19.10.2014 FB 5.3 Pflegerische Arbeit mit psychisch kranken Menschen 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 1 Lerneinheit IVa.1 Pflege psychisch kranker und/ oder abhängiger Patienten 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 2 1 19.10.2014 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 3 Leitgedanke der Veranstaltung Wie tickt die Psychiatrie und Psychotherapie und wie können Sie psychisch kranke Menschen professionell pflegen? (Wie arbeiten wir ‚konkret‘ stationär, teilstationär, ambulant; was sind günstige und ungünstige Verhaltensweisen, …) 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 4 2 19.10.2014 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 5 Schlaglichter / Fakten Epidemiologie psychiatrischer Erkrankungen (WHO 2003): • • • • • • • • Angst- und Zwangsstörungen: 400 Millionen Depressionen: 340 Millionen Alkoholabhängigkeit: 288 Millionen Persönlichkeitsstörungen: 250 Millionen Schizophrenie: 45 Millionen Demenz: 29 Millionen Suizidversuche: 20 Millionen Suizide: 1 Million 19.10.2014 12-Monats-Prävalenzen psychischer Störungen in Deutschland (Ausschnitt): • • • • • • Psychosen (einschließlich Schizophrenie): 2,6% Affektive Störungen: 11,9% Angststörungen: 14,5% Substanzstörungen: 7,2% Somatoforme Störungen: 11% Gesamt: 31,1% (der Patienten von Allgemeinärzten habe eine psychische Erkrankung) Holger Schmitte, M.Sc. 6 3 19.10.2014 Schlaglichter / Fakten Die häufigsten psychiatrischen Erkrankungen in der Primärversorgung der Bundesrepublik Deutschland (Anteil psychiatrischer Patienten in der Praxis von Allgemeinärzten) Depression, akut: 8,6% generalisierte Angsterkrankung: 8,5% Neurasthenie ‚Nervenschwäche‘: 7,5% Alkoholabhängigkeit: 6,3% Somatisierungsstörung: 2,1 % Agoraphobie (Angst bzw. ein starkes Unwohlsein an bestimmten Orten, die aus diesem Grunde gemieden werden), akut:1,6% • Panikstörung: akut: 1,3% • Dysthymie, akut: 0,7% • • • • • • 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 7 Schlaglichter / Fakten In Deutschland wurden im Jahr 2006 in der stationären Erwachsenenpsychiatrie 730.920 Fälle mit einer durchschnittlichen Verweildauer von 24,2 Tagen behandelt. In der stationären Kinder- und Jugendpsychiatrie waren es 39.415 Fälle mit einer durchschnittlichen Verweildauer von 42,5 Tagen. Hinzu kommen 91.527 Fälle der teilstationären Behandlung in den Fachabteilungen für Psychiatrie und Psychotherapie, 12.037 Fälle der teilstationären Behandlung in Fachabteilungen für Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie vor- und nachstationäre Behandlungen durch diese Fachabteilungen der Krankenhäuser. (Statistisches Bundesamt 2008) 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 8 4 19.10.2014 Schlaglichter / Fakten • Direkte Kosten psychischer Krankheiten in Deutschland: ca. 23 Milliarden Euro (= ca. 10% aller Krankheitskosten, Platz 4) • Im Jahr 2020: Major Depression Platz 2 der Rangfolge der 15 Hauptursachen für verlorene Lebensjahre durch Behinderung oder Tod (weltweit) 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 9 Begriffe ‚Gesundheit‘ und ‚Psychische Störungen‘ WHO: "Die Gesundheit ist der Zustand vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen." Psychische Störungen können definiert werden als Beeinträchtigungen des Erlebens und Verhaltens, die mit Belastungen und Leid verbunden sind (Saß/Wittchen/Zaudig 1996, Bastine 1998, Sauter et al. 2004, WHO 2007). Was als psychische Störung verstanden wird ist abhängig von soziokulturellen Normen und unterliegt der Definitionsmacht psychiatrischer Fachgremien, welche die aktuellen Klassifikationssysteme wie die ICD-10 (WHO 2007) oder das DSM- IV (Saß/Wittchen/Zaudig, 1996) auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnis erarbeiten. 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 10 5 19.10.2014 Normen Begriffe „Normal“, „Ver-rückt“ – Abgrenzung? - Eigene Haltung? • • • • • • • Statistische Norm = Maßstab sind Durchschnittswerte Soziale Norm = Maßstab sind die geltenden gesellschaftlichen (Verhaltens-)Normen Funktionale Norm = Maßstab ist die Funktionalität (Hoher Stellenwert!) Subjektive Norm = Maßstab ist der individuelle Ausgangszustand (z.B. der persönliche Leidensdruck) Ethische Norm = Maßstab ist das als allgemeingültig postulierte gute und richtige Handeln Ideale Norm = Maßstab ist der als allgemeingültig postulierte, moralisch weltanschaulich begründete Zustand der Vollkommenheit weitere Normen, z.B. kulturelle Norm, usw. 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 11 Beispiel IQ 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 12 6 19.10.2014 Abweichung von der statistischen Norm • • • • • • • bestimmte Merkmale von Personen kann man messen (z.B. Intelligenz, Schüchternheit, Depressivität, latente u. akute Suizidalität usw.). Der Wert vieler Testverfahren, besonders IQTests ist äußerst zweifelhaft, die "gemessenen" Qualitäten sind oft nicht quantifizierbar für messbare Merkmale kann die Häufigkeitsverteilung der Merkmalsausprägungen (Intensität) in der Bevölkerung ermittelt werden "Normal sein" in Bezug auf eine statistische Verteilung bedeutet in der Regel keine große Abweichung vom Durchschnitt haben oder Zugehörigkeit zu den mittleren 50 % der Verteilung Personen mit extremeren Merkmalsausprägungen wären im rein statistischen (nicht im wertenden) Sinne normabweichend Eine rein statistische Definition für abweichendes Verhalten oder psychische Gestörtheit ist nicht möglich. Je nach Merkmal wird eine starke Abweichung von der Norm als erwünscht und ungestört oder als unerwünscht, hinderlich und gestört bewertet. Eher erwünschte Normabweichungen: hohe Intelligenz, hohe sportliche Fähigkeiten, geringe Aggressivität Als gestört geltende Normabweichungen: extrem geringe Intelligenz (geistige Behinderung: IQ < 70), extrem hohe Aggressivität 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 13 Abweichung von der sozialen Norm • • • Abweichendes oder als gestört klassifiziertes Verhalten widerspricht in manchen Fällen sozialen bzw. kulturellen Normen. So fällt ein Mensch mit einer Manie möglicherweise dadurch auf, dass er völlig fremde Menschen ohne sozial üblichen Anlass beschenkt, umarmt und ihnen evtl. sogar sexuellen Kontakt anbietet. Auch Schizophrene können mitunter unübliches, normverletzendes Verhalten zeigen (bspw. bei schönem Hochsommerwetter mit Gummistiefeln, Plastikmantel und Regenhaube herumlaufen und zufällig vorbeikommende Passanten lautstark und eindringlich vor gefährlichen Strahlen und bösen Mächten warnen). Aber: Kriminelle Handlungen und Prostitution verletzen ebenso soziale Normen, werden jedoch nicht ohne weiteres als psychisch gestörtes Verhalten gewertet. Andererseits verletzt eine depressive oder hochängstliche Person in vielen Fällen keine soziale Norm und würde dennoch als erheblich gestört betrachtet werden. 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 14 7 19.10.2014 Persönlicher Leidensdruck • Angst-, Zwangstörungen und Depression sind wie viele andere psychische Störungen mit subjektivem Leid/ Qual verbunden. Persönliches Leid entsteht aber auch durch Überschuldung, Hunger oder den Tod eines Angehörigen. In diesen Fällen spräche man nicht von einer psychischen Störung oder abnormem Verhalten. • Es gibt auch als psychisch gestört bewertete Zustände, bei denen der Betroffene weder subjektives Leid empfindet noch sich psychisch krank fühlt (manche Fälle von Manie, isolierten wahnhaften Überzeugungen und dissozialer Persönlichkeitsstörung). • Das Ausmaß an Leid ist außerdem subjektiv, kaum konsensuell definierbar. 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 15 Störungsbegriff Psychische Störung • klinisch bedeutsames Erlebens- und Verhaltensmuster (Schwere) • aktuelles Leiden oder Behinderung oder Beeinträchtigung der Fähigkeit, Entwicklungsaufgaben zu bewältigen oder signifikant erhöhtes Risiko für Tod, Schmerz, Siechtum oder Verlust von Freiheit Behandlungsbedürftigkeit • Krankheitswertigkeit (= deutliche Einschränkung der normalen Lebensführung, der individuellen Leistung und/oder der sozialen Aktivitäten und Beziehungen) • Vorhandensein einer Behandlungsmethode, die (wissenschaftlich belegt) eine Besserung oder Heilung wahrscheinlich macht 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 16 8 19.10.2014 Psychiatrie (griechisch: psyche = Seele, iatros = Arzt, iatreía = das Heilen) ist das Gebiet der Medizin, das sich mit der Diagnostik, Therapie und Prävention der psychischen Krankheiten befasst. Unter psychischen Krankheiten versteht man Erkrankungen, deren Symptome und Zeichen sich im psychischen Bereich (Bewusstsein, Orientierung, Wahrnehmung, Denken, Gedächtnis, Affektivität, Antrieb, Verhalten = psychische Elementarfunktionen) äußern. Es gibt psychische Krankheiten, welche eine diagnostizierbare körperliche Ursache haben. Ebenso gibt es psychische Krankheiten, deren Ursachen nur unvollständig bekannt sind. Ein Teil der psychischen Erkrankungen und Störungen ist vorwiegend biologisch bedingt, ein anderer Teil beruht auf komplexen Wechselwirkungen zwischen biologischen und psychosozialen Faktoren. (Insgesamt: Biopsychosozialer Ansatz) 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 17 … und Psychotherapie „Psychotherapie ist ein bewusster und geplanter interaktioneller Prozess zur Beeinflussung von Verhaltensstörungen und Leidenszuständen, die in einem Konsensus (möglichst zwischen Patient, Therapeut und Bezugsgruppe) für behandlungsbedürftig gehalten werden, mit psychologischen Mitteln (durch Kommunikation) meist verbal aber auch averbal, in Richtung auf ein definiertes, nach Möglichkeit gemeinsam erarbeitetes Ziel (Symptomminimalisierung und/oder Strukturänderung der Persönlichkeit) mittels lehrbarer Techniken auf der Basis einer Theorie des normalen und pathologischen Verhaltens.“ Hans Strotzka (Hrsg.): Psychotherapie. München 1978, 2. Auflage, S. 4 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 18 9 19.10.2014 Psychotherapie (im engeren Sinn) • • • In Deutschland ist die Psychotherapie streng reglementiert und stark an die ärztliche Versorgung gekoppelt. Außer Ärzten dürfen – im eingeschränkten Ausmaß – nur Psychologen und Heilpraktiker psychotherapeutisch arbeiten. In Österreich besteht keine Beschränkung auf spezifische Quellberufe, wie Arzt oder Psychologe. Es sind auch Krankenpfleger, Soziologen, Publizisten, Ehe- und Familienberater, Pädagogen, Philosophen, Theologen und Sozialarbeiter zur Ausbildung zugelassen. Die anerkannten Verfahren in Deutschland sind im wesentlichen drei, die im Einzel- und im Gruppensetting für Erwachsene und auch für Kinder und Jugendliche angeboten werden dürfen: Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie als Kurztherapie, Fokaltherapie oder dynamische Psychotherapie, Analytische Psychotherapie nach Sigmund Freud, C.G. Jung oder Alfred Adler, sowie Verhaltenstherapie mit verschiedenen Schwerpunkten. 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 19 Geschichte der Psychiatrie (Schlaglichter) • Antikes Griechenland: Humoralpathologie oder (Vier)Säftelehre mit Weiterentwicklung zur Temperamentenlehre (Galen) – Melancholiker (Schwarze Galle) – Sanguiniker (Blut) – Phlegmatiker (Schleim) – Choleriker (Gelbe Galle) 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 20 10 19.10.2014 Geschichte der Psychiatrie (Schlaglichter) • Das finstere Mittelalter – Gefängnisse – Inquisition – Hexenverfolgungen • 17. und 18. Jahrhundert – Immer noch keine ärztliche Behandlung – „Verwahrung“ in Zuchthäusern, Tollhäusern gemeinsam mit Behinderten, Armen, Landstreichern, Prostituierten etc. 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 21 Geschichte der Psychiatrie (Schlaglichter) • Aufklärung und Neuzeit – – – – – – – – – – – 19.10.2014 Aus Tollhäusern werden Irrenanstalten Pinel: Befreiung der Irren von den Ketten (1793) Zuwendung, Milde und Geduld trugen die Therapie dieser Zeit aber: Drehstuhl, Wasserbäder, Hungerkuren Griesinger (1810-85): erklärte psychische Erkrankungen als Erkrankungen des Gehirns Gegen Ende des 19. Jh. zunehmend Integration in die Medizin Kraepelin: exogen – endogen, Dementia praecox Bleuler: Schizophreniebegriff Jaspers, Schneider: Psychopathologie Freud: Analyse Pawlow, Skinner: Verhaltenstherapie Holger Schmitte, M.Sc. 22 11 19.10.2014 Geschichte der Psychiatrie (Schlaglichter) • Das Jahrhundert der somatischen Behandlungsmethoden – 1917 Wagner-Jauregg: Therapie der progressiven Paralyse mit Fieberschüben – 1933 Sakle: Insulinkoma-Behandlungen – 1937 Bini und Cerletti: ECT – 1949: Cade: Lithium – 1952: Delay u. Deniker: Chlorpromazin – 1957: Kuhn: Imipramin – 1961: Sternbach: Benzodiazepine 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 23 Geschichte der Psychiatrie (Schlaglichter) • Deutschland nach 1945 – – – – – Entwicklung der Psychopharmaka ab 1952 Arbeit der Psychiatrie-Enquête 1971 bis 1979 Psychiatrie-Personalverordnung seit 1991 Erweiterung des Angebotes außerstationärer Hilfen Zukünftig: PsychEntG, PEPP, Integrierte Versorgungsangebote, … siehe weiter: http://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Psychiatrie www.irresein.de 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 24 12 19.10.2014 Angebote Standardversorgungsgebiet Das Vorfeld psychiatrischer und psychotherapeutisch/psychosomatischer sowie rehabilitativer Dienste • Allgemeine professionelle und nichtprofessionelle Beratung in den Bereichen: – Erziehung, Seelsorge, Rechtspflege, Gesundheitsämter, Arbeitsverwaltung und Sozialversicherung, Sozialarbeit – Beratungsstellen – Praktische Ärzte und Ärzte für Allgemeinmedizin – psychosoziale Kontaktstellen – Fachärzte anderer Disziplinen • Ambulante Dienste – – – – – niedergelassene Nervenärzte / Fachärzte niedergelassene ärztliche und nichtärztliche Fachpsychotherapeuten Beratungsstellen für Kinder, Jugendliche und Eltern niedergelassene Psychagogen (Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten) psychosoziale Versorgungseinrichtungen (in unterversorgten Gebieten) 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 25 Angebote Standardversorgungsgebiet • Ambulante Dienste an Krankenhauseinrichtungen – ambulante Dienste an psychiatrischen Behandlungszentren – psychotherapeutisch/psychosomatische Polikliniken – Fachambulanzen • Halbstationäre Dienste – Tageskliniken und Nachtkliniken – Tageskliniken und Nachtkliniken für besondere Patientengruppen • Stationäre Dienste • psychiatrische Abteilungen an Allgemeinkrankenhäusern • psychotherapeutisch/psychosomatische Abteilungen an psychiatrischen Krankenhäusern und Allgemeinkrankenhäusern • gerontopsychiatrische Abteilung • Assessment-Unit für psychisch kranke alte Menschen 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 26 13 19.10.2014 Angebote Standardversorgungsgebiet • Komplementäre Dienste – – – – – – – • Übergangswohnheime Wohnheime und Wohnheime für besondere Patientengruppen Beschützende / betreute Wohngruppen und Wohnungen Familienpflege Tagesstätten Patientenclubs Einrichtungen für Schwerst- und Mehrfachbehinderte Spezielle rehabilitative Dienste – Werkstätten für Behinderte – Beschützende Arbeitsplätze • Dienste für Behinderte – – – – – – 19.10.2014 Einrichtung zur Früherkennung, Frühdiagnose und Frühbehandlung Sonderkindergärten Sonderschulen Sonderklassen Wohnangebote Bildungs-, Freizeit- und Erholungsstätten Holger Schmitte, M.Sc. 27 Diagnostik: Der psychische Befund: Struktur und Dokumentation der speziellen Anamnese 1. Bewusstsein und Orientierung 2. Aufmerksamkeit und Gedächtnis 3. Affektivität (einschl. Ängste und Zwänge) 4. Verhalten, Antrieb, Psychomotorik 5. formales Denken 1 Über das vegetative Nervensystem werden zur Aufrechterhaltung der inneren Homöostase die 6. inhaltliches Denken lebenswichtigen Funktionen („Vitalfunktionen“) wie Herzschlag, Atmung, Blutdruck, Verdauung und Stoffwechsel kontrolliert. Auch andere Organe oder 7. Icherleben Organsysteme werden vom vegetativen Nervensystem innerviert, so beispielsweise die 8. Wahrnehmung Sexualorgane, endokrine und exokrine Organe wie die Schweißdrüsen, das Blutgefäßsystem (Blutdruck) 9. Vegetativum1 oder die inneren Augenmuskeln (Pupillenreaktion). 10. Selbst- und Fremdgefährdung 11. Besonderheiten (z.B. Minderbegabung; Sucht; auffälliges Äußeres, z.B. Kleidung) 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 28 14 19.10.2014 Der psychopathologische Normalbefund • • • • • • • • • Der Patient/die Patientin ist wach (hat keine Vigilanzstörungen), örtlich, zeitlich, zur Person und Situation voll orientiert (1). Auffassung, Konzentration, Merkfähigkeit und Gedächtnis sind nicht beeinträchtigt (2). Die Stimmungslage ist ausgeglichen, die affektive Schwingungsfähigkeit ist voll erhalten; es bestehen keine Ängste, Phobien, Zwänge (3). Das Verhalten ist sozial und situativ adäquat, keine Beeinträchtigungen von Antrieb oder Psychomotorik (4). Der formale Gedankengang ist geordnet (5). Es fallen keine inhaltlichen Denkstörungen oder Störungen des Icherlebens oder der Wahrnehmung auf (6,7,8). Es bestehen keine vegetativen Störungen oder Schmerzempfindungen (9). Es liegen keine Hinweise auf Fremd- oder Selbstgefährdung vor (10). Das Intelligenzniveau wird als durchschnittlich eingeschätzt ohne Hinweise auf Minderbegabung, keine Hinweise auf süchtiges Verhalten (11). 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 29 Weitere Diagnostik • Umfangreiche Anamnese (ausführliche Befragung des Patienten) hinsichtlich: – – – – – – • Medizinisch-körperliche Untersuchung mit ausführlicher neurologischer Untersuchung – – – – • Beschwerden und deren Beginn und Verlauf psychosozialer Umstände bekannter aktueller und früherer Krankheiten/Behandlungen Einnahme von Medikamenten und Rausch-/Genussmitteln psychischer Erkrankungen in der Familie wenn möglich eine Fremdanamnese (Befragung von Angehörigen oder Freunden des Patienten, um Auskünfte über den Patienten, sein Verhalten oder Verhaltensänderungen zu erhalten) Laborbefunde (Untersuchung von Blutwerten zum Ausschluss von Stoffwechselstörungen, die psychische Störungen verursachen können) Ableitung der Hirnströme (EEG) meistens auch ein EKG Bildgebende Untersuchungen (Computertomografie und eventuell zusätzlich MRT des Kopfes) Zusätzlich werden manchmal herangezogen: – – – – 19.10.2014 Labor-Screening nach Hinweisen auf Einnehme von Drogen, Medikamenten und toxischen Substanzen Psychologische Tests Hirnleistungstests (Gedächtnis, Denkvermögen) und Intelligenztests Persönlichkeitstests Holger Schmitte, M.Sc. 30 15 19.10.2014 Kapitel V ICD 10 – Diagnosegruppen F00 – F99 Psychische und Verhaltensstörungen • • • • • • • • • • • F00-F09 Organische, einschließlich symptomatischer psychischer Störungen F10-F19 Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen F20-F29 Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen F30-F39 Affektive Störungen F40-F48 Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen F50-F59 Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren F60-F69 Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen F70-F79 Intelligenzstörung F80-F89 Entwicklungsstörungen F90-F98 Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend F99-F99 Nicht näher bezeichnete psychische Störungen 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 31 Kapitel V ICD 10 – Diagnosegruppen F00 – F99 Psychische und Verhaltensstörungen • • • • • • F00-F09 Organische, einschließlich symptomatischer psychischer Störungen (z.B. Demenz bei Alzheimer-Krankheit) F10-F19 Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen (z.B. Alkohol, Opioide, Cannabinoide, Kokain, Tabak) F20-F29 Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen (z.B. Paranoide Schizophrenie, Schizoaffektive Störungen) F30-F39 Affektive Störungen (z.B. Manien, Bipolare affektive Störungen, Depressive Störungen) F40-F48 Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen (z.B. Phobien, Angststörungen, Zwangsstörungen, Akute Belastungsreaktion, Dissoziative Störungen, Somatoforme Störungen) F50-F59 Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren (z.B. Essstörungen, Nichtorganische Schlafstörungen, Sexuelle Funktionsstörungen, nicht verursacht durch eine organische Störung oder Krankheit) 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 32 16 19.10.2014 • • • • • Kapitel V ICD 10 – Diagnosegruppen F00 – F99 Psychische und Verhaltensstörungen F60-F69 Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen (z.B. Paranoide, Schizoide, Dissoziale, Emotional instabile, Histrionische, Anankastische (zwanghafte), Ängstliche (vermeidende), Abhängige (asthenische) Persönlichkeitsstörung) F70-F79 Intelligenzstörung (Grade Intelligenzminderung) F80-F89 Entwicklungsstörungen (z.B. Lese- und Rechtschreibstörung, Motorische Funktionsstörungen, Asperger-Syndrom) F90-F98 Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend (z.B. Hyperkinetische Störungen, Störung des Sozialverhaltens) F99-F99 Nicht näher bezeichnete psychische Störungen 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 33 Krankheitsfolgen • Aktivitäten des täglichen Lebens (ATLs) • Die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) und der Mini-ICF-APP (MiniICF-Rating für Aktivitäts- und Partizipationsstörungen bei psychischen Erkrankungen) 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 34 17 19.10.2014 Aktivitäten des täglichen Lebens - ATLs • • • • • • Für Sicherheit sorgen Atmen Wach sein und schlafen Sich waschen und kleiden Sich bewegen Essen und Trinken 19.10.2014 • Körpertemperatur regulieren • Ausscheiden • Kommunizieren • Sich als Mann oder Frau fühlen • Sich beschäftigen • Sinn finden Holger Schmitte, M.Sc. 35 Mini-ICF-APP Fähigkeitsbereiche / Rating-Dimensionen • • • • • • • • • • • • • Fähigkeit zur Anpassung an Regeln und Routinen Fähigkeit zur Planung und Strukturierung von Aufgaben Flexibilität und Umstellungsfähigkeit Fachliche Kompetenz Entscheidungs- und Urteilsfähigkeit Durchhaltefähigkeit Selbstbehauptungsfähigkeit Kontaktfähigkeit zu Dritten Gruppenfähigkeit Fähigkeit zu familiären bzw. intimen Beziehungen Fähigkeit zu Spontan-Aktivitäten Fähigkeit zur Selbstpflege Verkehrsfähigkeit 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 36 18 19.10.2014 Mini-ICF-APP Fähigkeitsbereiche / Ausmaß-Rating • 0: keine Beeinträchtigung • 1: leichte Beeinträchtigung – Der Proband entspricht den Normerwartungen bzgl. seiner Referenzgruppe. – Es bestehen einige leichtere Schwierigkeiten oder Probleme, die beschriebenen Fähigkeiten / Aktivitäten auszuüben. Es resultieren daraus keine wesentlichen negativen Konsequenzen. • 2: mittelgradige Beeinträchtigung – Im Vergleich zur Referenzgruppe bestehen deutliche Probleme die beschriebenen Fähigkeiten / Aktivitäten auszuüben. Dies hat negative Auswirkungen bzw. negative Konsequenzen für den Probanden oder andere. • 3: schwere Beeinträchtigung – Der Proband ist wesentlich eingeschränkt in der Ausübung der beschriebenen Fähigkeiten/Aktivitäten. Er kann Rollenerwartungen in wesentlichen Teilen nicht mehr gerecht werden. Er benötigt teilweise Unterstützung von Dritten. • 4: vollständige Beeinträchtigung – Der Proband ist nicht in der Lage die beschriebenen Fähigkeiten/Aktivitäten auszuüben. Sie müssen durch Dritte übernommen werden. 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 37 Leitfaden zur Qualitätsbeurteilung in Psychiatrischen Kliniken - 1996 - (Auszug) Qualitätsanforderungen (Fachlicher Konsens auf breiter Basis): • Behandlungsziele – Verminderung psychopathologischer Symptomatik – Förderung von Verantwortungsfähigkeit, Krankheitsverständnis und Compliance – Förderung der sozialen Integration • Vorrangige Absichten • Mittel/Organisation • Optimale Nutzung der Ressourcen 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 38 19 19.10.2014 Leitfaden zur Qualitätsbeurteilung in Psychiatrischen Kliniken - 1996 - (Auszug) Qualitätsanforderungen (Fachlicher Konsens auf breiter Basis): • • • • Behandlungsziele Vorrangige Absichten Mittel/Organisation – Orientierung der Behandlung am Individuum – Beziehungsorientierte Behandlung – Transparenz der Behandlungs- und Pflegeplanung und – durchführung – Mehrdimensionales Krankheitskonzept – Methodisch-wissenschaftliche Orientierung – Integration der verschiedenen Therapieverfahren und – angebote; Multiprofessionelle Behandlung – Außenorientierung: Vernetzung psychosozialer Hilfen und Vermittlung nichtpsychiatrischer Hilfen – Nachrangigkeit stationärer Hilfen – Angemessene Dokumentation – Reflexion Optimale Nutzung der Ressourcen 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 39 Denkmodelle Psychotherapie • Paradigma der Klassischen Psychoanalyse (Freud) – Analytische Psychologie (Jung) – Individualpsychologie (Adler) • Humanistisches Paradigma – Gesprächspsychotherapie (Rogers) – Gestalttherapie (Perls) • Kognitiv-behaviorales Paradigma – Kognitive Verhaltenstherapie (z.B. Wolpe, Bandura, Beck, Ellis u.v.a.) – Dritte Welle : z.B. DBT (Linehan), Schematherapie (Young) u.a. 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 40 20 19.10.2014 Medikamentöse Therapie Psychopharmaka • • • • • Neuroleptika Antidepressiva Hypnotika und Sedativa Phasenprophylaktika Psychostimulantien 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 41 Psych-PV (1991): Regelaufgaben Pflegepersonal (Auszug) • Psychiatrische Pflege (Einzelfallbezogene Behandlung und Betreuung) – – – – – – – – • Fortwährende Betreuung und ständige Beobachtung von Kranken mit der jeweils im Pflegeplan vorgesehenen Intensität; tageweise Einzelbetreuung in Krisensituationen; Krisenintervention in Gefährdungssituationen Entlastende und orientierungsgebende Gesprächskontakte; Gespräche mit Angehörigen; Anlaufstelle für Patienten, Angehörige und andere außenstehende Personen, einschl. telefonischer Kontakte Trainingsmaßnahmen im Rahmen des Pflegeprozesses und Mithilfe bei der Bewältigung des Tagesablaufes Mitwirkung bei Einzel- und Familientherapien Begleitung bei Hausbesuchen, Vorstellungsterminen in sonstigen Einrichtungen und Institutionen Maßnahmen im Zusammenhang mit Aufnahme, Verlegung und Entlassung Mitwirkung an speziellen psychotherapeutischen Maßnahmen Hilfe beim Umgang mit persönlichem Eigentum Psychiatrische Pflege (Gruppenbezogene Behandlung und Betreuung) – – – Durchführung von Stationsversammlungen, einschließlich „Morgenrunden“ Training lebenspraktischer Fähigkeiten, Sozialtraining, Aktivitätsgruppen im Rahmen des therapeutischen Stationsmillieus; Planung, Gestaltung u. Durchführung von Aktivitäten außerhalb der Station (z.B. Spaziergänge, Ausflüge, Freizeitangebote) Mitwirken in speziellen Therapiegruppen (z.B. Gesprächspsychotherapie, Rollenspiel, Bewegungstherapie, Beschäftigungstherapie) A1-Patient: 342 Minuten PP pro Patient und Woche = 48,9 Minuten pro 14-Stunden-Tag = 14,7 Stunden PP pro 18 Pat. pro 14-Stunden-Tag; Umsetzungsgrad bundesweit: ca. 90% aktuell 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 42 21 19.10.2014 OPS 2014 (Auszug) • • • • • Durchführung einer wöchentlichen multiprofessionellen Teambesprechung zur Beratung des weiteren Behandlungsverlaufs (bei Aufenthalten von mehr als 6 Tagen) Die Behandlung erfolgt als ärztlich indizierte Diagnostik und Therapie im therapeutischen Milieu mit Bezug auf das Lebensumfeld oder im Lebensumfeld des Patienten Die Anwendung von Therapieverfahren erfolgt in individuell auf den Patienten abgestimmten Kombinationen und Dosierungen Als Einzeltherapie gilt eine zusammenhängende Therapie von mindestens 25 Minuten. Dies entspricht einer Therapieeinheit. Gruppentherapien dauern ebenfalls mindestens 25 Minuten. Bei Gruppentherapien ist die Gruppengröße auf maximal 18 Patienten begrenzt. Bei einer Gruppenpsychotherapie mit 13 bis 18 Patienten sind 2 ärztliche oder psychologische Therapeuten erforderlich. 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 43 OPS 2014 (9-60, Auszug) Als angewandte Verfahren der ärztlichen und psychologischen Berufsgruppen gelten folgende Verfahren oder im Aufwand vergleichbare Verfahren: Supportive Einzelgespräche Einzelpsychotherapie Gruppenpsychotherapie, Psychoedukation Angehörigengespräche (z.B. Psychoedukation, Angehörigengruppen, Gespräche mit Betreuern) • Gespräche mit Richtern oder Behördenvertretern • Somato-psychosomatisches ärztliches Gespräch • Aufklärung, Complianceförderung und Monitoring im Rahmen der ärztlich indizierten Psychopharmakotherapie • • • • 19.10.2014 HolgerSchmitte, Schmitte, M.Sc. Holger M.Sc. 44 22 19.10.2014 OPS 2014 (9-60, Auszug) Als angewandte Verfahren der Spezialtherapeuten und Pflegefachpersonen gelten folgende Verfahren oder im Aufwand vergleichbare Verfahren: • Bezugstherapeutengespräche, supportive Einzelgespräche • Behandlung und spezielle Interventionen durch Pflegefachpersonen (z.B. alltagsbezogenes Training, Aktivierungsbehandlung) • Ergotherapeutische Behandlungsverfahren • Physiotherapeutische Behandlungsverfahren • Spezielle psychosoziale Interventionen (z.B. Selbstsicherheitstraining, soziales Kompetenztraining) • Kreativtherapien (z.B. Tanztherapie, Kunsttherapie, Musiktherapie) • Gespräche mit Behördenvertretern • Angehörigengespräche, Gespräche mit Betreuern 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 45 OPS 2014 (9-60, Auszug) Als angewandte Verfahren der Spezialtherapeuten und Pflegefachpersonen gelten folgende Verfahren oder im Aufwand vergleichbare Verfahren: • Physio- oder Bewegungstherapie (z.B. Sporttherapie) • Sensorisch fokussierte Therapien (z.B. Genussgruppe, Snoezelen) • Entspannungsverfahren (z.B. progressive Muskelrelaxation nach Jacobson, autogenes Training oder psychophysiologische Techniken wie Biofeedback) • Logopädie (z.B. bei Schluckstörungen) • Übende Verfahren und Hilfekoordination zur Reintegration in den individuellen psychosozialen Lebensraum • Beratung, Adhärenz-Förderung und Monitoring im Rahmen der ärztlich indizierten Psychopharmakotherapie • Psychoedukation 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 46 23 19.10.2014 PsychEntgG 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 47 PEPP 2015 (Auszug) Berechungsstag 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. Bewertungsrelation 48 24 19.10.2014 Aufgaben und Tätigkeiten von Pflegenden in der Psychiatrie Ergebnis: Matrix Tätigkeitskategorien (Schoppmann 2008) Milieugestaltung X X Interdisziplinäre Zusammenarbeit X X Medizinische Betreuung X X Pflegesituationen gestalten X X X Geplante Pflegeinterventionen X X X X Zusammenarbeit mit anderen Stationen und Einrichtungen Dokumentation und Information X Das Ganze im Blick haben Lehren und Lernen 19.10.2014 X X Beziehungsgestaltung Reflexion Humor Holger Schmitte, M.Sc. 49 Das Ausmaß der Realitätsbezugsstörung, der Beziehungsstörung und der emotionalen Verfassung sind wesentlicher Anhalt für die Gestaltung meiner Arbeit bezogen auf die Bewältigung von Krankheit und Alltag. 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 50 25 19.10.2014 Wochenplan einer psychiatrischen Station in Deutschland (Grundgerüst 2009), VD 23 Tage Uhrzeit Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag 07:00 Uhr Wecken Wecken Wecken Wecken Wecken 07:30 Uhr Frühstück Frühstück Frühstück Frühstück Frühstück 08:00 Uhr Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P 09:00 Uhr Morgenrunde Morgenrunde Morgenrunde Morgenrunde Morgenrunde 09:15 Uhr Therapien u.a. Therapien u.a. Therapien u.a. Therapien u.a. Therapien u.a. 12:00 Uhr Mittagessen Mittagessen Mittagessen Mittagessen Mittagessen 12:30 Uhr Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P 14:00 Uhr Therapien u.a. Therapien u.a. Therapien u.a. Therapien u.a. Therapien u.a. 18:00 Uhr Abendessen Abendessen Abendessen Abendessen Abendessen 18:30 Uhr Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P 22:00 Uhr Medikamente Medikamente Medikamente Medikamente Medikamente Besuchszeiten üblicherweise nach Ende der Therapieangebote; Sa/So keine bzw. kaum Therapieangebote 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 51 Wochenplan einer Patientin mit Borderline-Störung (Grundgerüst 2009) Uhrzeit Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag 07:00 Uhr Wecken Wecken Wecken Wecken Wecken 07:30 Uhr Frühstück Frühstück Frühstück Frühstück Frühstück 08:00 Uhr Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P 09:00 Uhr Morgenrunde Morgenrunde Morgenrunde Morgenrunde Morgenrunde 09:15 Uhr Visite Einzeltherapie Mototherapie Einzeltherapie Visite Ergotherapie Kunsttherapie Ergotherapie 10:30 Uhr 12:00 Uhr Mittagessen Mittagessen Mittagessen Mittagessen Mittagessen 12:30 Uhr Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P 14:00 Uhr Skillstraining Kunsttherapie Musiktherapie Mototherapie Musiktherapie 15:30 Uhr Bezugspflege GSK Kochgruppe Bezugspflege Kaffeetrinken 18:00 Uhr Abendessen Abendessen Abendessen Abendessen Abendessen 18:30 Uhr Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P 22:00 Uhr Medikamente Medikamente Medikamente Medikamente Medikamente Besuchszeiten üblicherweise nach Ende der Therapieangebote; Sa/So keine bzw. kaum Therapieangebote 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 52 26 19.10.2014 Wochenplan eines Patienten mit Schwerer depressiver Episode (Grundgerüst 2009) Uhrzeit Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag 07:00 Uhr Wecken Wecken Wecken Wecken Wecken 07:30 Uhr Frühstück Frühstück Frühstück Frühstück Frühstück 08:00 Uhr Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P 09:00 Uhr Morgenrunde Morgenrunde Morgenrunde Morgenrunde Morgenrunde 09:15 Uhr Visite Einzeltherapie Mototherapie Einzeltherapie Visite Ergotherapie Kunsttherapie Ergotherapie 10:30 Uhr 12:00 Uhr Mittagessen Mittagessen Mittagessen Mittagessen Mittagessen 12:30 Uhr Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P 14:00 Uhr Genussgruppe Kunsttherapie Musiktherapie Mototherapie Musiktherapie 15:30 Uhr Bezugspflege GSK Kochgruppe Bezugspflege Kaffeetrinken 18:00 Uhr Abendessen Abendessen Abendessen Abendessen Abendessen 18:30 Uhr Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P 22:00 Uhr Medikamente Medikamente Medikamente Medikamente Medikamente Besuchszeiten üblicherweise nach Ende der Therapieangebote; Sa/So keine bzw. kaum Therapieangebote 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 53 Wochenplan eines Patienten mit Paranoider Schizophrenie (Grundgerüst 2009) Uhrzeit Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag 07:00 Uhr Wecken Wecken Wecken Wecken Wecken 07:30 Uhr Frühstück Frühstück Frühstück Frühstück Frühstück 08:00 Uhr Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P 09:00 Uhr Morgenrunde Morgenrunde Morgenrunde Morgenrunde Morgenrunde 09:15 Uhr Visite Einzeltherapie Mototherapie Einzeltherapie Visite Ergotherapie Alltagstraining Ergotherapie 10:30 Uhr 12:00 Uhr Mittagessen Mittagessen Mittagessen Mittagessen Mittagessen 12:30 Uhr Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P 14:00 Uhr Psy.edukation Adherence-Th. Musiktherapie Mototherapie Musiktherapie 15:30 Uhr Bezugspflege GSK Kochgruppe Bezugspflege Kaffeetrinken 18:00 Uhr Abendessen Abendessen Abendessen Abendessen Abendessen 18:30 Uhr Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P 22:00 Uhr Medikamente Medikamente Medikamente Medikamente Medikamente Besuchszeiten üblicherweise nach Ende der Therapieangebote; Sa/So keine bzw. kaum Therapieangebote 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 54 27 19.10.2014 Beispiel: Wochenplan einer Patientin / eines Patienten der stationären Psychiatrie Uhrzeit Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag 07:00 Uhr Wecken Wecken Wecken Wecken Wecken 07:30 Uhr Frühstück Frühstück Frühstück Frühstück Frühstück 08:00 Uhr Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P 09:00 Uhr Morgenrunde Morgenrunde Morgenrunde Morgenrunde Morgenrunde 09:15 Uhr Visite Mototherapie Einzelgespräch Visite Alltagstraining Ergotherapie 10:30 Uhr Ergotherapie 12:00 Uhr Mittagessen Mittagessen Mittagessen Mittagessen Mittagessen 12:30 Uhr Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P 14:00 Uhr Psy.edukation Kunsttherapie Musiktherapie Mototherapie Musiktherapie 15:30 Uhr Bezugspflege GSK Kochgruppe Bezugspflege Kaffeetrinken 18:00 Uhr Abendessen Abendessen Abendessen Abendessen Abendessen 18:30 Uhr Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P 22:00 Uhr Medikamente Medikamente Medikamente Medikamente Medikamente Besuchszeiten üblicherweise nach Ende der Therapieangebote; Sa/So keine bzw. kaum Therapieangebote 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 55 Wochenplan einer psychiatrischen Station in Deutschland (Grundgerüst 2020 ?), VD 14 Tage ? Uhrzeit Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag 07:00 Uhr Wecken Wecken Wecken Wecken Wecken 07:30 Uhr Frühstück Frühstück Frühstück Frühstück Frühstück 08:00 Uhr Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P 09:00 Uhr Therapieneinh. im 25-min-Takt Therapieneinh. im 25-min-Takt Therapieneinh. im 25-min-Takt Therapieneinh. im 25-min-Takt Therapieneinh. im 25-min-Takt 12:00 Uhr Mittagessen Mittagessen Mittagessen Mittagessen 12:30 Uhr Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P 14:00 Uhr Therapieneinh. im 25-min-Takt Therapieneinh. im 25-min-Takt Therapieneinh. im 25-min-Takt Therapieneinh. im 25-min-Takt Therapieneinh. im 25-min-Takt 18:00 Uhr Abendessen Abendessen Abendessen Abendessen Abendessen 18:30 Uhr Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P Medikamente/ RR/P 19:00 Uhr Therapieneinh. im 25-min-Takt Therapieneinh. im 25-min-Takt Therapieneinh. im 25-min-Takt Therapieneinh. im 25-min-Takt Therapieneinh. im 25-min-Takt 22:00 Uhr Medikamente Medikamente Medikamente Medikamente Medikamente Mittagessen Matrix? Besuchszeiten üblicherweise nach Ende der Therapieangebote; Therapieeinheiten auch Sa/So 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 56 28 19.10.2014 „Eine Vorstellung, die das Handeln psychiatrisch Tätiger beherrscht, ist die des Systematischen. Bei der Medikamentenvergabe, der Anwendung von Psychotherapie, der Einhaltung von Stationsplänen und anderen Regeln. Das geht so weit, dass nur, wenn Systematisches vorliegt von „echt“ gesprochen wird: „echte“ Psychotherapie. Und viele, vor allem Geldgeber und andere auf Kontrolle Angewiesene, lassen sich davon blenden.“ (Dörner et al. 2004) 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 57 Beziehungspflege „Wir beschreiben psychiatrische Pflege als Beziehungspflege. Psychische Störungen sind immer auch Beziehungsstörungen im Sinne der Störung oder Andersartigkeit der Beziehung zu sich selbst, zu anderen Menschen und/oder zur Umwelt. Psychiatrische Pflege hat somit diese Beziehungen und die Gestaltung der Umgebung, der Lebensweise und des Alltags zum Gegenstand.“ (Schmidt-Rüther 1990, zitiert in: Schröck 1991) 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 58 29 19.10.2014 Psychiatrische Pflege Die Aufgabenschwerpunkte der Pflegepersonen in der psychiatrischen Pflege lassen sich ganz allgemein am ehesten mit ‚Beziehungs- und Milieugestaltung’ sowie mit ‚Alltags- und Krankheitsbewältigung’ bezeichnen. Die professionellen Tätigkeiten haben sich dabei an jedem psychisch erkrankten Menschen und seinem sozialen Umfeld individuell zu orientieren. (Schädle-Deininger 2008) 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 59 Kernkompetenz Beziehungsarbeit Nach Kirpal (2010) wird die Herausforderung für die psychiatrische Pflege im 21. Jahrhundert sein, „ihre Kernkompetenzen, allen voran die Beziehungsarbeit, auszubauen, weiter zu entwickeln und pflegewissenschaftlich zu untermauern.“ (Kirpal 2010, p. 7) 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 60 30 19.10.2014 Psychotherapie „Psychotherapie ist ein bewusster und geplanter interaktioneller Prozess zur Beeinflussung von Verhaltensstörungen und Leidenszuständen, die in einem Konsensus (möglichst zwischen Patient, Therapeut und Bezugsgruppe) für behandlungsbedürftig gehalten werden, mit psychologischen Mitteln (durch Kommunikation) meist verbal aber auch averbal, in Richtung auf ein definiertes, nach Möglichkeit gemeinsam erarbeitetes Ziel (Symptomminimalisierung und/oder Strukturänderung der Persönlichkeit) mittels lehrbarer Techniken auf der Basis einer Theorie des normalen und pathologischen Verhaltens.“ Hans Strotzka (Hrsg.): Psychotherapie. München 1978, 2. Auflage, S. 4 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 61 Denkmodelle Psychotherapie • Paradigma der Klassischen Psychoanalyse (Freud) – Analytische Psychologie (Jung) – Individualpsychologie (Adler) • Humanistisches Paradigma – Gesprächspsychotherapie (Rogers) – Gestalttherapie (Perls) • Kognitiv-behaviorales Paradigma – Kognitive Verhaltenstherapie (z.B. Wolpe, Bandura, Beck, Ellis u.v.a.) – Dritte Welle : z.B. DBT (Linehan), Schematherapie (Young) u.a. 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 62 31 19.10.2014 Klientenzentrierte (Gesprächs-) Psychotherapie n. Rogers Psychotherapie bedeutet in der Gesprächspsychotherapie die Behandlung von Inkongruenz durch die Beziehung mit dem Therapeuten, die eine Alternative zur ursprünglichen traumatisierenden Beziehung zwischen Bindungsperson und Kind darstellt. Diese Begegnung im Sinne der Begegnung zweier Personen mit je eigenem Selbstkonzept zielt auf eine vertiefte Selbstexploration des Klienten, die ihm hilft, seine organismischen Erfahrungen zu symbolisieren, sich ihnen zu öffnen und sie neu zu ordnen und zu bewerten. 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 63 Klientenzentrierte (Gesprächs-) Psychotherapie n. Rogers • Therapeutisches Agens ist die Anerkennung durch den Psychotherapeuten auf der Grundlage von: – einfühlendem Verstehen in den inneren Bezugsrahmen des Klienten (einschließlich der angemessenen Verbalisierung der verstandenen Erlebnisinhalte), – unbedingter Wertschätzung: (nondirektive) Klientenzentrierung und – eigener Selbstkongruenz • als notwendige und hinreichende Bedingungen, die • Drei weitere Bedingungen: – durch die nondirektive Haltung des Therapeuten zu realisieren sind. – Es besteht ein psychologischer Kontakt zwischen Klient und Therapeut. – Eine der beiden Personen (der Klient) befindet sich in einem Zustand der Inkongruenz. – Das therapeutische Angebot der Grundhaltungen muss vom Klienten zumindest im Ansatz wahrgenommen werden können. Wenn alle Bedingungen erfüllt sind, ist psychotherapeutische Veränderung möglich. 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 64 32 19.10.2014 Recovery-Modell (Elemente) „Wiedergesundung“ als persönlicher Prozess; In einigen Ländern Leitvorstellung für die staatliche Gesundheitspolitik in der psychiatrischen Versorgung. • • • • • • • Hoffnung Festes Fundament Unterstützende Beziehungen Empowerment und Beteiligung Bewältigungsstrategien Bewältigung von Verlust Bedeutung siehe auch: Salutogenese „Sense of Coherence“, Resilienz 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 65 Aufgaben der Pflegenden bezüglich der Psychotherapie • Motivieren der PatientInnen • in begrenztem Rahmen informierende Gespräche • Wahrnehmung der Auswirkungen • Begleitung und Unterstützung, wenn die durch die Psychotherapie ausgelösten Prozesse sehr herausfordernd sind (Wolff et al. 2011) 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 66 33 19.10.2014 Spezielle Aufgaben der Pflege bezüglich der Psychotherapie • Umsetzung verhaltenstherapeutischer Absprachen • eigenständige Durchführung von Therapien, Therapieschritten oder Trainings • Co-TherapeutInnen-Funktion (Wolff et al. 2011) 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 67 Fortgeschrittene Pflegepraxis Verfahren Settings Konzepte • Patientenedukation / Psychoedukation • DBT (DialektischBehaviorale Therapie) • Kognitive Verhaltenstherapie • Motivational Interviewing • Adherence Therapie • Familientherapie • Ambulatorien • Gerontologie, Sucht, und andere Spezialgebiete • Spitex Psy. Pflege • Liaison Dienste • Forschung • Stabstellen • Ambulante Krisen • ACT (Assertive Community Treatment = aufsuchende und nachgehende Betreuung) • Casemanagement • Familienmanagement • Illenssmanagement • Ernährungsberatung • Pflegeprozess • Triage • Angehörigenarbeit • Partizpation von Betroffenen • Recovery (vgl. AFG Psychiatrische Pflege, o.J.) 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 68 34 19.10.2014 Fortgeschrittene Pflegepraxis Verfahren Settings Konzepte Psychotherapeutische Kompetenz als Merkmal • Patientenedukation / Psychoedukation • DBT (DialektischBehaviorale Therapie) • Kognitive Verhaltenstherapie • Motivational Interviewing • Adherence Therapie • Familientherapie • Ambulatorien • Casemanagement als • Gerontologie, Sucht, verstanden und • Familienmanagement • Illenssmanagement andere Spezialgebiete berufliche Handlungskompetenz • Spitex Psy. Pflege • Ernährungsberatung •=Liaison Dienste • Pflegeprozess Fähigkeit (des Einzelnen), fachlich, methodisch, • Forschung • Triage sozial und persönlich psychotherapeutisch • Stabstellen • Angehörigenarbeit kompetent zu handeln • Ambulante Krisen • Partizpation von Betroffenen • ACT (Assertive Community • Recovery (als notwendig wird eine Treatment = aufsuchende und spezifische Weiterbildung mit Fachvertiefung erachtet) nachgehende Betreuung) (vgl. AFG Psychiatrische Pflege, o.J.) 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 69 Psychotherapie „Psychotherapie ist ein bewusster und geplanter interaktioneller Prozess zur Beeinflussung von Verhaltensstörungen und Leidenszuständen, die in einem Konsensus (möglichst zwischen Patient, Therapeut und Bezugsgruppe) für behandlungsbedürftig gehalten werden, mit psychologischen Mitteln (durch Kommunikation) meist verbal aber auch averbal, in Richtung auf ein definiertes, nach Möglichkeit gemeinsam erarbeitetes Ziel (Symptomminimalisierung und/oder Strukturänderung der Persönlichkeit) mittels lehrbarer Techniken auf der Basis einer Theorie des normalen und pathologischen Verhaltens.“ Hans Strotzka (Hrsg.): Psychotherapie. München 1978, 2. Auflage, S. 4 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 70 35 19.10.2014 Die gute alte Hildegard Peplau 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 71 Die gute alte Hildegard Peplau Theorie der interpersonalen Beziehung in der Pflege (Innerhalb der deutschsprachigen Pflegewissenschaft wird diese Theorie auch mit dem feststehenden Ausdruck Zwischenmenschliche Beziehungen in der Pflege bezeichnet.) Vier Schlüsselkonzepte: • • • • Das Konzept der Wechselseitigkeit Das Konzept der Phasenbezogenheit Die Bedürfnisse und die Stufen der Angst Das Konzept des interpersonalen Lernens 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 72 36 19.10.2014 Die gute alte Hildegard Peplau Theorie der interpersonalen Beziehung in der Pflege Die Theorie setzt den konzeptuellen Bezugsrahmen für die Psychodynamische Pflege, das der Peplauschen Theorie zugeordnete Pflegemodell, welches vorrangig in der psychiatrischen Pflege eingesetzt wird. Ausgangspunkt der Theorie ist die Beziehung zwischen Pflegekraft und der gepflegten Person innerhalb einer Pflegesituation, welche die alltäglichen Schwierigkeiten des Lebens widerspiegelt. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Interaktion zwischen den Beteiligten und der Bestimmung der dieser Beziehung zugrunde liegenden Strukturen. Diese Kenntnisse sollen die Pflegekraft in die Lage versetzen, die Interaktion so zu gestalten, dass sie für Pflegenden und Gepflegten zu einer Lernerfahrung wird. 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 73 Das Lernen von Beziehungen Folgende Dimensionen (acht Phasen nach Erikson) bestimmen unsere Beziehungen und entsprechende Konflikte zu anderen Menschen: • • • • • • • • Vertrauen versus Misstrauen Autonomie versus Abhängigkeit Initiative versus Schuldgefühl Aktivität versus Passivität Identität versus Rollendiffusion Intimität versus Isolation Altruismus versus Egoismus Integrität versus Verzweiflung Querverweis: Bindungstheorie nach Bowlby und Ainsworth 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 74 37 19.10.2014 Das Lernen von Beziehungen Diese Dimensionen, die unsere Beziehungen zu anderen bestimmen, sind letztlich Gefühle, aber auch „gleichzeitig Weisen des Erfahrens, die der Introspektion zugänglich sind, Weisen des Verhaltens, die von anderen beobachtet werden können, und unbewusst innere Zustände, die durch Tests und Analyse bestimmbar sind.“ (Erikson 1979, zitiert in: Schröck 1991) Schlüsselkonzepte der psychiatrischen Intervention 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 75 Wampold-Studie 2001 • • • „Psychotherapie ist bemerkenswert wirksam“. Alle Psychotherapieverfahren haben eine absolute Effektstärke von 0.80, d.h. etwa 75% aller Patienten profitieren nachweislich von einer Psychotherapie. Es hat sich gezeigt, dass es hinsichtlich der Wirksamkeit der unterschiedlichen Verfahren lediglich geringe, wenn nicht gar keine Unterschiede gibt. Die geringen Unterschiede im Outcome verschiedener Psychotherapieformen widerlegen, dass spezifische Interventionen die Wirksamkeit von Psychotherapie bedingen. Die allen untersuchten Psychotherapien gemeinsamen, d.h. die generellen Wirkfaktoren machen rund 70 Prozent der Gesamtwirksamkeit aus. – Alle diese Befunde sind so eindeutig, dass Wampold feststellt, weitere „Ergebnisstudien sind einzuschränken“und der „(Forschungs)fokus ist auf Behandlungsaspekte zu legen, die die Wirkungen genereller Faktoren erklären können“ (vgl. Piegler 2005) 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 76 38 19.10.2014 Wampold-Studie 2001 • Die spezifischen Wirkfaktoren der verschiedenen Psychotherapieformen machen höchstens 4 bis 8 Prozent der Gesamtwirksamkeit von Psychotherapie aus. – Kein einziger spezifischer Wirkfaktor, z.B. Hypnose, Biofeedback, systematische Desensibilisierung, psychoanalytische Deutung, Sitzungsfrequenz, die Befolgung einzelner Vorschriften von Therapiemanualen, die Bewegung des Fingers beim EMDR, weitere spezifische Interventionen bei Traumatherapien etc. sind unabdingbare Voraussetzung, um eine therapeutische Wirkung zu erzielen. • Der Wirksamkeitsrest von mindestens 22 Prozent ist wahrscheinlich überwiegend durch bisher unerforschte Therapeutenvariablen und durch spezifische Eigenschaften von Patienten bedingt. (vgl. Piegler 2005) 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 77 Wampold-Studie 2001 • Die Wirksamkeitsunterschiede zwischen den verschiedenen Therapieverfahren sind deutlich geringer als die zwischen verschiedenen Therapeuten innerhalb ein und desselben Therapieverfahrens. – Dieser Befund falsifiziert die Spezifitätshypothese, er bestätigt die Äquivalenzhypothese und zeigt, dass die in etwa gleich wirksamen unterschiedlichen Behandlungsverfahren ihre Wirksamkeit nicht aus ihren spezifischen Interventionsformen beziehen, sondern aus der Realisierung genereller Wirkfaktoren und schließlich zeigt er auch, dass die Bedeutung der Therapeutenpersönlichkeit die des Verfahrens bei weitem übersteigt. – Die bisherige Annahme, dass die spezifischen Interventionen des jeweiligen Behandlungsansatzes notwendig sind, um Veränderungen in Richtung Heilung beim Patienten zu bewirken, ist nicht länger haltbar! „Die Ergebnisse der Studien ... vermochten es nicht, Belege für die Wirksamkeit (spezifischer Interventionen) aufzudecken. ... Selbst die spezifischen Interventionen des bekanntesten therapeutischen Ansatzes, der kognitiv-behavioralen Therapie, sind offensichtlich nicht für den Erfolg der Behandlung verantwortlich“ (vgl. Piegler 2005) 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 78 39 19.10.2014 Wampold-Studie 2001 (vgl. Piegler 2005) 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 79 Störungsbegriff Psychische Störung • klinisch bedeutsames Erlebens- und Verhaltensmuster (Schwere) • aktuelles Leiden oder Behinderung oder Beeinträchtigung der Fähigkeit, Entwicklungsaufgaben zu bewältigen oder signifikant erhöhtes Risiko für Tod, Schmerz, Siechtum oder Verlust von Freiheit Behandlungsbedürftigkeit • Krankheitswertigkeit (= deutliche Einschränkung der normalen Lebensführung, der individuellen Leistung und/oder der sozialen Aktivitäten und Beziehungen) • Vorhandensein einer Behandlungsmethode, die (wissenschaftlich belegt) eine Besserung oder Heilung wahrscheinlich macht 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 80 40 19.10.2014 ‚medical model‘ • • • • • a) Der Patient (oder Klient) hat eine Krankheit (ein Problem, eine Beschwerde), deren Symptome als Zeichen einer zugrundeliegenden Störung gelesen und in eine diagnostische Taxonomie gruppiert werden kann; b) die Krankheit wird durch eine psychologische Hypothese erklärt; c) der "Mechanismus" der Veränderung oder Heilung wird dem speziellen psychotherapeutischen Ansatz zugerechnet und leitet sich aus der Hypothese ab; d) jedem therapeutischen Ansatz eignen spezifische therapeutische Ingredienzien; e) es gibt einen spezifischen Faktor des therapeutischen Ansatzes, der für eine spezielle Störung als wirksam identifiziert und letztlich in einer manualisierten Form beschrieben werden kann. (Wampold 2001) 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 81 ‚contextual model‘ • a) Psychotherapie wird als emotional hochbesetzte Beziehungsform angesehen, die eine hilfesuchende Person vertrauensvoll mit einem professionellen Therapeuten eingeht; • b) der Patient glaubt - und diese Überzeugung bzw. Hoffnung wird nicht zerstört -, dass der Therapeut tatsächlich hilfreich handelt; • c) es gibt eine Art Plan oder Schema, vielleicht sogar einen Mythos, der eine plausible Erklärung für die Probleme liefert und • d) schließlich eine Art Ritual oder Prozedur, sie zu bewältigen. (Wampold 2001) 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 82 41 19.10.2014 Generelle (psychotherapeutische) Wirkfaktoren nach Rosenzweig • • • • • • • • die Fähigkeit von Therapeuten, ihre Persönlichkeit zur Gestaltung des therapeutischen Prozesses zu nutzen, Erschaffen und Aufrechterhalten einer emotional bedeutungsvollen und vertrauensvollen Beziehung (das „psychotherapeutische Arbeitsbündnis“), das Bemühen des Therapeuten um bedingungslose Annahme des Patienten und lang anhaltende Empathie, das Auflösen von Störungen in der therapeutischen Beziehung, die Überzeugung des Therapeuten, dass seine Therapiekonzeption hilfreich ist („die Allegianz“) und die entsprechende Erwartung des Patienten, Formulieren konsistenter Interventionen gemäß einer Therapiekonzeption, einem Behandlungsplan bzw. -schema oder - mythos, der oder das eine plausible, wenn auch nicht notwendigerweise wahre Erklärung der Symptome des Patienten ermöglicht und aufzeigt, wie der Patient seine emotionalen Schwierigkeiten überwinden kann, eine Vorgehensweise mit aktiver Teilnahme sowohl seitens des Patienten als auch des Therapeuten, Bestehen eines gemeinsamen Weltbildes. Rosenzweig S (1936) Some Implicit Common Factors in Diverse Methods of Psychotherapy: At last the Dodo said, „Everybody has won and all must have prices.“ Am. J. of Orthopsychiatry, 6: 412-415; vgl. Ausführungen in Piegler 2005 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 83 Unspezifische (psychotherapeutische) Wirkfaktoren • • • • • • Verständnis Respekt Interesse Ermutigung Anerkennung Vergebung • • • • Wärme Akzeptanz Empathie therapeutische Beziehung • Lösung von Problemen • Klärung (Bauer 1998, 1999) 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 84 42 19.10.2014 „Hilfen in der Krankheits- und Alltagsbewältigung sowie der Beziehungs- und Milieugestaltung sind in hohem Maße kontextgebunden und abhängig von der Persönlichkeit der zu Pflegenden, ihrem sozialen Umfeld und häufig auch durchführungsoffen und unspezifisch bezüglich ihrer Wirkfaktoren. Es handelt sich in der Regel um komplexe psychosoziale Interventionen, deren Ziel die Förderung der größtmöglichen Autonomie des Individuums trotz seiner Erkrankung ist.“ (vgl. Schoppmann & Schmitte 2011) 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 85 „Die Wirksamkeit dieser unspezifischen Faktoren bestätigt die Bedeutung der Beziehungspflege für die psychiatrische Pflege. Die Nähe dieser Faktoren zu den Caring-Dimensionen ist leicht zu erkennen. Daraus folgt, dass eine Pflegende, die Caring als professionelle Haltung verinnerlicht hat, therapeutisch wirksam arbeitet und dadurch zur Heilung und Linderung der Gesundheitsprobleme beiträgt.“ (Wolff et al. 2011) 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 86 43 19.10.2014 Caring-Dimensionen • Jemanden kennen • Sich einlassen • Sich sorgen um / sorgen für • Sich einfühlen • Präsent sein / da sein • Geduldig sein • • • • • • Zuhören können Bescheiden sein Mutig sein Vertrauen haben Hoffnung haben Ehrlich sein Schmidt 1994, 1996 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 87 Die zwölf Schritte zum anderen • Ich muss die Begegnung wollen • Ich muss auf die Einzigartigkeit des anderen neugierig sein • Ich muss in dem allerelendsten, verzweifeltsten, kränksten, behindertsten oder bösesten Menschen den Menschen schlechthin sehen • Ich muss das von dir Gesagte respektieren • Ich muss die Wahrnehmungen anderer über dich und mich respektieren • Ich muss dich als Teil deiner materiellen und sozialen Welt sehen (Dörner 1989, zitiert in: Schröck 1991) 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 88 44 19.10.2014 Die zwölf Schritte zum anderen • Ich muss meine Ersatzfunktion erkennen und akzeptieren • Ich muss akzeptieren, dass du etwas anderes willst als ich und darf nicht der Faszination der Symptome erliegen • Ich sage nicht, ich verstehe dich • Ich will dich nicht ändern • Ich will nicht über deine Krankheit, sondern mit dir sprechen • Ich will (darf) dich nicht nackt ausfragen (Dörner 1989, zitiert in: Schröck 1991) 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 89 Die Qualität einer komplexen Behandlung von Menschen mit psychischen Erkrankungen ist direkt abhängig von der Anzahl und Qualifikation des therapeutischen und pflegerischen Personals. Dies ist der wesentliche „Wirkfaktor“ einer auf Beziehungskonstanz und Gespräche ausgerichteten Psychiatrie und Psychosomatik. DGPPN 2011 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 90 45 19.10.2014 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! www.schmitte.de Detaillierte Literaturangaben beim Verfasser! 19.10.2014 Holger Schmitte, M.Sc. 91 46