
585
483
479
438
230
229
205
163
65,9
20,1
gg2WW_f
540
109
109
77,4
67,5
67,1
59,3
37,3
37,2
33,4
28,7
15,2
7,57
W+jets
26000
728
613
266
238
235
214
173
173
127
112
42,2
1,06
WZ_f
329
134
133
72,3
51,5
50,8
43,4
7,24
7,14
6,23
4,77
1,67
0,51
ZZ_f
499
226
225
142
112
111
101
8,24
8,17
7,42
5,84
2,54
0,51
Ztautau_f
67200
8770
8740
705
102
98,4
58,3
44,9
24,5
23,8
15,7
0,00
0,00
56
Tabelle 3: Verhalten von Signal und Untergrund in der Schnittanalyse GF H → W W → lνlν. Die angegebenen Zahlen sind Wirkungsquerschnitte in fb sukzessive
nach jedem Schnitt. Die Signaldatensätze in schneller Detektorsimulation H170_f und in voller Detektorsimulation H170 (privat produziert) liefern nach der Modellierung der Lepton-Nachweiswahrscheinlichkeiten vergleichbare Ergebnisse. Der ebenfalls voll simulierte, zentral produzierte Datensatz H170_CSC zeigt eine etwas
schlechtere Leptonakzeptanz und Isolation, was wahrscheinlich auf die höhere Jet-Aktivität in Pythia6.3 zurückzuführen ist.
7.1 Schnittanalyse Gluon-Fusion H → W W → lνlν
57
Die Verteilung der transversalen Masse mT (llν) in Abb. 42 zeigt, dass der W+Jets-Untergrund hauptsächlich zu niedrigen transversalen Massen beiträgt. Selbst bei der Suche nach einem Higgs-Boson mit
mH = 150 GeV werden alle Ereignisse mit mT (llν) < 120 GeV verworfen. Dann tragen W+JetsEreignisse nur noch mit etwa 5% zum Gesamtuntergrund bei.
Abb. 42 zeigt zum Vergleich ebenfalls die Verteilung der transversalen Masse MT des Lepton-NeutrinoSystems unter Berücksichtigung der Masse des Lepton-Paares. In der Schnittanalyse GF H → W W →
lνlν ist der Unterschied recht klein und die Verwendung von MT statt mT (llν) bringt keine Verbesserung der Signifikanz.
Der Prozess gg → W W trägt nach Schnitten mit etwa 15 % zum Gesamtuntergrund bei (38% von
qq → W W ), damit wird das Ergebnis der Generator-Niveau-Analyse in [28] bestätigt.
Tabelle 4 zeigt die Anzahl der Signal- S und Untergrundereignisse U für eine integrierte Luminosität von
L = 10 fb−1 und Higgs-Boson-Massen im Bereich 150 − 190 GeV nach allen Analyseschnitten. Die
statistische Unsicherheit auf die Anzahl der Ereignisse N wird nach Poisson-Statistik berechnet. Dabei
15
wird als Unsicherheit
√ die obere Grenze des 68% Konfidenzintervalls verwendet . Für N > 100 ist die
Näherung ∆N ≈ N gerechtfertigt. Die Abschätzung der systematischen Unsicherheit geht über den
Rahmen dieser Arbeit hinaus und ist letztendlich auch erst mit echten Daten zufriedenstellend möglich.
Für die Berechnung der Signalsignifikanzen wurden daher Annahmen über 5%, 10% und 20% systematischer Unsicherheit auf die Anzahl der Untergrundereignisse gemacht. Des Weiteren trägt die statistische
Unsicherheit der Monte-Carlo-Datensätze zur Systematik bei. Die statistischen Unsicherheiten ∆Ui auf
die Ereigniszahlen Ui in den verschiedenen Untergrundklassen i werden entsprechend der Luminosität
Li des Datensatzes umgewichtet und quadratisch addiert16 .
∆UM C =
X L
i
Li
· ∆Ui
2
(72)
Bis zur Datennahme sollte möglichst eine ausreichende Menge Monte-Carlo-Daten erstellt worden sein,
damit diese Unsicherheit vernachlässigbar ist. Die Signifikanzen werden daher einmal mit und einmal
ohne diesen Beitrag berechnet.
q
(73)
Signalsignifikanz = S/ (∆Ustat )2 + (∆Usyst )2
mit ∆Usyst = x · U bzw. ∆Usyst =
p
(x · U )2 + (∆UM C )2 für x = 5/10/20%
Abbildung 43 stellt die berechneten Signifikanzen für 1 , 10 und 30 fb−1 dar. Die wichtigste Vorraussetzung für eine Entdeckung ist eine möglichst kleine systematische Unsicherheit. Gelingt es, diese auf
5 − 10% zu reduzieren, ist eine Entdeckung eines Higgs-Bosons mit einer Masse von 165 − 170 GeV
mit wenigen fb−1 möglich17 .
15
Für die Berechnung der Signalsignifikanz ist die Wahrscheinlichkeit einer Fluktuation des Untergrundes nach oben relevant.
Für Gauß-verteilte Fehler liefert diese Fehlerfortplanzung die korrekte Gesamt-Unsicherheit, für Poisson-verteilte Fehler
wird die Gesamt-Unsicherheit etwas überschätzt.
17
Zur Erinnerung: 10 fb−1 entspricht einem Jahr LHC-Laufzeit bei niedriger Luminosität.
16
7 Die Schnittanalyse
mH
[GeV]
150
160
170
180
190
S
∆Sstat
∆SM C
U
∆Ustat
∆UM C
196
294
342
201
89,5
14
17
19
14
10
3,4
4,6
4,9
3,5
2,1
532
428
492
352
228
23
21
22
19
15
17
14
14
12
9
Signif.
5% syst.
5,6
9,9
10,3
7,8
4,7
Signif.
10% syst.
3,4
6,2
6,3
5,1
3,3
Signif.
20% syst.
1,8
3,3
3,4
2,8
1,9
Signif.
5% +MC
5,0
9,0
9,5
7,1
4,3
Signif.
10% + MC
3,3
5,9
6,1
4,8
3,1
Signif
20% + MC
1,8
3,3
3,4
2,7
1,8
58
Tabelle 4: Erwartete Ereigniszahlen nach den Schnitten der Analyse GF H → W W → lνlν mit statistischer Unsicherheit bei einer integrierten Luminosität von 10
fb−1 . Die Unsicherheit aufgrund der begrenzten Monte-Carlo-Statistik ist ebenfalls angegeben. Die Signalsignifikanzen wurden für systematische Unsicherheiten von
5%, 10% bzw. 20% auf die Anzahl der Untergrundereignisse berechnet.
7.1 Schnittanalyse Gluon-Fusion H → W W → lνlν
59
Abbildung 43: Entdeckungspotential für ein SM-Higgs-Boson in der Analyse GF
H → W W → lνlν in Abhängigkeit der Masse des Higgs-Bosons. Die drei Graphen zeigen die Signalsignifikanzen für integrierte Luminositäten von 1, 10 bzw. 30 fb−1 . Die verschiedenen Kurven berücksichtigen
dabei eine systematische Unsicherheit von 5%, 10% bzw. 20% mit und ohne die statistische Unsicherheit
aufgrund der begrenzten Monte-Carlo-Statistik.
60
7 Die Schnittanalyse
Auswirkungen eines härteren Lepton-Isolationsschnitts
Es wurde gezeigt, dass Vorselektion und Analyseschnitte mit Standard-Isolation ausreichen, um den
W+Jets-Untergrund für die Analysen im Massenbereich mH = 150 − 190 GeV auf weniger als 5% des
Gesamtuntergrunds zu reduzieren. Weitere Quellen nicht isolierter Leptonen wie bb-Produktion18 könnten einen härteren Isolationsschnitt notwendig machen. Für die Bestimmung der Higgs-Boson-Masse
mit einer größeren Datenmenge ist außerdem ein reinerer Signaldatensatz wünschenswert. Des Weiteren
kann die Lepton-Isolation helfen, verschiedene Untergrundklassen außerhalb des Signalbereichs zu trennen und so die systematische Unsicherheit auf die Anzahl der Untergrundereignisse im Signalbereich
zu reduzieren. Daher wird hier untersucht, wie sich ein härterer Isolationsschnitt, wie in Abschnitt 6.2.2
definiert, auf die Verteilungen von ∆Φll und mT (llν) in W+Jets und die Signalsignifikanz auswirkt. Zur
Erinnerung hier noch einmal Standard- und harter Isolationsschnitt:
Std.-Isol.:
Harte Isol.:
e± etcone20 < 10 GeV und µ± etcone20 < 5 GeV
e± etcone20 < 5 GeV und µ± etcone20 < 2,5 GeV
±
e
±
und µ
N(Spuren Cone20) = 1
(74)
(75)
(76)
Dieser harte Isolations-Schnitt sollte nur auf Datensätze in voller Detektorsimulation angewandt werden, da erstens der Bereich niedriger Energien in etcone durch die Modellierung aus Abschnitt 6 nicht
hinreichend beschrieben wird und zweitens die schnelle Detektorsimulation zwar Spur-Objekte zur Verfügung stellt, diese aber nicht mittels der Spurrekonstruktion erstellt wurden und im niedrig-pT -Bereich
keine realistische Entsprechung der vollen Simulation darstellen. Da für die meisten Untergrundprozesse
nur schnell simulierte Datensätze zur Verfügung stehen, wird ein Korrekturfaktor auf die Wirkungsquerschnitte angewandt. Die Effizienz εhI des zusätzlich zur Standard-Isolation angewandten harten Isolationsschnittes ist in Tabelle 5 für die zur Verfügung stehenden voll simulierten Datensätze aufgelistet. Die
Schnitteffizienzen der W W → lνlν-Prozesse vor und nach Schnitten sind kompatibel. Das bedeutet,
dass diese Effizienz vermutlich auf andere W W → lνlν-Prozesse übertragbar ist und von den anderen
Analyse-Schnitten entkoppelt. Für die schnell simulierten Datensätze, die alle W W → lνlν-Prozesse
sind, wird der harte Isolationsschnitt durch eine Korrektur des Wirkungsquerschnitts um den gewichteten
Mittelwert von εhI für H160, H170 ,WWjj nach Schnitt 1 ersetzt: < εhI >= 86,8. Damit wurden die
Verteilungen von ∆Φll und mT (llν) in Abbildung 44 vor und nach dem harten Isolationschnitt erstellt.
Der W+Jets-Untergrund kann auf diese Weise auch ausserhalb des mT (llν)-Massenfensters fast vollständig unterdrückt werden. Die starke Reduktion von W+Jets und die leichte Reduktion aller anderen
Prozesse inklusive Signal wirken sich gegenläufig auf die Signalsignifikanz im mT (llν)-Massenfenster
aus. Beispielsweise heben sich für eine Datenmenge von 1 fb−1 und eine angenommene systematische
Unsicherheit von 5% die Effekte in der Analyse für mH = 150 GeV genau auf. Bei höheren mH war
der Beitrag von W+Jets im Massenfenster schon vor dem harten Isolationsschnitt geringer, daher sinkt
die Signifikanz - für mH = 170 GeV beispielsweise um 7%. Für Methoden der Untergrund-Subtraktion
anhand der ∆Φll -Verteilung ist die Abtrennung des W+Jets-Untergrundes mithilfe der Lepton-Isolation
sinnvoll.
18
Dieser Untergrund wurde in der ATLAS-Kollaboration ebenfalls noch nicht hinreichend studiert, ein Ansatz dazu wird in
Anhang B diskutiert.
7.1 Schnittanalyse Gluon-Fusion H → W W → lνlν
Datensatz
H160
H170
WWjj
W+Jets
εhI [%]
nach Schnitt 1.
86,2 ± 0,8
87,0 ± 0,7
87,6 ± 1,4
11,6 ± 0,6
61
εhI [%]
nach Schnitt 11.
84 ± 2
84 ± 2
-
Tabelle 5: Schnitteffizienzen εhI des zusätzlichen harten Isolationsschnitts für voll simulierte Datensätze
nach erstem und letztem Analyseschnitt mit statistischer Unsicherheit.
Abbildung 44:
Oben links: Winkel zwischen den Leptonen in der transversalen Ebene nach Schnitt 9.
Oben rechts: Verteilung der transversalen Masse mT (llν) nach Schnitt 10.
Unten: Dieselben Verteilungen nach einem zusätzlichen härteren Isolations-Schnitt.
Alle Verteilungen sind auf den Wirkungsquerschnitt des Prozesses nach dem angegebenen Schnitt normiert
und in der durch die Legende angegebenen Reihenfolge gestapelt.
62
7 Die Schnittanalyse
7.2 Schnittanalyse Vektor-Boson-Fusion H → W W → lνlν
Die Analyse wird für Higgs-Boson-Massen im Bereich von 110 − 190 GeV durchgeführt. Dabei werden
für niedrige und höhere angenommene Higgs-Boson-Massen leicht unterschiedliche Selektionen angewandt. Im Bereich 135 < mH < 190 GeV wird die folgende Selektion angewandt, wobei Änderungen
für 110 < mH < 135 GeV explizit angegeben werden.
1. Leptonakzeptanz
Es werden zwei isolierte Leptonen entgegengesetzter Ladung mit pLep1
> 20 GeV und pLep2
> 15
T
T
GeV innerhalb von |η| < 2,5 verlangt. Isolation bedeutet dabei, dass für Elektronen etcone20 <
10 GeV und für Myonen etcone20 < 5 GeV gilt (Standard-Isolation aus Abschnitt 6.2.2).
2. Jet-Tagging
Es werden mindestens zwei Jets innerhalb der Akzeptanz η < 4,9 im Ereignis verlangt. Ein Vergleich verschiedener Methoden zur Identifikation der Tagging-Jets, wie beispielsweise
• Auswahl der beiden Jets mit dem höchsten pT . Dabei wird der Jet mit dem höchsten pT als
TagJet1 bezeichnet und der zweite als TagJet2. Des Weiteren wird verlangt, dass beide Jets
in unterschiedlichen Hemisphären liegen η T agJet1 · η T agJet2 < 0.
• Auswahl der Jets mit dem jeweils höchsten pT in beiden Hemisphären η ≷ 0
• Auswahl des Jet-Paares mit der höchsten invarianten Masse Mjj
hat gezeigt, dass die Ergebnisse nach Schnitten unabhängig von der verwendeten Methode sind
[33]. Hier wird die erste Methode verwendet. Zur Unterdrückung des tt- und W t-Untergrundes
wird das Ereignis verworfen, falls ein oder beide Jets als b-Jets19 identifiziert worden sind.
3. TagJet pT
Für die Tagging Jets wird pTT agJet1 > 40 GeV und pTT agJet2 > 20 GeV verlangt.
4. ∆ηjj
Der Pseudorapiditätsabstand zwischen den Tagging-Jets soll mindestens
∆ηjj > 3,8 betragen. Dadurch werden Prozesse mit Farbaustausch zwischen den wechselwirkenden Partonen, wie tt, W t, WWjj(QCD) und Zjj(QCD) unterdrückt.
5. zentrale Leptonen
T agJet
T agJet
< η Lep1/2 < ηmax
.
Die Leptonen sollen bezüglich η zwischen den Tagging-Jets liegen ηmin
Das Higgs-Boson wird im Laborsystem fast in Ruhe produziert, dadurch ist der Zerfall im Detektor
isotrop. Eine solche flache Verteilung in θ wird über η = −ln tan (θ/2) in eine Verteilung transformiert, die bei η = 0 ein Maximum hat. Dementsprechend liegen die Leptonen zentral in η. Da
das Schwerpunktsystem der VBF Parton-Parton-Wechselwirkung aber oft20 noch einen LorentzBoost in z-Richtung besitzt, ist es sinnvoller, “zentral“ bezüglich der Tagging-Jets zu definieren.
Dieser Schnitt trägt weiter zur Reduktion von QCD-Prozessen bei.
6. Leptonen Öffnungswinkel
Wie in der GF-Analyse wird hier die Spinkorrelation im Signal ausgenutzt, die zu einem kleinen
Öffnungswinkel zwischen den Leptonen führt. Schnitt:
∆Φll < 1,05 rad
19
20
∆Rll < 1,8
cos(∆θ) > 0,2
(77)
Zur Definition eines b-Jets siehe b-Jet-Veto in der GF-Analyse.
Nach Schnitten auf die VBF-Kinematik ist in 70% der VBF-Ereignisse mit mH = 130 GeV ein Tagging-Jet zentral (|η| <
3,2) und ein Tagging-Jet im Vorwärtsbereich (3,2 < |η| < 4,9) [42].
7.2 Schnittanalyse Vektor-Boson-Fusion H → W W → lνlν
63
In allen Untergrundklassen sind die Leptonen eher entgegengesetzt orientiert, so dass insbesondere ∆Φll eine hohe Trennkraft zeigt. Für 110 < mH < 135 GeV verändert sich die Kinematik
aufgrund der stärkeren Virtualität eines W-Bosons und folgende Alternative wird verwendet:
∆Φll < 1,5 rad
∆Rll < 1,6
(78)
7. Mll
Es wird Mll < 85 GeV verlangt. Falls die Leptonen im Endzustand vom gleichen Typ sind, wird
der Schnitt auf Mll < 75 GeV angezogen, um Z → ee/µµ-Ereignisse zu unterdrücken. Im Bereich 110 < mH < 135 GeV wird der Schnitt noch einmal auf Mll < 65 GeV verschärft.
8. pmiss
T
Für den ee/µµ-Endzustand wird außerdem ein Minimum an fehlendem Transversalimpuls von
pmiss
> 30 GeV verlangt, ebenfalls zur Unterdrückung des Z → ee/µµ-Untergrundes.
T
9. max pLep
T
Lep1/2
Ein Schnitt auf pT
< 120 GeV entfernt ohne Signalverlust einige Ausläufer im Untergrund.
Der Schnitt entfällt für 110 < mH < 135 GeV.
10. Z → τ τ Veto
Alle Ereignisse mit xτ 1 > 0, xτ 2 > 0 und |MZ − Mτ τ | < 25 GeV werden verworfen (siehe
GF-Analyse).
11. Mjj
Die invariante Masse der Tagging-Jets soll mindestens Mjj > 550 GeV betragen. Dadurch werden
QCD-Prozesse, W t und teilweise tt unterdrückt. Für 110 < mH < 135 GeV liefert 600 < Mjj <
2500 GeV eine bessere Signalsignifikanz.
12. ptot
T
tot
Es wird ein Schnitt auf ptot
T < 30 GeV angewandt. Dabei ist pT der Betrag der vektoriellen
−
→
→
→
→
tot
Summe der Transversalimpulse aller Endzustandsteilchen p T = −
p Lep1
+−
p Lep2
+−
p miss
+
T
T
T
T agJet1
T agJet2
−
→
−
→
pT
+ pT
und sollte im Signalprozess Null ergeben. Durch den Parton-Schauer und
→
die begrenzte Auflösung, insbesondere in pmiss
, wird −
p tot
T
T verschmiert. Für Prozesse mit Farbaustausch zwischen den wechselwirkenden Partonen erwartet man zusätzliche Abstrahlungen zwischen den Jets, die diese Impulsbalance stören.
13. Jet-Veto
Alle Ereignisse mit einem dritten Jet im Zentralbereich η Jet3 < 3,2 und pT > 20 GeV werden
verworfen. Dieses direkte Jet-Veto ist genauso motiviert, wie das indirekte im vorhergehenden
Schnitt.
14. mT (llν)
Es wird ein Schnitt auf mT (llν) > 30 GeV angewandt, der für 110 < mH < 135 GeV auf
mT (llν) > 20 GeV gelockert wird. Durch die anderen Schnitte in VBF gegenüber der Analyse
in Gluon-Fusion ist der Unterschied zwischen den beiden Definitionen der transversalen Masse
etwas größer. Für das Massen-Fenster wird MT verwendet, da das Signal ein etwas ausgeprägteres
Maximum knapp unterhalb der Higgs-Masse zeigt (siehe Abb. 47). Außerdem ist MT gegenüber
mT (llν) durch die Berücksichtigung der invarianten Lepton-Paar-Masse zu höheren Massen verschoben. Dadurch wird tt und WWjj teilweise aus dem Massenfenster geschoben, aber auch Zjj
von niedrigen mT (llν) in den MT -Signalbereich. Diese Ereignisse sollen durch den Schnitt unterdrückt werden.
64
7 Die Schnittanalyse
15. MT
Abhängig von der erwarteten Higgs-Masse wird ein Fenster-Schnitt 50 GeV < MT < mH + 10
GeV angewandt. Für mH > 160 GeV wird die obere Massengrenze angehoben, um die Signalsignifikanz zu erhöhen.
mH [GeV]
Obere Grenze auf MT [GeV]
160
175
170
190
180
220
190
240
In Tabelle 6 sind die Wirkungsquerschnitte der verschiedenen Prozesse sukzessive nach Schnitten für
die Analyse mit einer angenommenen Higgs-Masse von 170 GeV aufgelistet. Die Abbildungen 45-47
zeigen die Verteilungen der verwendeten Variablen sukzessive nach Schnitten. Durch Ausnutzung der
VBF-Kinematik ist das Signal deutlich reiner, allerdings auch deutlich kleiner als in Gluon-Fusion (vgl.
Abb. 42 und 47). Das führt zu einer höheren Signalsignifikanz bei einer Menge von 30 fb−1 gesammelter
Daten, eine frühe Entdeckung mit wenigen fb−1 ist aber schwieriger. Für den gesamten Massenbereich
mH = 110 − 190 GeV sind die Signalsignifikanzen für 30 fb−1 und angenommene systematische Unsicherheiten von 5%, 10% und 20% jeweils unter Berücksichtigung und Vernachlässigung der Unsicherheit
aufgrund der Monte-Carlo-Statistik in Tabelle 7 angegeben und in Abb. 48 dargestellt. Betrachtet man
analog zur Analyse [9] eine systematische Unsicherheit von 10% und vernachlässigt ∆UM C , werden die
Ergebnisse dieser vorherigen Analyse in sofern bestätigt, dass der Kanal VBF H → W W → lνlν bei
30 fb−1 im Bereich mH = 130 − 190 GeV zu einer Entdeckung eines SM-Higgs-Bosons führt und für
mH = 110 − 130 GeV zum Entdeckungspotential beiträgt.
Für den Beitrag von W+Jets in VBF im Bereich 135 < mH < 190 GeV nach Schnitten kann leider nur
eine Obergrenze festgelegt werden:
Nerwartet (W+c/bb+Jets bei 30 fb−1 ) < 15 Ereignisse bei 95% Vertrauensniveau
(79)
+7,9
Zum Vergleich werden 47−6,8
Ereignisse aus anderen Untergrundprozessen und 184 ± 14 Signalereignisse von einem Higgs-Boson mit mH = 170 GeV erwartet. Um diese Obergrenze zu senken, müsste
die Statistik in W+Jets für VBF erhöht werden. Selbst wenn W+Jets einen signifikanten Beitrag liefern
würde, ließe sich dieser analog zu GF-Analyse über einen harten Isolationsschnitt noch um einen Faktor
10 reduzieren.
7.2 Schnittanalyse Vektor-Boson-Fusion H → W W → lνlν
Abbildung 45:
Obere 4 Graphen: pT und η der beiden Tagging Jets nach Schnitt 2.
Unten links: Pseudorapiditätsabstand zwischen den Tagging Jets nach Schnitt 3.
Alle Verteilungen sind auf Flächeninhalt Eins normiert.
65
66
7 Die Schnittanalyse
Abbildung 46:
Oben links: Öffnungswinkel zwischen den Leptonen ∆Φll nach Schnitt 5.
Oben rechts: Invariante Masse des Zwei-Lepton-Systems Ml l nach Schnitt 6.
Mitte links: Invariante Masse der beiden Tagging-Jets Mj j nach Schnitt 10.
Mitte rechts: Impuls-Balance ptot
T nach Schnitt 11.
Unten links: Transversalimpuls pJet3
des Jets mit größten pT innerhalb von |η| < 3,2 im Ereignis, abgesehen
T
von den Tagging Jets, nach Schnitt 12. Ereignisse, in denen kein dritter Jet rekonstruiert wurde, sind bei
pJet3
= 0 eingetragen.
T
Alle Verteilungen sind auf Flächeninhalt Eins normiert.
7.2 Schnittanalyse Vektor-Boson-Fusion H → W W → lνlν
67
Abbildung 47:
Links: Verteilung der transversalen Masse mT (llν) unter Vernachlässigung der Lepton-Paar-Masse nach
Schnitt 13.
Rechts: Verteilung der transversalen Masse MT unter Berücksichtigung der Lepton-Paar-Masse nach Schnitt
14.
Die Verteilungen sind auf den Wirkungsquerschnitt des Prozesses nach dem angegebenen Schnitt normiert
und in der durch die Legende angegebenen Reihenfolge gestapelt.
7 Die Schnittanalyse
Schnitt:
ohne Schnitte
1. Leptonakzeptanz
+ Isolation
2. Jet-Tagging
3. TagJet pT
4. ∆ηjj
5. zentrale Leptonen
6. Leptonen Öffnungswinkel
7. Mll
8. pmiss
T
9. max pLep
T
10. Z → τ τ Veto
11. Mjj
12. ptot
T
13. Jet Veto
14. mT (llν)
15. MT
VBFH170_f
153
64,8
63,8
42,2
36,7
26,3
25,3
16,7
16,4
15,4
14,6
14,3
11,8
7,74
6,72
6,38
6,13
VBFH170_CSC
154
64,6
61,4
39,4
33,4
24,2
23,2
14,9
14,6
13,5
12,9
12,7
10,6
7,36
6,20
5,94
5,63
ttbar_f
51100
10300
10200
1610
1460
236
178
38,5
33,9
32,0
30,0
28,4
20,7
3,67
1,18
1,09
0,95
WWjj_f
109
21,5
21,4
13,2
12,0
6,86
6,18
0,97
0,75
0,71
0,62
0,57
0,52
0,36
0,32
0,30
0,26
Wt_f
6480
1440
1430
186
139
24,9
17,8
3,95
3,55
3,27
3,21
3,09
1,67
0,59
0,37
0,37
0,37
Ztautau_CSC
6210
165
159
88,3
77,7
22,9
15,8
3,23
3,20
3,13
2,83
0,43
0,33
0,10
0,03
0,00
0,00
W+c+jets
2970
46,2
27,9
10,9
6,58
3,02
2,49
0,80
0,71
0,44
0,44
0,44
0,18
0,09
0,09
0,09
0,09
W+bb+jets
365
7,01
4,40
1,79
1,64
0,82
0,60
0,15
0,15
0,15
0,15
0,15
0,00
0,00
0,00
0,00
0,00
68
Tabelle 6: Verhalten von Signal und Untergrund in der Schnittanalyse VBF H → W W → lνlν. Die angegebenen Zahlen sind Wirkungsquerschnitte in fb sukzessive
nach jedem Schnitt. Aufgrund der begrenzten Statistik im Datensatz VBFH170_CSC ist die Unsicherheit auf den Wirkungsquerschnitt nach Schnitten in der GröV BF H170_CSC
ßenordnung von 10% (σSchnitt15.
= 5,63 ± 0,46). Im Rahmen dieser Ungenauigkeit ist die Übereinstimmung zwischen schnell und zentral voll simuliertem
Datensatz akzeptabel.
S
∆Sstat
∆SM C
U
∆Ustat
∆UM C
5,45
18,3
42,6
75,0
109
175
184
151
103
3,5
5,4
7,6
9,7
10,5
13,2
13,6
12,3
10,1
0,1
0,4
0,9
1,4
2,0
2,3
2,9
2,5
1,8
21,8
27,0
31,6
31,0
37,7
45,5
50,1
53,8
55,2
5,8
6,3
6,7
6,6
7,2
7,8
8,1
8,4
8,5
7,7
7,9
8,1
7,9
8,1
8,2
8,2
8,2
8,2
Signif.
5% syst.
0,93
2,85
6,21
11,0
14,7
21,5
21,6
17,1
11,5
Signif.
10% syst.
0,89
2,68
5,76
10,2
13,5
19,4
19,3
15,1
10,2
Signif.
20% syst.
0,75
2,21
4,63
8,25
10,5
14,6
14,3
11,0
7,38
Signif.
5% +MC
0,56
1,79
4,03
7,21
9,97
15,2
15,6
12,5
8,47
Signif.
10% + MC
0,55
1,74
3,90
6,98
9,55
14,4
14,7
11,7
7,88
Signif
20% + MC
0,52
1,59
3,49
6,24
8,30
12,1
12,1
9,47
6,35
7.2 Schnittanalyse Vektor-Boson-Fusion H → W W → lνlν
mH
[GeV]
110
120
130
140
150
160
170
180
190
Tabelle 7: Erwartete Ereigniszahlen nach den Schnitten der Analyse VBF H → W W → lνlν mit statistischer Unsicherheit bei einer integrierten Luminosität
von 30 fb−1 . Zur Berechnung der Unsicherheit aufgrund der begrenzten Monte-Carlo-Statistik wurden die Datensätze W+c+Jets und W+bb+Jets zusammengefasst.
Diese Unsicherheiten sind sehr groß, da in allen Untergrunddatensätzen außer ttbar_f und WWjj_f die Statistik zu gering ist. Die Signalsignifikanzen wurden für
systematische Unsicherheiten von 5%, 10% bzw. 20% auf die Anzahl der Untergrundereignisse berechnet.
69
70
7 Die Schnittanalyse
Abbildung 48: Entdeckungspotential für ein SM-Higgs-Boson in der Analyse VBF
H → W W → lνlν in Abhängigkeit der Masse des Higgs-Bosons bei einer integrierten Luminosität von
30 fb−1 . Die verschiedenen Kurven berücksichtigen dabei eine systematische Unsicherheit von 5%, 10%
bzw. 20% mit und ohne die statistische Unsicherheit aufgrund der begrenzten Monte-Carlo-Statistik.
71
8 Multivariate Analysemethoden zur Verbesserung der Signifikanz
Die Trennung von Signal und Untergrund durch Schnitte auf leicht interpretierbare Variablen hat einen
großen Vorteil. Sie ist transparent und die Ergebnisse meist intuitiv verständlich. Der Nachteil ist, dass
ein Teil der verfügbaren Information nicht genutzt wird. So könnte ein Signal-Ereignis, das von einem
einzelnen Schnitt verworfen wurde, trotzdem noch zu einer Entdeckung beitragen.
Die Grundidee multivariater Methoden ist die Berechnung einer diskriminierenden Größe, basierend auf
möglichst der gesamten Information in den verwendeten Variablen. Die Methode wird mit Monte-CarloDatensätzen für Signal und Untergründe trainiert, d.h. die Diskriminante auf Trennung von Signal und
Untergrund optimiert. Die Methode sollte dann mit Datensätzen getestet werden, die statistisch von den
Trainingsdatensätzen verschieden sind.
8.1 Die Likelihood-Methode
Für alle Variablen i und Signal- und ggf. mehrere Untergrundklassen k werden Referenzverteilungen Rik
erstellt und auf Eins normiert. Für die Referenzverteilungen sollten ausreichend viele Ereignisse verwendet werden, um den Einfluss statistischer Fluktuationen zu minimieren. Dabei kann auch eine Glättung
der Verteilungen helfen. Ein Mass Wik für die Wahrscheinlichkeit, dass ein Ereignis einer bestimmten
Klasse angehört, ist für jede Variable in Abhängigkeit des Variablenwerts xi definiert:
Rk (xi )
Wik (xi ) = P i k
k Ri (xi )
(80)
Die Likelihood-Funktion wird dann durch das normierte Produkt dieser Wik für alle Variablen gebildet:
k
k
i Wi (xi )
Q
k
k gk
i Wi (xi )
L (x) = P
Q
(81)
Dabei kann man den Untergrundklassen noch verschiedene Gewichte gk geben, beispielsweise entsprechend den Wirkungsquerschnitten σk :
gSignal = 1
und
σk
gk = P
für k ∈ Untergrund
k σk
(82)
Unter der Annahme, dass die verwendeten Variablen unkorreliert sind, beschreibt die Likelihood-Funktion
LSignal (x) die Wahrscheinlichkeit, dass eine Ereignis mit den Variablenwerten x ein Signalereignis ist.
In der Praxis ist diese Annahme eigentlich immer verletzt. Trotzdem ist die Likelihood-Funktion eine leicht zu erstellende und zu optimierende Diskriminante, die oft eine Verbesserung gegenüber einer
Schnitt-Analyse bringt.
8.2 Anwendung der Likelihood-Methode in Vektor-Boson-Fusion
Für die Analyse in Vektor-Boson-Fusion bei einer Higgs-Masse von mH = 160 GeV wird eine Likelihood-Funktion auf Basis der Datensätze VBFH160_f, ttbar_f und WWjj_f, also Signal und den beiden
wichtigsten Untergrundprozessen, berechnet. Dazu wird zunächst eine Vorselektion auf alle Datensätze angewandt. Aus den Ereignissen in VBFH160_f, ttbar_f und WWjj_f, die die Vorselektion passiert
haben, werden jeweils 5000 zur Erstellung der Referenzhistogramme und 5000 zum Testen bzw. Evaluieren der Likelihood-Funktion verwendet21 . Als Variablen für die Referenzhistogramme in Abb. 49 wurden
kontinuierliche kinematische Variablen der Endzustandsteilchen ausgewählt, die möglichst unabhängig
vom Boost des Ereignisses in z-Richtung sind. Diese umfassen die Kinematik des Zwei-Lepton-Systems
21
In diesem Abschnitt werden die Datensätze zum Trainieren und Evaluieren der Likelihood jeweils durch ein t bzw. e am
Ende der Bezeichnung unterschieden (VBFH160_ft und VBFH160_fe).
72
8 Multivariate Analysemethoden zur Verbesserung der Signifikanz
∆Φll , ∆ηll , Mll , die Kinematik des Tagging-Jet-Systems ∆Φjj , ∆ηjj , Mjj , die Impuls-Balance PTtot
und die transversale Masse MT . Die übrigen Schnitte 1-3,5,8-10,13,14 der VBF-Analyse in Abschnitt
7.2, die diese Variablen nicht verwenden, werden als Vorselektion definiert.
Da insbesondere MT sehr sensitiv auf die angenommene Higgs-Boson-Masse ist, müssten solche Referenzhistogramme für mH = 110 − 190 GeV beispielsweise in 10-GeV-Schritten erstellt und zur Berechnung der Likelihood-Funktion verwendet werden. Findet man Hinweise auf ein Higgs-Boson in einem
bestimmten Massenbereich, kann die Schrittweite in mH dort verkleinert werden, um die beste Übereinstimmung zu finden.
Eine einfache Glättung der Histogramme wird durch lineare Interpolation zwischen den Intervallen
erreicht. Die sich daraus ergebenden stetigen, stückweise linearen Funktionen werden als Rik zur Berechnung der Likelihood-Funktion in Abb. 50 verwendet. Die beiden Untergrundprozesse werden entsprechend den Wirkungsquerschnitten nach der Vorselektion (siehe Tabelle 8.2) gewichtet:
gttbar = 0,968
(83)
gW W jj = 0,032
Wählt man einen Schnitt auf die Likelihood-Funktion, mit dem man etwa das gleiche Untergrundniveau
erhält wie in der Schnittanalyse,
1
1
22
′
L > 0,9917 bzw. transformiert : L = − ln
− 1 > 0,319
(84)
15
L
erreicht man eine um 19,5% verbesserte Signaleffizienz.
Die Vorselektion reduziert das Signal schon sehr stark (siehe Tabelle 8.2). Daher könnte die LikelihoodMethode noch weiter verbessert werden, indem man Schnitte der Vorselektion, wie beispielsweise das
Jet-Veto, lockert und weitere Variablen in die Likelihood-Referenzhistogramme aufnimmt. Des Weiteren
wäre es sinnvoll, leichte Schnitte mit hoher Signaleffizienz auch auf die bisher nur für die Referenzhistogramme verwendeten Variablen in die Vorselektion aufzunehmen.
Prozess /
Datensatz
ohne Schnitte
Vorselektion
Schnitt-Analyse
Likelihood
VBFH160_f
ttbar_f
WWjj_f
Wt_f
151
16,8
5,96
7,12
51100
94,8
0,87
1,00
109
3,12
0,23
0,24
6480
17,7
0,37
0,22
W+c+jets /
W+bb+jets
3340
1,92
0,09
0,09
Ztautau_CSC
6210
0,97
0,00
0,00
Tabelle 8: Wirkungsquerschnitte in fb nach der Vorselektion (Schnitte 1-3,5,8-10,13,14 der VBF-Analyse
entsprechend Abschnitt 7.2), nach allen Analyse-Schnitten und alternativ dem Schnitt auf die LikelihoodFunktion. Hierbei wurde die Schnittanalyse wegen der Vergleichbarkeit ebenfalls auf den Evaluierungsdatensätzen der Likelihood durchgeführt.
22
Diese willkürliche Transformation L′ ermöglicht einen genaueren Blick in die Spitzen der Likelihood-Verteilung bei Null
und Eins in Abb. 50.
8.2 Anwendung der Likelihood-Methode in Vektor-Boson-Fusion
73
Abbildung 49: Referenzhistogramme der Variablen zur Berechnung der Likelihood-Funktion. Die Histogramme sind auf Flächeninhalt Eins normiert.
74
8 Multivariate Analysemethoden zur Verbesserung der Signifikanz
Abbildung 50: Verteilung der Signal-Likelihood L für die Evaluierungsdatensätze. Um einen genaueren Blick
in die Spitzen der Verteilung
bei Null und Eins zu werfen, wurde die Likelihood auch noch entsprechend
1
L′ = − 15
ln L1 − 1 transformiert dargestellt.
75
9 Zusammenfassung und Ausblick
In der vorliegenden Arbeit wurden Schnitt-Analysen für den Zerfallskanal H → W W → lνlν in VektorBoson-Fusion und Gluon-Fusion durchgeführt. Dabei wurde erstmals der W+Jets-Untergrund in vollständiger Detektorsimulation berücksichtigt. Eine dafür notwendige effiziente Methode zur Vorselektion
relevanter Ereignisse vor der Detektorsimulation wurde entwickelt.
Die Untersuchung der Auflösung der Lepton-Isolationsvariable etcone hat gezeigt, dass die entsprechende Größe auf Generatorniveau true_etcone sich nicht zur Vorselektion von Ereignissen eignet. Trotzdem lieferte diese Untersuchung eine Parametrisierung der Auflösung, die eine bessere Abschätzung der
Lepton-Isolation auf Generatorniveau ermöglicht. Diese Parametrisierung wird beispielsweise zur Untersuchung des bb - Untergrundes in Anhang B verwendet.
Da für die Analysen sowohl volle als auch schnelle Detektorsimulation notwendig waren, wurde anhand
der Signaldatensätze ein Vergleich durchgeführt. Nach einer Übertragung der Lepton-Nachweiswahrscheinlichkeiten aus der vollen auf die schnelle Simulation stimmt das Verhalten der Signaldatensätze in
den Schnitt - Analysen innerhalb der statistischen Unsicherheit überein.
In der Analyse GF H → W W → lνlν tragen W+Jets-Ereignisse im Bereich niedriger transversaler
Massen zum Untergrund bei. Bei Verwendung eines Standard-Isolations-Schnittes liegt der Beitrag von
W+Jets zum Gesamtuntergrund vor dem letzten Analyse-Schnitt auf die transversale Masse bei 24%. In
den Massenfenstern für die Analysen mit mH = 150 − 190 GeV ist der Beitrag <5%. Eine Untersuchung verschiedener Variablen zur Charakterisierung der Lepton-Isolation hat gezeigt, dass der W+JetsUntergrund weiter reduziert werden kann. Die ebenfalls untersuchte Stoßparameter-Signifikanz bietet dagegen fast keine weitere Unterscheidungsmöglichkeit zwischen Leptonen aus W-Boson-Zerfällen
und Leptonen aus Hadron-Zerfällen. Ein zusätzlicher Isolationsschnitt mit einer Effizienz von 12% für
W+Jets und 87% für Prozesse vom Typ W W → lνlν verbessert zwar nicht die Signalsignifikanz bei einer festen angenommenen systematischen Unsicherheit; aber gerade zur Begrenzung der systematischen
Unsicherheit kann die Unterscheidung der Untergrundklassen außerhalb des Signalbereichs mittels Leptonisolation beitragen.
Für die Analyse VBF H → W W → lνlν konnte eine Obergrenze auf den Beitrag von W+Jets nach
Analyseschnitten bestimmt werden. Diese lässt den Schluss zu, dass der VBF-Kanal durch die Signatur der Vorwärts-Jets vor W+Jets geschützt ist. Eine Verbesserung der Monte-Carlo-Statistik sollte diese
Aussage erhärten.
In VBF wurde eine Likelihood-Methode am Beispiel mH = 160 GeV angewandt, die bei gleichem
Untergrund-Niveau ein etwa 20% höheres Signal liefert. Hier könnten Variationen in Vorselektion und
Auswahl der Variablen für die Referenz-Verteilungen zu weiteren Verbesserungen führen. Des Weiteren
könnte dies ein Ausgangspunkt zur Untersuchung weiterer multivariater Analysemethoden mit Hilfe des
Software-Paketes TMVA (Toolkit for Multivariate Data Analysis [43]) sein.
In beiden Analysen konnte die bisherige Erwartung der ATLAS-Kollaboration bestätigt werden, dass
mit 30 fb−1 gesammelter Daten eine Entdeckung eines SM-Higgs-Bosons im Bereich mH = 150 − 190
GeV in GF und im Bereich mH = 130 − 190 GeV in VBF gesichert ist. Die Analyse in VBF trägt
für mH = 110 − 130 GeV zum Entdeckungspotential bei. Die Entdeckung eines Higgs-Bosons mit
mH ≈ 165 − 170 GeV ist in GF mit wenigen fb−1 möglich. Vorraussetzung dafür ist die Begrenzung der
systematischen Unsicherheit. Dafür ist die Berücksichtigung von W+Jets-Ereignissen und deren Identifikation mittels Lepton-Isolation notwendig.
76
A Leptonische Zerfälle langlebiger Hadronen
A Leptonische Zerfälle langlebiger Hadronen
Langlebige Hadronen mit einer Lebensdauer cτ im Bereich von einigen Metern (siehe Tabelle 9) werden auf Generatorniveau in Pythia6.4 in der verwendeten ATHENA-Version als stabil behandelt23 . Die
Zerfälle werden dann in der Detektorsimulation von G EANT gehandhabt. Durch die Selektion von Leptonen auf Generatorniveau werden also Leptonen, die erst aus dem Zerfall eines langlebigen Hadrons
hervorgehen, ignoriert. Relevant sind dabei nur Zerfälle vor dem Kalorimeter, da das Hadron sonst stark
wechselwirkt und einen hadronischen Schauer ausbildet.
Das KL hat ein großes cτ und seine leptonischen Zerfälle sind Dreikörperzerfälle. Die Wahrscheinlichkeit, dass das KL vor dem Kalorimeter zerfällt und ein hochenergetisches Lepton entsteht, ist daher
vernachlässigbar.
Der Beitrag geladener Kaonen und Pionen wurde ausgehend von deren Kinematik in 2 · 105 Pythia
W+Jets-Ereignissen auf Generatorniveau abgeschätzt. Für jedes Kaon/Pion wurde die Wahrscheinlichkeit berechnet, dass dieses im inneren Detektor in Myon und Neutrino zerfällt. Dabei wurde der innere
Detektor vereinfacht als Zylinder mit Radius 1,4 m und Länge 7,5 m angenommen. Jedes Kaon/Pion
wurde mit dieser Wahrscheinlichkeit gewichtet.
Beim Zweikörperzerfall sind im Schwerpunktssystem (SPS) Energien bzw. Impulsbeträge der Zerfallsprodukte festgelegt. Der Zerfall ist isotrop, d.h. alle Raumwinkel Ω sind gleichberechtigt. Ein Ensemble
von Zerfällen ist also gleichverteilt in cos(θ) und φ. Nun kann man das Koordinatensystem so wählen,
dass die z-Achse parallel zur Impulsrichtung des Elternteilchens und der Myon-Impuls in der x-z-Ebene
liegt. Der Myon-Impuls lässt sich dann über den Winkel θ ausdrücken und in das Laborsystem transformieren:




→
γEµ + βγcos(θ)|−
p µ|
Eµ




0
z-Boost
0
Lab
S



(85)
=
p
=
pSP
−
→
−
→
µ
µ


sin(θ)| p µ |
sin(θ)| p µ |
=⇒
−
→
−
→
βγEµ + γcos(θ)| p µ |
cos(θ)| p µ |
Für Kaonen und Pionen mit pT > 10 GeV ist die Näherung β ≈ 1 gerechtfertigt. Unter Vernachlässigung
der x-Komponente des Myon-Impulses lässt sich der Impulsanteil des Myons am Kaon/Pion-Impuls
schreiben als:
→
→
|−
p µ|
Eµ + cos(θ)|−
p µ|
=
(86)
→
mK/π
|−
p K/π |
Der Impulsanteil ist also unabhängig vom Impuls des Kaons/Pions und gleichverteilt zwischen Minimum und Maximum bei cos(θ) = ±1. Der Myon-Impuls im Schwerpunktsystem und die Intervalle
des Impulsanteils sind in Tabelle 9 angegeben. Für jedes Kaon/Pion in den W+Jets-Ereignissen wurde
aus dem pT des Kaons/Pions ein Myon-pT durch Multiplikation mit einer Zufallszahl aus dem Intervall
zwischen minimalem und maximalem Impulsanteil abgeleitet. Dieses Myon-pT -Spektrum ist in Abb. 51
zusammen mit dem Myon-pT -Spektrum aus Charm-Hadron-Zerfällen dargestellt.
Der Beitrag geladener Pionen (Kaonen) zur Produktion von Myonen mit pT ≈ 20 GeV ist etwa einen
Faktor 20 (30) kleiner als der von Charm-Hadronen. Dabei ist zu beachten, dass die Myonen aus Kaonund Pion-Zerfällen möglicherweise besser isoliert sind, da es sich um Zwei-Körper-Zerfälle handelt. Andererseits werden viele solcher Myonen wahrscheinlich wegen zu geringer Spurqualität verworfen, da
der Zerfall eine leichte Richtungsänderung und eine Verringerung des pT der Spur verursacht.
Die Isolation könnte anhand von true_etcone abgeschätzt werden. Ein möglicher Ansatz, um die Auswirkungen auf die Spurrekonstruktion abzuschätzen, wäre eine Untersuchung von voll simulierten EinTeilchen-Ereignissen, also des Verhaltens einzelner myonisch zerfallender Kaonen und Pionen im Detektor.
23
Für die mit Sherpa erstellten Datensätze wurde Sherpa so konfiguriert, dass Teilchen mit cτ > 10 mm auf Generatorniveau
stabil sind.
77
Hadron
π±
K±
KL
cτ [m]
7,8
3,7
15,3
leptonische Zerfälle
BR(π ± → µ± ν) = 100%
BR(K ± → µ± ν) = 63%
BR(KL → π ± e∓ ν) = 40%
BR(KL → π ± µ∓ ν) = 27%
S [MeV]
pSP
µ
29,9
236
−
|→
p µ|
−
|→
p K/π
[0,573; 1]
[0,046; 1]
Tabelle 9: Langlebige Hadronen, die in Pythia6.4 in der verwendeten Athena-Version auf Generatorniveau
stabil gesetzt sind.
Abbildung 51: Diese Verteilungen sind anhand von 2 · 105 Pythia W+jets Ereignissen auf Generatorniveau
erstellt worden.
Links oben: pT -Spektrum von Kaonen und Pionen in W+Jets-Ereignissen (genauer: Wahrscheinlichkeit, in
einem W+jets-Ereignis ein Lepton aus dem W-Zerfall mit pT > 13GeV und |η| < 2,7 und ein Kaon/Pion
mit |η| < 2,7 im angegebenen 1GeV-pT -Intervall zu finden).
Rechts oben / Links unten: Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein solches Kaon innerhalb des inneren Detektors
bzw. vor dem Kalorimeter in ein Myon und ein Neutrino zerfällt, aufgetragen gegen pT und η des Kaons.
Rechts unten: Abgeleitetes pT -Spektrum der Myonen aus Kaon- und Pion-Zerfällen. Zum Vergleich ist auch
das pT -Spektrum von Myonen aus Charm-Hadron-Zerfällen dargestellt (entspricht Abb. 28 mit Beschränkung
auf Myonen).
B bb-Produktion als Untergrund zur Higgs-Suche
im Kanal Gluon-Fusion H → W W → lνlν
78
B bb-Produktion als Untergrund zur Higgs-Suche
im Kanal Gluon-Fusion H → W W → lνlν
Ein weiterer potentieller Untergrund für dileptonische Endzustände ist die Produktion von BottomAntibottom-Paaren, wobei die Leptonen aus dem Zerfall der b-Hadronen entstehen. Dabei sind zwei
Fälle zu unterscheiden:
1. Je ein Lepton stammt aus je einem b-Hadron.
Dabei müssen beide b-Hadronen zentral in η liegen. Die Leptonen sind in der transversalen Ebene
tendenziell entgegengesetzt orientiert, haben also im Gegensatz zur Signatur des Signals ein großes
∆Φll
2. Beide Leptonen stammen aus einem b-Hadron, das in der Regel über eine Kaskade folgenden Typs
zerfällt:
B → l± + D + X → l± + l∓ + X + Y
(87)
In diesem Fall ist das ∆Φll eher klein, also Signal-ähnlich. Der Jet aus der Hadronisierung des
zweiten b-Quarks24 könnte, sofern er rekonstruiert wird, ein b-Jet- oder Jet-Veto auslösen oder
aber einen Tagging-Jet-Kandidaten abgeben, je nach Orientierung in η.
Der Wirkungsquerschnitt liegt mit σbb ≈ 500 µb zwölf Größenordnungen über dem Wirkungsquerschnitt
für H → W W → lνlν. Hier soll versucht werden, den relevanten Anteil an bb-Ereignissen mit MonteCarlo-Daten auf Generatorniveau abzuschätzen. Um effizient einen Datensatz zu erzeugen, der einer
möglichst hohen integrierten Luminosität entspricht, muss bei der Ereignisgeneration der Phasenraum
eingeschränkt werden.
Für die erste Ereignisklasse kann man verlangen, dass beide b-Quarks im Zentralbereich des Detektors
liegen und kann den Wirkungsquerschnitt durch Generatorschnitte
|η b1 | < 3,0
pb1
T > 30 GeV
|η b2 | < 3,0
pb2
T > 20 GeV
(88)
ef f
auf σbb
= 520 nb reduzieren. Nach der Hadronisierung wird dann ein Generator-Filter angewandt,
um die Zerfälle mit hochenergetischen Leptonen auszuwählen. Verlangt man zwei Leptonen mit jeweils
Lep1/2
> 10 GeV erreicht man eine weitere Unterdrückung um einen Faktor
|η|Lep1/2 < 2,7 und pT
8,5 · 10−3 .
Die in Abschnitt 6.2 gewonnene Parametrisierung von etcone kann nun verwendet werden, um ausgehend von true_etcone20 für jedes Lepton die Wahrscheinlichkeit zu berechnen, dass in etcone20
weniger als 10 GeV rekonstruiert werden. Die Ereignisse werden dann mit dem Produkt dieser Isolationswahrscheinlichkeiten beider Leptonen gewichtet. Trotz der Generatorschnitte konnte nur ein Datensatz erstellt werden, der ohne Berücksichtigung der Isolationsgewichtung einer integrierten Luminosität
von 0,12f b−1 entspricht. Um trotzdem eine Vorstellung der Kinematik der Ereignisse und ihrer Relevanz
für die Analyse GF H → W W → lνlν zu bekommen, wird die transversale Masse mT (llν) mit einem
der wichtigsten Analyse-Schnitte ∆Φll < 1,0 rad in Abb. 52 dargestellt. Zusätzlich wird Mll > 10 GeV
verlangt um Ereignisse der zweiten Klasse zu entfernen (siehe unten). Zur Berechnung von mT (llν)
muss eine Annahme über die fehlende transversale Energie im Ereignis getroffen werden. Im schlimmsten Fall wird außer den Leptonen kein Jet und nur wenig transversale Energie rekonstruiert. Der daraus
→
→
→
resultierende fehlende transversale Impuls −
p miss
= −(−
p Lep1
+−
p Lep2
) wird für die Berechnung der
T
T
T
transversalen Masse verwendet. Zwar bricht die Statistik im Bereich mT (llν) ≈ 100 GeV ein, aber das
Spektrum beschreibt in der logarithmischen Skalierung näherungsweise ein lineares Gefälle, sodass eine
Extrapolation möglich ist. Diese relativ konservativen Annahmen legen den Schluss nahe, dass bb im
24
Der Wirkungsquerschnitt für die Produktion einzelner b-Quarks ist deutlich kleiner als σbb und W + b-Produktion ist Teil
des behandelten W+Jets-Untergrundes.
79
Signalbereich mT (llν) > 120 GeV nur mit ∼ 6 fb zum Untergrund beitragen kann. Weitere Analyseschnitte, die hier nicht angewandt wurden, sollten diesen Beitrag weiter reduzieren25 . Zum Vergleich:
Der gesamte bisher betrachtete Untergrund nach allen Schnitten der GF-Analyse (bei mH = 150 GeV
→ mT (llν) > 120 GeV) beträgt 53,2 fb. Dem gegenüber scheint der Beitrag von bb-Ereignissen gering.
Dies müsste mit einer detaillierteren Untersuchung bestätigt werden.
Abbildung 52: Verteilung der transversalen Masse mT (llν) in bb-Ereignissen. Die Daten sind mit MadGraph
und den im Text angegebenen Generator-Schnitten und -Filtern generiert worden und entsprechen einer
integrierten Luminosität von 0,12 fb−1 . Die Ereignisse sind gewichtet mit der Isolationswahrscheinlichkeit
für beide Leptonen. Es wurde ein Schnitt auf ∆Φll < 1,0 rad und Mll > 10 GeV angewandt.
Abbildung 53 zeigt die Verteilung der invarianten Masse der beiden Leptonen Mll für die zweite Ereignisklasse. Diese ist im generierten Datensatz zwar aufgrund des Generatorschnitts stark unterrepräsentiert, aber die Charakteristik kann trotzdem untersucht werden. Man erkennt die J/Ψ-Resonanz bei 3,1
GeV. Da die Leptonen aus dem Zerfall eines Hadrons aus einem b-Quark und leichteren Quarks stammen, ist Mll . 5 GeV. Diese Ereignisklasse ließe sich also in der GF-Analyse H → W W → lνlν
durch einen Schnitt auf Mll > 5 − 10 GeV ohne größeren Signalverlust (siehe Abb. 41 in Abschnitt
7.1) unterdrücken. Ob dies notwendig ist, sollte anhand echter Daten überprüft werden. Findet man nach
Analyseschnitten im Mll -Spektrum Resonanzen von dileptonischen Hadron-Zerfällen, wie J/Ψ → l+ l−
oder Υ → l+ l− , sollten diese durch den genannten Schnitt entfernt werden.
25
Für W+Jets beträgt die Effizienz dieser weiteren Schnitte etwa 25%
80
B bb-Produktion als Untergrund zur Higgs-Suche
im Kanal Gluon-Fusion H → W W → lνlν
Abbildung 53: Verteilung der invarianten Masse von Lepton-Paaren aus einem b-Hadron-Kaskaden-Zerfall.
Rot/Gestrichelt: bb-Datensatz mit 0,12 fb−1 und den im Text angegebenen Generator-Schnitten und -Filtern
Schwarz/Durchgezogen: Kontrolldatensatz mit weicherem Generator-Schnitt und geringer Statistik
Beide Datensätze sind mit MadGraph erstellt worden.
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