Einführung in die Geomorphologie

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Frank Ahnert
Einführung in die
Geomorphologie
4. Auflage
257 Abbildungen
25 Tabellen
Verlag Eugen Ulmer Stuttgart
4

Prof. Dr. phil. Frank Ahnert (geb. 1927), promoviert 1953 (Univ. Heidelberg), 1954 bis 1974 Forschungsund Lehrtätigkeit an der University of Maryland (Full Professor 1966 – 74) und Gastprofessuren an anderen
amerikanischen Universitäten, seit 1974 ordentl. Professor für Physische Geographie an der RWTH Aachen,
emeritiert seit 1993. Forschung und Lehre vorwiegend im Bereich der Geomorphologie, sowohl mit empirischen Feldforschungen in Deutschland, Nordamerika, Nordgrönland und Ostafrika, als auch mit der Entwicklung theoretischer Konzepte und Modelle.
Bibliografische Information der deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbiblio­grafie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN 978-3-8252-8103-8 (UTB)
ISBN 978-3-8001-2907-2 (Ulmer)
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der
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gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und
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© 1996, 2009 Eugen Ulmer KG
Wollgrasweg 41, 70599 Stuttgart (Hohenheim)
E-Mail: [email protected]
Internet: www.ulmer.de
Lektorat: Alessandra Kreibaum
Herstellung: Jürgen Sprenzel
Entwurf Umschlag und Innenlayout: Atelier Reichert, Stuttgart
Satz: Laupp & Göbel, Nehren
Druck und Bindung: Friedr. Pustet, Regensburg
Printed in Germany
ISBN 978-3-8252-8103-8 (UTB-Bestellnummer)
5
Inhaltsverzeichnis
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
Geomorphologie
1.1
Die Beziehung zwischen Größe und
Existenzdauer von Landformen . . . . .
Methodische Komponenten . . . . . . . .
Allgemeine und regionale Geomorphologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2
1.2.1
12
1.2.2
13
15
15
2
Systemtheoretische Grundlagen
2.1
2.2
2.3
2.3.1
2.3.2
Der Systembegriff . . . . . . . . . . . . . . . .
Systemkomponenten . . . . . . . . . . . . . .
Systemtypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Statische Systeme . . . . . . . . . . . . . . . .
Prozesssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
Endogene Prozessresponssysteme
3.1
Hypsographische Kurve und
Isostasie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Plattentektonik: Entstehung und
Lageveränderungen der Kontinente
und Ozeane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die morphostrukturellen Großeinheiten der Kontinente . . . . . . . . . . . . .
Schilde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Sedimentäre Plateaus, Tafel- und
Schichtstufenländer . . . . . . . . . . . . . . .
3.2
3.3
3.3.1
3.3.2
4
Exogene Faktoren und Systeme
4.1
Eustatische Veränderungen des
Meeresniveaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Morphoklima . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Größenfrequenzanalyse des Niederschlagsregimes . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.2
4.2.1
23
23
24
24
24
28
31
34
34
35
40
41
41
1.3
1.4
2.3.3
2.4
Die drei Forschungsstufen
der allgemeinen und regionalen
Geomorphologie. . . . . . . . . . . . . . . . . .
Physikalische Zeit und historische Zeit
Das Geomorphodynamische System
Prozessresponssysteme . . . . . . . . . . . .
Dynamisches Gleichgewicht und
stationärer Zustand (steady state)
in geomorphologischen Prozessresponssystemen . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.3.3
3.3.4
3.3.5
3.3.6
3.3.7
3.3.8
3.3.9
Vulkanische Plateaus . . . . . . . . . . . . . .
Alte Faltengebirge . . . . . . . . . . . . . . . .
Junge Faltengebirge . . . . . . . . . . . . . .
Bruchschollengebirge . . . . . . . . . . . . .
Sedimentäre Ebenen . . . . . . . . . . . . . .
Große Grabenzonen . . . . . . . . . . . . . .
Große junge Vulkane und Vulkangebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.3.10 Morphostrukturtypen als Großformgenerationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.2.2
4.3
Temperatur- und Windregime . . . . . .
Die Haupttypen exogener geomorphologischer Prozessresponssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
16
17
20
24
25
35
35
36
37
37
38
38
38
43
44
6
Inhaltsverzeichnis
5
Gesteinsarten und ihre Eigenschaften
5.1
5.2
5.3
5.3.1
Element, Mineral und Gestein . . . . . .
Magmatische Gesteine (Plutonite
und Vulkanite) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Typen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Chemische und mineralogische
Zusammensetzung . . . . . . . . . . . . . . . .
Sedimentgesteine . . . . . . . . . . . . . . . .
Sediment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6
Das System der Verwitterung
6.1
6.1.1
6.4
Die Funktionen der Verwitterung . . .
Verwitterung als Einwirkung atmosphärischer Prozesse . . . . . . . . . . . . . .
Verwitterung als Anpassung
der Gesteine an die Umweltbedingungen der Erdoberfläche . . . . . . . . .
Verwitterung als Aufbereitung des
Gesteins für die Abtragung . . . . . . . . .
Verwitterung als Prozessresponssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Morphoklimatische Faktoren und
ihre Effekte in der mechanischen
Verwitterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Prozesse der mechanischen Verwitterung und ihre Produkte . . . . . . . . . .
Körniger Zerfall . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Blockzerfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die relative Intensität von körnigem
Zerfall und Blockzerfall . . . . . . . . . . .
Schiefriger Zerfall . . . . . . . . . . . . . . . .
Feinabschuppung (Thermische
Abschuppung). . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Grobabschuppung (Exfoliation
durch Druckentlastung) . . . . . . . . . . .
Chemische Verwitterung . . . . . . . . . .
7
Denudation I: Prozessresponssysteme der Massenbewegungen
7.1
7.1.1
7.2
Denudation und Erosion . . . . . . . . . . .
Typen von Denudationprozessen . . .
Physikalische Grundlagen
denudativer Massenbewegungen . . .
Hangneigung und Schwerkraftwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Plastisches Fließen und das
Coulombsches Gesetz . . . . . . . . . . . . .
5.2.1
5.2.2
6.1.2
6.1.3
6.2
6.2.1
6.3
6.3.1
6.3.2
6.3.3
6.3.4
6.3.5
6.3.6
7.2.1
7.2.2
46
46
46
48
48
48
57
5.3.2
5.3.3
5.3.4
5.4
5.4.1
5.4.2
5.4.3
6.4.1
57
57
58
58
6.5
6.5.1
6.5.2
6.5.3
6.5.4
6.5.5
6.5.6
6.5.7
6.6
58
61
61
64
65
65
65
6.7
6.7.1
6.7.2
6.7.3
6.7.4
6.7.5
6.7.6
6.8
67
68
83
83
83
83
84
7.2.3
7.2.4
7.2.5
7.3
7.3.1
7.3.2
7.3.3
Klastische Sedimentgesteine . . . . . . .
Kalkstein, Mergel und Dolomit . . . . .
Andere Sedimentgesteine . . . . . . . . .
Metamorphe Gesteine . . . . . . . . . . . . .
Geschieferte Metamorphite . . . . . . . .
Ungeschieferte Metamorphite . . . . . .
Wirkungen der Kontaktmetamorphose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Morphoklimatische Faktoren und
Effekte in der chemischen Verwitterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Chemische Verwitterungsreaktionen . .
Lösung und Löslichkeit . . . . . . . . . . . .
Hydration (Hydratisierung) . . . . . . . .
Oxidation und Reduktion . . . . . . . . . .
Carbonatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . .
Hydrolyse und Silikatverwitterung . .
Chelatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Fungale Verwitterung . . . . . . . . . . . . .
Raten und Grad der chemischen
Verwitterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Böden als Produkte der Verwitterung . .
Saprolith, Regolith und Bodenhorizonte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Körnungsklassen und Bodenarten . .
Bodentypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Bodencatenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Krusten und Verwitterungsrinden . .
Steinlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Der relative Anteil der mechanischen und der chemischen Verwitterung in verschiedenen Morphoklimaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Veränderlichkeit von Kohäsion und
Grenzscherspannung . . . . . . . . . . . . . .
Viskoses Fließen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die kritische Höhe von Böschungen
Sturzdenudation und Rutschungen
Blockabstürze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Felsstürze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Bergsturz und Bergrutsch . . . . . . . . . .
48
51
52
52
54
55
56
68
70
70
70
71
71
71
73
73
73
75
75
76
76
79
79
80
82
85
86
86
87
87
88
88
Inhaltsverzeichnis
7.3.4
7.3.5
91
7.4.7
92
94
94
96
96
96
7.4.8
Qualitative Nachweise von Kriechvorgängen im Gelände . . . . . . . . . . . .
Kriechbewegungen des Schutts auf
dem Mond und dem Mars . . . . . . . . .
Periglaziale Denudationsprozesse . . .
Periglazialgebiete . . . . . . . . . . . . . . . .
Gelifluktion (periglaziale Solifluktion)
Nivationsnischen und Kryoplanationsterrassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Steinnetze und Steinstreifen . . . . . . .
Eiskeilnetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Pingos und Palsas . . . . . . . . . . . . . . . .
Blockgletscher . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Blockströme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.4.5
7.4.6
Slump (Rotations-Blockrutschung). .
Schuttrutschungen und Lawinentransport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Muren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Erdfließen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Kriechdenudation . . . . . . . . . . . . . . . .
Kriechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Kontinuierliches Kriechen . . . . . . . . .
Kriechen durch Frostwechsel
im Boden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Kriechen durch Quellung und
Schrumpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Wirkung von Kammeis . . . . . . . . . . . .
Splash-Kriechen und Splash . . . . . . . .
8
Denudation II: Prozessresponssysteme der Spüldenudation
8.1
Definition und hydrologische
Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
Fließgeschwindigkeit und Abflussrate 111
Schleppkraft, Sedimenttransport
und Abtragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112
7.3.6
7.3.7
7.4
7.4.1
7.4.2
7.4.3
7.4.4
8.2
8.3
96
97
97
98
7.5
7.5.1
7.5.2
7.5.3
7.5.4
7.5.5
7.5.6
7.5.7
7.5.8
8.4
8.5
8.6
8.7
Flächenspülung, Rillen und Runsen
Interflow und Piping . . . . . . . . . . . . . .
Badlands und Erdpfeiler . . . . . . . . . . .
Anthropogene Bodenerosion . . . . . . .
9
Denudation III : Äolische Prozessresponssysteme
9.1
9.2
9.3
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
Deflation und Windschliff . . . . . . . . . 120
Äolische Transport- und Akkumulationsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
10
Die denudative Hangentwicklung
10.1
Hänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10.1.1 Hangentwicklung und Modelle . . . . .
10.2
Die Massenbilanz der Hangentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10.3
Hangform und verwitterungsbeschränkte und transportbeschränkte
Denudation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10.4
Vorgangsspezifische Hangformen . . .
126
126
126
129
130
9.3.1
9.3.2
103
104
105
106
107
108
112
114
114
115
10.4.1 Hangprofilform beim Vorherrschen
langsamer Massenbewegungen . . . . . 130
10.4.2 Profilform von Spüldenudationshängen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
10.4.3 Profilform für Hänge mit Kombinationen von Massenbewegung und
Spüldenudation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134
Hydrologische und hydraulische Grundlagen des fluvialen Systems
11.1
Globale Wasserbilanz und Wasserhaushalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
Komponenten des lokalen Wasserhaushalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136
Grundwasser und Quellen . . . . . . . . . 137
11.3
99
99
99
101
Entstehung von Windrippeln, Decksanden und Löss . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
Dünen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122
11
11.2
98
11.3.1 Grundwasserbewegung . . . . . . . . . . . 137
11.3.2 Typen von Quellen . . . . . . . . . . . . . . . 138
11.4
Abflussgang, Abflussregime und
fluviales Morphoklima . . . . . . . . . . . . 142
7
8
Inhaltsverzeichnis
11.4.1 Die Abflussganglinie und ihre
Komponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142
11.4.2 Abflussregime und fluviales
Morphoklima . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143
11.5
Fluviale Hydraulik . . . . . . . . . . . . . . . . 145
11.5.1 Laminare und turbulente Wasserbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145
11.5.2 Arten des turbulenten Fließens . . . . . 147
11.5.3 Hydraulische Geometrie des Flussbetts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148
12
Flusserosion und Flusstransport
12.1
12.2
12.2.1
12.2.2
12.2.3
Flussfracht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Erosion und Transport . . . . . . . . . . . .
Flussmechanische Grundlagen . . . . .
Erosion verschiedener Korngrößen . .
Seitenerosion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13
Lokale Formengestaltung des Flussbetts
13.1
13.2
Das Verhältnis von Breite zu Tiefe . .
Felsbett und Lockermaterialbett,
Resistenzstrecke und Auslastungsstrecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Schotterbänke im Flussbett . . . . . . . .
Rippeln, Dünen und Antidünen auf
sandiger Flussbettsohle . . . . . . . . . . . .
13.3
13.4
14
150
151
151
153
154
12.3
12.3.1
12.3.2
12.3.3
158
13.5
13.6
159
159
13.7
155
155
155
157
Riffles und Pools . . . . . . . . . . . . . . . . . 161
Talböden, Flussdämme und
Auelehme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163
Die Tendenz zum lokalen Gleichgewicht im Flussbett . . . . . . . . . . . . . . . . 166
160
Grundrissformen des Flussbetts
14.1
Talform und Flussbettgrundriss . . . .
14.2
Flussverzweigungen . . . . . . . . . . . . . .
14.2.1 Erosionsverzweigungen im Felsbett . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
14.2.2 Breitenverzweigung . . . . . . . . . . . . . .
14.2.3 Dammflussverzweigung . . . . . . . . . . .
168
168
168
169
171
14.3
14.3.1
14.3.2
14.4
15
Das Flusslängsprofil und seine Formung
15.1
15.2
15.2.1
15.2.2
Das Flusslängsprofil . . . . . . . . . . . . . . .
Erosionsbasis und Profilentwicklung
Erosionsbasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Veränderungen der Erosionsbasis
und rückschreitende Erosion, Denudation und Sedimentation . . . . . . . . .
Gleichgewichtstendenz der Profilentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15.3
Abfluss und Transportrate . . . . . . . . .
Transportrate der Lösungsfracht . . . .
Transportrate der Schwebfracht . . . .
Transportrate der Geröllfracht . . . . .
180
181
181
182
183
Flussmäander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Freie Mäander . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Talmäander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Asymmetrie an Flussmündungen:
Mündungswinkel und Mündungsverschleppung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Ursachen von Knickpunkten im
Längsprofil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15.5
Wasserfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15.5.1 Niagaratyp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15.5.2 Kaskadentyp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15.5.3 Hängetaltyp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
172
172
176
178
15.4
185
186
186
187
188
Inhaltsverzeichnis
16
Flussterrassen
16.1
16.2
16.3
16.4
Arten von Terrassen . . . . . . . . . . . . . .
Felssohlenterrassen . . . . . . . . . . . . . . .
Aufschüttungsterrassen . . . . . . . . . . .
Lage und Erhaltung der Terrassen
im Flusstal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17
Schwemmfächer und Deltas
17.1
17.1.1
17.1.2
17.1.3
17.2
17.2.1
17.2.2
Schwemmfächer . . . . . . . . . . . . . . . . .
Form und Entstehung . . . . . . . . . . . . .
Größe, Gefälle und Wachstum . . . . .
Zerschneidung und Terrassierung . .
Deltas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Deltaschichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Entwicklung des Deltagrundrisses . .
18
Fluss- und Talnetze
190
191
191
197
198
198
199
201
201
202
Die Änderung und Integration von
Flusssystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206
18.1.1 Anzapfung durch seitliche
Verschiebung der Wasserscheide . . . 206
18.1.2 Anzapfung durch rückschreitende
Erosion des Talanfangs . . . . . . . . . . . . 207
19.1
19.1.1
19.1.2
19.1.3
19.1.4
19.2
Ursachen der Terrassenbildung . . . . . 192
Diagnostische Bedeutung der
Terrassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195
17.2.3
17.2.4
17.2.5
17.2.6
17.2.7
17.2.8
Spitzdelta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Flügeldelta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Fingerdelta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Bogendelta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Ästuardelta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Alter und Verbreitung der Deltas . . .
18.2
18.3
18.4
Durchbruchstäler . . . . . . . . . . . . . . . . . 208
Fluss- und Talordnungssysteme . . . . 211
Grundrissmuster von Fluss- und
Talnetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214
192
18.1
19
16.5
16.6
202
202
203
203
204
204
Zusammenwirken von Flussarbeit und Hangentwicklung im fluvialen System
Das fluviale Prozessresponssystem . .
Eksystemische Energiezufuhren . . . .
Formkomponenten . . . . . . . . . . . . . . .
Materialkomponenten . . . . . . . . . . . .
Prozesskomponenten . . . . . . . . . . . . .
Verknüpfung von Prozessen mit
unterschiedlichen Größenfrequenzen
19.3
Talquerschnittsformen als Ausdruck
des Prozessgefüges . . . . . . . . . . . . . . .
19.3.1 Talquerschnitte nach dem Ende
fluvialer Tiefenerosion . . . . . . . . . . . .
19.3.2 Asymmetrische Talquerprofile . . . . . .
19.4
Talanfänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19.5
Zwei theoretische Modelle zur
Hangentwicklung mit variabler
Tiefenerosion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
216
216
217
218
218
19.6
19.7
19.8
219
19.9
221
222
223
223
225
19.10
19.11
Vergleich der Hangentwicklung
im Tal der Kall (Nordeifel) mit
dem theoretischen Modell . . . . . . . . .
Allgemeine Funktionalbeziehungen
zwischen Relief und Denudation . . .
Denudationsraten an Hängen und
Gipfelabtragung von Gebirgen . . . . .
Modelle der Reliefentwicklung
mit konstanten und mit variablen
Hebungsraten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die maximal möglichen Höhen der
Gebirge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Fluviale Landformen auf dem Mars
227
231
233
234
236
237
9
10
Inhaltsverzeichnis
20
Rumpfflächen, Pedimente und Inselberge
20.1
Rumpfflächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
20.1.1 Flächenbildung durch marine
Abrasion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
20.1.2 Rumpfflächen als Endstadium
des Davis’schen Zyklus . . . . . . . . . . . .
20.1.3 Flächenbildung durch „doppelte“
Einebnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21
238
20.2
20.3
20.4
239
20.5
238
Inselberge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Pedimentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rumpftreppen, zonale und azonale
Inselberge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Kriterien für Rumpfflächen und
Pseudo-Rumpfflächen . . . . . . . . . . . . .
241
242
244
246
240
Strukturbedingte Formen
21.1
Kluftbestimmte Formen . . . . . . . . . . .
21.1.1 Kluftsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21.1.2 Klüfte als Faktoren der Formengestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21.2
Von Bruchstrukturen bestimmte
Formen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21.2.1 Bruchstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21.2.2 Bruchstufen, Bruchlinienstufen und
Bruchschollengebirge . . . . . . . . . . . . .
21.3
Vom Schichtenbau bestimmte
Formen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21.3.1 Lagerungsstrukturen und Formtypen . .
21.3.2 Schichttafeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21.3.3 Formelemente des Schichtstufenprofils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22
Vulkanische Landformen
22.1
22.2
22.2.1
22.2.2
22.2.3
22.2.4
Vulkanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Oberflächenformen . . . . . . . . . . . . . . .
Maare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Schlackenvulkane . . . . . . . . . . . . . . . .
Stratovulkane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Schildvulkane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
Karstformen
23.1
23.2
23.2.1
23.2.2
23.2.3
23.2.4
Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . .
Karst-Oberflächenformen . . . . . . . . . .
Trockentäler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Karren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dolinen und Uvalas . . . . . . . . . . . . . . .
Poljen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
256
Entstehungsbedingungen von
Schichtstufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21.3.5 Formung des Stufenhangs . . . . . . . . .
21.3.6 Frontstufe und Achterstufe . . . . . . . .
21.3.7 Zurückverlegung der Schichtstufe
und Entstehung von Zeugenbergen . .
21.3.8 Schichtstufenländer in Europa und
Nordamerika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21.3.9 Denudationsterrassen . . . . . . . . . . . .
21.3.10 Schichtkämme . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21.3.11 Geometrische und morphometrische Eigenschaften von Schichtstufen und Schichtkämmen . . . . . . .
21.3.12 Entwicklung von Schichtstufen
im theoretischen Modell . . . . . . . . . .
275
276
276
277
278
279
22.2.5 Calderen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22.2.6 Subvulkanische Strukturen und
Formen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22.2.7 Plutone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22.2.8 Vulkaninseln, Seamounts und Guyots
22.3
Abtragungsvorgänge an Vulkanen . .
284
284
284
285
287
288
23.2.5 Polygonaler Karst, Cockpits, Kegelund Turmkarst . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23.3
Karstentwicklung im Prozessresponsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23.4
Silikatkarst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23.5
Karsthöhlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
248
248
249
250
250
252
254
254
256
21.3.4
257
259
259
260
261
265
269
271
272
280
280
281
282
283
289
293
297
298
Inhaltsverzeichnis
24
Das glaziale System
24.1
24.5.1
24.5.2
24.5.3
24.5.4
24.5.5
Entstehung und Eigenschaften von
Gletschereis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Massenbilanz von Gletschern . . . . . .
Gletschertypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Glazialerosion: Prozesse und Formen
Detersion und Detraktion . . . . . . . . . .
Rundhöcker und Felsbecken . . . . . . .
Kare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Gletschertröge . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Material, Prozesse und Formen
der glazialen Ablagerung . . . . . . . . . .
Moränen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Moränen im und auf dem Gletscher
Abgelagertes Moränenmaterial . . . . .
Moränen als Landformen . . . . . . . . . .
Drumlins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25
Das litorale System
25.1
25.2
Küste und Ufer . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Eustatische und tektonische Veränderungen des Meeresniveaus . . . .
Die Gezeiten und ihre geomorphologische Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . .
Physikalische Grundlagen . . . . . . . . .
Tidenhub, Tidenströmung und
Resonanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Ästuare und Ästuarmäander . . . . . . .
Gezeitenwirkungen im Watt und
in den Marschen . . . . . . . . . . . . . . . . .
Brandung und ihre geomorphologische Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Physikalische Grundlagen der
Wellenbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . .
Refraktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Brandung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tsunamis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Barren, Strandversetzung und
Strandformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24.2
24.3
24.4
24.4.1
24.4.2
24.4.3
24.4.4
24.5
25.3
25.3.1
25.3.2
25.3.3
25.3.4
25.4
25.4.1
25.4.2
25.4.3
25.4.4
25.4.5
301
302
304
308
308
309
309
310
312
312
312
313
314
315
326
326
327
327
330
331
334
335
335
336
337
340
340
24.5.6 Paraglaziale Landformen . . . . . . . . . .
24.6
Glaziofluviale Prozesse, Ablagerungen und Formen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24.6.1 Die Arbeit glazialer Schmelzwässer . .
24.6.2 Kames, Kameterrassen und Oser . . . .
24.6.3 Sander und Bändertone . . . . . . . . . . .
24.7
Die glaziale Serie . . . . . . . . . . . . . . . . .
24.8
Die pleistozänen Eiszeiten . . . . . . . . .
24.8.1 Zeitliche Gliederung und mögliche
Ursachen der Eiszeiten . . . . . . . . . . . .
24.8.2 Verbreitung und räumliche
Anordnung der pleistozänen Glazialformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24.8.3 Die geomorphologischen Wirkungen
der Eiszeiten außerhalb der vergletscherten Gebiete . . . . . . . . . . . . . . . . .
315
316
316
317
318
319
319
320
321
324
25.4.6 Felsschorre und Kliff . . . . . . . . . . . . . .
25.5
Formassoziationen von Lockermaterial- und Ausgleichsküsten . . . .
25.5.1 Nehrungen und Haken . . . . . . . . . . . .
25.5.2 Ausgleichsküsten . . . . . . . . . . . . . . . . .
25.6
Küstenklassifikationen . . . . . . . . . . . .
25.6.1 Valentins Schema . . . . . . . . . . . . . . .
25.6.2 Strukturbedingte Küsten . . . . . . . . . .
25.6.3 Klimatisch beeinflusste Küsten . . . . .
25.6.4 Glazigene Küsten . . . . . . . . . . . . . . . . .
25.6.5 Korallenküsten . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25.7
Schelf-Formen und submarine
Canyons . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
344
Glossar englischer Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . .
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Bildquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
358
361
386
387
348
348
349
350
350
351
351
352
353
357
11
12
Vorwort
Das Grundkonzept dieses Buches ist unverändert geblieben, nur die Reihenfolge und Aufteilung mancher Kapitel hat sich geändert.
Nach der methodischen Einführung und dem Überblick über endogene und exogene Prozessresponssysteme (Kapitel 1 – 4) folgen Kapitel über Gesteine, deren Verwitterung, sowie über Denudation und
Hangentwicklung (Kapitel 5 – 10). Die fluviale Formentwicklung steht in den Kapiteln 11 – 18 im Vordergrund; Kapitel 19 integriert die Denudation und Flussarbeit mit Modellen der langzeitlichen Landschaftsentwicklung.
Die Kapitel 20 –25 befassen sich mit speziellen Formengesellschaften und ihrer Entstehung: Rumpfflächen und Inselberge, strukturbedingte Landformen, vulkanische Landformen, Karstformen, Glazialformen und Küstenformen. Relevante neue Forschungsarbeiten wurden aufgenommen und in die
Darstellung eingearbeitet.
Am Ende jedes Kapitels werden ausgewählte Werke als ergänzende Lektüre empfohlen, die zur Vertiefung des Studiums dienen können. Ein englisch-deutsches Glossar von geomorphologischen Fachbegriffen ist als eine Verständnishilfe der internationalen Fachliteratur gedacht.
Heidelberg, im April 2008
Frank Ahnert
13
1
Geomorphologie
Geomorphologie ist die wissenschaftliche Beschäftigung mit den Formen der festen Erdoberfläche.
Dazu gehören die Oberflächenformen der Landgebiete – zum Beispiel Gebirge, Täler, Ebenen, Hänge,
Flussbetten und Dünen – ebenso wie die Oberflächenformen des Meeresbodens wie das Watt, Korallenriffe und Tiefseegräben. Die Geomorphologie ist
sowohl Bestandteil der Geographie als auch der
Geologie. Sie ist zugleich angewandte Physik und
zum Teil auch angewandte Chemie, da sich geomorphologische Prozesse ohne physikalische und
chemische Kenntnisse nicht erklären lassen. Die
Oberflächenformen der Landgebiete heißen Landformen (engl. landforms), die unter dem Meere
liegenden heißen submarine Landformen.
1.1 Die Beziehung zwischen
Größe und Existenzdauer von
Landformen
Die Größe der Landformen, mit denen sich die
Geomorphologie befasst, reicht vom millimetergroßen Regentropfeneindruck bis zum Kontinentalschild mit Durchmessern von Tausenden von
Kilometern. Zwischen der Größe einer Landform
und ihrer Existenzdauer besteht eine recht regelmäßige Funktionalbeziehung, die für einige charakteristische Landformtypen in Abbildung 1.1
dargestellt ist. „Größe“ bedeutet hier ein kennzeichnendes Längenmaß, zum Beispiel den Durchmesser. Die Wertangaben sind nicht präzise, sondern geben nur die Größenordnungen wieder. Die
logarithmische Schätzungsgleichung beschreibt
diese Beziehung in quantitativer Form.
Am unteren Ende der Skala liegt der Regentropfen-Einschlagskrater auf sandigem oder staubi-
gem Boden mit einem Durchmesser von wenigen Millimetern. Er kann schon vom nächsten
auf die gleiche Stelle fallenden Tropfen, also
nach wenigen Sekunden, zerstört werden. Nach
dem Ende des Regens können die letzten Tropfeneinschläge noch einige Tage erhalten bleiben
(Abbildung 1.2), ehe sie zum Beispiel vom Wind
verweht werden. Nur fossil, etwa begraben unter
einer frischen Staubschicht, würden sie sich länger halten können, aber dann liegen sie unter der
Oberfläche und sind keine Landformen mehr. Am
oberen Ende der Größen- und Dauerhaftigkeitsskala befinden sich die sogenannten Kontinentalschilde. Ihre Existenz reicht über Jahrmilliarden
bis in die Frühzeit der geologisch dokumentierbaren Erdgeschichte zurück. Beispiele sind der Baltische oder Fennoskandische Schild, der Schweden,
Finnland und Teile des nordwestlichen Russlands
umfasst, oder der Kanadische oder Laurentische
Schild im Norden Nordamerikas östlich der Rocky
Mountains. Die Schilde sind die ältesten Bausteine
der Kontinente und damit älter als die Kontinente
selbst. Letztere fehlen in Abbildung 1.1, weil sie
eigentlich keine Landformtypen sind, sondern
heterogen zusammengesetzte Landformaggregate.
Die Formgrößen-Existenzdauer-Regel besagt, dass
typische Landformeinheiten umso länger erhalten und identifizierbar bleiben, je größer sie sind.
Der Grund hierfür liegt vor allem in der jeweils
für wesentliche Änderungen nötigen Arbeit der
geomorphologischen Prozesse: je größer die
Formeinheit, umso mehr Gesteinsmaterial muss
abgetragen bzw. umgelagert werden, um den
Charakter dieser Formeinheit zu verändern, umso
größer sind die Distanzen, über die das abgetragene Material verfrachtet werden muss, und umso
mehr Zeit ist dafür notwendig (Abbildung 1.3).
14
1 Geomorphologie
Abb. 1.1
Die Beziehung zwischen Größe und Existenzdauer von Landformen.
Abb. 1.2
RegentropfenEinschlagskrater auf
Sandboden bei Iringa,
Tanzania. Im oberen
Teil des Bildes die von
der Strömung geglättete Abflussbahn des
Regenwassers.
1.2 Methodische Komponenten
Abb. 1.3
Die schneebedeckten
Westalpen aus dem
Weltraum als Beispiel
einer Großform.
Links unten Mittelmeerküste bei San
Remo, rechts oben
das Walliser Rhontal
mit seinem deutlichen
Knick bei Martigny
(Quelle: NASA).
Die Formgrößen-Existenzdauer-Regel gibt eine
nützliche Orientierung für die praktische geomorphologische Arbeit. Sie zeigt, dass es für die
Untersuchung jedes Formtyps einen spezifischen
räumlichen und zeitlichen Maßstab mit einem
entsprechenden räumlichen und zeitlichen Auflösungsgrad gibt. Zur Erklärung der Entwicklung
von Erosionsrillen am Hang genügt es meist,
die Prozessereignisse von wenigen Wochen bis
zu wenigen Jahren heranzuziehen. Für ein Tal
dagegen wäre diese Zeitspanne kaum groß genug,
um auch nur den gegenwärtigen Zustand des
Prozessgefüges zu erfassen. Die genetische Erklärung eines heutigen Tals führt in der Regel mehrere Hunderttausend Jahre in die Vergangenheit
zurück, die von Gebirgen gar Zehner von Millionen Jahren. Innerhalb solch langer Zeitspannen
kommen Faktoren hinzu, die über das heute direkt
Beobachtbare hinausgehen, darunter Änderungen
der Bewegungen der Erdkruste und Änderungen
des Klimas.
1.2 Methodische Komponenten
1.2.1 Allgemeine und regionale
Geomorphologie
Die allgemeine Geomorphologie dient der
Erforschung der gesetzmäßigen oder zumindest
regelhaften Beziehungen zwischen Landform,
Gesteins- und Bodenmaterial und den formenden Prozessen.
Die regionale Geomorphologie untersucht die
Landformen individueller Regionen. Wegen der
von Ort zu Ort existierenden Unterschiede in
der Kombination der wirksamen Faktoren bzw.
Faktorengruppen (Gestein, Krustenbewegungen,
Klima) in Gegenwart und Vergangenheit ist das
Landformen- und Prozessgefüge einer gegebenen
Region einmalig in seiner besonderen Zusammensetzung.
Allgemeine und regionale Geomorphologie
ergänzen einander. Die allgemeine Geomorphologie strebt hauptsächlich nach einer Analyse der
Einzelkomponenten und ihrer Beziehung untereinander, zum Beispiel der Beziehung zwischen
15
16
1 Geomorphologie
Hangsteilheit, Niederschlag und Bodenabtragung
durch das ablaufende Regenwasser, während die
regionale Geomorphologie vorwiegend die Synthese aller wesentlichen in einer Region vorhandenen Landformen und der diese Formen gestaltenden Prozesse zur Aufgabe hat.
1.2.2 Die drei Forschungsstufen
der allgemeinen und regionalen
Geomorphologie
Die Forschungsarbeit beginnt mit der Morphographie oder, wenn sie mit quantitativen Messungen verbunden ist, der Morphometrie. Ihre
Ziele sind
(a) die Beschreibung und Klassifikation der beobachteten Landformen hinsichtlich ihrer geometrischen Eigenschaften und Abmessungen
wie auch ihrer räumlichen Lage, Ausdehnung
und Anordnung,
(b) die Erfassung der als relevant erachteten
materiellen Beschaffenheit der Landoberfläche, insbesondere der Böden und des unterlagernden Gesteins,
(c) die Identifikation spezifischer Vorgangsspuren.
Die Beschreibung und Klassifikation der Landformen erfolgt vorwiegend durch direkte Beobachtung im Gelände, durch Auswertung von Luftbildern, Radaraufnahmen und Satellitenaufnahmen
sowie von topographischen, geologischen und
bodenkundlichen Karten. Spezielle geomorphologische Karten, die von manchen Gebieten als
Ergebnis früherer Forschungen existieren, können dabei ebenfalls besonders hilfreich sein. Die
Digitalen Geländemodelle (DGM), die aus einem
mehr oder weniger engmaschigen rechtwinkligen Punktraster der Oberflächenhöhen bestehen,
erlauben eine automatische Berechnung von Landformelementen, u. a. von linienhaften Elementen
(Wasserscheiden, Flussläufen), flächenhaften Elementen (Ebenen, Kuppen, Senken), Gefällswerten
von Hängen und Flüssen, Gefällsrichtungen und
Höhenschichten.
Die zweite Forschungsstufe ist die funktionale
Geomorphologie, die häufig quantitativ ausdrückbare Beziehung zwischen zwei oder mehreren geomorphologischen Variabeln. Ein einfaches
Beispiel ist Abbildung 1.1. Das Hauptanliegen der
funktionalen Morphologie ist die Analyse und
Darstellung der gegenwärtigen Beziehungen zwischen Landformen, Gesteins- und Bodenmaterialien und Prozessen. Sie stützt sich auf empirische
Beobachtungen, begleitet von Untersuchung von
Materialproben im Labor. Die gewonnenen Daten
ermöglichen Aussagen über die Zusammenhänge
zwischen den beteiligten Variablen. Wesentliches
Ziel ist dabei die Erfassung der gegenwärtigen
Massenbilanz, die zugleich Auskunft gibt über die
gegenwärtige Tendenz der Formengestaltung.
Die einfachsten Funktionalbeziehungen sind
Lagebeziehungen zwischen verschiedenen Landformen, die miteinander Formassoziationen
bilden, zum Beispiel Täler (Erosionsformen) im
Gebirge und Schwemmfächer (Ablagerungsformen), aufgeschüttet aus dem erodierten Material, im Talausgang am Gebirgsrand. Je größer
das Tal, desto größer ist der mit ihm assoziierte
Schwemmfächer. Die Schwemmfächergröße ist
also eine Funktion der Größe des Tales.
Neben solchen Funktionalbeziehungen zwischen
Formen bzw. Formeigenschaften untereinander
existieren auch solche zwischen Formeigenschaft
und Material, zwischen Materialeigenschaften
untereinander, zwischen Formeigenschaft und
Prozesseigenschaft, zwischen Prozesseigenschaft
und Materialeigenschaft und schließlich auch zwischen Prozesseigenschaften untereinander.
Nur diejenigen Funktionalbeziehungen, die Prozesseigenschaften enthalten, können zugleich
Kausalbeziehungen sein. Doch einfache Kausalbeziehungen, die eine einseitige Wirkungsrichtung
besitzen – von der „Ursache“ zur „Wirkung“ – sind
in der Geomorphologie verhältnismäßig selten.
Stattdessen kommt es sehr häufig zu wechselseitigen Rückkopplungen (engl. feedbacks), bei
denen die Wirkung verändernd auf die Ursache
zurückwirkt. Ein einfaches Beispiel ist der Zusammenhang zwischen Hangsteilheit und Intensität
der Abtragung: je steiler der Hang, umso intensiver wird er abgetragen; je stärker aber die Abtragung des Hangs, umso mehr wird er gewöhnlich
abgeflacht, das heißt umso mehr wird sich seine
Abtragungsintensität vermindern. Solche wechselseitigen funktionalen Wirkungsbeziehungen
bilden mit ihren Komponenten ein System gegenseitiger Abhängigkeiten, das die Entwicklung der
Landformen steuert.
1.3 Physikalische Zeit und historische Zeit
Die dritte Forschungsstufe der Geomorphologie ist
die historisch-genetische Geomorphologie. Sie
befasst sich mit der Morphogenese, das heißt mit
der Entstehung und langzeitlichen Entwicklung
der Landformen. Die Untersuchung der Morphogenese muss, neben den Erkenntnissen der funktionalen Geomorphologie, vor allem auch die relevanten klimatischen und tektonischen Ereignisse
der Erdgeschichte berücksichtigen, allerdings nur,
soweit ihre Vorgangsspuren als Landformelemente
(Reliktformen), als Ablagerungen oder als geologische Strukturen noch heute beobachtbar und damit
Bestandteil der zu erklärenden Landschaft sind.
Wesentliche Grundlage der historisch-genetischen
Geomorphologie ist das zuerst von James Hutton
1795 formulierte Prinzip des Aktualismus (engl.
uniformitarianism), welches besagt, dass die vergangenen Entwicklungen in der Erdgeschichte
unter denselben Naturgesetzen und mit denselben Prozessen abgelaufen sind, die wir auch heute
beobachten können („the present is the key to the
past“). Das Aktualismusprinzip hat lediglich zwei
Einschränkungen:
1. Die Prozesse der Gegenwart laufen häufig an
anderen Stellen ab als dort, wo die frühere Entwicklung erklärt werden soll. So lassen sich zum
Beispiel die Prozesse der eiszeitlichen Vergletscherung Skandinaviens am besten mit Hilfe von
Beobachtungen solcher Prozesse in den heutigen
Inlandeisgebieten von Grönland und Antarktika
rekonstruieren.
2. Eine weitere Beschränkung des Aktualismusprinzips liegt in der fortschreitenden Entwicklung der Landpflanzen im Lauf der Erdgeschichte.
Dadurch existieren heute schützende, die Abtragung hemmende Pflanzendecken unter Umweltbedingungen, die in der geologischen Vergangenheit keinen Pflanzenwuchs erlaubt hätten.
1.3 Physikalische Zeit und
historische Zeit
Ein wesentlicher Unterschied zwischen dem
methodischen Ansatz der funktionalen und der
historisch-genetischen Geomorphologie besteht
in der Anwendung des Zeitbegriffs.
Die physikalische Zeit der funktionalen Geomorphologie ist Bestandteil der Kennzeichnung von
Prozessen, insbesondere von Geschwindigkeiten
und Prozessraten oder als Angabe der Zeitdauer
(Wirkungsdauer) eines bestimmten Prozesses. Sie
ist damit ein systeminternes, integrales Element
funktionalgeomorphologischer Systeme.
Die Prozessrate ist, physikalisch gesehen, ein Maß
der Leistung, das heißt der pro Zeiteinheit vollbrachten Arbeit:
Prozessrate = Arbeit/Zeiteinheit
(zum Beispiel mkg s–1)
(1.1)
Die Geschwindigkeit hat die Dimension Weg/Zeit
und ist damit der Prozessrate eng verwandt.
Auch die Rate der Abtragung der Landoberfläche
kann als eine Geschwindigkeit ausgedrückt werden, nämlich als Längenbetrag der Tieferlegung
der Oberfläche pro Zeiteinheit. Als Maß für die
Abtragung verwendet man meist mm/1000 Jahre.
Diese Einheit ist nicht nur für Abtragungsraten,
sondern auch für Aufschüttungsraten oder für tektonische Hebungs- bzw. Senkungsraten geeignet.
Statt als Rate der Oberflächenerniedrigung lässt
sich die Abtragung eines Gebiets, zum Beispiel
eines Flusseinzugsgebiets, auch als abgetragene
Masse pro Zeiteinheit (Tonnen/Jahr) oder Volumen pro Zeiteinheit (m3/Jahr) ausdrücken; die
entsprechenden spezifischen, das heißt auf die
Flächeneinheit bezogenen Mengen- bzw. Volumen-Abtragungsraten werden dann als Tonnen/
(km2 K Jahr) bzw. m3/(km2 K Jahr) angegeben.
Die spezifische Volumen-Abtragungsrate von
einem Kubikmeter pro Quadratkilometer und Jahr
entspricht der mittleren Oberflächenerniedrigung
von einem Millimeter pro 1000 Jahre.
Die Zeitdauer eines Prozesses multipliziert mit der
Prozessrate dient dazu, die Gesamtarbeit des Prozesses während dieses Zeitabschnittes zu bestimmen:
Gesamtarbeit =
Prozessrate K Zeitdauer
(1.2)
Dementsprechend ist das Produkt aus Abtragungsrate und Zeitdauer ein Maß für die Gesamtabtragung:
Gesamtabtragung =
Abtragungsrate K Zeitdauer
(1.3)
17
18
1 Geomorphologie
Das Produkt aus Schuttbewegungsgeschwindigkeit und Zeitdauer misst den in dieser Zeit zurückgelegten Gesamtweg der Schuttbewegung:
Gesamtweg =
Schuttgeschwindigkeit K Zeitdauer
(1.4)
Die Beispiele zeigen, dass Zeit in der funktionalen
Geomorphologie stets Bestandteil eines Prozesses
bzw. eines Prozessresultats ist, zum Beispiel der
Gesamtarbeit oder der zurückgelegten Wegstrecke. In der Tat sind Prozesse überhaupt nur im
Zusammenhang mit diesem physikalischen Zeitbegriff denkbar.
Im Gegensatz dazu ist die historische Zeit der
historisch-genetischen Geomorphologie ein Mittel zur Einordnung des Eintretens und der Dauer
erdhistorischer Ereignisse und Zeitabschnitte von
geomorphologischer Bedeutung, zum Beispiel
wichtiger Klimaperioden oder Zeiten der Krustenbewegung und Gebirgsbildung. Sie hat einen
anderen Zweck, einen anderen Charakter und
eine andere Herkunft als die physikalische Zeit
der funktionalen Geomorphologie.
Die Ereignisse, auf die sie bezogen ist und die sie
ordnet, wirken von außen auf das geomorphologische Gefüge von Landformen, Materialien
und Prozessen ein. Wie diese Ereignisse ist auch
die historische Zeit systemextern und dient als
Schema der zeitlichen Anordnung. Ihre Einteilung
entspricht in der Geomorphologie weitgehend
der in der Geologie üblichen Zeitgliederung der
Erdgeschichte (Tabelle 1.1). Geomorphologisch
bedeutsam sind dabei vor allem die letzen 65 Millionen Jahre, weil sich in dieser Zeit die meisten
der heute vorhandenen Landformen entwickelt
haben.
Die erdhistorische Einordnung vergangener Ereignisse und Zustände, einschließlich der Altersbestimmung von Landformen, geschieht mit Hilfe
verschiedener Methoden der geochronologischen Datierung. Relative Datierungsmethoden führen zu Aussagen über Altersreihenfolgen,
absolute Datierungsmethoden dienen der Schätzung des tatsächlichen Alters in Jahren.
In der Geologie hat die relative Datierung von
Sedimenten aufgrund der in ihnen enthaltenen
Fossilien eine lange bewährte Tradition. Unmittelbar geomorphologisch ist die relative Alters-
bestimmung von Landformen und Sedimenten
durch das Erkennen von Form- bzw. Ablagerungssequenzen: Ältere Formen werden von jüngeren
zerschnitten, ältere Ablagerungen von jüngeren
überdeckt. Ein weiteres Anzeichen relativen Alters
ist der Entwicklungsgrad von Böden. Auch der
relative Verwitterungsgrad von Ablagerungen
kann als Indikator von Altersunterschieden dienen.
Direkte absolute Datierung ist nur möglich, wenn
historische Zeitmarken vorhanden sind oder in
Zyklen bekannter Länge entstandene Bildungen
abgezählt werden können. Meist handelt es sich
um Jahreszyklen. Ein Beispiel ist die Dendrochronologie, die Zählung der Jahresringe von Bäumen. In ähnlicher Weise werden im Jahresrhythmus variierende Seeablagerungen für Zählungen
benutzt. Zur Altersbestimmung der Ablagerung
von Blockschutt durch Felsstürze eignet sich die
Größe der auf den Blöcken entwickelten Krustenflechten. Die Flechtendatierung oder Lichenometrie ist für Zeitspannen bis zu mehreren Jahrhunderten anwendbar.
Weiter in die Vergangenheit reichen radiometrische Bestimmungsmethoden, mit denen das
Alter von Materialien aufgrund der Verwandlung
radioaktiver Elemente ermittelt wird. Für Altersbestimmungen innerhalb der letzten 50 000 Jahre
der Erdgeschichte wird am häufigsten die Radiocarbondatierung verwendet. Sie beruht darauf,
dass das radioaktive Kohlenstoffisotop 14C und
das stabile Kohlenstoffisotop 12C in lebenden
Organismen in einem konstanten Mengenverhältnis auftreten, dass sich dieses Verhältnis aber
nach dem Tod des Organismus’ durch den Zerfall des radioaktiven Kohlenstoffs mit einer konstanten prozentualen Rate fortschreitend verändert. Die Halbwertszeit, nach der die Hälfte des
ursprünglich vorhandenen radioaktiven Kohlenstoffs zerfallen ist, beträgt 5730 Jahre. Aus dem in
organische Resten enthaltenen Mengenverhältnis
lässt sich daher das absolute Alter der Substanz
ableiten.
Nur für die letzen Jahrzehnte geeignet ist die
Datierung von Sedimenten aufgrund ihres Gehalts
an Caesium 137. Dieses radioaktive Isotop mit
einer Halbwertszeit von nur 30 Jahren stammt
hauptsächlich aus den atmosphärischen Atombombentests der fünfziger und sechziger Jahre
1.3 Physikalische Zeit und historische Zeit
Tab. 1.1:
Zeiteinheiten der Erdgeschichte (aus: Krömmelbein 1977, Murawski 1977 und Walter 1992).
Ära
Periode
Abteilung
Holozän
Quartär
Pleistozän
KÄNOZOIKUM
Pliozän
Miozän
Tertiär
Oligozän
Eozän
Paläozän
Kreide
10 000
2,5 Millionen
6 Millionen
23 Millionen
37 Millionen
52 Millionen
65 Millionen
140 Millionen
Jura
MESOZOIKUM
Zeit vor heute in Jahren
195 Millionen
Keuper
Trias
Muschelkalk
Buntsandstein
230 Millionen
Zechstein
Perm
Rotliegendes
Karbon
Devon
PALÄOZOIKUM
Silur
Ordovizium
Kambrium
PROTEROZOIKUM
ARCHÄOZOIKUM (Archaikum)
Nb.: Proterozoikum und Archäozoikum werden auch zusammen als Präkambrium bezeichnet.
290 Millionen
355 Millionen
410 Millionen
440 Millionen
510 Millionen
570 Millionen
2,5 Milliarden
4 Milliarden
19
20
1 Geomorphologie
Tab. 1.2:
Radioaktive Substanzen und ihre Halbwertszeiten
(aus: Summerfield 1991).
Isotop
Halbwertszeit
in Jahren
geeigneter
Datierungszeitraum in
Jahren
Caesium 137
Kohlenstoff 14
Thorium 230
Uran 234
Kalium 40
Uran 238
30
5 730
75 000
250 000
1,3 Milliarden
4,5 Milliarden
bisher ca. 40
bis ca. 50 000
bis ca. 200 000
50 000–100 000
100 000 +
10 Millionen +
des 20. Jahrhunderts. Es wurde mit den Sedimenten jener Zeit abgelagert und zerfällt seitdem.
Andere radiometrische Bestimmungsmethoden
betreffen vor allem die Altersbestimmung von
Gesteinen, deren Minerale radioaktive Isotope
mit sehr viel längeren Halbwertszeiten enthalten
(Tabelle 1.2).
Die geochronologischen Verfahren wurden in den
letzten Jahrzehnten durch mehrere neue physikalische Methoden erweitert, die auf der Altersbestimmung durch Strahlenschäden an Mineralen
beruhen, unter ihnen die Spaltspurenanalyse
(engl. fission track analysis), die Elektronenspinresonanzanalyse (ESR) und verschiedene Arten
der Lumineszenzdatierung: die Thermolumineszenz (TL), die optisch stimulierte Lumineszenz (OSL) und die infrarot stimulierte Lumineszenz (IRSL).
1.4 Das Geomorphodynamische
System
Abbildung 1.4 stellt die wesentlichen Funktionalbeziehungen zwischen den Komponenten des
geomorphodynamischen Systems im Überblick
dar. Im mittleren Block des Diagramms steht die
Erdkruste und ihre Oberfläche mit ihren geomorphologisch relevanten Eigenschaften – Dicke,
interne Struktur und materielle Beschaffenheit
der Kruste sowie Relief, Geometrie und materielle
Beschaffenheit der festen Erdoberfläche, das heißt
der Landformen.
Nach oben und unten schließen sich zwei Gruppen von Prozesskomponenten an, die beide unter
dem Einfluss der irdischen Schwerkraft auf die
Formen und das Material einwirken.
Unter dem mittleren Block sind die endogenen
Prozesse eingetragen. Dazu gehören die Krustenbewegungen (Hebungen, Senkungen und horizontale Verschiebungen von Krustenschollen), die
Faltungen und der Vulkanismus. Sie wirken vom
Erdinnern auf die Oberfläche und haben insgesamt die Tendenz, das Relief, das heißt die Höhenunterschiede auf der Erdoberfläche, zu erhöhen.
Während Krustenbewegungen und Faltung das
Relief ohne Änderung des Materialbestands erhöhen, schafft der Vulkanismus Höhenunterschiede
durch die Förderung von Material aus dem Erdinneren an die Oberfläche und durch die Aufhäufung dieses Materials in Form der Vulkanberge.
Das Gegenteil der endogenen Prozesse bilden
die über dem mittleren Block der Abbildung 1.4
eingetragenen exogenen Prozesse. Sie wirken
von außen, das heißt von der Atmosphäre und
der Hydrosphäre, auf die Erdoberfläche. Zu ihnen
gehören die Verwitterung sowie die Abtragung,
der Transport und die Ablagerung von Gesteinsmaterial durch Wasser, Eis und Wind und durch
direkte Schwerkraftwirkung. Dabei geschieht die
Abtragung gewöhnlich auf den höher liegenden,
die Ablagerung auf den tiefer liegenden Teilen der
Oberfläche, mit dem Effekt einer Verminderung
der vorhandenen Höhenunterschiede.
Von der allgemeinen Regel, dass endogene Prozesse Relief erhöhend und exogene Prozesse
Relief vermindernd wirken, gibt es nur wenige
Ausnahmen.
Eine davon ist die Verwandlung eines Vulkanbergs
in eine Caldera, das heißt eine runde Hohlform,
entstanden entweder durch eine große explosive
Eruption oder durch eine Absenkung wegen eines
Massendefizits im Untergrund. Ein Fall exogener
Relieferhöhung ist die in Eiszeiten auftretende,
durch die Bindung von Wasser in den kontinentalen Inlandeismassen hervorgerufene Absenkung
des Meeresspiegels, die das Relief an den Meeresküsten erhöht.
Endogene und exogene Prozesse wirken nicht nur
auf Landformen und Gesteinsmaterial ein, sondern werden auch umgekehrt von diesen beeinflusst.
1.4 Das Geomorphodynamische System
der gehobenen Krustenscholle zur
Folge. Im Ausgleich für die Entlastung steigt die Scholle weiter auf,
allerdings weniger als sie abgetra
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gen wurde. Dieser letztere Aufstieg
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der Scholle ist durchaus endogen
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zu nennen, da er ein unmittelbares Resultat von Massenverlagerungen im Erdinnern ist. Bewirkt
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worden ist er aber durch die exo$)&&$'"&$'"'" $'"(#"
gene Abtragung von Material an
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der Oberfläche.
Die Energie für die Prozesskomponenten des geomorphodyna$'%&'"$ ,"#$!"
mischen Systems kommt aus zwei
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dem Erdinnern. Von der Sonne
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Erdoberfläche in Wärme umgesetzt wird und als ständig wirkender Motor das gesamte exogene
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Prozessgefüge einschließlich des
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Lebens auf der Erde in Gang hält.
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Erzeugt wird die Strahlung der
Sonne durch einen Kernfusionsprozess, bei dem sich jeweils vier
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Wasserstoffkerne zu einem Heli($!'& '$"' $"$
umkern vereinen.
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Die Energie für die endogenen Prozesse stammt wahrscheinlich aus
Kernzerfallsprozessen radioaktiver
Elemente im Erdinnern, bei denen in ungleichmäDiese Rückkopplungen sind in Abbildung 1.4
ßiger räumlicher Verteilung Wärme erzeugt wird.
durch die einander entgegengesetzten PfeilrichDies führt zu Temperatur- und Druckausgleichstungen angezeigt. Damit wird zugleich über die
strömungen im Erdmantel, in Tiefen von etwa
statischen Systemkomponenten des Mittleren
50 – 150 km unter der Erdoberfläche. Teile der
Blocks hinweg eine wechselseitige Verbindung
Kruste werden passiv mitbewegt und teils horizonmit Rückkopplungen zwischen den exogenen und
tal, teils vertikal gegeneinander verschoben, im
endogenen Prozessen hergestellt. Es ist nicht nur
Bereich junger Sedimentgesteine auch gefaltet.
so, dass endogene Prozesse eine Reaktion der
In Abbildung 1.4 ist die Herkunft der endogenen
exogenen Prozesse hervorrufen, sondern auch
und exogenen Energie zwar am unteren und am
exogene Prozesse endogene Prozesse beeinflusoberen Ende des Diagramms eingetragen, aber
sen.
diese beiden Quellen liegen außerhalb der durch
Wenn zum Beispiel die endogene Hebung einer
eine gerissene Linie markierten Grenzen des geoKrustenscholle das Relief erhöht, verstärkt sich
morphodynamischen Systems. Dieses ist dadurch
wegen der damit verbundenen Gefällszunahme
gekennzeichnet, dass alle seine Komponenten
die Flusseintiefung und durch diese auch die
durch Rückkopplungen, also durch WechselwirHangsteilheit und die Abtragung des gehobekungen, miteinander verbunden sind. Die beinen Gebiets. Der Abtransport des abgetragenen
den Energiequellen sind weitgehend von solchen
Materials durch die Flüsse hat eine Entlastung
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Abb. 1.4
Struktur des geomorphodynamischen Systems.
21
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