Hebammen: Unterwegs im Auftrag des Lebens

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Hebammen: Unterwegs im Auftrag des Lebens
Veröffentlicht auf Vaterfreuden.de - der Treffpunkt für Väter (http://www.vaterfreuden.de)
Hebammen: Unterwegs im Auftrag des Lebens
7 November, 2013 - 11:45
Hebammen: Unterwegs im Auftrag des Lebens
Der Beruf der Hebamme ist einer der ältesten der Welt und nicht zu ersetzen: Auch Ärzte
dürfen eine Entbindung ohne Geburtshelferin nur im Notfall wagen. Doch wegen
steigender Versicherungsprämien wenden sich viele Hebammen von der Geburtshilfe ab.
© Gewoldi - Fotolia.com
Sie schrien, grunzten und warfen mit Baby-Puppen, sie bliesen in Trillerpfeifen und schleuderten zu
„Fruchtblasen“ erklärte Wasserbomben. Etwa fünfzig Frauen zogen an diesem 4. Mai 2012 vor das
Bundesgesundheitsministerium in der Berliner Friedrichstraße, und dort wälzten sie sich kreischend
auf dem Boden. Sie benahmen sich wie Wahnsinnige – doch es waren nur Hebammen, die
verzweifelt für ihren Berufsstand demonstrierten. Ihr Auftritt passte nicht zum Image einer
Hebamme: einem Bild, geprägt von Duftöl, warmen Farben und Entspannungs-Musik. Doch das, was
Hebammen in den vergangenen Jahren widerfahren ist, halten viele von ihnen tatsächlich für
Wahnsinn.
Was ist geschehen? Selbständige Hebammen müssen eine Haftpflichtversicherung abschließen, und
die Prämien dafür sind seit dem Jahr 2002 auf etwa das Zehnfache angestiegen. Derzeit bezahlen
Hebammen, die freiberuflich in der Geburtshilfe arbeiten, dafür mehr als 4.000 Euro im Jahr. Ihr
Jahresverdienst dagegen beträgt vor Steuern im Durchschnitt etwa 25.000 Euro, das ergab 2012 ein
Gutachten für das Bundesgesundheitsministerium. Freiberufliche Hebammen führen also im Schnitt
fast zwanzig Prozent ihrer Brutto-Einnahmen allein an die Haftpflichtversicherung ab. Betroffen sind
Hebammen, die Hausgeburten anbieten, ebenso wie solche, die in Krankenhäusern arbeiten.
Es sind Ausgaben, die sich immer weniger selbständige Hebammen leisten können oder wollen. Viele
betreuen deshalb nur noch Frauen vor der Geburt und im Wochenbett, denn dann sind die Beiträge
niedriger. Andere, vor allem Jüngere, suchen sich gleich ganz einen neuen Beruf.
Mythologisiert und angefeindet
Das Problem trifft einen Berufsstand, der seit Jahrhunderten mit Anfeindungen zu kämpfen hat –
doch er scheint so unentbehrlich zu sein, dass er sich trotzdem erhalten hat. Der Beruf der
Hebamme ist einer der ältesten der Welt. Schon in der Antike eigneten sich Hebammen systematisch
medizinisches Wissen an. Das älteste bekannte Lehrbuch über Geburtshilfe stammt aus dem 2.
Jahrhundert nach Christus. Für männliche Ärzte dagegen blieb die Gynäkologie tabu, zum Beispiel im
alten Rom: Sie durften weder weibliche Geschlechtsorgane berühren noch einer Entbindung
beiwohnen.
Die Geburtshilfe war Frauen vorbehalten und insofern eine „geheime“ Kunst – mit verheerenden
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Folgen. Denn das Geheime schürte einerseits Misstrauen: So gerieten Hebammen im 16. und 17.
Jahrhundert häufig in den Verdacht der Hexerei. Andererseits zog der Beruf Scharlatane an, denn
geheimes Wissen lässt sich kaum überprüfen. Und aus diesem Grund drängten bald Ärzte in die
Gynäkologie.
Schulmedizin gegen Esoterik
Schon im 15. Jahrhundert wurden erste Berufsordnungen und Hebammenverordnungen erlassen.
Und in den folgenden Jahrhunderten wurde die Geburtshilfe immer stärker zur Domäne von Ärzten.
Geburtshäuser und Entbindungsstationen in Kliniken verdrängten die Hausgeburt. Und es entstand
ein Konflikt, der in vielen Köpfen bis heute nicht beigelegt ist: ein Konflikt zwischen Hebammen und
Ärzten. Obwohl meist unbegründet, leben auf beiden Seiten Klischees fort: hier das Bild des Arztes,
der die Schwangerschaft als Krankheit sieht, die am besten ein Kaiserschnitt kurieren kann; dort das
Bild der Hebamme, die damit beschäftigt ist, die Kraft der Natur zu beschwören, und darüber
schwere Komplikationen übersieht.
Ein moderner Beruf
Dabei hat der Beruf der Hebamme heute wenig Esoterisches an sich. Hebammen sind Fachkräfte. Ein
Arzt darf eine Frau nur im Notfall allein entbinden: Nach dem Hebammengesetz muss er eine
Hebamme hinzuziehen. Eine Hebamme hingegen darf eine Frau grundsätzlich eigenständig
entbinden, auch wenn viele Kliniken auf dem Beisein eines Arztes bestehen.
Aber Hebammen arbeiten nicht nur in der Geburtshilfe, sondern zum Beispiel auch in der
Schwangerenvorsorge. Bei gut verlaufender Schwangerschaft bieten sie hier weitgehend dieselben
Leistungen an wie Ärzte, abgesehen von Ultraschall-Untersuchungen, die in der Arztpraxis
vorgenommen werden. Hebammen überprüfen Herztöne, nehmen Blut ab und untersuchen Urin.
Dazu beraten sie bei Beschwerden und bieten Kurse an, in denen sich Schwangere mit
Entspannungs- und Atemübungen auf die Entbindung vorbereiten können. Nach der Geburt helfen
Hebammen Frauen im Wochenbett, untersuchen deren Wundheilung, beraten bei Stillproblemen,
pflegen Neugeborene und geben praktische Ratschläge.
Auch die Ausbildung birgt nichts Geheimnisvolles. Hebammen lernen in eigenen Schulen, die
meisten Auszubildenden haben Abitur. Die Ausbildung endet mit dem staatlichen Examen und
dauert drei Jahre, in denen die praktische Geburtshilfe eine große Rolle spielt. Entsprechend sind
bereits Berufsanfängerinnen gut vorbereitet, wenn sie das erste Mal alleine im Kreißsaal stehen.
Ohne diese Vorbereitung geht es nicht, denn Hebammen tragen große Verantwortung.
Es geht oft Leben und Tod
Eine Hebamme muss zuverlässig erkennen können, wann ein ärztlicher Eingriff notwendig wird. Ein
Fehler kann schlimme Folgen haben: von nicht rechtzeitig kurierten Krankheiten bis hin zum Tod von
Mutter oder Kind. Hier steckt auch der Grund für die hohen Versicherungsprämien: Wer viel
Verantwortung trägt, kann viel falsch machen. Nun ist es nicht so, dass Hebammen in den letzten
Jahren zunehmend pfuschen würden. Doch nach Fehlern von Hebammen wurden in einzelnen Fällen
vor Gericht immer höhere Summen erstritten. Entsprechend mehr Geld verlangen nun die
Versicherungen.
Auf eins allerdings hat die Verantwortung kaum Einfluss: auf die relativ geringe Bezahlung. Beispiele
aus der aktuellen Gebührenordnung: Für einen meist rund einstündigen Hausbesuch bei einer
Wöchnerin erhält eine Hebamme 31,28 Euro – wesentlich weniger als etwa ein Klempner. Eine
telefonische Beratung vor der Geburt bringt 6,53 Euro, egal wie lange sie dauert. Jede muss
schriftlich quittiert werden, nach zwölf Beratungen ist Schluss. Und sollte eine Schwangere an einem
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Tag zweimal anrufen, muss die Hebamme gegenüber der Krankenkasse ausführlich begründen,
warum das zweite Telefonat fachlich notwendig war – sonst darf sie nicht abrechnen.
Kurz: Niemand wird Hebamme, weil er viel Geld verdienen will. Der Beruf der Hebamme, einer der
ältesten der Welt, ist bis heute mehr Berufung als Beruf.
Auch die zuweilen leidenschaftlichen Demonstrationen haben hier nichts bewirkt. Dabei gibt es
durchaus Bewegung: Immer wieder keimen etwa Pläne, den Beruf zu akademisieren wie zum
Beispiel in Österreich oder in der Schweiz. Seit dem 1. Oktober gibt es in Berlin einen BachelorStudiengang für Hebammen. Das Studium dauert vier Jahre und soll ebensoviele praktische Stunden
beinhalten wie die bisherige Ausbildung. Der Beruf der Hebamme wird dadurch zumindest
theoretisch aufgewertet. Auch im Kompetenzgerangel mit Ärzten erhalten Hebammen so womöglich
einen besseren Stand. Nur: An den wirklich drängenden Problemen wie den steigenden
Versicherungsprämien ändert sich auch dadurch nichts.
Zum Weiterlesen:
http://www.bmg.bund.de/fileadmin/dateien/Downloads/H/120504_IGESGutachten_Versorgungs-_und_Verguetungssituation_in_der_ausserklinischen_Hebammenhilfe.pdf
Sibylla Flügge: Hebammen und heilkundige Frauen: Recht und Rechtswirklichkeit im 15. und 16.
Jahrhundert, Frankfurt: Stroemfeld, 1998.
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Autor
Redaktion Vaterfreuden.de
Quellen-URL: http://www.vaterfreuden.de/partnerschaft/schwangerschaft-und-geburt/hebammenunterwegs-im-auftrag-des-lebens
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