Chirurgische Therapie des Pankreaskarzinoms: ein - CME

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Chirurgische Therapie
des Pankreaskarzinoms:
ein Update
C. Tjaden, M. W. Büchler, T. Hackert
Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie, Universität Heidelberg
Pankreaskarzinom – chirurgische Therapie –
neoadjuvante Therapie – Gefäßresektion –
multiviszerale Resektion
chirurgische praxis 82, 1–12 (2017)
Mediengruppe Oberfranken –
Fachverlage GmbH & Co. KG
chirurgische praxis 2017 Band 82 / 4
„„Hintergrund
Das Pankreaskarzinom ist die vierthäufigste Todesursache bei Krebserkrankungen. Zu den bekannten Risikofaktoren zählen
•
•
•
•
•
•
chronische Pankreatitis,
langjähriger Diabetes mellitus,
Nikotinkonsum,
familiäre Belastung,
Genmutationen,
IPMN (intraduktal papillär-muzinöse Neoplasie).
Die Prognose ist nach wie vor als schlecht einzuschätzen, vor allem da die Diagnosestellung
immer noch erst in einem fortgeschrittenen
Stadium erfolgt und eine Operation aufgrund
der lokalen Tumorausdehnung oder dem Vorliegen von Fernmetastasen nicht sinnvoll möglich
ist. Andererseits hat die kontinuierliche Weiterentwicklung der Therapieoptionen während der
vergangenen Dekade die Überlebenszeiten in bestimmten Patientenkollektiven, insbesondere bei
frühzeitigem Behandlungsbeginn, sowie auch
die Lebensqualität deutlich verbessert. Diese
Ergebnisse führen dazu, dass der in der Vergangenheit weit verbreitete therapeutische Nihilismus rückläufig ist und insbesondere in Zentren
immer mehr Patienten mit der Frage nach Operabilität vorgestellt werden. Daneben werden in
Deutschland und weltweit aktuell zahlreiche onkologisch-chirurgische Studien durchgeführt, um
weitere Evidenz zu den Therapieoptionen – vor
allem im Hinblick auf die Bedeutung der neoadjuvanten Therapie – zu gewinnen. Zudem stellt
die »Targeted Therapy« von onkologischer Seite einen wichtigen Bereich mit potenziell noch
vielen Entwicklungsmöglichkeiten dar, auch
wenn bisher hier noch kein erfolgversprechender Ansatz in die klinische Routine integriert
werden konnte. Weiterhin könnte die Früherkennung sowie die Definition von individuellen
Risikoprofilen zukünftig die Möglichkeit bieten,
effektive Therapieentscheidungen zu treffen und
dadurch eine Prognoseverbesserung zu erzielen.
Es besteht kein Zweifel, dass das aktuell erfolgreichste Behandlungskonzept die Kombination
von Operation und Chemotherapie beinhaltet,
1
wofür eine enge interdisziplinäre zentrumsbasierte Zusammenarbeit notwendig ist. Auch
beim klinischen Management der zunehmend
entdeckten zystischen Läsionen des Pankreas
(insbesondere IPMN) ist diese Zentrumsexpertise von großer Bedeutung. Die Einschätzung des
malignen Potenzials dieser Läsionen und die
Möglichkeit einer rechtzeitigen Operation, die
die Entwicklung eines Pankreaskarzinoms verhindert, stellt im Einzelfall immer noch eine große
Herausforderung dar. Weiterhin ist nach Resektion eines Pankreaskarzinoms eine strukturierte
Tumornachsorge sinnvoll, da mit zunehmenden
Möglichkeiten in der Behandlung von Rezidiven
das Outcome der Patienten langfristig weiter
verbessert werden könnte.
„„Symptomatik und Diagnostik
Häufige Beschwerden sind gürtelförmige und epigastrische Schmerzen, seltener auch isolierte ungeklärte Rückenschmerzen. Gewichtsabnahme bei
T1
T2
Bisherige Klassifikation [4]
Neue Klassifikation [5]
Auf Pankreas begrenzt, 2 cm
a 0,5 cm b 1 cm c 2 cm
Auf Pankreas begrenzt, 2 cm
T3
Pankreas überschreitend, jedoch
ohne Infiltration des Truncus
coeliacus oder der A. mesenterica superior
4 cm
T4
Tumorinfiltration von Truncus
coeliacus oder A. mesenterica
superior
Tumorinfiltration von Truncus
coeliacus, A. hepatica oder A.
mesenterica superior
N0
Keine positiven Lymphknoten
Keine positiven Lymphknoten
von mindestens 12 exstirpierten
N1
Positive Lymphknoten
nachgewiesen
–
N2
2
ausgeprägter Inappetenz und Diarrhoen werden
sehr häufig beklagt, gelegentlich begleitet von
Fettstühlen. Nicht selten findet sich aber auch
ein schmerzloser Ikterus als Leitsymptom. Die
Verdachtsdiagnose wird anhand von Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie
(MRT) gestellt, ebenso die Überprüfung, ob der
Tumor resektabel ist. Die differenzialdiagnostische Unterscheidung eines entzündlichen Prozesses kann im Einzelfall schwierig sein. Bei ca. 7 %
der Patienten, die bei bildmorphologisch hochgradigem Verdacht auf ein Pankreaskarzinom und
häufig CA 19-9-Erhöhung 200 U/ml eine Resektion erhalten, liegt im endgültigen histologischen Befund eine chronische Pankreatitis vor, in
der Regel autoimmuner Genese [1]. Außer durch
die Schnittbildgebung kann eine endosonografische Einschätzung der lokalen Situation hilfreich
sein. Hierbei ist zusätzlich eine histologische Sicherung per Feinnadelpunktion möglich, die aber
bei gegebener Operabilität nicht erfolgen sollte,
da sie bei falsch negativen Ergebnissen von ca.
20 % bei der hochgradigen Verdachtsdiagnose die
1–3/12
4/12
Tab. 1 | TNM-Klassifikation des
Pankreaskarzinoms, vor 2016
und aktuell
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operative Exploration nicht ersetzt. Andererseits
wird im positiven Fall der Patient ebenso operiert, sodass die präoperative Biopsie keinen Einfluss auf das Vorgehen hat. Bei vorliegendem Ikterus erfolgt meist eine endoskopisch retrograde
Cholangio-Pankreatikografie (ERCP). Findet sich
hierbei eine malignitätsverdächtige Stenose des
Ductus hepatocholedochus, besteht einerseits
die Möglichkeit, den Galleabfluss durch Platzierung eines Stents wiederherzustellen, andererseits eine Bürstenzytologie zu entnehmen, die
allerdings selten einen Tumorzellnachweis liefert.
Bei eindeutigem CT-Befund, der eine OP-Indikation darstellt, sollte auf die ERCP und vor allem
auf die Stenteinlage allerdings auch verzichtet
werden, sofern die Bilirubinwerte noch unter 300
µmol/l liegen und ein kurzfristiger Operationstermin möglich ist, da das operative Outcome durch
eine präoperative Stentanlage nicht verbessert
wird, sondern – im Gegenteil – die Häufigkeit von
infektiösen Komplikationen steigt [2]. Eine Stenteinlage ist jedoch bei ausgeprägter Cholestase
notwendig, auch wenn eine primäre Resektion
geplant ist, um eine Einschränkung der Leberfunktion mit konsekutiv erhöhtem Risiko einer
perioperativen Blutungsproblematik und Wundheilungsstörung zu vermeiden. In der weiteren
Diagnostik sollte auch der Tumormarker CA 19-9
im Blut bestimmt werden. Eine Erhöhung liegt in
ca. 75 % der Fälle vor, kann auch auf eine Cholestase zurückzuführen sein und ist insbesondere
als aussagekräftiger Verlaufsparameter nach der
Operation oder zur Erfolgskontrolle einer Chemotherapie von Bedeutung. Initiale Erhöhungen
des CA 19-9 400 U/ml werden als prognostisch
ungünstig eingeschätzt. Auch das Alter des Patienten sowie seine Komorbiditäten sind bei der
Indikationsstellung zu berücksichtigen, wobei
ein höheres Alter 75 Jahre per se keine Kontraindikation darstellt. Auch diese Patienten können von einem operativen Vorgehen profitieren,
solange aufgrund ihres biologischen Alters und
geringer Komorbiditäten ein vertretbares OP- und
Narkoserisiko abzuschätzen ist [3]. Die präoperative Aufklärung des Patienten sollte neben den
üblichen operativen Risiken den Hinweis auf die
zu erwartenden endo- und exokrinen Funktionseinschränkungen der Bauchspeicheldrüse nach
(Teil)-resektion beinhalten.
chirurgische praxis 2017 Band 82 / 4
„„Stadien des Pankreaskarzinoms
Die TNM-Klassifikation wird weltweit am häufigsten zur Beschreibung der anatomischen Ausbreitung von soliden Tumoren verwandt, um das
therapeutische Procedere festlegen und die Prognose abschätzen zu können, wobei die neueste
Version im Februar 2017 erschien (Tab. 1).
„„Definition der Resektabilität
Um die Resektabilität mit dem Ziel einer R0-Situation einzuschätzen, ist für den Operateur
zunächst maßgeblich, dass keine Organmetastasen vorliegen. Hierzu zählen neben Organen
wie Leber, Lunge, Wirbelsäule und Urogenitaltrakt auch Lymphknoten, die nicht lokoregionär
liegen. Letztere werden als Lymphadenektomie
routinemäßig im Rahmen der onkologischen Resektion reseziert. Per continuitatem infiltrierte
Organe (Duodenum, Magen, Colon, Niere, Milz)
stellen keine Kontraindikation zur primären
Operation dar, wenn sie sicher im Rahmen der
Tumoroperation mit reseziert werden können.
Das präoperative CT oder MRT ermöglicht die
Abschätzung des Resektionsausmaßes sowie die
entsprechende Aufklärung des Patienten.
Die lokale Resektabilität wird nach den Leitlinien der NCCN [6] und dem Consensus der ISGPS
[7] in drei Kategorien klassifiziert, die sich an
der Tumorausdehnung an/in die venösen (Vena
mesenterica superior, Pfortader) und arteriellen
(Truncus coeliacus, Leberarterien, A. mesenterica
superior) Gefäße orientiert:
• Resektabel
• Grenzwertig (borderline) resektabel
• Lokal fortgeschritten (primär nicht resektabel)
„„Resektables Pankreaskarzinom
Die primäre lokale Operabilität ist gegeben,
wenn keine der genannten großen Gefäße von
dem Tumor erreicht werden. In der präoperativen
Bildgebung (arterielle und venöse Kontrastmit-
3
telphase erforderlich) zeigt sich dieser fehlende
Gefäßbezug durch eine Fettlamelle zwischen
Tumor und Blutgefäß. Somit ist eine Resektion
über eine Standardresektion möglich.
„„Grenzwertig (borderline) resektables
Pankreaskarzinom
Im Falle einer Gefäßbeteiligung muss zwischen
venösen und arteriellen Gefäßen differenziert
werden. Bei einer Tumorbeteiligung von Pfortader, Venenkonfluens oder der V. mesenterica
superior ist anhand der präoperativen Diagnostik die Möglichkeit zur Reanastomosierung des
betroffenen Gefäßes nach Resektion zu prüfen
(Abb. 1). Hierbei ist auf einen ausreichenden
Durchmesser des zu anastomosierenden proximalen und v. a. distalen Gefäßstumpfes sowie
deren Zugänglichkeit und das Vorhandensein
von Kollateralen zu achten, die die Resektion
massiv erschweren können. Anders als bei den
nachfolgend beschriebenen Borderline-Tumoren
mit arterieller Gefäßbeteiligung ist die primäre
enbloc-Resektion mit venöser Gefäßrekonstruktion indiziert, sofern die intraoperative Situation
die präoperative Einschätzung einer technischen
Resektabilität bestätigt (Abb. 2). Eine neoadjuvante Therapie ist nach den aktuellen Empfehlungen nicht indiziert, kann aber im Rahmen von
Studien erfolgen [7].
Im Falle eines grenzwertig resektablen Pankreastumors können neben den Venen auch große Arterien (A. mesenterica superior, Truncus coeliacus und A. hepatica) direkten Kontakt (ohne
trennende Fettlamelle) zum Tumor haben oder
ummauert sein, von diesem infiltriert werden die
Arterien selten. Gemäß der gängigsten Definition
liegt auch bei arterieller Beteiligung eine Borderline-Resektabilität vor, wenn die A. mesenterica
superior bzw. die A. hepatica 180° ummauert
sind, ohne zusätzliche Beteiligung des Truncus
coeliacus. Zum Vorgehen in dieser Situation bei
Borderline-Resektabilität geben die internationalen Richtlinien unterschiedliche Empfehlungen:
So empfehlen die aktuellen NCCN-Guidelines aus
den USA für diese Patienten mit histologisch gesicherter Malignität eine neoadjuvante Therapie
4
[8]. Dagegen empfiehlt der ISGPS-Consensus eine
operative Exploration und – bei Bestätigung der
vermuteten arteriellen Beteiligung – eine palliative Therapie [7]. Die deutschen S3-Leitlinien geben die Empfehlung im Sinne von »good clinical
practice«, dass »bei Feststellen einer loco-regionalen Irresektabilität durch Bildgebung oder Exploration eine Zweitmeinung in einem tertiären
Referenzzentrum mit Schwerpunkt Pankreaschirurgie eingeholt werden« sollte [9]. Die Entscheidung über das weitere Vorgehen liegt dann beim
Zentrum. Die Exploration in den Händen eines
erfahrenen Chirurgen ist hiermit das verlässlichste Kriterium zur Beurteilung der Resektabilität,
während die Bildgebung nur Hinweise zur tatsächlichen Situation liefern kann. Bei intraoperativ
gegebener Irresektabilität werden die chirurgischen Maßnahmen beendet, bevor ein »Point-ofno-Return« erreicht ist, sodass eine R2-Resektion vermieden wird, da diese zweifelsohne nicht
sinnvoll ist. Diese Operationen sollten im Sinne
einer Exploration begonnen, und nur dann als
Resektion weitergeführt werden, wenn eine R0oder R1-Resektion sicher durchführbar ist, also
makroskopisch kein Tumorrest im Situs verbleibt.
Sowohl zu den genannten therapeutischen Überlegungen bei Borderline-Tumoren des Pankreas
als auch zu der Wahl der neoadjuvanten Maßnahmen fordern die genannten Leitlinien einheitlich, diese Patienten möglichst im Rahmen von
Studien zu behandeln. Insbesondere die Frage,
welche neoadjuvante Therapie für welche Patienten gewählt werden sollte, ist aktuell nicht evidenzbasiert zu beantworten, und es sind aktuell
eine Vielzahl verschiedener Chemo- und Chemoradiotherapien in Gebrauch. In Deutschland und
weltweit werden zurzeit verschiedene Studien zur
neoadjuvanten Therapie bei resektablen und borderline-resektablen Pankreaskarzinomen durchgeführt (u. a. ESPAC 5f, NEONAX, NEOLAP [10]).
„„Lokal fortgeschrittenes Pankreaskarzinom
(primär nicht resektabel)
In dieser Situation liegt keine Indikation zur
primären Operation vor, da eine R0-Situation
nicht zu erzielen ist. Ein lokal fortgeschrittenes
Pankreaskarzinom ist gekennzeichnet durch:
2017 Band 82 / 4 chirurgische praxis
Abb. 1 | Pankreaskopfkarzinom mit Borderline-Resektabilität. Koronare MRT mit Kontakt/Infiltration des Tumors
(weißer Kreis) zur Vena mesenterica superior. Technisch
anschlussfähige Venenlumina ober- und unterhalb (weiße
Pfeile) des infiltrierten Venensegments
Abb. 2 | Intraoperativer Situs nach Resektion. Abgesetztes Pankreas (weißes Oval) mit Sonde im Pankreasgang,
Pfortader und Mesenterialvene angezügelt (blaue Zügel),
End-zu-End Anastomose der Vene (weißer Pfeil), A.
mesenterica superior (schwarzer Pfeil)
• Ummauerung von Pfortader bzw. V. Mesenterica sup. ohne Möglichkeit zur Rekonstruktion nach Resektion
• 180°-Ummauerung von A. mesenterica
superior, den Truncus coeliacus oder die A.
hepatica, deren Infiltration (T4-Situation)
oder die breitflächige Beteiligung der Aorta
„„Neoadjuvante Therapie und sekundäre
Operabilität
In diesen Fällen besteht nach den NCCN- und
ISGPS-Empfehlungen grundsätzlich eine Palliativsituation. Jedoch gibt die ISGPS die Empfehlung, eine neoadjuvante Therapie, v. a. im
Rahmen von Studien, durchzuführen [7]. Voraussetzung für die neoadjuvante Therapie ist,
dass sich der Patient in einem ausreichend guten
Allgemeinzustand befindet. Nach 3–6 Zyklen ist
die Operabilität anhand eines Kontroll-CTs erneut zu evaluieren. Bei Ansprechen des lokalen
Tumors oder stabiler Situation in der Bildgebung
bei Re-Staging sollte eine operative Exploration
mit dem Ziel einer Resektion durchgeführt werden. Bei klarem Tumorprogress sollte dies nicht
erfolgen. In Fällen limitierender Komorbiditäten,
derentwegen keine Operation geplant werden
kann, bleibt die Chemotherapie, häufig in weniger aggressiver Dosierung und Zusammensetzung, als palliativer Ansatz.
chirurgische praxis 2017 Band 82 / 4
Aktuell werden bei lokal fortgeschrittenen
Pankreaskarzinomen in erster Linie das FOLFIRINOX-Schema oder die Kombination Gemcitabin
und nab-Paclitaxel angewendet, alternativ andere Zytostatikakombinationen oder eine zusätzliche Radiatio. Das Therapieansprechen wird nach
8–12 Wochen Therapiedauer mit einer erneuten
CT-Bildgebung kontrolliert. Ein Therapieerfolg
liegt vor, wenn das primär inoperable Pankreaskarzinom bzw. seine Metastasen nicht progredient oder regredient sind (»stable disease« bzw.
»Remission« nach RECIST-Kriterien [11]). Der
Rückgang eines initial erhöhten Tumormarkers
(meist CA 19-9, seltener CEA) ist ein zusätzlicher
Hinweis für einen günstigen Verlauf. Wenn nach
neoadjuvanter Therapie der Primärtumor nicht
progredient bzw. Metastasen nicht mehr nachweisbar sind und primär erhöhte Tumormarker
eine deutliche rückläufige Tendenz zeigen, kann
eine chirurgische Exploration mit dem Ziel der
Tumorresektion als individueller Heilansatz diskutiert werden, insbesondere bei jungen Patienten ohne Komorbidität. Auch im Falle einer kompletten Remission von Lebermetastasen sollte
in individuellen Fällen eine sekundäre Operation
zumindest erwogen werden und dann der chir-
5
urgische Eingriff mit einer gründlichen Exploration der Leber mit intraoperativem Ultraschall
begonnen und nur dann mit einer Resektion
des Primärtumors fortgesetzt werden, wenn sich
makroskopisch bzw. im histologischen Schnellschnittergebnis keine Malignität mehr nachweisen lässt. Eine erfolgreiche sekundäre Resektion
bei lokal fortgeschrittenen Karzinomen kann bei
bis zu 60 % der Patienten erreicht werden [12].
Inzwischen seltener als eine alleinige Chemokombinationstherapie kommt eine zusätzliche Bestrahlung bei lokal fortgeschrittenem und inoperablem
Pankreaskarzinom ohne Fernmetastasierung zur
Anwendung. Insbesondere bei initial starken
Schmerzen oder nach nur mäßigem Ansprechen der
Chemotherapie hat die Radiatio jedoch weiterhin
einen hohen Stellenwert in der multimodalen Behandlung des Pankreaskarzinoms [13]. An einigen
Standorten stehen Geräte zur Protonenbestrahlung
zur Verfügung, deren Überlegenheit zu konventionellen Röntgenstrahlen bisher jedoch nicht nachgewiesen ist [14]. In einigen chirurgischen Zentren
besteht außerdem die Möglichkeit, nach neoadjuvanter Radiotherapie zusätzlich eine intraoperative
Bestrahlung (IORT) durchzuführen.
„„Operative Standardtherapie
Ziel einer Pankreaskarzinomresektion muss gemäß den interdisziplinären deutschen S3-Leitlinien die komplette Tumorentfernung im Sinne einer R0-Resektion sein [9]. Dies lässt sich
lediglich bei 15–20 % der Patienten erreichen,
da der Tumor zum Zeitpunkt der Diagnose meist
schon lokal fortgeschritten ist. Die Tumorresektion erfolgt entsprechend der Lokalisation im
Pankreas.
Pankreaskopftumoren erfordern die partielle
Pankreatiko-Duodenektomie als Standardeingriff, wobei die klassische Whipple-Operation
mit Magenresektion nur noch bei Tumorbeteiligung des Magens indiziert ist. Es konnte gezeigt werden, dass bei gleichem onkologischen
Outcome der Magen komplett erhalten werden
kann, sodass die physiologischen Abläufe der
Magenentleerung langfristig ungestört verlaufen
6
[15]. Die isolierte Resektion des Pylorus unter
Erhalt des kompletten Magens zur Vermeidung
der postoperativ häufig zu beobachtenden Magenentleerungsstörung (DGE, delayed gastric
emptying) wurde in den vergangenen Jahren in
mehreren Studien untersucht. Auch wenn in retrospektiven Analysen und einer randomisierten
Studie [16] ein Vorteil gezeigt werden konnte,
bestätigt sich dieser in einer gerade abgeschlossenen verblindeten randomisierten Studie nicht
[17]. Die pyloruserhaltende Resektion sollte
weiterhin als Standard angesehen werden, da
bislang noch keine Langzeitergebnisse für die
Pylorusresektion vorliegen, sodass ein potenzielles Risiko für Spätkomplikationen wie Reflux,
Ulcera oder im Langzeitverlauf (insbesondere bei
Patienten mit Pankreatiko-Duodenektomie bei
benigner Grunderkrankung) auch eine Karzinomentstehung nicht ausgeschlossen werden kann.
Die onkologische Resektion beinhaltet außerdem
die standardisierte Lymphadenektomie, wobei
das Lig. hepatoduodenale sowie die Lymphknoten, die peripankreatisch und periduodenal sowie auf der rechten Seite der Mesenterialachse
und rechts des Truncus coeliacus liegen, entfernt
werden. Eine ausgedehntere Lymphadenektomie
birgt keine Vorteile, erhöht aber das Risiko,
parasympathische Nerven, die physiologisch
die Darmmotilität hemmen, zu verletzen, was
zu schwierig beherrschbaren Diarrhoen führen
kann. Bei Neoplasien in Pankreaskorpus oder
-schwanz stellt die distale Pankreasresektion
(Linksresektion) den Standardeingriff dar. Bei
onkologischer Indikation werden zusätzlich die
Splenektomie, die Lymphadenektomie links der
Mesenterialachse sowie die Resektion des Ligamentum hepatoduodenale durchgeführt. Das
Durchtrennen des Pankreas in Höhe der Pfortader
kann per Stapler oder mit dem Skalpell erfolgen,
mit anschließender Naht des Pankreasstumpfs
[18]. Um postoperative Pankreasfisteln (POPF)
oder oft im postoperativen Follow-Up zu beobachtende Flüssigkeitskollektionen am Absetzungsrand zu vermeiden, wird die Resektionsfläche häufig mit einem Patch (aus Omentum
majus oder Lig. falciforme) verschlossen. Bei
ausgedehntem Tumorbefall des Pankreas oder
ungünstiger Lage im Pankreaskorpus kann
eine totale Pankreatektomie notwendig wer-
2017 Band 82 / 4 chirurgische praxis
den. Diese stellt eine Kombination der bereits
genannten Verfahren dar, erfordert also einerseits auch die Duodenektomie, andererseits
beim onkologischen Vorgehen die Splenektomie
sowie die entsprechende Lymphadenektomie.
„„Erweiterte Resektionsverfahren
Neben den Standardresektionen sind bei borderline-resektablen Befunden oder nach erfolgreicher neoadjuvanter Therapie ausgedehntere
Resektionsstrategien möglich, um das Ziel der
radikalen Tumorentfernung zu erreichen:
a. Venenresektion
Gemäß den Empfehlungen der ISGPS ist bei Beteiligung des porto-mesenterialen Venenkomplexes dessen Resektion anzustreben [7]. Basierend
auf einer aktuellen Metaanalyse, die insgesamt
19 Studien mit 2.000 Patienten vergleicht,
zeigen sich vergleichbare Ergebnisse hinsichtlich
perioperativer Morbidität, Mortalität und Langzeitüberleben nach Pankreatikoduodenektomie
mit und ohne portalvenöse Gefäßresektion [19].
Das Ausmaß der venösen Gefäßresektion richtet
sich nach der Ausdehnung des Tumorbefalls und
kann entsprechend der Klassifikation der ISGPS
in die Typen I–IV eingeteilt werden. So ist bei
einem semizirkulären Tumorbefall eine tangentiale Venenresektion und Rekonstruktion mittels
Venorrhaphie (Typ I) oder Patchplastik (Typ II)
möglich. Ein zirkulärer Tumorbefall macht die
segmentale Resektion des betroffenen Venenabschnitts und anschließend die Rekonstruktion mittels End-zu-End-Anastomose notwendig (Typ III).
Dies kann nach entsprechender Mobilisation des
Mesenteriums bzw. der Mesenterialwurzel als direkte venovenöse Anastomose erfolgen. Bei einer
Defektlänge 5 cm ist unter Umständen die Verwendung eines Interponats notwendig (Typ IV),
z. B. autolog mit V. saphena magna, V. jugularis
interna oder linker V. renalis. Alternativ kann auch
eine Prothese verwendet werden, wobei sich ringverstärkte PTFE-Prothesen anbieten, um ein Kollabieren oder Kinking des Interponats zu verhindern.
b. Arterienresektion
Auch wenn bei einer arteriellen Tumorbetei-
chirurgische praxis 2017 Band 82 / 4
ligung grundsätzlich keine Resektion empfohlen wird, kann diese in Einzelfällen erwogen
werden. In einer solchen T4-Situation ist die
Resektion des betroffenen Gefäßabschnitts mit
direkter End-zu-End-Anastomose oder die Rekonstruktion mit einem geeigneten Ersatz möglich. Insbesondere die Milzarterie bietet sich
zur Rekonstruktion (z. B. für die Leberarterie)
an und kann entweder als Inter- oder Transponat verwendet werden [20], daneben können
autologe Venen verwendet werden. Eine größere Analyse an 400 Patienten aus 26 Studien
zeigte nach arterieller Resektion schlechtere
Ergebnisse bezüglich Langzeitüberleben, perioperativer Morbidität und Mortalität im Vergleich zu Patienten ohne arterielle Resektion,
jedoch einen 1-Jahres-Überlebensvorteil gegenüber palliativ behandelten Patienten [21].
Die unbefriedigenden Ergebnisse des Langzeitüberlebens auch nach R0-Resektion sind durch
die Tumorbiologie des Pankreaskarzinoms und
seine Entstehung in den Perineuralscheiden
entlang der Blutgefäße zu erklären. Basierend
auf diesen Daten wird in den Richtlinien der
ISGPS die arterielle Resektion nicht als Standardverfahren empfohlen und sollte unter
strenger Indikationsstellung nur in spezialisierten Zentren innerhalb eines selektionierten Patientenguts durchgeführt werden. Insbesondere
Blutungskomplikationen sind zu berücksichtigen. Da diese häufig eine arrosionsbedingte
Folge von Pankreasfisteln sind, muss im Fall
ausgedehnter arterieller Gefäßresektionen
eine totale Pankreatektomie erwogen werden.
c. Resektion benachbarter Organe
Bei Tumorinfiltration per continuitatem in
Nachbarorgane ist auch die en-bloc-Resektion
dieser Organe (z. B. Nebenniere oder linkes Hemikolon bei der Pankreaslinksresektion) sicher
durchführbar, wenn auf diese Weise eine komplette Tumorentfernung erreicht werden kann.
Zwar besteht ein erhöhtes perioperatives Morbiditätsrisiko, die Mortalität sowie das onkologische Outcome sind jedoch vergleichbar mit
den Ergebnissen von Standardresektionen [22].
d. Metastasenchirurgie
Bei initialem Vorliegen von Metastasen ist prin-
7
zipiell keine Operation, sondern eine systemische Chemotherapie indiziert. Die häufigsten
Lokalisationen sind Leber, interaortocavale
Lymphknoten und Peritoneum. Nur im streng
selektionierten Patientengut mit einzelnen
(maximal drei) Metastasen in der Leber oder bei
interaortocavalen Lymphknotenbefall ist auch
eine Metastasenresektion, syn- oder metachron
zur Indexoperation, zu erwägen [23]. Atypische
Leberresektionen sind ebenso unkompliziert
durchzuführen wie die Exstirpation der betroffenen Lymphknoten. Es wurde ein Überlebensvorteil zu palliativen Maßnahmen beobachtet, das
5-Jahres-Überleben lag bei 10 %. Die klinische
Herausforderung bleibt hier bislang die Selektion
der Subgruppe von Patienten, die von einem aggressiven chirurgischen Ansatz mit Metastasenchirurgie profitieren [24]. Bei Peritonealkarzinose besteht dagegen kein sinnvoller chirurgischer
Ansatz, vereinzelte Berichte zu Resektionen in
Kombination mit hyperthermer intraperitonealer
Chemotherapie sind aktuell als experimentelle
Ansätze einzuschätzen [25, 26].
„„Weitere chirurgische Optionen
Falls sich entgegen der präoperativen Einschätzung am CT erst intraoperativ herausstellt, dass
eine Resektion des Pankreaskarzinoms nicht
möglich ist, sollte der Eingriff als Exploration
beendet werden. Zuvor sollte aber bei Vorliegen
einer Cholestase oder einer eingeschränkten
Nahrungspassage als Folge von Kompression
durch den Tumor die Anlage einer biliodigestiven Anastomose oder einer Bypass-Gastroenterostomie erwogen werden. Eine unvollständige
Tumorresektion (R2-Resektion) sollte hingegen
vermieden werden, da eine signifikant höhere
Morbidität ohne signifikanten Überlebensvorteil
gezeigt wurde [27].
Laparoskopische Operationsverfahren haben
sich in der onkologischen Pankreaschirurgie für
die Pankreaslinksresektionen an vielen Zentren
durchgesetzt. Aus Beobachtungsstudien scheinen hier vergleichbare Ergebnisse bezüglich
R0-Resektionsraten und Anzahl der entfernten
Lymphknoten erreichbar zu sein. Es liegen bis-
8
lang jedoch keine randomisierten Studien vor,
die einen eventuellen Vorteil des laparoskopischen Vorgehens belegen.
Minimalinvasive roboterassistierte Resektionen,
die in einzelnen Zentren insbesondere in den USA
durchgeführt werden, können bislang noch nicht
im Hinblick auf potenzielle Vorteile bewertet
werden. Ähnlich wie bei den laparoskopischen
Operationsverfahren ist in den bislang publizierten Serien eine – bewusst oder unbewusst
– durchgeführte Patientenselektion anzunehmen,
die eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse mit offenen Operationsverfahren schwierig macht.
Eine weitere chirurgische Option bei lokaler
Inoperabilität aufgrund ausgedehnter Gefäßbeteiligung von neoadjuvant/palliativ vorbehandelten Primärtumoren oder Rezidiven stellt die
irreversible Elektroporation (IRE = Nanoknife®)
dar [28]. Bei diesem ablativen Verfahren wird
der Tumor zunächst per Laparotomie exploriert
und bei Bestätigung einer irresektablen Situation eine Zerstörung der Tumorzellwände durch
Strom induziert. Dieses Verfahren wird nur in wenigen Zentren und für selektionierte Patienten
angeboten, wobei Erfahrungen hierzu an Patientenkollektiven von maximal n = 25 vorliegen
[29, 30]. Auch laparoskopische und perkutane
Zugangswege finden hierbei Anwendung. Weitere
Erfahrungen mit ablativen Verfahren existieren
zur Behandlung insbesondere bei Schmerzen
von fortgeschrittenen Stadium IV-Tumoren, mit
hochintensivem fokussiertem Ultraschall (HIFU),
wobei durch gezielte Bündelung der Schallwellen
das Tumorgewebe erhitzt und zerstört wird [31].
„„Entlassmanagement
Bei seiner Entlassung sollte jeder Patient zu den
Funktionsstörungen nach Pankreas(teil)resektion und deren Behandlungsoptionen informiert
sein. Zur besseren Resorption der zu substituierenden Pankreasenzyme, sowie im Falle einer
Gastrojejunostomie nach partieller Pankreatiko-Duodenektomie zum Schutz der Anastomose
für mindestens 6 Monate, ist die Einnahme eines
Protoneninhibitors indiziert. Während der ersten
2017 Band 82 / 4 chirurgische praxis
6–12 Monate leiden fast alle Patienten unter Malabsorption mit Diarrhoen und Gewichtsverlust.
Eine Schonkost kann in der ersten postoperativen Zeit hilfreich sein, es gibt aber keine strengen Regeln für die Ernährung, und die Verträglichkeiten müssen individuell herausgefunden
werden. Regelmäßige Blutzuckerkontrollen sind
obligat. Der nach totaler Pankreatektomie immer resultierende pankreoprive Diabetes mellitus
bedarf häufig der initialen Blutzuckereinstellung unter stationären Bedingungen sowie der
langfristigen Betreuung durch einen erfahrenen
Diabetologen, wobei der Patient insbesondere
auf die Gefahren einer Hypoglykämie hingewiesen werden muss. Anders als in der Behandlung
des Typ-II-Diabetes sind auch deutlich erhöhte
HbA1C-Werte zu tolerieren. Flüssigkeitskollektionen am Absetzungsrand des Restpankreas bei
Patienten nach Pankreaslinksresektion werden in
Follow-up-Untersuchungen in ca. 40 % der Fälle
beobachtet, bilden sich in der Regel innerhalb
eines Jahres spontan zurück und sind lediglich
behandlungsbedürftig, wenn sich Entzündungszeichen oder klinische Symptome wie Druckgefühl entwickeln [32].
„„Adjuvante Therapie
Gemäß der deutschen S3-Leitlinien als Ergebnis
der großen randomisierten Studien der vergangenen Jahre (v. a. ESPAC/CONKO) ist nach erfolgter R0- oder R1-Resektion bei allen duktalen
Pankreaskarzinomen eine postoperative Chemotherapie zu empfehlen. Nach den Ergebnissen
der ESPAC-Studie 3 (v2) konnte ein gleichwertiger Effekt von 5-FU/Folinsäure zu Gemcitabin
bei geringerem Nebenwirkungsprofil von Gemcitabin gezeigt werden. Dieses Therapieschema
wird daher seit 2007 bis heute in den S3-Leitlinien empfohlen (sechs Zyklen Gemcitabin mono,
1.000 mg/m² an den Tagen 1, 8 und 15, Therapiepause am Tag 22, und Wiederaufnahme am
Tag 29, Beginn 4–6 Wochen postoperativ) [33].
Aktuell zu berücksichtigen sind hier jedoch die
neuen Daten der ESPAC 4-Studie, die anhand von
700 randomisiert behandelten Patienten die
Überlegenheit der Kombination von Gemcitabin
und Capecitabin gegenüber Gemcitabin mono
chirurgische praxis 2017 Band 82 / 4
zeigen (28 Monate vs. 25,5 Monate medianes
Überleben), sodass im Falle guter Verträglichkeit diese Kombination empfohlen werden sollte
[34].
„„Nachsorge
Bisher gibt es keine Leitlinien zur postoperativen Nachsorge des Pankreaskarzinoms. In vielen
Zentren werden vierteljährliche Kontrollen mittels CT, Anamnese, körperlicher Untersuchung
und Laborbestimmung (Blutbild, Elektrolyte,
Leber-, Nieren- und Pankreaswerte, CRP, HbA1C,
Tumormarker CEA und CA 19-9 sowie der fettlöslichen Vitamine) durchgeführt. Nach 2 Jahren
Rezidivfreiheit können die Intervalle auf halbjährlich verlängert werden. Im Rahmen der Untersuchungstermine ist neben der Tumornachsorge auch auf Folgen der exokrinen und endokrinen
Funktionsverluste nach Resektionen am Pankreas
zu achten [35].
„„Rezidivtherapie
Im CT ist die Differenzialdiagnose zwischen
Lokalrezidiv und unspezifischer postoperativer
Weichgewebsreaktion häufig schwierig und nur
im Vergleich mit vorangegangenen CT-Kontrollen zu erheben, ebenso eine Metastasierung in
lokoregionäre Lymphknoten, Leber oder Lunge,
die als im Verlauf neu aufgetretene Läsionen diagnostiziert werden. Wegweisend sind außerdem
– soweit vorhanden – steigende Tumormarker
sowie ein positiver Befund in der PET-Untersuchung. Weitere Tumormanifestationen sollten ausgeschlossen werden, um eine operative
Therapie erwägen zu können. Obwohl das Lokalrezidiv und betroffene Lymphknoten häufig im
Bereich der großen arteriellen Gefäße lokalisiert
sind, ist jedoch bei bis zu 70 % der Patienten
eine Resektion möglich und kann mit einer Vorbehandlung (»neoadjuvante« Chemotherapie
oder Radiochemotherapie) und ggf. auch intraoperativer Radiatio kombiniert werden [36].
Bei einem medianen Überleben von 26 Monaten
ist die Prognose im Fall eines isolierten Lokalrezidivs in der sekundär resektablen Situation si-
9
gnifikant besser als bei rein palliativer Therapie.
Alternative Therapieoptionen wie z. B. die irreversible Elektroporation (IRE) werden aktuell in
wenigen Zentren durchgeführt, ihr Nutzen kann
bislang nicht abschließend beurteilt werden.
„„Fazit für die Praxis
Es werden immer noch längst nicht alle Patienten mit Pankreaskarzinom frühzeitig einer Therapie zugeführt, einerseits, weil Symptome häufig
erst bei fortgeschrittener Erkrankung auftreten,
oft aber auch, da die Behandlungsoptionen
schlechter eingeschätzt werden, als sie inzwischen tatsächlich sind. Mit einer Kombination
von Operation und adjuvanter Chemotherapie
kann heute bei 30 % der Patienten ein Langzeitüberleben erreicht werden. Die technischen Möglichkeiten in der Pankreaschirurgie haben sich in
den letzten Jahren weiterentwickelt, sodass beispielsweise fortgeschrittene Tumoren mit Beteiligung von Gefäßen oder benachbarten Organen
in entsprechenden Zentren sicher reseziert werden können. Bei einer großen Zahl der Patienten
mit fortgeschrittenen Tumoren kann durch eine
effektive Vorbehandlung mit modernen Zytostatika-Kombinationen eine sekundäre Operabilität
erreicht werden. Besondere Bedeutung kommt
außerdem der Früherkennung von (zumeist zystischen) Vorläuferläsionen im Pankreas und deren
Resektion vor maligner Entartung zu. Daneben
hat auch die konsequente Tumornachsorge eine
zunehmende Bedeutung, da sich auch bei Auftreten von Rezidiven Behandlungsmöglichkeiten
durch multimodale Therapiekonzepte bieten.
leben hat sich jedoch verbessert und beträgt
inzwischen bei Patientenkollektiven, bei denen eine radikale Resektion mit optimaler adjuvanter Therapie erfolgt, ca. 30 %. Bei lokal
fortgeschrittenen und grenzwertig (borderline)
operablen Tumoren haben in den letzten Jahren
sowohl der Einsatz neoadjuvanter Therapieverfahren, als auch die Durchführung ausgedehnter
Operationsverfahren mit multiviszeralen Resektionen und insbesondere auch Gefäßresektionen
an großer Bedeutung gewonnen.
Tjaden C, Büchler MW, Hackert T:
Surgical therapy of pancreatic carcinoma:
an update
Summary: The therapy of choice for pancreatic
cancer is the combination of surgery and
chemotherapy as this is the only option to achieve
long-term survival. During the last decade, both
procedures have been continuously developed
and markedly improved. Worldwide, the disease
is the fourth common cause of cancer deaths,
but in case of radical resection and optimal
adjuvant therapy, 5-years survival has increased
to app. 30 %. For locally advanced and borderline
resectable tumors, the impact of neoadjuvant
therapy as well as extended surgical procedures
including vascular and multivisceral resections,
has continuously increased.
Keywords: pancreatic cancer – surgical therapy
– neoadjuvant therapy – vascular resection –
multivisceral resection
„„Zusammenfassung
Die chirurgische Therapie des Pankreaskarzinoms
stellt in Kombination mit der adjuvanten Chemotherapie die einzige Möglichkeit für ein Langzeitüberleben bei dieser Erkrankung dar. In beiden
Bereichen wurden im vergangenen Jahrzehnt
deutliche Weiterentwicklungen und Verbesserungen erzielt. Die Erkrankung stellt immer
noch die weltweit vierthäufigste Todesursache
bei Karzinompatienten dar, das 5-Jahres-Über-
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Klinik für Allgemein-, Viszeralund Transplantationschirurgie
Universitätsklinikum
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[email protected]
Interessenkonflikt: Die Autoren erklären, dass
bei der Erstellung des Beitrags keine Interessenkonflikte im Sinne der Empfehlungen des International Committee of Medical Journal Editors
bestanden.
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