physiolehrbuch Physiotherapie in der Gynäkologie physiolehrbuch Praxis Bearbeitet von Antje Hüter-Becker, Mechthild Dölken 2. unv. Aufl. 2007. Taschenbuch. 228 S. Paperback ISBN 978 3 13 129462 3 Format (B x L): 24 x 17 cm Weitere Fachgebiete > Medizin > Klinische und Innere Medizin > Gynäkologie, Geburtshilfe, Materno-Fetal, Hebammen Zu Inhaltsverzeichnis schnell und portofrei erhältlich bei Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft. Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, eBooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programm durch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr als 8 Millionen Produkte. 6.1 Speicher- und Entleerungsfunktion der Blase 95 6 Wichtige Funktionssysteme am Beckenboden 6.1 Speicher- und Entleerungsfunktion der Blase Das Erlernen einer normalen Blasenfunktion ist ein wichtiger Bestandteil der kindlichen Entwicklung. Stærungsbilder kænnen in jeder Altersgruppe auftreten. Einen unwillkçrlichen Urinverlust (Inkontinenz) erleben die Betroffenen als besonders peinlich und als Rçckschritt in die frçhe Kindheit. 6.1.1 Die Organe des unteren Harntrakts Trigonum vesicae Vesica urinaria (Blase) Die Harnblase ist ein hohles muskulåres Speicherorgan, das sich im Becken befindet und auf halber Symphysenhæhe in die Harnræhre mçndet (Abb. 6.1). Ûber die Harnleiter (Ureter) wird die Blase mit dem in den Nieren produzierten Urin gefçllt. Die Tagesurinproduktion betrågt 1±2 l. Die Urinmenge und somit der Fçllungsgrad der Blase hången von der Hæhe der Flçssigkeitszufuhr, der Umgebungstemperatur, der Einnahme von Medikamenten und psychologischen Faktoren ab. Kaffee, Tee, Alkohol und Zitrussåfte sind besonders Trigonum Bauchfell harntreibend. Stress kann die Nierenproduktion erhæhen (Tortora, Anagnostakos 1987). Wenn die Blase gefçllt ist, kann sie bis maximal 5 cm çber der Schambeinkante getastet werden. Perineale Ultraschallstudien haben gezeigt, dass der Blasenhals durch eine maximale willkçrliche Beckenbodenkontraktion um 8,5 mm gehoben werden kann (Wise et al. 1992). Falten Die Blase hat 2 Einmçndungen, die Ureteren (Harnleiter) von den Nieren kommend, und eine Ausmçndung, die Urethra (Harnræhre). Das hiervon gebildetete Dreieck wird Trigonum vesicae genannt. Die beiden Harnleiter durchqueren die Muskelwand der Blase schråg nach oben und verhindern einen Rçckfluss des Urins wåhrend der Entleerungsphase in Richtung Nieren. Aufbau der Blasenwand Die Blasenwand hat 3 Hauptschichten: die Mukosa, die Muskelschicht und fibræse Adventitia. Die Schleimhautschicht ist faltig, wenn die Blase leer ist, und glatt und flach, wenn sie gefçllt ist. Die 3-lagige Muskulatur der Blase besteht aus miteinander verwobenen glatten Muskelfasern, dem M. detrusor vesicae. Durch die elastischen Eigenschaften der Blasenwand ist die Blase in der Lage, groûe Mengen Urin ohne deutlichen Anstieg des Innendrucks zu speichern. Wåhrend der Speicherphase liegt der intravesikale Druck normalerweise bei I 10 cm H2O. Faszien und Ligamente der Blase glatte Muskulatur (M. detrusor vesicae) Abb. 6.1 Blase und Blasenwand. Uretereinmündung Blasenhals Die Blase wird durch die Beckenbodenmuskulatur, verschiedene Bånder und Faszien gestçtzt und stabilisiert. Der Blasenhals ist durch die Ligamenta pubourethralia seitlich gespannt. Das Ligamentum umbilicale erstreckt sich von der Blasenkuppel bis zum Nabel. Die Ligamenta pubovesicalia ziehen von der Symphyse zur Blase. Die endopelvine Faszie, ein fasermuskulæses Gewebe mit einem hohen Anteil an glatten Muskelzellen, umgibt die Beckenorgane und stçtzt sie Hçter-Becker, Dælken, PT in der Gynåkologie (ISBN 9783131294623) c 2007 Georg Thieme Verlag KG 6 6 96 6 Wichtige Funktionssysteme am Beckenboden durch ihre Anbindung an den seitlichen Beckenwånden. Man unterscheidet im urogenitalen Bereich: Die pubozervikale Faszie unterstçtzt die Blase und besteht aus der Bedeckung der vorderen Vaginalwand und den Befestigungen an den seitlichen Beckenwånden. Die suburethrale Faszie ist mit dem Arcus tendineus fascia pelvis und dem mittleren Rand des M. levator ani verbunden (DeLancey 1994). Urethra (Harnræhre) Die Harnræhre ist eine dçnnwandige muskulåre Ræhre, die den Urin von der Blase aus dem Kærper ableitet. Fçr ein kurzes Stçck, 15 % der Gesamtstrecke, liegt die Harnræhre im Gewebe der Blasenwand (DeLancey 1994) (Abb. 6.2). Bei Frauen ohne Beckenbodenschwåche liegt in Rçckenlage die urethrovesikale Verbindung in Hæhe oder etwas oberhalb der oberen Grenze der Symphyse (Schambeinfuge). Bei der Frau ist die Harnræhre 2,5±4 cm lang, hat einen Durchmesser von 6±8 mm und die unteren 2/3 sind bindegewebig fest mit der vorderen Scheidewand verwachsen. In Ruheposition ist die proximale Urethra 3 cm oberhalb der inneren Kante des Schambeins (Parks et al. 1962). Das untere Drittel der Urethra ist mobil und unter willkçrlicher Kontrolle (Mçellner 1951, Peschers, DeLancey 2002). Uretereinmündungen Sphinkter urethrae internus Rhabdosphinkter Abb. 6.2 Weibliche Harnræhre. 0 Blase M. detrusor vesicae intramurale urethra 15 20 M. sphincter urethrae externus M. compressor urethrae + M. sphincter urethrovaginalis 60 80 M. bulbospongiosus 100 Abb. 6.3 Die Harnræhrenmuskulatur, die am urethralen Verschlussdruck beteiligt ist. 70 % des urethralen Verschlussdruckes wird durch den M. levator ani und den M. sphincter urethrae externus (Rhabdosphinkter) produziert, die verbleibenden 30 % durch den M. sphincter urethrovaginalis und den M. compressor urethrae (Jçnemann et al. 1988) (Abb. 6.3). Das urethrale Epithel reagiert auf Ústrogen und ist somit wåhrend des Klimakteriums, bei langem Stillen und in der 2. Zyklushålfte stæranfållig. Die Submucosa ist stark mit Blutgefåûen (Plexus venosus cavernosus) durchsetzt und sorgt zusammen mit den periurethralen Drçsen (bulbus vestibuli) fçr eine ausreichende Schwellfåhigkeit des Gewebes, was zum urethralen Verschluss beitrågt. Elastische Fasern des umgebenden Bindegewebes çben eine kontinuierlliche Spannung aus und tragen mit geringem Energieaufwand zum statischen Verschluss bei. Dieser viscoelastische Verschlussmechanismus ist ein wichtiger Faktor bei der Verhinderung von Urinverlust (Lose et al. 1989). Trigonum Beckenboden Blasenhals Urethra äußere Harnröhrenöffnung 6.1.2 Innervation des unteren Harntraktes Die Zusammenarbeit zwischen vielen Bestandteilen des Nervensystems ist Voraussetzung fçr eine gute Blasenkontrolle: autonomes Nervensystem; sensorisches System; Hçter-Becker, Dælken, PT in der Gynåkologie (ISBN 9783131294623) c 2007 Georg Thieme Verlag KG 6.1 Speicher- und Entleerungsfunktion der Blase somatisches System; zentrales Nervensystem; limbisches System; Skelettmuskelsystem. Einfluss des autonomen Nervensystems Die Blasenfunktion gehært zu den vegetativ gesteuerten Kærperfunktionen, die durch das autonome Nervensystem (sympathisch und parasympathisch) gesteuert werden. Die sympathischen Nervenfasern treten efferent von TH10±L2 aus dem Rçckenmark aus. Von dort ziehen sie, umgeschaltet in paravertebralen Ganglien, çber den Plexus hypogastricus superior und von dort zur Blase. Der Sympathikus hemmt die Blase und sorgt fçr Kontinenz. Der Parasympathikus kommt aus dem Sakralmark S2±S4 und gelangt çber den Plexus hypogastricus inferior zur Blase. Seine Aufgabe ist die Entspannung der Blase bei der Entleerung. In der Blase gibt es unterschiedlich angeordnete Rezeptoren, die unterschiedliche Effekte auf die Blasenfunktion haben. Die Rezeptorverteilung in der Blase (Abb. 6.4): Die Ausschçttung des postganglionår parasympathischen (cholinergen) Transmitters Acetyl- sympathisch parasympathisch ch ch ch ch ch ch ch ch ch ch ch ch Blase ch ch ch ch ch Urethra ch Abb. 6.4 Rezeptorverteilung in der Blase und Harnræhre. ch = cholinerge Rezeptoren (çberwiegend im Blasenkærper, weniger in der Urethra); b = beta-adrenerge Rezeptoren (vorwiegend im Blasenkærper); a = alpha-adrenerge Rezeptoren (vorwiegend am Blasenboden und in der proximalen Urethra). 97 cholin regt muskarinerge Rezeptoren im Blasenkærper an und fçhrt dadurch zur Blasenkontraktion; der postganglionåre sympathische Transmitter Noradrenalin hat 2 Aufgaben: ± er erregt Beta-adrenerge (sympathisch) Rezeptoren im oberen Anteil des Blasenkærpers, die die Detrusoraktivitåt hemmen; ± er erregt Alpha-adrenerge (sympathisch) Rezeptoren im Blasenhals, die zur Kontraktion des M. sphincter urethrae internus fçhren; Die Ausschçttung des postganglionåren sympathischen Transmitters Adrenalin bewirkt bei den Beta-adrenergen (sympathisch) Rezeptoren eine Relaxation des Detrusors. Die sensible Steuerung der Blasenfunktion In der Blasenwand liegen afferente sensible Nervenendigungen, die ihre Informationen çber den Fçllungsgrad, Schmerzen und Temperatur çber den Plexus hypogastricus inferior zum thorakolumbalen (Th10±L2) Anteil des Rçckenmarks leiten. Der Harnblasenboden und der glattmuskulåre Detrusor der Harnblase werden hingegen vom sakral aus dem Rçckenmark austretenden Parasympathikus çber die Nn. splanchnici pelvici (S2±S4) innerviert. Die Innervation der Urethra ist åhnlich. Impulse aus den sensiblen Nerven des Beckenbodens, der Genitalhaut, der urethralen Mukosa und aus dem Analkanal werden çber die N. pudendus in das sakrale Miktionszentrum geleitet (Abb. 6.5, 6.6). Somatische Steuerung der Blasenfunktion Die oberflåchliche Muskulatur des Beckenbodens und der quergestreiften urethralen Sphinkter stehen unter somatischer Kontrolle des N. pudendus. Der Beckenboden entspannt sich bei der Entleerung und gewåhrleistet in der Speicherphase, besonders in der Nacht, die Kontinenz. Auf Grund der Vernetzung des N. pudendus zu den parasympathischen Nn. splanchnici ist es mæglich, den M. detrusor vesicae çber eine willentliche Kontraktion der Beckenboden- und urethralen Sphinktermuskulatur zu hemmen. Perineale Ultraschallstudien haben gezeigt, dass der Blasenhals durch eine maximale willkçrliche Beckenbodenkontraktion auf 8,5 mm gehoben werden kann (Wise et al. 1992). Hçter-Becker, Dælken, PT in der Gynåkologie (ISBN 9783131294612), c 2007 Georg Thieme Verlag KG 6