Klinikum Dachau Abteilung für Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie (Chefarzt Prof. Dr. H.-G. Rau) Coloproktologie D a r m E n d d a r m B e c k e n b o d e n Dr. med. Bernhard Hofer, Viszeralchirurg, Proktologe Aufklärungsbogen Behandlung/Operation des Sinus pilonidalis nach BASCOM („Haarnestgrübchen“, „Steißbeinfistel“, „Sakraldermoid“) Definition und Symptome: Der Sinus pilonidalis ist eine erworbene Erkrankung der Haarfollikel der Haut. Das Einwachsen von abgebrochenen Haaren und Keratin im Bereich der Gesässfalte führt zur bakteriellen Infektion. Bei der akuten Form einer eitrigen Entzündung (Abszess) stehen Schmerzen, Schwellung und gelegentlich Fieber und Krankheitsgefühl im Vordergrund. Im chronischen Verlauf kann es zur Ausbildung von Fistelgängen kommen. Der Patient wird durch die Absonderung von Sekret oder Eiter belästigt, verspürt aber kaum noch Schmerzen. Risikofaktoren: Eine wichtige Rolle scheinen beim Sitzen entstehende Scherkräfte mit Ausbildung eines negativen Drucks im Unterhautgewebe sowie die Bakterien der normalen Hautflora zu spielen. Starke Behaarung, männliches Geschlecht, Übergewicht, Rauchen und feuchtes Milieu begünstigen die Ausbildung einer Pilonidalfistel. Bei langjährigen Verläufen kann es sehr selten zur malignen Entartung kommen. Von angeborenen, Dermoidzysten oder von den Drüsen des Analkanals ausgehenden Analfisteln muss der Pilonidalsinus abgegrenzt werden. Abb. 1: Am Oberrand der Gesäßfalte zeigt sich die typische Rötung und Schwellung eines akuten Pilonidalabszess Therapie: Gelegentlich soll bereits das regelmässige Rasieren oder das chemische Enthaaren der Region zu einer Besserung der Symptomatik führen, bewiesen ist dies nicht. Salben oder die Gabe von Antibiotika sind unwirksam. In der Regel sind operative Massnahmen erforderlich. Dringlich ist die Operation beim akuten Abszess, bei der chronischen Fistel kann ein Operationstermin ohne Zeitdruck geplant werden. Abb. 2: Negativer Druck im Unterhautgewebe führt zum Einspießen des Haarfollikels und Ansaugen von Bakterien der Hautflora (nach Bascom) Operationsmethoden: Allen herkömmlichen Operationsverfahren ist gemeinsam, dass zunächst die vollständige Entfernung alles fisteltragenden Gewebes, d.h. von Haut und Unterhautfettgewebe, bis auf die Knochenhaut (Faszie) gefordert wird. Der Verschluss des dabei entstehenden, wetzsteinartigen Defekts soll durch offene Wundbehandlung, direkte Nahtvereinigung der Wundränder oder durch plastische Verschiebelappen erzielt werden. Im Fall der offenen Wundbehandlung kann es Monate dauern, bis die Wunde durch Narbengewebe verschlossen ist. In der Narbe entstehen keine Haarfollikel mehr, so dass zumindest direkt in der Narbe, sehr wohl aber ober- und unterhalb der Narbe, Rezidive (d.h. das Wiederauftreten der Erkrankung) möglich sind. Abb. 3: Nach Spreizen der Pobacken („Nates“) zeigt sich der Ausgangspunkt der Entzündung, der „pit“ (eingewachsener Haarfollikel) Patienteninformation Sinus pilonidalis. Letzte Änderung 05.07.2008. © Dr. med. Bernhard Hofer Klinikum Dachau Abteilung für Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie Krankenhausstr. 15 85204 Dachau Nach direkter Naht in der Mittellinie kommt es recht häufig zu Wundinfekten mit der Notwendigkeit der Wiedereröffnung der Wunde und nicht selten zu funktionell ungünstigen, querverlaufenden Narbenbrücken. Die Lappenplastiken verschieben oder rotieren Haut-Unterhaut-Gewebe. Sie weisen bessere Ergebnisse auf, sind aber aufwendiger und verändern das ästhetische Erscheinungsbild der Körperregion. Aus unserer Sicht sind am ehesten bei der asymmetrischen Verschlusstechnik nach Karydakis günstige Ergebnisse zu erzielen. Minimal-invasive Operationstechniken: Auf der Grundlage seiner bahnbrechenden klinischen und pathophysiologischen Forschungsergebnisse entwickelte John Bascom aus Eugene, Oregon, U.S.A., ein neues Behandlungskonzept der Operation des Sinus pilonidalis: 1. Es handelt sich um eine Erkrankung der Haut und ihrer Anhangsgebilde und nicht des Unterhautgewebes, eine „radikale“ Ausschneidung des Unterhautgewebes ist daher nicht erforderlich. 2. Ausgangspunkt der Erkrankung sind die eingewachsenen Haarnester in der Mittellinie („pits“), die daher entfernt werden müssen. 3. Schnittführungen und Nahtvereinigungen in der Mittellinie haben eine schlechte Heilungstendenz und sind daher so klein wie möglich zu halten, Schnitte seitlich der Mittellinie heilen unproblematisch und können daher zur Ausräumung der Abszesshöhle eingesetzt werden. BASCOM – 1 – Operation: Beim nicht voroperierten Patienten und wenig ausgeprägtem Fistelsystem besteht die Erstbehandlung aus einer Abszessentlastung, die durch einen Längsschnitt in seitlichem Abstand zur Mittellinie erreicht wird und offen gelassen wird. Diese Wunde heilt in der Regel ohne Naht in etwa 3 Wochen ab. In Problemfällen haben wir gute Erfahrungen mit der Einlage von Alginaten (z.B. Trionic™, Seasorb™) gemacht. Die alleinige Abszessentlastung kann auf Patientenwunsch auch in Lokalanästhesie durchgeführt werden. In gleicher Sitzung oder nach Abklingen der akuten Entzündung 1 – 2 Wochen später werden dann die Mittellinien-„pits“ einzeln reiskorngroß rautenförmig ausgeschnitten und die hier ausgehenden Fistelgänge einschließlich der Wandung der Abszesshöhle im Gesunden ausgeschält. Dieser Eingriff erfordert Präzision und läßt sich besser in Vollnarkose oder Regionalanästhesie durchführen. Die in der Mittellinie liegenden, kleinen Schnitte werden vernäht, die Fadenentfernung erfolgt am 12. postoperativen Tag. Abb. 4: Schnittführung bei der Bascom – 1 - OP Insgesamt lassen sich größere Gewebsdefekte wie bei den klassischen Operationsverfahren vermeiden. Die Dauer des Krankenstandes und der operationsbedingten Einschränkungen der körperlichen Aktivität werden dadurch verkürzt. Eine gewisse Wundsekretion ist bis zur vollständigen Abheilung normal und durch handelsübliche Slipeinlagen gut zu beherrschen. Ausduschen der Region mit körperwarmen Leitungswasser ist erlaubt und begünstigt die Abheilung. Schmerzhafte Tamponaden oder Spülungen durch den Arzt sind in aller Regel nicht notwendig. Genaue Daten über das Wiederauftreten der Erkrankung nach dieser Operation liegen noch nicht vor, nach unseren bisherigen Erfahrungen sind Rezidive jedoch nicht häufig. Ihr Einverständnis vorausgesetzt, werden wir Sie nach der Operation in festgelegten Abständen kontaktieren, um die Heilung und den weiteren Verlauf zur wissenschaftlichen Auswertung zu dokumentieren. BASCOM – 2 – Operation: Beim Patienten mit einem wiederaufgetretenen Sinus pilonidalis nach Voroperation (Rezidiv) oder einem komplexen Fistelsystem mit zahlreichen Öffnungen wird eine Operation durchgeführt, die zu einer Abflachung der Gesässfalte und einer Deckung der Mittelliniendefekte durch gesunde Haut von der Seite her führt (sog. „cleft-closure“). Das entzündliche Granulationsgewebe wird ausgeschabt und die fisteltragende Patienteninformation Sinus pilonidalis. Letzte Änderung 05.07.2008. © Dr. med. Bernhard Hofer 5: Schnittführung der Dachau Bascom – 2 - OP Klinikum Dachau Abteilung für Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie Abb. Krankenhausstr. 15 bei 85204 Haut entfernt. Die Wunde wird durch Naht verschlossen, auch bei kleineren Wundheilungsstörungen ist das Endergebnis in der Regel nicht beeinträchtigt. Eine Wunddrainage zur Sekretableitung wird für etwa 3 Tage eingelegt. Für 3 bis 5 Tage wird eine Antibiotika-Therapie empfohlen. Diese Technik ermöglicht auch in schwierigen Situationen nach mehrfachen Voroperationen eine Aussicht auf Heilung. Therapieablauf: Nach Untersuchung in unserer Sprechstunde wird die Dringlichkeit der Operation und das Operationsverfahren festgelegt und mit Ihnen besprochen. Stellen Sie in diesem Gespräch bitte alle Sie interessierenden Fragen, auch alternative Behandlungsmöglichkeiten betreffend. Bei geplanten Eingriffen ist daran zu denken, daß Medikamente zur Blutverdünnung (z.B. Acetylsalicylsäure, z.B. ASS, Clopidogrel, z.B. Plavix©, Iscover©, Phenprocoumon, z. B. Marcumar©) zu Nachblutungen führen können, manche Antidiabetika (Metformin, z.B. Glucophage©) bei Narkosen zu Risiken beitragen. Diese Medikamente sollten daher, sofern möglich, 3 Tage vor einer geplanten Operation abgesetzt werden. Die Operation wird routinemäßig in Bauchlage und Vollnarkose durchgeführt. Auf Ihren Wunsch oder bei Erkrankungen mit einem erhöhten Narkoserisiko kann auch eine Behandlung in örtlicher Betäubung erfolgen oder eine Lagerung in Seitenlage ausreichen. Ob ein stationärer Aufenthalt nötig ist, hängt vom Umfang der Operation, allgemein medizinischen Risikofaktoren und Ihrer persönlichen Lebenssituation ab. Nach 2, 5 und 12 Tagen sowie nach 3 Wochen sind Kontrolluntersuchungen vorgesehen. Risiken der Operation: Infektionen und Wundheilungsstörungen: Wie bei jeder Operation, die im entzündeten Gebiet stattfindet, sind Wundinfekte nicht auszuschliessen. Meist heilen Infekte nach Fadenentfernung und Ausduschen ab, nur selten sind operative Eingriffe zur Sanierung nötig. Nahtdehiszenzen (Auseinandertreten der Wundränder bei liegender Naht) ist insbesondere bei der Bascom-2-Operation häufig, verzögert die Abheilung in der Regel aber nur unwesentlich. Kosmetisch störende Veränderungen der Gesässregion: Die Neigung zur Ausbildung von störenden Narben ist bei jedem Menschen unterschiedlich. Da bei den von uns eingesetzten Operationsverfahren keine Nähte unter Spannung erfolgen, wird das Risiko von ausgeprägten Narben gering gehalten. Bei der plastischen Deckung von grösseren Unterhautdefekten kann es zu Veränderungen der Symmetrie und äusseren Kontur der Gesässregion kommen. Bei der „cleft-closure“ – Operation wird die Gesässfalte gezielt abgeflacht, um das Risiko des Wiederauftreten der Erkrankung zu vermindern. Durchblutungsstörungen der Haut: Gelegentlich führt die Mobilisation von Gewebe zu einer verminderten Hautdurchblutung, insbesondere an den Wundrändern. Kleine dadurch bedingte Defekte heilen in der Regel von selbst. Nur sehr selten werden plastisch-chirurgische Verfahren erforderlich. Beeinträchtigung der Hautsensibilität: Wie bei jedem chirurgischen Eingriff kann durch die Beinträchtigung von Hautnerven ein Areal verminderter Empfindung zurückbleiben. Wiederauftreten der Erkrankung: Der Sinus pilonidalis ist eine Erkrankung, die zum Wiederauftreten (Rezidiv) neigt. Die von uns verwendeten Techniken scheinen in dieser Hinsicht gegenüber den klassischen Operationsverfahren günstigere Ergebnisse aufzuweisen, zumindest aber hinterläßt sie geringere Gewebsdefekte. Eine Garantie für Rezidivfreiheit ist aber nicht möglich. Starke Schmerzen, Blutungen, Kreislaufreaktionen oder Fieber nach der Operation treten normalerweise nicht auf und erfordern die unverzügliche Wiedervorstellung in der Klinik. Allgemein ist es bei Problemen nach der Operation ratsam, einen mit dem Operationsverfahren vertrauten Arzt des Klinikums Dachau hinzuzuziehen. Dieser kann im Zweifel den Operateur telefonisch konsultieren. Für eine individuelle Beratung wenden Sie sich telefonisch (Tel. 08131-76-547) oder per e-mail ([email protected]) an uns oder besuchen Sie uns im Internet: www.darmsprechstunde.de Qualifiziertes Mitglied im Berufsverband der Coloproktologen Deutschlands (BCD) Patienteninformation Sinus pilonidalis. Letzte Änderung 05.07.2008. © Dr. med. Bernhard Hofer Klinikum Dachau Abteilung für Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie Krankenhausstr. 15 85204 Dachau Für die Vermittlung der Operationstechnik und die Überlassung der Abbildungen danken wir John U. Bascom MD, PhD, FACS, Consulting Surgeon, Sacred Heart General Hospital, Eugene, Oregon, U.S.A. Einwilligungserklärung: Patientenetikett Im Aufklärungsgespräch wurde ich über die geplante Operation sowie über alternative Behandlungsmöglichkeiten ausführlich informiert. Risiken der geplanten Massnahme sowie allgemeine und eingrifftypische Komplikationen wurden besprochen. Mir ist bekannt, dass die Notwendigkeit des Eingriffs sich aufgrund der gutartigen Natur der Erkrankung in erster Linie aus meinen Beschwerden ergibt, die Operation aber auch seltene Spätkomplikationen der Erkrankung verhindern soll. Ich hatte Gelegenheit, alle mir wichtig erscheinenden Fragen zu stellen. Ich habe keine weiteren Fragen und fühle mich ausreichend aufgeklärt. Nach hinreichender Bedenkzeit willige ich hiermit in die geplante Behandlung ein. Operation nach BASCOM 1 Abszessentlastung mit gleichzeitiger Entfernung der Mittellinien-„pits“ mit Entfernung der Mittellinien-„pits“ nach Abklingen der akuten Entzündung Operation nach BASCOM 2 - Plastische Rekonstruktion mit Ausschneidung der Fistelöffnungen, Anhebung der Gesässfalte und primärem Wundverschluß durch Verschiebung eines VollhautLappens, sog. „cleft-closure“-Operation Plastische Rekonstruktion von grösseren Defekten mit Verschiebung eines Haut-UnterhautLappens, sog. Operationen nach Karydakis oder Limberg Die zeitliche Dringlichkeit wurde mit mir besprochen: Die Behandlung ist nicht dringlich, d.h. kann geplant erfolgen dringlich, d.h. sollte innerhalb von 24 h erfolgen notfallmässig, d.h. sollte innerhalb von 6 h erfolgen. Mit der wissenschaftlichen Nachbeobachtung der Behandlung (Telefonische Kontakte, Fragebogen, ggf. Nachuntersuchung) bin ich einverstanden bin ich nicht einverstanden ______________________________ Ort/Datum/Uhrzeit/Dauer des Gesprächs ____________________________________________ Unterschrift des Patienten/der Patientin/der Eltern ____________________________________________ Unterschrift des aufklärenden Arztes Patienteninformation Sinus pilonidalis. Letzte Änderung 05.07.2008. © Dr. med. Bernhard Hofer Klinikum Dachau Abteilung für Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie Krankenhausstr. 15 85204 Dachau