Der Aufbau des Weltalls Autor(en): Naef, Robert A. Objekttyp: Article Zeitschrift: Du : kulturelle Monatsschrift Band (Jahr): 3 (1943) Heft 12 PDF erstellt am: 22.10.2017 Persistenter Link: http://doi.org/10.5169/seals-289290 Nutzungsbedingungen Die ETH-Bibliothek ist Anbieterin der digitalisierten Zeitschriften. Sie besitzt keine Urheberrechte an den Inhalten der Zeitschriften. Die Rechte liegen in der Regel bei den Herausgebern. Die auf der Plattform e-periodica veröffentlichten Dokumente stehen für nicht-kommerzielle Zwecke in Lehre und Forschung sowie für die private Nutzung frei zur Verfügung. Einzelne Dateien oder Ausdrucke aus diesem Angebot können zusammen mit diesen Nutzungsbedingungen und den korrekten Herkunftsbezeichnungen weitergegeben werden. Das Veröffentlichen von Bildern in Print- und Online-Publikationen ist nur mit vorheriger Genehmigung der Rechteinhaber erlaubt. 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Naef Wer in der lautlosen Stille einer sternklaren Nacht, wenn die störenden Lichtschimmer menschlicher Siedlungen völlig er¬ loschen sind, seine Blicke über das tiefdunkle Firmament streifen läßt, den ergreift ein Staunen vor der Erhabenheit der herrlich funkelnden Sternenwelt, Ihre glänzende Pracht verleiht etwas überaus Beruhigendes, ja, man möchte sagen Feierliches. Ehr¬ fürchtig ahnt der Mensch die unermeßlichen Himmelsräume und die unfaßbare zeitliche Unendlichkeit. Ein zartgewobener Silberschleier, die Milchstraße, schmiegt sich hoch über seinem Haupt an die nächtliche Sphäre. Größere Fern¬ rohre und vor allem die moderne Himmelsphotographie vermögen diesen vermeintlichen Schleier in lauter einzelne Sterne aufzu¬ lösen. Es sind alles Sonnen, scheinbar auf engem Räume zu Tausenden dicht gedrängt, eine jede ein mächtiger, glühender Gasball, ähnlich unserem «eigenen» wärmespendenden Tages¬ gestirn. Wo das bloße Auge gerade noch einen matten Schimmer wahrzunehmen vermag, da fördert die photographische Platte einen ungeahnten Sternreichtum zutage. Die Bildtafel S. 26/27 ver¬ mittelt einen herrlichen Einblick in jene Raumtiefen. Wie ist nun diese Milchstraße aufgebaut, und wie groß ist sie? Sie stellt eine Sternspirale von gewaltigem Ausmaß dar, mißt, die Peripheriegebiete eingerechnet, gegen 150000 Lichtjahre im Durchmesser: das ist eine für den menschlichen Geist nicht mehr zu erfassende Größe! Der flinke Lichtstrahl legt in einer einzigen Sekunde den Weg von 300000 Kilometer zurück, im Jahr also etwa 10 Billionen Kilometer. Ein modernes Flugzeug brauchte gegen 3 Millionen Jahre, um die Strecke eines einzigen Lichtjahres zu bewältigen! — Die Sonne und mit ihr die Erde sind rund 30000 Lichtjahre vom Zentrum dieser gigantischen Spirale entfernt, liegen aber nur wenige Lichtjahre außerhalb der zentralen Ebene derselben. Dort nimmt unsere Sonne, die der Astronom in die Klasse der «gelben Zwergsterne» eingliedert, im Heer von Millionen von anderen Sonnen einen äußerst bescheidenen, für das Weltganze absolut bedeutungslosen Platz ein. In Abständen von ein paar bis einigen hundert Lichtjahren ist sie von Schwestersonnen und ganzen Sternfamilien umgeben, dem sogenannten «lokalen Stern¬ system», das sich zu einem großen Teil aus den von bloßem Auge am Himmelsgewölbe sichtbaren Sternen zusammensetzt und sich dem Milchstraßen-Ganzen einordnet. Bereits konnte auch eine Drehung dieser riesigen Sternspirale nachgewiesen wer¬ den, welche sich im Bereich der Sonne mit etwa 285 Kilometer pro Sekunde vollzieht. Unser Tagesgestirn benötigt dabei an¬ nähernd 220 Millionen Jahre für einen vollen Umschwung um das Milchstraßen-Zentrum, das in den hellen Sternwolken im Sternbild des Schützen liegt. Versuchen wir durch ein kleines Gedankenexperiment, von diesem enorm großen Zeitraum einiger¬ maßen eine Vorstellung zu gewinnen: Wir reduzieren im Geist den Zeitablauf eines Jahres auf eine Sekunde und denken uns eine Uhr, die jede Sekunde einmal tickt. Bis die Uhr 220 Millionen Mal getickt hat, verstreichen sieben Jahre! Beim Betrachten der Aufnahmen findet man in der Milchstraße seltsame Nebelfäden und Nebelmassen eingebettet; nicht nur helle, auch dunkle, kosmische Staubwolken und Nebel, die das Licht noch weiter entfernter Sonnen vollkommen verschlucken und schwarze Höhlen vortäuschen. Wo an bestimmten Stellen des Himmels das unbewaffnete Auge nicht das geringste Lichtfünklein entdecken kann, der Feldstecher Spiralnebel im Sternbild der Fische (M 74). Blick auf die volle Spirale. Die nebligen Spiralarme sind der Gesamtlichteindruck von Millionen von Sonnen. Die hellen Sterne am Rande des Bildes sind «Vordergrund-Sterne», die zu unserem MilchstraBensystem gehören. Aufnahme vom Mount Wilson Observatorium, Belichtung: 5 Stunden. vielleicht neblig diffuse Objekte verrät, da staunt der Beobachter an größeren Instrumenten vor der Pracht dichtgedrängter Stern¬ familien, die auf kugelförmigem Räume versammelt sind. Es sind die Kugelsternhaufen, eine Art vorgeschobene Posten im Milch¬ straßensystem, deren etwa 100 in Entfernungen von 20000 bis 200000 Lichtjahren bekannt sind. Selbst in mächtigen Fernrohren läßt sich ihr Zentrum nicht in Einzelsterne auflösen. Im prächtigen Kugelhaufen M 13 im Herkules (Bild S. 28) sind allein in den auflösbaren äußeren Partien nicht weniger als 30000 Sterne ver¬ messen worden. Die Himmelsphotographie hat hier unschätzbare Dienste geleistet, deren Früchte späteren Forschergenerationen höchst willkommen sein werden. Wir haben erkannt, daß Tausende von Millionen Sonnen, teils sichtbar, teils durch dunkle Wolken den forschenden Blicken der Sternkundigen entzogen, verteilt über eine für menschliches Denken unfaßbare Raumtiefe, das gewaltige Sternsystem der Milchstraße bilden. — Damit aber nicht genug. Dieser Stern¬ reichtum ist bei weitem nicht etwa die ganze Welt. Nein, er bildet lediglich einen winzigen Bruchteil davon, unser Milchstraßen¬ system ist nur eine verschwindend kleine Insel im Weltall. Diese Erkenntnis kann atemberaubend wirken. Wenn der Astronom mit großen Instrumenten und der unentbehrlichen photographischen Kamera abgelegene Himmelsräume durchmustert, stößt er da und dort auf sehr merkwürdige, neblig erscheinende Gebilde spiraliger und spindelförmiger Struktur, die nicht mehr ins Ge¬ bäude unserer Milchstraße eingeordnet werden können. Sie müssen weit außerhalb derselben liegen. Es sind die sogenannten Spiralnebel. Die Spektralanalyse, die Lehre von der Zerlegung des Lichtes, widerlegt aber einwandfrei deren Nebelnatur; denn was unser Auge wahrnimmt, ist der Gesamtlichteindruck neuer ge¬ waltiger Sternansammlungen in enorm weit abgelegenen Welt¬ raumtiefen. Der spiralige Aufbau spricht dafür, daß es andere ferne Milchstraßensysteme sind, die sich uns unter verschiedenen Gesichtswinkeln präsentieren (Bild S. 24 und 29), teils als volle Spirale, teils von der Kante oder in Uebergangsstellungen. Bei den nächstliegenden Spiralnebeln, besonders beim Großen AndromedaNebel, ist es sogar gelungen, die äußeren Partiel) direkt in einzelne Sterne aufzulösen und das eigene System von Kugelsternhaufen nachzuweisen. Der Lichtstrahl überbrückt die Entfernung des Großen Andromeda-Nebels in etwa 700000 Jahren. Hinsichtlich der Größenordnung ergibt sich eine volle Uebereinstimmung mit unserer Milchstraße. Höchst erstaunlich und kaum faßlich ist die Tatsache, daß solche Sternspiralen nicht etwa nur vereinzelt am Himmel zu finden sind. Lichtstarke Instrumente vermögen heute nach stundenlanger Belichtung den äußerst schwachen Licht¬ hauch einer ungeheuren Zahl in tiefsten Himmelsgründen liegen¬ der Spiralen bis zu einer Entfernung von etwa 500 Millionen Licht¬ jahren gerade noch als feine Spur auf eine hochempfindliche Platte zu bannen. Stellenweise sind sogar ganze SpiralnebelFamilien und Spiralnebel-Nester entdeckt worden. — Nach der Weltanschauung des Altertums und bis vor wenigen hundert Jahren galt die Erde als der unbewegliche Mittelpunkt der Welt. Die moderne Astronomie hat sie endgültig aus dieser Vorzugsstellung verdrängt; gleich einem winzigen Sandkorn kreist sie im gewaltigen, unermeßlichen Ozean von Raum und Zeit, dessen Mitte niemand kennt und vielleicht niemand je kennen wird. •«*? ¦ •.• ;** -.' .• '* .* • • ••*» - '<>¦:. ¦•*•,'.¦» * ». ». •a ^f*.A.-iA>i.r •.%•:. ».^î 7;<',&K ira? •Xtftfi *Ut-' .««¦A t% PL1 Der prächtige Kugelsternhaufe im Sternbild Herkules (M 13). Entfernung 33 500 Lichtjahre. Die äußeren Partien eingerechnet, mißt sein Durch¬ messer etwa 180 Lichtjahre. Aufnahme vom Mount Wilson Observatorium, Belichtungsdauer: 11 Stunden. — In einem Feldstecher ist dieses Objekt nur als winziger, diffuser «Nebelfleck» sichtbar. Zum Doppelbild: Milchstraßen-Region im Sternbild der Schlange. Im dichtbesäten Sternfeld liegt ein Sternhaufen eingebettet. Deutlich sind eine Anzahl dunkler, kosmischer Staubwolken und Nebelmassen erkenn¬ bar. Aufnahme der Sternwarte Mount Wilson (Kalifornien), Belichtungs¬ dauer: 4 Stunden, 10 Minuten. Aus dem Atlas of Milky Way, Plate 25. Der Große Andromeda-Spiralnebel, ein Milchstraßensystem Rechts oben : außerhalb des unserigen. Deutlich erkennt man die spiralige Struktur und Aufnahme der Yerkes-Sternwarte, die eingelagerten dunklen Massen. Chicago. Dieser hellste unter den Spiralnebeln kann bereits von bloßem Auge als kleine, zarte Lichtwolke erkannt werden. Rechts unten: Fadenförmiger Nebel im Sternbild Schwan in der Milch¬ straße. Ueber dem Nebel ist der Sternreichtum wesentlich größer als darunter. Der helle Nebelschleier bildet offenbar eine Art Stirnseite einer sehr ausgedehnten dunkeln, kosmischen Wolke in der unteren Hälfte des Bildes. Aufnahme: Mount Wilson, mit dem großen Spiegel¬ teleskop von 256 cm Spiegeldurchmesser. 7 Stunden Belichtung waren erforderlich, um das Licht der schwächsten Sterne auf der Platte fest¬ zuhalten; dadurch erfuhr der helle Stern in der Mitte eine Ueberbelichtung. Unten am Rande die Spur einer kleinen Sternschnuppe, die zur Zeit der Aufnahme das Gesichtsfeld durchlaufen hat. Die Aufnahmen wurden uns freundlichst von Herrn Dr. Peter Stuker zur Verfügung gestellt. '••;' ¦' -yr**" 0. *r*: f- ,jf-' -r% •» • A.'«- „I .-: ft *%• '.. ¦ if «fit Ä «¦¦ Î?"* $W