oA ¶A ¶¬S

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Deontische Logik
Jörg Hansen
WS 2000/2001
4. Termin: 3.11.2000
Monadische Deontische Logik: Andersons Reduktion
Alan Ross Anderson: The Formal Analysis of Normative Systems, 1956. Nachdruck in N. Rescher
(Hrsg.): The Logic of Decision and Action, 147-213, Pittsburgh: University Press, 1967.
Weitere Primärliteratur:
Stig Kanger: New Foundations for Ethical Theory, Stockholm 1957. Nachdruck in Hilpinen (1971) 36-58.
Alan Ross Anderson: Some Nasty Problems in the Formal Logic of Ethics. Noûs 1 (1967), 345-359.
E.J. Lemmon u. P.H. Nowell-Smith: Escapism: The Logical Basis of Ethics. Mind 69 (1960), 289-300.
Sekundärliteratur: Åqvist (1984) S. 675-688 (Systeme und Beweise)
Alphabet:
Satzbuchstaben Prop: p1, p2, p3, ...
Propositionale Konstante: S
Operatoren: ¬, ∧, ∨, →, ↔, o, ¶
Hilfszeichen: (, )
Sprache:
(a) S sowie alle Satzbuchstaben sind Aussagesätze.
(b) Wenn A und B Aussagesätze sind, so auch ¬A, (A∧B), (A∨B), (A→B), (A↔B) und oA, ¶A.
(c) (Abschlußklausel)
Definitionen:
OA [ o(¬A→S)
PA [ ¶(A∧¬S)
(Übrige Definitionen und Abkürzungen wie gehabt)
Informale Semantik:
oA „Es ist notwendig, daß ...“
¶A „Es ist möglich, daß ...“
S
Die Aussage, daß eine Sanktion eintritt („A bad thing happens.“)
Systeme der Modallogik:
Grundsystem:
(a)
¢ enthält alle Einsetzungsinstanzen von Aussagesätzen der Sprache in geeignete Axiomenschemata der Aussagenlogik,
sowie alle weiteren Einsetzungsinstanzen der Sprache in folgendes Axiomenschemata:
K
o(A→B) → (oA → oB)
¢ ist abgeschlossen unter modus ponens und der Gödelschen Regel:
Nec
Wenn A ∈ ¢ dann oA ∈ ¢
Für A ∈ ¢ schreiben wir ð¢ A und nennen A beweisbar in ¢.
(b)
Zusätzliche Axiomenschemata:
D
oA → ¶A
T (bzw. M) oA → A
4
oA → ooA
B
A → o¶A
E
¶A → o¶A
Nomenklatur:
K = K (keine zusätzlichen Axiomenschemata)
KD = D, SDL
KT = T (von Wright: M)
KT4 = S4
KTB = B
KT4B = KT4E = S5
Andersons Reduktion:
S5
S4
B
T
D
K
Seien ¢S= KS, TS, S4S, BS, S5S die Systeme K, T, S4, B, S5 in der hier um S erweiterten Sprache. Sei ¢S+ das System ¢S, dem
folgendes Axiom hinzugefügt wird:
MNS
¶¬S
Übersetzung: Mithilfe der hier definierten deontischen Operatoren lassen sich alle Aussagesätze der Sprache der deontischen
Logik in Aussagesätze der um S ergänzten Sprache der alethischen Modallogik übersetzen:
Bezeichne ΣSDL die Sprache der monadischen deontischen Logik, und sei ΣMLS die Sprache der um S erweiterten alethischen Modallogik. Sei φ: ΣSDL → ΣMLS eine Übersetzungsfunktion von ΣSDL nach ΣMLS, so daß
(a) φ(p) = p, für alle Satzbuchstaben p
(b) φ(¬A) = ¬φ(A)
(c) φ(A∧B) = (φ(A)∧φ(B))
(d) φ(A∨B) = (φ(A)∨φ(B))
(e) φ(A→B) = (φ(A)→φ(B))
(f) φ(A↔B) = (φ(A)↔φ(B))
(g) φ(OA) = o(¬φ(A)→S)
(h) φ(PA) = ¶(φ(A)∧¬S)
Bezeichne DF(¢) das deontische Fragment eines der Systeme ¢S, ¢S+, das heißt die Menge der Theoreme des Systems, die
zugleich Übersetzungen im obigen Sinne aus der Sprache der deontischen Logik sind.
Beispiel: (Op1∨¬ O p1)∈ DF(KS) , da (Op1∨¬ O p1)∈ ΣSDL und φ((Op1∨¬ O p1)) = (o(¬p1→S) ∨ ¬o(¬p1→S)) eine Einsetzung
der um S erweiterten Sprache der alethischen Modallogik in eine Tautologie und damit beweisbar in KS ist.
Es gilt nun SDL– = DF(KS) und SDL = DF(KS+). Darüber hinaus (Beweise bei Åqvist, S.683-688):
SDL– [SDL] mit zusätzlichen Axiomenschemata ...
... ist Deontisches Fragment von
KS [KS+]
-----TS [TS+]
O(OA→A)
S4S [S4S+]
O(OA→A), OA→OOA
BS [BS+]
O(OA→A), O(A→OPA)
S5S [S5S+]
OA→OOA, PA→OPA
Semantik:
Ein prohäretisches alethisches ¢S(+) -Modell M heiße das Tripel ⟨W,R,V⟩, wobei
• W≠∅
(Menge von „möglichen Welten“)
• R ⊆ W×W
(zweistellige Erreichbarkeitsrelation, wir schreiben wRv für „v ist eine von w erreichbare Welt“)
• V: PropS ×W → {0,1} (Bewertungsfunktion, die jedem Satzbuchstaben sowie S in jeder möglichen Welt genau einen
Wahrheitswert zuordnet; PropS stehe für Prop ∪ {S})
Einschränkung für V und R für Systemmodelle mit Axiom MNS:
∀w∈W: ∃v∈W: (wRv & V(S,v)=0)
(R ist ‘non-S-seriell’, „Die Vermeidung der Sanktion ist immer möglich.“)
Weitere Einschränkungen für R für Systeme mit Axiom ...
T
4
B
E
R ist reflexiv (∀w∈W: wRw)
R ist transitiv (∀u,v,w∈W: uRv& vRw ⇒ uRw )
R ist symmetrisch (∀v,w∈W: wRv ⇒ vRw )
R ist euklidisch (∀u,v,w∈W: wRv & wRu ⇒ vRu )
Die Wahrheitsdefinitionen sind sodann wie üblich, also
M,wö p
M,wö S
...
M,wö oA
M,wö ¶A
gdw V(p,w)=1
gdw V(S,w)=1
gdw ∀v∈W: (wRv ⇒ M,vö A)
gdw ∃v∈W: (wRv & M,vö A)
Die Definitionen von ¢S(+) -Erfüllbarkeit und ¢S(+) -Allgemeingültigkeit eines Satzes A (ö¢S(+) A) sind sodann wie gehabt.
Alle Systeme ¢S(+) sind korrekt und vollständig hinsichtlich der obigen Semantik.
Bemerkungen:
- Anstelle von S verwendet Kanger (1957) eine Konstante Q. Die Wahrheit dieser Konstante in einer Welt soll ausdrücken, daß
dort eine Menge von Aussagesätzen wahr ist, gemeint ist ein „Wohlfahrtsprogramm für das Diskursuniversum“, oder „was die
Moral vorschreibt“. Die entsprechende Reduktion wird dann durch die Definitionen OA [ o(Q→A) und PA [ ¶(A∧Q) ermöglicht, dem Axiom MNS entspricht dann das Axiom ‘¶Q’.
- In Åqvists Semantik (der gleichfalls Q statt S verwendet) wird das Modelltripel um ein Prädikat opt ⊆ W ergänzt (die Welten in
opt sind die „optimalen“). Die Axiom ‘¶Q’ entsprechende Modellbedingung lautet dann ∀w∈W: ∃v∈W: (wRv & v∈opt) („optSerialität“); die Wahrheit von Q ist definiert als ‘M,wö Q gdw v∈opt’.
- Lemmon/Novell-Smith (1960) haben Anderson einen ‘naturalistischen Fehlschluß’ vorgeworfen: Wenn jemand gegen ein sanktionsbewehrtes Verbot verstößt, bedeute dies nur, daß die Sanktion eintreten soll, nicht jedoch, daß sie (mit Notwendigkeit!) auch
eintritt - schließlich gäbe es ungesühnte Verbrechen. Anderson korrigierte dann in (1967) die Interpretation von S dahin, daß
diese lediglich besage, daß etwas „Böses“ geschehe /geschehen sei: wenn ein Normverstoß vorläge, dann sei dies bereits etwas
„Böses“, ohne daß eine weitere Sanktion vorausgesetzt werde. Gleichwohl meinte Anderson später, daß die strikte Implikation in
o(¬A→S) (oder ‘¬A!S’) durch die von ihm und Belnap entwickelte relevante Implikation ersetzt werden müsse (siehe Vorwort).
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