Den Stabilitlts und Wachstumspakt stlrken

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Präsident der Europäischen Kommission
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Europäisches Parlament
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Sehr geehrter Herr Präsident,
meine sehr verehrten Abgeordneten,
in einer freudigen Atmosphäre und voller Vertrauen in die Zukunft Europas wende
ich mich heute an Sie.
Das irische Volk hat sich in seiner großen Mehrheit für den Vertrag von Nizza
ausgesprochen und somit seine Unterstützung für die Ideale und Vorhaben der
Europäischen Union deutlich zum Ausdruck gebracht.
Ich möchte an dieser Stelle meinen Dank und meine Anerkennung ausdrücken für
die außergewöhnlichen Anstrengungen, die Premierminister Bertie Ahern, die
gesamte irische Regierung und der Großteil der irischen Parteienlandschaft auf sich
genommen haben.
Aufgrund dieses Ergebnisses werden wir uns mit noch größerer Entschlossenheit
dafür einsetzen, das letzte Stück des Weges zurückzulegen, der uns noch von
Kopenhagen und der endgültigen Zustimmung zur Erweiterung trennt.
Sehr geehrter Herr Präsident,
meine sehr verehrten Abgeordneten,
ich bin gern Ihrer Einladung nachgekommen, heute gemeinsam mit Pedro Solbes
im Parlament über die Koordinierung der Wirtschaftspolitik und insbesondere den
Stabilitäts- und Wachstumspakt zu diskutieren.
Das Thema, das ich Ihnen darlegen möchte, ist einfach.
Die Wirtschafts- und Währungsunion braucht klare Regeln, wirksame Regeln und
Regeln, die respektiert werden.
Zu diesem Zweck brauchen wir eine Behörde, die unter Beachtung der festgelegten
Regeln und im Rahmen der interinstitutionellen Zusammenarbeit zum Schutz des
Gemeinwohls eingreifen kann, indem sie die Antworten der Wirtschaftspolitik den
sich wandelnden Umständen anpasst.
Der Stabilitäts- und Wachstumspakt war und ist für die Wirtschafts- und
Währungsunion von großer Bedeutung. Die Kommission hat als treue und
aufrichtige Hüterin der Verträge streng auf ihre Einhaltung geachtet und wird dies
auch in Zukunft tun.
Als italienischer Ministerpräsident habe ich den Stabilitäts- und Wachstumspakt
vorangetrieben und gebilligt und das Land hin zur gemeinsamen Währung geführt.
Als Präsident der Kommission bin ich tief und fest überzeugt von der Wirksamkeit
der Regeln, die der Wirtschafts- und Währungsunion und dem Stabilitäts- und
Wachstumspakt zugrunde liegen.
Ich bin ein überzeugter Verfechter dieser Regeln, dieser Union und dieses Paktes.
Die Wirtschafts- und Währungsunion hat sowohl den Staaten, die an ihr teilnehmen,
als auch den anderen Mitgliedstaaten der Union erhebliche Vorteile gebracht.
Die Zeit der großen Defizite, die für die 90er Jahre typisch waren, ist vorbei. Die Zeit
der einzelnen Landeswährungen, die den Strömungen der Spekulation ausgesetzt
waren, ist ebenfalls vorbei.
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Neben diesen Vorteilen ergeben sich aus der Wirtschafts- und Währungsunion
auch bestimmte Verantwortlichkeiten. Verantwortlichkeiten für alle: für die
Mitgliedstaaten, die europäischen Institutionen und den einfachen Bürger.
Mit einer gemeinsamen Währung, dem Euro, hängen Wachstum und Beschäftigung
in allen Mitgliedstaaten somit nicht allein von der nunmehr gemeinsamen
Währungspolitik, sondern auch von der Finanzpolitik der einzelnen Mitgliedstaaten
ab.
In der Wirtschafts- und Währungsunion ist die Stabilität Grundvoraussetzung für
Wachstum und Beschäftigung.
Der Stabilitäts- und Wachstumspakt war die Grundlage für die Verteidigung und
Anwendung der Stabilitätskultur, die mit so großem Erfolg durch die Maastrichter
Konvergenzkriterien eingeführt wurde.
Sich der außerordentlichen Dinge bewusst zu sein, die der Pakt geleistet hat und
noch leisten wird, heißt nicht, dass wir die Augen verschließen sollten vor den
Grenzen des institutionellen Rahmens, innerhalb dessen wir gehalten sind, ihn
anzuwenden.
Noch weniger heißt es, dass wir uns gezwungen sehen sollten, den Pakt streng und
ohne jegliche Flexibilität anzuwenden und sich gegenüber der veränderten Situation
blind und taub zu stellen.
Genau diese Haltung hatte ich als "dumm" bezeichnet und tue dies auch weiterhin.
Ich glaube nicht, dass es die Aufgabe der Kommission - oder meine Aufgabe als
Präsident der Kommission - sein kann, die Vorgaben des Paktes in der
beschriebenen Art und Weise anzuwenden.
Und ich weiß, dass keiner von uns, die wir heute vor Ihnen sitzen, dies in der
Vergangenheit getan hat oder künftig tun würde.
Weder die Kommission noch ich selbst sind zu dem Zweck ernannt worden, die
Kriterien blind anzuwenden und die Augen vor den Grenzen einer solchen
Anwendungsweise zu verschließen.
Die Europäischen Bürger haben das Recht, von uns zu erfahren - und wir die
Pflicht, ihnen zu sagen -, was unserer Ansicht nach richtig ist und gut funktioniert,
und was hingegen verbessert werden kann und verbessert werden sollte.
Politiker wie Sie, Wirtschaftler, Bankiers, Geschäftsleute und Journalisten
wiederholen regelmäßig im privaten Gespräch die gleichen Dinge, die ich öffentlich,
frei heraus und um der Glaubwürdigkeit unserer Organe willen gesagt habe.
Es ist Zeit, dass wir auch öffentlich das Gleiche vertreten wie im privaten Gespräch.
Die Bürger sind nicht zuletzt deswegen uns und unseren Organen gegenüber
misstrauisch, weil sie glauben, dass unser öffentlicher Diskurs sich auf Randthemen
beschränkt und die wirklichen Entscheidungen hinter verschlossenen Türen gefällt
werden.
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Ich bin froh und stolz, dass das Parlament heute im Zentrum dieser Debatte steht.
Der Pakt ist einfach und muss es auch sein. Die Wirklichkeit jedoch ist immer
kompliziert.
Es ist deswegen Teil der den Europäischen Organen übertragenen Verantwortung,
die Komplexität und Vielfalt der Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten zu
berücksichtigen.
Ebenso ist es Teil unserer Verantwortung, die Augen gegenüber den Entwicklungen
auf unserem Kontinent und der übrigen Welt weit offen zu halten.
Wir haben in der Tat zur Kenntnis nehmen müssen, dass sich die Konjunktur in
Europa und weltweit verschlechtert hat. Die Verschlechterung ist so dramatisch,
dass ein nicht unbeträchtlicher Teil der Weltwirtschaft einer schon überwunden
geglaubten Deflationsgefahr ausgesetzt ist.
Zugleich haben wir zur Kenntnis nehmen müssen, dass der Pakt einige
Mitgliedstaaten nicht daran gehindert hat, eine mit dem Stabilitätsziel unvereinbare
Fiskalpolitik zu verfolgen.
Was hätten wir unter diesen Umständen tun sollen?
Hätten wir eine unflexible Haltung einnehmen und versuchen sollen, die Länder mit
den höchsten Defiziten dazu zu zwingen, ihre Haushaltsziele beizubehalten, ohne
die Veränderung der wirtschaftlichen Situation auch nur im geringsten zu
berücksichtigen?
Hätten wir den Irrtümern der Vergangenheit, als noch weit von einem
Haushaltsgleichgewicht entfernte Länder die Gelegenheit versäumt haben, ihre
Binnenkonten während der Wachstumsphase in Ordnung zu bringen, einen neuen
hinzufügen sollen?
Dann, meine verehrten Damen und Herren Abgeordneten, hätten wir den Pakt
falsch angewendet.
Und wir wären Gefahr gelaufen, die wirtschaftlichen Perspektiven nicht nur der
betroffenen Länder, sondern ganz Europas zu schädigen.
Hätten sie versucht, bereits als unrealistisch erkannte Ziele aufzuzwingen, hätten
die Europäischen Organe sich dem Vorwurf ausgesetzt, gegen Wachstum und
Beschäftigung zu handeln.
Ich hingegen möchte jedoch, dass Europa beide Schlachten gewinnt: die um
Stabilität und die um Wachstum.
Es wäre tragisch, wenn wir in unserem Kampf um Stabilität das Vertrauen und die
Unterstützung unserer Bürger einbüßen würden, die doch die Grundlage bilden für
das demokratische Europa, das Sie, meine Damen und Herren, repräsentieren.
Daher haben wir im vergangenen Monat Überlegungen angestellt, um
Anpassungen vorzunehmen und verfeinerte Kriterien für die Anwendung des
Paktes zu finden, damit dieser ein noch besseres Werkzeug im Dienste der
Stabilität und des Wachstums wird.
Wir haben vorgeschlagen, Ziele, die zu einem Gleichgewicht führen können, und
die Kontrollinstrumente dafür festzulegen.
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Zugleich haben wir vorgeschlagen, zu diesem schwierigen Zeitpunkt den Staaten,
die noch Anpassungen benötigen, mehr Spielraum zu geben, indem realistischere
Ziele zur Konsolidierung der Defizite gesetzt werden.
Dabei handelt es sich um Kriterien, die Stabilität und Wachstum sicherstellen und
sogar noch fördern.
Diese Kriterien gelten für alle Mitgliedstaaten unabhängig von ihrer Größe und
werden allen Staaten der Union zum Vorteil gereichen.
Es handelt sich dabei, meine Damen und Herren Abgeordnete, um Überlegungen,
die vollständig mit unseren bereits vor langer Zeit gemachten Vorschlägen
übereinstimmen.
Im vergangenen Jahr haben wir in unserer Mitteilung über die Verstärkung der
wirtschaftspolitischen Koordinierung im Eurogebiet im Rahmen des aktuellen
institutionellen Rahmens einige wichtige Verbesserungsvorschläge gemacht.
Wie Sie wissen, haben wir dabei vorgeschlagen:
• die Information und wirtschaftliche Analyse im Eurogebiet weiterzuentwickeln;
• das statistische System als Grundlage dafür zu stärken;
• die gemeinsamen Prinzipien der Fiskal- und Strukturpolitik klarer darzustellen;
• die Effizienz unseres Entscheidungsfindungssystems zu steigern.
Mit Blick auf den aktuellen Fall Portugals, das sich gezwungen sah, seine
Statistiken deutlich zu revidieren, möchte ich insbesondere auf die Bedeutung eines
angemessenen Systems zur Kontrolle der Haushaltsstatistiken hinweisen.
Entsprechend diesem Ansatz werden wir in Übereinstimmung mit den
Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Barcelona in Kürze unsere
Vorschläge zur Verbesserung der Transparenz und Disziplin des Paktes vorlegen.
Dabei wollen wir zugleich die wesentlichen Konzepte des Paktes und die
Grundsätze deutlicher machen, die unter umfassender Berücksichtigung der
europäischen wirtschaftlichen Integration eine Leitlinie für die Haushaltspolitik der
einzelnen Mitgliedstaaten darstellen sollen.
So werden wir etwa aufzeigen, wie der Bedarf an klaren Regeln mit der
Anerkennung der Tatsache vereinbart werden kann, dass die Vorschriften des
Paktes auf Staaten mit unterschiedlichen Ausgangslagen im Bereich des Defizits,
der finanziellen Verpflichtungen aufgrund der Altersstruktur der Bevölkerung oder
dem Bedarf an öffentlichen Investitionen Anwendung finden.
Ein in dieser Form angewandter Stabilitäts- und Wachstumspakt kann seine
Wirkung als Instrument zur Koordinierung der Wirtschaftspolitik der einzelnen
Staaten über seine Ordnungsaspekte hinaus umfassend entfalten.
Wir verfügen damit schließlich über ein Instrument, das vollständig mit der
Wachstums- und Beschäftigungsstrategie übereinstimmt, die der Rat vor zwei
Jahren in Lissabon angenommen und die das Parlament stets mit Überzeugung
unterstützt hat.
Neue und bessere Regeln allein reichen jedoch nicht aus. Zum Schutz des
gemeinsamen europäischen Interesses müssen die Regeln nach ihrer Annahme
auch entsprechend umgesetzt werden können.
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Wenn wir die Wachstums- und Beschäftigungsprobleme in Europa wirklich lösen
wollen, müssen wir eine intelligentere und vor allem auch wirkungsvollere
Koordinierung der wirtschaftspolitischen Entscheidungen einschließlich der
notwendigen Strukturreformen erreichen.
Die Verantwortung zur Durchführung der wirtschaftspolitischen Koordinierung muss
klar festgelegt werden.
Die europäischen Bürger müssen über die Sicherheit verfügen, dass das System
gut geführt wird. Dazu gehören Kohärenz und Richtungsweisung in ruhigen, aber
insbesondere auch in schwierigen Momenten und Krisenzeiten.
Sie erinnern sich sicher daran, meine Damen und Herren Abgeordnete, dass ich
dieses Problem bereits vor zwei Jahren bei ihnen angesprochen habe und seither
auch mehrmals darauf zurückgekommen bin.
Wir brauchen eine Behörde, die dieses System unter Berücksichtigung der
Komplexität unserer Volkswirtschaften in strenger und intelligenter Weise führen
kann.
Eine Behörde, die zum Schutz des Gemeininteresses eingreifen kann, damit jeder
Mitgliedstaat seine Wirtschaftspolitik so gestaltet, dass sie sich nicht negativ auf die
Wirtschaft der übrigen Mitgliedstaaten auswirkt.
Nur eine starke Behörde kann die Vorschriften streng anwenden, um
Abweichungen zu verhindern, und sie zugleich bei Bedarf an die konkreten
Umstände anpassen.
Dies möchte ich in aller Deutlichkeit sagen. Die Haushaltspolitik obliegt den
Behörden der Mitgliedstaaten. So ist es heute und so wird es auch in Zukunft sein.
Die Kommission ist eine Institution, deren einzige Aufgabe darin besteht, im
gemeinsamen Interesse Europas unter Berücksichtigung der Gleichberechtigung
aller Mitgliedstaaten zu handeln.
Daher ist die Kommission auf der Grundlage des Mandats und der Regeln des
Rates und unter der Kontrolle des Parlaments zur Führung dieses Systems
prädestiniert, das eine wirtschaftspolitische Koordinierung auf europäischer Ebene
sicherstellen soll.
Es gibt zahlreiche Beispiele, die für eine Zuweisung dieser Verantwortung an einen
unabhängigen und unparteiischen Schiedsrichter wie die Kommission sprechen.
Ich möchte heute nur auf ein einziges Beispiel eingehen und gerade einen
kontroversen Fall in Erinnerung rufen: Es handelt sich um das Frühwarnsystem, das
die Kommission dem Rat vor einigen Monaten vorgeschlagen hat.
Wie Sie wissen, wurde dieser Vorschlag nicht angenommen, obwohl der Rat und
der betreffende Mitgliedstaat den Vorschlag der Kommission grundsätzlich teilten.
Die Schwächen des Entscheidungsprozesses sind damit weiterhin vorhanden.
Die Kommission hat daher als ersten förmlichen Beitrag zu den Arbeiten des
Konvents Vorschläge unterbreitet, wie solche Situationen in Zukunft vermieden
werden können, indem im Vertrag die Behörde festgelegt wird, die für ein solches
Frühwarnsystem zuständig ist.
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Die Kommission hat ferner eine Vertragsänderung mit dem Ziel vorgeschlagen, die
Koordinierung der Wirtschaftspolitik stärker in den Rahmen der interinstitutionellen
Zusammenarbeit nach der Gemeinschaftsmethode einzubinden.
Die Kommission hat schließlich auch Vorschläge unterbreitet, die dem Bedarf an
einer einheitlichen Vertretung des Euro bei internationalen Organisationen
Rechnung trugen.
Diese Vorschläge haben wir dem Konvent vorgelegt.
Nichts hindert die Verantwortlichen daran, einige dieser Vorschläge bereits heute
anzunehmen. Es handelt sich um Änderungen, die bereits jetzt wichtig sind und mit
der kommenden Erweiterung der Union noch mehr an Bedeutung gewinnen
werden.
Wir ersuchen den Rat daher, diese Vorschläge dringend zu behandeln.
In der Zwischenzeit werden wir weiterhin ohne Zögern die derzeitigen Regeln des
Paktes anwenden und bei Bedarf unserer Verantwortung nachkommen, die von uns
notwendig erachteten Änderungen vorzuschlagen.
Ich bin dem Parlament besonders dankbar dafür, dass es mir heute Gelegenheit
gibt, vor den Vertretern der europäischen Bürger eine derart wichtige Frage zu
behandeln.
Die europäischen geld- und wirtschaftspolitischen Entscheidungen können und
dürfen nicht mehr hinter verschlossenen Türen getroffen werden.
Ein demokratisches Europa, wie wir alle es uns wünschen, muss ein Europa sein, in
dem jede Art von Politik, die Wohlstand, Beschäftigung, Wachstum und
Entwicklung betrifft, einen wichtigen Teil eines offenen politischen Diskurses
darstellt.
Die Kommission hat sich im Konvent dafür eingesetzt - und wird sich auch
Zuständigkeit für die Koordinierung der europäischen Wirtschaftspolitik
aufzuzeigen.
Ich bitte Sie, meine Damen und Herren Abgeordnete, diese Bemühungen zu
unterstützen.
Vielen Dank.
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