Totale Lungenvenen fehleinmündung

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107
Totale Lungenvenen­
fehleinmündung
Total anomalous pulmonary venous connection, TAPVC
U. Blum, H. Meyer, P. Beerbaum
13.1Anatomie – 108
13.2Verlauf – 108
13.3Symptomatik – 110
13.4Diagnostik – 110
13.5Therapie – 112
13.5.1
Üblicher Behandlungszeitpunkt – 112
13.5.2
Therapeutisches Vorgehen – 112
13.5.3
Behandlung von Z
­ usatzfehlbildungen – 113
13.5.4Behandlungsergebnis – 114
13.5.5
Risiko der Eingriffe – 114
13.5.6
Verlauf nach Korrektur d
­ er TAPVC – 115
13.6
Weitere Informationen – 115
Die Originalversion dieses Kapitels wurde aufgrund einer falschen Abbildung revidiert
und Abb. 13.2 ­ausgetauscht.
Ein Erratum zu diesem Kapitel ist verfügbar unter http://dx.doi.org/10.1007/978-3-662-47867-7_34
U. Blum et al., Kompendium angeborene Herzfehler bei Kindern,
DOI 10.1007/978-3-662-47867-7_13, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
13
108
Kapitel 13 · Totale Lungenvenen­fehleinmündung
13.1
Anatomie
Gesundes Herz Arterielles Blut aus der Lunge fließt
durch 4 Lungenvenen in den linken Vorhof (. Abb.
13.1), weiter in den linken Ventrikel, in die Aorta
und in den Systemkreislauf. Venöses Blut aus dem
Systemkreislauf fließt durch die V. cava superior, die
V. cava inferior und den Sinus coronarius (venöses
Rückflussblut aus dem Myokard) in den rechten
Vorhof, den rechten Ventrikel und die Pulmonalar­
terie. Die Vorhöfe sind durch das Vorhofseptum
voneinander separiert. Die Größe von Vorhöfen und
Ventrikeln ist gleich (. Abb. 13.1a). Der Blutfluss im
Pulmonalkreislauf (Qp) entspricht dem Blutfluss im
Systemkreislauf (Qs).
Qp
=1
Qs
TAPVC Bei der TAPVC sind die Lungenvenen nicht
13
an den linken Vorhof angeschlossen, sondern an das
Venensystem des Systemkreislaufs (oder auch di­
rekt an den rechten Vorhof, . Abb. 13.2d). Arteriel­
les und venöses Blut mischen sich, ein Teil des
Mischbluts fließt vom rechten Vorhof weiter in den
rechten Ventrikel, die Pulmonalarterie und in den
Pulmonalkreislauf, ein Teil fließt durch einen De­
fekt im Vorhofseptum (offenes Foramen ovale oder
Vorhofseptumdefekt, 7 Kap. 7) in den linken Vor­
hof, den linken Ventrikel und den Systemkreislauf.
Durch die Aufnahme des arteriellen Zusatzblutes
sind rechter Vorhof und rechter Ventrikel dilatiert.
Der Pulmonalkreislauf wird in der Regel mit größe­
ren Blutmengen durchflossen als der Systemkreis­
lauf (Qp>Qs). Die Beimengung von venösem Blut in
den Systemkreislauf verursacht eine Zyanose.
Die Fehlbildung kommt in verschiedenen ana­
tomischen Variationen vor, die Bedeutung für die
operative Strategie haben.
TAPVC vom suprakardialen Typ Häufigkeit ca. 50%
(. Abb. 13.1c, d). Die Lungenvenen münden in ein
Sammelgefäß hinter dem linken Vorhof ein. Das
Sammelgefäß drainiert das arterielle Blut in die
V. cava superior über die V. anonyma (häufig),
­direkt in die V. cava superior (seltener), über eine
linke V. cava superior oder über die V. azygos (sehr
selten).
TAPVC vom kardialen Typ Häufigkeit ca. 25%
(. Abb. 13.2b, c). Die Lungenvenen münden direkt
in den rechten Vorhof ein oder durch den den Sinus
coronarius in den rechten Vorhof.
TAPVC vom infrakardialen Typ Häufigkeit ca. 25%
(. Abb. 13.2a). Die Lungenvenen münden in ein
Sammelgefäß hinter dem linken Vorhof ein. Das
Sammelgefäß steht mit der V. cava inferior in Ver­
bindung, durch die Pfortader, der Ductus venosus
Arantii, die linke V. hepatica und eine linke V. cava
inferior.
TAPVC vom gemischten Typ Sehr seltener Typ
(. Abb. 13.3). Typ I und II oder I und III kommen
zusammen vor.
13.2
Verlauf
jjDringlichkeit der Behandlung
Die Fehlbildung erfordert entweder eine geplante
Behandlung in der frühen Säuglingsperiode oder in
bestimmten Situationen eine Notfallbehandlung.
Notfälle liegen vor, wenn der Übertritt des Blu­
tes vom rechten in den linken Vorhof behindert
wird (in ca. 50%), wenn der Abfluss des arteriellen
Blutes aus der Lunge behindert wird (in ca. 30%,
»pulmonary venous obstruction«, PVO) oder wenn
bestimmte Zusatzfehlbildungen des Herzens vorlie­
gen, die ebenfalls Notfälle sind (Zusatzfehlbildun­
gen liegen in ca. 50% vor). Beispiele für Notfälle
sind in . Abb. 13.4 dargestellt.
jjHämodynamik, Schäden durch die TAPVC
Notfallsituationen sind ausgenommen!
Herz Das Herz leistet Mehrarbeit, um das Blut­
defizit im Systemkreislauf und das O2-Defizit durch
die Zyanose zu kompensieren, kann bei erhöhtem
O2-Bedarf des Körpers seine Auswurfleistung nicht
adäquat steigern, die Volumenbelastung des rechten
Ventrikels führt zur Rechtsherzinsuffizienz, das
­Erregungsleitungssystem wird durch die Dilata­
tion des rechten Vorhofs geschädigt. Folgen sind
verkürzte Lebenserwartung, Einschränkung der
­körperlichen Belastbarkeit, Herzinsuffizienz und
Herzrhythmusstörungen.
13
109
13.2 · Verlauf
V.a.
V.a.
87
3
6
1
a
4
7
7
1
a
2
5
7
b
7
3
6
7
1
ASD a
4
2
8
a
8
8
2
7
1
ASD
a
d
7
2
5
c
..Abb. 13.1 Herz. a Gesundes Herz, Herzschema: Arterielles Blut (weiß) fließt von den Lungenvenen 7 in den linken Vorhof 1, in den linken Ventrikel 2 und die Aorta 3. Venöses Blut (dunkelgrau) fließt von der V. cava inferior und superior 8 in den
rechten Vorhof 4, den rechten Ventrikel 5 und die Pulmonalarterie 6. Das venöses Blut der rechten oberen Körperhälfte fließt
direkt in die obere V. cava, das der linken oberen Körperhälfte wird durch die V. anonyma V.a. in V. cava eingeleitet. Die Innenräume von 1, 2, 4 und 5 sind gleich groß. Die beiden Vorhöfe sind durch das Vorhofseptum a voneinander getrennt. (Lage
des Sinus coronarius . Abb. 13.2) Kreislaufdiagramm: In den Pulmonalkreislauf fließt venöses Blut (grau) hinein und arterielles (weiß) kommt heraus, in den Systemkreislauf fließt arterielles Blut hinein und venöses kommt heraus. Pulmonal- und Systemkreislauf werden mit gleich großen Blutmengen durchflossen. b Linker Vorhof und Lungenvenen beim gesunden Herzen,
arterielles Blut fließt aus den 4 Lungenvenen 7 in den linken Vorhof 1 und weiter zum linken Ventikel 2. Das Vorhofseptum a
ist geschlossen. c TAPVC vom suprakardialen Typ, Herzschema: Arterielles Blut (weiß) aus den Lungenvenen 7 fließt hinter
dem linken Vorhof 1 in einen Sammelgang hinein. Das Blut fließt weiter durch eine persistierende embryonale Vene in die
V. anonyma V.a., in die V. cava superior 8 und in den rechten Vorhof 4. Bereits in der V. anonyma hat sich das arterielle Blut
mit dem venösen Blut (dunkelgrau) vermischt (Mischblut: hellgrau). Aus dem rechten Vorhof fließt die Blutmischung in den
rechten Ventrikel 5 und in die Pulmonalarterie 6. Ein Teil der Blutmischung fließt durch einen ASD in den linken Vorhof 1, den
linken Ventrikel 2 und die Aorta 3. Der rechte Vorhof und der rechte Ventrikel sind vergrößert. Kreislaufdiagramm: In den Pulmonalkreislauf und Systemkreislauf fließt Mischblut. Der Pulmonalkreislauf wird stärker perfundiert, als der Systemkreislauf.
Es besteht eine Zyanose (grauer Mensch). d Linker Vorhof und Lungenvenen bei der TAPVC vom suprakardialen Typ: Arterielles Blut fließt aus den 4 Lungenvenen 7 in einen Sammelgang hinter dem linken Vorhof 1. An den Sammelgang ist eine per­
sistierende embryonale Vene angeschlossen, durch die das Blut zur V. anonyma und in die V. cava superior weiterfließt
Lunge Der übermäßige Blutfluss im Pulmonal­
kreislauf regt die Schleimproduktion an, im Verlauf
kommt es zur irreversiblen Schädigung der Lungen­
gefäße. Folgen sind rezidivierende bronchopulmo­
nale Infekte, Eisenmenger-Reaktion.
Körper Bei Herzinsuffizienz Gedeihstillstand.
jjNatürlicher Verlauf
Ohne Abflussbehinderung des Lungenvenenblutes
und bei ungehindertem Blutübertritt aus dem rech­
ten in den linken Vorhof kommt es zur Rechts­
herzinsuffizienz in der Säuglingsperiode, mittlere
Lebenserwartung ca. 3 Monate (kleinen Statisti­
ken), ca. 70% Letalität im ersten Lebenshalbjahr,ca.
85% Letalität im 1. Lebensjahr. Überlebende Kinder
entwickeln frühzeitig eine Eisenmenger-Reaktion.
In Einzelberichten werden gelegentlich ältere, beschwerdearme Patienten mit einer unbehandelten TAPVC als »ungewöhnliche Fälle« beschrieben.
Wenn der Abfluss des Blutes aus der Lunge oder der
Übertritt in den linken Vorhof behindert wird:
Mittlere Lebenserwartung <1 Monat. Bei schwer­
wiegenden Begleitfehlbildungen: ca. 50% Letalität
in der Neugeborenenperiode und ca. 90% Letalität
im ersten Lebenshalbjahr.
jjSpontanheilung
Eine Spontanheitlung ist nicht möglich.
110
Kapitel 13 · Totale Lungenvenen­fehleinmündung
8
V.a.
3
7
8
6
7
7
a
ASD
4
1
4
3
2
5
8
3
6
10
7
7
1
2
5
ASD
c
a
1 10
2
a
7
1
7
4
2
5
8
8
8
6
7
b
d
..Abb. 13.2 Anatomische Variationen der TAPVC. a infrakardialer Typ, Herzschema: Arterielles Blut (weiß) aus den Lungenvenen 7 fließt hinter dem linken Vorhof 1 in einen Sammelgang hinein. Das Blut fließt weiter durch eine persistierende embryonale Vene in eine Vene des Bauchraums, in die V. cava inferior 8 und in den rechten Vorhof 4 (Weiterer Blutfluss . Abb.
13.1c). b kardialer Typ mit Einmündung der Lungenvenen in den Sinus coronarius, Herzschema: Arterielles Blut (weiß) aus
den Lungenvenen 7 fließt in den Sinus coronarius 10 und weiter in den rechten Vorhof 4 (Weitere Blutflüsse . Abb. 13.1c).
c Einmündung der Lungenvenen 7 in den Sinus coronarius 10. d kardialer Typ mit direkter Einmündung der Lungenvenen in
den rechten Vorhof. Herzschema: Arterielles Blut (weiß) aus den Lungenvenen 7 fließt direkt in den rechten Vorhof 4 hinein
(Weitere Blutflüsse . Abb. 13.1c)
jjOperationsindikation
Die Korrektur ist bei symptomatischhen und be­
schwerdearmen Patienten indiziert. Vitale Indika­
tion bei Notfällen.
13
13.3
Symptomatik
Keine Behinderung des Blutflusses: In den ersten
Lebenswochen Tachypnoe, Tachykardie, Hepa­
tosplenomegalie, Ödeme, Halsvenenstau, Trink­
schwäche und Gewichtsstagnation, leichte Zyanose,
Lungeninfektionen. Nach der Säuglingsperiode
Verformung des vorderen Brustkorbs.
Bei Behinderung des Blutübertritts in den lin­
ken Vorhof: Blaugraue kühle Haut, Tachykardie,
niedriger Blutdruck, Atemnot, Hepatosplenome­
galie.
Behinderung des Blutabflusss aus der Lunge
(PVO): Schwere Tachydyspnoe in den ersten
­Lebensstunden, Zyanose, Tachykardie, Hepatosple­
nomegalie, Trinkschwäche, Lungenödem (meist
wird eine maschinelle Beatmung erforderlich).
13.4
Diagnostik
Echokardiographie Basisuntersuchung ist die
Echokardiographie, alternativ die Magnetresonanz­
tomographie oder die Herzkatheteruntersuchung.
Fragestellung: Welcher Typ der TAPVC liegt
vor? Wie groß ist der der Vorhofseptumdefekt? Be­
hindert er den Blutübertritt vom rechten in den lin­
ken Vorhof? Wie groß ist der Blutdruckunterschied
(Gradient) zwischen den Vorhöfen? Ist er kleiner als
3 mmHg? Muss man notfallmäßig eine Ballonatrio­
septostomie des Defekts vornehmen? Liegt eine Ab­
flussbehinderung des Lungenvenenblutes vor?
Könnte man diese mit Herzkathetertechniken be­
handeln? Verschließt sich bei der TAPVC vom infra­
kardialen Typ der Ductus venosus Arrantii und
droht, den Abfluss des Lungenvenenblutes zu unter­
brechen? Wäre eine Behandlung mit Prostaglandin E
sinnvoll? Welche Begleitfehlbildungen liegen vor?
Die seltene TAPVC Typ IV (gemischter Typ) ist
häufig nur schlecht mit der Echokardiographie dar­
stellbar, erfordert aber vor der Korrekturoperation
eine genaue Klärung der Abflusssituation der Lun­
genvenen, ggf. durch eine MRT- oder Herzkatheter­
untersuchung.
13
111
13.4 · Diagnostik
8
8
V.a.
3
7
8
6
7
6
7
7
1
1
4
3
4
2
2
5
8
8
St
a
..Abb. 13.3 TAPVC vom gemischten Typ. Suprakardialer
(. Abb. 13.1c) und kardialer Typ (. Abb. 13.2b), Herzschema: Arterielles Blut (weiß) aus drei Lungenvenen 7 fließt hinter dem linken Vorhof 1 in einen Sammelgang hinein. Das
Blut fließt weiter durch eine embryonale Vene in die V. anonyma (V.a), in die obere Hohlvene 8 und in den rechten
­Vorhof  4. Bereits in der V. anonyma hat sich das O2-reiche
Blut mit dem O2-armen Blut (dunkelgrau) vermischt (Mischblut: hellgrau). Das O2-reiche Blut aus einer linken Lungen­
vene fließt in den Sinus coronarius 10 und weiter in den
rechten Vorhof. Aus dem rechten Vorhof fließt ein Teil der
Blutmischung in den rechten Ventrikel 5 und in die Pulmonalarterie 6. Ein Teil der Blutmischung fließt durch einen
ASD in den linken Vorhof 1, den linken Ventrikel 2 und die
Aorta 3. Der rechte Vorhof 4 und der rechte Ventrikel 5 sind
vergrößert
Herzkatheteruntersuchung Wenn die Operation
der Fehlbildung nicht frühzeitig erfolgt, klärt die
Herzkatheteruntersuchung Druck und Wider­
standsverhältnisse im Pulmonalkreislauf. Bei einem
pharmakologisch irreversiblen Widerstand >8 WE
ist eine Operation in der Regel nicht mehr sinnvoll.
Während einer Herzkatheteruntersuchung kann bei
restriktivem Vorhofseptumdefekt eine Ballonatrio­
septostomie durchgeführt werden.
>>Eine Herzkatheteruntersuchung verschlechtert bei kritisch kranken Kindern die Klinik.
Ist der Zustand des Neugeborenen lebensbedroh­
lich, so ist eine Operation auf Basis eines möglicher­
weise inkompletten, echokardiographischen Be­
funds ohne Herzkatheteruntersuchung aus vitaler
Indikation gerechtfertigt.
b
..Abb. 13.4 Notfallindikationen. a Behinderung des Blut­
übertritts vom rechten in den linken Vorhof bei einer TAPVC
vom infrakardialen Typ, Herzschema: Anders als in . Abb.
13.2a ist das Loch (PFO) in der Vorhoftrennwand a sehr klein
und das Mischblut staut sich im rechten Vorhof 4 und rechten Ventrikel. In der Aorta 3 kommt nur wenig Mischblut an
(dünner Pfeil), in der Lungenschlagader 6 mehr (dicker Pfeil).
Weitere Beschreibung: . Abb. 13.2a, in dieser Situation
­rezirkuliert der größte Teil des Blutvolumens im Pulmonalkreislauf. Dem Systemkreislauf stehen keine ausreichenden
Blutmengen und Sauerstoff zur Verfügung. Kreislaufdiagramm: Der Zufluss des Mischbluts in den Systemkreislauf
ist behindert (Ring). Der Systemkreislauf (Mensch) wird unzureichend mit Mischblut versorgt. b Abflussbehinderung des
Lungenvenenblutes bei einer TAPVC vom infrakardialen Typ,
Herzschema: Am Übergang der persistierenden embryonalen Vene in die abdominale Vene befindet sich eine Stenose St. Die embryonale Vene, der Sammelgang der Lungenvenen und die Lungenvenen sind dilatiert durch den Rückstau des arteriellen Blutes (dicker weißer Pfeil), rechter Vorhof
und rechter Ventrikel sind nicht vergrößert (vergl. a). In dieser Situation kommt es zu einem kritischen Abfall des HerzZeit-Volumens und zum Lungenödem. Kreislaufdiagramm:
Aus der Lunge kommt nur wenig arterielles Blut heraus, weil
der Blutflussabfluss behindert wird (Ring). Im Pulmonal- und
Systemkreislauf zirkuliert wenig Mischblut
EKG Nachweis von Herzrhythmusstörungen
O2-Sättigungsmessung Bestätigung der Zyanose.
Röntgenbild des Thorax Diagnose eines Lungen­
ödems oder einer Herzinsuffizienz (CTR >0,5),
fehlbildungstypische Herzsilhouette (der Herz­
schatten erinnert an einen Schneemann, bzw.­
eine 8).
112
Kapitel 13 · Totale Lungenvenen­fehleinmündung
..Tab. 13.1 Behandlungszeitpunkt
Defekt
Zusatzkriterien
Symptomatik
Zeitpunkt
TAPVC vom kardialen Typ
Kein restriktives Foramen ovale
Keine PVO
Keine schwere pulmonale
­Hypertonie
Medikamentös
­therapiebare
­Herzinsuffizienz,
rezidivierende
­bronchopulmonale
Infektionen
1.-3. –Lebensmonat
Begleitfehlbildungen, die keine
Notfälle darstellen
Erste Lebenstage
TAPVC vom suprakardialen oder
infrakardialen Typ
jjAssoziierte Herzfehler
Neben dem lebensnotwendigen Vorhofseptumde­
fekt bzw. offenem Foramen ovale existiert in ca. 50%
ein PDA. Weitere Fehlbildungen in ca. 40% sind:
VSD, CoA, TGA, TAC, PS, DORV, TOF, PA, AVSD,
MS, Mitralatresie, TrA, Aortenatresie, doppelter
Aortenbogen, Anomalien des Venensystems (in der
Regel ohne Krankheitsbedeutung) sowie das Hete­
rotaxiesyndrom (durch Begleitfehlbildungen von
Bedeutung).
13
Die TAPVC kommt häufig vor bei einem Heterotaxiesyndrom.
Was das Herz betrifft, werden bei diesem Syndrom 2 morphologisch rechte oder 2 linke Vorhöfe angelegt, identifizierbar
an den Herzohren. Die TAPVC kommt mit Anlage von 2 rechten Vorhöfen vor. Man nimmt an, dass deshalb die Lungen­
venen nicht den Anschluss an ihren zugehörigen Vorhof gefunden haben. Etwa 50% dieser Patienten weisen als zusätz­
liche Herzfehlbildung eine TOF oder PA auf und Engstellen in
den Abflussadern des Lungenvenenbluts. Diese Herzfehlerkombinationen werfen oft technische Schwierigkeiten bei
der Operation auf und sind u. U. nicht mit a­ kzeptablem Er­
gebnis operabel, sodass als Behandlungs­alternative die Herztransplantation übrig bleibt. Bei einer doppelten Rechtsseitigkeit fehlt im Bauchraum die Milz und die Hauptbronchien
der Lunge haben beidseits die Gestalt rechter Bronchien.
13.5
Therapie
13.5.1 Üblicher Behandlungszeitpunkt
Der übliche Behandlungszeitpunkt wird in­
. Tab. 13.1 dargestellt.
Wenn möglich, versucht man vor der Korrektur­
operation des supra- und infrakardialen Typs, die
Angestrebt: Simultanoperation
im ersten Lebenshalbjahr
Kreislaufverhältnisse zu stabilisieren. Bei drohen­
dem Verschluss des Ductus venosus Arrantii (in­
frakardialer Typ) ist ein notfallmäßiger Versuch,
den Gang mit Prostaglandin-E-Infusionen zu er­
weitern diskutabel.
13.5.2 Therapeutisches Vorgehen
jjTherapieziel
Ziel aller Operationen ist es, eine Verbindung der
Lungenvenen zum linken Vorhof zu konstruieren
und die Verbindungen zum rechten Herzbereich zu
unterbrechen.
Operation einer TAPVC vom
­suprakardialen oder infrakardialen Typ
Erforderlich sind die Öffnung des Brustkorbs,
Herz-Lungen-Maschine, Öffnung des Herzens,
­ggfls. Kreislaufstillstand.
Bei dem komplizierten, risikoreichen Eingriff
werden die Hinterwand des linken Vorhofs und die
Vorderwand des Lungenvenensammelgangs geöff­
net. Der geöffnete Gang wird an den linken Vorhof
angeschlossen. Die Verbindungsader des Sammel­
gangs zum Venensystem des Systemkreislaufs wird
verschlossen. Der Vorhofseptumdefekt wird ver­
schlossen (. Abb. 13.5).
Modifikation bei hypoplastischem linken Vorhof
oder hypoplastischem linken Ventrikel Wenn der
linke Vorhof oder der linke Ventrikel zu klein er­
scheinen, um alles Lungenvenenblut aufzunehmen,
113
13.5 · Therapie
wird der Vorhofseptumdefekt als »Überlauf« offen
gelassen und nach Wachstum der Herzhöhlen inter­
ventionell oder im Rahmen einer Zweitoperation
verschlossen.
13
Operation der TAPVC vom kardialen
Typ mit Einmündung der Lungenvenen
in den Sinus coronarius
atypischen Durchblutungsverhältnissen kann der
Verschluss des Abflussgefäßes zur Pfortader eine
Ischämie der Leber und ein Leberversagen verursa­
chen. Das Abflussgefäß wird deshalb zunächst nicht
occludiert, um einen langsamen, spontanen Ver­
schluss mit Ausbildung vaskulärer Kollateralen zur
Blutversorgung der Leber abzuwarten. Man lässt ein
kleines Loch im Vorhofseptum offen, durch das ggf.
bei ausbleibendem Spontanverschluss das Gefäß
interventionell zusammen mit dem Vorhofseptum­
defekt verschließbar ist.
Erforderlich sind die Öffnung des Brustkorbs sowie
Herz-Lungen-Maschine.
Der rechte Vorhof wird geöffnet, die Trennwand
zwischen Sinus coronarius und dem linken Vorhof
wird geöffnet, um eine Verbindung zwischen dem
Gang und dem linken Vorhof zu schaffen und die
Mündung des Sinus coronarius im rechten Vorhof
wird mit einem Patch (Pericard oder Kunststoff)
verschlossen. Zusätzlich wird der ASD durch einen
Patch verschlossen. Das arterielle Lungenvenenblut
fließt dann zusammen mit dem venösen Blut aus
dem Myokard in den linken Vorhof. Die geringe
Beimengung venösen Bluts im Systemkreislauf
wirkt sich nicht schädigend aus. Gelegentlich wird
eine diskrete Zyanose sichtbar (. Abb. 13.5c)
jjVoraussetzungen
jjVoraussetzungen
Keine Hirnblutung. Wenn möglich Kreislaufstabili­
tät, keine Infektion, keine Organschäden an Niere
oder Darm, normale Leberfunktion. Anderenfalls
besteht ein sehr hohes introperatives Sterberisiko.
Infektfreiheit.
Modifikation bei dem infrakardialem Typ der TAPVC
mit Abfluss des Lungenvenenbluts zur Pfortader Bei
jjAufwand
7 Anhang.
Operation der TAPVC vom kardialen
Typ mit Einmündung der Lungenvenen
in den rechten Vorhof
Erforderlich sind Öffnung des Brustkorbs, HerzLungen-Maschine und Öffnung des Herzens.
Der rechte Vorhof wird geöffnet, das Vorhofsep­
tum wird reseziert und es wird eine neue Trennwand
(aus Pericard oder Kunststoff) zwischen den Vorhö­
fen eingezogen, unter der das arterielle Lungenve­
nenblut in den linken Vorhof fließt und über der das
venöse Blut der Hohlvenen und des Sinus coronarius
in den rechten Ventrikel fließt (. Abb. 13.5a).
jjVoraussetzungen
Infektfreiheit.
jjAufwand
7 Anhang.
jjAufwand
7 Anhang.
. Abb. 9.7.5
13.5.3 Behandlung
von ­Zusatzfehlbildungen
Die Behandlungsschritte werden individuell ge­
plant.
Allgemein: Ein ASD oder ein offenes PFO wer­
den während der Korrekturoperation der TAPVC
verschlossen, ebenso ein PDA. Simultanoperatio­
nen, ggf. interventionelle Eingriffe, sind auch erfor­
derlich, wenn die Zusatzfehlbildungen selbst Not­
fälle sind: präductale CoA, TGA, PA, Mitralatresie
und schwere MS, TrA, Aortenatresie.
Wenn Begleitfehlbildungen frühzeitig in der
Neugeborenenperiode korrigiert werden können,
wird gleichzeitig die TAPVC operiert. Ansonsten
muss die TAPVC vor der Operation von Zusatzfehl­
bildungen korrigiert werden. Fehlanlagen der Kör­
pervenen oder das Heterotaxiesyndrom an sich
haben keine Krankheitsbedeutung.
114
Kapitel 13 · Totale Lungenvenen­fehleinmündung
V.a.
3
8
6
7
7
1
7
8
3
6
7
7
6
2
4
2
5
8
b
7
10
1
1
5
5
a
3
a
4
2
4
8
c
..Abb. 13.5 Operationsverfahren. a. Operation einer TAPVC vom kardialen Typ mit Einmündung der Lungenvenen in den
rechten Vorhof, Herzschema: Das alte Vorhofseptum a fehlt. Mit Hilfe einer neuen Trennwand wird das arterielle (weiß) Blut
aus den Lungenvenen 7 in den linken Vorhof 1 umgeleitet. Die Blutflüsse sind normalisiert, die Herzhöhlen haben normale
Größe. Kreislaufdiagramm: Normale Verhältnisse wie . Abb. 13.1a b Operation einer TAPVC vom suprakardialen Typ (Ausgangsbefund . Abb. 13.1c), Herzschema: Es wurde eine Verbindung zwischen dem Sammelgang der Lungenvenen 7 und
dem linken Vorhof 1 geschaffen, der ASD wurde verschlossen, die embryonale Vene zwischen dem Sammelgang der Lungenvenen und der Vena anonyma wurde verschlossen. Arterielles Blut (weiß) fließt von den Lungenvenen 7 durch den Sammelgang in den linken Vorhof 1, in den linken Ventrikel 2 und die Aorta 3. Venöses Blut (dunkelgrau) fließt aus der V. cava superior und inferior 8 in den rechten Vorhof 4, den rechten Ventrikel 5 und die Pulmonalarterie 6. Die Innenräume von 1, 2, 4
und 5 sind gleich groß. Kreislaufdiagramm: . Abb. 13.1a. Die Zyanose ist beseitigt. c Operation einer TAPVC vom kardialen
Typ mit Einmündung der Lungenvenen in den Sinus coronarius (Ausgangsbefund in . Abb. 13.2b), Herzschema: Die Trennwand zwischen Sinus coronarius 10 und dem linken Vorhof 1 fehlt, damit sich alles Blut aus dem Gang (O2-arm und -reich) in
den linken Vorhof entleeren kann. Die alte Mündung des Gangs im rechten Vorhof 4 wurde verschlossen, der ASD wurde verschlossen. Die Blutflüsse sind weitgehend normalisiert, die Herzhöhlen haben normale Größe. Kreislaufdiagramm: In den
Lungenkreislauf fließt venöses Blut (grau) hinein, in den Systemkreislauf fließt arterielles Blut hinein mit einer unbedeutenden Beimengung von venösem Blut
13
13.5.4 Behandlungsergebnis
Die Korrekturoperationen beseitigen alle negativen
Auswirkungen des Herzfehlers.
13.5.5 Risiko der Eingriffe
Korrektur der TAPVC vom supra- und infrakardia­
len Typ: Letalität ca. 5%. (Angaben aus kleinen Sta­
tistiken reichen von ca. 2% bis ca. 50%).
Die Letalität ist bei dem suprakardialen Typ der
TAPVC geringer als bei dem infrakardialen Typ.
>>Die Letalität wird entscheidend vom Zustand
des Neugeborenen vor der Operation be­
einflusst. Kreislaufinstabilität, eine PVO, ein
kleines Sammelgefäß der Lungenvenen,
hohe Druck- und Widerstandswerte in den
Lungenarterien, ein schweres Lungenödem,
eine längerdauernde präoperative Be­at­
mung, ein präoperatives Herzversagen, ein
beginnendes Organversagen und problematische Zusatzfehlbildungen erhöhen die
­Letalität.
jjWeitere Operationsrisiken
Beim Anschluss des kleinen Lungenvenensammel­
gefäßes an den linken Vorhof können Engstellen
entstehen, die erneut zur Abflussbehinderung des
Bluts aus einzelnen Lungenvenen führen und zur
Nachkorrektur zwingen. Selten kommt es zu Hirn­
schädigung, Schäden an Zwerchfellnerven. Bei der
Korrektur der TAPVC vom infrakardialen Typ kann
es nach Verschluss von Verbindungsadern zwischen
dem Lungenvenensammelgefäß und den Venen des
115
13.6 · Weitere Informationen
Bauchraums zur Minderdurchblutung der Leber
und zum Leberausfall kommen.
Risiken bei Korrektur der TAPVC vom kardia­
lem Typ: Letalität < 5%. Eingriffsspezifisches Risiko
beim Verschluss der Mündung des Sinus coronarius
ist die Verletzung des AV-Knotens und Abhängig­
keit von einem Herzschrittmacher (Risikominde­
rung durch spezielle Verschlusstechniken, wie
­McGoon-Technik.
jjWeitere perioperative Probleme
(Nach Korrektur des supra- oder infrakardialen
Typs ist in der Regel mit einem mehrtägigen Auf­
enthalt auf der Intensivstation zu rechnen).
In ca 15% treten pulmonal hypertensive Krisen
auf (7 Kap. 6), die eine medikamentöse Behandlung,
in der Regel maschinelle Beatmung und u. U. Nar­
kose und Relaxation erfordern., Nicht diagnosti­
zierte Lungenvenenstenosen oder Stenosen im
Operationsgebiet können zum Lungenödem führen
und u. U. notfallmäßige Reeingriffe erfordern, ein
Low cardiac output Syndrom (insbesondere bei
kleinem linken Ventrikel und Vorhof) kann eine
längere kardiale Unterstützung erfordern.
13.5.6 Verlauf nach Korrektur ­
der TAPVC
Die erfolgreiche, frühzeitige Operation einer iso­
lierten TAPVC beim Neugeborenen und im frühen
Säuglingsalter führt in > 90% zu normaler Herzent­
wicklung und normaler Hämodynamik sowie unge­
störter körperlicher Entwicklung. Lebenserwartung
und körperliche Belastbarkeit sind normal, voraus­
sichtlich keine Limitationen bei der Berufswahl
oder bei sportlichen Aktivitäten, problemlose
Schwangerschaften.
>>Bei einigen Patienten wurden im Spätverlauf
trotz normaler Blutflüsse im Herzen und in
den Kreisläufen pathologische Lungenfunk­
tionstests und Belastungstests des Herzens
festgestellt. Vor der Berufswahl oder sport­
lichen Aktivitäten werden deshalb auch beschwerdefreien Patienten entsprechende
Tests und eine kardiologische Beratung empfohlen.
13
In ca. 10% ungünstige Verläufe z. B. Herzrhythmus­
störungen oder Folgeeingriffe. Spätsterblichkeit
0–5%.
Operationen im 2. Lebenshalbjahr: Bei persis­
tierenden Schäden an Herz oder Pulmonalgefäßen
kann die körperliche Belastbarkeit reduziert blei­
ben, darüber hinaus kann eine Lungengefäßerkran­
kung trotz Korrektur der Fehlbildung progredient
sein. Vor der Berufswahl oder sportlichen Aktivitä­
ten werden individuelle Belastungstests und eine
kardiologische Beratung empfohlen. Gleiches gilt,
wenn Zusatzherzfehler vorlagen.
jjPostoperative Medikamente,
­Nachuntersuchungen, Folgeeingriffe
Eine Einnahme von Medikamenten ist in der Regel
nicht erforderlich.
Nachuntersuchungen (Echokardiographie und
EKG) sollten in den ersten 2 Lebensjahren regelmä­
ßig erfolgen. Fragestellungen: Narbenstenosen an
der Anastomose? Zwischen Lungenvenensammel­
gang und linkem Vorhof? Stenosen in den Lungen­
venen? Bradykardie, Herzrhythmusstörungen?
Folgeeingriffe werden in bis zu 10% als Nachope­
rationen oder, falls technisch möglich, als interven­
tionelle Eingriffe erforderlich.
jjBeurteilung der Behandlungsergebnisse
Ergebnisse nach frühzeitiger Korrektur der isolier­
ten TAPVC: Ausgezeichnet.
Ergebnisse, wenn bereits Schäden am Herzen
vorliegen: Gut.
Ergebnisse, bei persistierender oder progressi­
ver Lungengefäßerkrankung: Ausreichend.
13.6
Weitere Informationen
jjInzidenz
Seltenes kongenitales Vitium (< 1% aller angebore­
nen Herzfehler. Geschlechtsverteilung: Beim Typ I,
II und IV gleich, beim Typ III sind Jungen 3-mal
häufiger als Mädchen betroffen. In deutschen Herz­
zentren werden pro Jahr Einzelfälle operiert.
jjUrsachenforschung
Schädigende Einflüsse während der Schwanger­
schaft oder eine familiäre Häufung sind nicht be­
116
Kapitel 13 · Totale Lungenvenen­fehleinmündung
kannt. Es wurde eine seltene, dominant vererbte
Form des Herzfehlers beschrieben.
jjAssoziation mit körperlichen Fehlbildungen
In mehr als 50% sind Milzanomalien nachweisbar,
wie auch das vollständige Fehlen der Milz. Ca. 3%
der Patienten haben Chromosomenanomalien mit
zugehörigen körperlichen Fehlbildungen: Hetero­
taxiesyndrom, Trisomie 22 (Cat-eye-Syndrom),
Holt-Oram-Syndrom, Pateau-Syndrom, SmithLemli-Opitz-Syndrom (7 Kap. 2).
jjEmpfehlungen zur Endokarditisprophylaxe
44Unbehandelte Fehlbildung: Endokarditispro­
phylaxe.
44Korrigierte Fehlbildung: Wenn Fremdmaterial
im Herzen eingesetzt wurde sollte 6 Monate
lang postoperativ eine Endokarditisprophylaxe
erfolgen.
13
http://www.springer.com/978-3-662-47866-0
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