Kommunikationsprozesse und

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Ursula Kocs
Herausgeber: Ursula Kocs, Thomas Kratz
Kommunikationsprozesse und
-strategien in Pflegeberufen
Kompetente Pflege
1. Auflage
Bestellnummer 16100
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Dann senden Sie eine E-Mail an [email protected]
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www.bildungsverlag1.de
Bildungsverlag EINS GmbH
Hansestraße 115, 51149 Köln
ISBN 978-3-427-16100-4
© Copyright 2013: Bildungsverlag EINS GmbH, Köln
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schriftlichen Einwilligung des Verlages.
Hinweis zu § 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne eine solche Einwilligung eingescannt und in ein Netzwerk eingestellt werden.
Dies gilt auch für Intranets von Schulen und sonstigen Bildungseinrichtungen.
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Vorwort
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Vorwort
Liebe Leserin, lieber Leser,
die neue Themenreihe „Kompetente Pflege“ ist flexibel, schüler-, handlungs- und praxisorientiert gestaltet und berücksichtigt aktuelle Erkenntnisse der Fachwissenschaft.
Flexibel wird die Themenreihe durch die einzelnen Themenhefte, die jeweils einen
Schwerpunkt abbilden.
Schülerorientiert sind die Themenhefte in ihrer Bild- und Textgestaltung.
Durch die Lernsituationen berücksichtigen die Themenhefte stringent einen handlungsorientierten didaktischen Ansatz.
Praxisorientiert sind die Themenhefte, da viele Aufgaben in der Praxis von Praxisanleitern aufgegriffen werden können und somit der Theorie-Praxis-Transfer erleichtert
wird.
Zusammen ist dadurch ein innovativer und an den Themenheften orientierter Unterricht
möglich.
Die Themenreihe ist für alle pflegerischen und sozialpflegerischen Berufe und Ausbildungen der Berufsfachschulen, Berufskollegs und Fachschulen (von Altenpflegehilfe, Altenpflege, Diätassistentinnen und Diätassistenten, Familienpflegerinnen und Familienpfleger,
Gesundheits- und Krankenpflege, Gesundheits- und Kinderkrankenpflege, Heilerziehungspflege, medizinische Fachangestellten sowie pflegeorientierte Studiengänge) bestimmt.
Durch die Aufteilung in Themenhefte ist eine für den Ausbildungsgang spezifische Auswahl
möglich. Zur besseren Orientierung besitzen die Themenhefte einen farblichen Einband,
der sich an den Lernbereichen des Rahmenlehrplans der Pflegeausbildung orientiert:
Lernbereich
Lernbereich
Lernbereich
Lernbereich
Lernbereich
1 – Aufgaben und Konzepte = grüne Reihe
2 – Unterstützung pflegebedürftiger Personen = lila Reihe
3 – Institutionelle und rechtliche Rahmenbedingungen = orange Reihe
4 – Pflege als Beruf = rote Reihe
übergreifend = blaue Reihe
Dabei sind die Lernsituationen an einer Modelleinrichtung ausgerichtet, sodass ein situationsorientiertes Lernen möglich wird. Die Aufbereitung des Unterrichts wird damit wesentlich reduziert, ohne die methodische Vielfalt einzugrenzen. Damit stellt die Themenreihe
einen neuen Charakter von Schul- und Lehrbüchern dar.
Die Themenhefte berücksichtigen die aktuellen pflegewissenschaftlichen Erkenntnisse und
die Expertenstandards, was sie als Lehrbücher auszeichnet. Darüber hinaus sind die Themenhefte als Schulbücher konzipiert, die im didaktischen Ansatz handlungs- und kompetenzorientiert ausgerichtet sind.
Das bedeutet, Sie verfügen in jedem Themenheft über
eine Auswahl von Aufgabenstellungen und Falldarstellungen, sodass mithilfe des Themenheftes Unterrichtsreihen gestaltet werden können;
eine integrierte dreistufige Lernsituation, die sich in der Komplexität oder Schwerpunktsetzung steigert und je nach Ausbildungsstand von den Schülerinnen und Schülern in
Teilen oder vollständig selbstständig bearbeitet werden kann. Die Aufgabenformulierungen in der Lernsituation berücksichtigt das Prinzip der vollständigen Handlung, was ein
reflexives Lernen ermöglicht.
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Vorwort
Durch die unterschiedlichen Aufgabenformate und die gestufte Lernsituation wird eine
Förderung der beruflichen Handlungskompetenz berücksichtigt. Dabei wurde besonders
auf eine Anwendungsorientierung geachtet, die sich aus einer Situationsorientierung
einschließlich einer Problemorientierung und einer Entscheidungsorientierung zusammensetzt. Zu den fachdidaktischen Prinzipien zählen ebenso die Wissenschaftsorientierung und die Heterogenität. Mit Heterogenität werden die Voraussetzungen und
Rahmenbedingungen der Pflegeinstitute und Personen verstanden, die im Beziehungsprozess der Pflege stehen. Damit wird eine professionelle Fallarbeit gewährleistet.
Um die Anwendungsorientierung zu ermöglichen, wurde eine Modellgesundheitseinrichtung mit Krankenhaus, Altenheim und ambulanten Pflegedienst entwickelt, an der sich die
Fallsituationen orientieren (hermeneutischer Ansatz). Die Modellgesundheitseinrichtung
bietet die Möglichkeit, möglichst realistische Fälle aus dem Handlungsfeld der Auszubildenden zu integrieren (empirischer Ansatz).
Unter BuchplusWeb (siehe Code) kann das Organigramm der Modellgesundheitseinrichtung nach einer Registrierung kostenfrei heruntergeladen werden. Zudem finden Sie unter
BuchplusWeb unterjährige Aktualisierungen zur Themenheftreihe, weitere Zusatzinformationen und Zusatzmaterialien sowie weitere, kostenpflichtige Lernsituationen und Lösungen zum Download.
Wir wünschen Ihnen mit der neuen Themenreihe viel Freude und Erfolg im Unterricht.
Die Herausgeber
Ursula Kocs und Thomas Kratz
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Inhaltsverzeichnis
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Inhaltsverzeichnis
1
Grundlagen der Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
1.1
1.2
1.3
1.4
Sender-Empfänger-Modell. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Kommunikationskanäle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Fünf Axiome der Kommunikation nach Watzlawick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Kommunikation in der Pflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8
12
13
15
2
Kommunikationstechniken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17
2.1
2.2
2.3
2.4
2.5
Aktives Zuhören . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Kommunikationsquadrat nach Schulz von Thun . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Fragen stellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Paraphrasieren, Verbalisieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Kommunikationssperren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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22
25
27
3
Kommunikation und Beziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30
3.1
3.2
Transaktionsanalyse (Ich bin o. k. – Du bist o. k.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die drei therapeutischen Grundhaltungen nach Rogers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30
36
4
Alltagskommunikation mit Hilfsbedürftigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
38
4.1
4.2
4.3
4.4
Begrüßung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Abschied . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Babysprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Wir-, Man-, Du-Botschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39
40
41
42
5
Fachgespräche unter Kollegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
5.1
5.2
5.3
5.3.1
5.3.2
5.4
Die Übergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Das Feedback . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die Teambesprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Ablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Themenzentrierte Interaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die Fallbesprechung (kollegiale Beratung). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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54
56
57
58
6
Professionelle Kommunikation im Pflegealltag. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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6.1
6.1.1
6.1.2
6.1.3
6.1.4
6.2
6.2.1
6.2.2
Die Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Kontakt zum Ratsuchenden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Situationsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die Prozessberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die Fachberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die Anleitung als Aufgabe der Pflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Vorbereitung der Anleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Durchführung der Anleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Lernsituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
88
7.1
7.2
7.3
1. Ausbildungsjahr (Helferausbildung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Ausbildungsjahr (Pflegeausbildung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3. Ausbildungsjahr (Bachelor) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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90
93
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Bildquellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Grundlagen der Kommunikation
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Grundlagen der Kommunikation
Janina Langhals und Emilia Dragulescu haben sich zur Ausbildung in der Pflege entschlossen,
weil sie gerne mit Menschen arbeiten möchten. Mit der für sie erfüllenden, sinnvollen Tätigkeit verhelfen sie anderen Menschen zu mehr Lebensqualität. Janina hat sich für die Altenpflege und Emilia für die Gesundheits- und Krankenpflege entschieden. Beide sind
Auszubildende im ersten Lehrjahr und besuchen die Schule im Zentrum für Gesundheitsberufe. Hier lernt auch Nick Wohler, der seine Ausbildung zum Altenpflegehelfer begonnen hat.
Alle drei haben im ersten Praktikum einen ähnlichen Auftrag: Sie sollen ihre Kommunikation
mit Hilfsbedürftigen und Kollegen verbessern. Dafür sollen sie sich insbesondere um Menschen kümmern, die erst vor kurzer Zeit hilfsbedürftig wurden. Zu diesen sollen sie eine Beziehung aufbauen, Informationen sammeln und die Informationen an Kollegen weitergeben. Sie
sollen sich ins Team integrieren und sich aktiv an der Teamarbeit beteiligen.
Thorben Bader ist bereits im dritten Ausbildungsjahr und studiert berufsbegleitend Pflege an
der Fachhochschule. Er macht gerade sein Praktikum in der ambulanten Pflege. Sein Ziel ist
es, Beratungs- und Anleitungskompetenzen zu erwerben.
Kommunikation ist so alltäglich, dass es uns schwerfällt zu beschreiben, was wir eigentlich
tun, wenn wir kommunizieren. Menschen in Pflegeberufen kommunizieren gerne, sonst
hätten sie sicherlich nicht diesen Beruf gewählt. Aber wir alle kennen Situationen, in denen
wir das Gefühl haben, aneinander vorbeizureden. Sie kennen sicher Menschen, mit denen
sie sich blind verstehen oder andere, mit denen man nicht reden kann. In diesem Kapitel
geht es darum, herauszufinden, was Kommunikation ausmacht. Sie sollen durch Selbstreflexion und Übungen lernen, gezielter zu kommunizieren und Kommunikationsschwierigkeiten besser zu erkennen.
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Grundlagen der Kommunikation
1.1 Sender-Empfänger-Modell
Die drei Auszubildenden im ersten Lehrjahr überlegen gemeinsam, in welchen Situationen
Kommunikation schwierig ist. „Manchmal verstehe ich gar nicht, was Schwester Regina
mir sagen will“, berichtet Emilia. Janina meint: „Mein Problem ist eher, dass Herr Müller
mich immer falsch versteht. Er meinte neulich, ich sei frech – dabei gebe ich mir solche
Mühe, gerade bei ihm freundlich zu sein.“ „Und ich versuche ständig, mit Frau Papalidis
Kontakt herzustellen, erreiche sie aber nicht. Ich kann mit ihr kein Gespräch führen“,
ergänzt Nick.
Um zu verstehen, warum Kommunikation manchmal nicht gelingt muss man zunächst
wissen wie Kommunikation funktioniert.
Unter Kommunikation versteht man den Austausch, die Vermittlung und die Aufnahme von
Informationen zwischen mindestens zwei Menschen.
Beispiel
„Guten Morgen, Herr Müller“, sagt Janina und lächelt dabei. „Ich muss schon wieder aus dem Bett und
dieses junge Ding ist auch noch schadenfroh“, denkt Herr Müller.
In dem Beispiel wird deutlich, dass es bei der Kommunikation zu Schwierigkeiten kommen
kann. Janina (Sender) sendet eine Botschaft, um eine freundliche Atmosphäre herzustellen,
und scheitert dabei. Bei Herrn Müller (Empfänger) kommt eine andere Botschaft an, als
Janina senden wollte.
Kommunikation ist dann erfolgreich, wenn der Empfänger das empfängt, was der Sender senden will.
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Sender-Empfänger-Modell
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Beispiel
Bevor Janina das Zimmer von Herrn Müller betritt, überlegt sie sich (mehr oder weniger bewusst), was sie
nun will: Sie möchte freundlich Kontakt zu Herrn Müller herstellen, um ihm dann bei der Morgentoilette zu
helfen. Das kann sie auf unzählige Art tun. So kann sie z. B. schon an der Türe „Moin, moin!“ rufen oder
still an das Bett gehen und ganz leise sagen „Tut mir leid, es ist wieder so weit ...“.
n Aufgabe 1
Sammeln Sie einige Möglichkeiten, hilfebedürftige Menschen zu begrüßen, bevor Sie mit der Pflege
beginnen.
Leider passiert es häufig, dass unsere Mitmenschen anders reagieren, als wir es uns vorstellen. Das liegt daran, dass der Prozess des Sendens und Empfangens kompliziert ist und
zahlreichen Störungen unterliegen kann.
Wie Janina morgens auf Herrn Müller zugeht, hängt von vielen Faktoren ab:
Sprache: Welche Sprache beherrscht sie? Welchen Dialekt, welche schicht- oder generationsspezifischen Eigenheiten sind ihr geläufig?
Wissen: Was weiß sie über Begrüßungsregeln? Was weiß sie über Herrn Müller?
Erfahrungen: Was hat sie für Erfahrungen mit unterschiedlichen Begrüßungsritualen
gemacht? Welche Erfahrungen hat sie mit Herrn Müller gemacht?
Werte und Normen: Was sind ihre Vorstellungen von Begrüßungsritualen, Morgentoilette usw.?
Motivation/Ziel: Was möchte sie in dieser Situation erreichen?
Gefühle: Wie geht es ihr selbst heute in dieser Situation?
Körperlicher Zustand: Hat sie Schmerzen? Ist sie müde oder hungrig?
Selbstbild: Was hat sie für eine Einstellung zu sich selbst? Wie sieht sie sich in ihrer Rolle
als Pflegeschülerin?
Partnerbild: Was denkt sie über Herrn Müller? Wie sieht sie ihn?
Alle diese Faktoren haben Einfluss darauf, wie aus einem Gedanken eine Mitteilung wird.
Abhängig von diesen Faktoren verschlüsselt der Sender seine Botschaft. Aus einem Gedanken wird eine Äußerung geformt und diese wird dann gesendet. Das bedeutet, der Sender
wählt eine „Verpackung“ für seine Botschaft. Wir haben relativ wenig Möglichkeiten,
unsere Gedanken auszudrücken. Wir können das verbal (sprachlich, also mit Worten) und
nonverbal (nicht sprachlich, also mit Gestik und Mimik) tun (vgl. Kapitel 1.2).
Jede Äußerung eines Menschen (verbal oder nonverbal) ist ein verschlüsselter (codierter) Gedanke.
Eine vom Sender verpackte Botschaft wird nun gesendet und (hoffentlich) vom Empfänger
empfangen. Nun liegt es am Empfänger, diese Botschaft zu entschlüsseln. Er muss die
Worte, die er hört, wieder in Gedanken umwandeln, damit er sie verstehen und darauf
reagieren kann. Er muss jedem Wort und jeder Geste eine Bedeutung zuordnen und schließlich entscheiden, was die gesamte Botschaft bedeuten soll. Dieser Entschlüsselungsprozess
ist wie der Prozess des Sendens abhängig von vielen Faktoren, wie dem Wissen, den
Erfahrungen, dem körperlichen Zustand des Empfängers usw.
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Grundlagen der Kommunikation
Um die Äußerung eines Menschen zu verstehen, müssen wir diese entschlüsseln (decodieren).
Es wird deutlich, dass Kommunikation nur dann erfolgreich sein kann, wenn der Sender
seine Botschaft so verschlüsselt, dass der Empfänger diese richtig versteht (richtig
entschlüsselt).
Beispiel
Janina hat schon schlechte Erfahrungen mit Herrn
Müller gemacht. Eigentlich ist sie immer fröhlich
und freundlich; wenn sie zu Herrn Müller muss,
fühlt sie sich aber unsicher und klein. Er guckt immer
so streng wie der Nachbar, der sich immer
beschwerte, wenn Janina zu laut war. Sie fühlt sich
unsicher und unwohl. Trotzdem weiß sie, dass sie
heute ihre Arbeit machen muss. Sie muss Herrn
Müller bei der Morgentoilette helfen. Sie versucht
also, betont fröhlich und freundlich auf ihn zuzugehen. Herr Müller war Lkw-Fahrer und hatte aus gutem Grund keine Kinder. In seinen Augen ist die Jugend
faul, frech und hat keine Ahnung, wie das wirkliche Leben aussieht. Er hat auch nie geheiratet, weil die
Frauen sowieso immer nur sein Geld wollten. Frauen sind in seinen Augen falsch und hinterhältig, insbesondere wenn sie sich bei ihm einschmeicheln wollen. Seit er krank ist, hat er noch mehr das Gefühl, auf der
Hut sein zu müssen. Ganz besonders schlimm findet er Janina, die immer so froh und munter tut.
Es wird deutlich, dass die Kommunikation zwischen Janina und Herrn Müller nicht funktioniert. Sie sind nicht auf einer Wellenlänge. Sie sind sehr unterschiedlich und „verstehen“
sich nicht. Damit die Kommunikation besser funktioniert, müssten sie mehr voneinander
wissen. Janina könnte dann ihre Botschaft so verschlüsseln, dass Herr Müller eher das versteht, was sie meint. Wüsste Herr Müller mehr über Janina, könnte er ihre Botschaft eher
so entschlüsseln, wie sie sie gemeint hat.
Beispiel
Wüsste Janina mehr über die Einstellungen und Erfahrungen von Herrn Müller, würde sie ihre Begrüßung
anders formulieren, z. B. so: „Entschuldigen Sie die Störung, Herr Müller. Ist es Ihnen recht, wenn ich Ihnen
jetzt bei der Morgentoilette helfe?“ Wüsste Herr Müller mehr über Janinas Ängste und ihre Rolle als
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Sender-Empfänger-Modell
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Schülerin, könnte er eher verstehen, dass sie ihre Arbeit besonders gut machen will. Er könnte verstehen, dass
ihre betonte Freundlichkeit ein Versuch ist, besonders gut zu arbeiten.
n Aufgabe 2
Während Ihres Praktikums haben Sie sicherlich unzählige Male hilfebedürftige Menschen oder Kollegen begrüßt. Überlegen Sie, was Sie über diese Menschen wissen und inwieweit dieses Wissen Ihre
Begrüßungsrituale beeinflusst hat.
n Aufgabe 3
Überlegen Sie sich Situationen, in denen Menschen auf Ihre Begrüßung anders reagiert haben, als
Sie das erwartet haben. Was könnte diese Reaktion hervorgerufen haben?
n Aufgabe 4
Erarbeiten Sie anhand des bis jetzt Gelernten mögliche Ursachen für Schwierigkeiten bei der
Kommunikation.
Wenn Janina versteht, was bei einem Gespräch passiert, hat sie größere Chancen auf eine gelungene
Kommunikation.
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Grundlagen der Kommunikation
1.2 Kommunikationskanäle
Nick hat Schwierigkeiten, mit Frau Papalidis Kontakt herzustellen. Nun ist ihm klar geworden, dass dies nicht nur daran liegt, dass Frau Papalidis eine andere Sprache spricht, sondern auch daran, dass sie kein Interesse an den Themen hat, die Nick bisher angesprochen
hat (z. B. das Wetter oder die Aktivitäten im Haus). Die Praxisanleiterin gibt ihm den Rat,
es mit nonverbaler Kommunikation zu versuchen.
Einen Gedanken oder eine Botschaft müssen wir auf irgendeine Art verschlüsseln, um ihn
an einen Empfänger zu vermitteln. Dazu haben wir mehrere Möglichkeiten.
Beispiel
Nick möchte Frau Papalidis vermitteln, dass er ihr Vertrauen gewinnen will, um ihre Wünsche und Bedürfnisse zu verstehen und zu
erfüllen. Dies hat Nick Frau Papalidis schon mehrmals gesagt. Jedes
Mal sah Frau Papalidis Nick nur traurig an und antwortete nicht.
Enttäuscht ging Nick wieder aus dem Zimmer.
Welche Möglichkeiten hat Nick, um Frau Papalidis zu verstehen? Welche Möglichkeiten
der Kommunikation haben wir?
Verbale Kommunikation
Nonverbale Kommunikation
Sprache
Körpersprache
Objektsprache
Raumsprache
Wörter (gesprochen,
Körperhaltung
Körpernah (Haare, Kleider,
Distanzzonen (Wie viel Nähe
geschrieben)
(Anspannung,
Schmuck)
oder Distanz besteht? Wo
Bewegung)
berühren sich die Partner?)
Bilder (Zeichen,
Gestik (Handbewe-
Körperfern (Wohnungsein-
Territorien (Wo stehen die
Buchstaben)
gungen, Kopfhal-
richtung, Dekoration,
Partner im Raum? Sind sie
tung)
Erinnerungsstücke, Urkun-
einander zugewandt oder
den, Gebrauchsgegen-
nicht? Steht ein Partner
stände, Statussymbole)
höher als der andere?)
Paraverbale Kommuni-
Mimik
Zeiteinteilung (Rituale,
kation
(Augenbrauen,
Aktivitäten, Rückzug, Freizeit)
Mundhaltung)
Lautstärke
Tonfall
Geschwindigkeit
Deutlichkeit
Sprachrhythmus
Pausen
Dialekt
Blickkontakt
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Fünf Axiome der Kommunikation nach Watzlawick
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Nick erhält von Frau Papalidis keine verbalen Botschaften. Trotzdem kann er sich bemühen, nonverbale Signale zu empfangen und zu verstehen.
Beispiel
Frau Papalidis sitzt immer kerzengrade und angespannt in einem Sessel (Körperhaltung). Ihre Hände
sind immer ineinander verkrampft (Gestik), ihre
Augen sind weit aufgerissen und sorgenvoll. Sie hält
kurz Blickkontakt und sieht dann wie beschämt weg
(Blickkontakt). Sie sieht sich immer verwundert oder
ängstlich um (Mimik). Frau Papalidis ist immer
schwarz gekleidet. Sie trägt ihre grauen Haare nach
hinten gekämmt unter einem Wolltuch. Sie trägt keinen Schmuck – ihr Erscheinungsbild ist sehr bescheiden. Sie hat immer ein weißes besticktes Tüchlein zwischen ihren verkrampften Händen (Objektsprache
körpernah). In ihrem Zimmer hat Frau Papalidis ein altes vergoldetes Marienbild, um das ein Rosenkranz
hängt. Außerdem hat sie einige Familienfotos aufgestellt: Ihr Hochzeitsfoto ist schwarz-weiß, zeigt sie und
ihren Mann in traditioneller griechischer Kleidung inmitten einer Dorfgemeinschaft. Ein Bild zeigt ihren Sohn
mit Familie vor einem reich geschmückten Weihnachtsbaum. Das andere Bild zeigt ihre Tochter mit Familie
vor einem Haus mit Meerblick in Griechenland (Objektsprache körperfern). Frau Papalidis sitzt immer alleine
in einer stillen Ecke (Raumsprache).
Nick hat also viele Möglichkeiten, etwas über Frau Papalidis zu erfahren. Ebenso hat er viele
Möglichkeiten, Botschaften an Frau Papalidis zu senden.
n Aufgabe 5
Sammeln Sie Möglichkeiten, Frau Papalidis die Botschaft „Ich habe Interesse an dir“ zu senden.
1.3 Fünf Axiome der Kommunikation nach Watzlawick
Emilia arbeitet seit einigen Tagen zusammen mit Regina Wagner, der Pflegehelferin mit
langjähriger Erfahrung auf dieser Station. Nun machen sie gemeinsam Pause. Seit fünf
Minuten sitzt Regina da, sieht auf einen imaginären Punkt hinter Emilia und nippt aus
ihrer Kaffeetasse. Emilia fragt: „Was ist los?“ Regina antwortet: „Nichts, ich hab doch gar
nichts gesagt.“ Emilia schweigt und fühlt sich sehr unwohl.
Was passiert in der beschriebenen Situation? Es wird nichts gesagt. Beide sitzen stumm im
Pausenraum. Der berühmte Kommunikationsforscher Paul Watzlawick (*1921 in Villach,
Österreich, †2007 in Palo Alto, Kalifornien) formulierte fünf Axiome (Grundgesetze) der
Kommunikation (www.paulwatzlawick.de).
1. „Man kann nicht nicht kommunizieren.“
Wenn zwei Menschen aufeinandertreffen, senden sie Informationen, auch wenn sie das
nicht beabsichtigen. Wir können nicht verhindern, dass sich unsere Interaktionspartner
ein Bild von uns machen. Jeder Mensch versucht, unser Erscheinungsbild, unsere Mimik
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Grundlagen der Kommunikation
und Gestik zu entschlüsseln. Wenn wir auf einen anderen Menschen treffen, senden wir
Botschaften. Genauso wie jeder Mensch uns Botschaften sendet, auf den wir treffen.
Beispiel
Regina ist sehr müde, sie hat zu Hause zwei kranke Kinder und viele andere Sorgen. Wenn sie mit Emilia
arbeitet, wird sie immer wieder an ihre eigenen verpassten Chancen erinnert. Sie ist manchmal verbittert
darüber, dass sie „nur“ Hilfskraft ist. Alle diese Gedanken und Gefühle beeinflussen die Kommunikation mit
Emilia, ohne ausgesprochen zu werden. Obwohl Regina nichts sagt, weiß Emilia, dass Regina nicht mit ihr
sprechen will, dass sie in einer schlechten Stimmung ist.
Jeder muss sich bewusst sein, dass seine Gedanken, Gefühle und sein körperlicher Zustand
von anderen Menschen wahrgenommen werden können. Wie andere Menschen auf eine
Person reagieren, liegt also u. a. auch daran, was diese sendet.
Je bewusster ich mir bin, was ich aussende, umso eher kann ich verstehen, warum andere so oder
so auf mich reagieren. Was ich denke und fühle, beeinflusst meine Kommunikation.
2. „Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt, wobei letzterer den
ersten bestimmt.“
Wenn Regina sagt: „Nichts, ich habe doch nichts gesagt“, sendet sie den Inhalt, dass sie
nichts gesagt hat. Trotzdem empfindet Emilia diese Äußerung als Zurückweisung. Denn
Regina sendet: „Lass mich in Ruhe, ich will mit dir nicht sprechen.“ Dieses Phänomen wird
in Kapitel 3 näher beleuchtet.
3. „Kommunikation ist immer Ursache und Wirkung.“
In der menschlichen Kommunikation ist jede Äußerung immer die Reaktion auf eine vorherige Botschaft. Emilia reagiert auf die nonverbalen Botschaften von Regina; Regina
reagiert auf die verbale Äußerung von Emilia usw.
Beispiel
Auf die Äußerung Reginas könnte Emilia z. B. so reagieren, dass sie versucht herauszufinden, was Regina
beschäftigt. Regina würde wahrscheinlich noch zurückweisender reagieren, worauf Emilia noch mehr nachbohren würde usw.
4. „Menschliche Kommunikation bedient sich analoger und digitaler Modalitäten.“
Wie schon in Kapitel 1.2 dargestellt, können wir verbal und nonverbal kommunizieren.
Wichtig ist dabei zu beachten, dass wir Beziehungsaspekte häufiger nonverbal kommunizieren und Inhaltsaspekte eher verbal. Problematisch kann dabei werden, dass nonverbale
Signale leichter missverstanden werden können als verbale Signale.
Beispiel
Das Schweigen Reginas kann Emilia unterschiedlich deuten. Es kann z. B. bedeuten „Ich brauche eine Auszeit“ oder auch „Ich kann dich nicht leiden“ oder auch „Kümmere dich um mich“.
5. „Kommunikation ist symmetrisch oder komplementär.“
Beziehungen zwischen Partnern basieren entweder auf Gleichheit oder auf Unterschiedlichkeit.
In komplementären Beziehungen ergänzen sich unterschiedliche Verhaltensweisen und
bestimmen den Interaktionsprozess. Die Beziehungsgrundlage besteht hierbei im Unterschied der Partner.
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