Die Feynman-Gell-Mann – Debatte Reale oder virtuelle Physik? Zum Thema: In diesem Beitrag geht es um die Physik der Elementarteilchen. Steven Weinberg sagte dazu: „Dass die Elementarteilchenphysik in unseren Augen fundamentaler als andere Zweige der Physik erscheint, liegt daran, dass sie tats•chlich fundamentaler ist.“ Die Feynman-Gell-Mann – Debatte spielte sich vor allem am California Institute for Technology in Pasadena ab, wo beide – Richard Feynman und Murray Gell-Mann – als Professoren f•r theoretische Physik wirkten. Beide entstammten j•dischen Familien, waren aber typische Amerikaner. W‚hrend die Quantenmechanik der zwanziger Jahre im letzten Jahrhundert noch ihren Schwerpunkt in Deutschland hatte, so verlagerte sich der Schwerpunkt der Quantenfeldtheorie nach den Vereinigten Staaten. Wurde fr•her noch vieles in Deutsch publiziert, so muss nun alles in Englisch sein. Die Portr•ts Richard (Dick) Feynman wurde am 11. Mai 1918 in Queens (New York) geboren. Er studierte von 1935 bis 1943 Physik am MIT, dann besuchte er die Universit‚t von Princton, war Assistent von John Archibald Wheeler. In seiner Dissertation im Jahr 1942 entwickelte er die ersten Ans‚tze zur Pfadintegralformulierung der Quantenphysik, wobei er sich auf Vorarbeiten von Paul Dirac st•tzte. W‚hrend des Zweiten Weltkriegs beteiligte er sich in Los Alamos am Manhattan-Projekt. Nach dem Krieg verschaffte Hans Bethe ihm einen Lehrauftrag an der Cornell University (NY). Danach wurde er 1951 Professor f•r theoretische Physik am Caltech in Pasadena, wo er f•r den Rest seiner akademischen Laufbahn blieb. Feynman entwickelte dort seine Beitr‚ge zur Quantenelektrodynamik (QED), wof•r er 1960 den Nobelpreis f•r Physik erhielt. In der QED geht es um das Zusammenwirken von Licht und Materie. A. WÄthrich macht dazu folgende Aussage: „Die Suche nach einem Modell, das die Natur eins zu eins wiedergibt, ist ein undurchfƒhrbares Unterfangen und letztlich auch gar nicht das angestrebte Ziel. Vielmehr geht es in der Wissenschaft in erster Linie darum, in bestimmter Hinsicht relevante Aspekte eines Ph•nomene zu erfassen; und genau dazu leisten Feynman-Diagramme in der Teilchenphysik seit ƒber sechzig Jahren einen wichtigen Beitrag.“ Feynman starb am 15. Februar 1988 in Los Angeles an einem Krebsleiden. Feynman-Diagramme „Das Besondere daran ist, dass er 1949 sogar einen Weg gefunden hat, diese sehr komplizierten physikalischen Wechselwirkungen und ihre noch komplizierteren mathematischen Strukturen in hƒbschen Bildern – den sogenannten FeynmanDiagrammen – einzufangen.“ (E.P.Fischer) Streuung zweier Elektronen Murray Gell-Mann wurde am 15. September 1929 in New York geboren. Er galt schon als Kind als hoch- begabt und begann als f•nfzehnj‚hriger das Physikstudium an der Yale University. 1951 promovierte er am Massachusetts Institut of Technology (MIT). Von 1956 bis zu seiner Emeritierung 1993 war er Professor am California Institute of Technology (Caltech). Gell-Manns Bestrebung war es, Ordnung in die Vielfalt der damals frisch entdeckten Teilchen zu bringen. Er f•hrte eine neue Quantenzahl ein, die er ‚Strangeness‘ (Seltsamkeit) nannte. 1061 schlug er ein ph‚nomenologisches Modell zur Klassifizierung der 1 schweren Teilchen vor, das er den ‚achtfachen Pfad‘ nannte.1 Die Zahl 8 spielt in diesem Modell eine zentrale Rolle. 1964 forderte er, dass die Protonen und Neutronen eine innere Struktur aufweisen m•ssten. Er nannte die dazu geh…rigen hypothetischen Teilchen ‚Quarks‘. Man sagt, Gell-Mann habe den Namen aus dem Roman ‚Finnegan’s Wake‘ von James Joyce entnommen. Dort heisst es ‚Three quarks for Mister Mark‘. 1969 erhielt er den Nobelpreis f•r seine ‚Beitr•ge und Entdeckungen zur Ordnung der Elementarteilchen und ihrer Wechselwirkungen‘. Wie berichtet wird, gibt sich Gell-Mann in normalen Gespr‚chen charmant, geistreich und humorvoll; in der wissenschaftlichen Diskussion aber f•rchtete man seine spitze Zunge und seine ‚tzende Kritik, die an Pauli erinnerte. Damit entstand auch ein Wettstreit mit Feynman und die Studenten fragten sp…ttisch: „Wer ist schlauer, Murray oder Dick?“ – In den siebziger und achtziger Jahren versuchte er, eine ‚Grosse vereinheitliche Theorie‘ zu entwickeln und er arbeitet auch an der ‚Stringtheorie‘. Seit seiner Emeritierung lebt Gell-Mann in Santa Fee im Bundesstaat New Mexico. Von sich selber behauptet er: „Ich bin kein theoretischer Physiker mehr, ich bin ein theoretischer Wissenschaftler!“ Er sucht nun Ordnungsstrukturen in anderen Wissenschaften, und es gibt kaum etwas, was ihn nicht interessiert. Er ist mit 87ig Jahren so etwas wie ein weiser alter Mann oder eben ein Universalgelehrter. Der Weg zum Standardmodell der Elementarteilchen Wenn man im Folgenden den Weg zum Standardmodell skizzieren will, so stehen ber•hmte Namen im Fokus, obwohl sehr viele, heute kaum mehr bekannte Physikerinnen und Physiker, im Hintergrund gearbeitet und wichtige Beitr‚ge geleistet haben. Leserinnen und Leser, denen der Weg zu m•hsam ist, k…nnen diesen Abschnitt •berspringen und sich direkt den Aussagen des Standardmodells zuwenden. Einsteins Relativit‚tstheorie und die Quantenmechanik waren die grossen Durchbr•che in der ersten H‚lfte des Zwanzigsten Jahrhunderts. Ausgangspunkt f•r die Quantenmechanik waren experimentell gefundene Tatsachen, die mit der klassischen Physik nicht erkl‚rt werden konnten. Zentral war das Doppelspaltexperiment, bei dem sich Photonen und Elektronen einmal als Welle, einmal als Teilchen manifestierten.2 Eine theoretische Erkl‚rung lieferte die Heisenberg’sche Matrizenmechanik und die SchrÅdinger-Gleichung. Heisenberg formulierte dann die nach ihm benannte Unbestimmtheitsrelation, wonach es unm…glich ist, Ort und Impuls eines quantenmechanischen Teilchens gleichzeitig zu bestimmen. Wolfgang Pauli postulierte das nach ihm benannte Ausschlussprinzip, nachdem Fermionen (Teilchen mit Spin ‡) in einem System nicht in allen Quantenzahlen •bereinstimmen d•rfen. Niels Bohr gilt als Vater der Kopenhagener-Interpretation der Quantenmechanik und nach Max Born muss die Schr…dinger-Gleichung statistisch interpretiert werden. Schliesslich konnte Paul Dirac seine Gleichungen aufstellen, welche die Spezielle Relativit‚tstheorie mitber•cksichtigt, und er sagte die Existenz der Antimaterie voraus. Die Wellenfunktion eines einzelnen Teilchens wird im klassischen dreidimensionalen Raum definiert. F•r mehrere Teilchen braucht man einen abstrakten ‚Konfigurationsraum‘, der sich aus allen Orten der beteiligten Teilchen zusammensetzt und deshalb ein Vielfaches von drei ist. F•r all diese Teilchen gilt eine gemeinsame Wellenfunktion. Dieses Superpositionsprinzip bewirkt, dass die Teilchen miteinander ‚verschr‚nkt‘ sind. Diese Verschr‚nkung ist der Hauptunterschied zwischen Quantenphysik und klassischer Physik. F•r uns sieht es so aus, als ob die Teilchen miteinander kommunizieren k…nnten. Ein Elektron im Doppelspaltexperiment ‚weiss‘, was ein anderes gemacht hat und verh‚lt sich so, dass das Interferenzmuster entsteht. Beim radioaktiven Zerfall sind die beteiligten Atome so miteinander verschr‚nkt, dass am Schluss nach der Halbwertszeit die H‚lfte der Atome zerfallen sind. Damit machte er eine Anlehnung an den von Buddha geforderten Weg f•r ein rechtschaffenes Leben. Wenn im Doppelspaltexperiment nur eine Spalte offen ist, dann erscheint das entstehende Bild der registrierten Elektronen so, als ob sie aus einer Schrotflinte geschossen worden w‚ren; sind beide Spalte offen, dann entsteht ein Interferenzmuster, welches f•r den Wellencharakter spricht. 2 1 2 In der Quantenmechanik spielt die Versuchsanordnung eine andere Rolle als in der klassischen Physik. Man bezeichnet dies als das quantenmechanische Messproblem. Hier eine wichtige Aussage von Heisenberg: „Die theoretische Deutung eines Experiments erfordert drei deutlich unterschiedliche Schritte. Im Ersten wird die experimentelle Ausgangssituation in eine Wahrscheinlichkeitsfunktion ƒbersetzt. Im Zweiten wird diese Funktion rechnerisch im Lauf der Zeit verfolgt. Im Dritten wird eine neue Messung am System vorgenommen, deren zu erwartendes Ergebnis dann aus der Wahrscheinlichkeitsfunktion berechnet werden kann. …. Es ist unmˆglich anzugeben, was mit dem System zwischen der Anfangsbeobachtung und der n•chsten Messung geschieht. Nur im dritten Schritt kann wieder der Schritt vom Mˆglichen zum Faktischen vollzogen werden.“ - Trotzdem nimmt man f•r gew…hnlich an, dass sich das Elektron zwischen der Quelle und der Messung auf dem Schirm in einem Zustand der Superposition befindet, bei dem die m…glichen Messergebnisse in einem ‰berlagerungszustand vorhanden sind. Erst durch die Messung nimmt das Elektron wieder einen genau definierten Zustand an.3 Die n‚chste Frage zum quantenmechanischen Messproblem dreht sich um den klassischen Grenzfall, der aus der Quantenmechanik hergeleitet werden sollte. Nach John von Neumann m•ssten daher nicht nur alle Elemente des zu messende Systems (Atome, Molek•le), sondern auch die Messapparatur und deren Umgebung mit der Schr…dingerGleichung erfasst werden. Dies ist aber praktisch unm…glich. Die Wechselwirkung mit der Umgebung f•hrt zum Verlust der Superposition und der Welleneigenschaften, wodurch nur noch klassische Eigenschaften beobachtet werden k…nnen. Dies bezeichnet man als ‚Dekoh‚renz‘, wobei dieser Vorgang irreversibel ist. In der Quantenmechanik werden Experimente und Messungen mit real existierenden Teilchen durchgef•hrt: Photonen, Elektronen, Protonen, Neutronen. Auch das Neutrino ist ein real existierendes Teilchen. Es tanzt aber insofern aus der Reihe, dass man mit Neutrinos keine Experimente durchf•hren kann. Nur schon der Nachweis der Neutrinos ist ein Kunstst•ck. In der zweiten H‚lfte des 20. Jahrhunderts war die Quantenfeldtheorie das dominierende Thema. Fritzsch prophezeit, dass diese Zeit in die Weltgeschichte eingehen wird als die Zeit, in der die Substruktur der Materie zu einem grossen Teil aufgekl‚rt wurde. Damit verbunden ist der Wunsch nach einer Art Weltformel, welche im Standardmodell schon weitgehend realisiert sei. Ob Fritzsch mit seiner Aussage recht behalten wird, kann man wohl erst am Ende des 21. Jahrhunderts sagen, falls die dahinter steckende Theorie bis dann nicht falsifiziert werden konnte. In der Quantenmechanik werden – wie der Name sagt – Ph‚nomene untersucht, die man mechanisch interpretieren kann. Es gilt f•r alle Teilchensorten der Welle-Teilchen – Dualismus. Hier setzt die erste Grund•berlegung von Feynman an: ‚Wenn Licht sowohl Wellen- wie Teilchencharakter haben, dann muss es eine Theorie geben, welche die optischen Effekte wie die Spiegelung an einer Glasplatte oder das Brechungsgesetz aufgrund der Teilchen – der Photonen – erkl•ren kann.‘ Dabei ber•cksichtigte er in seiner Theorie alle m…glichen Wege, die ein Photon zwischen Quelle und Glasplatte einschlagen k…nnte.4 Man bezeichnet dieses Vorgehen ‚Pfadintegralmethode‘. Feynman konnte damit das nach Snellius benannte Brechungsgesetz herleiten. Was f•r Photonen gilt – so Feynman – muss auch f•r Elektronen gelten, womit zum Beispiel das Doppelspaltexperiment neu erkl‚rt werden konnte. Nun ist ein Elektron vor allem ein Ladungstr‚ger, f•r welches das Coulomb’sche Gesetz und die Maxwell-Gleichungen gelten m•ssen. Bewegte Elektronen erzeugen elektromagnetische Felder, wie man das von den Wellen kennt, die ein Hertz’scher Dipol aussendet. Auch da kann man diese Felder durch Photonen beschreiben. Ja man kann sagen, jedes Elektron ist von einer Hier erinnert man sich an Schr…dingers Katze. Schr…dinger empfand diesen ‰berlagerungszustand als unsinnig, wobei erst die Messung zeigen sollte, ob seine Katze tot oder lebendig sei. 4 Feynman war ein grosser Mathematiker, und er hat seine Quantenelektrodynamik mathematisch hergeleitet. Er war aber auch ein begnadeter Lehrer und verstand, auch schwierige Zusammenh‚nge f•r Laien verst‚ndlich zu machen. 3 3 Wolke virtueller Photonen umgeben.5 Noch bedeutender waren dann die von Feynman gegebenen Erkl‚rungen zu den Streuvorg‚ngen oder den Wechselwirkungen zwischen den Elektronen. Allen Licht- und Elektronenph‚nomenen liegen in der Quantenelektrodynamik (QED)drei Grundvorg‚nge zugrunde: 1) Ein Photon bewegt sich von Ort zu Ort. 2) Ein Elektron wandert von Ort zu Ort. 3) Ein Elektron emittiert oder absorbiert ein Photon. Dabei sind auch da wieder alle m…glichen Wege und Vertauschungen zu ber•cksichtigen. Trotzdem ist die physikalische Vorstellung ganz einfach. Selbst Feynman wundert sich: „Es mag unglaublich klingen, dass die gewaltige Vielfalt der Natur aus der monotonen Wiederholung der Kombination von nur drei Grundvorg•ngen ableitbar sein soll. Und doch ist es so.“ Eine Anmerkung zu Feynmans Quantenelektrodynamik muss noch angebracht werden: Die Herleitung der QED ist nur mit einem Trick, den man Renormierung nennt, gelungen. Die mathematisch korrekte Rechnung f•hrte zum Resultat, dass Elektronen eine unendliche Masse haben m•ssten. Feynman fand aber einen Ausweg, um die zugrunde liegenden ‰berlegungen an die Realit‚t anzupassen. Er forderte, dass der Abstand der Elektronen beim Photonenaustausch nicht null werden darf. Dann kann die errechnete Masse auf die experimentell gemessene Masse abgestimmt werden. Mathematik und Physik sind eben nicht dasselbe, und die Quantenelektrodynamik kann beachtliche Erfolge vorweisen. Als Paradebeispiel gilt die ‰bereinstimmung von Theorie und Experiment f•r das magnetische Moment des Elektrons. Nun stellten sich die Physiker die Frage, warum ein Atomkern, der aus Protonen und Neutronen besteht, zusammengehalten wird. Die Protonen sollten sich doch abstossen, wodurch das Atom auseinander fliegen w•rde. Es m•ssen deshalb innerhalb der Atome Kr‚fte auftreten, die um ein Vielfaches st‚rker sind als die abstossende Wirkung der Coulomb-Kraft. Dies sind die starken Kernkr‚fte. In der Zwischenzeit entdeckte man in der kosmischen Strahlung weitere Teilchen, die zwar nach kurzer Zeit zerfielen. Solche Teilchen entstehen auch bei Experimenten mit den grossen Beschleunigern. Wegen der grossen Zahl verschiedener Teilchen sprach man oft vom Teilchenzoo. Gell-Mann und seine Mitarbeiter stellten die Hypothese auf, dass sowohl Proton und Neutron, als auch die neu entdeckten Teilchen der kosmischen Strahlung auf einfache Weise beschrieben werden k…nnen, indem man sie aus drei Bausteinen aufbaute, denen man den Namen Quark gab. F•r den Aufbau des Protons braucht es zwei up-Quarks und ein down-Quark, f•r das Neutron braucht es ein up- und zwei down-Quarks. Anstelle der virtuellen Photonen ben…tigt man andere virtuelle Austauschteilchen die man als Gluonen (Klebstoff) bezeichnet. Damit kommen wir in das Gebiet der Quantenchromodynamik (QCD):6 Die Gluonen als Austauschteilchen wirken auf die Quarks innerhalb von Proton und Neutron; sie sorgen aber auch daf•r, dass Atome mit mehreren Protonen und Neutronen zusammengehalten werden. Ein Problem harrte noch einer Erkl‚rung. Was passiert innerhalb des Atomkerns beim radioaktiven Zerfall? Ausserhalb des Kerns beobachte man den α-Zerfall (Emission von Heliumkernen), den β-Zerfall (Emission von Elektronen oder Positronen) und den γ-Zerfall (radioaktive Strahlung), wie dies bereits Marie Curie beschrieben hatte. Die zu den Vorg‚ngen innerhalb des Atoms geh…rende Theorie bezeichnet man als Quantenflavordynamik (QFD).7 Anstelle der Gluonen •bernehmen nun das W- und das Z-Boson die Aufgaben der Austauschteilchen. Interessanterweise wird die QFD in den meisten ‰bersichtsb•chern nur nebenbei oder gar nicht erw‚hnt. Nachdem es Steven Weinberg weitgehend gelang, die QED und die QFD zur elektroschwachen Wechselwirkung zu vereinigen, ging das Interesse an der QFD weiter zur•ck. Virtuell steht im Gegensatz zu den realen Photonen des Lichts, mit denen man Experimente durchf•hren kann. Virtuelle Photonen sind Austauschteilchen, mit denen keine Experimente ausgef•hrt werden k…nnen. 6 Das up-Quark hat die Ladung 2/3 der Elementarladung, das down-Quark – 1/3. Der Name Quantenchromodynamik r•hrt daher, dass Quarks Fermionen sind, die gem‚ss dem Pauli-Prinzip sich in einer Quantenzahl unterscheiden m•ssen. Gem‚ss einem Vorschlag von Fritzsch bezeichnete man die neue Quantenzahl als ‚Farbe‘. Es gibt rote, gr•ne und blaue Quarks, wobei dies nur eine Bezeichnung und keine richtige Farbe ist. 7 Die Quarks haben in der Quantenflavordynamik einen Flavor oder Geschmack, wobei man zwischen ‚beauty‘ und ‚truth‘ unterscheidet. Das sind aber nur Namen und nicht etwa physikalische Eigenschaften. 4 5 Das Standardmodell der Elementarteilchen Harald Fritzsch, der wesentliche Beitr‚ge zum Standardmodell der Elementarteilchen erarbeitet hat, schreibt im Vorwort zu seinem Buch: „Nach heutigem Wissen besteht die normale Materie aus Quarks, den elementaren Bausteine der Atomkerne und aus den Elektronen. … Dieses Modell beschreibt auch die fundamentalen Wechselwirkungen qualitativ und quantitativ in einfacher Weise. Letztere sind zum einen die Kr•fte der Chromodynamik zwischen den Quarks und zum anderen die elektroschwachen Kr•fte zwischen den Quarks und den Leptonen, etwa dem Elektron. … Das Standardmodell ist jedoch weit mehr als ein theoretisches Modell der elementaren Teilchen und ihrer Wechselwirkungen. Es beansprucht fƒr sich den Rang einer in sich geschlossenen Theorie aller in der Welt der elementaren Teilchen beobachteten Ph•nomene. Fƒr den Eingeweihten l•sst sich die Theorie auf wenigen Zeilen darstellen, stellt also eine Art Weltformel dar.“ Nachher zitiert Fritzsch Heisenberg, der sich •ber Platon und die Elementarteilchen Gedanken machte und folgende Schlussfolgerung zog: „Die letzte Wurzel der Erscheinungen ist also nicht die Materie, sondern das mathematische Gesetz, die Symmetrie, die mathematische Form.“ Fritzsch f‚hrt fort: „Ist also am Ende die Idee wichtiger als die Materie? Oder verschwindet der Unterschied zwischen Materie und Idee, wenn man die Grenzen der Teilchenphysik absteckt? Bis heute ist die Antwort auf diese Frage nicht entschieden, ja es ist nicht einmal klar, ob die Frage ƒberhaupt berechtigt ist.“ Das sind philosophische Fragen, – ‚philosawfucal‘ wie Feynman sagen w•rde – die keinen Platz in der Physik haben sollten.8 Im Folgenden soll eine Erl‚uterung des Standardmodells f•r Personen gegeben, welche die Feinheiten der Mathematik nicht nachvollziehen k…nnen. Wenn man dabei von Teilchen spricht, so ist das nur ein Symbol oder ein Bild, welches man sich zu den Aussagen der Theorie macht. In den meisten allgemein verst‚ndlichen Publikationen zum Standardmodell findet man die nachfolgende Abbildung f•r die Elementarteichen. In der oberen H‚lfte sind die 6 Sorten von Quarks mit den Namen, den man ihnen zugeordnet hat. Zu den Quarks geh…ren 6 Leptonen, welche keine innere Struktur besitzen. Quarks und Leptonen besitzen einen Spin ‡ und sind damit Fermionen. Diese Teilchen besitzen unterschiedliche Massen. Die Quarks sind virtuelle Teilchen, die Leptonen existieren real. Erg‚nzt wird das Bild durch die Austauschteilchen. Sie haben einen Spin von 1, sind also Bosonen. Sie geh…ren auch zur virtuellen Welt der Elementarteilchen. Standardmodell der Elementarteilchen Meist sagt man, es g‚be drei Familien, die erste und f•r die Physik wichtigste Familie ist die, die zum Elektron geh…rt. Die zweite geh…rt zum Myon, das ‚hnliche Eigenschaften wie das Elektron besitzt, aber 8 Vgl. Die von Weizs‚cker-Feynman – Debatte. 5 wesentlich schwerer ist. Noch schwerer ist das Tau oder Tauon mit seiner Familie. Die in der kosmischen Strahlung oder bei den Experimenten mit den Beschleuniger entdeckten Teilchen setzen sich aus den entsprechenden Quarks zusammen. Alle diese Teilchen sind nicht stabil und zerfallen nach kurzer Zeit. Dies gilt auch f•r das Myon und das Tauon. F•r den Aufbau der normalen Materie spielen sie keine Rolle. Warum sie trotzdem existieren, weiss man nicht. Anzumerken bleibt, dass Quarks nicht selbstst‚ndig existieren k…nnen. Sie sind stets in schwerere Teilchen (Hadronen) eingebunden. Die Frage bleibt: Leben wir in einer virtuellen oder einer realen Welt? Da das Standardmodell ein mathematisches Modell ist und auf Symmetrie•berlegungen basiert, stellt sich nun die Frage: Verh‚lt sich die Natur so, wie es die Theorie verlangt? – Die Antwort lautet: Meistens, es gibt aber auch Ausnahmen oder Grenzf‚lle. Hier seien solche F‚lle kurz aufgelistet: Verletzung der Spiegelsymmetrie beim Beta-Zerfall. Diese experimentelle Tatsache war ein Schock f•r die Physiker und Pauli kommentierte: „Gott ist doch ein schwacher Linksh•nder.“ Die Wechselwirkung der W- und Z-Bosonen findet demnach ausschliesslich mit linksh‚ndigen Quarks und Leptonen statt. Neutrino Oszillationen. Das Elektron-, das Myon- und das Tau-Neutrino k…nnen sich ineinander umwandeln. Dazu m•ssten Neutrinos eine Masse besitzen. Dies f•hrt zu einem Widerspruch mit dem Standardmodell. Doppelter Betazerfall. Ob es den doppelten Betazerfall gibt, dr•ber streiten sich die Physiker. Beim ‚neutrinolosen‘ doppelten Betazerfall verwandeln sich zwei Neutronen in zwei Protonen und zwei Elektronen. Vor dem Zerfall gab es keine Leptonen, nach dem Zerfall zwei, wodurch ein Credo – die Erhaltung der Leptonenzahl verletzt wird. Es bleibt ein Ausweg: Es entstanden zwei Antineutrinos, wobei das Neutrino identisch mit seinem Antineutrino ist, wobei sich die beiden ausl…schen. Die Gretchenfrage lautet nun: Kann man virtuelle Teilchen nachweisen? Quarks zum Beispiel existieren nur innerhalb der Hadronen (Protonen, Neutronen). Um in diese Teilchen hineinzuschauen, braucht man die grossen Beschleuniger. Am SLAC (Stanford linear accelerator) beobachtete man Elektronen, die nach hinten zur•ckgestreut wurden. Daraus schloss man auf eine innere Struktur in den Protonen. Im CERN l‚sst man Hadronen aufeinander prallen und schafft damit eine Umgebung, wie sie wohl kurz nach dem Urknall geherrscht haben k…nnte. In diesem extrem heissen Zustand herrscht ein Plasma von Quarks und Austauschteichen, die sich aus den Hadronen befreit haben. Dieser so erzeugte Zustand wird nun mit vielen Detektoren untersucht, wobei es viele Filterungen braucht, damit man Spuren der virtuellen Elementarteilchen findet. Die Situation ist ‚hnlich wie in der Kosmologie: Man kann nur beobachten, aber keine gezielten Experimente durchf•hren. Ja es ist noch schwieriger, da der Zustand, den man beobachtet, erst durch den Beschleuniger generiert wird. Auf Grund der Auswertung der Spuren sagt man, dass alle Teilchen, inklusive das Higgs-Teilchen nachgewiesen werden konnte. Man sagt aber nicht, ob man von diesen Teilchen auch die Ladung, den Spin oder die Farbe messen konnte, welche man zum Beispiel f•r die Quarks nachweisen m•sste. Hier noch einige kritische Anmerkungen: Sowohl der Beschleuniger selbst wie auch die Auswertungsapparatur und die dazu geh…rigen Computer sind Teil der gew‚hlten Messapparatur. Sie sagen also nicht aus, wie die Natur an sich ist, sie sagen nur aus, was man misst, wenn man Teilchen mit hohen Energien aufeinander prallen l‚sst. Eine ‰bertragung der gefundenen Resultate auf Atome und Kerne, die nicht mit hohen Energien beschossen wurden – die man zum Beispiel bei der Umgebungstemperatur beobachtet – ist streng genommen nicht zul‚ssig, auch wenn diese Extrapolation plausibel erscheint. 6 Trotz dieser erlaubten Zweifel – man k…nnte auch von Kritik sprechen – muss man aber die grossen Leistungen der Experimental- und Ingenieur-Physiker am CERN bewundern, auch wenn sie auf die eingangs gestellte Gretchen Frage keine Antwort9 geben k…nnen. Aus dem Standardmodell der Elementarteilchen entstand die Vorstellung, dass es in der Natur nur vier Grundkr‚fte oder Wechselwirkungen geben k…nne. Die ersten drei entstammen der Quantenfeldtheorie (QCD, QED, QFD), die vierte Kraft ist die Gravitationskraft. Einsteins Allgemeine Relativit‚tstheorie ist zwar eine Feldtheorie, die ‰berf•hrung in eine Quantenfeldtheorie ist trotz vieler Versuche bis heute nicht gelungen. Um aber ein einheitliches Bild zu erhalten, hat man schon mal ein Austauschteilchen eingef•hrt, das Graviton, das aber nie nachgewiesen werden konnte. Genz hat diese Sicht der Dinge in der nachfolgenden Abbildung zusammengefasst. Austauschteilchen Gluonen Photonen W- und ZBosonen Gravitonen TrÄger der: Starken Kraft Schwachen Kraft Gravitationskraft Wirken auf: Quarks, Gluonen Elektromagn. Kraft Quarks, geladene Leptonen, W-Bosonen Quarks, Leptonen Alle Teilchen Verantwortlich fÅr: Zusammenhalt des Protons, Neutrons und der Atomkerne Chemie ElektrizitÄt Magnetismus RadioaktivitÄt, Prozesse in der Sonne Zusammenhalt der Erde, Sonne, Planetensystem Reichweite: (bildlich) Bis heute sind keine weiteren Wechselwirkungen zwischen realen Teilchen mit Masse bekannt. Das Bild suggeriert zwar, dass man so die gesamte Physik erkl‚ren k…nnte. Aber leider findet man in der erl‚uternden Literatur kaum Beispiele, die beobachtbare physikalische Ph‚nomene mit der Quantenfeldtheorie erkl‚ren.10 Es mag sein, dass einzelne Fachartikel sich diesem Thema widmen, der ‚main stream‘ der theoretischen Physiker sucht aber lieber nach der ‚Grossen vereinheitlichten Theorie‘ oder nach der Weltformel. Dieser Mangel an praktischem Bezug f•hrt dazu, dass das Standardmodell nur f•r ‚Eingeweihte‘ zu einer h…heren Erkenntnis f•hrt. Alle bisherigen grossen Theorien konnten in mathematischen Formeln zusammengefasst werden, wodurch Berechnungen und Vorhersagen f•r k•nftige Zust‚nde gemacht werden konnten: Die Newton’schen Gesetze, die Maxwell-Gleichungen, Einsteins Relativit‚tstheorie oder die SchrÅdinger-Gleichung. Solche •bersichtliche Gleichungen gibt es f•r die Quantenfeldtheorie nicht, und so ist das Standardmodell mit den vier Grundkr‚ften eine ‚Im Prinzip‘ – Theorie. Sie kann im Prinzip zwar alles erkl‚ren, nur ist die konkrete Berechnung f•r reale Vorg‚nge zu schwierig. Die Vereinheitlichungsversuche zeigten sich vor allem in der ‚Stringtheorie‘, wobei mathematisch eine Vielzahl von Dimensionen zu ber•cksichtigen w‚ren, die man aber nicht beobachten kann. Hier noch ein Bei Goethe heisst es: „Name ist Schall und Rauch!“ Interessant w‚re zum Beispiel die Herleitung der Bethe-von WeizsÇcker – Formel f•r die Bindungsenergie der Nukleonen und eine Erkl‚rung der Vorg‚nge bei der Fusion von Wasserstoff zu Helium. Das Standardmodell geht von lokalen Wirkungen aus. Wie kann man damit die Verschr‚nkung von Teilchen erkl‚ren, ein Ph‚nomen von zentraler Bedeutung in der Quantenphysik? – Kann mit der QED die Bildung von Cooper-Paare durch zwei Elektronen erkl‚rt werden? 7 9 10 Kommentar von Sieroka: „Die Begeisterung fƒr die Vereinheitlichungsversuche ist mittlerweile etwas abgeflacht. Positionen, die gerade in den letzten Jahren zunehmend Verbreitung gefunden haben, verzichten auf Zusammenfƒhrungs- und Vereinheitlichungsambitionen und betonen stattdessen einen echten Pluralismus von Theorien und Modellen. Eine allgemeine Theorie der Weltformel gebe es nicht. … Die Physik war immer dann besonders fruchtbar, wenn sie einerseits offen war fƒr einen Pluralismus von Ans•tzen und Methoden, sich andererseits aber auch um die Vereinheitlichung des ihr Bekannten bemƒht hat.“ Zur•ck zu Dick Feynman und Murray Gell-Mann. ‰ber die beiden wird berichtet, dass diese aussergew…hnlichen Physiker zun‚chst gut miteinander zurechtkamen. Sie diskutierten viel miteinander und es gibt auch einige gemeinsame Ver…ffentlichungen. David Goodstein bemerkte, dass sich nachher zwischen den beiden ein Konkurrenzkampf entwickelte, der erst spielerische Z•ge hatte, dann aber erbitterter gef•hrt wurde. Gell-Mann blieb der mathematischen Physik treu und engagierte sich f•r die Entwicklung einer ‚Grossen vereinheitlichten Theorie‘. Er befasste sich sp‚ter auch mit der Stringtheorie. Feynman stand der Stringtheorie skeptisch gegen•ber, da sie sich seiner Meinung nach zu weit von experimentell •berpr•fbaren Vorhersagen entfernte. Er selber machte sich daf•r ‰berlegungen zu Quantencomputern und wandte sich der Tieftemperaturphysik zu (Superfluidit‚t und Supraleitung). Auf diesem Gebiet hatte Bardeen 1972 seinen zweiten Nobelpreis erhalten f•r seine mit Cooper und Schrieffer erarbeitete Theorie der Supraleitung. Zum Schluss noch dies: Was w•rde besser zur Frage ‚reale oder virtuelle Physik‘ passen, als eine Aussage von Feynman, der sich wohl auch Gell-Mann anschliessen kann: „Wir mƒssen unbedingt Raum fƒr Zweifel lassen, sonst gibt es keinen Fortschritt, kein Dazulernen. Man kann nichts Neues herausfinden, wenn man nicht vorher eine Frage stellt. Und um zu fragen, bedarf es des Zweifelns.“ Literaturhinweise: Feynman R.P., QED Die seltsame Theorie des Lichts und der Materie. M•nchen 1992: Piper. Feynman R.P., Vom Wesen physikalischer Gesetze. M•nchen 1990: Piper. Fischer E.P., Aristoteles, Einstein & Co. M•nchen 1995: Piper. Genz H., Elementarteilchen. Frankfurt am Main 2003: Fischer. Hawking St., Mlodinow L., Der grosse Entwurf. Reinbeck bei Hamburg 2010: Rowohlt. H•fner J., L…hken R., Physik ohne Ende. Weinhheim 2010: Wiley. Kiefer C., Quantentheorie. Frankfurt am Main 2003: Fischer. Laughlin R.B., Abschied von der Weltformel. M•nchen 2007: Piper. Paturi F.R., Die letzten R‚tsel der Wissenschaft. M•nchen 2007: Piper. R…ssler W., Eine kleine Nachtphysik. Reinbeck bei Hamburg 2009: Rowohlt. Sager O., Physik in nullter N‚herung. Norderstedt 2014: Books on Demand. Sieroka N., Philosophie der Physik. M•nchen 2014: C.H. Beck. Unzicker A., Auf dem Holzweg durchs Universum. M•nchen 2002: Hanser. 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