T R E F F P U N K T FO R SC H U N G | I N T EG R I E R T E S K Ü S T E N ZO N E N M A N AG E M E N T Indonesien: Rotalgenkulturen für Speiseeis Dass der Verzehr von Eiscreme zum Bestandsschutz von Haifischen führen kann, klingt etwas abwegig. Trotzdem lassen sich Verbindungen ziehen: Cremig schmelzendes, kaltes Eis verdankt seine Konsistenz dem Zusatzstoff Carrageen, einem Polysaccharid, das aus Rotalgen gewonnen wird. Für Fischer in Indonesien sind Algenkulturen eine wichtige Alternative zum wenig nachhaltigen Haifischfang. A B B . Algenkultur in Gorontalo auf Sulawesi. Meeresalgen werden im asiatischen Raum seit Jahrtausenden als Nahrung genutzt. Weitgehend unbemerkt sind sie inzwischen auch in unseren europäischen Speiseplan eingezogen. In den Inhaltsangaben verstecken sich diese Algenzusätze unter dem Begriff „Carrageen“ (E407) [1]. Carrageen wird auch als Verdickungs- und Geliermittel in Süßspeisen und Ketchup verwendet, es verhindert als Stabilisator in Milchshakes das Absinken der Kakaopartikel, ist ein Zusatzstoff in Zahnpasta und wird zum Klären von Wein eingesetzt. Da es stark aufquillt, kann es ein INDONESIENS KÜSTE • Äquatoriale Inselkette aus 17.500 Inseln, davon 6000 bewohnt (beispielsweise Sumatra, Java, Kalimantan, Irian, Sulawesi) • 73 % des staatlichen Territoriums bestehen aus Meer • Küstenlänge: 81.290 km • Im Süden und Westen: Indischer Ozean • im Norden und Osten: Pazifik • Durchzogen vom pazifischen Feuerring, daher vulkanische Aktivitäten, Seebeben • Wallace-Linie: trennt die Fauna und Flora biologisch in einen asiatischen und australischen Bereich • Lebensräume: Mangroven, Korallenriffe (86.000 km2), Algenwiesen 288 | Biol. Unserer Zeit | 5/2007 (37) Sättigungsgefühl hervorrufen, das in Schlankheitsmitteln genutzt wird. Carrageen passiert den Verdauungskanal, ohne absorbiert oder abgebaut zu werden und gilt als gesundheitlich unbedenklich [3]. Biochemisch gesehen ist Carrageen ein lineares Polysaccharid, das sich zwischen den Cellulosefasern in Zellwänden von Rotalgen befindet. Es gibt verschiedene Carrageen-Formen, die sich beispielsweise in der Anzahl von Sulfatgruppen unterscheiden. Die Rotalgen Eucheuma cottonii und E.spinosum (Solieriacae) sind wichtige Carrageen-Lieferanten aus Südostasien. Aber auch verschiedene Rotalgen der Nordseeküsten (Chondrus crispus, Gigartina mamillosa) eignen sich zur Carrageen-Gewinnung. Man trocknet die Rotalgen, erhitzt sie in Wasser und setzt Alkohol zu: Carrageen fällt als farbloses Pulver aus. Voraussetzungen für die Algenkultur in Indonesien sind ein sandiger Untergrund, wie man ihn in der Umgebung von Korallenriffen findet, und sauberes Meerwasser mit geringen Wassertiefen, damit eine ausreichende Lichtversorgung für die Photosynthese gewährleistet ist. Seit Mitte der 1990er Jahre ist die Algenkultur ein Haupterwerbszweig auf vielen indonesischen Inseln. Algenkulturen machen die Fischer zwar nicht reich, sichern aber ihr Einkommen und sind eine wichtige Alternative zum Fischfang in den Korallenriffen. 14 -18 % der weltweiten Korallenriffe befinden www.biuz.de sich in Indonesien, von denen allerdings die Hälfte durch Überfischung und destruktive Fischereimethoden bedroht ist. Für Indonesien ist das nicht nur ein ökologisches, sondern auch ein ökonomisches Problem, da auf diese Weise jährlich fast 4 % der Fischereiflächen in den Korallenriffen verloren gehen [2]. Neben dem Fang von Aquarienfischen ist der Haifischfang von großer Bedeutung. Haifischflossensuppe (shark fin soup) hat vor allem in der chinesischen Küche den Ruf, Lebenskraft und innere Organe zu stärken. Wegen ihres hohen Preises wird sie heute aber vor allem aus Prestigegründen konsumiert. Der Bedarf an Flossen ist deutlich höher als der an Haifleisch. „Finning“ nennt man daher in der Fischerei das Verfahren, den gefangenen, lebenden Haien nur die Flossen abzuschneiden und den Fischrumpf wieder in das Wasser zu werfen. Die Tiere gehen elend zugrunde. Noch 2003 war Indonesien die wichtigste Haifang-Nation, gefolgt von Taiwan, Indien, Spanien und den USA. Haie sind besonders von Überfischung bedroht, da sie nur sehr langsam wachsen, spät geschlechtsreif werden und nur wenige Jungen haben. Die Empfehlungen der FAO für eine nachhaltige Hai-Fischerei (IPOA: International Plan of Action for the Conservation and Management of Sharks) können nur wirksam werden, wenn den örtlichen Fischern Alternativen geboten werden. [1] http://www.zusatzstoffe-online.de/zusatzstoffe/6.e407_carrageen.html [2] M. R. P. Briggs, Destructive fishing practices in South Sulawesi Island, East Indonesia and the role of aquaculture as a potential alternative livelihood. Aqua KE Gov.Doc Jan. 2006: 1010030. [3] S. M. Cohen, N. Ito, Critical Reviews in Toxicology 2002, 32(5), 413-444. Yus Budiyono, Jakarta, Indonesien Agency for the Assessment and Application of Technology, Inge Kronberg, Hohenwestedt © 2007 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim